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Full text of "Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst"

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https://archive.org/details/archivfurfrankfu1718fran 


ARCHIV 


Neue  Folge. 


Herausgegebe  n 

von  dem 

Vereine  für  Geschichte  und  Alterthumskunde 

zu  Frankfurt  am  Main. 


Neunter  Band. 


Mit  2  Abbildungen. 


FRANKFURT  a.  M. 

K.  TH.  V  ÖLCKER’S  VERLAG. 
1  8  8  2. 


Druck  von  Kumpf  &  Reis  in  Frankfurt  a.  M. 


Geschichte  dek  Schauspielkunst 
in  Fkankeuet  a.  M. 

VON  IHREN  ANFÄNGEN 

BIS  ZUR 

ERÖFFNUNG  DES  STÄDTISCHEN  KOMÖDIENHAUSES. 


EIN  BEITRAG 

ZUR  DEUTSCHEN  KULTUR-  UND  THEATERGESCHICHTE 


VOX 


E.  MENTZEL. 


V  o  r  w  o  r  t. 


Üiine  ausführliche  und  umfassende  Geschichte  des 
Entwicklungsganges  der  dramatischen  Kunst  in  Deutsch¬ 
land  kann  nur  dann  erreicht  werden,  wenn  die  Vergangen¬ 
heit  der  bedeutendsten  vaterländischen  Bühnen  aus  dem 
täuschenden  Zwielicht  traditioneller  Nachrichten  heraus¬ 
gezogen  und  auf  Grund  archivalischer  Quellen  in  die 
klare  Beleuchtung  thatsächlicher  Wahrheiten  gestellt  wird. 

Das  Erscheinen  verschiedener  hochwichtiger  Werke 
über  die  Entwicklungsgeschichte  einiger  deutscher  Theater 
und  der  erfreuliche  Aufschwung,  welchen  die  Special¬ 
forschung  allenthalben  auf  diesem  Gebiete  genommen, 
liefern  einen  deutlichen  Beweis  dafür,  wie  sehr  man  im 
Laufe  der  letzten  Jahrzehnde  gelernt  hat,  die  Schauspiel¬ 
kunst  in  ihrer  sittlichen  und  nationalen  Bedeutung  zu  be¬ 
greifen  und  die  Theatergeschichtsschreibung  als  einen  Haupt¬ 
beitrag  zur  Kulturgeschichte  unseres  Volkes  anzusehen. 

Obgleich  ich  seit  Jahren  alle  auf  die  Vergangenheit 
der  hiesigen  Bühne  bezüglichen  Nachrichten  gesammelt 
habe  und  manchmal  unverhofft  in  den  Besitz  der  werth¬ 
vollsten  Mittheilungen  gekommen  bin,  so  fasste  ich  doch 
nicht  ohne  Zagen  nach  weiteren  Vorstudien  im  Juli  vorigen 
Jahres  den  Entschluss,  zum  hundertjährigen  Gedenktage 
der  Eröffnung  des  hiesigen  Schauspielhauses  einige  Aufsätze 
über  die  hauptsächlichsten  Entwicklungsphasen  der  drama¬ 
tischen  Kunst  in  Frankfurt  zu  schreiben.  Der  Gedanke  an 
die  Abfassung  einer  zusammenhängenden  Geschichte  des 
Theaters  lag  mir  damals  noch  sehr  fern,  und  ich  würde 
wohl  niemals  den  kühnen  Vorsatz  zur  Bearbeitung  einer 
solchen  gefasst  haben,  wenn  ich  nicht  von  dem  Vorstande 
des  hiesigen  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde 
den  ehrenvollen  Auftrag  dazu  erhalten  hätte. 


VI 


Der  für  meine  Arbeit  in  Betracht  kommende  arclii- 
valisclie  Stoff  war  einestheils  sehr  spärlich,  anderntheils  in 
sehr  schwer  zu  bewältigenden  Massen  vorhanden.  Herr 
Stadtarchivar  Dr.  Gfrotefend  hat  die  Güte  gehabt,  mir 
nicht  allein  mit  einem  grossen  Aufgebot  von  Mühe  und  Zeit 
in  jeder  Weise  beizustehen,  sondern  mir  auch  sogar  einen 
Theil  seiner  höchst  werthvollen  Goetheforschungen  abzu¬ 
treten,  ohne  welche  einer  der  wichtigsten  Abschnitte  dieses 
Buches  ein  sehr  mangelhaftes  Stückwerk  geblieben  wäre. 

Indem  ich  Herrn  Dr.  Grotefend  hierfür  sowie  für 
die  mannigfaltigen,  mir  durch  ihn  zu  Theil  gewordenen 
Unterstützungen  und  Anregungen  bestens  danke,  erfülle  ich 
zugleich  die  angenehme  Pflicht,  dem  Herrn  Stadtbibliothekar 
Dr.  Haueisen,  dem  Herrn  Dr.  Richard  Froning  und 
dem  Herrn  Dr.  Ernst  Kelch  ne  r  für  ihre  Förderung 
meiner  Arbeit  den  verbindlichsten  Dank  abzustatten. 

Auch  allen  denen,  welche  mich  durch  wichtige  Mit¬ 
theilungen  unterstützt  und  mir  aus  ihren  Bibliotheken  und 
Sammlungen  werthvolle  Beiträge  überlassen  haben,  spreche 
ich  hiermit  meinen  besten  Dank  aus. 

Trotzdem  ich  bedacht  war,  jede  mir  zu  Gebote  stehende 
Hülfsquelle  gewissenhaft  auszunutzen  und  soviel  als  möglich 
alle  über  die  ältere  Zeit  des  hiesigen  Theaters  vorhandenen 
Nachrichten  aufzufinden ,  so  kann  ich  doch  meine  Arbeit 
keineswegs  als  ein  Werk  von  erschöpfender  Vollständigkeit 
ansehen.  Dies  ist  um  so  weniger  möglich,  als  ich  das 
Gebiet  der  Frankfurter  Theatergeschichte  zum  ersten  Mal 
ausführlich  bearbeitete  und  mit  einer  Menge  von  falschen 
Ueberlieferungen  zu  kämpfen  hatte.  Vielleicht  sind  mir 
auch  ungeachtet  des  gründlichsten  Forschens  wichtige 
Quellen  unbekannt  geblieben,  durch  deren  Benutzung 
etwaige  Lücken  ausgefüllt,  etwaige  Mängel  hätten  ver¬ 
mieden  werden  können.  Ich  glaube  deshalb  mit  der 
in  der  Handelswelt  üblichen  Formel  schliessen  zu  sollen: 

Salvo  errore  et  omissione. 
FRANKFURT,  im  August  1882. 


E.  MENTZEL. 


Inlialts-Verzeiclmiss, 


Seite 

Einleitung .  1 — 2 

Die  Bürgerspiele .  3 — 20 

Die  ersten  Berufskomödianten  in  Frankfurt . 21 — 42 

Englische  Komödianten  in  Frankfurt  von  1G00 — 1631  .  43 — 66 

Fahrende  Wandertruppen  von  der  Mitte  des  30 jährigen  Krieges 

bis  1679  .  67—101 

Magister  Yelthen  in  Frankfurt . 102 — 129 

Die  dramatische  Kunst  in  Frankfurt  von  dem  Beginne  des  XV 111 .  Jahr¬ 
hunderts  bis  zum  ersten  Auftreten  der  Neüberin . 1 30 — 154 

Die  Neüberin  zum  ersten  Male  in  Frankfurt . 155 — 176 

Frankfurter  Bühnenlehen  -während  der  Krönung  Karl's  VII.  1742 

und  Franz  I.  1745  .  177 — 209 

Franziskus  Schuch  und  seine  unmittelbaren  Nachfolger . 210 — 246 

Die  französische  und  deutsche  Komödie  von  1759  bis  1763  und 

ihr  Einfluss  auf  den  jungen  Goethe .  247 — 270 

Theater  in  Frankfurt  während  der  Krönung  Joseph’s  II .  271 — 284 

Vater  Bemardon  in  Frankfurt .  285 — 310 

Theobald  Marchand’s  Wirken  in  Frankfurt . 311 — 340 

Die  Seyler’sche  Gesellschaft  und  die  ersten  Frankfurter  Theater¬ 
kritiken  .  341 — 381 

Die  letzten  Waudeijahre  der  Bühne  in  Frankfurt .  382 — 399 

Schluss  . .  400 — 402 

Anmerkungen . . .  .  403 — 416 

Beilagen . , . 417—535 

Namen-  und  Sach-Register  zum  Texte .  536 — 544 


Berichtigungen. 


Seite 

48 

lies 

Ben  Jon  so n 

statt  Ben  Janson. 

» 

249 

» 

Note  37  9 

»  397. 

» 

285 

» 

Note  439 

»  934. 

» 

279 

» 

Madame  Auvray 

»  Madame  Aurray. 

Zu  Seite  397 — 399.  Nach  der  Ausgabe  von  1781 ,  Leipzig  bei  Christian 
Gottlob  Eilseber,  heisst  es  Hanno  Fürst  in  Norden,  nicht  im  Norden,  welche 
letztere  Bezeichnung  sich  in  Theaterzeitungen  und  Almanachen  Yorfindet.  Gross¬ 
mann  nannte  in  der  Einladung  zur  Eröffnungsvorstellung  das  Stück:  »Hanno, 
Fürst  von  Norden?. 

Seite  399.  Nach  einer  getroffenen  Veränderung  im  Repertoire  wird  nicht 
Frl.  "VVeisse,  sondern  Frau  Stägemann  die  Rolle  der  Prinzessin  Ornithe  spielen. 


Einleitu  n  g\ 


Das  grosse  Verdienst,  die  ersten  theatralischen  Aufführungen 
in  Frankfurt  veranstaltet  zu  haben,  gebührt  den  Geistlichen  der  drei 
Collegiatstifter ,  die  zum  öfteren  in  der  Oster-  und  Pfingstzeit  des 
Jahres  unter  dem  Beistände  ihrer  Schüler  und  der  jungen  Bürger¬ 
schaft  geistliche  Spiele,  die  sogenannten  Mysterien,  zur  Darstellung 
brachten. 

Die  bisherigen  Forschungen  über  die  hier  wirklich  aufgeführten 
geistlichen  Spiele  1  führten  nicht  weiter  als  auf  das  XV.  Jahrhundert 
zurück,  und  wenn  hie  und  da  ausgesprochen  wurde,  dass  schon  im 
XIV.  Jahrhundert  kirchliche  theatralische  Vorstellungen  stattfanden,  so 
beruhte  diese  Annahme  lediglich  auf  Vermutlmng. 

Neuere  Forschungen  haben  ergeben,  dass  die  Abfassung  der  zu 
den  Schätzen  unserer  Stadtbibliothek  gehörigen  und  von  Fichard  in 
das  Jahr  1506  gesetzten  Dirigirrolle  des  Bartholomäusstiftes  bereits 
in  das  XIV.  Jahrhundert  fällt,  in  welchem  die  geistlichen  Spiele  einen 
streng  religiösen  Charakter  trugen  und  von  den  späteren  verwelt¬ 
lichenden  Einflüssen  noch  keine  Spuren  aufzuweisen  haben.  Der 
gelehrte  und  fleissige  Baldemar  von  Peterweil,  Kanonikus  am  Bartho¬ 
lomäusstifte,  unterwarf  die  Rolle,  wie  seine  Bemerkungen  im  Text 
und  am  Rande  derselben  bezeugen,  einer  genauen  Durchsicht,  die 
ziemlich  sicheren  Berechnungen  zu  Folge  bald  nach  der  Mitte  des 
XIV.  Jahrhunderts  vorgenommen  sein  muss.  Baldemar  von  Peterweil 
wird  schon  1384  in  einer  Urkunde  als  verstorben  erwähnt. 

Um  so  interessanter  ist  deshalb  eine  Vergleichung  dieser  Dirigir¬ 
rolle  mit  dem  von  Herrn  Archivar  Dr.  Grotefend  aufgefundenen 
Passionsspiel  von  1493,  welches  eine  grosse  sachliche  Uebereinstim- 
mung  mit  dem  der  Rolle  zu  Grunde  liegenden  Spiel  enthält.  Das  über 
die  Frankfurter  Passionsaufführungen  aus  Lokalquellen  neu  gewonnene 
Material  gewährt  in  Verbindung  mit  der  Vergleichung  der  beiden  Spiele 
reiche  Blicke  in  die  hiermit  zusammenhängenden  Verhältnisse.  2 

1 


2 


Namentlich  ist  die  mehrfach  in  jener  Zeit  auftauchende  Absicht, 
sogenannte  Bruderschaften  zur  Aufführung  von  geistlichen  Spielen  zu 
bilden,  eine  für  das  Frankfurter  Leben  bisher  noch  nicht  genügend 
gewürdigte  Erscheinung.  Der  letzte  Versuch  einer  Bruderschaft  zur 
Aufführung  eines  solchen  Mysteriums  fällt  in  das  Jahr  1515,  also  in 
eine  Zeit,  wo  die  humanistischen  Bestrebungen  es  der  bedrängten 
Kirche  zur  Aufgabe  machten,  die  dramatischen  Aufführungen  als  ein 
bedeutendes  Wirkungsmittel  auf  das  Volk  sicli  zu  erhalten. 

Die  bald  in  hohen  Wogen  hereinbrechende  Deformation ,  zu 
deren  Hauptforderungen  auch  die  Vermeidung  von  äusserlichem  Ge¬ 
pränge  in  geistlichen  Dingen  gehörte,  hatte  einen  bewussten  Wider- 
stand  gegen  kirchliche  theatralische  Aufführungen  zur  Folge. 

Erst  nach  völliger  Rückkehr  zu  geordneten  Verhältnissen  in 
den  vierziger  Jahren  des  X  VI.  Jahrhunderts,  treten  in  Frankfurt  aufs 
Neue  dramatische  Bestrebungen  hervor,  che  zwar  von  einem  anderen 
Geiste  getragen  wurden  wie  die  Passionsspiele,  aber  sowohl  durch 
die  Wahl  der  Stoffe  wie  durch  die  Art  ihrer  Abhaltung  wieder  auf 
dieselben  zurückgreifen. 


Die  Bürgerspiele. 

i. 

Dass  auch  in  Frankfurt  den  theatralischen  Leistungen  der  Kirche 
die  ersten  Versuche  berufsmässiger  Darstellungskunst  zeitlich  eben¬ 
bürtig  waren,  beweist  die  frühe  Erwähnung  von  Spielleuten,  Mimen, 
Tänzern  und  Gauklern,  deren  grösste  Thätigkeit  sich  in  der  alten 
Reichsstadt,  wie  überall  in  Deutschland,  hauptsächlich  in  der  Zeit  der 
Messen  entfalten  durfte.  Von  welcher  zweideutigen  Art  aber  diese 
ersten  schauspielerischen  Versuche  gewesen  sein  müssen,  erkennen 
wir-  an  dem  ererbten  Vorurtheil  der  Nachlebenden,  welche  in  den 
folgenden  Jahrhunderten  ohne  Bedenken  die  ersten  Berufskomödianten 
zu  den  unehrlichen  Leuten ,  ja  zu  dem  Auswurf  der  Menschheit 
zählten.  Müssen  wir  also  auch  jene  Mimen,  Tänzer  und  Gaukler 
die  eigentlichen  Ahnherren  der  Schauspielkunst  nennen,  so  dürfen  wir 
aber  eben  so  wenig  verschweigen,  dass  sie  es  waren,  die  ihrem 
Geschlechte  diesen  gefährlichen  und  von  den  edelsten  Jüngern  der 
dramatischen  Kunst  oft  schmerzlich  empfundenen  Makel  aufprägten. 

Aber  nicht  allein  von  fahrenden  Gauklern  sind  mimische 
Leistimgen  zu  verzeichnen,  auch  in  dem  Volke  der  alten  Reichsstadt 
schlummerte  der  uralte  Trieb  der  Darstellungskunst ,  der  sich  zur 
Fastnachtszeit  in  mannigfaltigen  Mummereien,  in  ausgelassener  Lustig¬ 
keit  und  in  verschiedenen  pantomimischen  Tänzen  Ausdruck  verschaffte. 

Mehr  als  ein  Decennium  vor  der  Aufführung  des  unter  der 
Leitung  des  Vicars  Enolphus  vom  Bartholomäusstifte  als  Rector  14G7 
in  Scene  gesetzten  Mysteriums  findet  sich  die  Erwähnung  eines  Spiels, 
welches  »Gesellen«  auf  Fastnacht  aufführen  wollen.  Der  Rath  gestattete 
dasselbe  nicht  allein,  er  lieh  auch  die  Bretter  und  Dielen  zum  Gerüst 
unter  der  Bedingung,  dass  die  Mitwirkenden  die  Löcher  im  Pflaster 
wieder  zumachen  würden.  3 

Da  der  Römerberg  schon  Anfangs  des  fünfzehnten  Jahrhunderts 
gepflastert  war,  lässt  sich  mit  einiger  Gewissheit  annehmen,  dass  die 
Aufführung  hier  abgehalten  wurde ;  welcher  Art  jedoch  das  Spiel 
gewesen,  kann  nur  aus  literarhistorischen  Vergleichen  vermuthet  oder 
annähernd  bestimmt  geschlossen  werden.  —  Vielleicht  war  es  ein 

1* 


4 


Fastnachtsspiel  von  Hans  Rosenplüt,  dessen  dichterische  Thätigkeit 
bei  dem  lebhaften  Handelsverkehr  zwischen  Frankfurt  und  Nürnberg 
schon  in  der  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts  den  meisten  Bürgern  der 
alten  Handelsstadt  einigermassen  bekannt  sein  musste. 

Wenn  aber  auch  bei  diesem  Spiele  von  vielen  Brettern  und 
Dielen  zum  Gerüst  die  Rede  ist,  so  würden  wir  uns  sehr  täuschen, 
falls  wir  die  Bühne  der  Fastnachtsspiele  mit  dem  immerhin  nach 
gewissen  Regeln  errichteten  Aufbau  zu  den  Mysteriendarstellungen 
vergleichen  wollten. 

Nichts  ist  einfacher  als  der  theatralische  Apparat  zu  einem 
solchen  Schwank  von  Hans  Sachs  oder  Hans  Rosenplüt,  bei  welchem 
meist  der  geräumige  Platz  zu  einer  ungeschlachten  Prügelei  zwischen 
den  Spielenden  die  Hauptsache  bildete.  Wurden  die  Schwänke  nicht 
in  geschlossenen  Räumen  aufgeführt,  dann  schlug  man  ganz  einfach 
vier  Hauptpfähle  und  verschiedene  Stützbalken  in  die  Erde  und  be¬ 
legte  dieselben  so  mit  Brettern,  dass  eine  quadratische  Bühne  ent¬ 
stand.  Auf  dieser  trugen  sich  dann  die  ungehobelten  burlesken 
Scenen  zu,  welche  bei  dem  damaligen  derben  Sinn  des  Volkes  stets 
einen  so  allgemeinen  Beifall  fanden. 

Auf  Fastnacht  1463  —  also  vier  Jahre  vor  der  ersten  Auf¬ 
führung  des  oben  erwähnten  geistlichen  Spiels  —  suchten  nicht  näher 
bezeiclmete  Gesellen  beim  Rath  um  die  Erlaubniss  nach,  den  heid¬ 
nischen  Tanz  thun  zu  dürfen.4  Sie  erhielten  unter  der  Bedingung 
Willfahrung,  »dass  sie  sich  nicht  vermalen  sollten«,  welche  Warnung 
gleichbedeutend  ist  mit  einem  etwa  hundert  Jahre  älteren  Verbot 
gegen  das  Vermachen  unter  den  Augen.5 

Der  heidnische  Tanz  ist  ohne  Zweifel  eine  christliche  Umbildung 
der  um  die  Zeit  der  Frühlingswende  bei  den  heidnischen  Franken 
und  Chatten  abgehaltenen  Feierlichkeiten.  Wie  bei  jenen  Stämmen 
junge  Leute  in  vermummter  Gestalt  erschienen  und  die  greulichen 
Lindwürmer  darstellten,  mit  welchen  —  nach  den  alten  Liedern  — 
des  Volkes  Helden  kämpfen  mussten,  so  trat  die  Jugend  des  Mittel 
alters  bei  den  sogenannten  heidnischen  Tänzen  vermalt  und  in  ver¬ 
mummter  Thier-  und  Teufelsgestalt  auf,  deren  Aussehen  bei  den 
Zuschauern  ebensoviel  Grausen  als  Belustigung  erregte. 

Alle  diese  volksthümlichen  Elemente  der  Schauspielkunst  wurden 
jedoch  dadurch  in  andere  Bahnen  geleitet,  dass  die  Kirche  deren  hohe 
Bedeutung  anerkannte  und  sie  mit  ihrem  ernsten  biblischen  Stoffe 
verband.  Gerade  die  lustigen  Scenen  im  geistlichen  Drama  waren 
es  ja,  welche  auf  die  grosse  Masse  wirkten  und  mehr  noch  als  die 
Versinnlichung  der  heiligen  Geschichten  die  Fühlung  der  Kirche  mit 
dem  Volke  unterhielten. 

Ob  am  Schlüsse  des  15.  Jahrhunderts  neben  den  grossartigen 
geistlichen  Spielen  die  weltliche  Schauspielkunst  in  Frankfurt  noch  ihre 
selbständigen  Wege  ging,  muss  trotz  der  eingehendsten  Forschung 


5 


dahingestellt  bleiben.  Ein  unbekannter  Schriftsteller  des  siebzehnten 
Jahrhunderts  spricht  zwar  in  seinem  Büchlein  »Allerhand  neve  und 
schöne  Historien  so  in  vorigen  Zeyten  allhiero  würklich  passiret  sind« 
(Frankfurt  1618)  von  einer  Darstellung  eines  Spiels  vom  Hans 
Sachsen  zu  Nürnberg,  worin  ein  Kranker  mit  einem  dicken  ge¬ 
schwollenen  Bauche  vorkam,  der  unter  dem  jämmerlichsten  Geschrei 
des  Patienten  und  dem  Gejauchze  der  Zuschauer  vom  Arzt  mit 
Hülfe  seines  Knechts  aufgeschlitzt  wurde. 

Ohne  Zweifel  meint  der  Verfasser  des  eben  genannten  Büch¬ 
leins  den  sinnreichen,  aber  etwas  anstössigen  Schwank  von  Hans 
Sachs,  in  welchem  der  Arzt  nach  derselben  Verrichtung  dem  Kranken 
mit  einer  grossen  Zange  allerlei  zeitgemässe  Untugenden  in  Form 
kleiner  Narrenpuppen  aus  dem  Bauche  holt  und  dem  Publikum  vor¬ 
zeigt..  Ehe  er  dem  erlösten  Patienten  den  Bauch  wieder  zunäht, 
schneidet  er  ihm  noch  einen  Ansatz  von  kleinen  Närrchen  heraus, 
deren  schnelles  Heranwachsen  leicht  wieder  den  alten  Zustand  herbei¬ 
führen  könnte.  Bei  der  öfteren  Aufführung  und  dem  Erfolg,  welchen 
dieser  Schwank  in  Nürnberg  erlebte,  Hesse  sich  nun  leicht  annehmen, 
dass  er  auch  in  Frankfurt  zur  Darstellung  gekommen  wäre.  Da  aber 
die  alten  QueHenschriften  jeglicher  Mittheilung  hierüber  entbehren, 
kann  man  wohl  mit  grosser  Sicherheit  sagen,  dass  sich  der  Verfasser 
um  ein  halbes  Jahrhundert  geirrt  hat.  Wie  später  noch  ausführlicher 
erwähnt  -werden  soU,  spielten  im  FrühHng  des  Jahres  1585  Nürn¬ 
berger  Komödienspieler  und  Gaukler  in  einer  Bude  am  Main  und 
bei  dieser  sahen  ohne  Zweifel  »die  Väter«  des  ungenannten  Frank¬ 
furter  Schriftstellers  einer  DarsteHung  vom  »Narren schneiden«  zu. 

Man  kann  es  geradezu  behaupten,  dass  von  dem  Zeitpunkt  an, 
wo  die  alten  Reichsstädter  durch  die  häufigen  Aufführungen  der 
Passionsspiele  anhaltende  Eindrücke  wirklich  scenischer  Darstellungen 
empfingen,  wohl  noch  Mummereien  und  sonstige  Belustigungen,  aber 
keine  eigentüchen  Fastnachtsspiele  mehr  in  Scene  gesetzt  wurden. 
Auch  war  ja  die  Theilnahme  an  den  Mysterien  eine  so  ausserordent¬ 
liche,  dass  unmöglich  eine  dramatische  Richtung  neben  denselben 
aufkonnnen  konnte,  bei  der  nichts  weniger  als  der  kirchliche  Gehalt 
den  Lebensnerv  des  Daseins  ausmachte. 

Erst  als  die  geistlichen  Spiele  durch  das  Ausbeuten  der  bur¬ 
lesken  Scenen  und  die  lustigen  Nachfeste  verweltlichten,  erst  dann 
hätte  das  Fastnachtsspiel  eines  Hans  Sachs  den  Vorantritt  in  dem 
weiteren  Entwicklungsgang  der  dramatischen  Kunst  in  Frankfurt  er¬ 
langen  können. 

Aber  in  jener  Zeit  schlug  Luther  die  95  Sätze  an  das  Portal 
der  Schlosskirche  zu  Wittenberg,  deren  Inhalt  wie  ein  flammender 
Blitz  in  den  in  Frankfurt  angesammelten  Zündstoff  einschlug.  Ob 
als  Freund  oder  Feind,  ob  für  oder  wider,  Alles  nahm  Stellung  zu 
dem  grossen  Werk  der  Kirchenerneuerung,  welches  in  der  alten 


6 


Reichsstadt  sofort  eine  Schaar  begeisterter  Anhänger  finden  sollte. 
Aber  nicht  wie  in  den  deutschen  Hauptstädten  der  Schweiz  fand 
auch  in  Frankfurt  die  reformatorische  Bewegung  ihr  unmittelbares 
Echo  in  den  dramatischen  Aufführungen.  Hier  las  man  zwar  die 
Schauspiele,  welche  die  lebensvolle  dramatische  Form  als  wichtiges 
Streitmittel  gegen  die  Misswirtschaft  des  Papstthums  benutzten,  aber 
das  bretterne  Gerüst  der  Mysterienbühne  verwandelte  sich  nicht  in 
eine  Kanzel,  von  welcher  aus  die  Stimme  für  die  geläuterte  Lehre 
des  Evangeliums  hätte  erhoben  werden  können. 

Auch  das  komische  Fastnachtsspiel  fand  in  der  ernsten,  bewegten 
Zeit  nach  dem  Reichstag  zu  Worms  kein  günstiges  Erdreich,  in 
dem  seine  alten  Wurzeln  neu  hätten  ausschlagen  können. 

Ein  Menschenalter  entschwand,  ehe  der  Sturm  sich  in  den 
Gemiithern  einigermassen  gelegt  hatte,  ehe  die  dramatische  Kunst  an 
der  Hand  eines  »teutschen  Schulmeisters«  den  Boden  des  neuen 
Glaubens  in  Frankfurt  betreten  durfte.  Es  waren  jedoch  keine  heiteren 
possenhaften  Spiele,  womit  man  den  Zuschauern  zuerst  die  Lust  an 
dramatischen  Darstellungen  wieder  zu  erwecken  suchte. 

Dem  ernsten  Charakter  der  Zeit  entsprechend,  wählte  man  in 
Frankfurt  bis  zum  Auftreten  der  Nürnberger  Spielleute  nur  Gegen¬ 
stände  aus  der  Bibel  und  der  Legende,  in  welche  freilich  —  wie  ehe¬ 
mals  in  die  Mysterien  - —  als  besondere  Würze  komische  Intermezzos 
eingeflochten  waren. 

Ehe  die  Aufführung  der  in  der  Reformationszeit  entstandenen 
Schauspiele  eingehendere  Schilderung  finden  kann,  muss  noch  er¬ 
wähnt  werden,  dass  nach  den  vorliegenden  Schriftquellen  lateinische 
Schulkomödien  in  ihrer  eigentlichen  Blüthezeit  in  Frankfurt  nicht 
aufgeführt  wurden.  Der  Humanismus,  —  der  Tater  dieser  dramati¬ 
schen  Hebungen  im  Latein,  —  konnte  selbst  nur  unter  einer  Maske 
in  die  drei  alten  Stifter  ein  dringen,  deren  Schüler  durch  andere 
Hülfsmittel  im  öffentlichen  Vortrag  und  classischer  Diction  geübt 
werden  mussten,  als  durch  die  Recitation  verfänglicher  Werke  der 
heidnischen  Poeten  Plautus  und  Terenz. 

Obgleich  die  neue  Gattung  der  Schulkomödien  durch  ihre 
stereotype  Einseitigkeit  der  dramatischen  Kunst  nicht  mehr  Dienste 
leistete,  als  die  geistlichen  Spiele,  so  wäre  es  doch  interessant  ge¬ 
wesen,  erforschen  zu  können,  ob  vielleicht  in  der  1520  in  Frankfurt 
gegründeten  Schola  Patriciorum  die  Aufführung  einer  lateinischen 
Comödie  stattgefunden  hat.  — 

Kurz  vordem  Luther  auf  seiner  Reise  nach  Worms  in  der  alten 
Reichsstadt  einkehrte,  hatten  bekanntlich  einige  der  neuen  Lehre 
zuneigende  Patricier  auf  Vorschlag  des  Erasmus  von  Rotterdam  den 
jungen  gelehrten  Humanisten  Wilhelm  Nesenus  als  Lehrer  ihrer 
Söhne  nach  Frankfurt  berufen.  Aber  so  viel  man  auch  darüber 
weiss,  dass  Nesenus  durch  seine  humanistischen  Bestrebungen  die 


7 


Verbreitung  der  neuen  Lehre  fördern  half,  so  spärlich  fliessen  die 
Quellen  über  seine  eigentlich  pädagogische  Wirksamkeit.  Wenn 
man  jedoch  seine  feurige  Natur,  seine  Begeisterung  für  die  reforma- 
torische  Bewegung  in  Betracht  zieht,  so  möchte  man  fast  mit 
Sicherheit  annehmen,  dass  auch  Nesenus  —  wie  so  mancher  seiner 
zeitgenössischen  Collegen  —  diesen  neu  entdeckten  Kampfplatz  für 
die  Ausfechtung  der  dogmatischen  Streitfragen  keineswegs  unbenutzt 
liess.  — 

Die  erste  von  uns  aufgefundene  actenmässige  Erwähnung  einer 
lateinischen  Komödie,  die  von  den  Scholaren  der  Barfüsserschule  auf¬ 
geführt  wurde,  fällt  in  das  Jahr  1591,  also  in  eine  Zeit,  in  welcher 
die  Werke  des  Plautus  und  Terenz  bereits  von  biblischen  oder  legen¬ 
darischen  Stoffen  im  antiken  Gewände  verdrängt  worden  waren.  Es 
handelt  sich  hier  um  eine  Darstellung  der  Komödie  von  der  Susanna, 
welches  Stück  der  Rector  der  Schule  wahrscheinlich  selbst  verfasst 
hatte.  Seine  Bitte  an  den  Rath  lässt  trotz  einer  Erwähnung  der  Be- 
sorgniss  erregenden  Zeitumstände  durchblicken,  dass  er  beabsichtige, 
die  Komödie  mit  seinen  Schülern  auf  einem  öffentlichen  Platz  ausser¬ 
halb  der  Schule  zur  Darstellung  zu  bringen,  aber  der  Rath,  der  ein 
derartiges  öffentliches  Examen  im  Lateinischen  offenbar  nicht  wünschte, 
gestattete  nur  eine  Aufführung  in  der  Schule,  mit  dem  Zusatz,  dass 
dieselbe  innerhalb  der  nächsten  vierzehn  Tage  stattgefunden  haben 
müsse. 6 

Ein  Jahr  später,  um  dieselbe  Zeit,  erbat  sich  der  Rector  der 
nämlichen  Schule  "wieder  vom  Rath  die  Erlaubniss  zur  Aufführung 
der  Komödie  vom  König  David  und  dem  Philister  Goliath.  Noch 
mehr  als  bei  seinem  ersten  Antrag  erkennt  man  in  dieser  Bittschrift 
das  Bestreben  des  gelehrten  Mannes,  die  Leistungen  seiner  Scholaren 
öffentlich  zu  präsentiren.  Er  erwähnt  zwar  auf’s  Neue  »die  bedenk¬ 
lichen  Zeitläuffte«,  aber  er  fügt  hinzu,  dass  er  die  Komödie  lauge 
einstu dirt  und  die  Absicht  habe,  dieselbe  vor  einer  öffentlichen  Dar¬ 
stellung  im  Stillen  mit  den  dazu  gehörigen  Gewändern  zu  versuchen. 
Darnach  wendet  sich  der  Rector  noch  in  feiner  Weise  an  die  be¬ 
kannte  Freigebigkeit  des  Rathes,  welche  derartige  Darstellungen  nicht 
allein  durch  Balken  und  Dielen  zum  Gerüste,  sondern  in  neuerer 
Zeit  auch  durch  sonstige  Beisteuern  zu  unterstützen  pflegte.  Jedoch 
die  Väter  der  Stadt  gingen  diesmal  ebensowenig  auf  das  Begehren 
des  Rectors  ein  wie  das  erste  Mal.  Sie  gestatteten  zwar  den  Ver¬ 
such  dieser  Komödie  im  Stillen,  aber  sie  erliessen  die  Verordnung, 
die  öffentliche  Action  derselben  noch  zur  Zeit  einzustellen. 7 

Es  ist  wohl  möglich,  dass  in  der  Folgezeit  besonders  bei  feier¬ 
lichen  Schulacten  noch  viele  solcher  lateinischen  Komödien  aufgeführt 
wurden,  die  Luther  in  einem  Briefe  an  Joh.  Cellarius  aus  vielfachen 
Gründen  für  ein  so  bedeutendes  Bildungsmittel  der  Jugend  aner¬ 
kannte.  Aber  je  selbständiger  die  dramatische  Kunst  in  Frankfurt 


8 


wurde,  desto  weniger  Einfluss  hatten  diese  lateinischen  Exercitien  in 
dramatischer  Form  auf  deren  weiteren  Entwicklungsgang.  Wir  ver¬ 
weisen  sie  deshalb  in  der  Folge  auf  das  Gebiet  der  pädagogischen 
Betrachtung  und  kehren  nach  einem  so  grossen  Vorsprung  zu  dem 
Zeitpunkt  zurück,  wo  Mathis  Reuter  (Reiter),  »teutscher  Schulmeister«, 
im  Jahre  1545  das  erste  Schauspiel  eines  protestantischen  Dichters 
auf  dem  Römerberg  zur  Darstellung  brachte.8  Ihm  halfen  bei  diesem 
Unternehmen  seine  grösseren  Schüler  und  die  Zünfte,  die  mittler¬ 
weile  ein  starker  Halt  des  jungen  Glaubens  geworden  waren. 

Zu  den  Glanzpunkten  der  Frankfurter  Theatergeschichte  gehört 
unstreitig  die  Thatsache,  dass  dieses  Stück  »ein  geistliches  Spiel  von 
der  gottesfürchtigen  und  keuschen  Frawen  Susannen« 9  das  bedeu¬ 
tendste  Werk  eines  Dichters  war,  der  seine  gleichstrebenden  Zeit¬ 
genossen  in  jeder  Beziehung  um  Haupteslänge  überragte. 

Paul  Rebhun,  der  Freund  Luthers  und  Melanchthons,  ist  einer 
der  wenigen  Gelehrten  jenes  Zeitalters,  welche  mit  einer  umfassen¬ 
den  humanistischen  Bildung  den  Sinn  für  die  Veredlung  der  deut¬ 
schen  Volksdichtung  zu  paaren  verstanden.  Das  fünfactige  Drama 
»Susanna«  von  Paul  Rebhun  ragt  nicht  allein  dadurch  über  alle 
derartigen  gleichzeitigen  Werke  hervor,  dass  seine  Gestalten  über¬ 
raschende  Züge  psychologischer  Wahrheit  und  Feinheit  in  sich  tragen, 
sondern  auch  durch  den  weiteren  Vorzug,  dass  sich  in  ihm  trotz 
der  volkstümlichen  Form  genau  die  Einflüsse  naclnveisen  lassen, 
welche  die  classischen  Studien  auf  das  biblische  Drama  der  Reforma¬ 
tionszeit  ausübten. 

In  der  »Susanna«  baut  Rebhun  zum  ersten  Mal  den  biblischen 
Stoff  nach  den  Regeln  des  antiken  Dramas  auf.  In  richtigem  drama¬ 
tischen  Gefühl  zieht  er  eine  engere  Linie  um  den  Kreis  der  eigent¬ 
lichen  Handlung,  als  seine  Vorgänger  gethan,  und  theilt  sie  in  fünf 
wohlgegliederte  Hauptstücke  oder  Acte.  Auf  einen  jeden  derselben 
lässt  der  Dichter  metrisch  vollendete  musikalische  Chöre  folgen,  welche 
ungefähr  dieselbe  Stellung  zur  dargestellten  Handlung  einnehmen, 
wie  die  Chöre  zu  der  Handlung  des  griechischen  Dramas. 

Obgleich  nun  Rebhun  zur  dramatischen  Charakterisirung  der 
Hauptpersonen  seinen  Stoff  noch  durch  einige  dichterischen  Zusätze 
bereicherte,  so  ist  er  doch  im  Ganzen  der  bekannten  biblischen  Er¬ 
zählung  bis  aufs  Kleinste  getreu  geblieben.  Mit  einer  klaren  und 
sicheren  Empfindung  für  das  dramatisch  Wirksame  giebt  Rebhun 
den  bedeutendsten  Momenten  dieser  an  dramatischem  Gehalt  so  reichen 
Historie  auch  in  seinem  Drama  ihren  rechten,  in  die  Augen  fallen¬ 
den  Platz.  Wir  müssen  dies  um  so  mehr  bewundern,  wenn  wir 
seine  »Susanna«  mit  der  langen  Reihe  von  Susannen  vergleichen, 
welche  in  der  Folge  von  andern  Dichtern  der  Reformationszeit  ver¬ 
fasst  wurden. 

Die  »Susanna«  von  Paul  Rebhun  gelangte  schon  1535  in  Kahla 


9 


Leitung 


in 


im  Thüringischen  und  später  (1544)  in  Oelsnitz  durch  Bürger  zur 
Aufführung.  Zwischen  die  spätere  Darstellung  des  Dramas  zu  Münner- 
stadt  10  im  Jahre  1549  fällt  die  unter  Mathis  Reuters 
Frankfurt  1545  am  29.  Juli  auf  dem  Römerber^ 

Stellung. 

Dieser  »teutsche  Schulmeister«,  der,  wenn  wir  einer  traditionel¬ 
len  Mittheilung  glauben  dürfen,  aus  dem  Thüringischen  stammte,  er¬ 


stattgefundene  Y  or- 


warb  sich  nicht  nur  das  Verdienst,  nach 


langer 


Verbannung  der 


dramatischen  Kunst  wieder  Eingang  in  Frankfurt  verschafft  zu  haben, 


sondern 


auch 


matisch  -  dichterische  Leistungen  das  richtige  Verständniss 


durch  die  Wahl  des  Stückes,  dass  er  für  dra- 

hatte.  Da 

nun  die  »Susanna«  von  Paul  Rebhun  das  erste  in  Frankfurt  auf¬ 
geführte  Drama  ist,  in  welchem  der  Dichter  auf  individualisirende 
Charakteristik  Rücksicht  nahm,  so  soll  hier  das  Verzeichniss  der  im 
Drama  auftretenden  Personen  und  eine  Scene  aus  demselben  wieder¬ 
gegeben  werden. 

»Unterredner  dieses  Spiels  [damalige  Bezeichnung  für  die  Personen]. 
Resatha 
Ichaboth 


die  zwen  Richter. 


Simeon 
Gamaliel 
Zacharias 
Nahor 

Daniel  der  prophetisch  knab. 
Susanna  die  keusche  Fraw. 
Joachim  1  Man. 

Helchias  Vater. 

Elisabet  Mutter. 

Rebecca  Schwester. 

Benjamin  >  Söhnlein. 

Jahel  Töchterlein. 

Sara  Erste  magd. 

Dabira  Andere  magd. 

Baldam  der  reiche  Bürger. 
(Malchus  des  Baldams  Knab. 
Olimpa 


die  vier  Eltisten  oder  Radtsgenossen. 


Ruth 

Abdi 

Gorgias 

Samri 

Abed 

Giezi 


zwo  Widwen. 


des  Joachims 


die  Schergen. 


Erster 

Anderer 

Dritter 


Knecht. 


(Heb  der  den  letztrunk  gibt.)« 

Nachdem  die  beiden  im  Genre  Jago’s  gehaltenen  Richter  Su¬ 
sanna  bei  den  Aeltesten  des  Volkes  der  Untreue  angeklagt  haben, 


10 


bereitet  sich  die  reine  Frau,  die  hier  wie  Desdemona  als  das  Ideal 
ehelicher  Liebe  und  Treue  dargestellt  ist,  zum  Todesgang  durch 
folgendes  Gebet  vor: 

»Actus  Quinti  Seena  Prima, 

Susanna,  Joachim,  Giezi,  Helchias,  Elisabet,  Rebecca,  Abed. 
Susanna: 

0  Gott  in  ewigkeit  der  du  alleine 
All  heymlich  Ding  erkenst  beyd  gross  und  kleine 
Der  du  zuvor  weist  alls,  ehe  dans  geschihet 
Dein  äuge  auch  in  das  verborgne  sihet 
Du  du  erkenst,  das  dise  haben  geben 
Ein  falsch  gezeugnis,  das  sie  mich  vom  leben 
Zum  tode  brengen  vnverdienter  sache 
Darumb  o  mein  Gott  dich  zu  mir  bald  mache 
Ynd  rieht  mein  vnschuld  mit  gerechtem  grichte 
Dann  ich  des  lasters  schuldig  bin  mit  nichte 
Das  sie  mit  lügen  habil  auff  mich  ertichtet 
Ynd  drauff  zum  tod  verurteilt,  vnd  gerichtet, 

Dieweil  ich  dann  nu  soll  auffgebn  mein  seien 
So  wil  ich  dirs  in  deine  hendt  bevelen 
Dann  du  o  mein  Gott  wirst  mich  nicht  verlassen 
Ynd  diser  rach  zur  Zeit  dich  recht  anmassen. 

Joachim  [der  im  Drama  nichts  weniger  als  ein  Othello  ist]: 
Ach  Gott  das  vnschult  bleiben  sol  verschwigen 
Ynd  recht  dem  gwalt  sol  vndern  fassen  ligen 
Wie  lang  wiltu  zu  disen  dingen  schweigen 
Ynd  deine  augn  zu  uns  herab  nicht  neygen 
Wie  kum  wir  ytzt  in  solche  schwere  schände? 

Ach  Herr  erlöss  vns  durch  dein  starke  hande.«  1 1 

Ein  feiner  psychologischer  Nebenzug  in  diesem  dramatischen 
Gemälde  ist  der  feste  Glaube  und  die  herzliche  Zuversicht,  welche 
nicht  allein  die  Diener  des  Hauses,  nein  auch  die  Schergen  in  Su¬ 
san  nas  tleckenlose  Tugend  und  Unschuld  setzen.  Giezi,  der  mit 
seinem  Gesellen  Abed  von  den  Aeltesten  abgesandt  wurde,  um 
Susanna  gebunden  in’s  Richthaus  zu  führen,  entschuldigt  dies  Vor¬ 
haben,  nachdem  Joachim  zu  Ende  gesprochen,  mit  den  Versen: 

»Fraw  wollt  vns  das  vmb  Gottes  willn  vergeben 
Das  wir  ytzt  vnser  hendt  an  euch  werdn  legen 
Wir  wolten  vns  viel  lieber  des  endhalten 
Wo  wir  nicht  müsten  ghorsam  sein  den  alten 
Drumb  wolt  euch  nu  gedültig  drein  ergeben 
Ynd  eure  hendt  für  euch  zusamen  legen.« 


11 


»Susann  a: 

Ach  last  mir  noch  ein  klein  weil  frey  mein  hende 
Das  ich  die  meinn  müg  gsegnen  für  meim  ende 
Gesegn  euch  Gott  mein  aller  Liebster  lierre 
Wolt  euch  meinn  todt  nicht  lassen  kümmern  sehre 
Denn  Gott  der  wirdt  den  grossen  gwalt  noch  rechen 
Mein  vnschult  lassen  auch  herfür  noch  brechen 
Mein  liebe  kindlein  lass  ich  euch  zur  letzen 
An  disen  wolt  euch  eures  leids  ergetzen 
Ynd  sie  in  Gottes  forchten  stets  erhalten 
Auff  das  sie  mügen  sein  ein  freud  euch  alten 
Dann  ihn  kein  grösser  Schatz  kan  werdn  auff  erden 
Dann  so  sie  Gotselig  erzogen  werden.«12 

Nun  nimmt  Susanna  Abschied  von  ihrer  Familie,  dann  ergiebt 
sie  sich  den  Schergen,  aus  deren  Händen  sie  durch  die  Weisheit  des 
jungen  Daniel  wieder  erlöst  wird. 

Die  Aufführung  der  »Susanna«  in  Frankfurt  erlebte  keinen  ge¬ 
ringem  Erfolg  als  ein  halbes  Jahrhundert  früher  die  geistlichen 
Spiele.  Mathis  Reuter  und  die  mitwirkenden  Bürger  bekamen  nicht 
allein  wieder  Balken  und  Dielen  zur  Bühne  umsonst  geliehen,  son¬ 
dern  auch  später  einen  halben  Schilling  (6)  Gulden  von  den  Tätern  der 
Stadt  zur  Verehrung. 13  Sicher  würde  die  Spende  noch  grösser  aus¬ 
gefallen  sein,  wenn  der  Rath  nicht  durch  Erkundigung  erfahren  hätte, 
dass  der  der  Vorstellung  beiwohnende  Comtlmr  des  deutschen 
Ordens  in  Sachsenhausen  den  Spielern  schon  2  Tlilr.  und  4  Flaschen 
Wein  zur  Belohnung  geschenkt  habe. 14 

Ein  Jahr  später  bat  Mathis  Reuter  den  Rath  im  Mai  um  die 
Gewährung,  die  Historie  Josephs  aus  dem  alten  Testament  zur  Auf¬ 
führung  bringen  zu  dürfen.  Ohne  die  geringste  Einwendung  wurde 
seinem  Gesuch  sofort  Bewilligung  zu  Theil  15,  welche  Thatsache  noch 
mehr  als  che  empfangene  Verehrung  beweist,  dass  die  vorjährige 
Darstellung  den  Vätern  der  Stadt  kein  Bedenken  eingeflösst  und  sich 
des  allgemeinsten  Beifalls  zu  erfreuen  gehabt  hatte. 

Zur  Charakteristik  Mathis  Reuter’s,  welcher  sich  der  drama¬ 
tischen  Kunst  mit  ganzer  Liebe  hingab,  sei  hier  noch  erwähnt,  dass 
er,  und  jedenfalls  des  Komödienspielens  halber,  sein  Nebenamt  als 
Vorsinger  vernachlässigte.  Aus  diesem  Grunde  wurde  er  »eingesteckt«, 
aber  alsbald  auf  einflussreiche  Fürbitte  wieder  entlassen. 16 

Mathis  Reuter  war  überhaupt  ein  Mann,  der  seine  vielseitigen 
Kenntnisse  und  Fähigkeiten  möglichst  zu  verwerthen  suchte ;  dies 
geht  auch  aus  dem  Umstande  hervor,  dass  er  sich  am  12.  April 
1546  um  die  Schreiberstelle  bei  dem  hier  abzuhaltenden  Reichstage 
bewarb.  17  Freilich  erhielt  er  auf  dieses  Gesuch  einen  abschläglichen 
Bescheid,  aber  nicht  aus  Mangel  an  Vertrauen  zu  seinen  Kenntnissen, 
sondern  in  Rücksicht  auf  seine  schon  vielfach  zersplitterte  Thätigkeit. 


12 


Es  bedarf  wohl  kaum  einer  Erwähnung,  dass  in  diesen  Bürger¬ 
komödien,  wie  ehemals  in  den  Mysterien,  die  Frauenrollen  von 
Männern  gegeben  wurden.  Die  Kinder  der  Susanna  und  den  jungen 
Daniel  stellten  in  dem  Spiel  wahrscheinlich  einige  Schüler  des  Mathis 
Reuter  dar,  die  dieser  »teutsche  Schulmeister«  für  ihre  Aufgabe,  wie 
eine  weitere  Bemerkung  in  dem  mehrmals  erwähnten  Büchlein 
»Allerhand  neve  und  schöne  Historien«  u.  s.  w.  meldet,  »gar  ergötzlich 
und  lieblich  darzu  angeschickt«  hatte. 

Im  Jahre  1549  führten  die  Buchdrucker,  welche  in  Frankfurt 
neben  den  Schuhmachern  die  bedeutendsten  Stützen  der  Reformation 
und  fortschreitenden  Volksbildung  waren,  auf  Fastnacht  »die  zehn 
Altern« 18  von  Pamphilus  Gengenbach,  Bürger  und  Buchdrucker  in 
Basel,  auf.  Sie  mussten  dieses  Stück,  wie  die  fast  gleichzeitig  um  die 
Erlaubniss  zur  Darstellung  »Vom  verlorenen  Sohn«  einkommenden 
Schuhmachergesellen,  zuerst  dem  Prädikanten  Mathias  Ritter  zur 
Censur  einreichen,  der  in  seinem  Berichte  an  den  Rath  die  Vor¬ 
stellung  beider  Stücke  befürwortete.  Trotzdem  die  Väter  der  Stadt 
sich  anfangs  ablehnend  gegen  die  auch  den  Schwerttanz19  aufführenden 
Schuhmachergesellen  verhalten  hatten,20  durften  sie  nun  doch  nach 
dem  Censurbericht  mit  den  Buchdruckern  um  den  Preis  des  grössten 
Erfolges  auf  dem  Gebiete  der  Darstellung  ringen. 21 

Auf  Fastnacht  1551  wollten  die  Schuhmachergesellen  wieder 
ihre  Fechterkünste  in  dem  Schwerttanze  zeigen,  mit  dessen  Ab¬ 
haltungen  sie  schon  1538  begonnen  hatten.  Es  war  dies  ein  marsch¬ 
artiger  Tanz  mit  Fechterbewegungen,  bei  welchem  es  allein  auf 
Pünktlichkeit  und  sichere  Handhabung  der  Waffe  ankam.  Dieser 
beliebte  Tanz  stammt  schon  von  den  Griechen,  bei  denen  er  ebenso 
häufig  als  gottesdienstliche  Hebung  wie  als  Spiel  vorkommt.  Aber 
im  Hinblick  auf  die  bedenklichen  Zeitverhältnisse  —  es  war  die  für 
die  Protestanten  schwere  Zeit  des  Interims  —  wurde  die  Abhaltung 
des  Waffentanzes  nicht  gestattet. 

Der  Rath  fügte  dem  abschläglichen  Bescheid  sogar  noch  die 
strenge  Verordnung  hinzu  ,  dass  auf  allen  Zunftstuben  und  Gesell¬ 
schaften  angesagt  werden  solle,  die  Gesellen  oder  ihresgleichen  möchten 
sich  des  »Butzengehens«  (der  Mummerei)  auf  Fastnacht  bei  Strafe  und 
beim  Verlust  seiner  Gunst  enthalten.22 

Durch  die  Belagerung  Frankfurts  vom  17.  Juli  bis  9.  August 
1552,  deren  Nachwirkungen  noch  lange  tief  in  das  öffentliche  Leben 
der  alten  Reichsstadt  eingreifen  sollten,  entstand  nun  wieder  in  dem 
Fortschritt  der  dramatischen  Kunst  eine  Pause  von  mehr  als  zehn 
Jahren. 

Erst  im  Januar  1563  kamen  die  Buchdruckergesellen  wieder 
um  Erlaubniss  zur  Darstellung  der  Historie  »Vom  heiligen  Tobias« 
(wahrscheinlich  von  Jörg  Wickram  zu  Kolmar)  ein,23  welches  Be¬ 
gehren  ihnen  unter  der  Bedingung  gestattet  wurde,  dass  sie  sich, 


13 


dem  Charakter  des  Stückes  gemäss,  züchtig  und  ohne  Ausschweifungen 
verhalten  würden. 24 

Im  Laufe  des  folgenden  Jahres  starben  1966  Personen  in 
Frankfurt  an  der  Pest,25  wodurch  sich  der  Rath  neben  verschiedenen 
Anordnungen  auch  zu  dem  Verbot  genöthigt  sah,  dass  die  Tänze 
und  andere  öffentlichen  Lustbarkeiten  abgestellt  werden  sollten. 
Wahrscheinlich  wurde  aus  diesem  Grunde  den  Schuhmachern  auf 
Fastnacht  1565  der  Schwerttanz  nicht  gestattet,  26  und  den  »Trucker¬ 
gesellen  zum  Krug«  die  Aufführung  einer  nicht  näher  bezeichneten 
»Tragödia«  abgeschlagen.27  Eine  weitere  Folge  jenes  Verbots  mag  es 
wohl  auch  gewesen  sein,  dass  die  Bitte  derselben,  auf  Fastnacht  1567 
die  Historie  von  den  sechs  Kämpfern  von  Hans  Sachs  darstellen  zu 
dürfen,  wiederum  keine  Bewilligung  fand.28 

Die  schwere  Heimsuchung,  welche  Frankfurt  im  Jahre  1568 
durch  das  grosse  Sterben  an  der  Pest  zu  erleiden  hatte,  drängte  die 
Freude  und  das  Interesse  an  theatralischen  Bürgerspielen  beinahe 
wieder  ein  Decennium  hindurch  von  dem  Schauplatz  des  öffent¬ 
lichen  Lebens  zurück.  Trotzdem  1571  noch  918  Personen  an  der 
schrecklichen  Seuche  starben,  wagten  es  die  Schuhmachergesellen 
dennoch ,  beim  Rathe  ein  Gesuch,  wegen  Abhaltung  des  Schwert¬ 
tanzes  einzureichen,  welches  aber  abschläglich  beschieden  wurde.29 

Ein  Jahr  später  gelang  es  den  Meistern  und  Gesellen  des¬ 
selben  Handwerks ,  die  Erlaubniss  zur  öffentlichen  Aufführung  des 
Spiels  »Vom  jüngsten  Gericht«  zu  erwirken.30  Dies  Stück  wird  in 
den  Raths-Protocollen  auch  »Singschule«  genannt,  weil  in  dasselbe 
verschiedene  Chöre  eingeflochten  waren,  die  von  den  gut  eingeübten 
Gesellen  des  Schuhmacherhandwerks  gesungen  wurden.  Es  muss 
aber  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  die  von  den  Schuh¬ 
machern  dargestellte  Tragödie  nicht  zu  verwechseln  ist  mit  dem  erst 
1573  erschienenen  Werke  des  Philipp  Agricola  »Ein  Schöne  Christ¬ 
liche  liebliche  Comödia  von  dem  Letzten  tage  des  Jüngsten  gerichts. 
(Gedruckt  durch  Joh.  Eichhorn  Frankfurt  an  der  Oder).« 

Das  hier  wie  auch  in  verschiedenen  rheinischen  Städten  auf¬ 
geführte  Spiel  »Vom  jüngsten  Gericht«  von  einem  unbekannten  Ver¬ 
fasser,  lässt  in  crassen  Scenen  hauptsächlich  die  Höllenqual  der  Ver¬ 
dammten  hervortreten.  Da  man  in  jener  Zeit  den  Grund  für  schwere 
Heimsuchungen  gewöhnlich  in  der  grossen  Sündhaftigkeit  der  Menge 
suchte,  hat  der  Dichter  in  Hinblick  auf  die  Fehler  und  Laster  seiner 
Zeitgenossen  in  der  Tragödie  abschreckende  Bilder  ihrer  ewigen 
Strafe  entworfen.  Unter  anderm  kommt  ein  an  der  Pest  gestorbener 
Jüngling  darin  vor,  dem  der  Heiland  sagt,  die  schwere  Seuche  sei 
nur  seine  zeitliche  Plage  gewesen,  jetzund  solle  er  erst  in  der  Hölle 
für  seinen  sittenlosen  Wandel  büssen. 

Der  vorsichtige  Rath  Frankfurts  würde  sicher  trotz  dem  ernsten 
religiösen  Charakter  der  Bürgerspiele  in  dem  auch  von  der  Pest- 


14 


seuclie  begleiteten  Jahre  1572  keine  Aufführung  gestattet  haben, 
wenn  er  nicht  der  Tragödie  vom  jüngsten  Gericht  einen  segens¬ 
reichen  Einfluss  auf  die  Herzen  des  Volkes  zugetraut  hätte. 

Erst  nach  sechs  harten  Jahren,  in  denen  Misswachs,  Theuerung 
und  Pestilenz  selbst  jedes  berechtigte  Vergnügen  von  der  »fränkischen 
Erde«  verbannten,  wagten  es  einige  Gesellen  Christoffel  Schmidt, 
Sekler,  später  Zöllner  an  der  Friedberger  Pforte  und  sein  Bruder 
Andreas  Schmidt,  Weinsteinbrenner  aus  Gernsheim,  den  Rath  um 
die  Erlaubniss  anzugehen,  die  Komödie  »Vom  verlorenen  Sohn«  vor 
dem  Römer  oder  in  einem  Hause  aufführen  zu  dürfen.31  Aber  die 
Zeit  der  Erlösung  aus  schwerer  Pein  war  noch  zu  kurz  als  dass 
die  Väter  der  Stadt  schon  jetzt  ein,  wenn  auch  religiös  angehauchtes, 
öffentliches  Vergnügen  hätten  gestatten  können. 

Im  folgenden  Jahre  1579  erlaubte  der  Rath  einigen  Gesellen 
im  Rahmhof,  worin  auch  schon  früher  das  öffentliche  Schiessen  ab¬ 
gehalten  wurde,  auf  Fastnacht  zwei  theatralische  Aufführungen  zu 
veranstalten. 3  2  Die  eine  derselben  war  die  Komödie  »Joseph«  nach 
verschiedenen  traditionellen  Mittheilungen  ohne  Zweifel  das  Werk 
Thiebold  Gart’s  aus  Schlettstadt,  welches  in  seiner  Vaterstadt  schon 
1540  auf  Sonntag  nach  Ostern  mit  einer  »Ersamen  burgerschafft 
öffentlich  gespilt  wurde.« 3  3 

Das  andere  Spiel  »Die  geduldig  und  gehorsam  marggräfin 
Griselda,  ein  comödi  in  fünf  akten  mit  13  Personen  von  Hans  Sachs«  34 
hat  um  so  grössere  Bedeutung,  als  es  das  erste  in  Frankfurt  dar¬ 
gestellte  Stück  ist,  dessen  Gegenstand  nicht  aus  den  biblischen 
Schriften  entnommen  wurde.  Es  ist  eine  charakteristische  Thatsache, 
dass  die  Heldin  dieses  ersten  hier  aufgeführten  weltlichen  Schauspiels 
in  der  rührenden  Aufopferungsfähigkeit  der  Gattenliebe  einer  »Susan na« 
und  den  andern  hehren  Frauengestalten  der  Bibel  und  Legende  in 
keiner  Weise  nachsteht. 

Eine  Griseldis  oder  Griselda  musste  es  sein,  welche  den  Ueber- 
gang  vermittelte,  und  einer  andern  dramatischen  Gattung  trotz  dem 
streng  christlichen  Sinne  der  Menge  in  Frankfurt  eine  neue  Heim¬ 
stätte  vorbereiten  half. 

Dieses  Stück,  dessen  Gegenstand  die  Poeten  bis  in  die  neueste 
Zeit  vielfach  zum  Vorwurf  dramatischer  Dichtungen  genommen  haben, 
erlebte  in  Frankfurt  einen  so  grossartigen  Erfolg,  dass  die  Ver¬ 
anstalter  der  beiden  Spiele  um  eine  nochmalige  Aufführung  ein- 
kommen  mussten.  Der  Rath,  welcher  ihrer  Einladung  gefolgt  und 
bei  der  ersten  Darstellung  zugegen  gewesen  war,  willfahrte  zwar 
ihrer  Bitte,  aber  er  gab  diesmal  kein  Geschenk,  auf  welches  die 
Spieler  doch  allem  Anschein  nach  gerechnet  hatten.  Jedenfalls  wurden 
ihnen  schon  von  dem  Comthur  des  deutschen  Ordens  und  von 
anderen  hohen  Personen  Verehrungen-  zu  Theil,  die  dem  Rath  eine 
weitere  Zugabe  überflüssig  erscheinen  liessen. 


15 


Was  nun  den  scenischen  Apparat  zu  der  Griselda  und  zu  den 
Bürgerspielen  in  Frankfurt  überhaupt  anbetrifft,  so  muss  man  sich 
denselben  so  primitiv  als  möglich  vorstellen.  Die  je  nach  dem  Stück 
entsprechend  grosse  Bühne  war  ein  einfaches,  manchmal  mit  Tuch 
belegtes  Gerüst,  das  bei  Aufführungen  im  Freien  wegen  des  Schalles 
oft  eine  bretterne  Rückwand  bekam.  Ton  eigentlichen  Dekorationen 
war  gar  keine  Rede,  aber  seit  der  Zeit  des  Hans  Sachs  wurde  die 
Bühne  nicht  selten  durch  »Zeug  behängte  Pfeiler«  der  Breite  nach 
in  zwei  Hälften  geschieden. 

Verschmähte  also  das  Bürgerspiel  der  Reformationszeit  die 
reiche  Unterstützung,  welche  den  Mysterien  in  der  letzten  Zeit  die 
genaue  Ausbildung  der  scenischen  Effekte  gegeben,  so  ging  es  doch 
schon  einen  viel  engeren  Bund  mit  der  Schauspielkunst  ein,  die 
jetzt  statt  der  leblosen  Gestalten  des  Kirchendramas  zum  erstenmal 
zwar  unbeholfene,  aber  lebenswarme  Vertreter  in  der  alten  Reichs¬ 
stadt  gefunden  hatte. 

Wenn  wir  uns  nun  auch  vorstellen  müssen,  dass  die  ehrsame 
Frau  Susanna,  die  sicher  von  einem  schönen  Jüngling  dargestellt 
wurde,  in  der  Kleidung  einer  Frankfurter  Patrizierin  einherschritt, 
so  kann  man  doch  mit  Sicherheit  annehmen,  dass  der  Repräsentant 
der  »geduldig  und  gehorsam  Marggräfin  Griselda«  schon  in  einem 
der  Rolle  mehr  entsprechenden  Kleide  sich  zeigen  durfte.  Dasselbe 
gilt  auch  von  den  andern  Personen  des  Spiels,  denen  die  Vorschriften 
eines  Hans  Sachs  in  Bezug  auf  das  Kostüm  ebensowenig  unbekannt 
gebheben  sein  mochten,  wie  seine  Anweisungen  für  den  rednerischen 
und  mimischen  Ausdruck. 

So  ordnet  er  unter  anderm  im  fünften  Akt  der  Griselda,  nachdem 
dieselbe  wieder  von  dem  Gatten  in  ihre  früheren  Ehren  eingesetzt 
wurde,  bei  der  Zurückkunft  des  Janiculus,  ihres  alten  Vaters,  an :  »Sie 
legen  dem  alten  ein  schauben  (Festgewand)  an,  Griselda  kumpt  fürst¬ 
lich  geklayd,  der  Graf  von  Banocho  entpfecht  sie.«  In  Bezug  auf 
mimische  Vorschriften  findet  sich  z.  B.  im  dritten  Akt,  als  ihr  der 
Gemahl  das  Kind  abfordern  lässt,  die  Anweisung,  »Griselda  schaut  ihr 
Kind,  kust  es  und  zeichents  mit  dem  creutz  und  gibt  ihms,  spricht: 
So  nimb  hin  das  unschuldig  blut, 

Weil  sein  mein  lierr  begeren  thut, 

Und  verbring  deines  fürsten  gebot! 

Jedoch  so  bitt  ich  dich  durch  Gott, 

Du  wölst  die  gnad  an  mir  beweisen 
Das  du  nit  wölst  lassen  zerreisen 
Sein  zart  leiblein  in  walts  refier 
Die  Vögel  oder  wilden  thier. 

Antoni  tregt  das  Kind  liinauss.  Sie  sicht  im  sehnlich  nach.«35 

An  künstlerischem  Aufbau  und  metrischer  Vollendung  steht 
dieses  Stück  der  Susanna  von  Paul  Rebliun  bedeutend  nach,  aber 


16 


beide  Werke  haben  trotzdem  gemeinschaftliche  Züge.  Sie  tragen  den 
Stempel  des  Genius  an  sich  und  behandeln  in  edler  poetischer  Weise 
psychologische  Probleme,  welche  wahrhafte  Dichter  zu  ihren  Vor¬ 
würfen  genommen  haben  und  nehmen  werden,  so  lange  noch  Treue 
und  Tücke,  Liebe  und  Leidenschaft  den  alten  ewigen  Kampf  mit 
einander  fortsetzen. 

Obgleich  nun  der  Inhalt  der  meisten  in  jener  Zeit  aufgeführten 
Bürgerspiele  ausserordentliche  Verstösse  gegen  Zeit  und  Ort  beging, 
so  nahmen  sie  doch  schon  desshalb  eine  höhere  Stufe  als  die 
Mysterien  ein,  weil  nicht  mehr  das  ganze  mitwirkende  Personal 
während  der  Handlung  auf  der  Bühne  stand.  Die  Personen,  deren 
Auf-  und  Abtreten  von  dem  Actor,  früher  Rector,  des  Spiels  geleitet 
wurde,  kamen  und  gingen  nach  der  Anweisung  des  Dichters,  und 
nur,  wenn  der  mitunter  über  100  Personen  zählende  Chor  die  Bühne 
betrat,  empfing  man  einen  ähnlichen  Eindruck  wie  früher  bei  den 
Monstrevorstellungen  des  Kirchendramas.  Der  die  Mysterien  ein¬ 
leitende  Herold  oder  Expositor  ludi  verwandelte  sich  jetzt  in  den 
meistens  von  einem  Knaben  oder  Jüngling  dargestellten  Argumen- 
tator,  welcher  am  Anfang  jedes  Aktes  den  Inhalt  desselben  anzeigte. 
Häufig  findet  sich  auch  im  Drama  der  Reformationszeit  noch  ein  das 
Stück  mit  einer  Betrachtung  beschliessender  Conclusor. 

Die  übliche  dichterische  Form  der  meisten  Stücke  des  Refor¬ 
mationszeitalters  sind  die  achtsilbigen  Reimpaare ;  Paul  Rebhun  ist 
der  erste  Dichter,  der  sich  in  seinen  beiden  Dramen  Susanna  und 
die  Hochzeit  zu  Cana  eine  Abweichung  von  der  allgemeinen  Regel 
erlaubte. 

Ebenso  wenig  wie  das  Publikum,  das  den  Mysterien  zusah, 
zahlten  die  Zuschauer  der  Bürgeraufführungen  in  Frankfurt  eine 
bestimmte  Abgabe.  Der  alte  Hang,  bei  öffentlichen  Aufführungen 
mitzuwirken,  beseelte  auch  die  Zünfte  und  Gilden  der  neueren  Zeit 
und  verlieh  ihnen  in  Bezug  auf  die  Förderung  des  Gott  wohlgefälligen 
Vergnügens  zum  allgemeinen  Besten  eine  Opferwilligkeit,  worüber 
wir  uns  noch  heute  erstaunen  müssen.  Die  ganze  Entschädigung, 
die  das  Spielpersonal  für  seine  Mühen  und  Auslagen  empfing,  bestand 
in  einer  Verehrung  vom  Rath  und  in  der  meistens  von  einigen 
reichen  Zuschauern  gestifteten  freien  Zeche. 

Die  beiden  1579  im  Rahmhof  abgehaltenen  Komödien  bilden  den 
Glanzpunkt  der  Frankfurter  Bürgerspiele.  Nun  war  die  Zeit  nicht 
mehr  fern,  wo  die  ersten  fremden  Wandertruppen  von  Berufs¬ 
komödianten  dem  Laientheater  der  Reformationsepoche  auch  in  der 
alten  Reichsstadt  Frankfurt  mit  sicherer  Hand  den  Todesstoss  ver¬ 
setzen  sollten. 

Im  Jahre  1581  hielten  die  Schuhmacher  wieder  auf  Fastnacht 
den  Schwerttanz  ab,30  und  ein  Jahr  später  petitionirten  im  Juni 
einige  Bürger,  an  deren  Spitze  Ott  Regenbogen  37  stand,  künftiges 


17 


Schiessen  die  »Comödie  vom  König  Ahas«  aufführen  zu  dürfen.  Den 
Bittstellern  wurde  ihr  Gesuch  zwar  gestattet ,  aber  mit  dem  Vor¬ 
behalte,  dass  dem  Rathscensor,  Prädikanten  Mathias  Ritter,  die  Komödie 
zuvor  zur  Einsicht  übergeben  werde.  Dieser  beurtheilte  dieselbe 
günstig  und  wurde  sie  dann  zur  Zeit  des  grossen  Schiessens  auf¬ 
geführt,  welches  stets  eine  Menge  Bürger  und  viele  Fremde  aus 
den  schwäbischen  und  rheinischen  Städten  in  den  Mauern  Frankfurts 
vereinte. 

Wegen  Mangels  weiterer  Mittheilungen  lässt  sich  weder  genau 
bestimmen,  wo  diese  Bürgerkomödie  abgehalten  wurde,  noch  wer  der 
Verfasser  derselben  war. 

Was  aber  Ott  Regenbogen,  den  Unternehmer  des  Spiels  vom 
König  Ahab  anbetrifft,  so  haben  wir  in  ihm  eine  Persönlichkeit  vor 
uns,  die  zu  absonderlichen  Bestrebungen  wie  ^geschaffen  erschien. 
Er  war  ein  Stiefsohn  vom  hiesigen  Pfarrer  Egenolff,  entlief  dem 
Hause  und  seinem  Lehrherrn,  einem  Barbier,  trieb  sich  lange  Jahre 
in  Ungarn  umher,  diente  wahrscheinlich  als  Lanzenknecht  im  kaiser¬ 
lichen  Heere  und  tauchte  dann  15(38  als  Barbiergeselle  wieder  in 
Frankfurt  auf.  Trotz  seines  noch  durch  manche  anderen  Vorfälle 
zweifelhaft  gewordenen  Rufes  muss  ihm  seine  Weltkenntniss  doch 
ein  gewisses  Uebergewicht  über  seine  Mitbürger  verschafft  haben. 
Er  verstand  es  auch,  diesen  Vortheil  auszubeuten  und  starb  in  den 
achtziger  Jahren  des  XVI.  Jahrhunderts  sogar  als  Vorsteher  der 
hiesigen  Baderzunft.  38 


II. 

In  der  Entwicklungsgeschichte  des  Frankfurter  Theaters  kommt 
nun  der  hochwichtige  Moment,  wo  die  erste  berufsmässige  Wander¬ 
truppe  in  der  alten  Reichsstadt  ihren  Einzug  hielt.  —  Es  war  dies 
eine  französische  Gesellschaft  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die¬ 
selbe,  welche  Ende  der  siebziger  und  Anfang  der  achtziger  Jahre 
des  XVI.  Jahrhunderts  auch  in  Metz,  Strassburg  und  in  andern 
rheinischen  Städten  Vorstellungen  von  Moralitäten  und  biblischen 
Komödien  veranstaltete.  Der  Rath  Frankfurts  machte  »den  Welschen«,39 
wie  sie  in  der  Ausdrucksweise  der  damaligen  Zeit  genannt  wurden, 
keine  grossen  Schwierigkeiten,  er  sagte  die  Aufführung  der  nicht 
genauer  benannten  Komödie  unter  dem  alten  Vorbehalte  sofort  zu, 
dass  der  Prädikant  Mathias  Ritter  nach  genommener  Durchsicht  keine 
weitere  Einsprache  dagegen  erheben  würde. 

Minder  gnädig  als  die  Franzosen  wurden  ein  Jahr  später 
Spielleute  von  Nürnberg  behandelt,  die  in  der  Ostermesse  in  einer 
Bude  am  Main  ihre  »närrischen  Komödien  und  Fastnachtsspiele«  ab- 
halten  wollten.40  Sie  bekamen  nicht  nur  einen  abschlägigen  Be¬ 
scheid,  sondern  sie  wurden  auch  noch  im  Rathsbeschluss  mit  den 


18 


verachteten  Gauklern  auf  eine  Stufe  gestellt.41  Im  März  1585  legte 
eine  Gesellschaft  Nürnbergischer  Bürger  dem  Käthe  Frankfurts  ein 
Verzeichniss  deutscher  Komödien  und  Tragödien  von  Hans  Sachs42 
vor,  welche  sie  in  der  Ostermesse  in  einer  Bude  am  Main  zur  Dar¬ 
stellung  zu  bringen  beabsichtigten.  Der  Rath  gestattete  zwar  den  die 
Schauspielkunst  nur  als  amüsante  Nebenbeschäftigung  betreibenden 
Nürnberger  Bürgern  diesmal  ihre  Bitte,  aber  er  fügte  an  die  ertheilte 
Erlaub niss  den  charakteristischen  Zusatz,  dass  sie  künftighin  daheim 
bleiben  und  nie  mehr  mit  dergleichen  Begehren  lästig  fallen  sollten.  — 43 
Diese  Geringschätzung  der  ersten,  nicht  in  Frankfurt  gebornen  Ver¬ 
treter  der  Schauspielkunst  erscheint  fast  wie  ein  böses  Omen  für  alle 
Wandertruppen,  welche  bis  in  die  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts 
nur  unter  den  grössten  Schwierigkeiten  in  die  Wahl-  und  Krönungs¬ 
stadt  ihren  Einzug  halten  durften. 

Das  Verzeichniss  der  von  den  Nürnberger  Bürgern  dem  Rath 
vorgelegten  Komödien  und  Tragödien  von  Hans  Sachs  —  die  genaue 
Unterscheidung  dieser  beiden  Gattungen  treffen  wir  hier  zum  ersten 
Mal  —  ist  leider  in  den  Acten  nicht  erhalten,  aber  nach  einer  Notiz 
in  dem  schon  mehrmals  erwähnten  und  mit  den  Quellen  meist 
übereinstimmenden  Büchlein :  »Allerhand  neve  und  schöne  Historien 
so  in  vorigen  Zeiten  allhiero  würklich  passiret  sind«,  kamen  ausser 
dem  Narrenschneiden  folgende  benannte  Stücke  zur  Aufführung: 

»Die  mörderisch  Königin  Clitemnestra,  Tragödie.« 

»Eulenspiegel  mit  dem  blinden,  Fastnachsspiel.« 

»Die  schöne  Magelone,  Comödie.« 

»Der  karg  Abt  mit  seinem  Gastmeister  (Schwank).« 

»Von  der  Königin  Esther,  Comödia,  und  noch  eine  von  einer 
bösen  Frawen  Cleopatra«,  letztere  ist  jedenfalls  »Die  Königin  Cleopatra 
mit  Antoni  dem  Römer,  Tragödie.« 

Welchen  Erfolg  diese  Werke  eines  ächten  Dichters  in  Frank¬ 
furt  erlebten,  ist  nicht  weiter  angegeben ;  wenn  man  aber  in  Betracht 
zieht,  dass  in  der  Ostermesse  1591  wieder  Nürnberger  Bürger,44 
unter  denen  sich  sogar  ein  Hans  Sachs,  vielleicht  ein  Enkel  des 
Dichters,  befand,  um  die  Spielerlaubniss  nachsuchen,  so  lässt  sich 
wohl  vermuthen,  dass  ihre  Vorgänger,  oder  vielleicht  gar  sie  selbst, 
das  erste  Mal  nicht  ungünstig  von  dem  Frankfurter  Publikum  auf¬ 
genommen  wurden.  —  Einige  von  diesen  benannten  Nürnberger 
Spielleuten:  Endres  Neudietz,  Wolff  Most,  Georg  Mock,  Hans  Sachs, 
Hans  Daget,  Adam  und  Thomas  Grielemayr,  Till  Ochsenhut  waren 
zugleich  »tüchtige  Singer«,  welche  ihre  Spiele  durch  »eingelegte  Lie¬ 
der  verschönten  und  gar  erketzlich  machten«.  Was  die  französische 
Gesellschaft  von  1583,  was  ihre  Vorgänger  von  den  Zuschauern  for¬ 
derten,  ist  nicht  angegeben,  aber  von  dieser  Corporation  lässt  sich 
das  Eintrittsgeld  actenmässig  feststellen.  Sie  wollte  für  ihre  »Meister¬ 
gesenke  oder  Gomödien«  4  Pf.  verlangen,  aber  der  Rath  gebot  bei 


19 


der  ertheilten  Erlaubniss,  diese  Forderung  entweder  auf  die  Hälfte 
herabzusetzen  oder  »ihre  Spil  anderswo  zu  treiben«. 

Zwischen  der  Aufführung  der  letzten  Bürgerkomödie  und  der 
dramatischen  Thätigkeit  der  Nürnberger  Spielleute  in  Frankfurt  muss 
im  Jahre  1586  noch  eine  französische  Gesellschaft  in  der  Behausung 
»Zur  Glocke«  Vorstellungen  gegeben  haben.  Dass  in  einer  derselben 
die  protestantische  Polemik  in  starken  Ausfällen  gegen  das  Papst- 
thum  vorging,  beweist  die  Thatsaehe,  dass  der  Rath  aus  Rücksicht 
auf  den  Kurfürsten  zu  Mainz,  den  Comthur  des  deutschen  Ordens 
in  Sachsenhausen  und  andere  papistische  Prälaten  in  Erwägung 
zog,  ob  es  nicht  angerathener  sei,  die  Fortsetzung  der  französischen 
Komödie  zu  verbieten.45 

Etwas  Näheres  über  diese  Wandertruppe,  deren  Mitglieder  in 
so  starker  Weise  die  protestantische  Stimmung  zu  ihrem  Vortheil 
ausbeuteten,  war  in  den  alten  Schriftquellen  trotz  des  eingehendsten 
Nachforschens  nicht  zu  finden. 

Die  ersten  englischen  Komödianten  hatten  die  dramatische  Kunst 
in  Frankfurt  schon  einer  neuen  Aera  entgegengeführt,  als  die  Bürger¬ 
komödie  die  letzte  Anstrengung  zur  Fortdauer  ihres  Bestehens  machte. 
Am  27.  Deeember  1593  suchten  Carl  Sigmund  Feyerabend,  Balthasar 
Kriebel  (Griebel)  der  Gürtler,  und  Hans  Stolzenberger ,  der  Keller 
auf  dem  Römer,  um  die  Erlaubniss  nach,  künftige  Fastnacht  die 
Komödie  vom  König  Alias  aufführen  zu  dürfen.46  Der  Rath  be¬ 
willigte  auch  ihre  Bitte,  aber  unter  der  eigenthümlichen  Bedingung, 
dass  die  Spieler  »kein  Vbermass  gebrauchen«,  das  heisst  in  die  Sprache 
unserer  Zeit  übersetzt,  dass  sie  sich  ihrer  Rolle  entsprechend  ver¬ 
halten  und  nicht  zu  stark  komische  Scenen  mitten  in  die  biblische 
Handlung  einlegen  sollten.  —  Dieser  Zusatz  ist  um  so  mehr  in’s 
Auge  zu  fassen,  als  er  den  klaren  Beweis  liefert,  wie  sehr  auch  in 
Frankfurt  das  geistliche  Schauspiel  der  Reformation  im  Laufe  der 
Zeit  seinen  ernsten,  streng  religiösen  Charakter  eingebüsst  hatte.  Es 
ist  ein  eigenthümliches  Zusammentreffen,  auch  die  Unternehmer  die¬ 
ser  Tragödie  machen  nicht  den  gediegenen  Eindruck  wie  die  meisten 
Veranstalter  der  Bürgerspiele  in  früheren  Jahren. 

Carl  Sigmund  Feyerabend,  der  Sohn  des  berühmten  Frankfurter 
Buchdruckers,  war  ein  lockerer  Bursche,  der  sich  um  geschäftliche 
Angelegenheiten  wenig  kümmerte  und  in  jugendlichem  Leichtsinn 
viel  lieber  brodlose  Künste  pflegte.47  Wie  aus  verschiedenen  Raths¬ 
verordnungen  und  sonstigen  Mittheilungen  aus  jener  Zeit  hervor¬ 
geht,  standen  ihm  seine  beiden  Genossen  Balthasar  Griebel,  der 
Gürtler,  und  Hans  Stolzenberger,  Keller  auf  dem  Römer,  weder 
an  Leichtsinn  noch  an  der  Lust  zu  absonderlichem  Treiben  nach. 

Die  Tragödie  vom  König  Alias,  deren  Aufführung  am  6.  Februar 
1594  im  Leinwandhaus  stattfinden  sollte,  aber  bis  zum  10.  ver¬ 
schoben  wurde,  scheint  nach  einer  Bemerkung  in  den  Bürgermeister- 


20 


büchern  trotz  der  Mahnung  des  Raths  nicht  einen  dem  tragischen 
Stoff  entsprechenden  Charakter  getragen  zu  haben.  Es  ist  dies 
auch  das  erste  und  letzte  Bürgerspiel,  von  welchem  mit  Sicherheit 
festzustellen  ist,  dass  die  Darsteller  von  dem  Publikum  eine  gewisse 
Abgabe  verlangten. 

Wie  bei  früheren  ähnlichen  Vorstellungen  lieferte  der  Rath 
wieder  Holz  und  Dielen  zum  Gerüst,  aber  die  Zuschauer  mussten 
diesmal  die  Person  1  Batzen  (jetzt,  etwa  1  M.)  Eintrittsgeld  geben. 
Obgleich  die  Einnahme  von  den  wohlhabenden  Veranstaltern  keines¬ 
wegs  zur  Zahlung  der  Unkosten  verwandt,  sondern  für  die  nach¬ 
folgende  Zeche  der  mitwirkenden  »Gesellen«  verbraucht  wurde,  so 
raubte  dieser  geschäftliche  Anstrich  doch  dem  Drama  der  Reforma¬ 
tionszeit  den  letzten  Anflug  unantastbarer  Würde,  welchen  die  sonstige 
Opferwilligkeit  der  Unternehmer  derartigen  Aufführungen  stets 
zu  geben  pflegte.  Nach  einer  Bemerkung  in  den  Rathsprotokollen 
»man  soll  dem  Autori  der  Tragödie  eine  Verehrung  reichen«,  war 
derselbe  entweder  ein  Frankfurter  oder  bei  der  Darstellung  im  Lein¬ 
wandhause  gegenwärtig.  —  Da  Balthasar  Griebel,  der  Gürtler,  im 
Januar  1594  dem  Rath  einige  Büchlein  von  der  Tragödie  verehrte,48 
welche  die  Bürgerschaft  aufzuführen  beabsichtigte,  so  ist  viel 
Grund  vorhanden,  diesen  Handwerker  für  den  Verfasser  des  letzten 
hier  aufgeführten  Bürgerspiels  und  folglich  auch  für  den  ersten  in 
Frankfurt  geborenen  dramatischen  Autor  einer  Tragödie  zu  halten. 
Leider  sind  die  Widmungen  an  den  Rath  aus  jener  Zeit  nicht  mehr 
erhalten  und  andere  genaue  Forschungen  nach  jenen  »tractetlin«  er¬ 
folglos  geblieben,  wesshalb  wir  nicht  im  Stande  sind,  über  den  In¬ 
halt  dieses  für  die  Entwicklungsgeschichte  der  dramatischen  Kunst 
in  Frankfurt  so  hochwichtigen  Werkes  einigen  Aufschluss  geben  zu 
können. 

Nicht  allein  im  Leben  der  Völker  und  Individuen,  auch  in 
dem  Entwicklungsgang  der  verschiedenen  Künste  treten  hie  und  da 
Momente  ein,  wo  die  innere  Nothwendigkeit  gebietet,  dass  das 
Bestehende  durch  andere  Richtungen  verdrängt  und  in  den  alten  Boden 
eine  neue  Saat  der  Zukunft  gelegt  werden  muss.  Dieser  Augen¬ 
blick  war  für  die  Schauspielkunst  in  Frankfurt  gekommen,  als  die 
Bürgerkomödie  anfing,  eine  amüsante  Nebenbeschäftigung  zweifel¬ 
hafter  Persönlichkeiten  zu  werden.  Die  dramatische  Kunst  war 
mittlerweile  selbständig  geworden,  sie  suchte  nach  einem  Vertreter, 
der  in  den  kommenden  Stürmen  einer  schweren  Zeit  mit  Gut  und 
Blut  für  sie  eintreten  würde,  und  sie  fand  ihn  auch  hier  in  den 
fahrenden  Komödianten,  die  über’s  Meer  herüberkamen  und  zur 
rechten  Stunde  das  Amt  ihrer  getreusten  und  ritterlichsten  Vasallen 
übernahmen. 


Die  ersten  Berufskomödianten  in  Frankfurt. 


i. 

Die  Vermuthung  Tiecks,  die  englischen  Komödianten  möchten 
Deutsche  vom  Comptoir  der  Hansa  in  London  oder  abenteuerliche 
Gesellen  gewesen  sein,  hat  wegen  der  sonstigen  Verdienste  dieses 
Schriftstellers  um  das  deutsche  Theater  mehrere  Decennien  eine 
grosse  Gemeinde  zweifellos  glaubender  Anhänger  gefunden.  Es  ist 
ein  nicht  genug  zu  schätzendes  Verdienst  Albert  Cohn’s,  dass  er  in  sei¬ 
nem  hocliinteressanten  Werke  »Shakespeare  in  Germanv«  an  der 
Hand  überzeugender  Thatsachen  nicht  allein  die  augenfälligen  Gründe 
erörtert,  welche  diese  englischen  Mimen  zu  einer  Reise  nach  Deutsch¬ 
land  antrieben,  sondern  auch  in  sicherer,  entscheidender  Weise  den 
Irrthum  widerlegt,  dass  die  ersten  fahrenden  Thespisjünger  keine 
ächten  Söhne  Albions  gewesen. 

Die  Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  liefert  schon  im  Jahre 
1592  einen  neuen  untrüglichen  Beweis  gegen  die  irrthümliche  An¬ 
sicht,  die  englischen  Komödianten  hätten  nur  deshalb  diesen  Namen 
geführt,  weil  der  Sprachgebrauch  jener  Zeit  alle  absonderlichen 
Leistungen  mit  dem  Titel  »Englische  Künste«  zu  bezeichnen  pflegte. 

Der  eigentliche  Anfang  der  berufsmässigen  Schauspielkunst  in 
Frankfurt  wurde  durch  den  interessanten  Moment  eingeleitet,  dass 
eine  der  ersten  bedeutenden  englischen  Truppen,  welche  im  Frühling 
1591  sich  in  Dover  zu  einer  Reise  nach  dem  Continent  einschiffte, 
kaum  ein  Jahr  später,  im  August  1592,  den  Rath  um  die  Erlaub niss 
anging,  während  der  Herbstmesse  »ihre  Comödias  und  Tragödias«  hier 
zur  Darstellung  bringen  zu  dürfen. 

Diese  fremde  Wandertruppe,  deren  hauptsächlichste  Mimen  sich 
als  Mitglieder  der  Schauspielergesellschaft  des  Grafen  von  Worcester 
in  England  schon  einen  bedeutenden  Namen  erworben  hatten,  wurde 
jedenfalls  durch  den  Weltruf  der  Frankfurter  Messen  angezogen. 


22 


Vielleicht  hat  (aber  auch  eine  Ueberlieferung  aus  dem  XVII.  Jahr¬ 
hundert  nicht  ganz  Unrecht,  welche  die  Behauptung  enthält,  die 
englischen  Komödianten  seien  nicht  allein  dem  Weltruf  der  Messen, 
sondern  auch  der  Einladung  verschiedener  Frankfurter  Patrizier  ge¬ 
folgt,  die  in  den  letzten  Jahrzehnten  des  XVII.  Jahrhunderts  Eng¬ 
land  besuchten  und  ein  besonderes  Wohlgefallen  an  den  damals 
schon  weit  vorgeschrittenen  Theatern  Londons  gehabt  hätten. 

Ehe  Avir  das  Wirken  dieser  unter  der  Leitung  eines  Bobertus 
Browne  stehenden  Künstlergesellschaft  in  Frankfurt  weiter  verfolgen, 
muss  erst  ein  Empfehlungsschreiben  hier  Wiedergabe  finden,  welches 
derselben  ein  englischer  Hofbeamter  Namens  Howard  in  französi¬ 
scher  Sprache  vor  ihrer  Abreise  an  die  Generalstaaten  der  Nieder¬ 
lande  ausstellte.  Dieses  Schreiben  legt  nicht  nur  Zeugniss  dafür  ab, 
dass  die  Reisenden  Deutschland  zum  alleinigen  Ziel  ihrer  Wande¬ 
rung  auserwählt  hatten,  es  giebt  auch  GeAvissheit  über  den  eigent¬ 
lichen  Schwerpunkt  ihrer  Thätigkeit,  der  hiernach  hauptsächlich  in 
mimischen  und  musikalischen  Künsten  bestand.  Es  lautet  folgender- 
massen : 

»Messieurs,  connne  les  presents  porteurs,  Robert  BroAvne,  Jehan 
Bradstriet,  Thomas  Saxfield,  Richard  Jones,  ont  delibere  de  faire  ung 
voyage  en  Allemagne,  avec  intention  de  passer  par  le  pais  de  Zelande, 
Hollande  et  Frise,  et  allantz  en  lenr  dict  voyage  d’exercer  leurs  qua- 
litez  en  faict  de  musiqne,  agilitez  et  joeuz  de  commedies,  tragedies 
et  histoires,  ponr  s’entretenir  et  fournir  ä  leurs  despenses  en  leur 
dict  voyage.  Cestes  sont  partant  vous  requerir  monstrer  et  prester 
tonte  faveur  en  voz  pais  et  jurisdictions,  et  leur  octroyer  en  ma 
faveur  vostre  ample  passeport  soubz  le  seel  des  Estatz  afin  que  les 
Bourgmestres  des  villes  estantz  soubs  voz  juricditions,  ne  les  em- 
pechent  en  passant  d’exercer  leur  dictes  qualitez  par  tout.  Enqoy 
faisant,  je  vous  en  demeureray  ä  tous  oblige,  et  me  treuverez  tres 
appareille  ä  me  revencher  de  vostre  courtoisie  en  plus  grand  cas. 
De  ma  chambre  ä  la  court  d’Angleterre  ce  Xme  your  deFebvrier,  1591. 

Vostre  trös  affecsionne  ä  vous  fayre  plaisir  et  sarvis 

C.  Howard.«49 

Wenn  auch  keine  schriftlichen  Belege  dafür  aufzufinden  waren, 
so  lässt  sich  doch  mit  grosser  Sicherheit  an  nehmen,  dass  diese  an¬ 
gesehenen  Komödianten,  die  vom  Hofe  durch  einen  solchen  Reise¬ 
pass  ausgerüstet  wurden,  auch  noch  andere  Empfehlungsschreiben 
ihrer  englischen  Patrone  an  deutsche  Fürsten  und  Reichsstädte  mit 
auf  den  Weg  nahmen. 

Die  Meinung,  dass  die  von  Robert  BroAvne  angeführte  Gesell¬ 
schaft  sogar  einer  Einladung  des  regierenden  Herzogs  Heinrich  Ju¬ 
lius  von  Braunschweig  folgte  und  schon  im  Sommer  1592  in  dem 
ein  Jahr  früher  in  Wolfenbüttel  errichteten  Theater  spielte,  verdient 
um  so  mehr  Glauben,  als  die  dramatischen  Dichtungen  des  kunst- 


23 


sinnigen  Herzogs  schon  in  den  Jahren  1592 — 94  unter  englischem 
Einfluss  verfasst  und  gleich  nach  ihrem  Entstehen  von  englischen 
Schauspielern  dargestellt  worden  sind.  —  Ein  weiterer  Beweis  für 
die  Richtigkeit  dieser  Ansicht  ist  die  Thatsache,  dass  Thomas  Sack- 
ville,  nachdem  er  als  Mitglied  der  Truppe  des  Robertus  Browne  in 
Frankfurt  und  in  andern  Städten  gespielt,  schon  um  1595  in  den  stän¬ 
digen  Dienst  des  Herzogs  von  Braunschweig  trat.  Es  ist  liier  nicht 
der  Ort,  nachzuweisen,  inwieweit  dem  fürstlichen  Poeten  seine  Nach¬ 
ahmung  englischer  Vorbilder  gelang  oder  misslang:  es  soll  hier  nur 
erwähnt  werden,  dass  der  Herzog  Heinrich  Julius  von  Braun¬ 
schweig  der  erste  deutsche  Dramatiker  war,  der  sich  bei  der  Ab¬ 
fassung  seiner  Stücke  die  Vortheile  der  in  England  schon  weit  vor¬ 
geschrittenen  Bühneneinrichtungen  vollkommen  zu  Nutzen  machte. 

Als  Robertus  Browne  am  30.  August  1592  zum  ersten  Mal 
für  sich  und  seine  Truppe  nachsuchte,  theatralische  Vorstellungen 
in  Frankfurt  geben  zu  dürfen,  scheint  seine  Bittschrift  in  dem  älteren 
Herrn  Bürgermeister  Hieronymus  zum  Jungen  kein  geringes  Staunen 
erweckt  zu  haben.  Er  berichtete  den  Vätern  der  Stadt,  »es  seien 
etliche  frembde  Komödianten  aus  England  übers  Meer  herüber¬ 
gekommen«,  welche  in  der  bevorstehenden  Herbstmesse  auch  hier 
ihre  Comedia  darstellen  und  zuvor  dieser  Tage  in  einer  wohlgefälli¬ 
gen  Stunde  dem  Erbaren  Rath  eine  Probe  ihrer  Kunst  ab  legen  woll¬ 
ten.50  Da  das  Begehren  der  Engländer  das  erste  dieser  Art  und 
demnach  für  die  vorsichtigen  Väter  der  Stadt  von  bedenklicher  Natur 
war,  so  fasste  man  den  Beschluss,  vor  der  Gestattung  desselben 
zuerst  die  Probe  anzusehen.  Diese  muss  zu  Gunsten  der  eng¬ 
lischen  Komödianten  ausgefallen  sein,  denn  es  wurde  ihnen  sofort 
nach  derselben  die  Bewilligung  ihrer  Bitte  zu  Theil. 

Wo  nun  die  Truppe  des  Robertus  Browne  bei  ihrem  ersten 
Aufenthalt  in  Frankfurt  spielte,  ist  nicht  actenmässig  festzustellen; 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aber  stand  ihre  Bude  am  Main,  wohin 
damals  alle  mit  den  Komödianten  auf  einer  Stufe  stehenden  fahren¬ 
den  Künstler  verwiesen  wurden.  —  Ebensowenig  wie  der  Spielort 
lässt  sich  nach  den  schriftlichen  Quellen  aus  jener  Zeit  das  Reper¬ 
toire  dieser  ersten  englischen  Künstlergesellschaft  in  Frankfurt  genau 
angeben.  Aber  was  liier  unzulänglich  ist,  ergänzt  eine  Notiz  aus 
dem  Reisebüchlein  eines  »Würtenbergischen  Kaufmanns«,  der  einige 
Jahre  früher  eine  Reise  nach  »dem  Inselland«  unternommen  hatte 
und  der  englischen  Sprache  vollständig  mächtig  war.  Hiernach  wur¬ 
den  während  seines  Aufenthaltes  in  der  Herbstmesse  1592  von  den 
-Englischen«  in  Frankfurt  mehrere  Stücke  des  »dort  im  Inselland 
gar  berühmten  Herrn  Christopher  Marlowe«  und  auch  »das  lustig 
Spill  Ganimer  Gurtons  Needle  (Frau  Gurtons  Nähnadel)  mit  allerley 
künstlich  Verdrehungen  auf  das  theatro  gebracht«. 

Der  etwas  anstössige  Inhalt  des  letzten  Stückes,  das  an  die 


24 


Fastnachtsspiele  von  Hans  Rosenplüt  und  Hans  Sachs  erinnert,  ist 
zu  eigen thümlich,  als  dass  er  nicht  kurze  Erwähnung  finden  sollte. 
Eine  ehrbare  Hausfrau,  welche  die  Beinkleider  ihres  Knechtes  aus¬ 
bessert,  verliert  in  der  Geschwindigkeit  ihrer  Beschäftigung  die  Näh¬ 
nadel.  Diesen  Umstand  benutzt  ein  lustiger  Gesell,  eine  Art  Hans¬ 
wurst,  um  die  tleissige  Hausfrau  gegen  ihre  Nachbarin,  welche  die 
Nadel  genommen  haben  soll,  aufzuhetzen.  Der  Streit  zwischen  beiden 
Frauen  verursacht  ein  entsetzliches  Geschrei,  das  ganze  Haus  läuft 
zusammen,  der  Pfarrer  und  andere  Personen  mischen  sich  hinein.  — 
Endlich,  als  die  Handlung  auf  dem  höchsten  Punkt  der  Verwicklung 
angekommen  ist,  löst  der  lustige  Urheber  dieses  häuslichen  Streites  auf 
einmal  alle  Räthsel  dadurch,  dass  er  dem  Hausknecht  einen  Schlag 
von  hinten  auf  den  eben  geflickten  Theil  der  Hosen  giebt.  —  Die 
Nadel,  welche  darin  stecken  geblieben  ist,  dringt  jetzt  in  das  Fleisch 
ein  und  der  Hausknecht  verräth  durch  sein  Geschrei,  wo  sie  bis  da¬ 
hin  verborgen  war. 

Dieses  von  John  Still,  einem  ehemaligen  Magister  artiuin  am 
Christ-College  zu  Cambridge,  verfasste  Lustspiel  ist  in  fünf  Akte  ge- 
theilt  und  in  einem  Versmass  geschrieben,  welches  dem  Alexandriner 
ähnlich  ist  und  auch  in  Shakespeares  früheren  Stücken,  z.  B.  in  »Ver¬ 
lorne  Liebesmühe«,  vorkommt. 

Viel  wichtiger  als  die  Angabe  dieses  Lustspiels  wäre  für  die 
Frankfurter  Theatergeschichte  allerdings  die  nähere  Bezeichnung  der 
Marlowe’schen  Stücke.  —  Dieser  geniale  Dichter,  bekanntlich  neben 
Kyd  und  Green  der  unmittelbarste  Vorläufer  William  Shakespeare's, 
behandelte  ja  schon  1588  denselben  Stoff,  aus  welchem  beinahe 
200  Jahre  später  Frankfurts  grösster  Sohn  sein  unsterbliches  Meister¬ 
werk  bildete.  Es  wäre  eine  glückliche  Entdeckung  gewesen,  nach 
dem  eifrigsten  Forschen  feststellen  zu  können,  dass  sich  unter  den 
von  den  ersten  englischen  Komödianten  aufgeführten  Stücken  schon 
1592  »Die  tragische  Historie  von  Dr.  Faust«  von  Christopher  Mar¬ 
lowe  befunden  habe. 

Was  die  künstlichen  Verdrehungen  anbetrifft,  welche  die  Truppe 
des  Robertus  Browne  neben  ihren  mimischen  Künsten  zum  Besten 
gab,  so  gehören  dieselben  in  die  Abtheilung  der  »agilitez«,  wie  sie 
Howard  in  seinem  Empfehlungsschreiben  an  die  Generalstaaten 
bezeichnet  hat.  Die  Beigabe  der  Equilibristenkünste  waren  eine 
Art  Lockspeise  für  das  deutsche  Publikum,  das  sich  seit  alten  Zeiten 
gern  an  derartigen  Leistungen  ergötzt  hatte.  Jedenfalls  aber  waren 
den  Frankfurtern,  welche  bis  dahin  die  dramatische  Kunst  nur  selten 
ansgelassen  und  noch  nie  als  eine  blutige  Rachegöttin  auftreten  sahen, 
die  ersten  hier  dargestellten  Stücke  der  englischen  Komödianten  doch 
zu  crass.  Dies  mochten  die  fremden  fahrenden  Thespisjünger  wohl 
gemerkt  haben,  denn  als  sie  ein  Jahr  später,  am  28.  August  1593, 
wieder  beim  Rath  um  Zulassung  für  die  Herbstmesse  einkamen,  be- 


25 


merkten  sie  ausdrücklich,  dass  man  ihnen  gestatten  möge,  gelehrte, 
von  »einem  von  ihnen  selbst  erfundene  geistliche  Komödien  in  eng¬ 
lischer  Sprache«  aufführen  zu  dürfen.51  Einige  Tage  später  ist  der 
Titel  dieser  Stücke  genau  angegeben.  »Robert  Braun,  Thomas  Sachs¬ 
weil  vnd  Johan  Bradenstreit  et  Consorten«  wollen  »die  Comödia  von 
Abraham  und  Loth  und  vom  Untergang  von  Sodom  und  Gomora 
belieben  anderen  Künsten«  zur  Darstellung  bringen.52  Die  Bittsteller 
erhielten  unter  dem  Vorbeding  Bewilligung,  dass  sie  von  den  Jungen 
nicht  so  viel  nehmen  sollten  wie  von  den  Alten,53  welche  Be¬ 
merkung  gleichzeitig  den  Beweis  liefert,  dass  ihre  Vorstellungen 
besonders  stark  von  der  Frankfurter  Jugend  besucht  wurden. 

Es  darf  mit  vieler  Sicherheit  angenommen  werden,  dass  der 
Verfasser  der  »selbst  erfundenen«  Komödien  kein  anderer  als  Thomas 
Sackville  war,  dessen  dramatisch-poetischer  Beanlagung  in  der  Folge 
mehrmals  Erwähnung  geschieht.  Er  ist  aber  deshalb  nicht  zu  ver¬ 
wechseln  mit  einem  älteren  Verwandten  gleichen  Namens,  der  im 
Verein  mit  Lord  Buckhurst  und  Thomas  Norton  die  älteste,  nach 
antiken  Mustern  aufgebaute  englische  Tragödie  »Gorboduc  oder  Terrex 
und  Porrex«  verfasste.  Die  Wahl  eines  bekannten  biblischen  Stoffes 
für  theatralische  Darstellungen  in  Frankfurt  war  aber  um  so  glück¬ 
licher,  als  die  Kenntniss  des  Gegenstandes  dem  Publikum  das  Ver¬ 
ständnis  für  die  in  fremder  Sprache  gegebenen  Stücke  erleichterte. 
Bei  dem  gesprochenen  Worte  blieb  es  jedoch  nicht  allein  ;  es  wird 
später  ausdrücklich  erwähnt,  dass  die  Komödianten  in  »bevden  Co- 
mödien  auch  Musik  und  Singerkünste  treiben  wollen«,  woraus  man 
schliessen  kann,  dass  auch  in  diese  Stücke  —  wie  in  die  »Susan  na« 
von  Paul  Reblmn  —  gereimte  Chorgesänge  eingelegt  waren,  welche 
von  den  Darstellern  mit  Instrumentalbegleitung  gesungen  wurden. 
Ebenso  wie  für  die  musikalische  Zuthat,  war  auch  sicher  trotz  dem 
Ernst  des  Gegenstandes  für  eine  gute  Vertretung  des  komischen 
Elements  gesorgt,  das  in  den  gleichzeitigen  englischen  Stücken 
durch  die  Figur  des  lustigen  Narren  Jahn  (Jan)  repräsentirt  wird. 

Musik  und  Humor,  die  beiden  unwiderstehlichen  Gewalten, 
übten  schon  bei  den  Aufführungen  der  Mysterien  ihren  Zauber  auf 
die  Gemüther  des  Frankfurter  Publikums  aus,  und  auch  die  berufs¬ 
mässige  Schauspielkunst  hat,  besonders  in  ihren  ersten  Entwicklungs¬ 
phasen  in  der  alten  Reichsstadt,  nie  grössere  Triumphe  errungen, 
als  wenn  sie  mit  beiden  Schwesterkünsten  zu  gemeinsamem  Ziel  ein 
freundschaftliches  Bündniss  eingiug. 

Man  würde  sich  nun  sehr  täuschen,  wenn  man  annehmen 
wollte,  dass  die  Truppe  des  Robertus  Browne,  die  über  vier  Wochen 
hier  spielte,  nur  diese  beiden  Komödien  abwechselnd  gegeben  hätte. 
Finden  sich  auch  keine  bestimmten  Nachrichten  über  das  damalige 
Repertoire,  so  lässt  sich  doch  annehmen,  dass  dieselben  Stücke,  welche 
neben  den  schon  vorhandenen  deutschen  Dramen  den  Herzog  Hein- 


26 


rieh  Julius  von  Braunschweig  und  etwas  später  den  Nürnberger 
Gerichtsprocurator  Jacob  Ayrer  zu  eignen  Schöpfungen  anregten, 
schon  in  dem  letzten  Decennium  des  XYI.  Jahrhunderts  auch  hier 
in  Frankfurt  zur  Darstellung  gekommen  sind.  Es  waren  dies  haupt¬ 
sächlich  die  Stücke  von  Green  und  Christopber  Marlowe,  welche 
beiden  Poeten  im  Verein  mit  Thomas  Kvd  eine  ähnliche  Stellung  in 
der  englischen  Literatur  einnehmen,  wie  Klinger,  Lenz  und  Wagner, 
die  hervorragendsten  Dichter  der  Sturm-  und  Drangperiode,  in  der 
deutschen. 

Thomas  Kvd,  der  nur  ein  einziges  bedeutendes  Drama,  »Die 
spanische  Tragödie«,  schrieb,  gab  durch  dieses  Werk  das  Muster  zu 
einer  ganzen  Reihe  von  Stücken,  denen  man  mit  Recht  den  Namen 
der  »Blut-  und  Rachetragödien«  beigelegt  hat.  Begabter  und  er¬ 
findungsreicher  als  Thomas  Kvd  ist  Robert  Green,  der  mit  grossem 
dramatischem  Takt  zuerst  das  burleske  Element  in  die  ernsten  Dra¬ 
men  einzuführen  verstand.  Unzweifelhaft  der  bedeutendste  dieser 
Dichter  ist  der  schon  einmal  erwähnte  Christopher  Marlowe,  dessen 
phantasiereiche,  aber  von  Blut  und  Mord  strotzende  Tragödien  »Ta- 
merlan«,  »Die  Pariser  Bluthochzeit«  und  »Der  Jude  von  Malta«  die 
Vorläufer  von  Shakespeare’s  grausenerregendem  Erstlingswerk  »Titus 
Andronicus«  geworden  sind.  —  Jedenfalls  wechselten  mit  diesen 
Tragödien  auch  in  Frankfurt  die  Lustspiele  eines  John  Lilly  und 
anderer  zeitgenössischer  Dichter  ab,  welche  die  englischen  Komö¬ 
dianten  schon  in  Theatern  Londons  aufgeführt  hatten. 

Die  von  Robert  Browne  und  seinen  Genossen  am  4.  Septem¬ 
ber  1593  zu  Ehren  des  Rathes  aufgeführte  Komödie  war  ohne  Zweifel 
eines  jener  Lustspiele,  in  denen  hauptsächlich  die  komische  Figur 
des  Jan  oder  Jahn  die  Lachmuskeln  der  Zuschauer  durch  die  toll¬ 
sten  Ausgelassenheiten  in  Bewegung  setzte.  In  den  Zwischenacten 
und  am  Schluss  des  Stückes  wurden  auch  bei  dieser  Vorstellung 
wieder  von  einigen  Mitgliedern  der  Truppe  akrobatische  Künste, 
welche  der  Geschmack  jener  Zeit  nicht  von  dem  Theater  zu  trennen 
vermochte,  zum  Besten  gegeben. 

Da  der  Rath  die  Einladung  nicht  gerade  ablehnte,  sondern  — 
was  bei  der  damals  verachteten  Stellung  der  Komödianten  sehr  viel 
sagen  will  —  seinen  Mitgliedern  den  Besuch  der  Komödie  freistellte,54 
so  findet  sich  wohl  einige  Begründung  für  den  Glauben,  dass  sowohl 
die  künstlerischen  Leistungen  wie  das  moralische  Verhalten  der 
Truppe  keinerlei  Missfallen  bei  den  leicht  empfindlichen  Vätern  der 
Stadt  erregten. 

In  der  Herbstmesse  des  Jahres  1597  spielten  wieder  dieselben 
englischen  Komödianten  hier,  aber  diesmal  unter  der  Führung  des 
Thomas  Sackville,  auch  »John  Bouset  genannt«.55  John  Bouset  ist 
der  Name  der  komischen  Figur  in  verschiedenen  Stücken  des  Her¬ 
zogs  Heinrich  Julius  von  Braunschweig. 


27 


Dass  Thomas  Sackville  sich  diese  Bezeichnung  beilegte,  ist  um 
so  interessanter,  da  sie  nicht  allein  Zeugniss  giebt  tür  den  grossen 
Ruf,  den  er  sich  bereits  1597  als  Darsteller  dieser  Partie  erworben 
hatte,  sondern  auch  in  Frankfurt  als  erster  Fall  für  die  später 
immer  mehr  aufkommende  Sitte  zu  verzeichnen  ist,  wonach  sich 
darstellende  Künstler  den  Namen  ihrer  hauptsächlichsten  Rolle  bei¬ 
legen. 

Ehe  Thomas  Sackville  mit  seiner  Truppe  nach  Frankfurt  kam, 
war  er  mit  ihr  in  Schwaben  und  Bayern  herumgereist  und  hatte  im 
Mai  1597  sieben  Tage  an  dem  Hofe  des  Herzogs  Friedrich  I.  von 
Wiirtenberg  gespielt,56  desselben,  der  als  Graf  Friedrich  von  Möm- 
pelgard  im  Jahre  1592  mit  einem  grossen  Gefolge  den  Hot  der 
Königin  Elisabeth  von  England  besuchte.  Obgleich  der  Kamraer- 
secretär  des  Herzogs,  Jacob  Rathgeb,  welcher  im  Jahre  1602  eine 
Beschreibung  dieser  Reise  lieferte,57  nichts  von  den  Theatern  Lon¬ 
dons  erwähnt,  so  beweist  doch  diese  Reise  Sackville’s  und  seiner 
Gesellen  an  den  Hof  zu  Stuttgart,  dass  der  Herzog  auch  zu  jenen 
Fürsten  gehörte,  welche- in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts 
als  köstliches  Gastgeschenk  den  Sinn  für  die  dramatische  Kunst  aus 
England  in  ihre  Heimath  mit  hinübernahmen. 

Der  Herzog  Friedrich  belohnte  die  Komödianten  durch  eine 
Gabe  von  200  Gulden  und  ertheilte  den  Befehl,  dass  man  auch  alle 
ihre  sonstigen  Unkosten  aus  seiner  Schatulle  decken  solle.  Und 
diese  Ausgaben  der  fahrenden  Komödianten  waren  mitunter  nicht  so 
gering,  als  man  nach  den  mässigen  Eintrittspreisen  vermuthon 
möchte.  Um  einen  kleinen  Einblick  in  dieselben  und  in  die  Reisen 
der  fremden  Thespisjünger  überhaupt  zu  bekommen,  sei  hier  eine 
Abweichung  von  unserem  eigentlichen  Gebiete  und  eine  nach  mehre¬ 
ren  alten  Holzschnitten  abgefasste  Schilderung  aus  dem  fahrenden 
Wanderleben  der  Truppen  gestattet,  welche  nicht  allein  auf  die 
Truppe  Sackville’s,  sondern  auch  auf  die  meisten  reisenden  Banden 
bis  zum  letzten  Viertel  des  XVII.  Jahrhunderts  passt. 

Ueber  irgend  eine  Landstrasse  des  heiligen  römischen  Reiches 
deutscher  Nation  zieht  ein  seltsamer  Zug  von  Wagen,  welche  theils 
mit  Leinwand  bedeckt,  theils  mit  einem  schützenden  Holzdach  ver¬ 
sehen  sind.  Ein  oder  zwei  Fahrzeuge  sind  darunter,  in  deren  festen 
Seitenwänden  sich  sogar  kleine  Fenster  oder,  besser  gesagt,  Licht- 
und  Luftlöcher  befinden.  Ein  Blick  in  die  Wagen  lehrt,  dass  sie  im 
Nothfall  zum  Wohnen  und  Kochen,  sowie  zum  Schlafen  für  etwa 
20 — 25  Personen  dienen  können.  Im  Augenblick  ist  eine  solche  be¬ 
engende  Lage  eingetreten,  es  regnet  nämlich  in  Strömen  und  die 
Räder  der  verschiedenen  Thespiskarren  bleiben  im  Schlamme  der 
Landstrasse  stecken.  Aber  die  üble  Laune  des  Himmels  schädigt 
den  Humor  der  lustigen  Gesellen  nicht,  die  sich  in  dem  engen  Ge¬ 
hege  durch  allerlei  heitere  Kurzweil  über  die  bedenkliche  Situation 


28 


hinaus  helfen.  Einer,  der  erste  Springer  der  Gesellschaft,  macht  auf 
einem  Raum  von  zwei  Quadratschuhen  akrobatische  Hebungen,  ein 
Musiker  begleitet  ihn  mit  einer  gar  »erketzlichen  Melodia«,  ein  drit¬ 
ter  Gesell  hat  die  Narrenkappe  aufgesetzt  und  memorirt  mit  lebhaf¬ 
ten  Gestikulationen  eine  seiner  Rollen,  ein  vierter,  der  gewöhn¬ 
lich  die  Königin  zu  spielen  hat,  rasirt  in  der  Nähe  eines  Fensters 
seinen  starken  Bartansatz  und  ein  fünfter  endlich,  die  Julia  oder 
Ophelia  der  Gesellschaft,  schraubt  seine  Stimme  zu  Fisteltönen  hin¬ 
auf  und  übt  sich  in  dem  »laudiren  der  jungfräulichen  liebessprach«. 

In  einer  Ecke  des  Thespiskarrens  aber  sitzen  ein  paar  Haus¬ 
frauen  der  fahrenden  Komödianten ;  sie  bessern  bunte  Gecken¬ 
kleider  aus,  sind  aber  bei  dieser  Beschäftigung  nicht  so  heiter 
wie  das  »leichtlebig  lustige  Mannsgezücht«.  Gerade  bei  dem  trüben 
Wetter  denken  sie  an  ihre  Heimath,  an  ihre  ältesten  Kinder,  die 
dort  bei  Verwandten  zurückgeblieben  sind,  und  manche  Thräne  fällt 
dabei  auf  die  bunten  goldbesetzten  Narrengewänder  hernieder.  Plötz¬ 
lich  schreit  eine  zarte  Kinderstimme  hinter  einem  sonst  zu  theatrali¬ 
schen  Zwecken  gebrauchten  Vorhang  in  der  äussersten  Ecke  des 
Wagens.  Eine  der  Frauen  springt  auf  und  eilt  zu  dem  aus  ein 
paar  Brettern  zusammengelegten  Wiegenbettchen,  worin  eben  der  in 
Deutschland  geborne  kleine  Sohn  Albions  von  dem  Durcheinander 
des  verschiedenen  Geräusches  erwacht  war.  Indem  die  Frau  ihren  Klei¬ 
nen  herzt,  lebt  sie  wieder  ganz  in  der  Gegenwart,  schaut  mit  einem  glück¬ 
seligen  Blick  auf  den  Narren,  ihren  Hausherrn,  und  thut  ihm  in 
Gedanken  Abbitte  für  den  erst  vor  einer  Weile  ihm  im  Stillen 
gemachten  Vorwurf,  dass  er  seine  einträgliche  gute  Stelle  als  Komö¬ 
diant  des  kunstsinnigen  Grafen  in  der  Heimath  verlassen  und  sie 
selbst  in  ein  Land  hinübergelockt  habe,  wo  sie  kein  Wort  verstand 
und  ein  zigeunerhaftes  Dasein  führen  musste. 

Indessen  rauscht  draussen  der  Regen  unaufhaltsam  hernieder ; 
die  Pferde  sind  trotz  ihren  grossen  Schutzdecken  bis  auf  die  Haut 
nass  geworden,  die  dreifache  Leinwand  über  den  »Rüstwäglin«  ist 
durchgeweicht.  Da  ordnet  der  Führer  an,  dass  aller  Männer  Hände 
beim  Ueberspannen  der  grossen  Lederdecken  helfen  müssen.  Und 
siehe  da,  das  Völkchen,  das  eben  noch  so  lustig  getändelt,  hat,  ehe 
ein  paar  Minuten  vergehen,  die  wasserdichten  Schutzhüllen  über¬ 
gezogen  und  auch  über  jedem  Gespann  Pferde  ein  baldachinartiges 
Gestell  mit  einer  ledernen  Schirmdecke  aufgerichtet.  Trotz  dieser 
Vorsicht  wurde  aber  durch  den  Regen  doch  manches  werthvolle  Re¬ 
quisit,  »manch  kostbares  Wämslin«,  das  aus  dem  Wagen  heraussah, 
beschädigt. 

Als  die  Thespiskarren  am  andern  Morgen  nach  einer  harten 
Fahrt  im  nächsten  Dorfe  anlangten,  mussten  die  Weiber  die  bunten 
Gecken kleid er,  »das  blaue  Getüch  zu  den  Wolken  und  das  Gehengsel 
für  das  Zelt  und  die  Seit«  zur  grössten  Belustigung  der  Landleute 


29 


auf  den  Hecken  der  Dorfgärten  trocknen.  Aber  dies  war  der  Scha¬ 
den  nicht  allein,  den  ihnen  der  Regen  zugefügt  hatte.  Die  Pferde 
waren  übermässig  ermüdet  und  der  Beschlag  an  den  Rädern  der 
Thespiskarren  musste  in  der  Dorfschmiede  erneut  werden.  Ein  paar 
Tage  gingen  darüber  hin,  welche  die  Komödianten  in  einer  elenden 
Herberge  zubringen  mussten.  Wegen  der  wieder  einmal  ein¬ 
getretenen  Ebbe  in  ihrer  Kasse  wurden  sie  sogar  genöthigt,  die  Un¬ 
kosten  mit  dem  Versetzen  ihrer  besten  Gegenstände  zu  decken. 

Nach  mühseliger,  oft  viele  Wochen  in  Anspruch  nehmender 
Fahrt  kam  dann  das  wandernde  Völklein  endlich  an  das  Ziel  seiner 
Reise,  wo  aber  nicht  eher  gespielt  werden  konnte,  bis  die  versetzten 
Gegenstände  ausgelöst  und  manche  nöthige  neue  Zutliat  für  das 
Theater  wieder  angeschafft  worden  war.  Da  kam  denn  die  huld¬ 
reiche  Unterstützung  eines  kunstsinnigen  Fürsten  oft  wie  ein  Er¬ 
retter  aus  grosser  Noth;  denn  keiner  aus  dem  Volke  würde  die 
fremden  Abenteurer  unterstützt  haben,  die  ja  ungerufen  über ’s  Meer 
herüber  kamen  und  sich  ihr  ruheloses  Vagabundenleben  selbst  er¬ 
wählt  hatten. 

Es  liegt  etwas  Absonderliches,  aber  zugleich  auch  ein  unend¬ 
lich  rührender  Zug  von  Aufopferungsfähigkeit  für  ein  schönes  Ziel 
in  den  Kunstreisen  der  ersten  englischen  Komödiantentruppen,  der 
nicht  immer  allein  aus  dem  Hang  zu  Abenteuern  und  zu  absonderlichem 
Treiben  seine  nöthige  Kraft  schöpfen  konnte.  Man  hat  diese  Thespis- 
jünger  in  vieler  Hinsicht  mit  Recht  den  Sängern  unter  den  AV ander¬ 
vögeln  verglichen,  sie  folgten  einem  unwiderstehlichen  Trieb  in  der 
Brust  und  ertrugen  freudig  alle  Beschwerden,  um  für  ihre  Kunst  in 
einem  fernen,  fremden  Lande  einen  neuen  Frühling  zu  finden. 

II. 

Das  ansehnliche  Geschenk,  welches  der  Herzog  Friedrich  I.  von 
Württemberg  der  Truppe  des  Thomas  Sackeville  zu  Theil  werden 
liess,  machte  ihr  die  Reise  durch  einige' schwäbische  Städte  bis  nach 
Frankfurt  viel  leichter.  Sie  konnte  in  ihrer  Bittschrift  an  den  Rath 
»von  ihren  neven  unversehrten  Verzierungen  der  Comedia«  reden 
und  »den  Zimmerlutten«  schon  vor  dem  Beginn  der  Herbstmesse 
»das  Vffschlagen  von  der  hütt  und  dem  geräth«  im  Voraus  be¬ 
zahlen. 

Dass  nun  Thomas  Sackeville  (Sachsweil)  als  lustige  Figur  bei 
der  Truppe  in  jenem  bretternen  Musentempel  sowohl  durch  seine 
Spässe  als  auch  durch  die  charakteristische  Tracht  der  englischen 
Narren  in  Frankfurt  das  grösste  Aufsehen  erregte,  beweist  eine  Stelle 
aus  Marx  Mangolds  Messgedicht  »Markschiffs-Nachen«  aus  dem  Jahr 
1597.  Diese  derbe,  an  Kraftausdrücken  jener  Zeit  reiche  Satire  ist 
eine  Fortsetzung  des  »Markschiff  oder  Markschiffer-Gespräch  von 


30 


der  Frankfurter  Mess«  von  dem  nämlichen  Verfasser,  in  welcher  er 
in  nicht  gerade  hochpoetischer  Weise  beschreibt,  was  in  derselben  im 
Jahre  1596  Namhaftes  und  Seltenes  zu  sehen  war. 

Nachdem  der  Verfasser  die  Fechterschale  der  Marxbrüder  derb 
gegeisselt,  richtet  er  seinen  kritischen  Spott  auf  die  englischen  Ko¬ 
mödianten. 

»Als  diese  Fechterschul  hat  ein  En  dt, 

Da  war  nun  weiter  mein  Intent, 

Zu  sehen  das  Englische  Spiel, 

Davon  ich  hab  gehört  so  viel. 

Wie  der  Narr  drinnen,  Jan  genennt, 

Mit  Bossen  war  so  exellent,: 

Welches  ich  auch  bekenn  fürwar, 

Dass  er  damit  ist  Meister  gar. 

Verstellt  also  sein  Angesicht, 

Dass  er  keim  Menschen  gleich  mehr  sicht, 

Auff  tölpisch  Bossen  ist  sehr  geschickt, 

Hat  Schuch,  der  keiner  jhn  nicht  drückt, 

In  seinen  Hosen  noch  einer  liett  Platz, 

Hat  dran  ein  vngehewren  Latz. 

Sein  Juppen  jhn  zum  Narren  macht. 

Mit  der  Schlappen,  die  er  nicht  acht, 

Wann  er  da  fängt  zu  lötfein  an, 

Vnd  dünkt  sich  seyn  ein  fein  Person. 

Der  Wursthänsel  ist  abgericht, 

Auch  ziemlicher  massen,  wie  man  sicht: 

Vertretten  beyd  jhr  Stelle  wol, 

Den  Springer  ich  auch  loben  soll, 

Wegen  seines  hohen  Springen, 

Vnd  auch  noch  anderer  Dingen: 

Höftlich  ist  in  all  seinen  Sitten, 

Im  tantzen  vnd  all  seinen  Tritten. 

Dass  solchs  fürwar  eine  Lust  zu  sehen, 

Wie  glatt  die  Hosen  jhm  anstehen. 


Denn  er  so  runde  Springe  tliut, 

Ist  sonst  auch  wol  proportioniert, 

Sein  langes  Haar  jhn  auch  was  ziert. 
Aber  ein  Kunst  die  fehlt  jhm  noch, 

Vnd  spreng  er  noch  einest  so  hoch, 
Welch  wol  diente  zu  seinen  Sachen: 
Wenn  er  sich  könnt  vnsichtbar  machen, 
Noch  mehr  Gelt  er  verdienen  möcht, 
Dann  nicht  alle,  versteht  mich  recht, 


31 


Hineyn  zu  diesem  Spiele  gehen, 

Die  lustige  Comedien  zselien. 

Oder  der  Music  vnd  Seiteuspil 
Zu  gefallen,  sondern  jhr  viel 
Wegen  des  Narren  groben  Bossen, 
Ynd  des  Springers  glatten  Hosen.58 


Die  Kritik  über  den  Narren  »Jan«  in  dem  obigen  Messgedicht 
und  der  Umstand,  dass  Thomas  Sackeville  Jan  oder  Johan  Buset  als 
künstlerischen  Beinamen  führte,  lässt  wohl  kaum  einen  Zweifel  gegen 
die  Vermuthung  auf  kommen,  dass  schon  in  der  Herbstmesse  1597 
die  bedeutendsten  Stücke  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braun¬ 
schweig  in'  Frankfurt  von  den  englischen  Komödianten  zur  Dar¬ 
stellung  gebracht  wurden.  Um  so  glaubwürdiger  erscheint  diese  An¬ 
nahme,  als  sich  damals  schon  deutsche  Mitglieder  bei  der  Truppe 
befanden  und  auch  die  obengenannten  Engländer  bei  ihren  Unter¬ 
schriften  ihren  Namen  ins  Deutsche  übersetzten  und  deshalb 
dieser  Sprache  schon  zum  grossen  Theil  mächtig  sein  mussten. 
Eine  weitere  Bestätigung  erhält  diese  Annahme  durch  eine 
Notiz  in  einem  alten  Yerhaltungsbüchlein  »Yon  dem  rechtmässigen 
Wandel  der  Eheleutt  vnd  dem  Schaden  so  V ffschneidereien  anrichten 
thun  können«,  Frankfurt  1620.  Der  Yerfasser  führt  als  warnendes 
Beispiel  in  seiner  Abhandlung  »Die  Ehebrecherin,  die  ihren  Mann 
dreimal  betreucht«,  und  »Die  Comödia  vom  Yincentius  Ladislaus«  an, 
die  beide  »von  dem  Herrn  Herzogen  Julius  zu  Braunschweig  ge¬ 
schrieben«  und  in  des  Erzählers  »jungen  Jahren  zu  Frankfurth  von 
Engländern  gar  schön  agiret  worden  sind«. 

Die  hiernach  kaum  noch  zu  bezweifelnde  Aufführung  dieser 
beiden  Dramen  nöthigt  zu  einer  kurzen  Inhaltsangabe  derselben,  bei 
welcher  wir  der  Ehebrecherin,  als  dem  zuerst  verfassten  Stück,  den 
Vorrang  gestatten. 

Ein  Kaufmann  Gallichoräa  (Hahnrei),  der  das  Stück  mit  einem 
langen  Selbstgespräch  eröffnet,  sagt  darin,  dass  er  durch  das  Miss¬ 
trauen  erregende  Benehmen  seines  schönen  Weibes  trotz  aller  Ge¬ 
sundheit  und  dem  Besitze  grosser  Reichthümer  »in  eine  kummervolle 
Betrübniss  hinein  versetzt  worden  sei«.  Um  aber  sein  schlaues  Ehe- 
gespons  bei  einer  Untreue  ertappen  zu  können,  fasst  er  den  Vorsatz, 
die  Mithülfe  eines  Mannes  in  Anspruch  zu  nehmen,  der  ihn  selbst 
und  seine  Gattin  nicht  kenne. 

Nachdem  dieser  Entschluss  in  ihm  fest  geworden,  tlieilt  er  ihn 
seinem  närrischen  Diener  Johan  Bouset  mit,  der  aber  das  strengste 
Gebot,  zu  schweigen,  erhält.  Bei  dem  Beginn  des  zweiten  Aktes  er¬ 
scheint  Pamphilus,  ein  armer  Student,  »gehet  gar  betrübt  ein  und 
spricht : 

Wann  ich  armer  gesel  möchte  das  Glück  haben,  das  ich  hier  in 


32 


dieser  Stad  konte  an  einen  guten  Man  gerathen,  der  mir  doch 
möchte  zu  einem  Zerpfenning  verhelften,  dass  ich  mich  doch  ein 
weinig  kleiden  könte,  damit  ich  nicht  so  zerrissen  dörffte  hergehen. 
Ich  scheine  mich  Zusagen,  wer  ich  sev,  weil  ich  so  gar  durch 
armuht  bin  herunter  körnen.  Nach  Haus  hab  ich  zu  Aveit,  sonsten 
wens  meine  Freunde  Avüsten,  würden  sie  sich  jah  meiner  annehmen. 
Ich  wolt  auch  avoI  ein  weinig  anders  herein  treten,  als  ich  jtzunder 
leider  thu.  Ich  Avil  doch  hier  ein  weinig  warten,  ob  ich  vieleicht 
eine  glückselige  Stund  antreffen  könte.« 

InzAvischen  kommt  (Mlichoräa  mit  Johan  Bouset  aus  dem 
Hause  und  wird  von  Pamphilus  angesprochen.  Nach  einer  kurzen 
Unterredung  erkennt  der  betrübte  Kaufmann  in  ihm  den  rechten 
Helfer  zur  Ausführung  seines  festen  Vorhabens.  Er  sagt  ihm,  er 
sei  ein  feiner  Avohlgewachsner  Kerl,  der  ohne  allen  ZAveifel  angenehm 
sein  würde  beim  »Frawen-Zimmer«,  und  fordert  ihn  dann  nach  einem 
Geldanerbieten  auf,  sich  mit  den  dafür  angeschafften  neuen  Kleidern 
in  jenes  Haus  zu  begeben,  »worin  ein  ausbündig  schön  Weib  wohne, 
das  gar  gerne  mit  schönen  Gesellen  reden  möge«.  Während  sich 
nun  Pamphilus  »auspotzt«,  geht  Gallichoräa  zu  seiner  Frau  Scortum, 
um  ihr  die  Mittheilung  zu  machen,  dass  er  Abschied  von  ihr  neh¬ 
men  müsse,  um  »ein  Avenig  über  Veldt  zu  gehen«.  Vielleicht,  fügt 
er  hinzu,  Avürde  er  (Uesen  Abend  nicht  Aviederkommen. 

Als  beide  gegangen  sind,  giebt  Scortum  gleich  in  einem  Mono¬ 
log  zu  erkennen,  dass  ihr  Charakter  nicht  im  mindesten  mit  dem 
einer  keuschen  Susanna  zu  vergleichen  ist.  Sie  fühlt  heraus,  dass 
ihr  Gallichoräa  einen  »blawen  Dunst«  vormachte,  und  fasst  den  Ent¬ 
schluss,  falls  er  ihre  Treue  in  Versuchung  bringe,  ihn  zu  überlisten 
und  dennoch  zu  betrügen.  In  der  nächsten  Scene  erscheint  Pam¬ 
philus  im  neuen  Anzuge  und  spielt,  um  die  Frau  herauszulocken, 
»auff  dem  Pandor«.  Scortum  kommt  dann  sofort  aus  dem  Hause, 
knüpft  ein  Gespräch  mit  Pamphilus  an  und  führt  ihn  mit  kecker 
Rede  alsbald  in’s  Haus.  In  demselben  Moment  kommt  der  betrogene 
Gatte  mit  seinem  Diener  Johan  Bouset  zurück  und  begehrt  hastig 
Einlass.  Erst  nach  langem  Zögern  wird  ihm  derselbe  in  dem  Augen¬ 
blick  gewährt,  wo  Pamphilus  mit  Hülfe  der  Ehebrecherin  zum  Fen¬ 
ster  hinausspringt. 

In  der  ersten  Scene  des  dritten  Aktes  kommt  der  Nachbar 
Adrian  und  drückt  sein  Erstaunen  darüber  aus,  dass  Gallichoräa  so 
spät  nach  Hause  gekommen  sei  und  vor  seinem  Hause  einen  Lärm  »Avie 
ein  Zahnbrecher«  gemacht  habe.  Der  Kaufmann  sucht  diesen  Fragen 
auszuweichen,  aber  Johan  Bouset  verräth  durch  derbe  Spässe  den 
wahren  Grund  des  auffallenden  Verhaltens.  Nun  kommt  Pamphilus 
und  erzählt  auf  einige  Fragen  sein  gestriges  Abenteuer  und  glück¬ 
liches  Entkommen.  Weil  er  ihm  nun  zugleich  die  Mittheilung  macht, 
er  Averde  diesen  Abend  seinen  Besuch  wiederholen,  nimmt  Gallichoräa 


33 


wieder  unter  einem  Scheingrund  Abschied  von  seiner  Frau,  welche 
den  Gesell,  der  gestrigen  Verabredung  gemäss,  sogleich  wieder  ein¬ 
lässt.  Im  vierten  Akt  kommt  der  Kaufmann  zurück,  durchsucht  mit 
Bouset  das  Haus,  findet  aber  keinen  Nebenbuhler.  In  einer  der 
folgenden  Scenen  erzählt  ihm  Pamphilus,  wie  er  wieder  durch  eine 
List  des  Weibes  gestern  Abend  glücklich  entkommen  sei.  Dies  reizt 
den  Gallichoräa  so ,  dass  er  zu  einer  dritten  Probe  schreitet.  — 
Als  er  den  Pamphilus  am  Abend  auf’s  Neue  bei  seinem  Weibe  weiss, 
erscheint  er  und  Johan  Bouset  mit  Fackeln  vor  dem  Hause  und  fordern 
entschieden  Einlass.  Dann  befiehlt  Gallichoräa  seiner  Frau,  den  Ge¬ 
sellen  herauszugeben  oder  fest  überzeugt  zu  sein,  dass  er  ihr  das 
Haus  über  dem  Kopf  anstecke.  Scortum,  die  mit  Schwüren  ihre 
Unschuld  betheuert,  fleht  jetzt  ihren  Gatten  an,  ihr  doch  wenigstens 
vor  dem  Brande  zu  helfen,  dass  sie  »ihr  Fass  mit  Leinenzeug  vor 
den  Flammen  retten  könne«.  Weil  die  Frau  klagt,  dass  sie  sonst 
gar  nichts  mehr  anzuziehen  hätten,  geht  der  abermals  Betrogene  auf 
ihre  Bitte  ein.  Währenddem  er  dann  in ’s  Haus  geht,  um  den  Ver¬ 
borgenen  zu  suchen,  entspringt  derselbe  aus  dem  Fass  mit  Wäsche 
und  entkommt  glücklich.  Als  der  Betrogene  diese  abermalige  Täu¬ 
schung  erfährt,  wird  er  erst  melancholisch  und  verfällt  dann  all- 
mählig  in  einen  völligen  Wahnsinn.  In  diesem  Zustand  wird  er 
von  dem  Diener  und  dem  Nachbarn  Adrian  in  einen  Kasten  ge¬ 
steckt  und  in’s  Haus  getragen. 

Nun  aber  hat  auch  die  Stunde  der  Sünderin  geschlagen,  iln 
Gewissen  erwacht  und  sie  bereut  ihre  schandbare  That.  Sie  jammert 
und  rauft  sich  die  Haare,  ruft,  dass  sie  »ein  verlorner  und  verdamp- 
ter  Mensch  sei  und  für  ewig  in  betrübnis  der  hellen  sitzen  müsse«. 
In  der  Fortsetzung  ihrer  reuevollen  Betrachtungen  wünscht  sie  sich 
die  Erlösung  aus  schwerer  Pein,  worauf  ihr  »Satyrus«  (der  Teufel) 
einen  Strick  vor  die  Fiisse  wirft.  Da  sie  keinen  Ort  zur  Befestigung 
desselben  weiss  und  sie  sonst  Niemand  von  ihrer  Qual  erlösen  kann, 
ruft  sie  die  Diener  des  Satans,  denen  sie  im  Leben  gedient,  zur 
Unterstützung  des  grausigen  Werkes  herbei.  Die  Teufel  lassen  sich 
nicht  zweimal  rufen,  sie  ziehen  den  Strick  zu  und  jauchzen  mit 
andern  neu  hinzukommenden  Gesellen  über  den  grossen  Triumph. 
Satyrus  aber  hält  noch  eine  kleine  Rede,  welche  deshalb  schliesslich 
hier  noch  Erwähnung  findet,  weil  sie  deutlich  die  Absicht  des  Dich¬ 
ters  widerspiegelt,  durch  die  Darstellung  eines  abschreckenden  Bei¬ 
spiels  gegen  das  Laster  des  Ehebruchs  zu  wirken. 

»Bistu  schon  deinem  Man  zu  klug  gewesen  vnd  hast  ihn  drey 
mal  schentlich  bedrogen,  so  hastu  gleichwol  die  lenge  mir  nicht  ent¬ 
gehen  können,  vnd  es  soll  nicht  lange  wehren,  ich  will  baldt  mehr 
nachholen,  dann  ich  weiss  noch  viel,  die  auff  solche  hendel  ihre 
Menner  zu  betriegen,  vnd  ihre  schlechtheit  zu  bementeln  ausgelernet 
haben ;  ich  sehe  dich  gar  wol,  ich  will  dich  aber  nicht  nennen ;  aber 

3 


34 


warte  nur,  ehe  dan  du  dichs  einmal  versiebest,  wil  ich  dich  auch 
bey  den  Fittichen  haben.«59 

Herzog  Heinrich  Julius  hatte  sich  schon  vorher  in  zwei  andern 
Stücken  die  Untreue  einer  Frau  zum  dramatischen  Vorwurf  ge¬ 
wählt,  aber  keins  von  beiden  streift  an  den  Werth  der  Ehebrecherin, 
der  man  trotz  eines  mangelhaften  Aufbaues  und  mancher  unfeinen 
Schilderung  eine  gewisse  dramatische  Bedeutung  nicht  absprechen 
kann.  Der  Herzog  benutzte  für  die  eigentliche  Handlung  dieser 
Tragödie  dieselbe  Geschichte  aus  dem  Pecorone  des  Fiorentino,  die 
auch  einen  Theil  des  Vorgangs  in  Shakespeares  »Lustigen  Weibern 
von  Windsor«  ausmacht.  Inwieweit  nun  die  Behandlung  eines  glei¬ 
chen  Stoffes  durch  einen  zwar  wohlmeinenden,  aber  mittelmässig  be¬ 
gabten  Dichter  und  ein  gottbegnadetes  Genie  verschieden  ist,  das 
zeigt  am  besten  ein  Vergleich  zwischen  den  beiden  Werken  selbst. 
Was  bei  dem  Herzog  Heinrich  Julius  eine  erzene  Form  bekam,  das 
verwandelte  Shakespeare  in  Gold  und  gab  ihm  eine  Gestaltung, 
welche  nur  der  Dichter  ausprägen  kann,  dem  alle  guten  Geister  die 
ewigen  Gesetze  des  Schönen  und  Erhabenen  in  der  Kunst  selbst  in’s 
Herz  legten. 

Das  andere  in  Frankfurt  aufgeführte  Stück  des  Herzogs,  die 
Komödie  von  Vincentius  Ladislaus,  in  welcher  Thomas  Sackeville 
nicht  den  Johan  Bouset,  sondern  die  Bolle  des  Titelhelden  gespielt 
haben  soll,  steht  hinsichtlich  der  dramatischen  Gestaltung  auf  einer 
viel  niedrigeren  Stufe  als  die  Ehebrecherin.  Oft  müssen  gute  humo¬ 
ristische  Einfälle,  womit  der  Dichter  die  Hauptfigur  ausstattete,  über 
die  Dürftigkeit  der  Handlung  hinaushelfen. 

»Vincentius  Ladislaus  Satrapa  von  Mantua,  Kempfer  zu  Fuss 
und  Boss,«  hat  einige  verwandte  Aehnlichkeit  mit  Shakespeares  Don 
Armado  in  »Verlorne  Liebesmüh«  und  mit  dem  geckenhaft  gespreiz¬ 
ten  Malvolio  in  »Was  ihr  wollt«.  Mit  lächerlichem  Stolz  nennt  sich 
Vincentius  Ladislaus  bei  jeder  Gelegenheit  »Kempfer  zu  Fuss  und 
Boss«.  Er,  der  keinen  Pfennig  in  der  Tasche  hat,  verlangt  gross- 
thuerisch  che  feinsten  Speisen,  deren  Namen  bis  dahin  dem  Wirth 
noch  gar  nicht  zu  Ohren  gekommen  sind.  »Habt  jhr  Vasanen,  Bep- 
hüner,  Kramtvögel,  Vrhanen,  Berghanen  so  fein  saftig  gebraten? 
Habt  jhr  auch  Forellen,  Schmerling,  Osterling,  Krebs  vnd  dergleichen 
Schnabelweide?«  fragt  er  den  entsetzten  Wirth,  der  von  solchem 
Essen  gar  nichts  zu  sagen  weiss  und  doch  »schon  manchen  ehrlichen 
Grafen  und  Herrn  mit  seiner  Tractation  zufriedengestellet  hat«. 
Ueberall  giebt  sich  Vincentius  in  der  geckenhaftesten  Weise  für 
einen  grossen  Kitter  und  feinen  Herrn  aus,  dem  man  nicht  fein  und 
vornehm  genug  entgegenkommen  könne.  Den  höchsten  Punkt  er¬ 
reicht  seine  Prahlerei  aber  an  der  Tafel  des  Herzogs  »Silvester«,  dem 
er  in  Münchhausenscher  Art  eine  ganze  Beihe  seiner  Grossthaten 
berichtet,  welche  dann  jedesmal  von  Johan  Bouset  bestätigt  und  mit 


35 


satirischem  Spott  erläutert  werden.  Schliesslich  schneidet  »der  Kem- 
pfer  zu  Ross  und  Fuss«  auch  noch  mit  seiner  Fechtkunst  auf;  als 
ihm  jedoch  ein  Rappierkampf  angetragen  wird,  schlägt  er  ihn  unter 
den  nichtigsten  Vorwänden  aus. 

Für  so  viel  lächerliche  Albernheiten  beschliesst  nun  die  Ge¬ 
sellschaft  des  Hofes,  ihm  eine  recht  empfindliche  Strafe  zu  ertheilen. 

Vincentius,  der  sich  bei  der  Tafel  stark  verliebt  in  eine  Prin¬ 
zessin  zeigt  und  in  seinem  grenzenlosen  Eigendünkel  an  die  Er¬ 
widerung  seiner  Gefühle  glaubt,  beschliesst,  ein  Ehebündniss  mit  der 
hohen  Dame  einzugehen.  Hierauf  stellt  ihm  der  Herzog  und  einige 
andere  Hofleute  mit  Erlaubniss  der  Prinzessin  einen  angeblich  von 
ihr  verfassten  Liebesbrief  zu.  Ohne  dass  er  mit  seiner  Erwählten, 
che  überhaupt  eine  »Muta  persona«  (stumme  Person)  im  Stücke  ist, 
ein  Wort  gesprochen  hat,  hält  er  die  Einrichtung  des  fürstlichen 
Brautgemachs  für  vollkommenen  Ernst.  Aber  im  Augenblick,  da  er 
das  Lager  besteigen  will,  kracht  es,  und  er  fällt  in  eine  darunter 
stehende  Bütte  mit  Wasser.  Diese  Schlussscene  enthält  nur  An¬ 
weisungen,  keinen  Dialog  und  schliesst  mit  der  Bemerkung  des 
Dichters : 

»Da  lachet  nun  niemand  als  jederman.« 

So  plump  nun  auch  nach  heutigen  Kunstbegriffen  che  Lösung 
des  Knotens  angeordnet  erscheint,  so  mag  dennoch  der  Schluss  der 
lustigen  Posse  für  das  Publikum  seiner  Zeit  nicht  so  ganz  reizlos 
gewesen  sein.  Ueberhaupt  muss  che  komische  Figur  des  Helden, 
dessen  Charakteristik  der  Dichter  mit  grosser  Geschicklichkeit  durch¬ 
führte,  bei  guter  Darstellung  einen  sehr  tiefen  Eindruck  auf  che  da¬ 
maligen  Zuschauer  gemacht  haben.  60  Dass  ches  in  Frankfurt  der 
Fall  war,  ist  kaum  anders  zu  denken,  da  der  berühmte  »engel- 
lenchsch  Harr  Thomas  SackeviUe«  che  Titelrolle  spielte.  —  Die  stark 
reahstische  Richtung  der  englischen  Komödianten  fand  allein  schon 
in  den  Anweisungen  für  che  Darstellung  cheses  Stückes  einen  be¬ 
deutenden  Anhalt  zur  Ausbildung  wirksamer  Bülmeueffekte. 

Welchen  gründlichen  Unterricht  der  Herzog  bei  den  englischen 
Mimen  genommen,  beweisen  oft  mehr  als  der  scenische  Aufbau  che 
Bemerkungen  und  Anweisungen  für  die  Darstellung.  Diese  zeugen 
nicht  selten  von  einem  tiefen  Verständniss  für  che  lebensvolle  Ge¬ 
staltung  dramatischer  Figuren,  che  in  seinen  Dichtungen  freilich  oft 
übertrieben  realistisch  gezeichnet  sind. 

Indem  wir  die  in  dieser  Periode  der  Frankfurter  Schaubühne 
von  Thomas  Saekeville  gespielte  Figur  näher  in ’s  Auge  fassen,  müs¬ 
sen  wir  noch  einmal  zu  Mangolds  Messgedicht  »Markschiffs  Hachen« 
zurückkehren.  Hierin  wird  schon  zwischen  dem  »Wursthänsel«  und 
dem  englischen  »Jan«  ein  Unterschied  gemacht,  der  uns  deutlich  er¬ 
kennen  lässt,  dass  diese  beiden  Species  der  Lustigmacher  von  dem 
fein  empfindenden  Sinn  des  Volkes  durchaus  nicht  auf  eine  Stufe 

3* 


36 


gestellt  wurden.  Der  »Jan«  entspricht  dem  geistreich  witzigen  »fool« 
bei  Shakespeare  und  seinen  Zeitgenossen,  der  Wursthänsel,  späterer 
Pickelhering  und  Hanswurst,  dem  Clown  in  den  Werken  derselben 
Dramatiker.  Obgleich  der  Wursthänsel  trotz  seiner  groben  Tölpel¬ 
haftigkeit  oft  ganz  beachtenswerthe  Einfälle  hat,  ist  er  doch  eine 
mehr  lächerliche  als  ächt  komische  Figur. 

Da  Deutschland  keinen  Shakespeare  aufzuweisen  hatte,  der 
durch  den  Mund  des  Narren  den  weisheitsvollsten  Lehren  Eingang 
in  die  Herzen  der  Zuschauer  verschaffen  konnte,  so  ist  es  begreif¬ 
lich,  dass  die  zeitgenössischen  Dichter  mehr  die  Eigenschaften  des 
gröberen  Clown  (Wursthänsel)  als  die  Aufgabe  des  witzigen  Narren 
förderten. 

Der  Johan  Bouset  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braun¬ 
schweig,  welcher  sich  jedenfalls  erst  durch  Sackevilles  Darstellung 
einen  festen  Platz  im  deutschen  Schauspiel  eroberte,  ist  ein  Mittel¬ 
ding  zwischen  dem  witzigen  englischen  Narren  und  dem  nüchternen 
tölpelhaften  Clown.  Seine  Einfälle  sind  nicht  elastisch  genug,  um 
über  der  betreffenden  Situation  schweben  zu  können,  und  doch  ent¬ 
faltet  er  hie  und  da  einen  Mutterwitz,  der  ihn  durchaus  nicht 
lächerlich,  aber  höchst  drollig  erscheinen  lässt.  Auf  seine  fremde 
Abkunft  deutet  ausserdem  seine  eigen  thümliche  Ausdrucksweise  hin, 
die  aus  einem  Gemisch  von  holländischen,  deutschen  und  englischen 
Worten  besteht. 

Der  englische  »Jan«  mit  den  sinnreichen  Scherzen,  dessen  Stel¬ 
lung  Jacob  Ayrer  durch  seine  sorgfältige  Pflege  des  komischen 
Elementes  zu  retten  versuchte,  musste  im  Laufe  der  Zeit  dem  rohen 
und  dreisten  Possenreisser  Pickelhäring  vollständig  das  Feld  räumen. 
Justus  Mösers  Behauptung,  dass  die  lustigen  Figuren  jener  alten 
Stücke  den  hervorragendsten  Charakterzug  einer  Zeit  in  ihrem  Sinne 
widerspiegeln,  trifft  nie  mehr  zu,  als  in  der  Epoche,  in  welcher  kurz 
vor  dem  30jährigen  Kriege  das  Entarten  der  komischen  Volksfigur 
mit  dem  Herabkommen  der  Sitten  und  geistigen  Bestrebungen  des 
deutschen  Volkes  gleichen  Schritt  hielt. 

Von  dem  Schicksal  der  ganzen  Gattung  der  Lustigmacher 
kehren  wir  nun  zu  dem  bedeutendsten  englischen  Darsteller  komi¬ 
scher  Partien,  zu  Thomas  Sackeville  und  seinen  Gesellen  in  Frank¬ 
furt,  zurück.  —  Dadurch,  dass  eine  Ueberschreitung  der  Taxe,  welche 
diese  Truppe  mit  Bewilligung  des  Ratlies  von  den  Zuschauern  ver¬ 
langen  durfte,  gerügt  wird,  erfahren  wir,  dass  dieselbe  berechtigt 
war,  einen  Albus  =  2  Kr.,  also  nach  unserm  Geldwerth  ungefähr 
60  Pf.  von  der  Person  zu  nehmen.  Der  starke  Andrang  zu  ihrer 
Bude  am  Main  liess  sie  jedenfalls  eine  Uebertretungssünde  gegen 
die  Anordnung  des  Käthes  begehen,  welche  sie  später  mit  20  fl. 
büssen  musste.61  »Die  erzelten  Vrsachen«,  mit  denen  sie  ihr  Ver¬ 
gehen  zu  entschuldigen  suchte,  müssen  nicht  stichhaltig  genug  ge- 


37 


wesen  sein,  um  die  Väter  der  Stadt  zu  einer  Milderung  der  Strafe 
bewegen  zu  können. 

Nach  Schluss  der  Herbstmesse  1597  unternahm  Thomas  Sacke¬ 
ville  eine  Reise,  vor  deren  Beginn  er  den  Rath  Frankfurts  um  Er- 
laubniss  bittet,  seine  »Hausfrawen«  einen  Monat  bis  zu  seiner  Zurück¬ 
kunft  in  einem  Bürgerhause  hier  lassen  zu  dürfen.62  Trotz  des  oben 
erwähnten  Vergehens  wird  sein  Bittgesuch  ebenso  bewilligt,  wie  die 
Supplikationen  von  Johan  Breitenstrasse  und  Jacob  Biel,  welche  sich 
auch  mit  ihren  Weibern  so  lange  in  der  alten  Reichsstadt  auf  halten 
wollen,  bis  ihr  Gesell  Sackeville  wieder  zurückkommt.63  Der  zu¬ 
sagende  Bescheid  für  die  beiden  Letzteren  erhält  eine  gewisse  Ein¬ 
schränkung  durch  das  Gebot,  dass  sie  aber  von  nun  an  in  einer 
öffentlichen  Herberge  wohnen  müssten.  Da  sich  nun  Thomas  Sacke- 
villes  Hausfrau  auch  während  seiner  Abwesenheit  in  einem  Bürger¬ 
hause  auf  halten  sollte,  so  ist  wohl  genug  Grund  für  die  Vermuthung 
vorhanden,  dass  die  englischen  Komödianten  während  ihrer  Kunst- 
thätigkeit  mit  ihren  Familien  bei  Frankfurter  Bürgern  Unterkunft 
gefunden  hatten.  Als  sich  die  Compagnie  unter  Führung  von  Robert 
Browne  zu  einer  Reise  nach  dem  Continent  entschlossen  hatte, 
waren  »die  Frawen  der  Gesellen«  noch  nicht  dabei,  denn  sonst  hätte 
Howard  ihrer  sicher  im  Reisepass  Erwähnung  gethan.  Jedenfalls 
folgten  sie  ihren  Männern  erst  nach,  nachdem  sich  denselben  in 
Deutschland  durch  die  Gunst  kunstsinniger  Fürsten  und  das  ent¬ 
gegenkommende  Verhalten  verschiedener  wichtiger  Reichsstädte  ein 
weites  Feld  der  künstlerischen  Wirksamkeit  eröffnet  hatte. 

Als  Sackeville  Frankfurt  nach  dem  Schluss  der  Herbstmesse 
1597  verliess,  machte  er  verschiedenen  Nachrichten  zufolge  eine 
Reise  nach  Nürnberg,  um  sich  die  Erlaubniss  für  ein  Auftreten 
seiner  Gesellschaft  zu  verschaffen.  Hier  war  durch  die  dichterische 
Tliätigkeit  eines  Hans  Sachs  und  seiner  unmittelbaren  Nachfolger 
ein  fruchtbarer  Boden  für  den  Fortschritt  der  dramatischen  Kunst 
vorbereitet.  In  Nürnberg  kann  das  Wirken  der  Sackevilleschen 
Truppe  auf  den  dramatischen  Dichter  Jacob  Ayrer  nicht  ohne  Ein¬ 
fluss  geblieben  sein.  Man  hat  schon  mehrmals  die  Frage  aufgewor¬ 
fen,  warum  Ayrer  in  seinem  fünften,  1598  geschriebenen  Stück  »Von 
den  römischen  Historien  der  Stadt  Rom«  die  frühere  Bezeichnung 
des  Lustigmachers  verlässt  und  ihn  in  diesem  Stück  zum  ersten  Mal 
»Jahn  Posset«  nennt.  Sollte  che  Umbildung  dieses  Namens  nicht  im 
causalen  Zusammenhänge  stehen  mit  dem  Auftreten  des  berühmten 
Johan  Bouset  in  Nürnberg,  dessen  Ijeistungen  sich  Ayrer  ohne 
Zweifel  angesehen  haben  mag?  — -  Wenn  nicht  eine  andere  Verbin¬ 
dung  geradezu  nachgewiesen  werden  kann,  dann  vermittelte  jedenfalls 
Thomas  Sackeville  dem  Nürnberger  Gerichtsprokurator  diese  Bezeich¬ 
nung  der  lustigen  Figur  in  den  Stücken  seines  fürstlichen  Patrons, 
des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braunsclrweig. 


38 


Obgleich  nun  Sackeville  und  seine  Genossen  in  ihrem  Gesuch 
um  die  Spielerlaubniss  vor  der  Herbstmesse  1597  »neve  vnd  schöne 
Comödien  vnd  Tragödien«  ankündigten,  so  würde  man  sich  doch 
selir  täuschen,  wenn  man  annehmen  wollte,  dass  schon  in  dem  letz¬ 
ten  Decennium  des  XVI.  Jahrhunderts  Shakespearesche  Stücke  in 
Frankfurt  zur  Aufführung  gekommen  sind. 

Die  früheste  Darstellung  der  grössten  dramatischen  Meisterwerke 
erfolgte  in  Frankfurt  am  Main  wahrscheinlich  erst  mehr  als  ein 
Jahrzehnt  später,  und  bezieht  sich  jene  Ankündigung  jedenfalls 
einzig  auf  die  kürzlich  verfassten  Stücke  des  Herzogs  Heinrich  Julius 
von  Braunschweig. 

Da  Robertus  Browne  im  Jahre  1597  nicht  mehr  an  der  Spitze 
seiner  alten  Gesellschaft  stand,  so  mag  wohl  die  Annahme  Albert 
Cohns  zutreffend  sein,  welcher  ihn,  wie  auch  Richard  Jones,  schon 
1596  wieder  in  England  vermuthet. 

Er  war  ohne  Zweifel  derselbe  Robertus  Browne,  der  im  Ge¬ 
folge  des  Gesandten  der  Königin  Elisabeth  von  England,  Grafen  von 
Lincoln,  an  den  Hof  des  Landgrafen  Moritz  des  Gelehrten  nach 
Cassel  reiste,  als  Lincoln  dessen  Tochter  erster  Ehe  im  Namen  der 
Königin  aus  der  Taufe  heben  sollte.64  Während  nun  ihr  erster 
Führer  am  Hofe  des  gelehrten  Fürsten  eine  neue  Kunstepoche  an¬ 
bahnen  half,  die  von  dem  Beginne  des  neuen  Jahrhunderts  an  auch 
das  Emporblühen  des  Frankfurter  Theaters  segensreich  beeinflussen 
sollte,  setzten  seine  ehemaligen  Genossen  Thomas  Sackeville  und 
John  Breadstreet  das  begonnene  Werk  in  Frankfurt,  in  Nürnberg,  in 
schwäbischen  und  rheinischen  Städten  fort. 

Ein  alter  Holzschnitt,  der  eine  Bühne  englischer  Komödianten, 
vielleicht  in  Cassel,  Nürnberg  oder  gar  in  Frankfurt  selbst,  aus  dem 
Jahr  1597  darstellt,  giebt  genauen  Aufschluss,  wie  die  Einrichtung 
derselben  beschaffen  gewesen.  Die  verhältnissmässig  tiefe,  weniger 
breite  Bühne  ist  durch  einen  zurückziehbaren  Vorhang  in  einen 
grösseren  vorderen  und  kleineren  hinteren  Tlieil  geschieden.  Ueber 
diesem  Vorhang,  der  seitlicli  auseinandergeht,  erhebt  sich  ein  zelt¬ 
artiger  Aufsatz,  aus  dessen  in  der  Mitte  befindlicher  Oeffnung  der 
Kopf  eines  Clowns  hervorsieht.  Wahrscheinlich  soll  hierdurch  an¬ 
gedeutet  werden,  dass  dieser  gewiss  ziemlich  kleine  Raum  bei  dem 
Spielen  nicht  unbenutzt  blieb.  Der  vordere  Tlieil  des  Schauplatzes 
liegt  etwas  niedriger  als  der  hintere,  zu  dem  auf  dem  Holzschnitt 
zwei  Stufen  führen.  Die  Bühne  hat  weder  einen  Vorhang  noch 
Coulissen,  aber  von  der  Decke  hängen  fahnenartig  einige  Stücke 
Zeug  herab.  —  In  dem  1576  zu  London  errichteten  Blackfriars- 
Theater,  in  welchem  Shakespeares  Stücke  zuerst  aufgeführt  wurden, 
bedeuteten  hellblaue  von  der  Decke  herab  hängende  Teppiche,  »dass 
es  Tag,  etwas  dunklere,  dass  es  Nacht  sei.  Jedenfalls  hatten  die 
eben  erwähnten  Stoffe  auf  dem  Holzschnitt  in  Wirklichkeit  die 


39 


gleiche  Bestimmung.  —  Tn  der  Mitte  der  Vorderbühne  steht  dicht 
am  Bande  ein  schmales  Brett  mit  einer  Tafel,  auf  welcher  einige  — 
im  Bilde  unleserliche  —  Worte  stehen.  Dieses  Brett  befindet  sich 
auch  in  den  gleichzeitigen  Theatern  Englands,  in  denen  es  die  Auf¬ 
gabe  hatte,  durch  eine  Aufschrift  die  Zuschauer  mit  dem  Ort  der 
Handlung  des  Stückes  genau  bekannt  zu  machen.  Eine  Abänderung 
der  Angabe  auf  der  Tafel  genügte  also  vollständig,  um  der  willigen 
Phantasie  jenes  Publikums  einen  bedeutenden  Ortswechsel  begreif¬ 
lich  zu  machen.  Auch  über  dem  Vorhang  des  zweiten  Bühnentheils 
hängt  eine  Tafel  mit  der  Inschrift  :  »A  room  in  the  house«.  Auf  der 
Vorderbühne  befinden  sich  drei  Personen :  Jolian  Bouset,  den  seine 
der  Bolle  entsprechende  Tracht  verräth,  ein  Mann  und  eine  Frau, 
die  sich  in  streitender  Stellung  gegenüberstehen.  Dass  die  Frauen¬ 
rollen  auch  in  jener  Zeit  noch  von  Männern  dargestellt  wurden, 
merkt  man  sofort  an  dieser  robusten  Gestalt  in  Frauengewändern, 
die  nichts  weniger  als  einen  weiblichen  oder  gar  reizenden  Eindruck 
macht. 

Möglicherweise  stellt  der  Holzschnitt  eine  Scene  aus  der  »Ehe¬ 
brecherin«  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braunschweig  dar,  in 
welchem  Stück  Thomas  Sackeville  als  Jolian  Bouset,  Diener  des  von 
seiner  Ehefrau  dreimal  betrogenen  Kaufmanns  Gallichoräa,  so  Vor¬ 
treffliches  leistete. 

Was  die  Zuschauer  anbetrifft,  so  lässt  sich  auf  dem  Bilde  nur 
so  viel  erkennen,  dass  das  Publikum  um  die  an  drei  Seiten  freie 
Bühne  herumsass.  Wahrscheinlich  richteten  die  englischen  Komö¬ 
dianten  ihre  Bude  in  Frankfurt  nach  dem  Muster  der  Londoner 
Vorbilder  ein,  deren  Hauptzuschauerraum  das  etwas  tief  gelegene 
Parterre  oder  der  sogenannte  Hof  war.  In  England  enthielt  dieser 
Baum  nur  Stehplätze,  aber  nach  dem  Holzschnitt  zu  urtheilen  waren 
in  Deutschland  wenigstens  in  der  nächsten  Nähe  der  Bühne  Bänke 
zum  Sitzen  angebracht.  —  Eine  etwas  zweideutige  Stelle  in  dem 
Messgedicht  »Markschiffs-N achen«  drängt  sogar  zu  dem  Glauben,  dass 
die  englischen  Komödianten  für  das  feinere  Publikum  erhöhte  Logen 
in  ihrer  Hütte  am  Main  gehabt  hätten.  —  Der  Dichter  spricht  von 
einer  fremden  Frau,  die  aus  ihrem  Fenster  auf  die  Bühne  geblickt 
und  erinnert  unwillkürlich  dadurch  an  -die  länglich  viereckigen 
Logen  Öffnungen  solcher  höher  gelegenen  Logen,  welche  auch  bei 
den  Engländern  in  jener  Zeit  oft  »Windows«  (Fenster)  genannt 
wurden. 

Diese  einfache,  aber  höchst  zweckmässige  Einrichtung  des  da¬ 
maligen  Theaters  blieb  mit  Ausnahme  einiger  unbedeutender  Ab¬ 
änderungen  bis  in  das  erste  Viertel  des  folgenden  Jahrhunderts 
bestehen.  Ebensowenig  änderte  sich  in  diesem  Zeitraum  die  An¬ 
kündigungsform  der  darzustellenden  Stücke,  welche,  wiederum  einem 
alten  Holzschnitt  zufolge,  in  ziemlich  geräuschvoller  komischer  Weise 


40 


vor  sich  gegangen  zu  sein  scheint.  Die  Spielleute  einer  solchen 
englischen  Komödiantentruppe  zogen  in  auffallenden  Kleidern  mit 
Trommeln  und  Trompeten  in  Begleitung  einiger  berittener  Mitglieder 
durch  die  Strassen  der  betreffenden  Stadt  und  machten  an  jeder  be- 
merkenswerthen  Stelle  Halt.  Nachdem  dann  der  Trommler  und  der 
Trompeter  ihre  Instrumente  »zu  jedermanns  Gehörlichkeit  dreimal  so 
stark  wie  sunsten  gerühret  und  geschmettert«,  verlas  ein  als  Clown 
gekleideter  Schauspieler  die  Einladung  zu  dem  bombastisch  an¬ 
gekündigten  Stück,  dessen  Inhalt  dann  dem  umstehenden  Publikum 
kurz,  aber  sehr  lockend  geschildert  wurde.  Mehr  als  von  dieser  in 
fremder  Sprache  gegebenen  rhetorischen  Leistung  scheinen  sich  jedoch 
die  Umstehenden  von  den  »seltsamlich  Grimassen  und  bossigten  Ver¬ 
windungen«  angezogen  gefühlt  zu  haben,  womit  der  Clown  die  Ver¬ 
kündigung  seiner  Rede  zu  illustriren  pflegte.  —  Diese  Art  der 
Publikation  hat  viel  Aehnlichkeit  mit  den  Umzügen  minder  bedeu¬ 
tender  Kunstreiter-Gesellschaften,  welche  noch  heute  in  kleineren 
Städten  auf  eine  fast  gleiche  Weise  ihre  beabsichtigten  Vorstellungen 
an  kündigen. 

In  Bezug  auf  die  Dauer  des  Spiels  herrschte  bei  den  englischen 
Komödianten  in  dieser  und  in  einer  späteren  Zeit,  noch  derselbe  Ge¬ 
brauch  wie  bei  den  Mysterien  und  Bürgerspielen.  Die  Vorstellungen 
begannen  um  3  Uhr  Nachmittags  und  endigten  spätestens  gegen 
6  Uhr  Abends. 

Abwechselnd  mit  den  Engländern  spielten  bis  zur  Mitte  der 
90er  Jahre  des  XVI.  Jahrhunderts  auch  zwei  französische  Truppen 
in  Frankfurt,  deren  künstlerische  Bedeutung  nicht  geringer  war  als 
die  ihrer  englischen  Collegen.  Am  27.  März  1593  suchte  »Valeran  le 
comte  de  Monditier  aus  der  Picardy«  für  sich  und  seine  »Consorten, 
Comödienspieler«  die  Bewilligung  des  Gesuches  nach,  in  der  Oster¬ 
messe  »Biblische  Comödias  und  Tragödias«  aufführen  zu  dürfen.65 
Der  Rath  willfahrte  sofort  seinem  Begehr,  aber  mit  dem  ausdrück¬ 
lichen  Bescheid,  dass  er  nicht  mehr  als  4  Pf.  von  einer  Person 
nehme  und  sich  einen  Ort  suche,  avo  niemand  durch  ihn  beschwert 
würde.66  Der  Ort,  wo  Monditier  spielte,  lässt  sich  ebensoAvenig  nach- 
Aveisen,  wie  sein  Repertoire;  doch  würde  man  sich  sehr  täuschen, 
wenn  man  annehmen  wollte,  dass  er  nur  Stücke  mit  biblischem  In¬ 
halt  gegeben  hätte.  Monditier,  der  in  seiner  Zeit  eine  ähnliche 
Stellung  eingenommen  zu  haben  scheint,  Avie  in  unserm  Jahrhundert 
der  durch  seine  enthusiastische  Liebe  für  das  Theater  bekannte  Graf 
Friedrich  von  Hahn,  gab  in  Rouen,  d’Angres,  Metz  und  Strassburg 
die  Werke  von  Jodelle,  dem  ersten  französischen  Dichter,  der  durch 
die  Nachahmung  der  Griechen  und  Römer  der  eigentliche  Begrün¬ 
der  der  dramatischen  Renaissance-Poesie  der  Franzosen  wurde.  Was 
der  gräfliche  Komödiant  nun  in  jenen  Städten  zur  Darstellung  brachte, 
hat  sicher  in  Frankfurt  ebenfalls  eine  Wiederholung  gefunden.  Es 


41 


ist  also  die  besondere  Hervorhebung  »biblischer  Comödien  und  Tra¬ 
gödien«  für  nichts  weiter  als  für  die  in  andern  Worten  ausgedrückte 
Versicherung  zu  halten,  dass  der  Schwerpunkt  seines  Strebens  in 
der  Darstellung  Gott  wohlgefälliger  Gegenstände  zu  suchen  sei.  Der 
Rath,  welcher  den  heiligen  Boden  ehrte,  der  mittlerweile  von  frem¬ 
den  Berufskomödianten  weiter  bepflanzt  wurde,  schien  auf  derartige 
Versicherungen  ein  grosses  Gewicht  zu  legen,  denn  auch  die  eng¬ 
lischen  Komödianten  versäumten  es  jetzt  und  in  der  Folgezeit  nie¬ 
mals,  in  ihren  Gesuchen  der  biblischen  Stücke  zu  gedenken. 

Durch  eine  Rauferei,  welche  wegen  starken  Gedränges  »vor 
der  welschen  Comödienhütt  entstund«,  erfahren  wir,  dass  auch  Mon- 
clitier  trotz  seiner  in  fremder  Sprache  gegebenen  Stücke  einen 
grossen  Zuspruch  von  Seiten  der  Frankfurter  hatte.  Freilich  darf 
man  auch  nicht  vergessen,  dass  sich  während  der  Messen  viele  Kauf¬ 
leute  und  sonstige  Personen  in  der  alten  Reichsstadt  aufhielten,  die, 
wenn  auch  nicht  selbst  Franzosen,  so  doch  wohl  der  französischen 
Sprache  annähernd  mächtig  waren. 

-  Ueber  die  französische  Gesellschaft  Carlo  Chautron  und  Con- 
sorten,  welche  in  der  Ostermesse  1595  in  Frankfurt  spielte,67  sind 
in  den  Schriftquellen  noch  dürftigere  Nachrichten  vorhanden  als  über 
die  Truppe  des  Grafen  von  Monditier.  Da  aber  der  Rath  dem 
Führer  Carlo  Chautron  ohne  jegliche  Einwendung  gestattete,  einen 
Albas  (2  Kr.),  also  nach  unserem  Geldwerth  ungefähr  50  Pf.  mehr 
als  seine  Vorgänger,  zu  nehmen,  so  ist  wold  ein  begründeter  Anhalt 
für  die  Meinung  vorhanden,  dass  dieser  französische  Komödiant, 
welcher  in  der  Ostermesse  1595  mit  seinen  Consorten  in  Frankfurt 
spielte,  etwas  Besseres  als  seine  Vorgänger  leistete  und  identisch  ist 
mit  jenem  Chautron,  der  am  Ende  der  achtziger  Jahre  und  am  An¬ 
fang  der  neunziger  Jahre  des  XVII.  Jahrhunderts  in  den  östlichen 
Provinzen  Frankreichs  besonders  Stücke  mit  gesanglichen  und  in¬ 
strumentalen  Einlagen  gab.  Dieser  Chautron  führte  auch  oft  die 
erste  französische  Pastorale  »La  sultane«  von  Gabriel  Bounin  oder 
Bounijn  (1549—1600)  auf,  welche  sich'  überall  des  grossartigsten 
Beifalls  erfreute. 

Kurz  vor  dem  Schluss  des  alten  Jahrhunderts  petitionirte  eine 
durchreisende  englische  Gesellschaft  ausser  der  Messzeit  um  (he  Spiel¬ 
erlaub  niss,  deren  Führer  sich  schon  früher  einen  angesehenen 
Künstlernamen  in  Frankfurt  erworben  hatte.  Es  war  der  schon  er¬ 
wähnte  Robert  Browne,  der  mit  seinen  Gesellen  am  Hofe  des  Pfalz¬ 
grafen  Friedrich  IV.  in  Heidelberg  gespielt  hatte  und  jedenfalls  im 
Begriff  war,  unter  den  Schutz  seines  fürstlichen  Gönners,  des  Land¬ 
grafen  Moritz  von  Cassel,  wieder  zurückzukehren.  Aber  im  Hin¬ 
blick  auf  die  traurige  Lage,  in  welcher  sich  Frankfurt  durch  das 
furchtbare  Umsichgreifen  der  Pest  befand,  war  der  Rath  nicht  im 
Stande,  einem  Gesuch  zu  willfahren,  welches  sogar  zu  ungewöhn- 


42 


lieber  Zeit  die  Erlaubniss  zur  Veranstaltung  eines  mittlerweile  all¬ 
gemein  beliebt  gewordenen  Vergnügens  von  ihm  verlangte.  Trotz  der 
Abweisung  war  der  Bescheid  des  Käthes  doch  nicht  schroff  ab¬ 
gefasst,  sondern  mit  einem  mildernden  Zusatz  versehen.  Er  theilte 
dem  Robertus  Browne  die  Gründe  seines  Vorhabens  mit  und  forderte 
ihn  auf,  »in  besserer  Zeit  seine  Schritte  wieder  anliero«  zu  lenken. 

Es  ist  ein  reiches  und  buntes  Streben,  ein  unaufhaltsames 
Drängen  und  Treiben  der  fremden  Komödianten,  welchem  der  von 
jeher  theaterlustige  Sinn  der  Frankfurter  im  letzten  Decennium  des 
XVII.  Jahrhunderts  eine  sichere  Heimstätte  bereitete.  Gerade  jene 
erste  Periode  der  berufsmässigen  Kunst  liefert  einen  schlagenden 
Beweis  gegen  die  oft  ausgesprochene  Mythe,  dass  die  eigentliche 
Geschichte  der  Frankfurter  Schaubühne  keine  so  glorreiche  Ver¬ 
gangenheit  besitze  wie  die  anderer  deutscher  Reichsstädte.  —  Wenn 
ein  Vergleich  statthaft  ist  mit  der  Sage,  worin  freundliche  Schutz¬ 
geister  von  der  guten  Fee  der  Vorsicht  ausgesandt  werden,  um  in 
einem  verheerenden  Kampfe  die  kostbarsten,  auf  den  Festen  eines 
edlen  Geschlechts  geborgenen  Gütern  in  Sicherheit  zu  bringen,  so 
war  Frankfurt  gewisslich  eine  jener  Burgen,  in  der  die  fremden 
Thespisjünger  den  reichen,  von  den  religiösen  Spielen  des  Mittelalters 
überlieferten  Schatz  den  Enkeln  einer  besseren  Zeit  nach  muthigem 
Ringen  mit  redlichem  Sinn  überlieferten. 

Das  grosse  Jahrhundert,  worin  der  Sturm  der  Reformation 
die  Lüfte  gereinigt,  aber  auch  hier  und  da  den  Boden  der  deutschen 
Kultur  bedenklich  ausgedörrt  hatte,  neigte  sich  seinem  Niedergange 
zu.  Die  Wurzel  der  deutschen  dramatischen  Poesie,  auf  die  Hans 
Sachs  und  später  der  Herzog  Heinrich  Julius  von  Braunschweig  und 
Jacob  Ayrer  grüne  Reislein  pfropften,  konnte  nicht  weiter  ausschla- 
gen,  es  fehlte  ihr  der  befruchtende  Regen,  der  ihrer  älteren  Schwester 
in  England  im  goldenen  Zeitalter  der  Königin  Elisabeth  zu  so  schnel¬ 
lem  und  mächtigem  Wachsthum  verhelfen  sollte.  Alle  Verhältnisse 
gestalteten  sich  in  der  Folge  für  die  Entwicklung  der  dramatischen 
Kunst  und  Poesie  in  Deutschland  immer  ungünstiger,  und  es  ist 
deshalb  ungerecht  und  ungeschichtlich,  von  dem  kritischen  Stand¬ 
punkt  einer  späteren  Zeit  auf  die  fremden  Gärtner  missachtend  herab¬ 
zusehen,  die  an  den  Höfen  einiger  kunstsinniger  Fürsten  und  in 
hervorragenden  Reichsstädten,  wenn  auch  oft  in  roher,  wenig  ge¬ 
schickter  Weise,  aber  immerhin  in  lobenswerther  Absicht  die  welken 
Wurzelfasern  der  dramatischen  Poesie  durch  Wasserspenden  aus  der 
eignen  Geistesquelle  vor  vollständigem  Absterben  behüteten.  —  Die 
Entwicklungsgeschichte  des  Frankfurter  Theaters  allein  bestätigt  hin¬ 
reichend  diese  Behauptung. 


Englische  Komödianten  in  Frankfurt  von 
1600 — 1631. 

i. 

Eine  ähnliche  Stellung’  wie  in  der  ersten  klassischen  Periode 
der  deutschen  Literatur  die  Wartburg,  die  Residenz  des  Dichter- 
bescliützers  Hermann  von  Thüringen,  nimmt  für  den  Entwicklungs¬ 
gang  der  dramatischen  Kunst  und  Musik  in  mitteldeutschen  Ländern 
der  Hof  des  Landgrafen  Moritz  des  Gelehrten  von  Hessen-Cassel  im 
letzten  Decennium  des  XVI.  und  im  ersten  Viertel  des  XVI 1.  Jahr¬ 
hunderts  ein.  Es  war  ein  glückliches  Zusammenströmen  der  ver¬ 
schiedensten  künstlerischen  und  geistigen  Bestrebungen,  denen  der 
hochbegabte  und  humanistisch  gebildete  Fürst  seit  dem  Beginn  seiner 
Regierung  am  Hofe  zu  Cassel  eine  ebenso  sichere  als  behagliche 
Heimstätte  gewährte.  Aber  der  Landgraf  wollte  diese  künstlerischen 
Kräfte  nicht  in  den  Kreis  seiner  eignen  Sphäre  gebannt  wissen,  er 
machte  es  ihnen  vielmehr  möglich,  unter  seinem  Schutze  neue  und 
vielversprechende  Bahnen  aufzufinden. 

Ein  voller  Strahl  des  geistigen  Sonnenlichtes,  welches  von  dem 
Hofe  des  kunstsinnigen  Landgrafen  am  Anfang  des  neuen  Jahr¬ 
hunderts  ausging,  fiel  auch  auf  die  im  Aufblühen  begriffene  dra¬ 
matische  Kunst  in  der  alten  Reichsstadt  Frankfurt.  Seitdem  Thomas 
Sackeville  nach  der  Herbstmesse  1597  für  sich  und  seine  Gesellen 
ein  anderes  Feld  der  künstlerischen  Thätigkeit  aufgesucht  hatte,  war 
in  den  zu  Messzeiten  stattfindenden  theatralischen  Aufführungen 
eine  Pause  von  mehr  als  zwei  Jahren  eingetreten.  In  der  Ostermesse 
von  1600  aber  erhält  dieser  Stillstand  seinen  Abschluss  durch  die 
Ankunft  der  »fürstlich  hessischen  Komödianten  und  Musikanten«, 
welche  auf  ein  Empfehlungsschreiben  des  Landgrafen  Moritz  sofort 
unter  der  einzigen  Bedingung  Erlaubniss  erhielten,  dass  sie  von  den 
Zuschauern  keinen  zu  hohen  Preis  fordern  sollten. 68  Bei  den  Mit¬ 
gliedern  dieser  Gesellschaft  treffen  wir  nicht  eine  der  schon  von 
früher  bekannten  Persönlichkeiten.  Die  hauptsächlichsten  Darsteller 
Georg  Webster,  Johann  Hüll  (Hüll)  und  Reichard  Machin  (Makim) 
gehörten  einem  neueren  Nachschub  englischer  Komödianten  an,  welche 


44 


erst  auf  die  lockenden  Berichte  ihrer  Vorgänger  über’s  Meer  herüber¬ 
gekommen  waren,  um  ebenfalls  ihr  Glück  auf  dem  Continent  zu 
versuchen. 

Im  Gefolge  des  schon  erwähnten  Grafen  von  Lincoln  befand 
sich  ausser  dem  bekannten  Robert  Browne  auch  ein  gewisser  John 
Webster  (identisch  mit  Georg  Webster),  dessen  in  den  Aufzeichnungen 
über  kleinere  persönliche,  1597  und  1598  vorgekommene  Ausgaben 
des  Landgrafen  Moritz  von  Hessen  mehrmals  gedacht  wird.69  Um 
einigermassen  Einblick  in  die  Kosten  für  die  »Zuthatten  zu  der 
Komödie«  und  die  Besoldung  der  englischen  Mimen  zu  bekommen, 
lassen  wir  hier  die  betreffenden  Posten  folgen: 

Georg  Webster  dem  Engländer  zur  Reise  nach  Heidelberg  20  Thlr. 

Für  Dielen  zum  Gerüst  der  Komödie . 5  » 

Für  sechs  Ellen  weisses  wollenes  Tuch  den  Engländern 

zur  Komödie . 2  » 

Für  weisse  Geckskleider . 4  » 

Ein  paar  Schuhe  dem  Narren . 4  » 

Einem  Engländer  auf  seine  Besoldung . 20  » 

Dem  Kammermeister  Heugel  um  die  Engländer  abzu¬ 
fertigen  . 300  Gl. 

Wie  sich  aus  verschiedenen  ineinandergreifenden  Thatsachen 
schliessen  lässt,  gehörte  Robert  Browne  zu  den  Engländern,  welche 
1598  von  dem  hessischen  Kammermeister  Heugel  die  oben  erwähnte 
Abfertigungssumme  von  300  Gulden  erhielten.  Sie  folgten  ohne 
Zweifel  einer  Einladung  des  Kurfürsten  Friedrich  IV.  von  der  Pfalz, 
dem  sie  der  Landgraf  Moritz  bei  Gelegenheit  der  Taufe  seines  Sohnes 
Friedrich  (des  späteren  Königs  von  Böhmen)  in  Amberg  empfohlen 
haben  mochte. 

Georg  Webster,  der  später  im  Frühjahr  1600  als  »fürstlich 
hessischer  Komödiant«  auch  nach  Frankfurt  kam,  erhielt  ohne  Frage 
die  in  dem  Ausgabebüchlein  angeführten  20  Thaler  Unterstützung 
zu  einer  Gastspielreise  an  den  kurfürstlichen  Hof  zu  Heidelberg,  von 
wo  aus  ihn  seine  Gesellen  Robertus  Browne,  Robertus  Kingmann 
(Kingsmann)  und  Robertus  Ledbetter  seines  grossen  komischen  Talentes 
wegen  hierher  berufen  haben  mochten. 

Was  für  Stücke  die  »fürstlich  hessischen  Komödianten«  bei 
ihrem  ersten  Aufenthalt  in  Frankfurt  vorstellten,  lässt  sich  nicht 
bestimmen  ,  aber  da  sie  schon  in  der  nächsten  Ostermesse  wieder- 
kehrten, 70  so  kann  man  wohl  mit  Sicherheit  annehmen,  dass  sich 
ihre  besonders  durch  musikalische  Einlagen  auszeichnenden  Auf¬ 
führungen  einer  grossen  Beliebtheit  in  Frankfurt  erfreuten.  —  Die 
»fürstlich  hessischen  Komödianten«  waren  wohl  auch  die  ersten 
Thespisjünger,  welche  keine  Bretterbude  mehr  am  Main  aufrichteten, 
sondern  in  geschützten  Höfen  oder  geschlossenen  Räumen  ihre  Bühne 
aufschlugen.  —  Der  jüngere  Nachschub  der  fremden  Künstler  war 


45 


durch  die  stabilen  englischen  Bühnen  schon  an  einen  besseren  Schutz 
vor  Wind  und  Wetter  gewöhnt,  und  insonderheit  wurden  die  fürstlich 
hessischen  Komödianten  durch  ihre  wohl  eingerichteten  und  ge¬ 
schützten  Bühnen  in  den  verschiedenen  Schlössern  des  Landgrafen 
bewogen,  auch  anderswo  an  die  Lokalität  ihrer  Darstellungen  schon 
grössere  Ansprüche  zu  machen.  —  Im  Jahre  1605  errichtete  der 
Landgraf  sogar  ein  Theater  in  Gestalt  eines  Circus  mit  bemalten 
Decken,  welches  er  zu  Ehren  seines  erstgeborenen  Sohnes  Otto 
Ottonium  nannte.71 

Als  die  ersten  geschlossenen  Lokalitäten,  in  denen  die  fahren¬ 
den  Komödianten  in  Frankfurt  Vorstellungen  gaben,  ist  das  Gebäude 
»zur  Sanduhren«  und  »Herrn  Martin  Bauers  seliger  Behausung  draussen 
auf  der  Zeillen«  zu  bezeichnen. 7  2  Das  erstere  auf  dem  Löwenplätzchen 
in  der  Fahrgasse  gelegene  Haus,  dessen  grosse  Räumlichkeiten  von 
hinten  an  das  Gasthaus  zum  Krachbein ,  jetzt  König  von  England 
stiessen,  ist  beim  Durchbruch  der  Fahrgasse  nach  der  Judengasse 
abgerissen  worden.  Die  andere  Lokalität,  welche  einen  grossen,  theil- 
weise  verdeckten  Hof  gehabt  haben  muss,  stand  auf  dem  Platze  des 
heutigen  Cafe  Müller,  Zeil  No.  39. 

Das  Ansehen,  dessen  sich  die  alte  Reichs-  und  Krönungsstadt 
Frankfurt  am  Main  weit  und  breit  erfreute,  zeigte  sich,  besonders 
von  dem  Beginne  des  neuen  Jahrhunderts  an,  auch  in  dem  eifrigen 
Bestreben  verschiedener  englischen  Komödiantentruppen  für  die 
Messzeiten  die  Erlaubniss  zum  Spielen  zu  erhalten. 

Als  die  »fürstlich  hessischen  Komödianten«  in  der  Herbstmesse 
1600  ausblieben,  suchte  eine  andere  durchreisende  Gesellschaft,  deren 
Führer  seinen  Namen  nicht  näher  angegeben  hat,  um  Zulassung 
nach.73  Diese  Truppe  scheint  Frankfurt  nicht  zum  Hauptziel  ihrer 
Reise  auserkoren  zu  haben ;  denn  sie  kam  nur  um  die  Erlaubniss 
für  einige  Vorstellungen  ein  und  setzte  ihre  Wanderung  schon  vor 
Beschluss  der  Messe  fort. 

Im  März  des  folgenden  Jahres  bitten  drei  verschiedene  eng¬ 
lische  Truppen,  ihre  mimischen  und  musikalischen  Künste  »präsen¬ 
tieren  zu  dörfen«74  und  werden  sämmtlich  unter  der  Bedingung 
aufgenommen,  dass  sie  »im  Geldeinnemen«  von  den  Zuschauern  »kein 
Vbermass  gebrauchen.«75  Die  zuletzt  Kommenden  waren  die  »fürstlich 
hessischen  Komödianten:  Georg  Webster,  Johann  Hüll  (Hüll)  vnd 
Reickhard  Machin  und  Consorten«,  welche  »in  Ansehung  ihrer  sunder¬ 
lichen  Stellung«  trotz  der  bereits  erfolgten  Zulassung  der  beiden 
andern  Gesellschaften  sofort  die  Gewährung  ihrer  Bitte  erhielten. 76 

Der  Schwerpunkt  der  einen  von  den  beiden  ersten  Truppen, 
welche  aus  zwölf  Mitgliedern  bestand ,  scheint  hauptsächlich  in 
akrobatischen  Künsten  gelegen  zu  haben.77  Die  andere,  unter  der 
Führung  des  berühmten  Robertus  Browne  auftretende,  hingegen  stellte 
ausser  den  schon  von  früher  bekannten  Stücken  die  neueren  Werke 


46 


der  zeitgenössischen  englischen  Dichter  dar,  welche  Browne  jeden¬ 
falls  bei  seiner  letzten  Rückkehr  aus  England  mit  nach  Deutschland 
gebracht  hatte.78 

Das  Bittgesuch  dieser  Compagnie,  die  im  Jahre  1599  in  Rück¬ 
sicht  auf  die  durch  die  Pest  herbeigeführten  traurigen  Zustände  in 
Frankfurt  von  den  Vätern  der  Stadt  auf  eine  bessere  Zeit  vertröstet 
worden  war,  ist  die  erste  uns  erhaltene  Supplication  fahrender  Komö¬ 
dianten  an  den  Rath,  datirt  vom  12.  März  1601.  Die  bunte  Ge¬ 
schichte  der  englischen  Thespisjünger  in  Frankfurt  darf  nicht  weiter 
verfolgt  werden,  ehe  dieses  interessante,  manche  sonst  dunkle  Punkte 
klar  beleuchtende  Dokument  hier  an  seiner  rechten  Stelle  Erwähnung 
gefunden  hat: 

»Edell  Ern veste  Hoch  vnd  Wolwavse  Achtbare  vnd  Fürsichtige 

E.  E.  vnd  F.  E.  W.  seind  vnsere  bereidwillige  vnd  vnverdrossenen 
Dienste  besten  Vermögens  in  vnderthenigkeit  zuvor  gnedige  vnd 
gepietendte  grossgunstige  Herren. 

Was  gestalt  vngefährlich  vor  anderthalb  Jaren  als  wir  von 
Heidelberg  anliero  genahet  an  E.  E.  vnd  F.  E.  W.  wir  zu  endts 
namhafte  vmb  günstige  gestattung  vnd  Zullaßung,  das  wir  alhie 
etliche  neve  comedia  vnd  Tragödia  aus  denn  Historys  agiren  vnd 
halten  mögten,  supplicirendt  gelangen  lassen  haben ,  das  würdt  den¬ 
selben  noch  in  vnentfallenem  andenken  sein. 

Obwol  hirruf  durch  (he  dero  Zeit  regirende  Herrn  Bürger¬ 
meister  vns  ein  Bescheid  eröffnet  vnd  angemeldet  worden  ist,  weiln 
es  damals  nit  allerdings  bequeme  gelegenheit  gegeben,  als  solten 
wir  etwa  inn  Messzeiteu  vns  wieder  anliero  lenken,  solte  dasselbe 
vns  vf  ferneres  ansuchen  nit  abgeschlagen  sein,  welcher  gnedigen 
vnd  günstigen  anerpietung  wir  vns  nochmals  ganz  vndertheniges 
Vleisses  thun  bedanken. 

Nachdem  nun  aber  wir  vns  anitzo  mit  grossem  vnstatten  an- 
hero  erhaben,  auch  Johannen  Buscheten  vnd  noch  anderer  in  vnserer 
Companei  gehörige  Commedianten  mehr  gewertig,  gemüths  vnd 
mainung,  in  itziger  furstehend  ostermess  (geliebts  gott)  viel  schöne, 
herrliche,  freudige,  vnd  trostreiche  Comedia  aus  denn  Historys  zu 
halten  vnd  zu  agiren.  Weilen  wir  vns  aber  zu  bescheiden,  das  solchs 
ohne  günstigen  Consens  vnd  gestatten  Erngmelter  E.  E.  vnd  F.  E. 
W.  vns  keineswegs  gebüren  sondern  dieselbe  zuvorderst  hierunter  zu' 
begrvessen  obliegen  will. 

Hierumb  vnd  derohalben  langt  an  Wolgedachte  E.  E.  vnd 

F.  E.  W.  vnser  vndertheniges  vnd  instendiges  bitten,  Sie  geruhen 
vnserm  bittlichen  suchen  gnedig  vnd  grossgünstig  deferiren  vnd  vns 
gestatten  zu  lassen,  das  wir  so  woll  in  neliister  Ostermess  als  auch 
zuvor  in  der  wochen  einmal  oder  drey  mehrenannte  comedia  einer 
Ehrlöblichen  Bürgerschaft,  zuvörderst  E.  E.  vnd  F.  E.  W.  zu  vnder- 
thänigcn  ehren  halten  mögen.  Des  Erpietens  von  nenniglichen  ein 


47 


geringes  vnd  erträgliches  zunehmen,  vncl  vns  dermassen  friedlich, 
verträglich  vnd  vnverweisshch  zu  erhalten,  das  darob  keine  Clage 
erscheinen  solle.  Neben  dem  wollen  auch  solche  Begnadigung  vns 
oben  gesagte  E.  E.  vnd  E.  E.  W.  vnderthenig  vnd  dienstlich  zu 
vergelten  vnd  bei  menniglich  zu  laudiren  wir  in  keinen  vergess 
stellen,  sondern  allerweg  getlissen  sein  vnd  bleiben 

E.  E.  vnd  E.  E.  W. 

Y n derthenige  vnd 

vnterdienstgeflissene 

Robertus  Browne 

Robertus  Kingmann  (Klingsmann) 

Robertus  Ledbetter. 

Da  die  Bittsteller  ausdrücklich  erwähnen,  dass  sie  auch  Johannen 
Buscheten  (Jokan  Bouset),  also  den  in  Erankfurt  als  lustige  Figur 
hochberühmten  Thomas  Sakeville  und  noch  andere  zu  ihrer  Gesell¬ 
schaft  gehörige  Darsteller  erwarten,  so  möchte  man  fast  mit  Sicher¬ 
heit  annehmen,  dass  wenigstens  die  hauptsächlichsten  Mitglieder 
Fürstlich  Braunschweigisch  bestellte  Hofkomödianten  gewesen  sind. 
Auch  die  Erwähnung,  dass  sie  mit  grossen  Unkosten  »anhero  er¬ 
haben«,  zeugt  für  eine  weite  Reise,  wie  auch  die  Angabe  »schöne 
herrliche  trostreiche  Comödia  und  Tragödia  aus  denn  Hystorys«  auf¬ 
führen  zu  wollen,  mit  einer  ähnlichen  oft  angewandten  Redewendung 
in  den  Prologen  und  Epilogen  zu  den  Stücken  des  Herzogs  Heinrich 
Julius  von  Braunschweig  in  Yerbindung  zu  bringen  ist.  Aus  dieser 
Bemerkung  geht  ferner  hervor,  dass  es  die  englischen  Komödianten 
mittlerweile  wagen  durften,  in  ihren  Bittgesuchen  an  den  Rath  der 
Stadt  Frankfurt  den  Schwerpunkt  ihrer  mimischen  Thätigkeit  von  dem 
Feld  der  biblischen  Darstellung  in  das  Gebiet  der  Weltgeschichte 
und  des  Lebens  hinweg  zu  rücken. 

Die  erste  Bittschrift  des  Robertus  Browne  und  seiner  Gesellen 
Kingsmann  und  Ledbetter  wurde  zurückgewiesen,  eine  andere  aber, 
die  ein  paar  Tage  später  eingereicht  wurde,  erhielt  sofort  die  Be¬ 
willigung  des  Rathes.  Die  Unterzeichneten  bemerken  darin,  dass 
sie,  »wie  günstiglick  zu  erachten«,  sogar  von  Yenedig  Komödianten 
erwarten,  »die  durch  allerhand  liebliche  Musica  ihre  Stücke  verzieren 
sollen«. 7  9 

Die  Yermuthung,  dass  sich  schon  am  Anfang  des  XVI.  Jahr¬ 
hunderts  mit  den  englischen  Komödiantentruppen  italienische  Musiker 
zu  gemeinsamem  Streben  verbunden  hätten,  wäre  nach  dieser  und 
nach  manchen  anderen  Bemerkungen  in  den  verschiedenen  Bitt¬ 
schriften  also  eine  Tkatsache  und  nicht  zu  jenem  dichten  mythischen 
Gewebe  gehörig,  womit  die  Tradition  im  Laufe  der  Zeit  die  ersten 
Banden  der  englischen  Komödianten  umsponnen  hat. 

Kein  Bericht  von  Zeitgenossen,  keine  sonstige  Aufzeichnung 
ergänzt  die  spärlich  fliessenden  Notizen,  welche  die  alten  Schrift- 


48 


quellen  über  die  Vorstellungen  der  englischen  Komödianten  am  An¬ 
fang  des  neuen  Jahrhunderts  auf  unsere  Tage  aufbewahrt  haben. 

Sackeville’s  Ankunft  jedoch  bürgt  für  die  Darstellung  von 
Stücken,  in  denen  »Johan  Bouset«  oder  der  englische  »Jan«  eine 
Hauptrolle  spielte,  und  die  Bemerkung  in  einem  Bittgesuch,  auch 
ein  »erschröcklich  spanisch  Tragödia  zu  agiren«,  für  die  Aufführung 
des  in  England  epochemachenden  Stückes  »Hieronvmo  oder  die 
spanische  Tragödie.«  Dieses  wirklich  in  vieler  Beziehung  schauder¬ 
erregende  Stück,  welches  der  Stammvater  eines  ziemlich  zahlreichen 
Geschlechtes  von  Blut-  und  Rachetragödien  wurde,  erfreute  sich  in 
England  eines  solchen  Beifalls,  dass  es  1602  mit  vielen  Zusätzen 
von  Ben  j/nson  wieder  neu  auf  die  Bühne  gebracht  wurde. 

Ebensowenig  bekannt  wie  das  Repertoire  dieser  Truppe  ist 
dasjenige  der  »fürstlich  hessischen  Komödianten  und  Musikanten«, 
welche  auch  in  der  Herbstmesse  1601  etwa  vier  Wochen  hindurch 
ihre  Vorstellungen  gaben.80  Denn  dass  —  wie  mehrmals  behauptet 
worden  —  am  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  von  dieser  Truppe 
die  dramatischen  Dichtungen  des  Landgrafen  Moritz  von  Hessen  in 
Frankfurt  aufgeführt  worden  seien,  gehört  um  so  mehr  in  das  Bereich 
der  Fabel,  als  dieselben  in  der  lateinischen  Sprache  abgefasst 
waren,  in  welcher  die  englischen  Komödianten  ohne  jeden  Zweifel 
keine  Meisterschaft  besassen.  Die  Darsteller  dieser  nach  dem  Muster 
des  Terentius  gebildeten  Komödien  waren  die  Zöglinge  der  Hof- 
und  Ritterschule  und  die  Studenten  der  Landesuniversität  Marburg, 
für  die  eine  derartige  Darstellung  zugleich  eine  Uebung  im  Latei¬ 
nischen  bildete.81  Bei  solchen  Aufführungen  in  Cassel  mag  es  wohl 
vorgekommen  sein,  dass  die  schon  gleich  nach  dem  Regierungs¬ 
antritt  des  Landgrafen  1592  an  seinem  Hofe  weilenden  englischen 
Komödianten,  Tänzer  und  Springer  in  den  Zwischenakten  ihre  eigenen 
Künste  ausgeübt  haben,  aber  weitere  Annahmen  entbehren  jeglicher 
Begründung. 

Der  grosse  Zuspruch,  welcher  deu  Aufführungen  der  »Fürstlich 
Hessischen  Comödianten«  von  Seiten  des  Publikums  in  Frankfurt  zu 
Theil  wurde,  hatte  hauptsächlich  darin  seinen  Grund,  dass  sie  die¬ 
selben  durch  alle  für  die  damalige  Zeit  höchst  merkwürdigen  Hilfs¬ 
mittel  zu  verschönern  wussten.  Der  Landgraf,  welchem  die  An¬ 
erkennung  seiner  bestallten  Diener  grosse  Befriedigung  bereitet  zu 
haben  scheint,  gestattete  den  Komödianten  Kleidung,  Waffen  und 
sonstiges  Zubehör  auf  ihre  Kunstreisen  mitzunehmen  und  unterstützte 
sie  auch  vor  ihren  Abfahrten  stets  durch  namhafte  Geldspenden. 
Ausserdem  wurde  der  Ruf  dieser  Truppe  durch  ihre  musikalischen 
und  tanzenden  Mitglieder  bedeutend  erhöht,  welche  den  Darstellungen 
durch  instrumentale  Einlagen  und  mimische  Ballette  einen  un¬ 
gewöhnlichen  Reiz  verliehen. 

Die  Auffindung  genauer  handschriftlicher  Notizen  über  die  von 


49 


der  oben  erwähnten  oder  von  anderen  englischen  Truppen  in  dieser 
Zeit  in  Frankfurt  aufgeführten  Stücke,  die  dem  eingehendsten  Forschen 
vorenthalten  blieb,  gelingt  vielleicht  einmal  einer  mühelosen  Ent¬ 
deckung. 

Ein  glücklicher  Zufall  hat  ein  vollständiges  Yerzeichniss  von 
42  Vorstellungen  erhalten,  die  im  Jahre  1626  im  steinernen  Saal 
des  Dresdner  Schlosses  abgehalten  und  von  einem  Hofbeamten  in 
einen  Schreibkalender  jenes  Jahres  eingezeichnet  worden  sind.82  Viel¬ 
leicht  kommt  einmal  ein  späterer  Forscher  in  Bezug  auf  diesen  nur 
spärlich  beleuchteten  Punkt  der  Frankfurter  Theatergeschichte  in  die 
angenehme  Lage,  ähnliche  Aufzeichnungen  an  einer  Stelle  zu  ent¬ 
decken,  wo  man  sie  am  wenigsten  vermuthen  könnte.  Dass  aber 
ganz  sicher  die  englischen  Komödianten  damals  schon  erhöhte  und 
auch  tiefer  gelegene  Plätze  in  ihren  Lokalitäten  hatten ,  beweist  die 
Anordnung  des  Käthes,  dass  sie  in  den  beiden  Messen  des  Jahres 
1601  »sonsten  8  sfy  und  vff  den  Gengen«  —  also  im  Parterre  — 
»nur  4  r$f  nehmen  durften.«  83 

In  der  Ostermesse  1602  spielte  eine  Compagnie  von  12  eng¬ 
lischen  Komödianten  hier,  deren  Namen  nicht  näher  angegeben  sind. 
—  Diese  Gesellschaft,  welche  ihre  Bittschrift  am  2.  März  einreichte, 
war  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zum  ersten  Mal  in  Frankfurt; 
denn  was  bei  den  schon  früher  dagewesenen  Truppen  als  bekannt 
vorausgesetzt  werden  durfte,  nämlich  das  Verbot,  vor  dem  Mess- 
einläuten  zu  spielen,  erwähnt  der  Rath  bei  der  Bewilligung  des 
Gesuches  mit  grosser  Nachdrücklichkeit.84  Trotz  dieser  bündigen 
Verordnung  suchte  die  Truppe  zwei  Tage  später  um  die  Erlaubniss 
nach,  ihre  Spiele  schon  am  Sonntag  den  7.  März,  also  vor  dem 
Beginne  der  Messe  anfangen  zu  dürfen,  welches  kühne  Begehren 
aber  vom  Rath  mit  etwas  gereizter  Entschiedenheit  abgewiesen  wurde.85 

Wie  gross  aber  das  Ansehen  war,  dessen  sich  die  »fürstlich 
hessischen  Komödianten  und  Musikanten«  nicht  allein  bei  dem  Ratlie 
Frankfurts,  sondern  auch  bei  ihren  oben  genannten  Collegen  erfreuten, 
zeigt  eine  Bemerkung  in  dem  zweiten  Bittgesuch  der  letzteren,  dass 
sie  »abzuziehen  willig  sind,  wenn  die  von  Cassel  anhero  kommen 
sollten.«  86 

Gleichzeitig  mit  dieser  englischen  spielte  eine  französische  Ge¬ 
sellschaft  unter  Führung  eines  Johann  le  Boeuff,  dessen  gewiss  an¬ 
genommener  Name  eine  ähnliche  Bedeutung  gehabt  haben  mag,  wie 
Thomas  Sackeville’s  Jolian  Bouset.  Auch  aus  ihrer  deutsch  ab¬ 
gefassten  Supplikation,  in  der  sie,  wie  die  Engländer,  dem  Rath 
nachträglich  am  18.  März  in  sehr  origineller  Weise  den  gnadenreichen 
Segen  Gottes  zum  neuen  Jahre  wünschen,  geht  hervor,  dass  ihre 
hauptsächlichste  Thätigkeit  in  komischen  Leistungen  bestand.87 

In  der  Herbstmesse  desselben  Jahres  spielte  —  und  jedenfalls 
in  der  Behausung  zur  Sanduhr  —  wieder  Robert  Browne  mit  seinen 

4 


50 


Gesellen  in  Frankfurt,  unter  denen  diesmal  ein  gewisser  Robert  Jonas 
sich  befand,  der  das  Bittgesuch  vom  7.  September  mit  Unterzeichnete. 
Am  21.  desselben  Monats  erbot  sich  diese  Truppe,  »einem  Erbaren 
Rath  eine  Comödia  zu  spielen«  und  lud  auch  »dero  liebliche  Ge¬ 
mahlinnen  und  Kinder«  zu  dieser  Vorstellung  ein.88 

Da  die  englischen  Komödianten  eine  solche  Einladung  wagen 
durften,  so  ist  Grund  genug  für  die  Vermuthung  vorhanden,  dass 
ihr  Theater  nicht  allein  von  einem  gewöhnlichen  Publikum,  sondern 
auch  schon  früher  von  den  angesehensten  Herren  und  Damen  der 
Stadt  besucht  wurde. 

An  demselben  Tage,  an  welchem  das  Bittgesuch  dieser  Truppe 
gewährt  wurde,  erhielten  auch  Jacob  Rein,  »deutscher  Springer  von 
Schlettstadt«  und  »Jacob  Perin,  Seiltänzer  von  Paris«  die  Erlaubniss, 
während  der  Messe  ihre  Künste  ausüben  zu  dürfen.89 

Die  charakteristische  Art  und  Weise,  in  welcher  der  Rath 
diese  Luftspringer  in  jeder  Beziehung  den  Komödianten  gleich¬ 
stellte,  ist  ein  neuer  Beleg  für  die  alte  Annahme,  dass  selbst  der 
Sinn  der  Gebildetsten  in  jener  Zeit  den  Unterschied  zwischen  den 
Ausübern  körperlicher  und  geistiger  Künste  noch  nicht  zu  finden 
verstand. 

Trotz  des  Ansehens  der  »fürstlich  hessischen  Komödianten«  und 
des  langjährig  bewährten  Wirkens  eines  Robertus  Browne  werden 
die  Schauspieler  und  Seiltänzer  mit  den  gemeinsamen  Ehrentiteln 
»allerlei  Gesind«  oder  »Gesindlein«  bezeichnet.  —  Und  doch  müssen 
sowohl  der  moralische  Zustand  wie  die  wirthschaftlichen  Angelegen¬ 
heiten  dieser  Truppen  vollständig  geordneter  Natur  gewesen  sein. 
Denn  sonst  hätte  ohne  Frage  der  vorsichtige  Rath  weder  dem  Robertus 
Browne,  noch  anderen  seiner  Collegen  viele  Jahre  hindurch  die  fast 
regelmässige  Wiederkehr  während  der  Messen  gestattet. 

In  der  Ostermesse  1603  spielten  die  fürstlich  hessischen  Komö¬ 
dianten  Richard  Mackuni  (Mach in)  Georg  Webster  und  Rudolphns 
Reelle  in  der  Bauer 'sehen  Behausung  »draussen  vff  der  Zeillen«,90 
während  Robertus  Browne  mit  seinen  Gesellen  in  den  Räumen  der 
Sanduhr  Vorstellungen  gab.91  Beide  Truppen  erhielten  den  Bescheid, 
dass  sie  ihre  Spiele  nicht  vor  dem  ersten  Sonntag  in  der  Messe 
beginnen  und  bei  Strafe  von  50  Thalern  nur  8  und  4  ^  von  jeder 
Person  nehmen  dürften. 92  Da  die  festgesetzte  Taxe  den  Engländern 
zu  gering  war,  petition irten  sie  gemeinsam,  einen  Batzen  von  der 
Person  nehmen  zu  dürfen,  welches  Begehren  aber  vom  Rath  sofort 
mit  der  Hinzufügung  abgewiesen  wurde,  dass  man  kein  weiteres 
Gesuch  mehr  wegen  Abänderung  des  Eintrittsgeldes  beachten  würde. 

Auch  in  der  Herbstmesse  blieb  Frankfurt  nicht  ohne  Theater, 
wenn  auch  diesmal  die  fürstlich  hessischen  Komödianten  und  die 
Truppe  des  Robertus  Browne  ihre  Schritte  anderswohin  gelenkt  hatten. 
Thomas  Blackreude  und  Johannes  Fheer,  noch  im  Frühjahr  Mit- 


51 


gliedcr  der  Browne’sclien  Gesellschaft,  hatten  sich  inzwischen  zn 
Führern  einer  eigenen  Truppe  emporgeschwungen  und  gaben  »Comö- 
then  imd  Tragödien  zusampst  mit  einer  herrlichen  und  lieblichen 
Musica.«  93 

Inzwischen  muss  der  früher  landgräflich  hessische  Komödiant 
Richard  Machin  mit  einigen  andern  Gesellen  in  die  Dienste  des 
kunstsinnigen  Markgrafen  Christian  von  Brandenburg,  Administrators 
von  Magdeburg,  getreten  sein,  desselben,  welcher  mit  dem  Herzog 
Heinrich  Julius  von  Braunschweig  innig  befreundet  war  und  später 
1615  dessen  Tochter  Dorothea  heirathete.  Prinz  Christian  Wilhelm 
von  Brandenburg  beschützte  die  Schauspielkunst  gleich  seinem  dich¬ 
terischen  Schwiegervater,  dessen  Komödien  mehrmals  an  seinem 
Hofe  gespielt  worden  sein  sollen. 

Bei  einer  Reise  durch  Norddeutschland  sah  Landgraf  Philipp 
von  Butzbach,  Onkel  des  Landgrafen  Georg  II.  von  Hessen-Darmstadt, 
am  Hofe  des  gedachten  Administrators  zu  Halle  eine  »Teutsche  Ko- 
media,  der  Jud  von  Venedig,  aus  dem  engländischen  agiren«  (nicht 
zu  verwechseln  mit  dem  Kaufmann  von  Venedig  von  Shakespeare), 
deren  er  in  einem  wahrscheinlich  an  seinen  Neffen  Georg  II.  von 
Halle  aus  abgesandten  Briefe  gedenkt.94 

Als  Richardus  Machin  mit  seinen  Gesellen  1603  in  die  Dienste 
des  Prinzen  Christian  von  Brandenburg  trat,  muss  dieser  bereits 
eigene  Komödianten  gehabt  haben,  denen  die  neu  hinzugekommenen 
Collegen  jedenfalls  von  dem  grossen  Erfolge  und  Verdienst  er¬ 
zählten,  womit  die  Frankfurter  Messen  stets  das  Wirken  der  drama¬ 
tischen  Künstler  zu  belohnen  pflegten.  Diese  Schilderungen  blieben, 
wie  die  Thatsachen  beweisen,  nicht  ohne  Wirkung. 

Schon  in  den  beiden  Messen  des  Jahres  1604  spielten  diese  Hof¬ 
komödianten  in  Frankfurt.  In  etwas  hochtönender  Weise  nennen  sie 
sich  in  ihren  beiden  Supplikationen  an  den  Rath  »die  Dienstverwandte 
des  durchlauchtigsten  vnd  hochgebornen  Fürsten  vnd  Herrn,  Herrn 
Christian  Markgrafen  zu  Brandenburg,  zu  Preussen,  zn  Stettin, 
zu  Pommern,  der  Cassuben,  auch  zu  Schlesien,  zu  Crossen  und  Jägern- 
dorf  Herzog,  Burggraf  zu  Nürnberg  und  Fürst  zu  Rügen«.95 

Urne  Bemerkung,  dass  sie  schon  »etliche  Jahre  nach  einander 
hier  agiret«,  bezieht  sich  hauptsächlich  auf  Richard  Machin  und  dessen 
andere  Gesellen  ,  welche  allerdings  seit  mehreren  Jahren  in  Frank¬ 
furt  künstlerisch  thätig  gewesen  waren.  Ein  halbes  Jahr  später 
waren  sie  schon  wieder  von  dieser  Truppe  getrennt,  die  jedenfalls 
an  den  Hof  des  Markgrafen  Christian  nach  Halle  zurückkehren 
musste. 

In  der  Herbstmesse  1604  war  ausserdem  noch  eine  Gesellschaft 
englischer  Schauspieler  hier,  deren  Führer,  da  er  vom  Rath  »der  alte 
Komödiant«  genannt  wird,  ohne  Zweifel  Robertus  Browne  gewesen  ist.96 

Obgleich  schon  zur  Zeit  Sackeville’s  von  den  Engländern  die 

4* 


52 


deutschen  Stücke  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braunschweig 
in  Frankfurt  zur  Darstellung  gebracht  wurden,  so  findet  man  doch 
im  Jahre  1605  zum  erstenmal  die  mit  besonderem  Nachdruck  ge¬ 
gebene  Versicherung  der  Komödianten  Richardus  Makum  (Machin) 
und  Rudolphus  Riobe,  mit  ihren  Gesellen  »auch  züchtige  und  lieb¬ 
liche  Comödias  und  Tragödias  in  hochteutscher  Sprach  agiren  und 
dabei  mit  sieben  Instrumenten  ein  gar  ergetzlich  Musica  lautiren«  zu 
wollen.97  Diese  Gesellschaft,  welche  in  der  Bäuerischen  Behausung 
auf  der  Zeil  Vorstellungen  gab,  bestand  aus  18  Personen,  die  mit 
»Kleidern,  Tüchern  und  sunstigem  Gezeug  wohl  ausstaffiret  war.« 

Durch  ein  Bittgesuch  der  beiden  Führer,  die  wegen  der  vielen 
Unkosten  anstatt  der  vom  Rath  festgesetzten  Taxe  von  8  ^  nun 
12  A)  nehmen  wollen,  erfahren  wir,  wieviel  Zins  die  wandernden 
Komödianten  um  jene  Zeit  an  die  betreffenden  Eigenthümer  ihrer 
Lokalitäten  abgeben  mussten.  Sie  zahlten  46  fl.  für  Hof  und  Platz, 
also  für  die  damalige  Zeit  eine  ziemlich  bedeutende  Summe,  und 
»je  10  fl.  für  das  Auf-  und  Abschlagen  des  Gerüstes.«98  Trotz  dieser 
grossen  Unkosten,  zu  denen  noch  die  Besoldung  einer  so  starken 
Compagnie  kam,  willfahrte  der  Rath  ihrem  Begehren  nicht,  woraus 
sich  schliessen  lässt,  dass  ihre  Einnahmen  in  einem  sehr  günstigen 
Verhältniss  zu  den  Ausgaben  standen. 

Um  so  mehr  darf  man  dies  glauben ,  als  sie  in  der  Herbst¬ 
messe  1605  wiederkehrten 99  und  sich  nicht  mehr  über  die  8  ^ 
Eintrittsgeld  beschwerten.  Der  grosse  Zulauf,  der  den  Engländern, 
besonders  den  in  komischen  Leistungen  starken  Truppen,  von  allen 
Seiten  zu  Theil  wurde,  verschaffte  ihnen  eben  durch  die  Masse  der 
Zuschauer  doch  einen  bedeutenden  Verdienst. 

Ungeachtet  der  Versicherung  »nur  züchtige  und  liebliche  Stücke 
agiren  zu  wollen«,  mögen  die  Aufführungen  der  Truppe  des 
Richardus  Machin  und  Rudolphus  Riobe  nicht  immer  dieser  Angabe 
entsprochen  haben.  Auch  müssen  wieder  Ueberforderungen  vor¬ 
gekommen  sein,  die  den  Rath  im  Verein  mit  den  »Zodden  und 
läppigtem  Gezeug«  so  empörten,  dass  er  in  der  Ostermesse  1606  gar 
keine  Truppe  zuliess. 

Mittlerweile  waren  immer  mehr  neue  Elemente  in  die  alten 
Truppen  eingetreten,  welche  nicht  von  wrahrer  Begeisterung  für 
die  Kunst,  wohl  aber  durch  den  eigentliüm liehen  Reiz  des  fahrenden 
Wanderlebens  angezogen  wurden.  Besonders  die  Deutschen,  welche 
zu  jener  Zeit  als  Mitglieder  in  die  englischen  Truppen  eintraten, 
konnten  nur  für  Abenteurer  von  der  niedrigsten  Sorte  gelten,  die  zu 
keinem  anderen  Geschäft  mehr  taugen  mochten.  Thomas  Sackeville 
wai-  ein  Meister  in  der  komischen  Menschendarstellung,  bei  dem 
grössten  Theil  seiner  Nachfolger  in  Frankfurt  artete  jedocli  das  stark 
Komische  in  possenhafte  Uebertreibung  oder  in  närrische  Tölpelei  aus. 

Robertus  Browne,  der  sogenannte  »alte  Comödiant«,  mag  diese 


53 


ersten  Anzeichen  einer  allmählich  immer  mehr  hervortretenden  Ver¬ 
wilderung  wohl  gekannt  haben,  als  er  in  seinem  Bittgesuch  an  den 
Rath  vom  26.  Mai  1606  ausdrücklich  erwähnt,  dass  »bis  dahin  noch 
kein  Mensch  durch  sein  und  seiner  Gesellen  Spiel  geärgert,  vielmehr 
zum  Bespiegeln  seiner  Schwachheit  und  zum  Ausüben  aller  Tugenden 
angereizt  worden  sei«. 

Robertus  Browne,  dessen  tiefes  Yerständniss  für  die  wahren 
Aufgaben  der  dramatischen  Kunst  auch  aus  obigen  Worten  hervor¬ 
geht,  muss  inzwischen  mit  seinem  Gesellen  Robert  Ledbetter  wieder 
in  die  Dienste  des  Landgrafen  Moritz  von  Hessen  getreten  sein. 
Beide  Unterzeichneten  sich  mit  einem  dritten  Gesellen  Johann  Grün 
(John  Green)  als  »fürstlich  hessische  Comödianten«100  und  berufen 
sich  auf  ein  Empfehlungsschreiben  ihres  kunstsinnigen  Mäcens,  wel¬ 
ches  aber  leider  in  den  Acten  des  hiesigen  Stadtarchivs  nicht  auf¬ 
zufinden  war.  —  Trotz  der  energischen  Verordnungen  des  Rathes, 
»nichts  Lappiges  zu  agiren,  8  Pf.  uff  dem  Gang  und  an  jedem  Ort 
zu  nehmen  und  erst  mit  dem  eigentlichen  Beginn  der  Messe  anzu¬ 
fangen«,101  erscheint  es  doch  wie  eine  ehrende  Anerkennung  für  das 
langjährige  Wirken  des  »alten  Komödianten«  in  Frankfurt,  dass  ihm 
der  Rath  in  der  Herbstmesse  1606  und  in  der  Ostermesse  1607  vor 
allen  andern  supplicirenden  Führern  die  Erlaubniss  ertheilte,  in 
ihrem  »alten  Losement  zur  Sanduhren«  wieder  Vorstellungen  von 
Komödien  und  Tragödien  geben  zu  dürfen. 102  Gleichzeitig  spielte 
hier  zwar  in  der  letztgenannten  Messe  noch  eine  erst  kaum  aus 
England  herübergekommene  Truppe,  aber  deren  hauptsächliche  Thätig- 
keit  bestand  in  »Musiciren,  Springen,  Tanzen  und  allerhand  sunstiger 
lustiger  Kurz weill«. 1 0  3 

Höchst  originell  sind  in  der  That  die  Bittschriften  der  eng¬ 
lischen  Komödianten  aus  jener  Zeit,  in  denen  sie  sich  stets  beim 
Rath  durch  allerlei  Lobpreisungen  der  alten  Reichsstadt  und  deren 
grosser  Bedeutung  für  den  Handel  beliebt  zu  machen  suchen.  So 
sagt  Robertus  Browne  in  seinem  Gesuch  vom  17.  März  1607  über 
die  Frankfurter  Messe,  dass  »darinnen  derselbe  getreue  Gott  aber- 
mahls  auss  allen  landsartten  Völker  vnd  menschen  wegen  der  mensch¬ 
lichen  gesellschaft  zu  gutt  erfundner  Commercien  zusammenp ringen 
vnd  geleyten  würde«. 

Es  ist  hervorzuheben,  dass  jener  mit  Browne  und  Led¬ 
better  gemeinschaftlich  unterschriebene  Johann  Green  (Job.  Grün, 
die  Komödianten  verdeutschten  oft  ihre  Namen)  in  der  Folge  eine 
ähnliche  Stellung  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  dramatischen 
Kunst  in  Frankfurt  einnehmen  sollte,  wie  »der  alte  Komödiant«,  Ro¬ 
bertus  Browne.  Er  war  jedenfalls  derselbe  John  Green,  welcher  in 
der  Herbstmesse  1617  vor  dem  Kaiser  Ferdinand  II.  in  Wien 
spielte104  und  kurz  zuvor  im  März  desselben  Jahres  vom  Bischof  zu 


54 


Brixen  und  Breslau,  Erzherzog  Karl  von  Oesterreich,  seinem  Amts¬ 
genossen,  dem  Bischof  von  Olmütz,  empfohlen  wurde. 

Dass  im  Jahre  1607  schon  englische  Komödien  in  deutscher 
Sprache  von  den  fürstlich  hessischen  Komödianten  gegeben  wurden, 
geht  aus  der  Bemerkung  eines  Kammerdieners  des  Landgrafen 
Moritz  hervor,  welcher  seinem  Fürsten  berichtet,  er  wisse  zwar  nicht, 
ob  es  Scherz  oder  Ernst  sei,  aber  die  Engländer  hätten  geäussert, 
sie  seien  unzufrieden  mit  dem  allzu  geringen  Gehalte  und  wollten 
bald  ihre  letzte  Komödie  am  Hofe  zu  Cassel  halten.  Der  Inhalt 
dieses  Stückes  laute  von  zwei  kriegführenden  britannischen  Königen, 
von  denen  der  eine  des  andern  Sohn,  der  zweite  aber  des  ersteren 
Tochter  gefangen  nimmt. 105 

Dieses  Stück,  das  auch  manchmal  nach  den  Titelhelden  »Senile 
und  Astrea«  genannt  wird,  ist  in  der  1620  erschienenen  Sammlung 
englischer  Komödien  lind  Tragödien  unter  dem  Titel  zu  finden : 
»Eine  schöne  lustige  triumphirende  Comödia  von  eines  Königes  Sohn 
auss  Engelandt  vnd  des  Königes  Tochter  auss  Schottlandt.«106 

Jedenfalls  war  es  aber  mit  der  obigen  Bemerkung,  wenn  sie 
überhaupt  von  den  Schauspielern  ausging,  nicht  so  ernst  gemeint, 
denn  noch  nach  dem  Jahre  1613  befanden  sich  englische  Komödian¬ 
ten  in  den  Diensten  des  kunstsinnigen  Landgrafen  Moritz  von  Hessen. 

In  den  beiden  Messen  des  Jahres  1608  und  1609  spielten  die, 
»so  von  Cassel  klimmen«,  wieder  in  der  Behausung  zur  Sand¬ 
uhr,  aber  unter  der  Leitung  ihres  alten  Führers,  der  diesesmal 
als  Rudolphus  Riweus  sich  bezeichnet.107 

Ausser  den  fürstlich  hessischen  Komödianten  gab  noch  in  der 
Ostermesse  1608  ein  gewisser  Robert  Artcher  mit  seiner  Gesellschaft 
hier  Vorstellungen,108  der  später  im  Jahre  1613  in  den  Dienst  des 
Kurfürsten  Johann  Sigismund  von  Brandenburg  trat. 109  Einige  seiner 
Mitglieder  sind  namhaft  gemacht,  so  Heinrich  Greum  und  Rudolf 
Beart. 

Robert  Artcher ’s  Truppe  gab  diesmal,  wie  auch  bei  seinem 
späteren  Aufenthalt  in  Frankfurt  zur  Herbstmesse  1610,  Vorstellun¬ 
gen  in  der  grossen  Behausung  des  »Reinhardt  Becker  uff  der  Fahr¬ 
gassen  ,  welche  (bisher)  niemahlen  dazu  gebraucht  worden«.110  Im 
Hinweis  auf  den  Umstand,  dass  sie  »ganz  neu«  hier  sind  und  »ein 
neu  losement  bekommen,  worin  sie  sich  erst  eine  Kundschafft  er¬ 
werben  müssen«,  bitten  diese  Komödianten,  dass  sie  mit  ihrem  Spiel 
schon  vor  der  Messe  beginnen  dürfen,  erhalten  aber  einen  abschlägi¬ 
gen  Bescheid.111 

Fast  gleichzeitig  erneute  der  Rath  die  schon  einmal  im  Jahre 
1607  den.  englischen  Komödianten  ertheilte  Verordnung,  dass  sie  bei 
ihren  Ankündigungen  »das  heftige  vnd  vnzeitige  Trom  men  schlagen 
mässigen  sollten«. 112  Dies  Gebot  erging  jedenfalls  aus  Rücksicht  für 
die  vielen  Pestkranken,  die,  kurze  Unterbrechungen  ausgenommen, 


55 


in  den  Jahren  1604 — 1613  in  den  meisten  Häusern  Frankfurts  zu 
finden  waren.  Heberhaupt  macht  es  den  Eindruck,  als  sei  die  Ko¬ 
mödie  hauptsächlich  nur  im  Hinblick  auf  die  zahlreichen  Messfrem¬ 
den  zugelassen  worden,  denn  der  Eath  gestattete  in  jenen  Zeiten 
schwerer  Heimsuchung  keinerlei  sonstige  Festlichkeiten  und  verbot 
sogar  bei  Strafe  ausser  den  Messzeiten  Musik  und  Tanz. 

In  dieser  Zeit  betrug  das  festgesetzte  Eintrittsgeld  für  eine 
Vorstellung  der  englischen  Komödianten  mitunter  einen  Albus, 
manchmal  8,  auf  den  meisten  Plätzen  aber  4  Pf.  Damit  keine 
Ueberforderung  Vorkommen  könnte,  mussten  die  Spieler  sogar  »ein 
tätlin  aushenken  lassen«. 113  Hiergegen  beschwert  sich  am  11.  Sep¬ 
tember  1610  Robert  Artcher  mit  seinen  Gesellen.  Sie  ersuchen  den 
Rath,  von  der  Person  am  Thore  8  Pf.,  desgleichen  auch  »uff  den 
gengen  vnd  Kellerev  (Parterre)  ebenmässig  8  Pf.  nehmen  zu  dürfen«, 
damit  sie  »in  ermelter  theurer  Zeitt  vnd  schweren  Vn kosten,  inn 
deute  vnsrer  Viel,  desto  besser  auskommen  möchten«. 114 

Obgleich  dies  Begehren  wohl  ohne  Zweifel  berechtigt  erschien, 
willfahrten  ihm  die  Väter  der  Stadt  ebensowenig  wie  einem  gleichen 
Bittgesuch  der  »fürstlich  hessischen  Komödianten  und  Musikanten«, 
welche  wieder  in  der  Ostermesse  1610  »einige  schöne  Comödien  und 
Tragödien  allhiero  unter  grossem  Zulauflf  agiret«115  und  ihren  Thespis¬ 
karren  von  Frankfurt  »den  Main  null«,  vielleicht  nach  Nürnberg,  ge¬ 
lenkt  hatten.116 

In  der  Ostermesse  1611  spielte  zum  ersten  Mal  eine  direct  aus 
den  Niederlanden  kommende  englische  Truppe  in  Frankfurt.  Es 
waren  die  Hofkomödianten  des  berühmten  Kriegshelden  Moritz  von 
Nassau,  Prinzen  von  Oranien,  der  ihnen  ein  huldvolles,  leider  nicht 
mehr  erhaltenes  Empfehlungsschreiben  an  die  Väter  der  Stadt  Frank¬ 
furt  mitgab.  Diese  Mimen  waren,  wie  sie  ausdrücklich  erwähnten, 
noch  ganz  fremd  in  deutschen  Landen  und  sind  deshalb  nicht  zu 
verwechseln  mit  jener  unter  Jon  Spencers  Leitung  stehenden  Com¬ 
pagnie,  welche  auf  ein  Empfehlungsschreiben  des  Kurfürsten  Johann 
Sigismund  von  Brandenburg  an  den  Prinzen  Moritz  von  Nassau 
vom  Januar  bis  Mai  1605  in  Leyden  Vorstellungen  veranstalten 
durfte. 1 1 T 

Welche  Stücke  diese  Komödianten  gaben,  ist  nirgends  genau 
gesagt,  aber  da  sie  noch  nicht  lange  »herübergekommen«  (iiber’s 
Meer)  und  »allerlei  neue  schöne  Comödien  und  Tragödien,  die  in 
Teutschland  noch  nie  zuvor  gesehen  worden«,  aufführen  wollen,  so 
ist  die  Vermuthung  wohl  nicht  ohne  Grund,  welche  gerade  diese 
Komödianten  für  die  ersten  Darsteller  Shakespeare’scher  Stücke  in 
Frankfurt  halten  möchte.  Die  Gesellschaft,  welche  auch  in  der  Behau¬ 
sung  zur  Sanduhr  spielte,  war  sehr  stark,  sie  hatte  auch  mehrere 
Tänzer,  ein  »Häuflein  Musiker«,  welche  auf  »Sechserlei  Arten  und  mit 
allerley  Seytenspillen  lautiren  konnten«.118 


56 


In  der  Herbstmesse  1611  führten  wieder  englische  Komödian¬ 
ten  in  der  Sanduhr  »etzliche  schöne  Comödien«  unter  grosser  Be¬ 
theiligung  des  Publikums  auf,  aber  ob  es  die  vorigen  Acteurs  gewesen, 
lässt  sich  nicht  mit  vollständiger  Sicherheit  feststellen. 

Dass  auch  die  politischen  Verhältnisse  ihren  Widerschein  auf 
die  Ausübung  der  dramatischen  Kunst  in  Frankfurt  wie  überhaupt 
auf  alle  öffentlichen  Vergnügungen  werfen,  zeigt  das  abweisende 
Verhalten  des  Käthes ,  der  in  der  Ostermesse  1612  weder  der  Bruder¬ 
schaft  von  St.  Marcus  die  Abhaltung  ihrer  öffentlichen  Fechtschule, 
noch  trotz  mehrfacher  Bitten  verschiedener  englischer  Komödianten- 
fiihrer  diesen  die  Aufführung  neuer  Stücke  gestatteter 

II. 

Es  war  am  Vorabend  jener  gewaltigen,  das  Frankfurter  Gemein¬ 
wesen  heftig  erschütternden  Revolution,  welche  man  gewöhnlich  nach 
dem  Namen  ihres  Hauptführers  den  Fettmilchschen  Aufstand  nennt. 
Wie  eine  schwere  Wetterwolke  hing  es  über  den  Häuptern  des 
Käthes,  der  seine  gesetzmässige  Gewalt  durch  die  verschiedensten 
willkürlichen  Verordnungen  missbraucht  und  che  reinste  Oligarchie 
zur  herrschenden  Regierungsform  erhoben  hatte.  An  einem  solchen 
Wendepunkt  der  Geschichte  Frankfurts,  wo  jede  der  beiden  schroff 
gegenüb  erstehenden  Parteien  sich  im  Stillen  für  den  Moment  des 
Ausbruchs  rüstete,  gab  es  in  Frankfurt  keinen  Raum  für  das  weitere 
Gedeihen  der  mimischen  Kunst.  Der  Rath  verdeckte  zwar  seine 
abschlägigen  Bescheide  durch  den  Hinweis  auf  das  Ableben  des 
Kaisers  Rudolf  II.  (1576 — 1612),  aber  in  Wahrheit  war  es  ihm  doch 
wohl  nur  darum  zu  thun,  den  Zünften  und  sonstigen  Corporationen, 
»die  den  Comödien  mehr  als  gutt  zugeloffen«,  nicht  so  viel  Gelegen¬ 
heit  zu  zwanglosen  Zusammenkünften  zu  geben. 

Am  30.  Mai  1612  kam  König  Mathias  von  Ungarn  zum  Zweck 
seiner  im  Juni  stattfindenden  Wahl  und  Krönung  nach  Frankfurt. 
Zu  den  Reichsfürsten,  welche  dieser  feierlichen  Handlung  beiwohn¬ 
ten,  gehörte  auch  der  Landgraf  Moritz  von  Hessen,  der  bei  dieser 
Gelegenheit  seine  Hofkomödianten  dem  Rath  auf’s  Wärmste  empfahl. 
Trotz  dieser  Fürsprache  und  der  Anwesenheit  einer  grossen  Menge 
von  der  Kaiserkrönung  zurückgebliebener  Fremden  mussten  die 
»fürstlich  hessischen  Comödianten  und  Musikanten«  vor  der  Herbst¬ 
messe  1612  und  der  Ostermesse  1613  doch  wiederholte  Bittgesuche 
einreichen,  ehe  ihnen,  wie  früher  versprochen,  erlaubt  wurde,  »nach 
nun  vollendeter  Kayserliche  Klage«  ihre  Spiele  wieder  beginnen  zu 
dürfen.119 

Dass  auch  die  Kunstbestrebungen  der  englischen  Komödianten 
beinahe  in  die  politischen  Verwicklungen  hineingezogen  worden 
wären,  erhellt  aus  einem  Anträge  der  mit  dem  Rathe  Frankfurts  zur 


57 


Bekämpfung  der  bürgerlichen  Unruhen  verbundenen  Städte  Strass¬ 
burg,  Worms  und  Speyer,  deren  Abgesandte  am  5.  September  1612 
in  pleno  senatu  erschienen  und  nach  der  Ueberreichung  einer  Er¬ 
innerungsschrift  und  der  Erörterung  von  zwei  anderen  Punkten  auch 
vorbrachten,  »sie  hätten  vernommen,  dass  die  Engelländische  Komö¬ 
dianten,  als  sie  dieser  tagen  vmb  vergunst  ihre  Comödias  und 
Tragödias  in  bevorstehender  Mess  zu  agiren  angehalten,  vor  den 
Ausschuss  der  Bürgerschafft  verwiesen  worden  seyn  sollen,  welches 
den  L.  L.  Rath  etwas  verkleinerliche«.  Die  Täter  der  Stadt  verwahr¬ 
ten  sich  aber  sofort  gegen  diese  von  ihnen  allerdings  selbst  ver¬ 
schuldete  Herabsetzung  ihres  eigenen  Ansehens.  Sie  erklärten  dieses 
»fürgeben«  für  nichtig  und  ertheilten  den  strengen  Befehl,  dass 
man  den  »Trheber«  eines  solchen  Gerüchtes  »stattlich  verweissen 
solle«.120 

Von  Frankfurt  gingen  die  fürstlich  hessischen  Komödianten 
und  Musikanten  in  der  Herbstmesse  1612  nach  Nürnberg,  wo  sie 
vom  20. — 23.  October  spielten.  Eine  handschriftliche  Chronik  be¬ 
rührt  ihre  dortige,  auch  für  unsere  Theatergeäjichte  interessante  Thätig-  F < t!i 
keit  folgendermassen : 

»Im  Jahre  1612  den  20. — 23.  October  haben  etliche  Engelländer 
des  Landgrafen  zu  Cassel  in  Hessen  bestallte  Comödianten,  aus  Ver¬ 
günstigung  des  Herrn  Bürgermeisters  im  Halsprunner  Hof  al hie 
etliche  schöne  und  zum  Theil  in  Deutschland  unbekannte  Comödien 
und  Tragödien  und  dabei  eine  gute  liebliche  Musika  gehalten;  auch 
allerlei  wälsche  Tänze  mit  wunderlichem  Verdrehen,  Hüpfen,  hinter 
sich  und  für  sich  Springen,  welches  lustig  zu  sehen ;  dahin  ein 
grosses  Zulaufen  von  Alten  und  Jungen,  von  Manns-  und  Weibs¬ 
personen,  auch  von  Herren  ries  Raths  und  Doctoren  gewesen;  dann 
sie  mit  zwei  Trummein  und  vier  Trompeten  in  der  Stadt  umgegan¬ 
gen,  und  das  Volk  aufgemahnt,  und  eine  jede  Person  solche  schöne 
kurzweilige  Sachen  und  Spiel  zu  sehen  '/2  Batzen  geben  müssen, 
davon  sich  die  Comödianten  ein  gross  Geld  aufgehoben  und  mit 
ihnen  aus  dieser  Stadt  gebracht  haben.«121 

Gleich  an  diese  Nachricht  schliesst  der  Nürnberger  Chronist 
eine  andere  Mittheilung,  welche  ebenfalls  mit  der  Geschichte  der 
Frankfurter  Schaubühne  in  Verbindung  steht. 

Er  erzählt,  dass  1613  den  27.  Juni  und  einige  Tage  nachher 
von  der  brandenburgisch-englischen  Gesellschaft  »schöne  Comödien 
und  Tragödien  von  Philoie  und  Mariane,  item  von  Celide  und  Sedea 
auch  von  Zerstörung  der  Städte  Troia  und  Constantinopel,  vom 
Türken  vnd  andern  Historien  mehr,  neben  zierlichen  tänzen,  lieb¬ 
licher  Musica  vnd  anderer  Lustbarkeit  im  Halsprunner  Hofe  allhie 
in  guter  teutscher  Sprache,  in  köstliche  Mascarade  vnd  Kleidungen 
agiret  vnd  gehalten  worden«. 

Diese  starke  Truppe,  deren  Führer  der  berühmte  englische  Ko- 


58 


mödiant  John  Spencer  war,  wurde  entweder  zu  Ende  des  Jahres 
1613  oder  zu  Anfang  des  folgenden  von  dem  Kurfürsten  Friedrich  1Y. 
von  der  Pfalz  nach  Heidelberg  berufen,  wo  sie  bis  zum  Beginne  der 
Frankfurter  Ostermesse  1614  blieb  und  die  nämlichen  Stücke  auf¬ 
führte.  Zur  Ostermesse  kam  diese  Truppe  nach  Frankfurt,  wo  sie 
der  bürgerlichen  Unruhen  halber  »bei  allem  Ruhm  nur  wegen  eines 
hohen  Fürworts  Aufnahme  fand«. 

Ohne  Frage  führte  John  Spencer  mit  seiner  Gesellschaft  hier 
in  der  Sanduhr  dieselben  Stücke  auf,  wie  etwas  früher  in  Nürnberg 
und  Heidelberg.  Da  nun  die  »Zugehörungen  zur  ausstaffierungk  und 
grossen  Präparation  seiner  Comödien  auf  mehreren  Rüstwäglin  (Pack¬ 
wagen)  anhero  gebracht  wurden«,  so  liegt  die  Vernmtlrang  nahe,  dass 
John  Spencer  die  Requisiten,  Kleider  und  sonstigen  Hülfsmittel, 
welche  der  Kurfürst  Johann  Sigismund  von  Brandenburg  für  die 
Darstellung  obgenannter  Stücke  im  Jahre  1611  angeschafft  hatte, 
beim  Herumziehen  seiner  Truppe  behalten  durfte. 

Unter  diesen  befanden  sich  kostbare  mit  Silber  und  Gold  be¬ 
setzte  Kleider,  schöner  blauer,  schwarzer  und  Aveisser  Stoff  zu  Wol¬ 
ken  für  »che  Triumph  -  Comödia«,  mannigfaltige  Schnitz  werke  und 
allerlei  Malereien,  welche  letzteren  von  dem  brandenburgischen  Hof¬ 
maler  David  Rose  herrührten. 122 

Wenn  aber  auch  dem  berühmten  Spencer  alle  möglichen  Hülfs- 
mittel  zur  Verschönerung  seiner  Stücke  zu  Gebote  standen,  Avenn 
seine  Truppe  aus  34  Mitgliedern,  19  Schauspielern  und  15  Musikern 
bestand,123  so  durfte  er  doch  nicht  mehr  Eintrittsgeld  nehmen  als 
seine  Vorgänger,  Avelche,  Avie  er  selbst  in  seiner  Eingabe  sagt,  »nur 
halb  so  viel  leutt  und  viel  Aveniger  vnkosten  gehabt«.  —  Aber  trotz 
des  abschlägigen  Bescheides,  keinen  Batzen,  sondern  bei  Strafe  von 
100  Thlr.  nur  einen  Albus  zu  nehmen,  spielte  er  dennoch  in 
Frankfurt,  und,  Avie  mehrere  Bemerkungen  in  verschiedenen  Raths- 
supplicationen  bezeugen,  unter  dem  grössten  Andrang  des  Publi¬ 
kums. 

Gerade  in  jener  Zeit  erhoben  nämlich  einige  Prädikanten  ihre 
Stimme  gegen  den  »vbermässigen  Besuch  der  englischen  Comödi« 
und  ein  »Gesell«  klagt  dem  Rath,  dass  ihm  »wegen  argem  Ged  rück 
in  dem  gang  in  der  Sanduhren  sein  neu  Wemslin  in  Lappen  gerissen 
worden«. 

Mehr  aber  noch  als  die  beiden  eben  erwähnten  Thatsachen 
zeugen  einige  Verse  des  Gedichtes  »Ein  Diseurs  von  der  Frankfurter 
Messe  und  ihrer  vnderschiedlichen  Kaufleuten  gut  vnd  böss«,  er¬ 
schienen  1615,  für  den  starken  Andrang  zu  den  theatralischen  Vor¬ 
stellungen  der  damals  in  Frankfurt  spielenden  englischen  Mimen. 
»Die  Englische  Comedianten 
Haben  mehr  Jjeuht  den  Predicanten, 


59 


Da  lieber  4  stund  stehn  hören  zu, 

Dan  ein  in  die  Ivirch,  da  sie  mit  Kühe 
Flux  einschlaffen  auff  ein  hart  banck, 

Dieweil  ein  stund  in  feit  zu  lang, 

Und  Agieren  doch  so  schlecht  Sachen, 

Da  sie  der  poszn  oft  selbst  lachen, 

Das  siesz  Gelt  von  den  Leuten  bringen 
Zu  sich,  vor  so  närrische  dingen, 

Der  Narr  macht  lachen,  doch  ich  weht, 

Da  ist  keiner  so  gutt,  wie  Jan  Begehtt 
Vor  dieser  Zeit  wol  hat  gethan, 

Jetzt  ist  er  ein  reichr  Handelszman.« 

Diese  Verse,  welche  das  Wirken  der  englischen  Komödianten 
in  der  niedrig  komischen  Gattung  erwähnen,  erinnern  an  Thomas 
Sackeville  (Jan  Begehtt,  Johan  Bouset),  an  dessen  künstlerische 
Thätigkeit  in  Frankfurt  der  Verfasser  des  Gedichtes  sich  wohl  noch 
lebhaft  erinnern  mochte.  Wenn  es  nicht  feststünde,  dass  Sackeville 
seit  dem  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  in  die  Dienste  des  Herzogs 
Heinrich  Julius  von  Braunschweig  getreten  gewesen  wäre,  dann 
möchte  man  fast  glauben,  dass  der  letzte  Vers  »Jetzt  ist  er  ein  reicher 
Handelszman«  sich  auf  ihn  als  jenen  englischen  Seidenhändler  glei¬ 
chen  Namens  bezöge,  der  vom  Jahre  1604  an  lange  Jahre  hindurch 
zu  Messzeiten  einen  Stand  in  dem  Römer  hatte. 

Es  ist  ein  eigenthümliches  Zusammentreffen,  dass  Spencer 
grade  in  dem  Jahre  Stücke  mit  volkstümlichen  Aufständen  und 
Kämpfen  hier  aufführte,  in  welchem  Frankfurt  selbst  ein  Schauplatz 
tief  erschütternder  ähnlicher  Vorfälle  geworden  war.  Im  August 
1614  plünderte  Fettmilch  die  Judengasse,  im  September  erklärte 
man  ihn  in  die  Acht  und  im  November  desselben  Jahres  wurde  er 
von  dem  Sohne  jenes  Martin  Bauer  gefangen  genommen,  dessen  Be¬ 
hausung  »draussen  uff  der  Zeillen«  eine  der  ersten  Lokalitäten  der 
wandernden  Komödianten  gewesen  war. 

Von  Frankfurt  muss  Jon  Spencer  nach  Regensburg  gegangen 
sein,  wo  er  vor  dem  versammelten  Reichstag  spielte.124  In  der  Herbst¬ 
messe  1615  kehrte  er  hierher  zurück  und  berief  sich  in  seiner  Ein¬ 
gabe  auf  ein  Kaiserliches  Patent  und  auf  die  günstige  Befürwortung, 
welche  ihm  auch  sonst  an  allen  Orten  zu  Theil  geworden  Aväre. 
Der  Rath,  welcher  nach  der  Gefangennahme  Fettmilchs  schon  wieder 
freier  aufathmen  konnte,  willfahrte  sofort  seiner  Bitte  und  genehmigte 
auch  wenige  Tage  später  das  Gesuch  einer  französischen  Gesellschaft, 
die  aber  jedenfalls  Spencer ’s  wegen  nur  sehr  schlechte  Geschäfte 
gemacht  haben  muss. 

Diese  Truppe,  die  vom  Hofe  zu  Heidelberg  kam  und  nach  Cassel 
wandern  wollte,  war  nicht  im  Stande,  für  die  gegebenen  Vorstellungen 
die  geringste  Abgabe  an  die  Armen  zu  entrichten.  Ausserdem  hatte 


60 


sie  so  viele  Schulden,  dass  der  Rath  gerne  aus  Furcht  vor  noch 
grösserer  Anhäufung  derselben  auf  »das  Bestimmte  für  das  Aerario« 
verzichtete.  Von  diesen  Komödianten  ist  nichts  weiter  aufzufinden 
gewesen  als  ihr  von  Heidelberg  aus  eingereichtes  Bittgesuch,  welches 
hier  als  die  älteste  erhaltene  Supplikation  französischer  Mimen  an 
den  Rath  wörtlich  wiedergegeben  werden  soll. 

»Plaise,  A  Messieurs  Les  Bourgmaistres  de  permettre  aux 
comediens  frangois  de  representer  leurs  histoires  en  cette  ville  de 
Frankfort  pendant  la  foire  au  contentement  d’un  chascun  ainsy  que 
lez  ont  fait  en  dautres  lieux  et  mesme  devant  Monseigneur  L’electeur 
Palatin  a  Hidelberg  d’ou  viennent  maintenant,  Et  plusieurs  autres 
princes  de  ces  pays,  ce  faisant  ils  prieront  pour  nos  prosperitez.«  — 

Das  Bittgesuch  ist  nochmals  in  lateinischer  Sprache  vorhanden, 
aber  beide  Schriftstücke  tragen  keine  Namensunterzeichnungen.  — 

Nach  dem  Abzug  Spencers  und  der  französischen  Komödianten 
fanden  während  eines  Zeitraumes  von  zwei  Jahren  keine  theatralischen 
Aufführungen  in  den  Messen  statt.  Dieser  Stillstand  wird  einiger- 
massen  durch  die  Thatsache  erklärt,  dass  die  Truppen,  welche  Frank¬ 
furt  früher  zum  hauptsächlichsten  Ziel  ihrer  Kunstthätigkeit  erwählten, 
sich  theils  aufgelösst,  theils  ihrer  Heimath  wieder  zugewandt  hatten. 

Seit  1613  findet  sich  keine  Spur  mehr  von  den  »fürstlich  hessi¬ 
schen  bestallten  Komödianten«,  und  auch  der  Name  des  berühmten 
Robertus  Browne  verschwindet  auf  Jahre  von  dem  Schauplatz  des 
Frankfurter  Bühnenlebens.  Aber  kurz  vor  der  Herbstmesse  1618 
erscheint  er  wieder  mit  einer  Truppe  und  berichtet,  dass  er  von 
London  in  England  käme  und  viele  neue  und  schöne  Stücke  mit¬ 
gebracht  hätte.  Mit  einem  gewissen  Stolz  beruft  er  sich  in  dem 
Gesuch  auf  seine  frühere  langjährige  Thätigkeit  in  Frankfurt,  auf  die 
Thatsache,  dass  er  nie  vom  Rathe  wegen  »Ueberfordrung  der  Specta- 
tores  oder  sonstiger  Unhill«  bestraft  worden  sei.  Browne  will  in 
seinem  »alten  losement  in  der  Sanduhren«  spielen  und  hofft  um  so 
eher  Aufnahme  zu  finden,  als  er  seine  neuen  Stücke  ebenso  gut,  wie 
andre  mit  »allerlei  erketzliehem  Gezeug  und  herrliche  Zuthaten«  ver¬ 
zieren  kann. 125 

Es  ist  gewiss  ein  ehrenvolles  Zeugniss  für  den  alten  Komö¬ 
dianten,  dass  er  nicht  zweimal  um  Aufnahme  bitten  musste,  dass  ihm 
der  Rath  trotz  der  »gar  ernst  gewordenen  Zeitleuffte«,  des  Beginnes 
des  30jährigen  Krieges,  sofort  die  Gewährung  seines  Gesuchs  zu¬ 
sagte. 126  Durfte  man  schon  bei  der  im  Jahre  1611  aus  den  Nieder¬ 
landen  kommenden  englischen  Truppe  die  Aufführungen  Shake- 
speare’scher  Dramen  mit  einiger  Sicherheit  annehmen,  so  kann  doch 
kaum  ein  Zweifel  gegen  die  Annahme  aufkommen,  dass  sich  unter 
den  neuen,  von  Browne  erwähnten  Stücken  wenigstens  die  Erstlings¬ 
werke  des  grossen  englischen  Genius  befanden.  Der  »alte  Comödiant« 
gab  auch  einige  Aufführungen  in  »nur  teutscher  Mundart«,  die  jeden- 


61 


falls  der  im  Jahre  1620  erschienenen  Sammlung  englischer  Komödien 
und  Tragödien  in  deutscher  Sprache  entnommen  waren. 

Aus  1619,  dem  Krönungsjahre  Ferdinands  II.,  haben  sich  keine 
Nachrichten  über  (he  Anwesenheit  englischer  Komödianten  in  Frank¬ 
furt  erhalten.  Die  Truppe  des  Robert  Browne  war  inzwischen  nach 
Prag  in  Böhmen  gezogen,127  wo  das  Haupt  der  protestantischen 
Union,  der  Kurfürst  Friedrich  V.  von  der  Pfalz,  im  November  1619 
von  den  vom  Hause  Oesterreich  abgefallnen  böhmischen,  mährischen, 
und  schlesischen  Ständen  zum  König  von  Böhmen  erwählt  worden 
war.  In  den  glänzenden  Tagen,  che  den  kurzen  königlichen  Winter¬ 
traum  des  Kurfürsten  mit  einem  trügerischen  Schimmer  überkleideten, 
fanden  diese  Komödianten  gewiss  in  Prag  eine  sehr  freundliche  Auf¬ 
nahme.  War  doch  die  junge  schöne  Königin  nicht  allein  eine  eng¬ 
lische  Prinzessin,  sondern  auch  eine  grosse  Freundin  der  darstellen¬ 
den  Künste,  deren  höchste  Blüthezeit  sie  als  Tochter  Jacobs  I.,  des 
Nachfolgers  der  Königin  Elisabeth,  in  England  noch  miterleben  durfte. 

Nachdem  Robert  Browne  mit  seiner  Gesellschaft  den  Winter 
über  in  Prag  gespielt  hatte,  kehrte  er  mit  derselben  zur  Ostermesse 
1620  nach  Frankfurt  zurück. 

Mittlerweile  aber  hatten  sich  die  Wolken  am  politischen  Hori¬ 
zont  immer  dichter  zusammengezogen  und  —  um  mit  einem  Frank¬ 
furter  Schriftsteller  jener  Tage  zu  reden  —  »die  unheimlich  still’  gar 
manch  Gemüth  beschwert  und  melancholisch  gemacht«.  Vielleicht 
dachte  Robertus  Browne  an  diese  gedrückte  Stimmung,  als  er  in 
seiner  Supplikation  an  den  Rath  ausdrücklich  erwähnte,  dass  er 
»Vielen  ein  höchliches  Oblectamentum  und  denen  Melancholicis  eine 
gute  Recreation  mit  seinen  Actionen  bereiten  wollte«.  —  Aber  die 
starken  Truppendurchzüge  und  die  sonstigen  Anzeichen  eines  immer 
mehr  heranziehenden  Krieges  hatten  den  Rath  doch  mit  zu  ernsten 
Befürchtungen  erfüllt,  als  dass  er  selbst  in  der  für  die  verschiedensten 
Künste  freien  Zeit  der  Messen  sofort  ein  allgemein  beliebtes  Ver¬ 
gnügen,  wie  die  Komödie  hätte  gestatten  können.  Die  Väter  der 
Stadt  schlugen  dem  angesehenen  »alten  Gomödianten«  seine  Bitte  ab 
und  entschlossen  sich  erst  zur  Bewilligung  der  theatralischen  Vor¬ 
stellungen,  als  die  verschuldete  Wittwe  des  Gastgebers  zum  Krach¬ 
bein  und  Besitzers  der  Sanduhr  Anna  Catharina  Hausin  eine  Suppli¬ 
kation  einreichte  und  in  derselben  bat,  ihren  kleinen  Kindern  doch 
den  sehr  nüthigen  Messnutzen  nicht  zu  entziehen,  den  ihr  die  Vor¬ 
stellungen  der  englischen  Komödianten  gewähren  würden. 

Das  merkwürdige  Gesuch  dieser  Wittwe,  die  »als  Fraw  im  Haus 
über  die  Vorstellungen  der  Engländer  wachen  und  es  an  Ermah¬ 
nungen  zum  Guten  nicht  fehlen  lassen  will«,  zeugt  nicht  allein  für 
die  Missachtung,  die  man,  trotz  dem  tadellosen  Verhalten  Browne’s, 
der  Schauspielkunst  und  ihren  Vertretern  in  Frankfurt  noch  immer 
zu  Theil  werden  liess :  sie  giebt  auch  Aufschluss  über  den  Fortschritt 


62 


der  scenischen  Einrichtung,  die  mittlerweile  nach  den  Londoner  Vor¬ 
bildern  auch  auf  die  englischen  Bühnen  in  Frankfurt  übertragen 
worden  war. 128 

Der  verstorbene  Besitzer  der  Sanduhr  hatte  »zur  Commodität  der 
Engländer  in  dieser  Behausung  verschiedene  Gemächer  durchgebrochen« 
und  zum  Zweck  ihrer  Vorstellung  noch  sonstige  »mit  grossen  Unkosten 
verbundene  Präparationen«  gemacht.  —  Hatte  auch  die  Bühne  in 
jener  Zeit  noch  keinen  Vorhang,  der  bei  den  Aktschlüssen  herabfiel, 
so  besass  sie  doch  sicher  auch  in  Frankfurt  schon  die  coulissenartigen 
Tapeten,  welche  die  Bühne  an  den  Seiten  abschlossen. 

Dass  die  Schauspielkunst  nicht  die  gebührende  Achtung  genoss, 
hat  neben  dem  oft  vagabundenähnlichen  Leben  ihrer  Jünger  auch 
vielfach  seinen  Grund  in  der  zweideutigen  Gesellschaft,  in  der  sie  in 
dem  ersten  Viertel  des  XVII.  Jahrhunderts  oft  auf  Jahrmärkten,  Volks¬ 
festen  und  auch  in  den  Messen  der  alten  Reichsstadt  Frankfurt  er¬ 
schien.  Fahrende  Schwindler,  Storger,  Zahnbrecher  u'ud  Operateurs 
verbanden  sich  mit  ihren  gefährlichen  Künsten  und  suchten  mit  ihrer 
Hülfe  desto  leichter  das  Ziel  ihres  betrügerischen  Strebens  zu  er¬ 
reichen.  Als  Beleg  für  diese  Behauptung  sei  das  Auftreten  des  auch 
in  Cüln  und  anderen  rheinischen  und  niederländischen  Städten  be¬ 
rühmten  und  berüchtigten  italienischen  Medicus  Claudius  D’aguaviva 
erwähnt,  der  in  der  Ostermesse  1622  Arzneimittel  für  allerlei  Uebel 
öffentlich  feil  bot  und  nach  dem  Absatz  und  dem  Genuss  der  Hülfs- 
mittel  »den  Käuffern  zur  Danksagung  vndt  zur  recorirung  des  Ge- 
müths  eine  liebliche  Musika  und  Comedia  nach  Art  der  alten  Römer 
auf  Italienisch  abhielt«. 129 

Bei  der  Schilderung  vom  Auftreten  des  Simplex  als  Storger 
und  Landfahrer  im  achten  Kapitel  des  vierten  Buches  vom  Simpli- 
cissimus  scheint  dem  Grimmelshausen  eine  ähnliche  Figur  wie  Clau¬ 
dius  D’aguaviva  zum  Modell  gesessen  zu  haben. 

Der  Fortschritt  des  dreissigjährigen  Krieges,  besonders  aber  die 
von  dem  Mansfelder  und  dem  Markgrafen  Georg  Friedrich  von  Baden 
dem  Tilly  abgewonnene  Schlacht  bei  Wissloch,  29.  April  1622,  und 
die  späteren  Siege  des  Kaiser! .  Generals  über  den  Markgrafen  am 
6.  März  bei  Wimpfen  und  am  19.  Juni  desselben  Jahres  über  den 
Herzog  Christian  von  Braunschweig  bei  Höchst,  wie  auch  die  Be¬ 
setzung  der  Pfalz  verscheuchten  auf  Jahre  die  englischen  Komö¬ 
dianten  aus  den  Gegenden  des  Rhein,  Main  und  Neckar. 

Erst  in  der  zweiten  Periode  des  30jährigen  Krieges,  als  Nieder¬ 
deutschland  der  Schauplatz  der  verheerenden  Kämpfe  geworden  war, 
kam  in  der  Ostermesse  1626  wieder  eine  Truppe  fahrender  Mimen 
nach  Frankfurt.  Es  waren  die  alten  englischen  Komödianten,  welche 
früher  unter  der  Leitung  des  Robert  Browne  gestanden  und  »sich 
hei  diesem  gefährlichen  Kriegswesen  wiederumb  mit  der  Hoffnung 
herausen  gewaget.  hatten,  um  in  den  berühmten  Frankfurter  Messen 


63 


wie  von  Alters  her  ihre  Comödeas  und  Tragödeas  in  dem  Losement 
zur1  Sanduhren  gehen  zu  dürfen.«  —  Die  Compagnie,  welche  direkt 
aus  England  kam,  übersandte  ihre  Bittschrift  von  Cöln  aus,  wo  ihr 
vom  dortigen  Bürgermeister  eine  14  tägige  Spielzeit  gestattet  worden 
war. 130 

Inzwischen  muss  der  Tod  dem  bewegten  ruhelosen  Künstler¬ 
leben  des  Robertus  Browne  in  der  Heimath  seinen  Abschluss  gegeben 
haben;  denn  der  schon  einmal  erwähnte  John  Green  (Johann  Grün) 
stand  jetzt  an  der  Spitze  der  Truppe.  Er  war  früher  das  erste  Mit¬ 
glied  derselben  und  hatte  »als  junger  Gesell  zuerst  die  feinen  Jung¬ 
frauen  und  Weibsen«  und  später  »fürtrefflich  und  gar  ergetzlich«  die 
komische  Rolle  des  Lustigmachers  gespielt.  —  Obgleich  die  Haupt¬ 
kraft  dieser  Compagnie  in  der  Darstellung  »erbaulicher  Comödien  und 
Tragödien«  bestand,  so  scheint  doch  der  Führer  derselben  auch  grossen 
Werth  auf  die  Pflege  der  Künste  gelegt  zu  haben,  welche  die  Zwi¬ 
schenakte  ausfüllen  mussten.  Während  die  Darsteller  sich  umklei¬ 
deten,  »für  den  folgenden  Aldus  preparirten  und  zu  ihrer  Erholung 
auch  etwas  verschnauften  tliäten,  sollte  eine  liebliche  Musica  Instru¬ 
mentalis  und  allerlei  neue  schöne  Nationentänz  einem  Publiko  zum 
oblectamentum«  gegeben  werden. 

Dass  gerade  die  Vertreter  der  Musik  und  des  Tanzes  meisten- 
theils  Deutsche  wraren,  geht  aus  der  Bemerkung  John  Greens  hervor, 
dass  »seine  hüppenden  und  spillenden  Germans  viel  Ehre  mit  ihrem 
Gethu«  einlegen  sollten. 

Nach  der  Ostermesse  1626  reiste  Green  mit  seiner  Truppe  von 
Frankfurt  nach  Dresden,  wohin  er  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  vom 
sächsischen  Hofe  berufen  worden  war.  Am  1.  Juni  dieses  Jahres 
beginnen  che  erhaltnen  Aufzeichnungen  von  einer  Reihe  von  Stücken, 
welche  von  dem  genannten  Datum  an  bis  zum  4.  December  im 
steinernen  Saal  zu  Dresden  aufgeführt  wurden.  Unter  diesen  be¬ 
finden  sich  neben  den  Tragödien  Faust  und  Hieronymo  von  seinen 
Vorgängern  Marlowe  und  Kyd  die  vier  Meisterwerke  Shakespeares, 
»Romeo  vnd  Jiüietta«,  »Julio  Cesare«,  »Hamlet«  und  »Lear  König  in 
Englandt«.  —  Da  nun  die  englischen  Komödianten  von  hier  nach 
Dresden  reisten,  in  diesem  Jahre  nicht  zurückkehrten  und  sich  bei 
ihrer  Wiederankunft  in  der  Herbstmesse  1627  »Chursächsisch  bestallte 
Hofkomödianten«  nannten,  so  liegt  wohl  nichts  näher  als  die  Ver- 
mutlmng,  dass  sie  »die  Engellender«  waren,  die  vor  dem  kursächsi¬ 
schen  Hofe  zu  Dresden  die  aufgezählten  Stücke  zur  Darstellung 
brachten.  Bestärkt  wird  man  in  diesem  Schluss  noch  durch  das 
Faktum,  dass  einige  Gesellen  dieser  Truppe,  welche  auch  bei  den 
Vermählungsfeierlichkeiten  der  sächsischen  Prinzessin  Sophie  mit  dem 
Landgrafen  Georg  II.  im  April  1627  zu  Torgau  spielte,  ihren  erhal¬ 
tenen  Namen  nach,  ganz  sicher  Deutsche  gewesen  sind. 131 

Für  die  Entwicklungsgeschichte  der  dramatischen  Kunst  in 


64 


Frankfurt  wäre  die  zweifellose  Sicherstellung  dieser  Annahme  um  so 
wichtiger,  als  dann  kaum  noch  eine  Frage  darüber  bliebe,  dass  die 
obengenannten  Shakespeare’schen  Tragödien  in  jenen  Jahren  auch  in 
Frankfurt  zur  Aufführung  gekommen  sind.  In  Torgau  wurden  die 
Hofkomödianten  im  April  entlassen,  und  in  der  Herbstmesse  demselben 
Jahres  kam  »die  alte  englische  Compagnie  nach  einer  harten  be¬ 
schwerlichen  Reise  mit  der  abermahligen  Intention  und  Meynung  in 
die  weit  berühmte  Handelstadt,  um  zum  Gefallen  des  Volkes  wiederum 
allerhand  neue  ausserlesene  Comödien  wie  auch  respective  Tragödien 
auf  öffentlichem  Theatro  zu  representiren«. 1 3  2 

Die  Zwischenzeit  von  der  Herbstmesse  1627  bis  zur  Oster¬ 
messe  1628  muss  die  Gesellschaft  in  Gegenden  zugebracht  haben, 
welche  durch  allerlei  Kriegsbedrängnisse,  besonders  durch  starke 
Truppendurchzüge,  hart  mitgenommen  worden  waren.  Sie  sagen  in 
ihrem  Bittgesuch,  dass  sie  »nur  mit  ausgestandener  leib-  vnd  lebens- 
gefalir  anhero  gekommen,  um  die  vor  einem  halben  Jahr  gethane 
grossgünstige  Vertröstung  gemessen  zu  können«. 133  Wegen  starken 
Grassirens  der  Pest  in  der  Fahrgasse  durfte  »die  alte  Compagnie« 
nicht  mehr  in  ihrem  »alten  losement  zur  Sanduhren  agieren«.  —  Sie 
spielen  in  dieser  und  in  der  folgenden  Messe  im  Wolfseck,  einem 
alten  Gasthof  am  Eck  der  grossen  Eschenheimer-  und  Biebergasse, 
dem  heutigen  Cafe  Schiller. 

Gleich  nach  der  Ostermesse  1628  reiste  diese  Truppe  nach 
Nürnberg,  wo  sie  Ende  April  das  Stück  »der  Liebe  Süssigkeit  ver¬ 
ändert  sich  in  Todes  Bitterkeit«  zur  Darstellung  brachte.  Von  jenem 
Aufenthalt  hat  sich  eine  Art  von  Bekanntmachungszettel  erhalten, 184 
welcher  uns  zu  dem  Glauben  nöthigt,  dass  bedeutendere  englische 
Schauspieler-Truppen  nach  dem  ersten  Viertel  des  XVIL  Jahrhunderts 
nicht  mehr  durch  herumreitende,  von  Trommelschlägern  begleitete 
Comödianten  ihre  Vorstellungen  bekannt  machen  liessen,  sondern 
bereits  die  Presse  zum  Vermittler  zwischen  sich  und  dem  Publikum 
wählten. 

Im  Juli  des  Jahres  1628  spielte  »die  alte  Compagnie«,  wir 
wissen  nicht  ob  wieder  oder  noch  in  Nürnberg  und  am  28.  August 
vor  dem  Beginne  der  Herbstmesse,  treffen  wir  sie  aufs  Neue  in 
Frankfurt. 

In  ihrem  Bittgesuch  sagen  die  »Churfürstlich  sächsischen  Hof¬ 
komödianten«  dass  dies  beabsichtigte  Auftreten  in  Frankfurt  das  letzte 
in  Deutschland  sein  solle,  da  sie  von  hieraus  ihren  Weg  sofort  nach 
der  Heimath  zurück  lenken  wollten.  Aber  ehe  sie  auf  immer  von 
Frankfurt,  dem  langjährigen  Ziel  ihrer  erfolgreichen  Thätigkeit  schieden, 
wollten  sie  zu  guter  letzt  noch  »etzlich  neue  denkwürdige  Comödien 
und  Tragödien  agieren,«  deren  Eindruck  ihnen  ein  ewiges  Gedächtniss 
im  Herzen  ihrer  hiesigen  Anhänger  sichern  sollte. 135  Wer  aber  war 
denn  der  dramatische  Dichter,  mit  dessen  Beistand  sie  sich  eine 


05 


irdische  Unsterblichkeit  in  der  Erinnerung  ihrer  Frankfurter  Zu¬ 
schauer  erwerben  wollten? 

Kein  anderer  kann  es  gewesen  sein  als  Shakespeare,  der,  um 
mit  Goethe  zu  reden,  »von  jeher  durch  die  Darstellung  seiner  gewal¬ 
tigen  Meisterwerke  den  auf  deutschem  Boden  wandernden  Mimen 
die  sicherste  Bürgschaft  für  ein  unauslöschliches  Wirken  verlieh.«  — 
Ein  Theaterdichter  des  XVIII.  Jahrhunderts,  Adam  Gottfried  Üblich, 
gestorben  dahier  um  1753,  spricht  in  einer  Abhandlung  »Ueber  die 
alte  Schaubühne«  von  einem  leider  verlorenen  Anschlagzettel,  auf 
welchem  englische  Komödianten  ungefähr  1628  oder  1(330  in  Frank¬ 
furt  als  Abschiedsspiel  eine  in  hochdeutscher  Sprache  gegebene  Vor¬ 
stellung  des  Hamlet  ohne  Angabe  des  Verfassers  angezeigt  haben 
sollen. 

Wenn  man  dieser  Mittheilung,  die  ja  nicht  im  leisesten  Wider¬ 
spruch  zu  dem  Repertoire  der  »alten  Compagnie«  an  andern  Orten 
steht,  Glauben  schenken  darf,  dann  bildete  die  Vorstellung  des  ge¬ 
waltigen,  für  die  darstellende  Kunst  insbesondere  so  hoch  bedeutenden 
Werkes  den  Schlussstein  in  dem  geistigen  Denkmal,  welches  sich 
diese  Truppe  und  andere  Thespisjünger  seit  dem  letzten  Decennium 
des  XVI.  Jahrhunderts  durch  ihr  Wirken  auf  fränkischer  Erde  auf¬ 
gerichtet  hatten.  —  Der  hereinbrausende  Sturm  einer  kriegerischen 
Zeit  zertrümmerte  zwar  das  einfache  Monument,  aber  er  vermocht© 
die  Erinnerung  an  diese  englischen  Komödianten  doch  nicht  ganz 
auszulöschen. 

Hoch  eimnal,  ehe  durch  die  Schlacht  von  Hördlingen  das  end¬ 
lose  Leidensgefolge  des  unseligsten  aller  Kriege  gerade  der  Gegend 
von  Frankfurt  auf  lange  Zeit  zugeführt  wurde,  spielte  in  der  Oster¬ 
messe  1631  im  Wolfseck  eine  englische  Gesellschaft,  deren  haupt¬ 
sächlichste  Mitglieder  schon  vor  Jahren  einmal  in  Frankfurt  gewesen 
sein  müssen.  Die  Komödianten,  die  sich  auf  diesen  Umstand  bezogen, 
und  sich  aller  »Vppigkeit«  enthalten  wollten ,  scheinen  trotz  der 
drückenden  Zeitverhältnisse  sehr  gute  Einnahmen  gehabt  zu  haben ; 
denn  sie  gaben  noch  einige  Vorstellungen  mehr  als  ursprünglich 
beabsichtigt  war  und  entrichteten  der  Stadtarmenkasse  die  für  die 
damalige  Zeit  ungewöhnliche  Summe  von  50  Reichsthalern.  136 

In  der  Zeit  bis  zum  Jahre  1649,  dem  traurigsten  Capitel  in 
der  Geschichte  Frankfurts ,  fand  che  dramatische  Kunst  auch  hier 
keine  geschützte  Insel,  auf  der  sie  in  dem  wilden  Gewoge  der  Zeit 
hätte  ruhig  weiter  grünen  und  blühen  können.  In  dem  jammervollen 
Kriege,  in  welchem  nicht  um  die  edelsten  Güter  der  Menschheit  ge¬ 
kämpft  wurde,  ging  für  che  deutsche  Nation  in  der  allgemeinen  Verwil¬ 
derung  neben  manchem  unersetzlichen  Gut  auch  der  letzte  Rest  des 
idealen  Anflugs  zu  Grunde,  durch  welchen  che  ersten  bedeutenden  eng¬ 
lischen  Truppen  trotz  mannigfaltiger  Verirrung  ihrem  Wirken  eine 
gewisse  künstlerische  Weihe  zu  geben  gewusst  hatten. 


5 


66 


Yon  dem  Moment  an,  wo  der  englische  Narr  Jan  den  Namen 
Pickelhäring  annahm  und  mit  seinen  niedrigen  Zoten  die  noch  vor¬ 
handenen  edlen  Keime  der  volkstümlichen  Komik  vollständig  ver¬ 
nichtete  :  von  da  an  sank  die  Schauspielkunst  von  Stufe  zu  Stufe, 
so  dass  sie  schon  um  die  Mitte  des  30jährigen  Krieges  in  der  all¬ 
gemeinen  Verwilderung  das  getreue  Ebenbild  ihres  eigenen  Seins 
erblicken  konnte. 


Fahrende  Wandertruppen 
von  der  Mitte  des  30jährigen  Krieges  bis  1(579. 

i. 

Wenn  Shakespeare  den  Hamlet  sagen  lässt:  »die  Schauspieler 
sind  der  Spiegel  und  die  abgekürzte  Chronik  ihres  Zeitalters,«  dann 
findet  dieser  Ausspruch  gewiss  keinen  zutreffenderen  Beleg  als  in 
dem  Wanderleben  jener  verwilderten  Komödiantenbanden,  welche 
wie  Unkräuter  auf  dem  Boden  des  30jährigen  Krieges  aufgeschossen 
und  mehr  im  Gefolge  der  Kriegsheere  als  an  Höfen  und  in  Städten  zu 
finden  waren.  Wie  die  jammervollen  herabgekommenen  Sittenzustände 
des  deutschen  Volkes,  so  bietet  das  ganze  Leben,  Thun  und  Treiben 
dieser  Truppen  ein  trauriges  Bild  der  Zerrüttung,  Auflösung  und 
Erschöpfung.  Der  langjährige  Krieg,  der  wegen  des  Mangels  an  einem 
idealen  begeisternden  Ziele  vernichtend  in  die  Kultur  des  deutschen 
Volkes  eingriff,  erniedrigte  auch  die  dramatische  Kunst,  deren  Lebens¬ 
geister  sich  so  gerne  von  einer  nationalen  Erhebung  neue  Kräfte 
zuführen  lassen. 

Und  dieser  Zustand  des  allgemeinen  Verfalles  in  Kunst  und 
Leben  endigte  nicht  mit  dem  Augenblick,  als  die  Kirchenglocken 
den  langersehnten  Abschluss  des  westphälischen  Friedens  einläuteten. 
Die  weitgehenden  Folgen  des  schrecklichsten  aller  Kriege,  welcher 
jemals  Deutschlands  Fluren  verödete,  waren  fast  noch  verderblicher 
als  es  das  Brennen  und  Morden  selbst  gewesen.  —  Dass  diese 
Schmach  aber  trotzdem  edleren  Gemüthern  zum  Bewusstsein  kam, 
beweist  auch  ein  tiefempfundenes  Volkslied,  dessen  unbekannter 
Verfasser  nur  wenig  Jahre  nach  dem  Friedensschluss  von  Münster 
und  Osnabrück  singen  konnte: 

»Die  Herzen  seynd  voll  roher  Brunst, 

Kein  Mensch  das  Rechte  weiss, 

Es  liegt  gar  manches  Würzlein  Kunst 
Tief  unter  hartem  Eis. 

Vorbei  ist  wohl  des  Krieges  Noth 
Und  Friede  ist  im  Land, 

Doch  auch  gar  manche  Freud  ist  todt, 

Die  sunst  man  gut  gekannt.« 


G8 


Der  Dichter  hatte  Recht,  tief  unter  hartem  Eis  lagen  wie  die 
die  Wurzeln  aller  Künste  auch  die  der  dramatischen,  und  kein 
Frühling,  kein  erwärmender  Sonnenstrahl  drang  zu  ihnen  hinab  auf 
den  winterlichen  Grund. 

Und  die  Schauspieler  selbst,  die  berufen  gewesen  wären,  ihre 
Kunst  aus  dem  schweren  Bann  zu  erlösen,  ja,  sie  waren  die  ab¬ 
gekürzte  Chronik  ihres  Zeitalters  und  konnten  in  ihrer  Verkommen¬ 
heit,  besonders  im  letzten  Decennium  des  30jährigen  Krieges,  gerade 
am  allerwenigsten  für  das  Emporkommen  der  Kunst  thun. 

In  den  meisten  Städten,  zu  denen  auch  Frankfurt  gehörte, 
wurden  die  Komödianten  vor  dem  Abschluss  des  westphälischen 
Friedens  gar  nicht  zugelassen  und,  wo  man  ihnen  Eingang  ver- 
stattete,  waren  ihre  Stücke  so  voll  Greuelscenen,  von  gemeinen  Zoten 
des  Pickelhärings  erfüllt,  dass  dem  eigentlichen  idealen  Zweck  der 
Schauspielkunst  nur  das  grösste  Leid  dadurch  angethan  wurde.  Eine 
Begründung  findet  diese  Behauptung  in  der  1630  unter  dem  Titel 
»Liebeskampff«  erschienenen  neuen  Ausgabe  englischer  Komödien, 
die  zwar  zur  »Ergötzlichkeit  und  Erquickung  des  Gemüthes«  be¬ 
stimmt  waren,  aber  in  der  That  den  Eindruck  machen,  als  wären 
sie  nur  geschrieben,  um  ein  von  den  traurigen  Erlebnissen  abge¬ 
stumpftes  Publikum  durch  die  niedrigste  Possenreisserei  und  grau¬ 
sigste  Tragik  ein  wenig  aus  seiner  Stumpfheit  aufzurütteln. 

Nichts  ist  in  dem  Entwicklungsgang  der  dramatischen  Kunst 
in  Frankfurt  weniger  zu  beklagen  als  die  grosse  Pause,  welche  durch 
das  traurige  Schicksal  der  Stadt  in  der  zweiten  Hälfte  des  dreissig- 
jährigen  Krieges,  vom  Jahre  1631  bis  zur  Ostermesse  1648,  in  den 
theatralischen  Vorstellungen  entstand.  So  blieb  Frankfurt  durch  das 
entschieden  abweisende  Verhalten  des  Rathes  wenigstens  so  lange 
wie  möglich  von  den  fahrenden  Gauklerbanden  verschont,  bei  welchen 
ein  »Cordendanzer«  den  Prinzen  Hamlet  von  Dänemark  und  ein 
»windiger  Springer«  Romeo’s  holdselige  Geliebte  darstellte. 

Aber  kaum  war  der  langersehnte  Friede  zu  Münster  und 
Osnabrück  abgeschlossen,  kaum  hatten  die  Glocken  der  alten  Bar¬ 
tholomäuskirche  das  Dankfest  eingeläutet  und  ein  Freudenfeuer  auf 
dem  Main  zwischen  Frankfurt  und  Sachsenhausen  der  allgemeinen 
Stimmung  Ausdruck  gegeben,  als  verschiedene  fahrende  Thespisjünger 
mit  ihren  Karren  vor  den  Thoren  der  alten  Reichsstadt  anlangten 
und  in  ziemlich  stürmischer  Weise  den  Rath  um  Gestattung  ihres 
Einzugs  angingen.  Da  jedoch  die  Erinnerung  an  die  kaum  über¬ 
standenen  schweren  Leidensjahre  nicht  mit  dem  Abschluss  des  west¬ 
phälischen  Friedens  verwischt  war,  erlaubten  die  ernst  gestimmten 
Väter  der  Stadt  in  der  Herbstmesse  1648  noch  kein  so  allgemein 
beliebtes  Volksvergnügen,  wie  es  von  Anfang  an  die  theatralischen 
Vorstellungen  in  Frankfurt  gewesen  waren.  Erst  in  der  folgenden 
Ostermesse,  als  das  erneute  Emporblühen  des  Handels  wieder  mehr 


69 


Rücksicht  auf  die  Messfremden  gebot,  zeigte  der  Rath  dem  Begehren 
der  fahrenden  Komödianten  gegenüber  kein  so  streng  abweisendes 
Verhalten.  Aber  obgleich  seine  weniger  schroffe  Haltung  von  ver¬ 
schiedenen  Truppen  als  ein  Zeichen  der  Begünstigung  aufgenommen 
wurde,  so  war  doch  der  Rath  in  Bezug  auf  die  Wahl  der  Gesell¬ 
schaft,  die  nach  einer  so  langen  Pause  den  dramatischen  Reigen 
wieder  eröffnen  sollte,  äusserst  vorsichtig.  —  Unter  mehreren  peti- 
tionirenden  Compagnien  wählte  er  diejenige,  welche  1631  im  Wolfs¬ 
eck  gespielt  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  weder  Schulden  noch 
einen  »unfeinen  Ruhm«  hinterlassen  hatte. 137 

Diese  Truppe,  die  wieder  unter  dem  alten  gewohnten  Titel 
Englische  Komödianten  hier  auftrat,  bestand,  nach  einigen  Bemer¬ 
kungen  in  einer  ihrer  Bittschriften ,  jetzt  zum  grössten  Theil  aus 
deutschen  Mitgliedern,  welche  »die  Kunst  der  Frembden  bei  weitem 
überholet«  hatten.  Ob  die  Supplikanten  nun  hierunter  akrobatische 
Fertigkeiten  oder  wirklich  schauspielerische  Leistungen  meinten,  lässt 
sich  schwer  entscheiden.  Jedenfalls  stand  aber  die  Truppe,  die  von 
1649  —  1651  regelmässig  während  beider  Messen  in  Frankfurt  spielte, 
diesmal  auf  einem  höheren  künstlerischen  Standpunkte  als  es  vor 
18  Jahren  der  Fall  gewesen.  Die  leider  nicht  unterschriebenen  Führer 
der  Compagnie  nehmen  hierauf  Bezug  und  sprechen  sogar  einmal 
ausdrücklich  aus,  »dass  sie  ihre  Actiones  gründlich  und  nicht  nach 
der  Weise  des  unnützen  Gauklergesindleins  representiren  wollen«.  — 
Diese  gewiss  bedeutungsvolle  Bemerkung  nöthigt  zu  dem  Glauben, 
dass  es  in  jener  dunklen  Kunstperiode  doch  noch  Schauspieler  gab, 
welche  mit  einer  gewissen  Scham  an  die  Versunkenheit  ihres  Standes 
dachten  und  wenigstens  durch  ihr  Streben  beweisen  wollten,  dass 
sie  nicht  zum  rohesten  Auswurf  desselben  gehörten. 

Die  aus  20  Personen  bestehende  Gesellschaft,  welche  anfangs, 
jedenfalls  aus  Vorsicht,  »alte  bekannte  Comödien  und  Tragödien  auf¬ 
führte«,  spielte  wieder  in  ihrem  alten  Lokale,  dem  Gasthofe  zum  Wolfs¬ 
eck.  Aus  einer  Bittschrift  von  1650  an  den  Rath  der  Stadt  Frankfurt 
geht  aber  hervor,  dass  sie  »ihr  Theatrum  verändern,  um  einem  Ehr¬ 
baren  Rath  einen  frömbden  vngewöhnlichen  Eingang  verfertigen  zu 
wollen.« 

Wenn  sich  überhaupt  die  im  vorigen  Jahrhundert  z.  B.  von 
den  Frankfurter  Schriftstellern  Seyfried  und  Rühl  ausgesprochene 
Annahme  bestätigt,  dass  die  beiden  allegorischen  Stücke:  »das  friede¬ 
wünschende  Deutschland«  und  »das  friedejauchzende  Deuschland«  von 
Rist,  gleich  nach  Beendigung  des  dreissigjährigen  Krieges  in  Frank¬ 
furt  aufgeführt  worden  sein  sollen,  so  muss  diese  Truppe  die  genannten 
Stücke  gegeben  haben.  Unterstützt  wird  unsere  Ansicht  durch  den 
Umstand,  dass  sie  eine  weite  Reise  »vom  Norden  aus«,  vielleicht 
von  Hamburg ,  hierher  gemacht  hatte ,  wo ,  wie  bestimmt  erwiesen, 
wenigstens  das  erste  der  beiden  Stücke  schon  1647  von  der  unter 


70 


Leitung  eines  Andreas  Gärtner  stehenden  Studententrnppe  znr  Auf¬ 
führung  gekommen  war.  138 

Ein  weiterer  Beleg  für  diese  Meinung  bildet  die  Erwähnung 
der  ausserordentlichen  »Präparationen«  für  die  Vorstellung  zu  Ehren  des 
Käthes,  welche  in  »feinlichem  Wolkengehänge  für  che  Englin,  schönen 
Tapezerien  und  allerlei  kostbarem  Zeug  für  den  alten  Kriegsgott« 
bestanden.  Da  nun  in  dom  erstbenannten  Stücke  Rist’s  der  grösst- 
mögliche  Pomp  der  scenischen  Darstellung  vorgeschrieben  ist,  auch 
»die  Englein  zwischen  den  Wolken  in  grosser  Klarheit«  sitzen  sollen, 
und  »Mars,  der  Kriegsgott  der  Alten«,  ebenfalls  auftritt,  so  wird  die 
Aufführung  der  obengenannten  Stücke  noch  wahrscheinlicher.  — 

Aus  den  verschiedensten  Notizen  in  den  Bittschriften  an  den 
Rath  geht  übrigens  so  viel  mit  Sicherheit  hervor ,  dass  auch  hier, 
wie  in  vielen  andern  deutschen  Städten,  ein  Schauspiel  zur  Ver¬ 
herrlichung  des  lang  ersehnten  Friedens  aufgeführt  wurde.  Die  nicht 
ganz  sichere  Bezeichnung  desselben  zwingt  uns,  an  dieser  Stelle  auf 
die  Inhaltsangabe  der  Rist’schen  Stücke  nicht  näher  einzugehen  und 
statt  dessen  einer  Komödie  zu  gedenken,  welche  im  Jahre  1632 
erschien  und  zwar  in  Frankfurt  nicht  aufgeführt,  aber  noch  bis  in 
die  sechziger  Jahre  des  XVII.  Jahrhunderts  hinein  von  allen  Ständen 
eifrig  gelesen  wurde.  Es  ist  dies  ein  tendenziöses  allegorisches  Ge¬ 
dicht,  in  welchem  offenbar  die  lebensvolle  Form  des  dramatischen 
Dialogs  als  Waffe  gegen  das  Papstthum  und  als  Vertheidigung  der 
evangelischen  Lehre  benutzt  wurde.  Der  ausführliche  Titel  ist  zu¬ 
gleich  eine  kurze  Inhaltsangabe  des  vielgelesenen  Stückes :  »Schwe¬ 
dische  Comödia,  in  welcher  zu  ersehen,  wie  die  heilige  Jungfraw, 
Confessio  Augustana  genannt,  von  der  Babylonischen  Huren,  im 
Römischen  Reich  feindlich  durchgeächtet,  vnd  allerdings  vberwältigt; 
nachdem  aber  jhre  Schwestern,  Fides,  vnd  Veritas,  in  Schweden 
exulirt;  durch  den  von  ihnen  erbet.tenen  thewrsten  Helden,  König 
Gustavum  Adolphum,  in  Teutschlandt,  durch  vnerhörte  siegreiche 
Thaten  vindicirt,  in  flor,  vnd  Auffnam  widerumb  gebracht  worden. 

Alles  Gott  zu  Ehren,  der  wahren  Kirchen  zu  Trost,  dem 
gemeinen  Mann  zur  Erinnerung,  den  Feinden  zur  Warnung,  vnd 
Erkäntnuss  göttlichen  Gerichts  in  Truck  gegeben. 

Personen  in  dieser  Comoedia. 

I.  Confessio  Augustana,  mit  ihren  zwo  Schwestern,  die  sein 
Fides,  der  wahre  Glaub. 

Veritas,  die  liebe  Wahrheit. 

II.  Königliche  Mayestet  in  Schweden,  Gustavus  Adolphus  &c. 

III.  Die  Babylonisch  Hur :  Papst  Agnes,  sampt  ihren  Rath- 
gcberin :  Als 
Lugen, 

Mord, 

Vnzucht, 


71 


IV.  Römische  Post, 

Y.  General  Graff  Tillv, 

Graf  von  Fürstenberg, 

Obrist  Cronberg, 

Soldaten. 

YI.  Fridländer. 

YII.  Etliche  Bischöff  vnd  Praelaten. 

Ein  Pfaff. 

Y1II.  Henkers  Buben. 

IX.  Fama  quae  loco  Prologi  &  Epilog!.« 

Die  Komödie,  welche  augenscheinlich  im  ersten  Jubel  über  die 
siegreichen  Heklenthaten  Gustav  Adolfs,  wie  der  unbekannte  Ver¬ 
fasser  selbst  in  einer  Art  Vorrede  verräth,  in  zwölf  Stunden  ge¬ 
schrieben  wurde,  fand  deshalb  in  dem  protestantischen  Frankfurt  so 
viele  Leser,  weil  der  darin  verherrlichte  Schwedenkönig  bei  seinem 
hiesigen  Aufenthalt  im  November  1631  bis  Februar  1632  durch  sein 
leutseliges  Verhalten  sich  eine  grosse  Anzahl  begeisterter  Anhänger 
erworben  hatte. 

In  dem  vorliegenden  ältesten  Druck  dieses  Stückes,  den  der 
Frankfurter  Besitzer  in  der  Herbstmesse  1632  ankaufte,  steht  auf 
einem  Blatt  vor  der  Titelseite  die  von  ihm  eingezeichnete,  leider 
durch  ein  fehlendes  Stück  desselben  nicht  ganz  vollständige  Inschrift: 
»Dies  Büchlein,  so  ich  dermalen  vff  der  Mess  kauffet,  ist  mit  der 
zevt  bei  jedermenniglich  meist  sehr  bcrühmet  worden.  Das  macht, 
das  man  nicht  vergessen  thät  wie  der  majestetisch  Herr  Herr  (Gott 
hab  ihn  selig)  in  sein  Frankhfurter  dägen  voll  Müdigkeit  alle  leutt 
wie  seine  brüder  in  Christo  gerespektiret.  Fürnehmlich  aber  sein 
Tod  für  die  gerecht  sach,  so  jeglich  gemüth  reich  und  arm  allhiero 
gar  sehr  gejammert  hat.  Der  trawrig  Krieg  hat  die  engllender  ver¬ 
trieben,  derenthalb  ist  die  Comödie  gar  viel  gelesen  und  gelernet 
iedoch  noch  nie  allhiero  agiret  worden.  —  Vielleicht  wenn  sie  zu 
Münster  in  der  bält  eins  werden  —  — « 

Hier  endigt  durch  das  fehlende  Stück  des  Blattes  die  Einzeichnung 
in  das  Büchlein,  die  jedenfalls  kurz  vor  dem  Abschluss  des  westfälischen 
Friedens  gemacht  wurde.  Aber  der  Frankfurter  Besitzer  der  Komödie 
irrte,  wenn  er  dieselbe  für  eine  Darstellung  durch  die  englischen 
Komödianten  geeignet  hielt.  Der  etwas  fanatisch  protestantische  Ver¬ 
fasser,  der  seinen  Namen  nicht  nennt,  sich  aber  als  M(agister)  und 
P(oeta)  L(aureatus)  bezeichnet,  muss  selbst  gefühlt  haben,  dass  das 
flüchtig  entstandene,  episch  breite  Werk  in  seiner  damaligen  Fassung 
wenig  Vorzüge  für  eine  Aufführung  mitbrachte. 

In  den  folgenden  Versen  zu  der  Vorrede  seiner  Komödie  weist 
er  ausdrücklich  auf  die  ihm  selbst  sehr  wohl  bewussten  Mängel  hin : 
»Mein  lieber  Leser,  diss  Gedicht 
Ist  nur  zu  eim  Anfag  gericht. 


72 


Wer  diss  wil  spielen,  muss  mehr  zieren, 

Vnd  mit  mehrern  Scenis  aussführen. 

Viel  Erga  vnd  Parerga  seyn, 

So  hie  können  bracht  werden  ein.« 

Es  lasst  sich  nicht  nachweisen,  ob  die  »Schwedische  Comedia« 
jemals  in  Frankfurt  aufgeführt  wurde,  aber  da  ihrer  auch  in  man¬ 
chen,  in  jener  Zeit  erschienen  Büchern  gedacht  wird,  so  darf  man 
wohl  ohne  Zweifel  annehmen,  dass  sie  in  der  grossen  Kunstpause 
von  1631 — 1649  viel  dazu  beitrug,  bei  den  Frankfurtern  den  Sinn 
für  dramatische  Vorstellungen  während  einer  schweren  Zeit  lebendig 
zu  erhalten. 

»Nicht  Alles,  was  auf  die  Bühne  kommt,  fördert  die  dramati¬ 
sche  Kunst,  das  Entfernte,  gleichsam  Abgelegne  thuts  oft  mehr«, 
sagt  Wieland,  nachdem  er  sich  kurz  vorher  über  den  grossen  Segen 
ausgesprochen,  den  die  weitverbreitete  Lectüre  eines  Stückes  für  den 
Bühnenerfolg  desselben  und  die  Pflege  des  oft  durch  äussere  An¬ 
lässe  erlahmenden  Interesses  für  die  darstellende  Kunst  im  Gefolge 
habe.  Dieser  gewiss  zutreffende  Ausspruch  ist  ein  Grund  mehr, 
dass  die  »Schwedische  Comödie«  in  diesem  Abschnitt  nicht  unerwähnt 
bleiben  durfte. 

Yon  dem  vielgelesenen  Buchdrama  kehren  wir  nun  zu  den  in 
der  Ostermesse  1651  hier  spielenden  sogenannten  englischen  Komö¬ 
dianten  zurück.  Nach  den  verschiedenen,  schon  in  den  früheren 
Messen  eingereichten  Beschwerden  brachten  es  dieselben  endlich  da¬ 
hin,  dass  sie  der  vielen  Unkosten  wegen  ein  etwas  höheres  Eintritts¬ 
geld  als  in  früheren  Jahren  vom  Publikum  fordern  durften. 

In  der  Ostermesse  1649  schrieb  der  BatJi  den  Truppenführern 
vor,  in  dem  Parterre  und  auf  dem  erhöhten  Gerüst  nur  6  Kr.  von  der 
Person  zu  nehmen  und  am  Schluss  ihrer  Vorstellungen  ein  Stück 
Geld  an  das  Hospital  zu  entrichten.  Die  Komödianten  fügten  sich 
anfangs  dieser  Anordnung,  aber  schon  am  6.  März  suchten  sie  nach, 
von  den  Zuschauern  »sowohl  auf  den  Banken  —  also  im  Parterre  — , 
als  auch  nochmals  an  der  Thür,  die  zu  dem  Gerüst  führte,  4  Albus 
erheben  zu  dürfen.«139  Trotzdem  der  Rath  den  Eintrittspreis  noch 
um  einen  Albus  herabsetzte,  willfahrte  er  doch  nur  unter  der  Be¬ 
dingung  dem  dringenden  Gesuch,  dass  die  Komödianten  zu  ihrer 
Abgabe  auch  noch  eine  Komödie  zum  Besten  der  Armen  und 
Hospitalkranken  spielen  sollten.140  Diese  Einrichtung  blieb  von 
jener  ersten  gesetzlichen  Anordnung  an  fast  bei  allen  in  Frankfurt 
bis  zur  Gründung  eines  ständigen  Schauspielhauses  spielenden  Wander¬ 
truppen  bestehen. 

Wahrscheinlich  wegen  des  grossen  Zuspruchs  gebot  der  Rath 
in  der  Herbstmesse  desselben  Jahres  den  Komödianten,  »nur  einen 
Batzen  auf  dem  Gerüst  und  im  Parterre  und  ein  und  einen  halben 
Batzen  auf  dem  Theatro  selbst«  zu  nehmen.141  Gegen  dieses  »allzu 


73 


gering  angesetzte  Quantum«  reichen  die  Führer  der  Truppe  einige  Tage 
später  eine  Beschwerdeschrit't  ein,  in  der  sie  sich  erbieten,  gerne  und 
willig  dem  Hospital  50  Rohsth.  zu  entrichten,  wenn  man  ihnen  ge¬ 
statten  würde,  »zwei  Albus  im  Parterre  und  auf  den  Gängen  des 
Gerüstes  und  fünf  gleiche  Geldstück  auf  dem  Theatro  selbst  zu 
nehmen.«142  Hierauf  setzte  der  Rath  den  Preis  von  je  2,  3  und 
4  Albus  fest,  welche  Taxe  bis  zur  Ostermesse  1651  fortbestellen  blieb. 
Auch  die  Abgabe  an  das  Hospital  änderte  sich  in  dieser  Zeit  nicht, 
sie  wurde  nur  manchmal  anstatt,  wie  gewöhnlich  in  Reichsthalern, 
in  Gulden  ausgedrückt.  —  Die  Bitte,  »auf  dem  Theatro«  den  höchsten 
Preis  fordern  zu  dürfen,  erinnert  an  die  alte,  noch  im  achtzehnten 
Jahrhundert  bei  den  Franzosen  bestehenden  Unsitte,  für  vornehme 
Bühnenliebhaber  auf  dem  Podium  der  Bühne  oder  in  einer  das  übrige 
Publikum  ziemlich  störenden  Nähe  desselben  Sitze  aufzurichten. 

Gleichzeitig  mit  der  Truppe,  die  von  1649  bis  zur  Ostermesse 
1651  im  Wolfseck  Vorstellungen  gab,  spielten  von  1650  an  noch 
Springer  in  einer  Bude  am  Main,  welche  auch  ihre  Künste  in  »allerlei 
lieblichen  Comödien  und  erschrecklichen  Tragödien«  zu  zeigen  willens 
waren. 143  Von  diesen  Luftspringern  und  Tänzern,  deren  Spiel  den 
Komödianten  im  Wolfseck  keinen  geringen  Abbruch  that,  ist  nichts 
weiter  bekannt,  als  die  Mittheilung,  dass  in  ihrem  bretternen  Musen¬ 
tempel  am  Main  stets  »ein  gross  Geschrey  und  lermens  war.«  Ein 
weiteres  Forschen  nach  etwaigen  dramatischen  Leistungen  dieser  Ge¬ 
sellschaft  erscheint  insofern  überflüssig,  als  sie  allem  Anschein  nach 
zu  jenen  fahrenden  Gauklerbanden  gehörte,  wie  sie  zu  charakterisiren 
am  Eingang  dieses  Abschnittes  versucht  worden  ist. 

Mittlerweile  war  in  der  allgemeinen  Geschichte  der  deutschen 
Schauspielkunst  ein  Wendepunkt  eingetreten,  der  auf  den  Entwick¬ 
lungsgang  der  dramatischen  Kunst  in  Frankfurt  nicht  länger  ohne 
Einfluss  bleiben  konnte.  Martin  Opitz,  der  angesehenste  Dichter  seiner 
Zeit,  hatte  das  Libretto  von  Rinuccinis  italienischer  Oper  »Daphne« 
übersetzt  und  der  berühmte,  in  Italien  gebildete  Dresdner  Kapell¬ 
meister  Heinrich  Schütz  die  Musik  dazu  geschrieben.  —  Diese  erste, 
die  Bezeichnung  »Pastoral  Tragödie«  führende  deutsche  Oper,  welche 
bei  den  Vermählungsfeierlichkeiten  der  sächsischen  Prinzessin  Eleonore 
mit  dem  Landgrafen  Georg  II.  von  Hessen-Darm stadt  aufgeführt 
wurde,144  rief  in  der  Folge,  besonders  aber  gleich  nach  Beendigung 
des  dreissigjährigen  Krieges,  eine  wahre  Flut  von  minder  bedeuten¬ 
den  gleichartigen  Erscheinungen  hervor,  die  hauptsächlich  bei  Fest¬ 
lichkeiten  an  fürstlichen  Höfen  zur  Darstellung  kamen.  Dem  mittel¬ 
alterlichen  Schauspiel,  das  sich  seit  seinem  grössten  Aufschwung  unter 
Hans  Sachs  allmählich  immer  mehr  von  der  anfangs  angestrebten 
Kunsthöhe  entfernt  hatte,  wurde  durch  das  Emporkommen  der  bald 
allgemein  beliebten  Oper  die  letzte  Lebenskraft  geraubt.  Alles,  was 
Aug  und  Ohr  bestricken  konnte,  vereinigte  sich  in  derselben  mit  der 


74 


tiefsinnigen  Symbolik  der  Mysterien  und  dem  willkürlich  phantasti¬ 
schen  Aufbau  der  Moralitäten.  So  war  es  denn  eine  ganz  natürliche 
Folge,  dass  in  einer  Zeit,  in  welcher  die  Gelehrten  und  Gebildeten 
sich  von  dem  verwahrlosten  Volksschauspiel  mit  Verachtung  abwen¬ 
deten,  in  welcher  das  Theater  zum  gewöhnlichsten  Pöbelvergnügen 
herabsank,  eine  Kunstgattung  immer  mehr  und  mehr  gepflegt  wurde, 
die  so  viel  einschmeichelnde  Vorzüge  besass  und  dem  Dichter  und 
Componisten  ganz  besonders  Gelegenheit  bot,  mit  Hülfe  der  Musik 
durch  allegorisch-dramatische  Darstellungen  einen  fürstlichen  Gönner 
zu  verherrlichen. 

Trotzdem  nun  Opitz  die  Oper  in  einem  neuen,  nach  dem  Ita¬ 
lienischen  bearbeiteten  Singspiel  »Judith«  weiterpflegte,  besass  er  doch 
das  tiefste  Verständniss  für  die  eigentliche  Aufgabe  der  tragischen 
Dichtkunst.  Ausdrücklich  bekennt  er  in  dem  Vorwort  zu  dem  eben¬ 
genannten  geistlichen  Singspiel,  »dass  unter  allen  poetischen  Gedichten 
nichts  über  die  Schauspiele  gehe,  dass  aber  heutigen  Tags  diese 
herrliche  Kunst  aus  Nachlässigkeit  und  Unverstand  fast  ganz  ver¬ 
loschen  sei.« 

Aber  wenn  wir  es  auch  von  unserm  heutigen  Standpunkt  be¬ 
klagen  müssen,  dass  die  jüngere  gefälligere  Schwester  den  älteren 
legitimen  Sprössling  der  dramatischen  Kunst  lange  Zeit  aus  seiner 
rechtmässigen  Stellung  verdrängte,  so  darf  doch  auch  nicht  vergessen 
werden,  wie  durch  ihre  einschmeichelnde  Weise  nicht  allein  die 
gleichzeitige  Dichtung  neue  Anregung  gewann,  sondern  auch  der 
fremde  Kunsteintluss  auf  dem  Gebiete  der  Musik  mit  dem  heimischen 
Ideal  eine  versöhnliche  und  segensreiche' Verschmelzung  fand. 

Aus  der  Herbstmesse  1651  haben  wir  die  erste  aktenmässige 
Erwähnung  von  hier  aufgeführten  »Singespielen  und  Pastorellen«, 
mit  welchem  Titel  man  damals  die  dramatischen  Tonstücke  zu  be¬ 
zeichnen  pflegte.  Es  waren  die  ehemaligen  Hofkomödianten  des 
verstorbenen  Prinzen  von  Oranien,  welche  in  ihrer  Eingabe  sagten, 
dass  sie  entschlossen  seien,  »allerhand  neue  und  schöne  Histo¬ 
rien,  Comödien,  Tragödien  und  Pastorellen  geziert  mit  einer  lieblichen 
Musica  und  Stimmen  und  vielen  wundersamen  Veränderungen  von 
Theatern,  alles  nach  französischer  anmuttiger  art  und  manier,  zur 
beiehrsamen  Belustigung  alliier  representiren  zu  wollen«. 145 

Diese  Truppe,  die  auch  pomphaft  ausgestattete  Schlacht-  und 
Belagerungsstücke  aus  dem  niederländischen  Befreiungskriege  in 
hochdeutscher  Sprache  zur  Darstellung  brachte,  führte  zuerst  die 
fortgeschrittenen  scenischen  Einrichtungen  in  Frankfurt  ein ,  welche 
das  genau  nach  italienischen  Vorbildern  aufgebaute  deutsche  Sing¬ 
spiel  durchaus  von  der  Bühne  verlangen  musste.  Da  die  Komödian¬ 
ten  mehrmals  sagen ,  dass  sie  ganz  nach  französischer  Art  spielen, 
hatten  sie  ohne  Frage  den  ersten  Vorhang,  die  ersten  Dekorations¬ 
gardinen  und  wirkliche  Coulissen.  Dass  auch  wie  bei  allen  gleich- 


75 


zeitigen  französischen  Theatern  eine  Flugmaschine  nicht  fehlte,  welche 
die  in  vielen  Pastoralen  erscheinenden  Götter  auf  ehe  Erde  und  wieder 
»hinauf  in  das  Wolkengehänge«  tragen  musste,  geht  aus  einer  Be¬ 
merkung  einer  der  weiteren  Supplikationen  hervor,  wonach  ihnen 
die  Unterhaltung  der  grossen  Flug-Maschine  viele  Unkosten  ver¬ 
ursachte. 

Wie  gross  der  Erfolg  war ,  den  die  neue  Kunstgattung  in 
Frankfurt  erzielte,  zeigt  eine  weitere  Eingabe  der  niederländischen 
Komödianten  an  den  Rath,  worin  sie  denselben  dringend  um  Hin¬ 
ausschiebung  des  festgesetzten  Termins  bitten.  Ferner  machen  sie 
das  Anerbieten,  an  den  weitergestatteten  Tagen  eine  Vorstellung  zum 
Besten  der  Armen  geben  zu  wollen,  wenn  man  ihnen  erlauben  würde, 
die  angesetzte  Taxe  von  2,  3  und  4  Albus  etwas  zu  erhöhen.  Da 
aber  die  Führer  der  Truppe  dem  Rathsdekret  zuwider  die  Zuschauer 
dennoch  übernommen  hatten,  willfahrten  die  Väter  der  Stadt  weder 
der  einen,  noch  der  anderen  Bitte  und  legten  den  Komödianten  ein 
Strafgeld  von  50  Thlr.  auf,  das  aber  einige  Tage  später,  am  19.  Ok¬ 
tober  1651,  nach  einer  Eingabe  um  Moderation,  respective  Abwendung 
der  Strafe,  durch  einen  Rathsbeschluss  erlassen  wurde. 146 

Die  Pastorale  und  die  Oper  eröffneten  bekanntlich  den  Frauen 
den  Weg  zur  Bühne,  aber  dass  sich  bei  diesen  Komödianten  schon 
Sängerinnen  befunden  haben  sollen,  ist  kaum  vorauszusetzen,  da  die 
Führer  der  Truppe  stets  nur  von  ihren  »zwanzig  Gesellen«  reden. 

Gleichzeitig  mit  der  »Niederländischen  Compagnie,«  deren  Theater 
i$i  Wolfseck  aufgebaut  ward,  gab  ein  gewisser  »Joris  Jollifous,  vulgo 
George  Jeliphus  und  Joseph  Jori  Vorstellungen  im  Krachbein,147 
(heutigem  König  von  England)  welche  aber  wegen  der  mit  ungewöhn¬ 
licher  Pracht  ausgestatteten  Stücke  der  Niederländer  nur  ein  sein- 
kleines  Publikum  fanden.  Jollifous  konnte  deshalb  weder  das  fest¬ 
gesetzte  Geld  für  die  Stadtarmen  erlegen,  noch  den  Wirth  des  Krach¬ 
bein  und  seine  übrigen  Gläubiger  befriedigen.  Er  musste  in  der 
Noth  ehe  »zu  seinem  Theatro  gehörigen  besten  Kleydungen  und  Re¬ 
quisiten  im  Werth  von  1000  Thlr.  versetzen«  und  nur  mit  dem  Noth- 
wendigsten  von  Frankfurt  abziehen.  Als  er  später  in  der  Lage  war 
die  Gegenstände  von  Cöln  aus  wieder  einlösen  zu  können,  wurden 
dieselben  unterwegs  aus  dem  Rüstwagen  gestohlen,  welcher  Verlust 
dem  Jollifous  einen  Schaden  zufügte,  von  dem  er  sich  erst  kurz  vor 
der  Herbstmesse  1652  wieder  vollständig  erholt  hatte. 148 

In  der  Ostermesse  1652  spielten  sogenannte  englische  Komö¬ 
dianten  in  Frankfurt,  deren  auch  einmal  als  »Springer  und  Corden- 
tenzer«  in  den  Rathsprotocollen  gedacht  wird.  —  Die  fehlende 
Namensunterschrift  in  der  Eingabe  der  Truppenführer  ist  jedenfalls 
kein  grosser  Verlust,  da  diese  Compagnie  gewiss  nicht  zu  den  er- 
wähnenswerthesten  ihres  Standes  zählte. 

Die  mannigfaltigen  theatralischen  Vorstellungen,  welche  gleich 


76 


nach  dem  Frieden sabsch hiss  von  Münster  und  Osnabrück  hier  auf- 
geführt  wurden,  mochten  wohl  viel  dazu  beigetragen  haben,  dass  die 
Scholarchen  Frankfurts  den  Entschluss  fassten,  nach  langer  Pause, 
»um  die  Ingenia  bei  der  Schuljugend  zu  excoliren,«  die  Darstellung 
einer  lateinischen  und  deutschen  Komödie  zu  veranlassen.  Leider 
ist  die  Eingabe ,  worin  der  Et.  Christoff  Bender  im  Namen  seiner 
Collegen  am  8.  Juni  1652  den  Rath  um  Erlaubniss  für  ein  solches 
Vorhaben  bittet,  nicht  erhalten.  Die  Namen  jener  Komödien  waren 
deshalb  nicht  aufzufinden ,  aber  statt  dessen  ein  Rathsbeschluss  aus 
dem  mit  Bestimmtheit  hervorgeht,  dass  dieselben  Mitte  Juni  1652 
im  Hofe  der  Barfüsserschule  zur  Darstellung  gekommen  sind.149 

Kaum  zwei  Monate  später,  am  17.  August  stellte  sich  Joris 
Jollifous  mit  seiner  Truppe  wieder  ein  und  berichtete  dem  Rath  in 
einer  langen  Bittschrift  all  das  bereits  mitgetheilte  Missgeschick,  welches 
ihn  seit  seinem  vorjährigen  Aufenthalt  getroffen  hatte.  Jollifous,  der 
inzwischen  eine  andere  Compagnie  »von  hochteutschen  Personen,  so 
wohl  zu  verstehen  zusammen  gebracht,«  will  denselben  Preis  wie 
früher  von  »denen  spectatoribus  nehmen  und  nur  eine  kleine  mode- 
ration  der  für  die  Armen  angesetzten  Summe  von  den  gnedigen 
Vättern  der  Stadt  erflehen.« 

Der  Rath  hatte  Mitleid  mit  dem  armen  Komödianten,  der  sich 
kaum  aus  seiner  traurigen  Lage  herausgerissen  hatte;  er  gewährte 
die  bescheidene  Bitte150  und  suchte  das  Fehlende  an  der  Summe  für 
die  Armen  durch  eine  dem  Gasthalter  im  Krachbein  auferlegte  Ab¬ 
gabe  zu  ergänzen.  Jollifous  führte  bei  seinem  diesmaligen  Aufent¬ 
halt  auch  Pastorellen  und  Singespiele  nach  italienischer  Manier  auf 
und  gab  auch  verschiedene  neue,  aber  nicht  genauer  bezeichnete 
Tragödien,  »deren  Historia  zuvor  nie  hier  auf  das  Theatro  gekommen.« 

Wenn  es  keine  Mythe  ist,  dass  Joris  Jollifous  im  Jahre  1651 
die  Tragödien  »Leo  Armenius  und  Catharina  von  Georgien«  in  Cöln 
aufführte,151  dann  mögen  wohl  diese  beiden  dramatischen  Erstlings¬ 
werke  des  genialen  Andreas  Gryphius  die  angekündigten  neuen 
Stücke  gewesen  sein.  Unbekannt  waren  die  Werke  des  ebengenannten 
Dichters  dem  fahrenden  Komödianten  keineswegs;  denn  in  einer  im 
Jahre  1656  eingereichten  Eingabe  will  er  die  Tragödie  »Carolus 
Stuart«  —  also  auch  eine  dramatische  Schöpfung  von  Gryphius  — 
»mit  ganz  neuen  Kleydungen  und  Zutatten  im  Ballenhaus  zum 
Krachbein,«  das  mittlerweile  als  Bühnenlokal  die  Stelle  der  an- 
stossenden  Sanduhr  eingenommen  hatte,  zur  Darstellung  bringen. 
Am  9.  März  desselben  Jahres  wurde  auch  in  Windsheim  am  Main 
dasselbe  Stück  von  einer  englischen  Komödianten  truppe  gespielt,152 
deren  Führer  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  Joris  Jollifous  gewesen 
ist.  Denn  trotzdem  seine  Truppe  nur  aus  »hochteutschen  leutten« 
bestand,  führte  sie  noch,  wie  sich  aktenmässig  nachweisen  lässt, 
bis  zum  Ende  der  fünfziger  Jahre  des  XVII.  Jahrhunderts  den  Titel 
»Englische  Komödianten.« 


77 


Ueber  den  Aufenthalt  von  Wandertruppen  in  der  Ostermesse 
1G53  Hessen  sich  keine  Aufzeichnungen  finden,  in  der  Herbstmesse 
hingegen  gaben  Heinrich  Hackenberg,  Bastian  Steinerl  und  Caspar 
Henrich,  »hochteutsche  Exercitien«  in  einer  Hütte  am  Main,153  während 
Jacob  Brauer  »Engellendischer  Springer  und  Cortentenzer«  im  Krach¬ 
bein  »seine  Exercitia  beneben  einer  lieblichen  Musica  und  köstlichen 
Comödienspiel  dem  löblichen  Pubfico  zum  Besten  gab.«154  Beide 
Truppen,  deren  vorübergehendes  Wirken  für  die  Geschichte  der 
Schauspielkunst  in  Frankfurt  ohne  weitere  Bedeutung  ist,  gehörten 
allem  Anschein  nach  nicht  in  die  Reihe  der  besseren  ihres  Standes. 
Sie  hinteiliessen  kein  gutes  Andenken  und  waren  jedenfalls  daran 
Schuld,  dass  sie  in  einem  späteren  Senatsbeschluss  mit  den  »Gauklern, 
dem  Gesind  und  den  Bärenleutt«  in  eine  Kategorie  gesteht  wurden. 

Wichtiger  als  das  genaue  Aufzählen  aller  jener  verwilderten 
Schauspielertruppen,  welche  meistens  am  Main  in  einer  Art  von 
bretternem  Verschlag  ihre  »hochteutschen  Actiones  exercirten«,  sind 
einige  Momente  aus  der  weiteren  Kunstthätigkeit  des  Joris  Jollifous, 
welche  zwar  der  Theatergeschichte  andrer  Städte  angehören,  aber 
trotzdem  für  die  Entwicklung  der  Frankfurter  Schaubühne  von  weit- 
tragender  Bedeutung  sind. 

Im  Mai  1(553  spielte  Jollifous  mit  seiner  Gesellschaft  eine 
Komödie  »vor  den  Kayserlichen  Majestäten  in  Wien,«  welche  ihm 
mit  15  fl. 155  honorirt  wurde;  am  Ende  desselben  Jahres  gab  er  Vor¬ 
stellungen  in  Strassburg  und  am  Anfang  des  folgenden  richtete  er 
von  dieser  Stadt  aus  eine  Bittschrift  um  Erlaubnis  zum  Agiren 
an  den  Rath  von  Basel,  in  welcher  er  ausdrücklich  sagt,  dass  bei 
seiner  gutgeschulten  Gesellschaft  auch  »rechte  Weibsbilder«  mitwirk¬ 
ten. 150  Der  Schwerpunkt  seiner  Leistungen  lag  damals  in  »Singe¬ 
spielen  nach  italienischer  Alt  und  Manier,«  in  welchen  die  Frauen 
nicht  mehr  fehlen  durften. 

In  der  Herbstmesse  1(554  kommt  Joris  Jollifous  »aus  Schwitzer 
Landen  mit  seiner  gesambten  Compagnie«  wieder  nach  Frankfurt157 
und  folglich  mit  ihm  die  ersten  weiblichen  Darstellerinnen.  In¬ 
zwischen  waren  die  mit  so  vielen  Fremden  verkehrenden  Frankfurter 
jedenfalls  zur  Genüge  von  dem  Mitwirken  der  Frauen  in  der  Oper 
und  in  dem  kleineren  Singspiel  unterrichtet,  so  dass  das  Eintreten 
dieses  neuen  Elementes  in  die  hiesige  Schaubühne  kein  so  ausser- 
gewöhnfiches  Aufsehen  erregte,  als  es  jedenfalls  noch  sechs  Jahre 
früher  gethan  hätte. 

Aus  verschiedenen  Andeutungen  lässt  sich  schliessen,  dass  »der 
Komödiant«,  wie  Jollifous  von  nun  an  in  den  Rathsprotocollen  und 
Bürgermeisterbüchern  meist  genannt  wird,  den  Vätern  der  Stadt  in 
einer  leider  nicht  erhabnen  Eingabe  von  dieser  neuen  Einrichtung 
mit  »rechten  Weibsbildern«  Mittheilung  machte.  Bei  dem  sonst  in 
Hinsicht  auf  die  Komödianten  mit  grosser  Vorsicht  handelnden  Rath 


78 


scheint  diese  Anzeige  zu  keinen  bedenklichen  Erwägungen  Veran¬ 
lassung  gegeben  zu  haben. 

Mittlerweile  stellte  auch  in  Frankfurt  wenigstens  das  gebildetere 
Publikum  höhere  Ansprüche  an  die  Besetzung  der  verschiedenen 
musikalischen  Frauenrollen,  und  der  beste  Sänger  »mit  zarter  Stimme 
und  fraulichem  Antlitz«  konnte  für  eine  Daphne,  eine  zierliche  Hirtin 
oder  olympische  Göttertochter  nicht  mehr  genügen. 

In  der  Werthschätzung  des  Volkes  aber  stand  ungeachtet  der 
erhöhten  Anforderung  an  die  Kunst  auch  der  bessre  fahrende  Ko¬ 
mödiant  gerade  in  jener  Zeit  noch  auf  der  allerniedrigsten  Stufe.  Als 
Joris  Jollifous  das  Haus  zur  güldnen  Kose  (Lit.  J  Nr.  190),  das  Eck 
an  der  Karpfengasse  dem  Clesern  Hof  gegenüber  gemiethet  hatte 
und  darin  sein  Theater  einrichten  wollte,  erhob  sich  sofort  die 
ganze  Nachbarschaft,  »weil  solches  Gesind,  das  mit  Tabak  und 
Trinken  umbgehe,«  alle  anliegenden  Häuser  in  Feuersgefahr  zu  ver¬ 
setzen  drohe. 258 

Auf  diese  Eingabe  blieben  die  Bewohner  in  der  Nähe  der 
güldnen  Rose  vor  den  Komödianten  verschont,  der  auf  einen  Raths¬ 
befehl  nach  einem  andern  Lokal  Umschau  halten  musste.  Jollifous 
fasste  nun  zunächst  die  grossen  Räumlichkeiten  des  Leinwandhauses 
ins  Auge,  worin  auch  1594  die  letzte  Bürgerkomödie  aufgeführt 
worden  war.  Als  sich  aber  der  Rath  auch  diesem  Anliegen  gegenüber 
abweisend  verhielt,  miethete  er  die  »kostbaren  (theuren)  Ballenräume« 
im  Gasthofe  zum  Krachbein. 159 

Die  Vorstellungen  des  Jollifous,  in  denen  zum  Theil,  dem  Ge¬ 
schmack  der  Zeit  gemäss,  der  zotenreissende  Pickelhäring  oder  wie 
er  auch  noch  mehr  genannt  wurde  der  »Jean  Potage«,  »Jack  Pudding«, 
»Hanswurst«,  keine  geringe  Aufgabe  hatte,  wurden  von  den  Frank¬ 
furtern  und  Messfremden  eifrigst  besucht.  Trotz  seiner  guten  Ein¬ 
nahmen  klagt  aber  der  Komödiant  doch  darüber,  dass  ihm  durch 
eine  andere,  in  einer  Bude  am  Main  spielende  Truppe  »ein  gar  ärger¬ 
licher  Abbruch  geschehe.«  Diese  Compagnie,160  die  auch  in  der 
Ostermesse  1G54  hier  Vorstellungen  gab  und  ein  geringeres  Eintritts¬ 
geld  wie  Jollifous  nehmen  musste,  scheint  nur  »närrische  das  gemütt 
erquikliche  Exercitia«  gegeben  zu  haben.  Beide  Truppen,  sowie  eine 
gleichfalls  anwesende  Gesellschaft  Englischer  Springer  mussten  eine 
Steuer  von  50  Thlr.  an  das  Hospital  entrichten  und  ausserdem  noch 
eine  Vorstellung  zum  Besten  der  Armen  geben. 

Am  8.  März  1G55  kam  der  Komödiant  von  Cöln  aus  um  die 
ihm  sofort  gewährte  Erlaubniss  ein,  in  der  Ostermesse,  wie  zu  ver¬ 
schiedenen  Jahren,  seine  berühmten  Actiones  wieder  aufführen  zu 
dürfen.«16 1  Aber  seine  theatralische  Wirksamkeit  war  diesmal  nicht 
mit  dem  Schluss  der  Messe  beendet.  Er  spielte  bis  Ende  Juni  1G55 
und  suchte  am  3.  des  folgenden  Monats  um  die  Vergünstigung  nach, 


79 


da  er  mit  seiner  Truppe  hier  »vbersommern«  wollte,  wöchentlich  zwei 
Vorstellungen  geben  zu  dürfen. 

Der  abschlägige  Bescheid  des  Rathes,  der  ihm  das  denkbar 
Möglichste  gestattet  hatte,  traf  ihn  nicht  zu  hart;  denn  er  wurde  an 
den  Hof  des  Kurfürsten  von  Trier  berufen,  von  wo  aus  er  nach  der 
Aufführung  einiger  Vorstellungen  in  verschiedenen  nahe  liegenden 
Städten  herumreiste.  Bei  der  Abreise  nach  Trier  liess  er  sein  Theater 
im  Ballenhaus  zum  Krachbein  stehen  und  drückte  in  einer  Eingabe 
in  höchst  schmeichelhafter  Weise  dem  Rath,  »an  dessen  stets  gar 
wohl  verspürter  Gewogenheit  er  auch  fernerhin  sich  nicht  zu  zwei¬ 
feln  getrauen  könne«,  den  demüthigsten  Dank  für  »alle  erzeigte  Gut- 
tatt«  aus. 

Ob  es  nun  der  Erfolg  dieses  politisch  abgefassten  Dank¬ 
memorials  oder  das  allgemeine  Verlangen  nach  theatralischen  Vor¬ 
stellungen  war,  was  dem  Jollifous  in  der  Herbstmesse  1055  so  leicht 
wieder  Eingang  in  Frankfurt  verschaffte,  lässt  sich  schwer  ent¬ 
scheiden.  Er  spielte  wieder  bis  nach  dem  Schluss  der  Messe  und 
erholte  sich  durch  eine  ungewöhnlich  gute  Einnahme  von  dem  har¬ 
ten  Verlust,  den  ihm  das  Herumziehen  in  verschiedenen  schlechten 
Städten  bereitet  hatte.162  Auch  in  den  beiden  Messen  des  folgenden 
Jahres  versäumte  es  der  mittlerweile  immer  heimischer  gewordene 
Komödiant  nicht,  mit  seiner  Truppe  Frankfurt  zu  besuchen,  dessen 
mannigfaltige  Erwerbsquellen  auch  in  seiner  Kasse  die  eingetretene 
Ebbe  oft  in  eine  volle  Fluth  verwandelt  hatten.163 

Diesmal  freilich  sollte  Jollifous  in  seinen  günstigen  Voraus¬ 
setzungen  bitter  enttäuscht  werden.  Kurz  vor  der  Ostermesse  1656 
gingen  zwei  Hauptdarsteller  seiner  Truppe,  Hans  Ernst  H offmann 
und  Beter  Schwartz,  von  ihm  ab  und  gründeten  eine  eigene  Gesell¬ 
schaft.  Sie  mietheten  nach  der  am  11.  September  1656  erlangten 
Erlaubniss 164  das  Ballenhaus  im  Krachbein  und  drängten  dadurch 
ihren  ehemaligen  Führer  an  einen  Ort,  woran  seine  »löblichte  kund¬ 
schafft«  sich  nicht  gewöhnen  und  er  kaum  das  Nöthigste  für  seine 
Lebensnothdurft  erwerben  konnte. 

Wohin  sich  der  Komödiant  nach  dieser  schlechten  Ernte 
wandte,  ist  in  den  Schriftquellen  nicht  zu  finden,  aber  statt  dessen 
erfahren  wir  den  Aufenthalt  der  beiden  vereinigten  Truppenführer 
Hans  Ernst  Hoffmann  und  Peter  Schwartz,  welche  mit  ihrer  aus 
Männern  und  Frauen  bestehenden  Gesellschaft  von  hier  nach  Heidel¬ 
berg  zogen  und  den  Winter  über  am  Hofe  des  Kurfürsten  Karl 
Ludwig  von  der  Pfalz  spielten. 

Es  ist  dies  derselbe  kunstsinnige  Fürst,  der,  wie  der  gelehrte 
Heinrich  Zschokke  richtig  bemerkt,165  weniger  durch  heldenhafte 
Grossthaten,  als  durch  die  Liebe  zur  Hofdame  seiner  ersten  Ge¬ 
mahlin,  Maria  Susanna  Louise  von  Degenfeld,  berühmt  geworden 
ist.  —  Gerade  in  jener  Zeit,  wo  die  beiden  Meister  der  hochteut- 


sehen  Compagnie  mit  ihren  Zugehörigen  meistens  heitre  und  lieb¬ 
liche  Singespiele  am  Hofe  zu  Heidelberg  aufführten,  fand  die 
erschütternde  Ehetragödie  durch  die  lang  ersehnte,  aber  von  fürst¬ 
licher  Willkür  angebahnte  Scheidung  ihren  Abschluss,  welche  den 
Kurfürsten  von  seiner  rechtmässigen  treuen  Gemahlin  Charlotte, 
Tochter  Wilhelms  Y.  von  Hessen -Cassel,  trennte  und  dem  schönen, 
geistreichen  Hoffräulein  seine  heiss  begehrte  linke  Hand  verschaffte.'66 
Lasst  Euch  die  Komödianten  über  Eure  verzweifelte  Lage  hinaus¬ 
helfen,  gnädigster  Herr!  sagt  der  Narr  in  einer  alten  englischen 
Tragödie  zu  seinem  Herrn,  der  auch  zwischen  zwei  Frauen  weder 
recht  leben  noch  muthig  sterben  konnte.  Vielleicht  dachte  Pfalz¬ 
graf  Karl  Ludwig  ähnlich,  als  er  die  hochteutsche  Compagnie  bis 
nach  dem  Anfänge  des  neuen  Jahres  an  seinem  Hofe  behielt  und, 
wie  die  Meister  später  mit  Stolz  bekennen,  mit  seiner  ganz  sonder¬ 
lichen  durchläuchtigsten  Gnade  beschenkte. 

Von  Heidelberg  reiste  die  Truppe  des  Hans  Ernst  Hoffmann 
und  Peter  Schwartz  vor  dem  Beginne  der  Ostermesse  1657  wieder 
nach  Frankfurt,  wo  sie  in  ihrer  ersten  Eingabe  an  den  Rath  aus¬ 
drücklich  erwähnte-,  dass  sie  den  Liebhabern ,  die  der  alten 
Dinge  überdrüssig,  ganz  nene  schöne  Komödien  zum  Besten  geben 
wolle.167 

Diese  angekündigten  Stücke,  in  denen  der  »Hansworscht  das 
ergötzlichste  zur  Gemüthserletzung  einem  löblichen  publico«  thun 
sollte,  wurden  diesesmal  im  Pfuhlhof  zur  Darstellung  gebracht,  weil 
der  englische  Komödiant  bereits  das  Ballen  haus  zum  Krach b ein 
gemiethet  hatte.168  Der  Pfuhlhof,  dieses  neue  Lokal,  in  welches  Frau 
Thalia  mit  ihren  Jüngern  in  der  Ostermesse  1657  einzog,  lag  am 
Eck  der  Töpfengasse  in  der  Nähe  der  ehemaligen  Heuwaage  und 
hatte  seinen  Namen  von  dem  Rosspfuhl,  dem  er  sich  gerade  gegen¬ 
über  befand.  Der  Pfuhlhof,  welcher  später  der  Stammsitz  der  Familie 
von  Holzhausen  wurde,  schloss  sehr  grosse  Räumlichkeiten  in  sich, 
welche  ein  noch  grösseres  Publikum  fassen  konnten  als  das  Ballen¬ 
haus  des  Gasthofs  zum  Krachbein.169 

Die  hochteutsche  Compagnie  hatte  diese  geräumige  Lokalität 
sehr  nöthig;  denn  sie  erfreute  sich  eines  ausserordentlichen  Zuspruchs 
von  Seiten  der  Messfremden.  Und  doch  konnte  sie  ihre  Vorstellun¬ 
gen  nicht  so  geben,  »wie  sie  es  fürnemlich  von  ganzem  Herzen  ge- 
wünschet«.  Die  erste  Schauspielerin  und  Hauptsingerin  der  Gesell¬ 
schaft,  die  Frau  des  Meisters  Peter  Schwartz,  war  nämlich  in 
Folge  eines  Wochenbettes  sehr  leidend  geworden  und  konnte  wegen 
anhaltender  grosser  Unpässlichkeit  während  der  ganzen  Ostermesse 
nicht  auftreten. 

Peter-  Schwartz  hoffte  anfangs  auf  eine  schnellere  Genesung 
seiner  Frau  und  fing  erst  zu  spielen  an,  als  von  Wien  die  Trauer¬ 
nachricht  eintraf,  dass  Kaiser  Ferdinand  III.  am  2.  April  1657  das 


81 


Zeitliche  gesegnet  hatte.  Diese  Kunde,  die  eine  allgemeine  Reichs¬ 
trauer  zur  Folge  haben  musste,  versetzte  die  über  ihren  zahlreichen 
Zuspruch  mächtig  beglückten  beiden  Meister  der  Hochteutschen 
Compagnie  in  eine  sehr  angstvolle  Stimmung.  Um  aber  wenigstens 
noch  der  Yorstehung  einiger  Stücke  sicher  zu  sein,  reichten  sie  am 
9.  April  1657  eine  Bittschrift  ein,  worin  sie  dem  Rath  in  der  aus- 
führhchsteu  Weise  den  grossen  Schaden  und  die  weiteren  Unkosten 
auseinandersetzten,  die  sie  durch  die  »ohnfähichtkeit  und  restituirung 
der  schwer  kranken  Kindbetterin  bis  dato  zu  ertragen  hatten«.  All¬ 
dieweil  aber,  wie  sie  sich  ausdrücken,  noch  keine  öffentliche  Pro- 
clamation  der  Kaiserlichen  Klage  geschehen,  so  möchten  sie  noch 
gerne  unbehindert  bis  zu  Ende  der  laufenden  Woche  weiter  agiren. 
Wir  sind  willig,  uns  aller  Ueppigkeit  zu  enthalten,  berichten  Schwartz 
und  Hoffmann,  und  sollte  wegen  der  Musik  einiges  Bedenken  sein, 
so  wollen  wir  dieselbe  einstellen  und  zwischen  den  Acten  allein  eine 
Harfe,  welches  Instrument  sonst  auch  bei  Trauerfällen  zugelassen 
wird,  hören  lassen. 

Mittlerweile  erfolgte  aber  von  dem  kaiserlichen  Cabinet  in  Wien 
die  Trauerproclamation  und  der  Rath  war  nicht  mehr  in  der  Lage, 
dem  Begehren  der  Komödianten  willfährig  sein  zu  können.  Die 
beiden  Meister  der  hochdeutschen  Compagnie  sowie  auch  der  Eng¬ 
lische  Komödiant  geriethen  durch  diesen  schnellen  Abschluss  aller 
»Lustübungen«  in  eine  sehr  traurige  Lage.  Beide  Truppen  konnten 
ihre  Gläubiger  nicht  befriedigen  und  mussten  ihre  »besten  Kley  der 
und  Spülzierrathen«  versetzen,  um  nur  das  nöthige  Geld  zu  einer 
Reise  in  eine  andere  Stadt  auftreiben  zu  können.110 

Einer  Randglosse,  welche  ein  Rathsschreiber  ohne  Zweifel  als 
Federprobe  auf  die  Rückseite  einer  Supplication  schrieb,  verdanken 
wir  eine  kleine,  aber  genaue  Aufklärung  über  die  sonst  nur  durch 
Annahmen  und  dürftige  Bemerkungen  feststellbaren,  von  der  Truppe 
des  Hans  Ernst  Hoffmann  und  Peter  Schwartz  aufgeführten  Stücke. 
»Ehegestern  agirte  man  von  des  Knaben  Cupido  Macht  mit  Hans- 
worscht  im  Pulhof,  itzund  kimmet  ein  gar  tröfflich  Tragödie  be- 
straffter  Fürwitz  daran.«  So  berichtet  der  Schreiber,  der  seine 
Federproben  mit  dem  Aufzeichnen  einer  fratzenhaften  Maske  aus¬ 
schmückte. 

Die  angegebenen  Stücke,  welche  in  der  1630  erschienenen  neuen 
Sammlung  englischer  Komödien  und  Tragödien  enthalten  sind,  cliarak- 
terisiren  den  künstlerischen  Standpunkt  dieser  und  der  meisten 
Wandertruppen  in  jener  Zeit. 

In  der  Komödie  »Von  der  Macht  des  kleinen  Knaben  Cupidi- 
nis«  sieht  der  Liebhaber  der  Jucunda,  Florettus,  seine  Heissgeliebte 
todt  daliegen.  Dieser  Anblick  entsetzt  ihn  so,  dass  er  den  Ent¬ 
schluss  fasst,  sich  an  der  Leiche  der  schönen  Jucunda  zu  erstechen. 
Ehe  er  aber  diesen  verzweifelten  Vorsatz  ausführt,  beugt  er  sich 

G 


82 


über  die  Todtgeglaubte,  herzt  und  küsst  sie.  In  diesem  Augenblick 
erwacht  Jucunda,  der  überglückliche  Florettus  küsst  und  herzt  sie 
wieder  »und  leffelt  ein  wenig«.  Dann  hält  der  Hanswurst  an  Jung¬ 
frauen  und  Junggesellen  eine  Rede  über  die  Kraft  des  Herzens 
und  Küssens,  deren  Spässe,  wie  die  meisten  Ausfälle  des  immer 
unverschämter  gewordenen  Lustigmachers,  schlechterdings  nicht  wieder¬ 
zugeben  sind. 

Die  Entartung  des  Komischen  hielt  mit  der  crassen  Ueber- 
treibung  der  tragischen  Effekte  gleichen  Schritt.  Einen  Beweis  hier¬ 
für  liefern  der  Inhalt  und  die  Anmerkungen  des  andern  namhaft 
gemachten  Stückes,  in  welchem  ein  Ehemann  die  Treue  seiner  Frau 
durch  einen  Freund  auf  die  Probe  stellen  lässt  und  sie  dadurch  zum 
Selbstmord  treibt.  Als  Sühne  für  den  begangenen  Frevel  ist  dem 
Mann  am  Ende  des  Stückes  vorgeschrieben,  mit  dem  Kopf  gegen 
die  Wand  zu  rennen,  dass  das  Blut  unter  dem  Hute  hervorläuft. 
Um  nun  einen  recht  drastischen  Eindruck  zu  erzielen,  wurde  auf 
den  Boden  des  Hutes  eine  Blase  gelegt,  deren  rothe  Flüssigkeit  bei 
dem  Anrennen  das  Gesicht  überströmte.171 

Aehnliche  grausige  Theatereffekte  wurden  durch  die  Vorschrift 
der  rafünirtesten  Todesarten  und  Verstümmelungen  in  anderen  Stücken 
erzielt.  Einen  besonderen  Reiz  für  das  Publikum  hatte  das  von  den 
eigentlichen  Gauklern  der  Truppen  mit  grosser  Geschicklichkeit  aus¬ 
geführte  Kunststück  des  Kopfabschneidens,  bei  welchem  die  oben  er¬ 
wähnten  Blasen  ihre  hauptsächlichste  Verwendung  fanden.  Und  die 
unästhetischen  Vorschriften  der  betreffenden  Verfasser,  welche  die 
Hauptaufgabe  der  tragischen  Kunst  in  der  denkbar  natürlichsten 
Ausführung  ihrer  V orschriften  suchten,  wurden  durch  die  Darstellung 
eher  übertrieben  als  gemildert. 

Nicht  auf  einen  Robertus  Browne  und  seine  Gesellen,  nicht 
auf  die  fürstlich  hessischen  Komödianten  und  andere  vor  dem  Be¬ 
ginne  des  dreissigjährigen  Krieges  in  Frankfurt  auftretende  berühmte 
Wandertruppen,  wohl  aber  auf  die  Compagnieen  des  Jollifous, 
des  Peter  Schwartz  und  ihrer  unmittelbaren  Nachzügler  passt  den 
alten  Schriftquellen  zufolge  das  berühmte  Wort  Hamlet’s :  »Es  ärgert 
mich  in  der  Seele,  wenn  solch’  ein  handfester  haarbuschiger  Geselle 
eine  Leidenschaft  in  Fetzen,  in  rechte  Lumpen  zerreisst,  um  den 
Gründlingen  im  Parterre  in  die  Ohren  zu  donnern,  die  meistens  von 
nichts  wissen  als  unauslegbaren  Pantomimen  und  Lärm.  0,  es  giebt 
Schauspieler,  die  ich  habe  spielen  sehen  und  von  anderen  preisen 
hören,  und  das  höchlich,  die,  gelinde  zu  sprechen,  weder  den  Ton 
noch  den  Gang  von  Christen,  Heiden  oder  Menschen  hatten  und  so 
stolzirten  und  blockten,  dass  ich  glaubte,  irgend  ein  Handlanger  der 
Natur  hätte  Menschen  gemacht  und  sie  wären  ihm  nicht  gerathen, 
so  abscheulich  ahmten  sie  die  Menschheit  nach.« 

Dass  die  Ausartung  der  sogenannten  »englischen  Manier«,  die 


83 


in  Frankfurt  seit  dem  Anfang  des  dreissigjährigen  Krieges  allmählich 
begonnen  und  in  den  nach  dem  Friedensschluss  folgenden  drei  De- 
cennien  ihren  höchsten  Gipfel  erreicht  hatte,  auch  hier  ein  so  grosses 
und  dankbares  Publikum  fand,  zeugt  für  die  bedauerliche  Verwilde¬ 
rung  des  Geschmacks,  welche  besonders  die  schweren  Heimsuchun¬ 
gen  der  letzten  Epoche  cüeses  Krieges  für  Frankfurt  im  Gefolge  ge¬ 
habt  hatten.  Man  muss  sich  an  die  grauenvollen  Scenen  der  grossen 
nationalen  Tragödie  erinnern,  um  begreifen  zu  können,  dass  die 
abgestumpften  und  herabgestimmten  Gemüther  sich  nicht  mit  Abscheu 
von  einer  Kunst  wandten,  welche  ihnen  die  schmerzlichsten  Erinne¬ 
rungen  immer  wieder  durch  allzu  natürliche  Reminiscenzen  zu  be¬ 
leben  suchte. 

Wenn  man  noch  heute  einen  durch  die  Leidenschaft  streiten¬ 
der  Parteien  herbeigeführten  blutigen  Vorgang  scharf  kennzeichnen 
will,  so  gebraucht  man  in  vielen  Gegenden  Deutschlands  die  Be¬ 
zeichnung  »Mordspektakel«.  So  nannte  man  aber  die  grausigen  Vor¬ 
stellungen  in  jener  Zeit.  Der  gesunde  Sinn  des  Volkes,  der  in  der 
Uebernahme  solcher  Ausdrücke  oft  einen  feinsinnigen  Takt  verräth, 
rächte  sich  also  gleichsam  in  der  späteren  Verwendung  ihres  Titels 
für  den  entsittlichenden  Einfluss,  den  diese  Schauerstücke  einst  auf 
die  Herzen  der  Zuschauer  ausgeübt  hatten. 

Müssen  wir  aber  auch  ihre  Ausschreitungen  tief  beklagen:  der 
innere  Kern  der  berufsmässigen  Schauspielkunst  wurde  durch  diese 
vorübergehenden  Entwickelungskrankheiten  nicht  angesteckt.  Auch 
die  verwilderten  Komödiantenbanden,  von  denen  eigentlich  nicht  die 
geringste  Förderung  der  Bühne  zu  erwarten  war,  leisteten  ihr  einen 
wichtigen  Dienst  durch  die  wenn  auch  rohe,  aber  lebendig  anschau¬ 
liche  Darstellung  menschlicher  Zustände. 

In  ihren  gewaltsamen  Uebertreibungen  lernte  die  Schauspiel¬ 
kunst  sich  selbst  und  ihren  weitgehenden  Einfluss  zum  ersten  Male 
ganz  verstehen,  und  bei  dieser  Erkenntniss  ging  es  ihr  wie  einem 
kraftstrotzenden  Jüngling,  der  im  ersten  Bewusstsein  der  in  ihm 
wohnenden  Stärke  allerlei  tolle,  gesetzwidrige  Kraftproben  ablegt. 

Die  Bahn  zur-  weiteren  und  besseren  Aneignung  Shakespeare’- 
sclier  Werke,  —  des  Grössten  und  Erhabensten,  was  jemals  ein 
Menschengeist  geschaffen,  —  blieb  freilich  durch  die  Nachwirkung 
dieser  Jugendsünden  lange  verschlossen,  aber  man  wird  nicht  zu 
schwer  darüber  urtheilen,  wenn  man  bedenkt,  dass  auch  in  Eng¬ 
land,  wo  die  heuchlerische  und  grämliche  Puritanerherrschaft  bald 
dem  goldnen  Zeitalter  der  Königin  Elisabeth  nachfolgte,  die  Shake- 
speare’schen  Werke  rohen,  jene  wilde  Spielweise  fördernden  Nach¬ 
bildungen  weichen  mussten. 

Ein  eigenthümlicher  Punkt  aber  bleibt  es  dennoch  in  der  Frank¬ 
furter  Theatergeschichte,  dass  in  der  ersten  Epoche  des  Singspiels 
und  jener  furchtbaren  Schauerstücke,  die  keinen  eigentlichen  Werth 

6* 


84 


für  die  Literatur  besitzen,  auch  hie  und  da,  wie  bereits  erwiesen 
wurde  und  noch  ferner  dargethan  werden  soll,  durch  Joris  Jollifous 
die  Werke  des  gelehrten  Dichters  Gryphius  zur  Darstellung  gebracht 
wurden,  welche  durch  ihre  glanzvolle,  bilderreiche  Sprache  in  der 
Geschichte  der  Dichtkunst  eine  bedeutende,  in  dem  Entwicklungsgang 
des  deutschen  Schauspiels  aber  nur  eine  untergeordnete  Stellung 
einnehmen. 

Um  so  mehr  muss  man  sich  über  die  Aufführung  einiger 
Tragödien  von  Andreas  Gryphius  wundern,  wenn  man  bedenkt,  dass 
dieselben  in  einem  schwer  zu  sprechenden  Versmass,  in  dem  durch 
die  schlesischen  Dichterschulen  neu  eingeführten  Alexandriner  ge¬ 
schrieben  sind.  - —  Die  Schauspieler,  welche  wohl  an  die  altdeutschen 
viersilbigen  Beimpaare,  aber  hauptsächlich  an  Prosa  gewöhnt  waren, 
hatten  beim  lebensvollen  Sprechen  dieser  zur  Deklamation  drängenden 
Verse  grosse  Schwierigkeiten  zu  überwinden.  Ein  Beispiel  hierfür, 
welches  zugleich  zeigt,  dass  Gryphius  die  wirksamen  grausigen 
Farbentöne  der  englisch  -  deutschen  Stücke  keineswegs  verschmähte, 
liefert  ein  Monolog  des  Geistes  der  imglücklichen  schottischen  Maria, 
der  neben  andern  Geistererscheinungen  in  der  Tragödie  »Carlos  Stuart 
oder  Ermordete  Majestät«  schon  bei  der  Lectüre  nicht  wenig  zu  dem 
grausigen  Eindruck  des  ganzen  Stückes  beiträgt. 

Nachdem  die  Geister  der  ebenfalls  enthaupteten  Thomas  Went,- 
work,  Grafen  von  Schottland,  und  des  Wilhelm  Laud,  Erzbischoff  von 
Canteiberg  ein  düsteres,  monotones  Zwiegespräch  gehalten  haben, 
erscheint  Maria  Stuart  dem  auf  seinem  Bette  liegenden  Enkel  und 
spricht : 

Das  immer  frische  Blut,  das  aus  den  Adern  rinnet 
Und  Brüst  und  Leinwand  färbt,  das  Quell  das  stets  beginnet, 
Und  keinmal  sich  verstopft,  träufft  nieder  auf  das  Land 
Des  rasenden  Gebrüts,  dass  die  entweihte  Hand, 

Gewohnt  in  Fürsten  Blutt  ohn  unterlass  zu  baden 

Und  Königs  Leich  auf  Leich  und  Mord  auf  Mord  zu  laden. 

Das  Bicht-Beil,  das  man  hier  uns  an  den  Nacken  setzt, 

Wird  noch  auff  Stuarts  Stamm  durch  eine  Schar  gewetzt. 

So,  wie  Maria  fiel,  wird  unser  Sohns  Sohn  leiden, 

Der  Greuel  soll  anitzt  vil  tausend  Augen  weiden, 

Den  Foudringen  verbarg.  Sein  London  will  es  sehn, 

Das  keinen  Meyneyd  acht,  das  Gotts  Gesalbten  schmehn 
Und  Printzen  schimpffen  kann !  das  ungezeumte  Buben 
Lässt  richten  über  die,  die  Fürst  und  Volk  erhüben. 

Das  aller  Zeiten  Schuld  durch  härter  Sünd  erneut 
Und  sich  ob  diesem  Werk  als  einem  Lustspiel  freut. 

Verfluchtes  Stück  man  sieht  die  unerzognen  Hauffen 
Wie  rasend  tolle  Zucht  der  jungen  Hunde  lauffen. 


85 


Was  ist ’s  den  Britten  mehr  umb  eines  Königs  Haupt? 

Es  ist  der  Inseil  Art!  Vmb  dass  ihr  Edward  glaubt 
Gab  er  sein  Leben  hin !  —  Wilhelm  der  rott  eröttet 
Ynd  zappelt  in  dem  Blut.  Ihr  Richhard  ward  getödet. 

Durch  den  geschwinden  Pfeil.  Johann  verging  durch  Gift, 

Das  ihm  das  Kloster  mischt.  Was  hat  man  nicht  gestifft 
Auffs  zweyten  Edwards  Kopff,  der  sich  des  Reichs  begeben 
Ynd  dennoch  nicht  erhielt  das  jammervolle  Leben, 

Wie  Richardt  auch  der  zweit  in  Hunger  unterging, 

Ynd  Heinrich  Frankreichs  Herr  den  der  Yerräther  fing 
Ynd  in  dem  Thurm  erwürgt,  der  Yetter  Richhard  wetzte 
Die  Kling  auff  Edwards  Herz,  und  als  er  kaum  sich  setzte 
Auff  des  entleibten  Thron,  erblass  er  in  der  Schlacht. 

Des  Achten  Heinrich  Sohn  ward  plötzlich  weggemacht 
Durch  unendekte  Gifft.  Wo  ist  Johanna  blieben? 

Wie  oft  war  dise  schon  dem  Richtbeil  zugeschrieben. 

Die  endlich  wiederumb  den  harten  Schluss  aussprach. 

Ynd  wider  Recht  den  Stab  auff  Cron  und  gleiche  brach. 
Yerfluchter  Tag !  als  Avir  von  Königen  gebohren, 

Die  Könige  gezeugt,  von  Königen  erkohren, 

Die  Gallien  beherrscht,  der  Schottland  eigen  Avar 
Die  Erbin  Albions  vor  frembder  Mörder  Schar 
Erschinen  als  verklagt:  als  Knechte  sich  vermessen 
Als  Knechte  Avieder  uns  den  Richter-Stul  besessen 
Ynd  die,  die  keine  Macht  kennt  über  sich  als  Gott 
Der  Printzen  setzt  vnd  rieht,  verweisen  zu  dem  Tod.172 

Nachdem  der  Geist  der  Maria  Stuart  noch  einmal  ausführlich 
geschildert  hat,  welches  Ungemach  den  Königen  seit  langer  Zeit  an- 
gethan  Avorden  sei,  beschliesst  er  seine  Rede  mit.  einem  grausen¬ 
erregenden  Hinweis  auf  die  bevorstehende  Enthauptung  des  un¬ 
glücklichen  Nachkommen. 

Yon  dem  langathmigen  und  unnatürlichen  Monolog  eines  ab¬ 
geschiedenen  Geistes,  der  dem  Leser  zu  Gefallen  noch  an  einigen 
Stellen  gekürzt  wurde,  kehren  wir  nun  zu  Joris  Jollifous  zurück, 
dessen  Repertoire  allem  Anschein  nach  ein  wahres  Quodlibet  der 
mannigfaltigsten  dramatischen  Erscheinungen  war.  Schon  am  16. 
Juli  1657  ist  er  Avieder  in  Frankfurt  und  sucht  bei  dem  Rath  um 
die  Vergünstigung  nach,  bei  der  bevorstehenden  Kaiserwahl  Leopold  I., 
seine  Actionen  wieder  repraesentiren  zu  dürfen.  Nachdem  der  Eng¬ 
lische  Komödiant  unter  der  Bedingung  Erlaubniss  erhalten  hatte, 
dass  er  »dem  Publico  zum  Besten  einen  Imposte  davon  entrichte«173 
d.  h.  dass  er  dem  Gemeinwesen  eine  Abgabe  leiste,  sah  er  sich  als¬ 
bald  nach  einem  für  seine  Vorstellungen  geeigneten  Platze  um.  Das 
Ballenhaus  zum  Krachbein  Avar  bereits  vergeben;  denn  am  14.  Juni 


86 


hatten  schon  die  mittlerweile  durch  einen  Aufenthalt  am  kurfürst¬ 
lichen  Hofe  zu  Heidelberg  wieder  schuldenfrei  gewordenen  Hoch- 
teutschen  Komödianten  Peter  Schwartz  und  Hans  Ernst  Hoffman n 
sich  die  Erlaubniss  für  ihr  Spiel  und  die  Beschlagnahme  des  eben¬ 
genannten  Lokals  vom  Rathe  zusichern  lassen. 

Welche  Mühe  Jollifous  mit  der  Auffindung  eines  passenden 
Raumes  für  sein  Theater  hatte,  geht  aus  einer  Bittschrift  vom  27. 
August  1657  hervor,  worin  er  den  Rath  um  Anweisung  eines  Platzes, 
vielleicht  in  der  Catharinenpforte  oder  anderswo  angeht.  Aber  die 
Yäter  der  Stadt  theilten  ihm  in  ihrer  kurzen  bündigen  Weise  mit, 
dass  er  sich  für  einen  ungefährlichen  Ort  selbst  zu  sorgen  habe, 
auf  welchen  Bescheid  Jollifous,  das  Schadische  Haus  in  der  Tönges- 
gasse,  das  dem  Engelthaler  Hof  gerade  gegenüber  lag,  für  seine  Zwecke 
ins  Auge  fasste.  Auch  hier  würde  er  jedoch  mit  seiner  Compagnie 
nach  langem  Suchen  noch  kein  sicheres  Unterkommen  gefunden  haben, 
wenn  nicht  dessen  Eigentlnimer,  der  Amtmann  Johann  Leuchter 
zu  Windecken,  mehrmals  um  Zulassung  für  ihn  eingekommen  wäre.  — 
Her  Rath  setzte  sich  nun  mit  den  Bauherrn  in  Verbindung  und 
nachdem  dieselben  die  Aufrichtung  einer  Komödienhütte  an  die  das 
Gehöft  jenes  Hauses  (wahrscheinlich  Lit.  H,  No.  163)  abschliessende 
Stadtmauer  für  unbedenklich  erklärt,  konnte  Jollifous  endlich  mit 
dem  Aufbau  seines  bretternen  Musentempels  beginnen. 

Inzwischen  hatte  die  Hochteutsche  Compagnie,  weil  verschiedene 
hohe  Personen  im  Krachbein  ihren  Wohnsitz  genommen,  aus  dem 
Ballenhaus  dieses  Gasthofs  wieder  weichen  müssen.  Da  aber  all¬ 
mählich  immer  mehr  schaulustige  fremde  Gesellen  mit  ihren  Ge¬ 
bietern  in  die  weltberühmte  Wahl-  und  Krönungsstadt  einzogen, 
wurden  die  Komödianten  durch  diese  Ausweisung  in  eine  sehr  pein¬ 
liche  Lage  versetzt.  Nach  beinah  vierzehntägigem  Suchen  fanden 
sie  endlich  einen  anderen  Platz  in  dem  geräumigen  Nürnberger 
Hofe,  welchen  ihnen  die  Eigenthümer,  die  Mitglieder  der  Ganeijschaft 
Limpurg,  ohne  weiteres  Bedenken  gegen  einen  guten  Zins  zusagten. 
Die  Führer  der  Compagnie  hatten  aber  den  Rath  noch  nicht  um  den 
Consens  für  den  Aufbau  einer  Hütte  auf  den  erwählten  Ort  ange¬ 
gangen,  als  auch  schon  die  ganze  Nachbarschaft  des  Nürnberger  Hofes 
gegen  »ein  solch  geferlich  ansinnen  des  Comödiantengelichts«  die  In- 
hibirung  des  Baues  der  Hütte  von  Obrigkeits  wegen  beantragte. 

Auf  die  durch  alle  nur  denkbaren  Voraussetzungen  wegen 
Feuers-  oder  andrer  Gefahr  unterstützte  Supplikation  konnte  der  Rath 
nicht  anders,  als  den  Herren  Ganerben  durch  den  jüngeren  Bürger¬ 
meister  sagen  lassen,  dass  sie  von  der  gegebenen  Erlaubniss  abstehen 
und  die  Komödianten  sogleich  von  ihrem  Grund  und  Boden  weisen 
sollten.174 

Nachdem  Peter  Schwartz  und  Hans  Ernst  Hoffmann  aus  dem 
Nürnberger  Hof  vertrieben  worden  waren,  wollten  sie  sich  ein  Ko- 


87 


mödienhaus  in  der  Hasengasse  neben  den  Brandleitern  aufrichten 
lassen,  jedoch  auch  dort  erhoben  sich  die  Häuserbesitzer  in  der  Nähe 
gegen  ein  »solch  meschantes  und  gefehrliches  Vorhaben«.  So  mussten 
sie  sich  denn  endlich  zu  den  grossen  Räumlichkeiten  im  Pfuhlhof 
entschlossen,  deren  hohen  Miethzins  sie  schon  bei  ihrem  vorigen 
Aufenthalt  in  Frankfurt  kaum  zu  erschwingen  vermocht  hatten.  Aber 
das  Glück  war  ihnen  diesmal  günstig,  ihre  Vorstellungen  wurden 
ebenso  stark  besucht  wie  die  des  Joris  Jollifous,  der  durch  sein  näher 
gelegenes  Local  besonders  vornehme  Liebhaber  herbeizog. 

Es  entspann  sich  nun  zwischen  beiden  Truppen,  tlieils  aus  Ehr¬ 
geiz,  theils  aus  Brodneid  eine  Coulissenfehde,  die  von  beiden  Seiten 
mit  der  grössten  Heftigkeit  geführt  wurde.  Sie  suchten  in  ihren 
leider  nicht  erhaltenen  gedruckten  Ankündigungen  einander  herab¬ 
zusetzen  und  zu  überbieten,  nahmen  bisweilen,  um  die  beiderseitigen 
Kunden  einander  abspenstig  zu  machen,  niedrigere  Preise  und  suchten 
sogar  in  Wirthschaften  hie  und  da  Händel  miteinander,  die  sogar 
mehrmals  in  »bösen  lerm  und  ärgerliche  knufferei«  ausarteten.175 

Am  29.  September  1657  erreichten  die  gegenseitigen  Reibereien 
ihren  Höhepunkt.  Wahrscheinlich  um  endlich  festzustellen,  wer  von 
ihnen  in  der  Achtung  eines  hochweisen  und  hochedlen  Rathes  am 
höchsten  stehe,  offerirte  jede  Truppe  in  der  festen  Hoffnung,  die  er¬ 
sehnte  Auszeichnung  zu  erhalten,  den  Vätern  der  Stadt  an  einem 
Tage  und  zur  selben  Stunde  von  Nachmittags  3 — 6  Uhr  eine  »freie 
Comödia«.176  Gleichzeitig  kamen  sie  beide  um  die  Vergünstigung 
ein,  noch  einige  Zeit  ihre  Vorstellungen  fortsetzen  zu  dürfen.  Der 
Rath  gewährte  ihnen  zwar  die  letzte  Bitte,  nahm  aber  ihr  erstes 
Anerbieten  nur  unter  dem  Vorbehalte  an,  dass  beiden  Truppen  ein 
gewisser  Tag  zur  Abhaltung  solcher  Comödia  nach  Belieben  festge¬ 
setzt  werden  könne.  Die  Väter  der  Stadt  durchschauten  jedenfalls 
die  bedenkliche  Parisrolle,  die  ihnen  die  Komödiantenführer  zuertheilt 
hatten  und  umgingen  in  Hinsicht  auf  die  sicher  bevorstehenden  üblen 
Folgen  die  Einladung  durch  eine  kluge  Vorsichtsmassregel.  Ausser¬ 
dem  erhielten  die  Komödianten  gleichzeitig  noch  einen  Wink,  dass 
sie  sich  vertragen  und  nicht  unausgesetzt  bekriegen  sollten. 

Dieser  von  dem  jüngeren  Herrn  Bürgermeister  Hartmann  Weitz 
mitgeth eilte  Befehl,  hatte  nicht  allein  einen  Waffenstillstand,  sondern 
einen  förmlichen  Friedensschluss  zu  fernerem  gemeinsamen  Streben 
zur  Folge.  In  einer  Eingabe  vom  13.  October  1657  sagen  Jollifous, 
Hoffmann  und  Schwartz,  dass  sie  sich  nunmehr,  wie  unterschiedlich 
von  vielen  vornehmen  Liebhabern  gewünscht,  in  Eintracht  zusammen 
gethan.  Nachdem  sie  dann  in  umständlicher  Weise  geschildert,  dass 
der  diesjährige  Verdienst  doch  nicht  so  gut  gewesen  sei,  weil  er 
habe  getheilt  werden  müssen,  fahren  sie  fort:  »So  stehen  wir  nun- 
mehro  in  guter  Hoffnung,  das  durch  unsere  Vereinigung,  neuen  Fleiss 
und  gute  Order,  indem  wir  nun  stärker  und  capabler  sein,  etwas 


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wackeres  und  nahmhaftes  zu  präsentiren«.  Sie  glauben  auch  ihre 
Creditores  vollkommen  befriedigen  zu  können,  »sintemal  nicht  allein 
von  dieser  Stadt  Einwohner,  sondern  vielmehr  von  den  frembden 
Anwesenden  noch  solche  leute  vorhanden,  auch  noch  mehr  erwartet 
werden,  die  einer  täglichen  und  zulässigen  Zeitkürzung  nicht  wohl 
ermangeln  können.« 

Die  von  vielen  vornehmen  Liebhabern  gewünschte  Vereinigung 
war  aber  nicht  von  langer  Dauer.  Schon  nach  der  ersten  gemein¬ 
samen  Vorstellung  gab  es  durch  Meinungsverschiedenheiten  hinter 
dem  Theater  einen  Streit  zwischen  den  Truppenführern,  der  in  eine 
allgemeine  und  besonders  harte  Balgerei  unter  den  Gesellen  aus¬ 
artete.177  Nach  diesem  Coulissenscandal  trennten  sich  die  beiden 
Compagnieen  sofort,  und  die  alten  Feindseligkeiten  wurden  aufs  Neue 
wieder  aufgenommen.  Der  Rath  jedoch,  der  über  den  allzu  realisti¬ 
schen  V  organg  unterrichtet  worden  war,  untersagte  am  anderen  Tage 
beiden  Truppen  das  Weiterspielen.178 

Die  Meister  der  hochteutschen  Compagnie  nahmen  diesen 
Bescheid  ohne  Widerspruch  hin,  aber  Joris  Jollifous,  der  nicht  in 
der  Lage  sich  befand,  von  hinnen  reisen  zu  können,  bat  flehentlichst 
um  gnädige  Abwendung  desselben.  Er  erinnerte  an  seinen  guten 
Ruf,  an  sein  wiederholtes  Hiersein  und  schilderte  dem  Rath  seine 
traurigen  Familien  Verhältnisse,  besonders  den  Zustand  seiner  leidenden 
Hausfrau,  zu  welcher  er  täglich  zwei  tlieure  Aerzte  kommen  lassen 
müsse.179  Die  geschickte  Zusammenstellung  aller  dieser  Thatsachen 
erweichte  die  in  ähnlichen  Fällen  sonst  ziemlich  abgehärteten  Ge- 
müther  eines  hochedlen  Rath  es.  —  Er  gestattete  dem  Jollifous  nicht 
allein  noch  einige  Zeit  wöchentlich  2  —  3  Vorstellungen  nach  der 
Messe  geben  zu  dürfen,  sondern  nahm  ihn  aus  Rücksicht  für  seine 
kranke  Frau  auch  den  Winter  über  zu  einem  Beisassen  auf. 

Das  an  theatralischen  Ereignissen  reiche  Jahr  1657  darf  nicht 
seinen  Abschluss  erhalten,  ehe  noch  eines  Künstlers  gedacht  worden 
ist,  dessen  Leistungen  eigentlich  in  das  Gebiet  der  niederen  Komik 
gehören,  aber  in  Frankfurt  einen  ausserordentlichen  Beifall  fanden. 
Während  der  Wahl-  und  Krönungszeit  gab  auch  der  berühmte  ita¬ 
lienische  »Dockenspieler«  Petro  Gimonde  de  tel  Bolognia  in  der 
Schmidtstube  Vorstellungen, 180  in  denen  neben  den  feingezierten 
Docken  auch  der  Pulcinella,  der  italienische  Possenreisser  im  Sinne 
des  Pickelhäring,  eine  grosse  Rolle  spielte.  —  Diese  komische  Figur 
besass  im  Aeusseren  eine  ausserordentliche  Aehnlichkeit  mit  den 
heutigen  Clowns  bei  den  englischen  Reitergesellschaften.  Der  Pul¬ 
cinella  hatte  gewöhnlich  ein  weiss  bestrichenes  Gesicht,  einen  grossen 
brennend  roth  gemalten  Mund,  ebensolche  Backen  und  eine  abscheu¬ 
lich  grosse  Nase.  Nicht  selten  trug  er  einen  grossen  Höcker  und 
dick  ausgestopften  Leib,  welche  beiden  charakteristischen  Merkmale 


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sich  besonders  bei  dem  niedrigen  Yolke  einer  grossen  Beliebtheit 
erfreuten. 

Petro  Gimonde ,  der  allein  dem  Besitzer  der  Schmidtstube  im 
Voraus  40  Rchsthl.  zahlte,  erfreute  sich  eines  so  ausserordentlichen 
Zuspruchs  von  Hoch  und  Gering,  dass  ihm  der  Rath ,  dessen  vor¬ 
nehme  Mitglieder  sich  selbst  an  seinen  komischen  Leistungen  höch¬ 
lichst  erquickten,  ohne  Bedenken  bis  Ende  October  zu  spielen  ge¬ 
stattet  e.  Diese  Erlaubnis  scheint  die  gegen  alle  theatralischen  Vor¬ 
stellungen  mittlerweile  immer  misstrauischer  gewordene  Geistlichkeit 
Frankfurts  durch  eine  entschiedene  Einsprache  beschränkt  zu  haben. 
Petro  Gimonde  erhielt  nämlich  nachträglich  den  Befehl,  dass  er  bei 
Strafe  von  100  Tlilr.  trotz  dem  Begehren  des  Publikums  nie  an  einem 
Sonntag  spielen  dürfe. 

Wie  die  beiden  Komödiantentruppen,  so  nahm  auch  Gimonde  • 
2,  3,  5  und  6  Albus  Eintrittsgeld,  er  gab  auch  gedruckte  Ankün¬ 
digungen  seiner  Vorstellungen  aus,  welche  Thatsache  aufs  Neue  die 
Annahme  unterstützt,  dass  die  wandernden  Schauspieler  sich  eben¬ 
falls  auch  dieser  Art  der  Bekanntmachung  für  ihre  Vorstellungen 
bedient  haben. 

Jollifous,  der  mit  seiner  Familie  den  Winter  über  in  Frankfurt 
blieb,  spielte  auch  im  folgenden  Jahre  während  der  Krönung  Leo¬ 
pold  I.  Bei  den  von  vielen  Fremden  besuchten  Sollenitäten,  füllte 
sich  seine  Kasse  derartig,  dass  er  nicht  allein  seine  vielen  Schulden 
bezahlen,  sondern  auch  noch  einen  bedeutenden  Ueberschuss  zur 
Restituirung  seiner  Komödien  gegenstände  und  zum  Unternehmen 
einer  weiten  Kunstreise  zurücklegen  konnte.181  Besonders  häufig 
wurden  seine  Vorstellungen  von  dem  Kaiserlichen  Gefolge  aus  Wien 
besucht,  dessen  Mitglieder  wie  die  Kaiserliche  Majestät  selbst  grosse 
Gönner  des  Theaters  waren.  —  Diese  ausserordentliche  Begünstigung 
veranlasste  ihn  auch  wohl  zu  seiner  1658  nach  Wien  unternommenen 
Kunstreise.  Seine  dort  eingereichten  Gesuche  Unterzeichnete  er,  wie 
auch  oft  in  Frankfurt,  mit  Joseph  Jori  und  nannte  sich  zugleich 
auch  Heidelbergischer  Komödiant.182  Dass'  er  sich  diese  Bezeich¬ 
nung  beilegen  durfte,  hat  seinen  Grund  in  einer  neuen  Vereinigung 
mit  Peter  Schwartz  und  Hans  Ernst  Hoffmann ,  welche  ebenfalls 
während  der  Krönungsfeierlichkeiten  in  Frankfurt  gespielt  hatten  und 
nach  dem  Schluss  derselben  im  August  1658  mit  Jollifous  gemeinsam 
an  den  Hof  ihres  Gönners,  des  Kurfürsten  Karl  Ludwig  von  der 
Pfalz  in  Heidelberg,  reisten.  Jedenfalls  unternahmen  sie  von  dort 
aus  ihre  Fahrt  nach  Wien,  wo  ihren  Vorstellungen  aber  von  Zeit¬ 
genossen  kein  ehrendes  Zeugniss  ausgestellt  wurde.  Sie  waren  mit 
den  »scandalösesten  Zoten  pikant  gewürzet«  und  eigneten  sich  durch 
das  Vorherrschen  des  Pickelhärings  darin  viel  mehr  für  ein  ausge¬ 
lassenes  Carnevalspublikum  als  für  die  durch  anmuthige  Schäferspiele 
sehr  verwöhnten  Angehörigen  des  Kaiserlichen  Hofes. 


90 


n. 

Der  Abzug  der  beiden  regelmässig  die  Messen  besuchenden 
Compagnien  nach  südlicher  gelegenen  Städten  hatte  für  die  Aus¬ 
übung  der  dramatischen  Kunst  in  Frankfurt  eine  Unterbrechung  von 
zwei  Jahren  im  Gefolge.  Es  will  aber  nicht  damit  gesagt  sein,  dass 
während  dieses  Zeitraums  keinerlei  theatralische  Vorstellungen  in 
Frankfurt  stattgefunden  hätten.  In  jeder  Messe  spielten  minder  be¬ 
deutende  Wandertruppen  in  Bretterbuden  am  Main,  aber  ihre  Vor¬ 
stellungen  sind  so  untergeordneter  Natur,  dass  sie  auf  den  Entwick¬ 
lungsgang  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  nicht  den  geringsten 
Einfluss  gehabt  haben. 

In  der  Ostermesse  1661  kam  Johannes  Jenicke  »Hochteutscher 
Comicus«  mit  einer  starken  Gesellschaft  zum  erstenmal  nach  Frank¬ 
furt.  Seine  erste  Eingabe  an  den  Rath  wurde  abgewiesen,  die  zweite 
hingegen  erhielt  unter  dem  Vorbehalt  Willfahrung,  dass  er  an  den 
heiligen  Tagen  nicht  zu  agiren«  angewiesen  wurde.183 

Es  ist  mehrmals  ausgesprochen  worden,  dass  der  als  Komiker 
hochberühmte  Jenicke  sogenannte  Haupt-  und  Staatsactionen  in 
Frankfurt  habe  aufführen  wollen,  da  er  aber  in  keiner  seiner  Bitt¬ 
schriften  diese  Bezeichnung  gebraucht,  sondern  selbst  immer  nur 
von  Komödien  redet,  so  dürfte  diese  Annahme  irrthümlich  er¬ 
scheinen.  Ueberhaupt  kommt  der  Titel  Haupt-  und  Staatsactionen, 
dieser  Prahlhans  von  einem  Wort,  erst  zu  Ende  des  17.  und  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  in  der  Geschichte  des  deutschen  Schauspiels 
vor,  selbst  in  Gottsched ’s  dramatischem  Vorrath  ist  nirgends  eine 
Spur  von  einer  solchen  Bezeichnung  aufzufinden.  Jenicke  kann 
also  nur  sogenannte  Hauptactionen  aufgeführt  haben,  wenn  man  da¬ 
runter  besonders  prunkvolle,  durch  alle  möglichen  Maschinerien 
unterstützte  Stücke  versteht.  Und  in  dieser  Hinsicht  sollen  seine 
Vorstellungen  allerdings  die  seiner  meisten  Vorgänger  bei  weitem 
übertroffen  haben.  Nach  einer  traditionellen  Mittheilung  aus  dem 
ersten  Viertel  des  vorigen  Jahrhunderts  besass  Jenickes  Theater  im 
Krachbein  einen  Vorhang  mit  Quasten,  es  hatte  auch  Seitencoulissen 
und  eine  Flugmaschine,  welche  den  Hanswurst  »in  einem  Nu«  den 
Augen  der  Zuschauer  entrückte.  —  Ueberhaupt  waren  alle  »Zuthatten 
sehr  prächtig,  wie  man  sie  in  vorigen  Dägen  nur  gar  selten  hier 
gesehen«,  und  »die  onterschiedlichen  Masken  des  Bossenreissers  oft 
so  erschröck  lieh ,  dass  man  aus  lauter  Furcht  hätte  auf  und  davon 
laufen  mögen«.  —  Auf  diese  komischen  Hülfsmittel  Jenickes  passte 
sicher  die  Schilderung  Grimmelshausens,  der  in  seinem  Werk  »das 
wunderbarliche  Vogelnest«  etc.  eine  Beschreibung  einer  solchen  Maske 
entwirft:  »Es  waren  eben  damahl  eine  Compagnie  Engeländischer 
Komödianten  in  der  Stadt  angelanget,  welche  von  dar  wieder  nach 
Hause  verreisen  wollten  und  nur  auff  guten  Wind  warteten  über- 


91 


zusegeln.  Von  denenselben  entlehnte  ich  eine  erschreckliche  Teuffels- 
Larven,  die  hatte  ein  paar  Ochsenhörner,  ein  paar  gläserne  gantz 
feurige  Augen,  so  gross  als  Hüner-Eyer,  ein  paar  Ohren  wie  ein 
gestutzt  Pferd,  anstatt  der  Nasen  einen  Adler-Schnabel,  einen  Schlund 
wie  der  Cerberus  selbst,  einen  Box-Bart;  anstatt  der  Hände  Greiffen- 
Klauen  und  anstatt  der  zehen  gespaltene  Kuhfiiss.  Man  konnte  er- 
schröcklich  Feuer  daraus  spevon,  wann  man  wolte,  und  sähe  so 
fürchterlich  aus,  dass  man  nur  von  seinem  Ansehen  hatte  erkranken 
oder  wohl  gar  sterben  mögen.«184 

Jenicke’s  komische  Leistungen  gefielen  so  ausserordentlich  in 
Frankfurt,  dass  er  in  der  Herbstmesse  1661  zurückkehrte  und  wie¬ 
der  »männiglich  zu  einer  recreation  und  gemüthsbelustigung  aller¬ 
hand  schöne  neue  nützliche  und  exemplarische  Comödias  comicas« 
im  Krachbein  zur  Darstellung  brachte.185 

Bei  dem  grossen  Andrang  zu  seinen  Vorstellungen  versäumte 
er  es  aber,  dem  Rath  durch  eine  freie  Komödie  zu  danken,  wess- 
halb  er  sich  später  sehr  umständlich  und  demüthig  bei  den  Vätern 
der  Stadt  entschuldigte. 

Johann  Jenicke’s  Kunstthätigkeit  hatte  in  Frankfurt  das  Interesse 
an  komischen  Vorstellungen  bedeutend  gefördert.  In  Rücksicht  hier¬ 
auf  fand  in  der  Ostermesse  1662  Heinrich  Mons,  Tanzmeister  aus 
Hamburg,  der  auch  »allerhand  lustige,  sinnreiche  und  erbauliche 
Komödien  agiren  wollte«,  sofort  freundliche  Aufnahme.186  Er  spielte 
im  Pfuhlhofe,  wo  er  auch  seine  »Danz-  und  Complementirlektiones« 
ertheilte  und  sich  noch  beinahe  drei  Wochen  nach  dem  Schluss  der 
Messe  aufhielt.  Ob  er  im  Herbste  wiederkehrte,  lässt  sich  nicht  mit 
Gewissheit  feststellen ;  dass  er  dies  jedoch  beabsichtigte,  beweist  das 
Vorhandensein  einer  Eingabe  an  den  Rath,  deren  aber  weder  in  den 
Senatsprotokollen  noch  in  den  Bürgermeisterbüchern  Erwähnung  ge¬ 
schieht.  Wie  Jenicke,  so  durfte  auch  Mons  die  »heiligen  Tage« 
nicht  spielen;  wie  alle  früheren  Komödianten,  musste  auch  er  dem 
Hospital  50  Rchsthlr.  erlegen  und  zum  Besten  der  Armen  eine  Vor¬ 
stellung  geben. 

In  den  Akten  des  Jahres  1663  war  über  den  hiesigen  Auf¬ 
enthalt  irgend  einer  namhafteren  Wandertruppe  nichts  zu  finden, 
aber  es  geht  aus  denselben  hervor,  dass  am  11.  Februar  des  folgen¬ 
den  Jahres  sich  ein  Komödiantenführer  für  die  Ostermesse  in  Frank¬ 
furt  anmeldete,  der  trotz  seiner  leider  erfolgten  Abweisung  bedeutungs¬ 
voll  für  die  Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  geworden  ist,  weil 
sich  bei  seiner  aus  etwa  zwanzig  Personen  bestehenden  Gesellschaft 
nicht  weniger  als  zehn  Studenten  befanden.  Dass  dieser  »Meister 
einer  hochteutschen  Bande«,  Caspar  von  Zimmern,  auf  einer  viel 
höheren  Bildungsstufe  stand  als  seine  meisten  Vorgänger,  dass  er 
ein  edleres  Ziel  in  der  Schauspielkunst  anstrebte  als  z.  B.  Jollifous, 
Schwartz  und  Hoffmann,  das  beweist  hinreichend  die  eingereichte 


92 


Supplication  an  den  Rath.187  Caspar  von  Zimmern,  »der  mit  seinen 
bey  sich  habenden  Sodalen  in  Aachen,  Cöln  vnd  Coblenz  solcher¬ 
gestalt  glücklich  agiret,  dass  er  (ohne  Ruhm  zu  melden)  gutes  Lob 
davongetragen«,  will  hauptsächlich  drei  Stücke,  »nemblich  für’s  Erste 
Von  der  liebe  zwischen  David  vnd  Glonatan,  2)  Von  der  verführten 
Diana  vnd  3)  Von  dem  Triumph  des  Königs  in  Engelland  vnd 
CromwelTs  Höllenfahrt«  zur  Aufführung  an  melden. 

Die  Zusammenstellung  dieser  Stücke,  deren  Stoff  er,  der  Meister 
der  hochteutschen  Compagnie,  selbst  vorbereitet  hatte,  ist  zu  eigen- 
thümlich,  als  dass  sie  hier  nicht  näher  in ’s  Auge  gefasst  werden 
sollten.  Zimmern  wollte  mit  seinem  Repertoire  augenscheinlich  jedem 
Glesch macksbediirfniss  genügen.  Er  gedachte  eine  der  besonders 
beim  Volke  beliebten  biblischen  Geschichten,  einen  frei  bearbeiteten 
Gegenstand  aus  der  Mythologie ,  welche  Gattung  durch  die  Oper  in 
Aufnahme  gekommen  war,  und  eine  dramatisirte  Begebenheit  aus 
der  jüngsten  Vergangenheit  zu  bringen,  che  jedenfalls  schon  im  All¬ 
gemeinen  die  Grundzüge  der  später  auftauchenden  Haupt-  und  Staats¬ 
actionen  in  sich  getragen  haben  mag. 

Dass  Caspar  von  Zimmern  keine  Erlaubniss  zu  seinen  »Tugend- 
hafften  Actibus«  erhielt,  hatte  jedenfalls  nur  darin  seinen  Grund,  weil 
er  aus  rheinischen  Städten  kam,  wo  damals  che  Beulenpest  eine 
grosse  Menge  Menschen  hinwegraffte.  Da  schon  verschiedene  An¬ 
steckungen  vorgekommen  waren,  sah  sich  der  Rath  in  der  Oster¬ 
messe  1665  sogar  zu  der  Verordnung  genöthigt,  keine  Cölnischen 
Güter  und  Personen  diesmal  zuzulassen.  Für  die  aus  den  Rhein¬ 
landen  kommenden  Fahrenden  Künstler  erstreckte  sich  der  Befehl 
noch  bis  auf  die  Herbstmesse  des  erwähnten  Jahres,  vor  deren  Be¬ 
ginne  die  Väter  der  Stadt  verschiedene  Komödiantenführer  und  Seil¬ 
tänzer  sehr  entschieden  zurückwiesen. 

In  der  Ostermesse  1665  wurde  der  Compagnie  -  Meister  Carl 
Paulson  zugelassen,  der  vorher  in  Dänemark,  Braunschweig  und 
Lüneburg  agirt  und  sich  mit  seiner  Truppe  hauptsächlich  im  Exer- 
citium  comicuni  hervorgethan  hatte.188 

Paulson’s  Vorstellungen  wurden  derartig  stark  besucht,  dass 
er  sich  sogar  veranlasst  fühlte,  am  14.  März  1665  den  Rath  in  einer 
besonderen  Eingabe  um  die  Erlaubniss  anzugehen,  auch  am  Sonn¬ 
tag  agiren  zu  dürfen.  Da  er  nicht  über  den  schlechten  Besuch  des 
Theaters  klagen  konnte,  berief  er  sich  auf  die  vielen  Unkosten,  die 
ihm  seine  weite  Reise  aus  Holstein  nach  Frankfurt  verursacht  habe, 
und  erinnerte  zugleich  an  das  gemeine  Volk,  das  Sonntags  doch  zu 
einer  solchen  Lustbarkeit  am  besten  abkommen  könne.  Obgleich 
Paulson  sich  erbot,  damit  der  Gottesdienst  dabei  nicht  verabsäumt 
werde,  den  Actus  nicht  eher  als  etwa  um  3  oder  4  Uhr  seinen 
Anfang  nehmen  zu  lassen,  wurde  sein  Begehren  sofort  mit  ebenso 
grosser  Entschiedenheit  als  Entrüstung  abgelehnt.  Der  Rath,  dessen 


93 


Mitglieder  durch  das  furchtbare  Umsichgreifen  der  Pest  sehr  ernst 
gestimmt  waren,  gestattete  nur  aus  Rücksicht  für  die  Messfremden 
eine  »Lustübung«,  die  zu  den  traurigen  Zuständen  in  der  Stadt  im 
grellsten  Widerspruch  stand. 

Ob  Carl  Paulson,  der  weder  die  Erlaubniss  erhielt,  an  Sonn¬ 
tagen  Vorstellungen  zu  geben,  noch  nach  dem  Schluss  der  Messe 
spielen  durfte,  identisch  ist  mit  jenem  jugendlichen  Obristlieutenants¬ 
sohn  Carl  Pauls,  der  1628  der  Führer  von  einer  meistenteils  aus 
wohlerzogenen  und  studirten  Leuten  bestehenden  Gesellschaft  wurde, 
mag  hier  unentschieden  bleiben.  Durch  den  Umstand,  dass  jener 
Carl  Pauls  die  Possenspiele  durch  Darstellung  ernster  übersetzter 
Stücke  zu  verdrängen  suchte,  der  1665  in  Frankfurt  spielende  Paul¬ 
son  aber  das  Exercitium  comicuni  als  den  eigentlichen  Schwerpunkt 
seiner  Darstellungen  ausdrücklich  bezeiclmete,  erscheint  die  Ansicht, 
dass  beide  Namen  ein  und  derselben  Person  angehören,  etwas  ge¬ 
wagt.  Für  die  Identität  spricht  allerdings  das  Zusammentreffen  von 
zwei  anderen  Tliatsachen :  beide  Komödiantenführer  stammten  aus 
Norddeutschland,  wahrscheinlich  aus  Holstein,  und  beide  besuchten 
als  ältere  Männer  mit  ihrer  Truppe  die  hauptsächlichsten  Städte  am 
Rhein,  Main  und  Neckar. 

In  dem  Pestjahre  1666,  in  welchem  die  Zahl  der  Gestorbenen 
auf  1802  Personen  stieg,  petitionirten  in  der  Ostermesse  wieder  ver¬ 
schiedene  Komödiantenmeister ,  -unter  andern  auch  der  berühmte 
Jacob  Kühlmann,  oder  Kuhlmann,  aus  Bautzen,  der  in  Leipzig  und 
Erfurt  spielte  und  neben  schönen  Komödien  und  Tragödien  auch  ver¬ 
schiedene  neue  Pastorellen  zur  Aufführung  bringen  wollte.189  Kühl¬ 
mann  erhielt  aber  einen  abschlägigen  Bescheid,  und  als  er  sich  wegen 
der  grossen  Spesen  und  Reiseunkosten  damit  nicht  zufrieden  geben 
wollte,  wenigstens  die  damals  viel  bedeutende  Vertröstung,  dass  er 
im  nächsten  Jahr  wieder  anfragen  solle.190 

Auch  in  der  Herbstmesse  1666  wurden  keine  Komödianten 
angenommen.  Der  Rath  Frankfurts  glaubte  sich  jedenfalls  in  der 
durch  die  oft  wiederkehrenden  pestartigen  Krankheiten  entstandenen 
Notli  schwer  zu  versündigen,  wenn  er  dem  Volke  so  viele  Gelegen¬ 
heit  zu  zerstreuenden  Vergnügungen  verschaffen  würde. 

Trotzdem  das  Jahr  1666  für  die  Frankfurter  Theatergeschichte 
ziemlich  bedeutungslos  erscheint,  fällt  aber  ein  Ereigniss  in  dasselbe, 
welches  auf  ihren  späteren  Entwicklungsgang  den  grössten  Einfluss 
ausüben  sollte.  In  diesem  Jahre  wurde  Philipp  Jacob  Spener  nach 
Frankfurt  berufen,  jener  wahrhaft  fromme  Geistliche,  nach  dessen 
streng  religiösen  Ansichten  der  Sinn  für  dergleichen  Vergnügungen 
mit  einem  ernsten,  sittlich  strengen  Lebenswandel  unvereinbar  war. 
Spener  brachte  es  während  seiner  langjährigen  hiesigen  Thätigkeit 
von  1666 — 1686  durch  sein  seelsorgerisches  Wirken,  besonders  aber 
durch  seinen  eigenen  tadellosen  Wandel  so  weit  bei  dem  grössten 


94 


Theil  der  Bewohner  Frankfurts,  dass  allmählich  eine  wahrhaft  puri¬ 
tanische  Sittenstrenge  aufkam,  welche  besonders  das  Theater  und 
alle  dergleichen  Belustigungen  für  nachtheilig  und  seelenverderbend 
ansah. 

Die  Kirche,  welche  auch  in  Frankfurt  noch  kaum  hundert 
Jahre  früher  in  der  dramatischen  Kunst  eine  bedeutende  Helferin 
bei  der  Verbreitung  ihrer  Heilslehren  anerkannt  hatte:  sie  erklärte 
die  Schaubühne  nun  von  den  Kanzeln  herab  für  ihre  Feindin  und 
forderte  alle  Gläubigen  auf,  gemeinsam  gegen  sie  anzukämpfen. 
Allerdings  wurde  dieses  Verhalten  gewissermassen  durch  den  herab¬ 
gekommenen  Zustand  der  meisten  Wandertruppen,  durch  das  zu 
ernster  Sinnesrichtung  drängende  Herrschen  der  Pestepidemien  und 
durch  die  Thatsache  erklärt,  dass  das  deutsche  Theater  damals  noch 
sehr  arm  an  solchen  Stücken  war,  welche  der  Kirche  über  ihre 
hie  und  da  wirklich  begründeten  Bedenken  hätten  hinaus  helfen 
können. 

Ueber  den  Aufenthalt  von  Komödianten  in  Frankfurt  zur  Oster¬ 
messe  16G7  liess  sich  in  den  Archivalien  nichts  ermitteln ;  dagegen 
feststellen,  dass  in  der  Herbstmesse  desselben  Jahres  Jacob  Kuhl- 
mann  zweimal  um  die  Erlaubniss  nachsuchte,  seine  Haupt- Actiones 
(nicht  zu  verwechseln  mit  Haupt-  und  Staatsactionen)  »in  dieser  welt- 
benalmiten  Wunder-Stadt  mit  einer  wohlgeübten  Compagnie  dar¬ 
stellen  zu  dürfen«.  Ungeachtet  der  vorjährigen  Vertröstung  aber 
wurde  er  im  Hinweis  auf  die  kaum  überstandene  Heimsuchung  der 
Stadt  wieder  abgewiesen.191  Der  Kath,  welcher  in  diesem  Jahre  die 
vorsichtigsten  Massregeln  anordnete,  um  der  weiteren  Verbreitung 
der  Pest  energisch  entgegenzuwirken,  hielt  sich  bei  dieser  ernsten 
Aufgabe  an  seine  Zusage,  wenn  eine  solche  aus  der  Vertröstung  auf 
später  überhaupt  gefolgert  werden  darf,  jedenfalls  nicht  für  gebunden. 

Welch’  ein  starker  Anziehungspunkt  aber  die  Frankfurter 
Messen  für  die  damals  hervorragendsten  Wandertruppen  gewesen 
sein  müssen,  das  beweisen  die  mannigfaltigen  und  oft  höchst  origi¬ 
nellen  Kunstgriffe,  durch  welche  sie  sich  beim  Batli  Eingang  in  die 
Stadt  zu  verschaffen  suchten.  Nach  zehnjähriger  Abwesenheit  woll¬ 
ten  Peter  Schwartz  und  Hans  Ernst  Hoffmann  mit  ihrer  Compagnie 
»die  viel  berühmte  Wunderstadt  am  Mayn«  wieder  einmal  besuchen. 
Da  sie  aber  wegen  zurückgelassener  Schulden  eine  Abweisung  be¬ 
fürchteten,  suchten  sic  den  Vätern  der  Stadt  durch  das  Anträgen 
einer  Pathenstelle  bei  einem  Zwillingskinde  des  Peter  Schwartz  einen 
derartigen  Bescheid  unmöglich  zu  machen.  Die  originelle  Eingabe, 
worin  der  glückliche  Vater  dem  Rath  sein  seltsames  Begehren  vor¬ 
trägt,  soll  hier  wörtlich  Erwähnung  finden,  weil  sie  zugleich  den 
geschraubten  Ton  beleuchtet,  in  welchem  alle  damaligen  und  auch 
späteren  Komödiantenführer  schriftlich  mit  dem  Rathe  Frankfurts  zu 
verkehren  pflegten. 


95 


»Wol  Edle,  Gestrenge,  Edle,  veste,  fiirsiclitige,  hoch  und  wol 
weise,  grossgünstige,  liebe  Herren. 

Nebenst  ob  wol  später  iedoch  treuhertziger  Wüntschung  eines 
glückseeligen  Fried  und  Freuden  reichen  neuen  Jahres,  beständiger 
Gesundheit,  langen  lebens,  glücklicher  Regierung  dero  löblichen  Re- 
public,  und  alles  selbst  erwüntschten  wolstandes,  seind  E.  Gestr. 
und  Herl,  meine  wiewohl  gering  schätzige  nichts  desto  weniger 
aber  in  unterthäniger  Devotion  treu  gemeinte  Dienste  ieder  Zeit 
bevor,  und  wenn  ich  sambt  meinen  Cameraden  und  sämbtlichen 
Compagnie  deren  Dexterität  sich  in  Profession  Comica  verwichnen 
Wahltag  zur  gniige  hatt  sehen  lassen,  auf  bevorstehende  Messe 
wiederumb  die  Freiheit  erlangen  möchten,  unsere  vortreffliche  neue 
noch  nie  gesehene  und  andern  Comödianten  unbekannte  Geist  und 
weltliche  Schauspiele  mitt  E.  Gestr.  und  Herl,  grossgunstigen  Be¬ 
willigung  auf  öffentlichen  Schauplatz  zu  führen,  wollten  wir  solches 
für  einen  guten  Theil  unserer  Zeitlichen  Glückseligkeit  halten.  Ich 
habe  aber  E.  Gestr.  und  Herl,  eines  alliier  in  Heidelberg  mir  ab¬ 
sonderlich  zugestandnen  Glücks  unterthänigen  Bericht  hiemit  zu  er- 
theilen  nicht  umbgang  nehmen  wollen,  indem  der  allgütige  Gott  mir 
ein  sonderbahr  angenehmes  Neu  Jahrs  Geschenke  zugeschickt,  als 
Er  vor  wönig  Tagen  meine  liebe  Hausfrau  ihrer  weiblichen  Bürde 
entbunden,  und  uns  beide  mit  Zweier  jungen  und  gesunden  Son- 
tags-Söhnlein  gnädiglich  erfreuet  hat.  Weil  wir  denn  E.  Gestr.  und 
Herl,  als  unter  deren  Schutz  wir  künftig  unser  Glück  zu  suchen 
verhoffend,  zyi  Tauf  Zeugen  in  unseren  Herzen  erwehlet,  als  ist 
dero  hohe  Stelle  bey  denen  gebräuchlichen  Tauf  Ceremonien,  durch 
eine  absonderlich  hierzu  erbetene  adeliche  Person  albereit  vertreten 
worden. 

Wenn  ich  denn  nicht  zu  befürchten  habe,  bevoraus  bey  einem 
dobbelten  Segen  Gottes,  dass  E.  Gestr.  und  Herrl.  auf  meine  kühne 
Vermessenheit  etwan  eine  Ungnade  werffen  möchten  indem  es  vor 
etlichen  Jahren  von  Regenspurg  meinen  Cameraden  nicht  vor  ungutt 
aufgenonunen  worden. 

Als  gelanget  an  dieselbe  mein  unterthänig  gehorsames  Bitten, 
meiner  jungen  Söhnlein  hochansehnliche  Herren  Tauf-Zeugen,  mein 
und  meiner  Frauen  aber  grossgunstige  und  hochgeehrte  Herren  Ge¬ 
vattern  zu  sein  und  zu  verbleiben.  Und  weil  wir  uns  entschlossen 
haben,  dieser  Tagen  einen  oder  ein  paar  von  unserer  Compagnie 
vmb  grosgT.  Erlaubnüss  auf  hirbei  nahende  Messe  anzuhalten,  hinab 
zu  schicken,  als  lebe  ich  der  ungezweifelten  Hofnung,  dass  E.  Gestr. 
und  Herrl.  selbige  mitt  einem  erfreulichen  Bescheid  widerumb  zu 
uns  abfertigen  werden.  Es  wird  sich  ein  ieder  unter  uns  nach 
der  Regel  der  Tugend  richten  und  ich  in  Sonderheit  werde  mich 
bemühen  in  der  Thatt  nach  menschlicher  müglichkeit,  zu  erweisen, 


96 


dass  ich  hin  und  die  gantze  Zeit  meines  lebens  zu  verbleiben 
gedenke 

Heidelberg  den  25.  Januarii  E.  Gestr.  und  Herrl. 

des  1668sten  Jahres.  als  meiner  grossgunstigen  und  hoch¬ 

geehrten  Herren  Gevattern 

unterthanig,  gehorsamer  und  ewig 
dankbahrer  Diener 

Peter  Schwarte,  der  anitzo  zu  Hei¬ 
delberg  befindliche  Compagni  Co- 
moedianten  Mitt  Director.«192 

Obgleich  jedoch  der  Rath,  »wie  es  nun  einmal  Christenpflicht«, 
die  Pathenstelle  nicht  ablehnte,  so  fühlte  derselbe  doch  nur  in  sofern 
ein  menschliches  Rühren  mit  dem  neuen  Gevatter,  als  er  seinen 
jungen  Sonntags-Sölmlein  ein  ansehnliches  Geldgeschenk  nach  Heidel¬ 
berg  zuschickte.  Gleichzeitig  erfolgte  aber  auch  als  böse  Zugabe  der 
gestrenge  abschlägige  Bescheid. 

Trotz  der  »fürnehmlichen  Spende«  mochten  die  Komödianten 
nun  doch  wohl  fühlen,  dass  sie  zu  weit  gegangen  waren  und  nicht 
das  rechte  Mittel  zur  Erwerbung  der  begehrten  Erlaubniss  angewandt 
hatten.  Sie  fassten  desshalb  den  Entschluss,  ihren  vermessenen  An¬ 
trag  durch  ein  ehrliches  Geständniss  in  einer  weiteren  Bittschrift 
darzulegen  und  zugleich  den  Kurfüsten  Carl  Ludwig  um  ein  Zeug- 
niss  über  ihre  sechszehnwöchentliche  Thätigkeit  zu  bitten.  Aus  dem 
Entschuldigungsschreiben  an  den  Rath  vom  13.  Februar  1668  mögen 
liier  die  wichtigsten  Stellen  wörtliche  Wiedergabe  finden. 

»Die  Begierde  diese  hochlöbliche  Stadt  wiederumb  zu  sehen, 
ist  die  zehen  Jahr  unsrer  Abwesenheit  so  gross  bei  uns  gewesen, 
dass  auch  solchen  Zweck  zu  befördern  einer  aus  unserer  Mitten  sich 
neulicher  Zeit  unterstanden,  E.  Gestr.  und  Herrl.  zu  Tauf-Zeugen 
zweier  Zwillinge  und  Ihrer  Churfürstlichen  Durchlaucht  zur  Pfalz 
Mittgevattern  zu  erbitten,  welches  so  es  etwan  für  ein  gar  zu  kühne 
Vermessenheit  hatt  wollen  angesehen  werden,  als  wollen  sich  E.  Gestr. 
und  Herrl.  hiermit  grossgünstig  berichten  lassen,  dass  es  auf  nichts 
anderes  geziehet  als  uns  einen  desto  freieren  Zutritt  zu  erwerben  und 
die  Thür  zur  verhofften  Erlaubniss  der  Comödien  zu  eröffnen«. 

Nachdem  die  Bittsteller  dann  von  ihrem  langen  Aufenthalt  in 
Heidelberg  gesprochen,  die  »Abstellung  ihrer  alten  Schulden«  in  Aus¬ 
sicht  gestellt  und  auf  das  einliegende  Zeugniss  des  Kurfürsten  Carl 
Ludwig  aufmerksam  gemacht  haben,  fahren  sie  fort:  »Obgleich  seine 
Churfürstlichen  Gnaden,  die  uns  zum  öfteren  ihre  Inclination  sehen 
lassen,  dies  zur  desto  bessern  Befürwortung  unsrer  Sache  abgegeben, 
so  sollen  doch  Ew.  Herrlichkeiten  durch  alle  unsre  Verrichtungen  in 
der  Thatt  erfahren ,  dass  wir  geschickt  genug  sein ,  uns  selbsten  zu 


97 


recommandation  von  nötlien  haben.  Wir  werden  auch  zu  Zeiten 
auf  italienische  manier  etwas  von  machinis  sehen  und  musikalische 
Scenen  hören  lassen,  welches  vor  Teutsche  etwas  Neues  sein  wird, 
im  Uebrigen  alle  unsre  Actiones  und  noch  nach  der  regel  der  Tugend 
richten.«  —  Die  Bittschrift  ist  unterzeichnet 

Hans  Ernst  Hoffmann 
Peter  Schwartz 
Johann  Wolgeliaben 
Christoph  Blümel 

Sämbtliche  Direktors  der  für  diesem  zu  Insprugg 
bedient  gewesenen  Compagnie  Comödianten. 193 

Jedenfalls  war  diese  Truppe  durch  ihre  weiten  Reisen,  besonders 
durch  ihren  Aufenthalt  in  Wien  von  16G3 — 1GG4  in  eine  neue  und 
bessere  Kunstepoche  eingetreten,  in  welcher  nicht  die  Possenreisserei 
des  Pickelhäring  oder  Hanswurst,  sondern  die  Pflege  der  musikalischen 
Stücke  den  Kernpunkt  ihres  Strebens  bildete.  Am  Kurfürstlichen 
Hof  zu  Heidelberg  erregte  nach  einer  Bemerkung  in  einer  späteren 
Bittschrift  besonders  »die  Haubtsingerin  durch  ihr  feinliches  lautiren 
in  italienischer  Manier  und  ihre  anmuthigkeit«  grosses  Aufsehen,  »wie 
auch  noch  sonsten  Seine  Churfürstlichen  Gnaden  an  allen  Gliedern 
dero  semmtlicher  Compagnie  ein  satsames  und  erquickliches  Wohl¬ 
gefallen  hatten«. 

Karl  Ludwig  v.  d.  Pfalz  zögerte  auch  keinen  Augenblick  diesen 
gethanen  Ausspruch  der  Komödianten  in  dem  begehrten  Zeugniss 
zu  wiederholen.  Nach  dem  schriftlich  vorgetragnen  Wunsche  um 
ein  paar  Worte  der  Fürsprache  ertheilte  er  seinem  Geheimsecretär 
zu  folgendem  Empfehlungsschreiben  den  Befehl : 

»Weiln  Supplicanten  sich  nicht  allein  in  ihrer  Profession,  son¬ 
dern  auch  in  anderm  ihrem  thun  und  lassen  Alliier  dergestalt  (wie 
nicht  anderst  bewusst)  wohl  verhalten,  dass  des  Pfalzgrafen  Churfürst¬ 
liche  Drchl.  ein  grossgünstliches  und  satsames  Wohlgefallen  daran  ge¬ 
habt.  Alss  ist  in  die  Unterthänigst  gebettene  Attestation,  ihr  Bestes 
zu  befördern,  hiemit  Bewilliget  vnd  werden  Höchstgd.  Ihre  Churfürstl. 
Drchl.  nicht  vngern  vernehmen,  so  selbige  bey  Bevorstehender  Mess 
der  geschöpften  Hoffnung  nach,  ihnen  zustatten  kommen  möchte. 

Yrkund  hievor  getruckten  Churfürstl.  Cantzley  Secrets. 

(Siegel)  Heydelberg  den  10.  February  1GG8. 194 

Diese  wichtige  Fürsprache,  welche  auf  die  Rückseite  der  Suppli¬ 
kation  an  den  Kurfürsten  Karl  Ludwig  geschrieben  ist,  hatte  sogleich 
eine  günstige  Wirkung.  Die  mittlerweile  in  Frankfurt  angekommenen 
Komödianten  durften  jetzt  ohne  weiteres  ihre  Bühne  im  Krachbein 
aufrichten,  noch  14  Tage  nach  der  Messe  spielen  und  sogar  ihr 
Theater  zu  künftigem  Gebrauch  stehen  lassen.  —  Aber  gerade  die 
Vorstellungen,  von  welchen  die  Directoren  die  grössten  Einnahmen 


98 


erwarteten ,  wurden  am  wenigsten  besucht.  »Die  Singekomödien« 
zogen  nur  dann  den  grössten  Tlieil  des  Publikums  an,  wenn  der 
Lustigmacher  in  den  Zwischenakten,  wie  bei  anderen  Truppen,  sein 
beliebtes  tolles  Regiment  entfaltete. 

Auch  schon  in  jener  Zeit  mussten  die  Bühnenleiter  die  Wahr¬ 
heit  des  Götheschen  Ausspruchs  erfahren  »das  Theater  ist  eines  der 
Geschäfte,  die  am  wenigsten  planmässig  behandelt  werden  können ; 
man  hängt  durchaus  von  Zeit  und  Zeitgenossen  in  jedem  Augen¬ 
blicke  ab«. 

Das  damalige  hiesige  Publikum  verlangte  aber  durch  ein  hei¬ 
teres  Element  über  die  düsteren  Eindrücke  der  Gegenwart,  besonders 
über  die  traurigen  Erinnerungen  und  Nachwehen  hinweggetäuscht 
zu  werden,  welche  die  furchtbaren  Pestjahre  in  Frankfurt  zurück- 
gelassen.  Dies  erkannten  die  Führer  »der  Inspruggischen  Compagnie« 
und  desshalb  baten  sie  auch  am  20.  August  1668  von  Aachen  aus, 
in  der  Herbstmesse  hauptsächlich  »Verrichtungen  in  rebus  Comicis« 
zum  Besten  geben  zu  dürfen,  »weilen  beides,  Obrigkeit  und  Bürger¬ 
schaft,  hieran  das  meinste  und  hechlichste  Wohlgefallen  gehabt 
haben«. 1 95 

Die  Komödiantenführer  müssen  nicht  gleich  eine  Antwort  auf 
ihre  Eingabe  erhalten  haben;  denn  sie  bitten  am  9.  September  von 
Frankfurt  aus  nochmals  und  legen  dabei  einen  besonderen  Nachdruck 
auf  den  Umstand,  dass  sie  zwischen  der  Herbst  und  Ostermesse  nur 
an  zwei  Orten,  nämlich  in  Cöln  und  Aachen,  je  zehn  Wochen  ge¬ 
spielt  hätten.  —  In  dieser  Supplikation  nennen  sie  den  Rath  (neben 
andern  Schmeicheleien)  »die  Väter  und  Erhalter  ihres  Gliikes,  und 
den  hochansehnlichen  und  gutthätigen  Taufzeugen  zweier  Zwillinge«. 
Dieser  Lobpreisung  fügen  sie  dann  noch  die  lockende  Versicherung 
hinzu  »Auch  werden  wir  etwas  wunderwürdiges  von  einer  neuen 
Invention  so  weder  Tragödie,  Comödie,  Pastoral  oder  Histori,  der 
Schatten  genannt,  welches  bei  allen  Nationen  der  Welt  niemals  ge¬ 
sehen  worden,  zum  Besten  geben«. 

War  es  die  Schilderung  dieser  neuen  Kunstgattung ,  oder  die 
geschickte  Erinnerung  an  die  Gevatterschaft  mit  dem  Komödianten 
Peter  Schwartz :  der  Rath  machte  das  Versäumte  sofort  wieder  gut 
und  gestattete  den  Direktoren  ihre  Vorstellungen  gleich  nach  dem 
Messeinläuten  zu  beginnen.  Die  Komödianten-Directoren  scheinen  über 
die  freundliche  Aufnahme  sehr  beglückt  gewesen  zu  sein;  denn  sie 
richten  am  24.  September  ein  Dankmemorial  an  den  Rath,  worin  sie 
nach  einer  für  sie  ebenso  demüthigenden,  als  für  die  Väter  der  Stadt 
schmeichelhaften  Einleitung  das  Bekenntniss  ablegen : 

»Nachdem  aber  die  Dankbarkeit  so  in  blossen  Worten  bestehet, 
gemeiniglich  für  kalt,  leer  und  eitel  angesehen  wird,  als  seind  wir 
im  werk  begriffen ,  solche  so  viel  in  unserer  Möglichkeit  ist,  auch 
etwas  in  der  Tliatt  sehen  zu  lassen,  in  dem  uns  unsere  unterthänige 


99 


Devotion  gegen  E.  Gestr.  und  Herrl.  dahin  veranlasset,  eine  aus 
vielen  andern  auserlesene  Römische  Histori,  so  noch  niemahls  in 
Frankfurth  gesehen  worden,  zu  dero  unterthänigen  Ehren  und  gross- 
günstigem  wolgefallen,  wie  sonsten  mehrmals  gebräuchlich  gewesen, 
ehestens  anzustellen«.  Die  Mitglieder  des  Raths  sollen  sich  mit  ihren 
lieben  Angehörigen  bei  den  Komödianten  einfinden,  um  den  edlen 
Römer  Titum  Manlium  Torquatum  auf  dem  Theater  mitanzusehen. 

Dieses  Stück  war  jedenfalls  die  in  jener  Zeit  vielgelesene  Ueber- 
setzung  der  Tragödie  gleichen  Namens,  welche  etwa  10  Jahre  früher 
mit  dem  berühmten  Heldendarsteller  Lenoir  la  Thorilliere  in  der 
Titelrolle  zum  öfteren  in  den  Pariser  Theatern  aufgeführt  wurde. 
Dass  die  Führer  der  »Inspruggischen  Compagnie«  gerade  dies  Stück, 
in  welchem  in  der  Person  des  tapferen  unparteiischen  Consuls  Titus 
Manlius  Torquatus  die  ganze  Strenge  der  römischen  Kriegszucht  ver¬ 
herrlicht  wird,  für  die  Raths  Vorstellung  wählten,  zeugt  für  ihr  Ver- 
ständniss,  die  gegebene  dramatische  Leistung  dem  Bildungsgrad  der 
Zuschauer  anzupassen.  Auch  gab  allerdings  diese  Tragödie,  deren 
Titelheld  die  Liebe  zum  eignen  tapferen  Sohne  der  Macht  des  Gesetzes 
nachstellt,  eine  günstige  Gelegenheit,  um  durch  feine  Anspielungen 
und  Vergleiche  den  ebenso  strengen  als  unbestechlichen  Gerechtig¬ 
keitssinn  eines  hochedlen  und  hoch  weisen  Rathes  zu  verherrlichen. 

Die  Tragödie  muss  den  grössten  Beifall  der  Mitglieder  des 
Rathes  und  ihrer  lieben  Angehörigen  gehabt  haben ;  denn  das  Gesuch 
der  Truppenführer  vom  6.  October,  noch  eine  Woche  spielen  zu 
dürfen,  wurde  sofort  unter  der  Bedingung  freundlichst  bewilligt,  dass 
sie  dem  Hospital  weitere  50  fl.  erlegen  sollten.  Eine  nochmalige 
Bittschrift  vom  15.  October  1G68  um  Hinausschiebung  des  Termins 
wurde  aber  auf  Antrag  der  Geistlichen  sofort  zurückgewiesen.  Damit 
jedoch  den  Führern  der  Inspruggischen  Compagnie,  die  sich  allem 
Anschein  nach  auf  eine  weitere  Erlaubniss  fest  verlassen  hatten,  kein 
empfindlicher  Schaden  durch  die  Abweisung  zugefügt  würde,  erliess 
ihnen  der  Rath  sogar  »grossgünsttiglich«  die  nachträglich  angesetzten 
50  fl. 190 

War  Joris  Jollifous  schon  früher  gänzlich  von  dem  Schauplatz 
des  Frankfurter  Bühnenlebens  verschwunden,  so  kam  jetzt  die  Reihe 
an  Peter  Schwartz  und  Hans  Ernst  Hoffmann,  deren  Namen  in  der 
Folge  in  den  Akten  keine  Erwähnung  mehr  finden.  Es  ist  wohl 
möglich,  dass  sie  sich  auch  später  noch  »der  besten  Quelle  ihres 
Glückes«  wie  sie  Frankfurt  in  einer  Eingabe  bezeichneten,  zuwandten, 
allein  die  Eroberungskriege  Ludwigs  XIV.,  welche  die  alte  Reichs¬ 
stadt  schon  im  Frühjahre  1673  in  grosse  Mitleidenschaft  zogen, 
machten  den  Rath  bereits  vor  dem  Beginne  des  Holländischen  Kriegs 
(von  1G72 — 1G78)  vollständig  unzugänglich  für  die  Bittschriften  der 
durchreisenden  W andertruppen. 

In  den  Schriftquellen  der  Jahre  1G69  und  1670  liess  sich  nur 

7* 


100 


ein  gedrucktes  Plakat  von  einer  am  3.  Marz  1670  gestatteten 
Seiltänzer-Vorstellung  auffinden;  aus  dem  Jahre  1671  hingegen  haben 
sich  verschiedene  Nachrichten  sogar  über  einige  nicht  zu  dem  ge¬ 
wöhnlichen  Schlage  gehörende  Komödianten-Compagnien  erhalten. 

Am  9.  Februar  1671  petitionirte  Christian  Friedrich  Loangkuppy 
im  Namen  der  Hofkomödianten  des  Markgrafen  Ferdinand  Maximilian 
von  Baden  seligen  Andenkens,  »der  vermittelst  eines  lossgegangenen 
Pürsch-Rohrs  in  einer  Carosse  nechst  vorbei  passirten  Jahres  sein 
leben  enden  und  schliessen  müssen«.  In  der  allgemeinen  Landes¬ 
trauer  über  den  plötzlichen  Tod  dieses  Fürsten,  haben  auch  die  Vor¬ 
stellungen  eingestellt  werden  müssen;  doch  ist  den  Hofkomödianten 
von  dem  Markgrafen  Leopold  Wilhelm  die  Erlauhniss  geworden, 
»dass  sie  während  der  Trauer  in  den  Reichsstädten  ad  interim  exerciren 
dürfen«.  Wenn  aber  auch  die  aus  20  Personen  bestehende  Com¬ 
pagnie  den  Vätern  der  Stadt  aufs  Beste  empfohlen  war,  wurde  sie 
dennoch  im  Hinblick  auf  die  immer  ernster  werdenden  Zeitläufte 
zurückgewiesen. 1 9  7 

Ebenso  erging  es  einer  unter  Johan  Gecler’s  und  Jean  Peter 
Portier’s  Leitung  stehenden  französischen  Gesellschaft,  welche  sechs 
Monate  lang  in  London,  nachher  in  dem  Haag  in  französischer  Sprache 
agirt  hatte  und  in  der  künftigen  Sommerszeit  an  dem  kaiserlichen 
Hof  zu  Wien  ihre  Curiositäten  sehen  lassen  wollte.  Wie  die  badi¬ 
schen  Hof-Komödianten  so  beabsichtigte  auch  diese  Truppe  in  der 
Ostermesse  1671  im  Krachbein  ihre  Vorstellungen  abzuhalten. 198 

In  der  Herbstmesse  dieses  Jahres  meldet  sich  nochmals  ein 
Komödiantenführer  Christian  Bockhausen  an,  der  sich  mit  seiner 
Gesellschaft  den  Sommer  über  im  Bade  Schwalbach  aufgehalten  und 
»daselbsten  Scenicas  ohne  jeglichen  scandalo  gegeben  hatte«.  Aber 
obgleich  er  sich  darauf  berief,  dass  er  schon  an  Kaiserlichen,  König¬ 
lichen  Kur-  und  Fürstlichen  Höfen  vor  vielen  Potentaten  agirt, 
wird  er  doch  ebenso  wenig  wie  seine  diesjährigen  Vorgänger  von 
den  besorgten  Vätern  der  Stadt  aufgenommen. 199 

Bockhausen  war  der  letzte  namhaftere  Truppenführer,  der  inner¬ 
halb  der  Zeit  vom  August  1671  bis  zum  Juli  1679  mit  seinem  »Rüst- 
wäglin«  vom  Rathe  Frankfurts  Einlass  in  die  Stadt  begehrte.  Die 
kriegerischen  Ereignisse  des  Jahres  1673,  welche  Frankfurt  sogar  in 
die  Gefahr  brachten ,  von  dem  französischen  General  Turenne  ge¬ 
nommen  zu  werden,  vertrieben  akf  lange  Zeit  alle  besseren  Wander¬ 
truppen  aus  den  Gegenden  des  Mittelrheins. 

Was  vom  Jahre  1672  bis  zum  Sommer  1679  an  Komödianten 
liier  auftrat,  gehört  in  jene  Kategorie,  welche  die  Schauspielkunst 
zur  niedrigsten  Pöbelbelustigung  herab  würdigte.  Die  bürgerliche 
Stellung  dieser  Leute  trug  noch  mehr  dazu  bei,  das  Ansehen  einer 
edlen  Kunst  immer  tiefer  in  den  Staub  hineinzuziehen.  Wie  Aus¬ 
sätzige  wurden  sie  von  der  Gesellschaft  gemieden,  wie  Verfehmte 


101 


durch  die  Kirche  von  dem  Genuss  der  den  Gläubigen  zu  Theil  wer¬ 
denden  Gnadenmittel  ausgeschlossen.  Mit  dem  elenden  Flitteraufputz 
der  »ergetzlichsten  Theaterzierrathen  und  den  erschröcklichsten  Larven« 
reisten  sie  von  Ort  zu  Ort,  darbten,  wenn  die  Kasse  leer  blieb  und 
lebten  flott,  wenn  die  derben  Spässe  des  Lustigmachers  eine  gute 
Erndte  herbei  führten.  Und  doch  hatte  dieses  vagabundirende  Künstler¬ 
thum  einen  solchen  Keiz  für  die  studirende  Jugend,  dass  viele  Musen¬ 
söhne  das  Studium  mit  dem  elenden  aber  hochromantischen  und 
ungebundenen  Wanderleben  vertauschten.  Beim  Ueb erblicken  jenes 
Zeitraumes  erscheint  dieser  Trieb  wie  eine  gnädige  Fügung,  durch 
welche  freundliche  Mächte  die  Schauspielkunst  aus  ihrer  Versunken¬ 
heit  allmählich  auf  eine  höhere  Stufe  emporhoben ;  denn  jenen  viel- 
verheissenden  Aufschwung,  den  die  deutsche  Schauspielkunst  im 
letzten  Viertel  des  XVII.  Jahrhunderts  nahm,  verdankt  sie  einzig 
und  allein  dem  redlichen  Streben  ihrer  akademisch  gebildeten  Jünger. 
Auch  in  Frankfurt  sollte  einer  der  wichtigsten  Wendepunkte  der 
Theatergeschichte  durch  den  besten  und  aufopferungsfähigsten  dieses 
Standes,  durch  den  Magister  Johann  Velthen  aus  Halle  angebahnt 
werden. 


Magister  Veltlien  in  Frankfurt. 

i. 

Ein  Wanderer,  der  einen  langen  ermüdenden  Weg  durch  eine 
öde,  nur  von  Zwergpflanzen  und  wildem  Gestrüpp  bewachsene  Haide 
zurücklegte  und  endlich  mitten  in  der  weiten  Ebene  eine  einsame 
Höhe  mit  grünem  Laubholz,  herab  rauschen  dem  Bächlein  und  saftigem 
Rasen  erblickt,  ihn  muss  ein  ähnliches  Gefühl  beschleichen,  wie  den 
aufmerksamen  Beobachter,  welcher  den  Entwicklungsgang  der  deut¬ 
schen  Schauspielkunst  von  dem  Beginne  des  dreissigjährigen  Krieges 
an  bis  zu  dem  Auftreten  des  Magisters  Johann  Yelthen  genau  verfolgte. 

Diese  an  wahren  und  erhebenden  Kunstbestrebungen  so  arme 
Epoche  ähnelt  jener  steppen  artigen  Oede  mit  dem  verkrüppelten 
Untergehölz  und  dem  dürftigen  Pflanzenwuchs ;  jener  einsamen  Höhe 
aber,  die  das  Auge  des  Wanderers  erfreut,  die  seinen  Sinn  erquickt 
und  wie  ein  Merkzeichen  aus  der  Ebene  emporragt:  ihr  gleicht  der 
muthige  Magister  Yelthen,  der  von  äcliter  Begeisterung  getrieben 
die  Kunst  aus  ihrer  Yersunkenheit  erlöste  und  ihrem  fast  erstarrten 
Körper  wenigstens  auf  eine  kurze  Spanne  Zeit  neue  Lebensgeister,  neue 
Impulse  einflösste. 

Es  ist  eine  eigenth (unliebe,  aber  durch  die  mannigfaltigsten 
Beispiele  bewiesene  Thatsache,  dass  die  Tradition  die  Thaten  und 
Schicksale  reformatorischer  Persönlichkeiten  auf  den  verschiedenen 
Gebieten  der  Künste  trotz  ihres  keiner  allzufernen  Zeit  angehörenden 
Wirkens  oft  in  einen  mythischen  Schleier  zu  hüllen  pflegt.  Auch 
die  nur  hie  und  da  zusammenhängenden  Thatsachen,  die  über  das 
Leben  und  Treiben  Yelthen’s  bekannt  wurden,  haben  eine  derartige 
Behandlung  erfahren.  Als  einer  der  erfreulichsten  Erfolge  beim 
Durchforschen  der  interessanten  Schriftquellen  des  Frankfurter  Stadt¬ 
archivs  ist  deshalb  das  Auffinden  von  hochwichtigen  Aktenstücken 
anzusehen,  welche  in  mancher  Beziehung  das  ungewisse  Halbdunkel 
lichten  und  einigen  undeutlichen  Zügen  in  dem  Lebensbilde  Yelthen’s 
bestimmtere  Grundlinien  geben  können. 

In  verschiedenen  Beiträgen  zur  Geschichte  des  Frankfurter 
Theaters  ist  seither  angenommen  Avorden,  dass  Magister  Yelthen  mit 
seiner  berühmten  Bande  zum  ersten  Mal  im  Jahre  1686  im  Krach¬ 
bein  Vorstellungen  gab,  aber  eine  eingehende  Nachforschung  rückt 


103 


dieses  Datum  sieben  Jahre  vor.  Velthen ,  der  mehrmals  auf  seinen 
Wanderzügen  Frankfurt  berührte,  würde  schon  in  der  Mitte  der 
siebenziger  Jahre  hier  gespielt  haben,  wenn  nicht  die  Nachwehen 
des  Jahres  1673  eine  mehrjährige  Ausschliessung  aller  öffentlichen 
Vergnügungen  zur  Folge  gehabt  hätten.  So  kam  er  denn  im  Juli 
1679  auf  der  Rückreise  von  Worms,  »wo  er  unlängst  vor  dem 
Römischen  Kaiser  Leopold  1.  agiret«,  wieder  nach  Frankfurt  und  bat 
den  Rath  in  einer  einfachen,  sich  höchst  vortheilhaft  von  den  da¬ 
mals  sehr  unterwürfigen  Eingaben  der  Komödianten  unterscheiden¬ 
den  Bittschrift  um  die  Erlaubniss,  während  der  Herbstmesse  im 
Krachbein  seine  Actiones  präsentiren  zu  dürfen.  Für  den  sicher 
zu  jener  Zeit  schon  weit  verbreiteten  Ruhm  der  Velthen’schen  Ge¬ 
sellschaft,  für  ihr  bürgerliches  Ansehen  zeugt  das  Verhalten  des 
Rathes,  der  nicht  eine  einzige  von  seinen  bekannten  Einwendungen 
machte,  sondern  das  Gesuch  Velthen’s  sofort  bewilligte.200 

Der  berühmte  Magister,  welcher  schon  einige  Wochen  vor  dem 
Anfang  der  Messe  seine  Vorstellungen  begann,  unterschreibt  sich 
zwar  in  verschiedenen  Eingaben  ganz  einfach  »Johann  Velthen,  Co- 
mödiant«,  aber,  wie  aus  den  Raths  Protokollen  und  Bürgermeister¬ 
büchern,  sowie  auch  aus  einigen  von  der  ganzen  Truppe  Unterzeich¬ 
neten  Supplicationen  hervorgeht,  besass  er  doch  im  Jahre  1679 
schon  das  Prädicat  »Chursächsischer  Hofeomödiaut«.  Eduard  Devrient 
irrte  also  nicht,  wenn  er  in  seiner  Geschichte  der  deutschen  Schau¬ 
spielkunst  als  ziemlich  sicher  annahm,  dass  Velthen’s  berühmte  Bande 
bei  der  Zusammenkunft  der  sämm fliehen  Mitglieder  des  sächsischen 
Fürstenhauses  im  Februar  1678  in  Dresden  zu  den  grossartigen 
Komödienaufführungen  herangezogen  und  bei  der  Abhaltung  der¬ 
selben  von  dem  Kurfürsten  Johann  Georg  II.  zu  Hofkomödianten 
ernannt  worden  sei.201  In  einer  seiner  späteren  Eingaben  aus  die¬ 
sem  Jahre  erwähnt  Velthen  auch,  dass  ihm  sein  fürstlicher  Herr  zu 
reisen  verstattet  habe,  welche  Mittheilung  eine  weitere  Bestätigung 
für  obige  Annahme  bildet. 

Es  ist  ein  eigenthümliches  Zusammentreffen,  dass  der  unmittel¬ 
bare  Vorgänger  Velthen’s  in  Frankfurt  der  Pulcinella-Spieler  Johann 
Baptiste  Pelcer  (auch  Pelcio  genannt)  war,  der  in  früheren  Jahren 
in  der  italienischen  Stegreif komödie  (Comedia  delF  Arte)  so  Vortreff¬ 
liches  geleistet  haben  soll.  Pelcer  oder  Pelcio,  der  auch  im  Pul¬ 
cinella-Spiel  als  Lustigmacher  sehr  gut  zu  improvisiren  verstand, 
bahnte  bei  seinem  mehrfachen  Aufenthalte  in  Frankfurt  in  der  Oster¬ 
messe  1676,  1678  und  1679  durch  sein  grosses  Talent  gleichsam  einer 
Kunstgattung  den  Weg,  die  Velthen  bei  dem  Mangel  an  dramati¬ 
schen  Werken  im  Augenblick  höchster  Bedrängniss  als  Notldielfer  in 
Anspruch  nehmen  musste. 

Velthen  gab  schon  bei  seinem  ersten  Aufenthalt  in  Frankfurt 
»Freie  und  bekannte  Hauptstücke«,  die  aus  den  heiligen  Schriften 


104 


und  den  alten  Helden-  und  Liebesbückern  entnommen  und  durch 
eingelegte  improvisirte  Reden  mit  einem  neuen  Reiz  ausgestattet 
waren.  Jeder  Hauptaction  oder  jedem  Hauptstück  folgte  ein  burleskes 
Nachspiel,  in  welchem,  wie  früher  bei  den  englischen  Komödianten, 
der  Lustigmacher  durch  tolle  Scherze  dem  Publikum  die  vorher 
empfangenen  ernsten  Gedanken  wieder  vertreiben  sollte.  Velthen 
erbot  sich  auch,  »eine  lustige  frembde  Komödie  mit  seiner  Bande  zu 
agiren«,  aus  welchem  Anerbieten  hervorgehen  dürfte,  dass  er  schon 
damals  Stücke  von  Moliere  seinem  Repertoire  einverleibt  hatte.  Der 
eigentliche  Kern  desselben  aber  bestand  allem  Anschein  nach  aus 
religiösen  Dramen  und  Stegreif komödien.  Letztere  waren  keine 
eigentlichen  dramatischen  Werke,  sondern  Stücke,  für  welche  von 
dem  Bühnenleiter  nur  das  Schema  für  che  Entwicklung  einer  be¬ 
stimmten  Handlung  angegeben,  der  Dialog  und  alles  Uebrige  aber 
dem  Erfindungsvermögen  der  Darsteller  überlassen  wurde.  Zu  der¬ 
artigen  Vorstellungen,  die  auch  in  Frankfurt  einen  ausserordentlichen 
Reiz  auf  das  Publikum  ausübten,  gehörten  aber  ebenso  schlagfertige 
als  sprachgewandte  Schauspieler,  weshalb  man  sich  nicht  zu  wundern 
braucht,  dass  die  Velthen’sche  Truppe  schon  bei  ihrem  ersten  Auf¬ 
enthalt  in  Frankfurt  von  den  Schreibern  in  den  Senatsprotokollen 
dann  und  wann  »die  berühmte  Bande«  genannt  wurde.  Dass  aber 
trotzdem  ein  kunstverständiger,  hochgebildeter  Mann  wie  Velthen  zu 
dem  Rettungsanker  der  Aufführung  von  Stegreifkomödien  seine  Zu¬ 
flucht  nahm,  hatte  seinen  Grund  in  dem  Verhalten  der  dramatischen 
Poesie,  welche  ihrer  darbenden  Schwester,  der  deutschen  Schauspiel¬ 
kunst,  anstatt  einer  nahrhaften  Speise  nur  werthvolle  Steine  und 
glänzende  Goldkörner  darreichte.  Um  Velthen’s  oft  als  vermessen 
getadelte  Selbsthülfe  richtig  beurtheilen  zu  können,  muss  man  einen 
Blick  auf  den  damaligen  Zustand  der  deutschen  dramatischen  Literatur 
Averfen,  welcher  die  Pflege  der  neuen  Kunstgattung  allerdings  leich¬ 
ter  verständlich  erscheinen  lässt. 

In  dem  Zeitraum,  in  welchem  den  verschiedensten  Gebieten 
der  deutschen  Wissenschaft  durch  einen  Geistesheros  wie  Gottfried 
Wilhelm  Leibnitz  neue  tiefein  greifende  Anregungen  zu  Theil  wurden, 
in  welchem  der  volksthümliche  Roman  einen  Vertreter  wie  Hans 
Jacob  Christoffel  von  Grimmelshausen  fand  und  die  deutsche  Ton¬ 
kunst  einen  bedeutenden  nachhaltigen  Aufschwung  unter  Heinrich 
Schütz  in  Dresden  erlebte:  in  demselben  Zeitraum  fehlte  dem  deut¬ 
schen  Volksdrama  der  rettende  Genius,  der  es  aus  seiner  tiefen  Ver¬ 
sunkenheit  hätte  wieder  emporheben  können.  Was  nützten  der  deut¬ 
schen  Schauspielkunst  die  gelehrten  und  schwülstigen  Dramen  der 
zweiten  schlesischen  Schule,  was  halfen  ihr  die  geistlichen  Schau¬ 
spiele  und  handlungsarmen  Moralitäten  der  Pegnitzschäfer  Johann 
Klay  und  Siegmund  von  Birken?  —  Das  Schauspiel  bedurfte  einer  ? 
anderen,  kräftigeren  Stütze,  eines  inneren  Haltes,  den  ihr  auch  die 


im  Alexandriner  geschriebenen  Renaissance-Dramen  eines  Gryphius, 
Lohenstein  und  Hoffmannswaldau  nimmer  zn  geben  vermochten. 
Opitz,  der  Tater  der  neueren  deutschen  Dichtung,  hatte  eine  wahre 
Prophezeiung  gethan,  als  er  in  seinem  Büchlein  »Ton  der  deutschen 
Poeterei«  vorherverkündigte,  dass  sich  so  bald  »kein  deutscher  Dich¬ 
ter  eines  vollkommen  heroischen  Werkes  unterstehen  werde«.  Frei¬ 
lich  trag  er  selbst  viel  zur  Erfüllung  dieses  traurigen  Ausspruchs 
durch  seine  seltsame,  im  fünften  Capitel  des  eben  genannten  Werkes 
enthaltene  Abhandlung  über  das  Wesen  der  Tragödie  bei.  Er 
charakterisirt  hier  ihre  Eigenart,  indem  er  genau  feststellte,  dass  sie 
von  königlichen  Willen,  Todtschlägen,  Terzweiflungen,  Kinder-  und 
Tatermorden  handlen  müsse.  Dieser  theoretische  Wink  würde  jedoch 
wenig  befolgt  worden  sein,  wenn  das  wirkliche  Leben,  wenn  eine 
anregendere  Zeitstimmung  den  dichterischen  Instinkt  der  deutschen 
Dramatiker  in  eine  gesundere  Bahn  gelenkt  hätte.  So  wurde  aus 
Mangel  an  nationalem  Gehalt  Literatur  und  Bühne  streng  geschie¬ 
den  und  eine  Wechselwirkung  unterbrochen,  welche  berufen  war, 
zwei  der  edelsten  Schwesterkünste  in  ein  anregendes  und  erhebendes 
Terhältniss  zu  einander  zu  stellen. 

Als  Telthen  auf  dem  Höhepunkt  seines  Strebens  stand,  hatte 
sich  dieser  Bruch  bereits  so  weit  vollzogen,  dass  der  ebenfalls  zur 
zweiten  schlesischen  Schule  gehörige  Dichter  Johann  Christian  Hall- 
man  (geb.  1647,  gest.  1707)  in  der  Torrede  zu  seinen  Trauer-, 
Freuden-  und  Schäferspielen  »diejenigen  Schauspiele,  so  von  Ehr¬ 
liebenden  und  Gelehrten  geschaffen  wurden,  denen  die  von  plebe¬ 
jischen  und  herumschweifenden  Personen  an  den  Tag  gegeben  wer¬ 
den«,  scharf  gegen  üb  erstellt.  Noch  sollte  zwar  in  Christian  Weise 
(1678  — 1708  Rector  des  Gymnasiums  in  Zittau)  auf  dem  entlaubten 
Stamme  des  Tolksdramas  ein  neuer  Zweig  zum  Grünen  kommen, 
aber  es  fehlte  ihm  doch  zu  sehr  an  achter  dramatischer  Triebkraft, 
um  neben  dem  reichen  Blätterschmuck  (er  schrieb  nicht  weniger  als 
vierundfünfzig  Stücke)  »auch  volle  zum  Kranze  geborene  Blüthen« 
treiben  zu  können.  Lessing,  der  jedes'  volkstümliche  Streben  hoch¬ 
schätzte,  hat  diesem  Dichter  in  einem  Briefe  an  seinen  Bruder  ein 
ehrendes  Denkmal  gesetzt,  aber  es  darf  trotzdem  nicht  vergessen 
werden,  dass  Weise’s  dramatische  Werke,  die  er  nach  eigner  Mit¬ 
teilung  »nur  zu  Lust  und  Nutz  der  spielenden  Jugend«  schrieb,  der 
berufsmässigen  Schauspielkunst  kaum  nennenswerthe  Dienste  geleistet 
haben.  —  Im  Hinblick  auf  alle  diese  Punkte  wird  man  es  leichter 
verstehen,  dass  Telthen  mit  seinen  gebildeten  Sodalen  die  ganze 
Existenz  der  Schauspielkunst  auf  einen  kühn  gewagten  Wurf  setzte. 

Wie  die  deutsche  Theatergeschichte  lehrt,  Hat  sich  die  Telthen’- 
sche  Bande  nicht  lange  nach  jener  berühmten  Dresdener  Aufführung 
des  Polyeuct  von  Corneille  (nach  Cormarten’s  Bearbeitung),  etwa 
1669,  gebildet.  Diese  Torstellung  erweckte  in  dem  berühmten  Ma- 


106 


gister  wegen  der  ihm  trefflich  gelungenen  Durchführung  einer  Rolle 
für  immer  die  Liebe  zur  darstellenden  Kunst.  Dass  aber,  wie  schon 
oft  behauptet  worden  ist,  der  Schauspieler  Andreas  Elenson  während 
der  ersten  zwanzig  Jahre  nach  ihrer  Gründung  ein  stetes  Mitglied 
der  berühmten  Bande  gewesen  sei,  wird  durch  die  Geschichte  des 
Frankfurter  Theaters  aufs  Entschiedenste  widerlegt. 

Elenson  kann  der  Velthen’schen  Truppe  nur  wenige  Jahre 
angehört  haben.  Schon  Anfangs  September  1678  kam  er  nämlich 
als  »Principal  der  'Wienerischen  Compagnie«  nach  Frankfurt  und 
suchte  mehrmals  vergeblich  um  die  Erlaubniss  nach,  während  der 
Herbstmesse  seine  »Actiones  comicas  exhibiren«  zu  dürfen.  Als  er 
mit  seinen  Bitten  nicht  nachliess,  wurde  es  ihm  endlich  unter  dem 
Vorbehalte  gestattet,  »dass  er  sich  mit  der  sächsischen  Compagnie 
vereinigen  solle,  um  mit  ihr  auf  einem  Theatro  abwechslungsweise 
zu  spielen«.202 

Es  zeugt  für  den  grossen  Sinn  Velthen’s,  dass  er  sich  gegen 
diese  Anordnung  des  Ratlies  mit  keinem  Worte  auflehnte,  vielmehr 
seinem  einstigen  Kameraden  die  Mitbenutzung  des  Theaters  im  Ballen¬ 
haus  zum  Krachbein  sofort  gestattete.  Aber  Elenson’s  Truppe  hatte 
sich  in  eine  gefährliche  Konkurrenz  begeben,  sie  machte  neben  der 
berühmten  Bande  keine  guten  Geschäfte  in  Frankfurt  und  hatte 
nur  »das  gewöhnliche  Volk  zu  Kunden«.  —  In  einer  Eingabe  vom 
25.  September  1679,  in  welcher  Elenson  um  die  Gestattung  zur  Dar¬ 
stellung  von  »sechs  weiteren  Komödien«  nachsucht,  hebt  er  es  aus¬ 
drücklich  hervor,  »dass  die  andere  Parthey  ihn  in  denen  Einkünfften 
weith  übertroffen  habe«.  Obschon  der  Bittsteller  sich  auch  auf  die 
Empfehlung  »von  einem  angesehenen  Herrn  Fabricio«  berief,  wies 
der  Rath,  weil  die  auferlegten  Abgaben  an  die  Hospitalskasse  nicht 
geleistet  waren,  sein  Begehren  doch  energisch  zurück.  —  Hierauf 
wollte  Elenson  sich  nun  nach  Leipzig  wenden,  aber  seine  Creditoren 
Hessen  ihn  nicht  von  Frankfurt  abziehen. 

Aus  solcher  traurigen  Lage  befreite  ihn  Yelthen,  dessen  hoch¬ 
herziger  und  edler  Charakter  in  seinem  ganzen  Verhalten  gegen 
Elenson  zum  schönsten  Ausdruck  kommt.  Yelthen  machte  es  in  der 
That  wie  der  barmherzige  Samariter,  der  dem  Geschlagenen  Oel  und 
Wein  in  die  Wunden  goss  und  später  dem  Wirthe  noch  zween 
Groschen  zu  seiner  Verpflegung  daliess;  denn  er  befriedigte  Elen¬ 
son’s  Gläubiger,  zahlte  die  25  Thlr.  für  das  Hospital,  trug  alle  Bau- 
und  anderen  Kosten  allein  und  gab  der  Compagnie  —  um  mit  seinen 
eigenen  Worten  zu  reden  »dazu  noch  aus  freyem  gutwilligem  Herzen 
40  Thlr.  aus  seinem  Beitel  auf  die  Reise  nach  Leipzig,  wo  sie  nun 
ihr  besseres  Fortune  zu  suchen  willens  war«.203  —  Zu  kleinlichem 
Künstlerneid,  zu  eitler  Selbstüberhebung  scheint  der  Charakter  Yel¬ 
then’s  nicht  die  geringste  Anlage  gehabt  zu  haben.  Yelthen  erwähnt 
seine  durch  Elenson’s  traurige  Lage  vermehrten  Ausgaben  beiläufig 


107 


und  in  einer  so  einfachen  und  selbstverständlichen  Weise,  dass  auch 
nicht  der  leiseste  Gedanke  aufkommen  könnte,  als  habe  er  sich  da¬ 
durch  den  Rathsmitgliedern  gegenüber  in  ein  günstiges  Licht  stellen 
wollen. 

Liess  er  aber  auch  in  der  schlichten  Erzählung  der  Thatsachen 
seine  eigene  Person  vollständig  in  den  Hintergrund  treten,  so  scheint 
dennoch  sein  edles  Verhalten  dem  Rath  einen  tiefen  Eindruck  ge¬ 
macht  zu  haben.  Zeichnete  dieser  doch  Velthen  dadurch  aus,  dass 
er  die  ihm  Anfangs  October  ofterirte  Benefizkomödie  in  corpore 
besuchte  und  sein  Gesuch  um  die  Erlaubniss  von  fünf  weiteren 
Vorstellungen  sogleich  und  ohne  einschränkende  Bedingungen  be¬ 
willigte.204 

Ehe  Velthen  in  der  Herbstmesse  mit  seiner  Truppe  von  Frank¬ 
furt  nach  Süden  zu  abreiste,  gab  er  noch  zum  Besten  der  Armen 
eine  Hauptaction,  dessen  lustiges  Nachspiel,  verschiedenen  traditio¬ 
nellen  Mittheilungen  und  einer  noch  bis  vor  wenigen  Jahren  erhal¬ 
ten  gewesenen  gedruckten  Ankündigung  zufolge,  »Peter  Squenz«, 
das  lebensfähigste  dramatische  Werk  von  Andreas  Grvphius  gewesen 
ist.  —  Dieses  Stück  bleibt  deshalb  noch  heute  so  ausserordentlich 
interessant,  weil  es  in  gewisser  Beziehung  eine  grosse  Aehnlichkeit 
mit  dem  Sommernachtstraum  von  Shakespeare  hat.  Ausser  der  komi¬ 
schen  Darstellung  von  Piramus  und  Thisbe  finden  sich  in  dem  Peter 
Squenz  von  Grvphius  alle  lächerlichen  Gestalten  der  Handwerker- 
scenen  aus  der  Märchenkomödie  des  englischen  Dichters  wieder. 
Auch  die  Angehörigen  des  Hofes,  denen  die  Komödie  vorgespielt 
werden  soll,  fehlen  bei  Grvphius  nicht,  der  schliesslich  die  Aehnlich¬ 
keit  durch  die  komischen  Vorbereitungen  und  Beratschlagungen 
der  Handwerker  ganz  frappant  werden  lässt.  Es  ist  vielfach 
und  überzeugend  nachgewiesen  worden,  dass  sich  der  schlesische 
Dichter  trotz  dieser  genauen  Uebereinstimmungen  nicht  an  Shake¬ 
speare  anlelmte,  dass  er  überhaupt  die  Werke  desselben  vielleicht  gar 
nicht  kannte. 

Hier  mögen  alle  Untersuchungen  über  das  Verhältniss  des 
Grvphius  zu  Shakespeare  unterbleiben  und  wollen  wir  statt  dessen 
eine  Scene  der  dreiaktigen,  von  Velthen  hier  als  Schlussvorstellung 
aufgeführten  Komödie  teilweise  wiedergeben.  Nachdem  im  ersten  Akte 
Peter  Squenz,  der  Schreiber  und  Schulmeister  zu  Rumpels-Kirchen, 
den  Handwerkern  den  Verlauf  des  Stückes  berichtet  hat,  fährt 
er  fort : 

»Thisbe  kommt  wieder  und  findet  Piramum  todt,  derowegen 
ersticht  sie  sich  ihm  zu  Trotz. 

Pickelhäring  (des  Königs  lustiger  Rath  und  Darsteller  des  Pira- 
mus).  Und  stirbt? 

P.  Squenz.  Und  stirbt. 

Pickelhäring.  Das  ist  tröstlich,  es  wird  Übermassen  schön 


108 


zu  sehen  seyn:  aber  saget,  Herr  Peter  Squenz,  hat  der  Löwe  auch 
viel  zu  reden  ? 

P.  Squenz.  Nein,  der  Löwe  muss  nur  brüllen. 

Pickelhäring.  Ey  so  will  ich  der  Löwe  seyn,  denn  ich 
lerne  nicht  gerne  viel  auswendig! 

P.  Squenz.  Ey  nein,  Mons.  Pickelhäring  muss  ein  Haupt¬ 
person  agiren. 

Pickelhäring.  Habe  ich  denn  Kopffs  genug  zu  einer  Haupt¬ 
person? 

P.  Squenz.  Ja  freylich.  Weil  aber  vornehmlich  ein  tapfferer, 
ernsthaffter  und  ansehnlicher  Mann  erfordert  wild  zum  Prologo  und 
Epilogo,  so  will  ich  dieselbe  auf  mich  nehmen,  und  Vorredner  und 
Nachredner  des  Spieles,  das  ist:  Anfang  und  das  Ende  seyn. 

Meister  Kriks.  In  Wahrheit.  Denn  weil  ihr  das  Spiel 
macht,  so  ist  billig,  dass  ihr  auch  den  Anfang  und  das  Ende  dran 
setzet. 

Meister  Klipperling.  Wer  soll  denn  den  Löwen  nun 
tragiren?  Ich  halte,  er  stünde  mir  am  besten  an,  weil  er  nicht  viel 
zu  reden  hat. 

Meister  Kriks.  Ja  mich  diinket  aber,  es  sollte  zu  schreck¬ 
lich  lauten,  wenn  ein  grimmiger  Löwe  hereingesprungen  käme  und 
gar  kein  Wort  sagte,  das  Frauenzimmer  würde  sich  zu  heftig  ent¬ 
setzen. 

Meister  Klotz.  Ich  halte  es  auch  dafür.  Sonderlich  wäre 
es  rathsam  wegen  der  Weiber,  dass  ihr  nur  bald  anpfänglich  sagtet, 
ihr  wäret  kein  echter  Löwe,  sondern  nur  Meister  Klipperling,  der 
Schreiner. 

Pickelhäring.  Und  zum  Wahrzeichen  lasset  das  Sclmrtz- 
fell  durch  die  Löwenhaut  hervorschlenkern.« 

Die  Schauspielerdilettanten  überlegen  dann  noch,  wie  die  Löwen¬ 
haut  zuwege  zu  bringen  sei,  dann  giebt  Peter  Squenz  dem  Dar¬ 
steller  des  Löwen,  Meister  Klipperling,  noch  den  guten  Rathschlag: 
»Lasset  euch  unterdessen  die  Nägel  fein  lang  wachsen  und  den  Bart 
nicht  abscheeren,  so  sehet  ihr  einem  Löwen  desto  ähnlicher.  —  Nun 
ist  einer  Difficultät  abgeh olffen,  aber  hier  will  mir  das  Wasser  des 
Verstandes  schier  die  Mühlräder  des  Gehirns  nicht  mehr  treiben,  der 
Kirchen -Leh rer  Ovidius  schreibt,  dass  der  Monden  geschienen  habe, 
und  wissen  wir  nicht,  ob  der  Monde  auch  scheinen  werde,  wenn 
wir  das  Spiel  tragiren  werden.«205 

Nachdem  die  Handwerker  über  die  Darstellung  des  Mondes 
einig  geworden  sind,  folgen  nun  die  weiteren  Berathungen  über  die 
Wand,  den  Darsteller  des  Piramus  und  den  Vertreter  des  Brunnens, 
welch’  letzterer  bekanntlich  im  Sommernachtstraum  von  Shakespeare 
nicht  vorkommt. 

Gerade  diese  Handwerkerscenen  müssen  zur  grössten  Belustigung 


109 


des  Frankfurter  Publikums  ausgefallen  sein ;  denn  eine  Art  von 
Pulcinella,  welcher  in  der  folgenden  Ostermesse  in  einer  Bude  am 
Main  Vorstellungen  gab,  versicherte  auf  einer  plakatartigen  Ankün¬ 
digung  »dass  seine  Docken  es  den  Handswerksleuten  der  berühmten 
Bande  zur  allgemeinen  Freud’  des  Publico’s  in  allen  Stücken  gleich 
tliun  sollten«. 

Die  vielen  Unkosten,  welche  Magister  Velthen  durch  das  Ein¬ 
richten  seines  Theaters  im  Ballenhaus  zum  Krachbein  tragen  musste, 
zeugen  für  den  Fortschritt  des  Decorationswesens ,  den  auch  seine 
Bühne  mittlerweile  durch  den  Einfluss  des  Singspiels  und  der  Oper 
hatte  machen  müssen.  Für  den  Aufbau  eines  »doppelten  Schauplatzes«, 
d.  h.  für  eine  Bühne,  welche  aus  einem  vorderen  und  hinteren  Theil 
bestand,  musste  er  ausser  dem  hohen  Preis  für  »die  Tapezerien«,  die 
für  die  damalige  Zeit  bedeutende  Summe  von  40  Rchsthlr.  bezahlen.206 

Der  bei  den  englischen  Komödianten  meistens  zur  Darstellung 
von  Gemächern  benutzte,  durch  einen  in  der  Mitte  auseinanderzieh¬ 
baren  Vorhang  abgeschlossen  gewesene  Raum  hatte  inzwischen  eine 
weitere  Ausdehnung  und  für  die  Aufführung  der  Stücke  grössere 
Bedeutung  gewonnen.  Er  war  von  der  kleiner  gewordenen  Vorder¬ 
bühne  durch  eine  »Tapete«  geschieden,  welche  nach  Belieben  in  die 
Höhe  gezogen  und  niedergelassen  werden  konnte.  Sobald  man  für 
einen  scenischen  Vorgang  eine  weitere  Perspective  bedurfte,  wurde 
die  hintere  Abtheilung  geöffnet,  während  sich  alle  einfacheren  Dar¬ 
stellungen  nur  auf  dem  vorderen  Theil  der  Bühne  abspielten.  Die¬ 
selbe  hatte  auf  beiden  Seiten  Tapetenwände  und  wurde  in  den 
Zwischenpausen  durch  eine  aufrollbare  Gardine  (Vorhang)  gegen  den 
Zuschauerraum  abgeschlossen.  Aeusserlich  hatte  also  das  Theater 
eine  grosse  Vervollkommnung  erfahren,  es  fehlte  ihm  nur  der  poeti¬ 
sche  Geistesheros,  der  es  auch  in  literarischer  Beziehung  auf  eine 
gleiche  Höhe  hätte  stellen  können. 

Dass  auch  weibliche  Mitglieder  bei  der  berühmten  Bande  waren, 
z.  B.  Velthen’s  Frau  und  deren  Schwester,  ist  eine  bekannte  That- 
saclie,  welche  hier  um  so  weniger  einer  ausführlichen  Erwähnung 
mehr  bedarf,  als  die  Frauen  ja  bereits  schon  über  zwanzig  Jahre 
früher  durch  Joris  Jollifous  auf  der  Frankfurter  Schaubühne  als  Dar¬ 
stellerinnen  eingeführt  worden  waren. 

Es  sei  nur  noch  angeführt,  dass  jene  Frau,  welche  1G80  sich 
in  Frankfurt  den  die  »exercitien«  anzeigenden  Reitern  anschloss  und 
»in  einem  glänzend  männlichen  Sammetkleid«  grosses  Aufsehen  er¬ 
regte,  keineswegs  eine  Schauspielerin,  sondern  dieselbe  berühmte 
Kunstreiterin  war,  die  auch  in  rheinischen  Städten,  z.  B.  in  Cöln, 
durch  eine  gleich  kecke  Art  ebensoviel  Anstoss  als  Aufsehen  er¬ 
regte.  Sie  wurde  für  die  erste  Schauspielerin  zu  Frankfurt  gehalten,207 
welcher  Irrthum  leicht  begreiflich  ist,  wenn  man  bedenkt,  wie  schwer 
zugänglich  früher  die  Quellen  des  Frankfurter  Stadtarchivs  gewesen  sind. 


110 


Als  Velthen  in  der  Herbstmesse  1679  von  Frankfurt  abreiste, 
Hess  er,  ein  Wiederkommen  in  der  folgenden  Ostermesse  beabsichti¬ 
gend,  mit  Bewilligung  des  Rathes  seine  Bühne  im  Ballenhaus  zum 
Krachbein  stehen.  Im  Februar  und  März  1680  bat  Velthen  wieder¬ 
holt,  »nach  vollbrachter  heiliger  Fasten-  und  Oster n-Feyertage  bis  an 
die  Zeit  der  nächst  bevorstehenden  Gottesdracht  oder  Messe  in  Cöln 
etliche  wenige  gute  unärgerHche  Comüdien  vorstellen  zu  dürfen«. 
Trotz  des  grossen  Ansehens,  Avelches  er  beim  Rath  genoss,  schlug 
dieser  sein  Gesuch  aus  Besorgniss  über  die  ernster  gewordenen 
Zeitverhältnisse  zwar  anfangs  ab,208  bewilligte  es  aber  endlich  nach 
mehrmaligem  Bitten.  Yelthen  spielte  nun  etwa  drei  Wochen  lang 
in  Frankfurt  und  begab  sich  dann  mit  seiner  berühmten  Bande  nach 
Cöln,  wo  ihm  sein  »freies  exercitium  zu  präsentiren  bereits  gnädig 
vergönnt  und  erlaubt  worden  war«. 

Yor  der  Herbstmesse  desselben  Jahres  kam  Yelthen  wieder 
mit  seiner  Truppe  nach  Frankfurt  zurück,  aber  er  wurde  ungeachtet 
der  hohen  Fürsprache  des  kurfürstlich  Mainzischen  Oberhofmarschalls 
Grafen  von  Schönborn  ein  für  allemal  mit  der  Vertröstung  abgewie¬ 
sen,  dass  er  zu  einer  anderen,  besseren  Zeit  Berücksichtigung  finden 
solle.209  Die  Wirksamkeit  Spener’s,  der  durch  die  Einrichtung  der  be¬ 
rühmten  Collegia  pietatis  (gottesdienstliche  Hausandachten)  besonders 
in  den  höheren  Kreisen  Frankfurts  einen  vollständigen  Umschwung 
in  Sitte  und  Denkart  herbeigeführt  hatte,  gewann  auch  in  Bezug  auf 
das  Gestatten  theatralischer  Vorstellungen  immer  mehr  Einfluss  auf 
die  Beschlüsse  des  Rathes.  Dass  jedoch  Philipp  Jacob  Spener  jetzt 
und  später  nicht  entschiedener  gegen  die  Vorstellungen  der  berühm¬ 
ten  Bande  auftrat,  dass  er  erst  nach  der  letzten  Kunstthätigkeit 
Velthen’s  in  Frankfurt  gemeinsam  mit  den  Scholarchen  gegen  die 
Zulassung  von  Komödianten  zu  eifern  begann,210  ist  ein  indirektes 
Ehrenzeugniss  für  Yelthen,  dessen  sittliches  Verhalten  dem  frommen 
Gottesmann  ebensowenig  zum  Tadel  Veranlassung  geben  mochte,  als 
seine  zum  grössten  Tlieil  aus  religiösen  Stoffen  aufgebauten  Haupt¬ 
actionen. 

Nach  ein  und  einhalbjähriger  Abwesenheit  kehrte  Velthen  vor 
der  Ostermesse  1682  wieder  nach  Frankfurt  zurück.  Da  seine  erste 
Bittschrift  vom  18.  April  dieses  Jahres  nicht  allein  über  sein  künst¬ 
lerisches  Wirken  in  der  Zwischenzeit,  sondern  auch  über  einige 
andere  interessante  Punkte  klaren  Aufschluss  giebt,  so  mag  dieselbe 
wenigstens  theilweise  hier  wörtlich  Wiedergabe  finden  : 

»Hochedle,  Gestrenge,  grossgünstige  und  hoch  weise  Herren ! 
Ew.  Hochedlen  Gestrengen  und  Herrlichkeiten  gebe  ich  hiermit  ge- 
horsamHch  zu  verstehen,  dass  eine  Zeit  liero  mit  bey  mir  habender 
Sächsischer  Comödianten  Gesellschaft  in  Nürnberg,  Regenspurg,  Augs- 
purg,  München  (aus  welcher  letzt  genandten  Statt  ich  recta  anhero 
kommen  bin)  alwo  allenthalben  Gott  Lob  reine  und  gesunde  Luft  ist, 


111 


ich  mich  aufgehalten  und  mit  Bewilligung  iedes  Orts  Obrigkeit 
meine  Comoedieu  exhibirt  habe.  Weil  nun  ein  gleichmässges  bene- 
ficium  auch  diesses  Orts  ich  gern  geniissen  und  dehnen  Gnädigen  und 
Günstigen  Herrn  und  Liebhabern  zu  ihrer  verlangenden  Gemiiths- 
erlustigung  mit  meinen  Actionibus  unterthänigst  aufwarten  wollte, 
absonderlich  und  bevoraus  dehnen  Hohen  Herren  Herrn  Abgesanden, 
welche  meine  Comoedien  zu  sehen,  gnädig  Verlangen  tragen,  zumahlen 
an  Selbige,  von  dehnen  Herrn  Abgesanden  von  Regen spurg  auss 
ich  mit  diesen  meinen  exercitio  bestermassen  bin  recommandirt  wor¬ 
den.  Alb  gelangt  derenthalben  an  Ew.  Herrl.  die  Bitte,  dass  mir  ge¬ 
stattet  werde,  auch  in  Frankfurt  eine  kurze  Zeit  subsistiren  und 
etliche  gute  Comödien  präsentiren  zu  dürfen.« 

Hierauf  bittet  Velthen  den  Rath,  folgende  Punkte  bei  seinem 
Beschlüsse  in  Betracht  zu  ziehen:  »Erstlich,  das  vor  anderthalb 
Jahren  ich  eine  unfruchtbare  Reise  mit  grossem  meinen  Schaden  und 
Unkosten  anliero  gethan,  da  denn  von  Ew.  Hochedlen  Gestrengen  und 
Herrl.  mir  zwar  abschlägliche  Antwort  worden,  iedoch  mit  getrösteter 
Hoffnung,  zu  einer  anderen  Zeit  gnädigerer  Erklärung  zu  gewarthen. 
Zweitens,  das  meine  Comödien  ohne  einige  Aergernuss  sind  und 
nichts  so  wider  Tugend  und  gute  Sitten  währe,  in  sich  begreifen. 
Drittens,  das  das  wenige  Geld,  so  ich  etwa  von  hohen  Herren 
und  Standespersonen,  auch  anderen  frembden  Cavalieren  und  Frauen¬ 
zimmern,  als  Zuschauen,  verdienen  möchte,  ich  mit  meinen  Leuthen 
und  agenten  wegen  nothwendigen  Lebensmittel  und  anderer  unver¬ 
meidliche  Unkosten  allhier  wieder  verzehren  muss,  und  also  gemeiner 
Statt  nicht  der  geringste  Schade  oder  Abbruch  daher  entstehet.  Als 
getrost  ich  mich  einer  gnädigen  erhörung  und  Gewehrung  dieser 
meiner  unterthänigen  Bitte. 

Ew.  Hochedlen  Gestrengen  und  Herrlichkeiten 
gehorsamer  Diener 
Johann  Velthen, 

director  der  Sächsischen  Comödianten.« 

Als  ihm  auf  diese  Eingabe  kein  günstiger  Bescheid  zu  Theil 
wurde,  petitionirte  Yelthen  am  18.  April  nochmals.  Dieses  Gesuch 
wurde  durch  die  beiden  hier  weilenden  Kaiserlichen  Herren  Pleni- 
potentiarii  unterstützt,  welche  »mit  ihren  Frauenzimmern  in  Regens- 
purg  seine  Actiones  oft  und  mit  einem  absunderlichen  und  sattsamen 
Vergnügen  angesehen  hatten«.  Um  ihrer  Empfehlung  einen  beson¬ 
deren  Nachdruck  zu  geben,  schickten  sie  eigens  einen  adligen  Cava- 
lier  zu  dem  ältern  Herrn  Bürgermeister  Philipp  Christian  Lersner, 
der  für  Yelthen  eintreten  und  dem  Oberhaupte  der  Stadt  versichern 
musste,  wie  sein-  ein  hochweiser  und  hochedler  Rath  die  Herren 
Gesandten  und  »ihres  Gleichen«  durch  die  Annahme  der  jetzt  hier 
anwesenden  sächsischen  Komödianten  verpflichten  würde.211 

Diese  wichtige  Befürwortung  blieb  nicht  ohne  Erfolg;  Yelthen 


erhielt  sofort  unter  dem  alten  Yorbehalt  Erlaubniss,  dass  er  dem 
Hospital  50  Rchsthl.  entrichte  und  zum  Besten  der  Stadtarmuth  eine 
Comödie  spiele.  Wie  bei  seinem  ersten  Aufenthalt  so  setzte  man 
auch  diesmal  das  Eintrittsgeld  für  die  »Spectatores«  auf  10  und  12  kr. 
fest,  welche  Taxe  auch  in  den  folgenden  Jahren  beibehalten  wurde. 

Am  18.  Mai  1682  bedankt  sich  Yelthen  für  die  willfärige 
Güte  des  Rathes,  welche  seinen  Termin  hinausgeschoben  und  ihm 
noch  bis  Ende  dieses  Monats  zu  spielen  versattet  habe. 

So  gnädig  wie  gegen  Yelthen  hatten  sich  die  Yäter  der  Stadt 
noch  gegen  keinen  Leiter  einer  Wandertruppe  gezeigt,  so  viele  Yer- 
treter  der  berufsmässigen  Schauspielkunst  auf  ihren  Rüstwäglein  durch 
die  Thore  der  alten  Reichsstadt  auch  schon  eingezogen  waren.  Man 
merkt  es  allen  auf  Yelthen  bezüglichen  Yerordnungen  an,  dass  man 
ihn  für  eine  ganz  besondere  Erscheinung  auf  dem  Gebiete  seiner 
Kunst  hielt,  der  man  sich  ohne  Bedenken  willfähriger  als  sonst  zeigen 
und  die  grössten  Zugeständnisse  machen  durfte.  Jedenfalls  bekam  auch 
aus  diesem  Grunde  Yelthen  keinen  abschlägigen  Bescheid,  als  er 
am  30.  Mai  1682  um  weitere  Prolongation  des  ihm  angesetzten 
Termins  nachsuchte.  Er  erhielt  nicht  allein  die  Erlaubniss,  noch 
vier  Wochen,  also  bis  zum  ersten  Juli,  spielen  zu  dürfen,  sondern 
bekam  auch  auf  seine  gleichzeitige  Anfrage  wegen  der  Zulassung  in 
der  Herbstmesse  die  günstige  Antwort,  dass  man  ihm  gerne  willfahren 
würde,  wenn  anders  die  Zeiten  in  gutem  Stande  blieben.212 

Yelthen  suchte  sich  für  das  grosse  Wohlwollen  des  Rathes 
einigermassen  dadurch  dankbar  zu  beweisen,  dass  er  die  Stadtarmen 
nicht  vergass  und  mehrere  Yorstell ungen  zum  Besten  derselben  gab. 
Auch  in  seinem  zuletzt  gedachten  Gesuch  bittet  er  wieder  um  Be¬ 
stimmung  eines  Tages  für  eine  »Armen-Comüdie«,  deren  Ansetzung  zu 
gelegener  Zeit  einer  Commission  aus  Rathsmitgliedern  überlassen  blieb. 

Im  Monat  Juni  aber  nahm  der  Besuch  des  Yelthenschen  Thea¬ 
ters  wegen  der  plötzlich  eintretenden  Hitze  bedeutend  ab,  so  dass 
der  Direktor  den  vordem  erzielten  Gewinn  zum  grössten  Theil  wieder 
zusetzen  musste.  Er  berichtet  dies  dem  Rath  in  einer  Eingabe  vom 
27.  Juni  1682,  in  welcher  er  zugleich  um  Bewilligung  nachsucht, 
»wegen  der  grossen  aufferbauungskosten«  die  Bühneneinrichtung  im 
Ballenhaus  zum  Krachbein  stehen  lassen  zu  dürfen.  Dies  Begehren 
wurde  ihm  zwar  gewährt,  aber  Yelthen  musste  bis  zu  seiner  Wieder¬ 
kehr  in  der  Herbstmesse  dem  Wirthe  ein  nicht  unbedeutendes  Stand¬ 
geld  dafür  zahlen.  Yon  Anfangs  Juli  bis  Ende  August  scheint  der 
Magister  sich  mit  seiner  berühmten  Bande  in  Mainz  aufgehalten 
zu  haben;  denn  einige  hohe  Cavaliere  aus  dieser  Stadt,  welche 
Ende  August  nach  Frankfurt  reisten,  baten  gemeinschaftlich  mit  den 
Kaiserlichen  Abgesandten,  dass  der  Rath  sein  Spiel  schon  vor  dem 
Anfang  der  Herbstmesse  beginnen  lassen  möge,  auf  welches  Ansuchen 
ihnen  ein  befriedigender  Bescheid  zu  Theil  wurde. 


119 


Als  gelanget  an  Ew.  Hoch-  und  Wohl.  Edl.  Gestr.  Herrl.  und 
fürsichtige  Weißheit  mein  unterthäniges  Ansuchen  und  Bitten,  mir 
gleich  "wie  dem  Poppenspiel  und  Schatten  beschehen,  che  gnad  zu 
erweisen,  absonderliche  da  Gott  der  Allmächtige  die  christliche  Waffen 
gegen  den  Erbfeind  bekanntlich  gesegnet,  und  dadurch  sowohl  in 
hiesiger  Stadt  alß  aller  Orthen  grose  Freude  verursachet,  und  daß 
diese  Meß  (dann  Anfangs  Michaelis  Meß  wieder  zu  Leipzig  sein 
muß)  einige  Comoedien  agiren  dörffen,  hoch  geneigt  zu  erlauben. 
Dann  folgt  die  einfache  Unterschrift 

»Johann  Veltens  Churfürstlich 
Sächsisch  würcklicher 
Hofcomoediant.« 

Diese  gedrungene  einfache  Fassung  charakterisirt  Velthen  nicht 
allein  in  seinen  verschiedenen  Petitionen  an  den  Rath  Frankfurts; 
sie  findet  sich  auch  in  den  Eingaben  an  den  Kurfürsten  Johann 
Georg  III.  von  Sachsen  wieder,218  der  Velthen  nach  der  1684 
erfolgten  Rückkehr  nach  Dresden  im  Herbste  1685  zum  Mitdirektor 
des  neu  errichteten  Hoftheaters  ernannt  hatte.219  Der  grösste  Theil 
der  Velthen’schen  Gesellschaft  trat  mit  in  diesen  neuen  Verband  ein, 
dem  sich  1686  noch  eine  vorzügliche  Kraft,  nämlich  die  junge  kunst¬ 
begeisterte  Sara  von  Bocksberg  zugesellte. 

Wie  Velthen  in  einem  anderen  Schreiben  an  den  Rath  mit¬ 
theilte,  hatte  der  Kurfürst  Georg  III.  seinen  »würklichen  Comödianten« 
eine  Weile  bis  zum  Anfang  der  Leipziger  Michaelis-Messe  zu  reisen 
verstattet.  Hieraus  lässt  sich  mit  Sicherheit  schliessen,  dass  die  Schau¬ 
spieler  und  Schauspielerinnen,  die  1686  zum  Personalbestand 
des  neu  errichteten  Dresdener  Hoftheaters  gehörten,  in  der  Herbst¬ 
messe  desselben  Jahres  in  Frankfurt  bei  den  theatralischen  Vor¬ 
stellungen  im  Krachbein  mitwirkten.  Hier  sollen  nur  die  haupt¬ 
sächlichsten  namhaft  gemacht  werden. 

Ausser  Velthen  selbst  befanden  sich  bei  der  berühmten  Bande  : 
seine  Gattin,  Katharina  Elisabeth,  und  deren  Schwester,  welche  beide 
als  kurfürstliche  Komödianten  einen  Gehalt  von  .  je  100  Thalern 
bezogen,  ferner  Balthasar  Brambacher  und  seine  Frau,  die  neckische 
und  heitere  Rollen  sehr  vortrefflich  gespielt  haben  soll.  Sodann  ist 
besonders  Gottfried  Salzsieder,  ein  Altersgenosse  des  Direktors  und 
ehemaliger  Jenenser  Studiosus,  zu  erwähnen,  der  zum  alten  Stamm 
der  Velthen’schen  Gesellschaft  gehörte  und  sich  mit  Christian 
Janezschky  und  Reinhard  Richter  in  die  Hauptrollen  theilte.  —  Wie 
Velthen  als  Darsteller  Moliere’scher  Charaktertypen,  so  soll  sich  Salz¬ 
sieder  besonders  durch  seine  lebhafte  Phantasie  und  glückliche  Er¬ 
findungsgabe  in  der  Stegreifkomödie  hervorgethan  haben.  Ausserdem 
waren  noch  Mitglieder  die  oben  genannte  schöne  Sara  von  Bocks¬ 
berg,  Johann  Christoph  Dorsch,  ein  gewisser  Sasse  und  der  Italiener 
Franz  Christoph  Paceli.  Letzterer  hatte  früher  den  italienischen 


120 


Arlechino  gespielt  und  sich  mittlerweile  die  deutsche  Sprache  so 
angeeignet,  dass  er  das  Publikum  durch  die  gelungensten  Improvi¬ 
sationen  als  Spassmaclier  oder  Curtisan  »gar  mächtiglich  zu  ergötzen« 
verstand.  Paceli  und  Dorsch  waren  schon  1669  unter  Georg  II.  von 
Sachsen  bestallte  Hofcomödianten. 

Die  berühmte  Bande,  welche  trotz  »der  herrlichen  victoriae  der 
christlichen  Waffen  über  den  Erbfeind  bei  Wien«  in  verschiedenen 
Städten  sehr  schlechte  Geschäfte  gemacht  hatte ,  erzielte  bei  ihrem 
kurzem  Aufenthalt  in  Frankfurt  für  ihr  Weiterkommen  einen  sehr 
bedeutenden  Ueberschuss.  Besonders  wurde  das  Yelthen’sche  Theater 
eifrig  von  hohen  Standespersonen  besucht,  welche,  um  mit  dem  be¬ 
rühmten  Magister  selbst  zu  reden,  »auch  in  dieser  Zeit,  ohne  üppigen 
Ruhm  zu  melden«,  an  seinen  »ernsten  und  spassigten  Actiones  ein 
gar  mächtigliches  und  erbauliches  Vergnügen  gehabt  hatten.« 

Velthen  gab  »auf  hohe  Animation«  noch  zwei  Vorstellungen 
mehr  als  beabsichtigt  und  entrichtete  aus  Dankbarkeit  den  Stadt¬ 
armen  eine  Summe,  welche  die  vorgeschriebene  Abgabe  um  ein 
Erhebliches  überstieg. 220 

Ungeachtet  der  mühevollsten  Nachforschungen  hat  sich  auch 
über  diese  Epoche  der  Kunstthätigkeit  der  berühmten  Bande  in 
Frankfurt  keine  ihrer  gedruckten  Ankündigungen  auffinden  lassen. 
Noch  vor  10  Jahren  besass  ein  jetzt  verstorbener  eifriger  Sammler 
von  Frankfurtensien  drei  Theaterzettel  in  Grossquartform  von  den 
kurfürstlich  sächsischen  Hofkomödianten  aus  dem  Jahre  1686,  auf 
welchen  die  Aufführungen  der  Stücke  »Der  schlimme  Roderich«  nach 
dem  Cid  von  Corneille,  »Der  Verdrüssliche«,  eine  Bearbeitung  des 
Misanthrope  von  Meliere  und  »Der  bestrafte  Brudermord  oder  Prinz 
Hamlet  aus  Dänemark«,  alle  drei  mit  lustigen  Nachspielen,  ange¬ 
kündigt  gewesen  sein  sollen.  Einer  mündlichen  Schilderung  zufolge 
waren  die  Theaterzettel  an  den  vier  Ecken  und  über  dem  Titel  des 
Stückes  von  Arabesken  umrahmt  und  mit  einer  kurzen  Inhaltsangabe 
der  einzelnen  Akte  und  der  Gesammtmoral  des  ganzen  Stückes 
versehen. 

Der  Beschreiber  dieser  gedruckten  Ankündigungen,  die  leider 
nach  dem  Tode  jenes  Sammlers  spurlos  verschwunden  sind,  ist  sicher 
von  seinem  auch  in  anderen  Dingen  ausgezeichneten  Gedächtniss  in 
keiner  Weise  getäuscht  worden.  Velthen  führte  ja  die  beiden  erst¬ 
genannten  Stücke  auch  1688  in  Dresden  und  1690  während  der 
Carnevalszeit  in  Torgau  auf,  wohin  er  von  seinem  dort  weilenden 
fürstlichen  Gönner  Johann  Georg  III.  von  Sachsen  berufen  worden 
war. 221 

Auch  eine  Aufführung  des  Hamlet  von  Shakespeare  fand 
zweifellos  statt,  wenngleich  es  auch  eine  bekannte,  oft  erwähnte 
Thatsache  ist,  dass  Velthen  seine  Stoffe  hauptsächlich  aus  der  fran¬ 
zösischen,  spanischen  und  italienischen  Literatur  schöpfte. 


117 


Jahre  später  in  Frankfurt  spielte,  erinnerte  er  den  Rath  an  die  1685 
im  Krachhein  dahier  durchgemachte  Misere,  die  ihm  wegen  »des 
hohen  Erlösungsgeldes  benebst  Zinsen  noch  lange  nachgehängt  und 
viele  Sorgen  bereitet  habe.« 

Die  Täter  der  Stadt  waren  aber  gegen  Elenson  nicht  allein 
hart  und  unzugänglich,  sie  gaben  auch  dem  Jacob  Kuhlmann,  Prin¬ 
cipal  der  bayrischen  Hofkomödianten,  auf  seine  Supplikation  vom  25. 
August  1685  einen  abschlägigen  Bescheid,  obgleich  derselbe  von 
Nürnberg  aus,  wo  er  sich  mit  seiner  Compagnie  10  ganze  Wochen 
aufgehalten  und  noch  aufhielt ,  durch  die  besten  Empfehlungen 
angesehener  Personen  unterstützt  worden  war. 

In  der  Ostermesse  1686  wurde  die  dramatische  Kunst  nur 
durch  einen  italienischen  Dockenspieler  und  andere  fahrende  Künstler, 
welche  sich  die  durchaus  nicht  gerechtfertigte  Bezeichnung  Komö¬ 
dianten  beilegten,  in  sehr  untergeordneter  Weise  in  Frankfurt  ver¬ 
treten. 

In  der  Herbstmesse  kehrte  dies  Gesindlein  wieder,  dem  der 
Rath  —  wie  in  einigen  seiner  Beschlüsse  ausdrücklich  erwähnt  wird 
—  nur  aus  Rücksicht  für  die  Messfremden  den  stark  begehrten 
Einlass  gewährte.  Aber  diese  Willfährigkeit  der  Väter  der  Stadt 
regte  auch  wieder  in  echten  Thespisjüngern  das  Verlangen  an ,  auf 
dem  »guten  Boden  Frankfurts  ihr  Heil  und  ihr  bestes  Fortuna 
zu  suchen.« 

Neben  verschiedenen  benannten  und  unbenannten  Truppen¬ 
führern  petitionirte  auch  wieder  Johann  Velthen,  der  auf  einem 
Wanderzuge  durch  Frankfurt  kam  und  »nur  acht  Tage  lang  seine 
Comödien  liier  präsentiren  wollte.«  Alle  anderen  Truppen  wurden 
abgewiesen,  nur  Velthen  erhielt  —  aber  erst  nach  dreimaligem  Nach¬ 
suchen  und  einflussreicher  hoher  Befürwortung  —  den  folgenden 
Bescheid :  »Solle  man  demselben  dergestallt  willfahren,  dass  er  die 
Comödia  bei  guter  Zeit  anfange  und  guter  Tages  Zeit  endige,  die 
Armen  der  drey  Häuser  wohl  bedenke  und  von  den  Spectatoren 
ein  mehreres  nicht  als  von  der  Person  10  kr.  einfordern  und  nehmen 
lassen.«  217 

Unter  den  Principalen,  welche  sich  gleichzeitig  mit  Velthen 
um  die  Spielerlaubniss  für  die  Herbstmesse  bewarben,  befand  sich 
auch  Georg  Scheurer,  der  Direktor  der  »neu  aufgerichteten  Nürn¬ 
berger  Bande.«  In  wie  weit  Velthen  durch  seine  Bildung,  durch  sein 
ganzes  Auftreten  alle  anderen  Komödiantenführer  überragte,  das 
zeigen  auch  seine  Bittschriften  an  den  Rath  Frankfurts,  deren  Inhalt 
im  Vergleich  zu  dem  einestheils  sklavisch  unterwürfigen,  anderntheils 
prahlerischen  Briefstyl  der  meisten  Wanderprinzipale  einen  interes¬ 
santen  Beitrag  zur  Charakteristik  des  grossen  Magisters  liefert.  — 
Um  ein  deutliches  Bild  von  dem  Unterschied  dieser  Supplikationen 
zu  gewinnen,  soll  hier  ein  Schreiben  Velthens  vom  21.  August  1686 


118 


einer  Eingabe  jenes  Georg  Scheurer  gegenüber  gestellt  werden,  welcher 
in  Nürnberg  und  anderen  südlichen  Reichsstädten  durch  die  präch¬ 
tige  Ausstattung  seiner  Stücke  das  grösste  Aufsehen  erregt  hatte. 

»Hochedle,  Gestrenge,  Yest  und  Hochgelährte;  Wohlfiirsichtige 
Hochweise  insonders  Grossgünstige  Gebiethende  und  Hoch¬ 
geehrteste  Herrn  Bürgermeister  und  Rath  etc. 

Wiewohl  es  durch  den  vielfältigen  Missbrauch  dahin  gekommen 
zu  sein  scheinet,  dass  der  gute  gebrauch  Comoedien  undt  Schauspieler 
von  etlichen  in  zweifeil  gezogen  undt  dahero  öfters  viele  gute  Inten- 
tiones  behindert  worden ;  so  ist  jedennoch  hoffentlich  niemandt ,  der 
nicht  wird  gestehen  müssen ,  dass  die  Comoedien ,  wo  sie  in  ihren 
vorgeschriebenen  Schranken  und  Terminis  bleiben ,  viel  gute  undt 
erbauliche  Moralia  undt  Lehrsätze  nach  sich  führen,  dadurch  die 
jugendt  erbauet  und  sonsten  allerhandt  Gutes  in  vita  Civili  befördert 
wird.  In  solcher  absicht  ist  ein  Hochedler  Hochlöbl.  Rath  des  Heyl. 
Reichs-Stadt  Nürnberg  veranlaßet  worden,  mir  hochgeneigt  zu  verstatten, 
nachdehme  ich  durch  unverdroßenen  Fleiß  undt  Mühe  mich  umb 
eine  qualificirte  Compagnie  Comoedianten  beworben  undt  zusahmen 
gebracht,  bev  geraumer  Zeit  hero  viele  verschriebene  Actiones  da- 
selbsten  mit  größtem  applausu  zu  repräsentiren  und  vorzustellen, 
allermaßen  dan  nach  ungesparter  Sorgfalt  auch  in  diesen  stückh  mein 
Propos  dargestalt  glücklich  reussiret,  dass  mich  mit  solchen  Leuten 
versehen,  welche  sowohl  gantze  Actus  singend  undt  rare  Balletten 
a  la  francoise  als  auch  mittels  gute  addresse  undt  gahr  kostbahre 
Kleider  dergestalt  ihre  Sache  wohl  und  rümlich  verrichtet,  dass  sie 
denen  sowohl  hohes  als  niedriges  Standts  Spectatoribus  alle  verlangte 
Satisfaction  getlian.« 

Nachdem  Scheurer  in  schwülstiger  Weise  die  Bitte  ausge¬ 
sprochen,  »ihm  die  hohe  Gnade  und  favor  zu  erzeigen,  hier  auf¬ 
genommen  zu  werden«,  fügt  er  noch  hinzu,  »dass  er  nur  in  dieser 
weltberühmten  Stadt  Vorstellungen  allerhand  erbaulicher  und  keines¬ 
wegs  ärgernuss  gebender  Stuckk,  .  .  .  alß  mau  in  der  opera  zusingen 
pfleget,  auf  dem  Theatro  representiren  wolle.«  Dann  Unterzeichnete  er : 

Georg  Scheurer  der  neu  aufgerichteten  Nümbergischen  Bande 
Comödianten-Principall  und  Director. 

Wie  einfach  klingt  dagegen  Velthens  Eingabe  vom  21.  August 
1686.  —  Nach  der  wie  bei  allen  Bittgesuchen  an  den  Rath  Frank¬ 
furts  ziemlich  devoten  Einleitung  fährt  er  fort : 

»Wann  nun  großgünstigliche  Hochgeehrteste  Herrn  ich,  alß  der 
vor  einigen  Jahren  die  Gnad  gehabt,  dass  allhier  meine  Comedien 
praesentiren  dörffen  vor  wenig  Tagen  allhier  angelanget,  der  intention 
vnd  Meinung,  wann  abermalds  Obrigkeitliche  gnädige  Erlaubnuss 
erlangen  könnte,  einige  ganz  nur  moralische  und  unärgerliche  Co- 
roödien  zu  repraesentiren. 


115 


erscheint,  dass  seine  schriftlichen  Eingaben  ohne  jegliche  Berück¬ 
sichtigung  bei  Seite  gelegt  und  später  beliebig  vernichtet  wurden,  so 
darf  man  wohl  voraussetzen,  dass  er  vielleicht  bei  seiner  Durchreise 
eine  mündliche  Anfrage  hielt,  aber  auf  eine  wenig  günstige  Beant¬ 
wortung  direkt  mit  seiner  aus  14  Personen  bestehenden  Gesellschaft 
von  Frankfurt  nach  Leipzig  abreiste. 

Kurz  vor  der  Herbstmesse  1684  petitionirten  die  »Wienerischen 
Comödianten«,  welche  vor  fünf  Jahren  hier  gewesen  waren  und  damals 
unter  der  Direktion  von  Andreas  Elenson  gestanden  hatten.  Erst  nach 
wiederholten  dringenden  Eingaben,  in  welchen  sie  auf  ihre  Nothlage 
während  der  Belagerung  Wiens  durch  die  Türken  1683  und  auf  den 
Sieg  des  polnischen  Heldenkönigs  Johann  Sobieski  »durch  den  Gott 
die  christlichen  Waffen  gegen  den  Erbfeind  gesegnet  und  dem  Reich 
wieder  Ruhe  gegeben  hat«,  in  ausführlicher  Scliilderuug  hingewiesen, 
erhielten  sie  endlich  unter  denselben  Bedingungen  wie  früher  Yelthen 
einen  willfährigen  Bescheid.216 

Die  »Wienerische  Compagnie«  muss  beinahe  acht  Wochen  im 
Krachbein  gespielt  haben;  denn  am  18.  November  1684  fasste  der 
Rath  den  auch  auf  sie  bezüglichen  Beschluss:  »Solle  man  den  Buss¬ 
und  Betttag  also  ein  stellen  lassen,  Herrn  Dr.  Spenern  auf  die  ohn- 
längst  bestimmte  vier  Stund  zu  predigen  nicht  so  genau  astringiren, 
den  Comödianten  aber  zu  agiren  allerdings  inhibiren«. 

Der  künstlerische  Standpunkt  dieser  Gesellschaft  lässt  sich  nicht 
so  genau  bestimmen,  da  über  ihre  Thätigkeit  in  Frankfurt  nicht  die 
geringsten  Mittheilungen  erhalten  sind.  —  Jedenfalls  stand  Velthen 
in  einem  viel  höheren  Ansehen  beim  Rath  als  die  »Wienerische 
Compagnie«,  die  allem  Anschein  nach  mehr  der  allgemeinen  Kate¬ 
gorie  der  »Leutbelustiger«  zugetheilt  wurde.  —  Diese  Schlussfolge¬ 
rung  wird  bestätigt  durch  ihre  frühere  Wirksamkeit  in  Frankfurt 
unter  Elensons  Direktion,  während  welcher  ja  auch  der  Schwerpunkt 
ihrer  Leistungen  in  komischen  und  »lächerlichen  Actionibus«  bestand. 

In  der  Ostermesse  1685  war  der  Rath  vollständig  unzugänglich 
für  alle  dringenden  Eingaben  der  fahrenden  Künstler.  Er  wies  die 
Seiltänzer  und  Pulcinella-Spieler  auf  das  Entschiedenste  ein  für  alle¬ 
mal  ab  und  willfahrte  ebenso  wenig  den  Gesuchen  des  schon  in 
früheren  Jahren  oft  mit  einer  Vertröstung  abgewiesenen  Jacob  Kuhl- 
mann,  der  jetzt  Direktor  der  Bayrischen  Hofkomödianten  war.  Auch 
die  in  höchst  kläglichem  Ton  abgefassten  Bittschriften  des  in  komi¬ 
schen  Rollen  berühmten  Andreas  Elenson,  der  sich  in  diesem  Jahre 
»Principal  einer  hochdeutschen  Compagnie«  nannte,  erfuhren  ein 
gleiches  Schicksal.  Kuhlmann  reiste  auf  den  abschlägigen  Bescheid 
sofort  mit  seiner  Gesellschaft  wieder  von  Frankfurt  ab,  allein  Elenson, 
der  schon  einige  Wochen  vor  dem  Beginne  der  Messe  mit  seinen 
»Zugehörigen«  im  Krachbein  abgestiegen  war,  suchte  gewissermassen 
den  Rath  dadurch  zu  einer  Erlaubniss  zu  zwingen,  dass  er  seine 

8* 


116 


tägliche  Rechnung  bei  dem  Gasthalter  im  Krachbein  nicht  bezahlte 
und  ausserdem  noch  bei  verschiedenen  Frankfurter  Bürgern  nicht 
unbedeutende  Schulden  machte. 

Hierauf  entschloss  sich  Elenson,  in  einer  weiteren  Bittschrift 
den  letzten  Sturm  auf  die  Herzen  der  Rathsherren  zu  unternehmen. 
Wenn  er  aber  auch  die  mehrmalige  Versicherung  gab,  dass  er  gerne 
»als  ehrlicher  Biedermann  von  hier  ab  reisen  und  seinen  Creditoren 
gebührliche  Satisfaction  geben  wolle«,  so  vermochte  doch  auch  dieser 
Ausspruch  nichts  an  der  abweisenden  Haltung  der  durch  geistliche 
Ein  würfe  stark  beeinflussten  Väter  der  Stadt  zu  ändern.  Ebensowenig 
Eindruck  machte  auch  ein  ferneres  Versprechen  Elensons,  nur  schöne 
geistliche  Stücke  und  solche  erbauliche  Historien  aufführen  zu 
wollen,  »welche  der  lieben  Jugend  einen  anreytz  zu  manchen  löb¬ 
lichen  Sitten  und  Tugenden  geben  können.«  —  Als  alle  Pläne  und 
Hoffnungen  scheiterten,  als  er,  je  länger  er  hier  weilte,  desto  tiefer 
in  Schulden  gerieth ,  reiste  Andreas  Elenson  nach  München  und 
überliess  es  den  fortgesetzten  Klagen  und  Bitten  seiner  Frau, 
das  entschiedene  Sträuben  des  Rathes  zu  überwinden.  Diese  bot 
denn  auch  Alles  auf,  um,  wie  sie  sich  ausdrückte,  »für  das  Schöpfen 
aus  der  bekannten  Segensquelle  nach  langem  Dürsten  dennoch  den 
heftig  begehreten  Consens  zu  erlangen.« 

Am  26.  März  1685  richtete  nämlich  Maria  Margaretha  Elenson, 
»der  hochdeutschen  Compagnie  Comödianten  Principalin«  eine  kläg¬ 
liche  und  dringende  Bittschrift  an  den  Rath,  worin  sie  unter  anderm 
sagte,  dass  sie  sich  während  ihres  Mannes  Abwesenheit  elendiglich 
mit  ihren  vier  armen  Kindern  habe  durchbringen  müssen,  dass  der¬ 
selbe  nur  den  grossen  Weg  nach  München  unternommen  habe,  um 
sich  »eine  neue  wackere  Compagnie  zu  erwerben.«  Mit  dieser  möchten 
sie  gleich  nach  den  Feiertagen  agiren  und  zum  freudigen  Dank 
sogar  zwei  Komödien  zum  Besten  der  Armen  geben.  »Sollten  wir 
aber  abermahl  so  unglücklich  sein,  eine  Fehlbitte  zu  thun«  —  schliesst 
die  Supplikantin,  —  »so  könnten  wir  unsere  Creditoren  nicht  befrie¬ 
digen,  und  ich  müsste  mit  meinen  vier  armen  Kindern  hier  über 
dem  Hals  liegen  bleiben  oder  gar  ins  Verderben  gerathen.  Aber  ich 
lebe  der  Hoffnung,  dass  ich  meinem  Manne  eine  erfreuliche  Nach¬ 
richt  mit  der  Post  melden  kann.« 

Maria  Margaretha  Elenson  irrte  sich  auch  diesmal,  sie  konnte 
ihrem  Manne  keine  erfreuliche  Nachricht  nach  München  mittheilen. 
Der  Rath  liess  sich  nicht  erweichen,  wies  ihre  letzte  Bittschrift  ein 
für  allemal  zurück  und  nahm  kein  weiteres  Memoriale  mehr  vou 
ihr  an.  Mit  wessen  Beistand  sich  die  bedrängte  Principalin  aus  ihrer 
Nothlage  befreite,  wer  ihr  das  Geld  lieh,  damit  sie  mit  ihren  Kindern 
nach  München  weiter  reisen  konnte ,  ist  nicht  genau  bekannt, 
aber  so  viel  steht  fest,  dass  dieser  Helfer  kein  barmherziger  Sama¬ 
riter  gewesen  wie  im  Jahre  1679  Velthen  es  war.  Als  Elenson  zehn 


113 


Anfangs  September  kehrte  Yelthen  auf  einen  Wink  seiner  hohen 
Fürbitter  wieder  nach  Frankfurt  zurück.  —  An  welchem  Tage  er 
seine  Vorstellungen  begann,  lässt  sich  nicht  bestimmt  feststellen,  aber 
da  er  am  21.  September  fast  3  Wochen  hier  gespielt  hatte,213  so 
dürfte  man  wohl  mit  einiger  Sicherheit  annehmen  können ,  dass  es 
gerade  hundert  Jahre  vor  der  Eröffnung  des  hiesigen  Schauspielhauses 
gewesen  ist. 

Der  Umstand,  dass  Velthens  Theater  von  den  gebildeteren  Frank¬ 
furtern  und  den  hier  anwesenden  Gesandtenfamilien  sehr  eifrig  besucht 
wurde,  veranlasste  ihn  am  21.  September  1682  dem  Rath  die  Bitte 
vorzutragen,  »seine  Actiones  noch  bis  nach  der  Messe  continuiren  zu 
dürfen«.  Auf  dies  Gesuch  erhielt  er  wieder  einen  willfährigen  Be¬ 
scheid,  aber  diesmal  mit  der  Hinzufügung,  »dass  man  nach  dem  ersten 
October  seine  Spiele  unfehlbar  einstellen  und  ihm  dann  alle  weitere 
Hoffnungen  abschneiden  müsse«.214  —  Yelthen  spielte  wie  früher 
bis  zu  dem  festgesetzten  Tage  »biblische  und  anmuthig  liebliche 
Comödien  aus  denen  Historienbüchern,  so  keiner  fleischlichen  Lust  und 
unziemlicher  Begierde  Anreitzung  und  Veranleitung  geben  können«. 
Zwischendurch  gab  er  auch  »frembde  Comödien  und  frei  erfundene 
Hauptactionen  aus  alter  und  aus  neuer  Zeit«,  das  heisst  Stücke,  in 
denen  bedeutende  Begebenheiten  und  Grossthaten  aus  der  Gegenwart 
und  Vergangenheit  nach  einem  bestimmten  Scenarium  in  improvisirter 
Rede  dargestellt  wurden.  Gerade  diese  Gattung,  in  der  die  Sprach¬ 
gewandtheit  und  Darstellungskunst  der  Mitglieder  der  berühmten 
Bande  sich  am  vollkommensten  entfalten  konnte,  erhielt  in  Frank¬ 
furt  den  grössten  Beifall.  —  Wie  überall,  so  war  es  auch  hier  nicht 
das  ächte  Kunstbedürfniss,  welches  durch  derartige  Leistungen  be¬ 
friedigt  wurde,  sondern  vielmehr  das  Vergnügen  an  der  Schlagfertig¬ 
keit  und  Erfindungskraft  der  Spieler,  die  sich  im  gegenseitigen  Wett¬ 
eifer  oft  durch  einen  kühnen  Einwurf  aus  den  peinlichsten  Verlegen¬ 
heiten  zu  erlösen  suchten.  Auch  die  früher  von  den  englischen 
Komödianten  aufgeführten  Stücke  und  die  Stoffe  aus  den  biblischen 
und  den  deutschen  Helden-  und  Liebesbüchern  erhielten  durch  ex- 
temporirte  Einlagen  für  das  Frankfurter  Publikum  einen  neuen  und 
äusserst  fesselnden  Reiz. 

Die  auf  alle  mögliche  Weise  sich  äussernde  Anziehungskraft 
der  Velthen’schen  Truppe  gab  denn  auch  die  Veranlassung  zu  einer 
Fürbitte,  wie  sie  dem  Rathe  zuvor  noch  nie  eines  wandernden  Komö¬ 
diantenführers  wegen  vorgetragen  worden  war.  —  Als  der  erste 
Oktober  1682  und  mit  ihm  der  letzte  Termin  der  Vorstellungen 
herannahte,  petitionirten  »die  Frauenzimmer«  in  die  Ausdrucks  weise 
unsrer  Zeit  übersetzt,  die  Gemahlinnen  »der  allhier  anwesenden  Herrn 
Gesandten  und  andere  ihres  Gleichen«  für  die  Fortsetzung  der  Vel¬ 
then’schen  Komödie.  Besonders  war  es  der  kaiserliche  Gesandte  Herr 
von  Strotmann  und  seine  Gemahlin,  welche  mit  vielen  Empfehlungen 

8 


114 


bei  dem  jüngeren  Herrn  Bürgermeister  durch  einen  adeligen  Caval ier 
für  Velthen  »intercediren«  Hessen.  Ein  so  imgewölmliches,  die  ganze 
berühmte  Bande  hoch  ehrendes  Gesuch  konnte  trotz  des  anfangs 
abschlägigen  Bescheides  nicht  ohne  jeden  Erfolg  bleiben.  Velthen 
durfte  nach  dem  10.  Oktober  »der  Animation  der  fürnehmen  Frauen¬ 
zimmer  wegen«  —  noch  »einige  frembde  lehrreiche  Comödien,«  also 
jedenfalls  MoHere’sche  Werke  aufführen  und  konnte  dadurch  noch 
einen  kleinen  Ueberschuss  für  die  Abreise  mitnehmen.  Denn  obschon 
sein  Theater  von  vornehmen  und  gebildeten  Persönlichkeiten  eifrig 
besucht  wurde,  so  machte  Velthen  doch  im  Allgemeinen  keine  guten 
Geschäfte.  —  Nicht  allein,  dass  während  der  Messe,  wie  Velthen 
selbst  sagt,  »eine  sehr  geringe  Frequenz  in  Frankfurt  war,«  das 
»Parterre«  blieb  auch  wegen  dem  anwesenden  Pulcinella -Spieler, 
dessen  lustige  Figur  das  gemeine  Volk  sehr  stark  anzuziehen  ver¬ 
stand,  fast  vollständig  leer. 

Ueberhaupt  waren  die  Velthenschen  Vorstellungen  für  das 
grössere,  an  die  derben  Spässe  des  Pickelhäring  nur  zu  sehr  gewöhnte 
Frankfurter  Publikum  im  Allgemeinen  noch  viel  zu  wenig  anziehend. 
Dass  Velthen  dieser  durch  seine  Vorgänger  verbreiteten  Eiclitung 
nicht  entsprach,  ist  ein  ebenso  ehrendes  Zeugniss  für  ihn  als  jene 
Verwendung  hochstehender  Frauen,  deren  Gefühl  durch  seine  Vor¬ 
stellungen  gewiss  in  keiner  Weise  verletzt  wurde. 

Das  denkwürdige  Theaterjahr  1682,  welches  den  Magister  Vel¬ 
then  am  längsten  in  Frankfurt  sah,  darf  nicht  ohne  eine  Erinnerung 
an  das  eigentümliche  Zusammentreffen  beschlossen  werden,  welches 
in  dem  Entwickelungsgang  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  in  ver¬ 
schiedenen  Jahrhunderten  das  Jahr  82  stets  so  bedeutungsvoU  er¬ 
scheinen  lässt.  Zur  Zeit  der  Bürgercomödie  erlebte  dieselbe  1582 
einen  neuen  Aufschwung  unter  der  Leitung  Ott  Regenbogens,  hundert 
Jahre  später  wirkte  in  Frankfurt  beinah  sechs  Monate  der  Mann, 
welcher  durch  seine  tadellose  Führung,  sein  ächtes  Kunststreben  der 
Schauspielkunst  und  ihren  Vertretern  wieder  einiges  Ansehen  errang 
und  abermals  nach  Verlauf  eines  Säculums  1782  wird  nach  langem 
Ausharren  in  Buden  und  Ballhäusern  der  dramatischen  Kunst  eine 
würdige,  ihrer  hohen  Bedeutung  entsprechende  Wohnstätte  zu  Tlieil. 

II. 

Obgleich  Magister  Velthen  in  einem  kurz  vor  der  Michaelis¬ 
messe  1683  abgefassten  Bittgesuch  an  den  Leipziger  Magistrat  aus¬ 
drücklich  sagt,  dass  er  mit  einem  Kostenaufwande  von  über  hundert 
Thalern  von  Frankfurt  am  Mayn  herkomme,215  so  liess  sich  doch 
trotz  der  genauesten  Nachforschung  in  den  Akten  des  Frankfurter 
Stadtarchivs  keine  Notiz  über  seine  hiesige  Kunstthätigkeit  in  diesem 
Jahre  auffinden.  —  Da  es  nun  bei  der  achtungsvollen  Behandlung, 
die  Velthen  stets  von  Seiten  des  Käthes  erfuhr,  nicht  leicht  glaublich 


127 


mehr  Erbauung'  könnten  zu  Wege  bringen  als  die  Predigten«.232 
Dieser  der  Geistlichkeit  gegenüber  etwas  kühne  Ausspruch,  welcher 
die  künstlerische  Wirksamkeit  der  Yelthin  in  beiden  Messen  1695 
kurz,  aber  zutreffend  kennzeichnet,  zeigt,  dass  sie  bis  zu  diesem  Jahre 
dem  strengen  Standpunkt  ihres  Mannes  getreu  geblieben  war,  welchen 
sie  später  auf  ihren  Wanderzügen  in  der  Rivalität  mit  den  gewöhn¬ 
lichsten  Gauklerbanden  leider  nicht  mehr  einhalten  konnte. 

Im  Bewusstsein  ihrer  »guten  Intentionen«  erbot  sie  sich  sogar 
den  Herrn  Prädikanten  alle  Morgen  das  für  die  Aufführung  vor¬ 
bereitete  Stück  zur  Censur  vorzulegen,  welches  Anerbieten  von  den 
Rathsherrn  sofort  angenommen  wurde.233 

Es  ist  kein  einziger  Fall  bekannt,  dass  die  der  Schauspielkunst 
gewiss  nicht  freundlich  gesinnten  Geistlichen  zum  Schutze  der  Sitt¬ 
lichkeit  gegen  die  Darstellungen  der  Principalin  Katharina  Elisabeth 
Veitheil  einzuschreiten  gebraucht  hätten.  Diese  Thatsache  verbunden 
mit  dem  grossen  Ansehen,  in  welchem  damals  die  Leistungen  ihrer 
Truppe  bei  dem  gebildeten  Frankfurter  Publikum  standen,  ist  ein 
um  so  ehrenvolleres  Zeugniss  für  die  Wittwe  des  berühmten  Magisters, 
als  am  Schlüsse  des  Jahrhunderts  gerade  das  Leben  und  Denken 
der  höheren  Kreise  in  Frankfurt  von  einem  streng  kirchlichen  Geiste 
geleitet  wurde.  —  Ueberhaupt  zeigt  uns  ihr  erstes  hiesiges  Auftreten 
als  Prinzipalin  in  den  mannigfaltigsten  Zügen  das  Bild  einer  rüstigen 
und  tüchtigen  Frau,  die  von  ihrem  Manne  viel  gelernt  hatte  und  ihr 
Regiment  bei  .weitem  sicherer  und  entschiedener  zu  führen  verstand, 
als  man  gewöhn  lieh  von  ihr  annimmt. 

Katharina  Elisabeth  Velthen  (nicht  Anna  Chatarina)  verfasste 
sogar  die  meisten  ihrer  Eingaben  selbst  und  zwar  in  einer  Weise, 
welche  es  leicht  glaubwürdig  erscheinen  lässt,  dass  sie  die  Schriften 
des  theaterfeindlichen  Magdeburger  Predigers,  Johann  Joseph  Winkler 
in  einer  förmlichen  Apologie  zu  widerlegen  verstand.234  —  Wenn 
die  Principalin  der  Polnischen  und  Kursächsischen  Komödianten  ihren 
Namen  Unterzeichnete,  so  schrieb  sie  ihn  mit  ihrer  festen  und  klaren 
Handschrift  stets  in  derselben  AVeise  wie  es  auch  früher  der  berühmte 
Magister  Johann  Velthen  aus  Halle  meist  getlian.  Hiernach  sind 
alle  anderen  Formen  wie  Velthem,  Velden  und  Veltheim  willkürliche 
Abänderungen,  welche  sich  wahrscheinlich  durch  die  Schreibweise 
der  Verfasser  von  Supplikationen  und  der  Schreiber  der  Rathsproto- 
kolle  und  Bescheide  nach  und  nach  gebildet  haben  mögen. 

Nachdem  ihre  Thätigkeit  in  Frankfurt  ein  Ende  erreicht  hatte, 
wollte  sich  die  Wittwe  Velthen  mit  ihrer  Truppe  nach  Mainz  bege¬ 
ben.235  Hier  hat  Julius  Franz  Elenson  im  Herbst  1698  grosses 
Aufsehen  in  komischen  Rollen  erregt.  —  Ob  er  dies  als  Mitglied  der 
polnischen  und  chursächsischen  Bande  that,  oder  ob  er  erst  in 
Mainz  sich  zu  dieser  Truppe  gesellte,  lässt  sich  nicht  genau  ermitteln 


128 


aber  so  viel  ist  gewiss,  dass  dieser  Elenson  am  Anfang  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  mit  der  Yelthenschen  Gesellschaft  nach  Hamburg  kam, 
wo  er  sich  alsbald  mit  Sophie  Julie,  der  schönen  Tochter  eines 
dortigen ,  nicht  näher  benannten  Bürstenbinders,  verheirathete. 

Auch  yon  diesem  Aufenthalte  der  berühmten  Bande  in  Frank¬ 
furt  haben  sich  keine  Anschläge-  oder  Ausgebezettel  erhalten,  welcher 
Umstand  um  so  mehr  zu  beklagen  ist,  weil  sich  aus  denselben  sicher 
ergeben  würde,  dass  die  Wittwe  Velthen  wenigstens  bei  den  Haupt¬ 
aktionen  die  auf  Ehrbarkeit  und  Sitte  Rücksicht  nehmende  fast  re¬ 
ligiöse  Kunstrichtung  ihres  Mannes  durchaus  beibehielt.  —  Noch  einen 
schönen  Zug  scheint  diese  Frau,  deren  störrisches,  hie  und  da  weibisch 
eigensinniges  Wesen  später  Viele  an  ihr  irre  machte,  sich  von  dem 
verstorbenen  Gatten  angeeignet  zu  haben.  Es  war  dies  jene  edle 
Freigebigkeit,  welche  auch  Velthen  stets  anspornte,  bei  guten  Ein¬ 
nahmen  den  Armen  eine  erhebliche  Spende  zukommen  zu  lassen.  Als 
sich  ihr  Theater  täglich  füllte,  erbot  sich  die  Velthin,  wöchentlich 
entweder  noch  ein  Gewisses  für  die  Armen  abzugeben  oder  an  einem 
Tag,  welcher  ihr  jedesmal  obrigkeitlich  anbefohlen  werden  möchte, 
für  dieselben  zu  agiren.236  Der  letzte  Vorschlag  wurde  angenommen, 
sie  spielte  wöchentlich  ein  ernsthaftes  Stück  zum  Besten  der  Armen 
und  legte  vor  ihrem  Abzug  noch  eine  besondere  Gabe  für  das 
Hospital  und  die  Armen  bei.  —  Die  Velthin  frischte  also  das  An¬ 
denken  ihres  Mannes  in  einer  in  jeder  Beziehung  edlen  Weise  auf 
und  rechtfertigte  vollkommen  das  Zeugniss  des  Königs  von  Polen, 
welcher  sie  dem  Rath  Frankfurts  als  eine  ebenso  kunstverständige 
als  rechtschaffene  Principalin  empfohlen  hatte. 

Die  berühmte  Bande  schloss  den  Reigen  der  fahrenden  Ko- 
mödiantentruppen ,  die  vom  Anfang  bis  zum  Ende  des  XVII. 
Jahrhunderts  hier  aufgetreten  waren  und  die  Stadt  mit  dem 
Entwicklungsgang  der  deutschen  Schauspielkunst  bekannt  gemacht 
hatten.  In  den  beiden  Messen  des  Jahres  1699  fanden  keine  thea¬ 
tralischen  Vorstellungen  in  Frankfurt  statt,  erst  mit  dem  Beginne 
des  neuen  Säculums  sollten  dieselben  hier  wieder  ihren  Anfang 
nehmen. 

»Niemand  glaube  die  ersten  Eindrücke  der  Jugend  verwinden 
zu  können«,  sagt  Göthe  in  Wilhelm  Meister.  Dieser  Ausspruch,  der 
eigentlich  nur  in  dem  Leben  und  Streben  vieler  Menschen  seine 
Bestätigung  finden  soll,  lässt  sich  auch  auf  die  Jugend  der  deutschen 
Schauspielkunst  anwenden,  wenn  es  anders  gestattet  ist,  sie  selbst 
mit  einem  reichbeanlagten  Kinde  und  die  Schauspieler  mit  ihren 
Vormündern,  Pflegern  und  Erziehern  zu  vergleichen.  Der  grosse 
Magister  hatte  trotz  der  edelsten  Absichten  die  Anlagen  des  Zöglings 
auf  Höchste  angespannt,  seine  Nachfolger  thaten  desgleichen,  aber 
nicht  mit  jener  weisen  Vorsicht,  welche  ihm  neben  den  unnatür¬ 
lichen  Anstrengungen  auch  wieder  köstlichen  Lebensgehalt  zuführte. 


125 


sonstigen  fahrenden  Künstler  wies  der  Rath  mit  grösster  Entschieden¬ 
heit  zurück.  Als  eine  berühmte  Seiltänzerin  nicht  nachliess,  die 
Täter  der  Stadt  mit  ihren  Bitten  zu  bestürmen,  fassten  dieselben 
endlich  den  für  das  Ansehen  der  Schauspieler  bezeichnenden  Ent¬ 
schluss,  von  den  Komödianten  und  Springern,  »so  wie  als  anderen 
dergleichen  leut,  so  sich  in  der  nechst  melden  würden,  ein  für  allc- 
malil  jedes  memorial«  zurückzu  weisen. 2  25 

In  den  beiden  Messen  von  1696  nahm  der  Rath,  seinem 
Beschluss  zufolge,  keine  Supplicationen  von  »Komödianten  und  anderen 
dergleichen  leut«  an,  musste  jedoch  im  December  desselben  Jahres 
aus  Rücksicht  für  eine  einflussreiche  Persönlichkeit  auf  kurze  Zeit 
eine  Ausnahme  gestatten.  Seine  Excel] enz  der  Kaiserliche  General 
von  Thiingen  liess  im  Verein  mit  einigen  anderen  hohen  Standes¬ 
personen  durch  den  Schöffen  Jacob  Müller  Anfangs  December  einen 
hochedlen  Rath  inständigst  ersuchen,  dass  er  den  hier  anwesenden 
Komödianten,  ohne  Zweifel  der  Truppe  des  Andreas  Elenson,  einige 
wenige  Zeit  »ihre  Comödien  zu  exhibiren  erlauben  möge«.226  Dies 
geschah  denn  auch  unter  gewissen  »vorerinnerten  Conditionen«,  das 
heisst  nach  Festsetzung  derselben  Bedingungen,  welche  auch  die 
früher  hier  gewesenen  Gesellschaften  gegen  die  Hospitals-  und  Stadt¬ 
armenkasse  zu  erfüllen  gehabt  hatten. 

Wie  lange  die  auf  Thiingen’s  Empfehlung  angenommene  Truppe 
im  Saale  zum  Krachbein  Vorstellungen  gab,  lässt  sich  auf  den  Tag 
nicht  bestimmen,  doch  so  viel  steht  fest,  dass  in  der  Weihnachts- 
woche  die  Bühne  bereits  wieder  abgebrochen  worden  war.  —  Es 
sei  noch  erwähnt,  dass  sich  bei  dieser  Gesellschaft  ein  ausgezeich¬ 
neter  Lustigmacher  befand,  der  zu  dem  Principal  derselben  in  nahen 
familiären  Beziehungen  stand.227  —  Wenn  nicht  alle  Andeutungen 
und  sonstige  Uebereinstimmungen  täuschen,  dann  muss  dies  Julius 
Franz,  der  Sohn  von  Andreas  und  Marie  Margarethe  Elenson,  ge¬ 
wesen  sein,  derselbe,  dem  der  Kurfürst  von  Cöln  nach  seinem  frühen 
Tode  im  Bade  Langenschwalbach  1709  ein  Epitaphium  aus  schwar¬ 
zem  Marmor  setzen  liess.  Die  schöne  junge  Wittwe  des  Julius 
Franz  Elenson,  Sophia  Julie,  die  nach  ihres  Mannes  Tod  die  Prin- 
cipalschaft  übernahm  und  für  die  Folge  in  der  Frankfurter  Theater¬ 
geschichte  eine  so  bedeutende  Rolle  spielen  sollte,  ist  nicht  zu  ver¬ 
wechseln  mit  ihrer  oben  erwähnten  Schwiegermutter,  deren  Kunst- 
thätigkeit  mit  dem  Niedergange  des  XVII.  Jahrhunderts  beendet 
gewesen  sein  muss. 

Die  Akten  des  Frankfurter  Stadtarchivs  belegen  es  zum  öftern, 
dass  zwei  Principalinnen,  Marie  Margarethe  und  Sophie  Julie  Elen¬ 
son,  in  ziemlich  weit  auseinander  liegenden  Zeiträumen  hier  spielten. 
Es  steht  ferner  fest,  dass  die  ältere  Elenson  schon  1685  zwei  durch 
die  Abweisung  des  Rathes  brodlos  gewordene  Söhne  hatte,  während 
die  jüngere  im  Jahre  1723  in  dritter  Ehe  als  noch  ziemlich  junge 


126 


Frau  den  Schauspieler  Hoffmann  heiratkete.  Aus  diesen  Thatsaclien 
geht  zweifellos  hervor,  dass  Maria  Margarethe  und  Sophie  Julie 
Elenson  nicht,  wie  bisher  von  verschiedenen  Theaterschriftstellern 
angenommen  worden  ist,  identisch  sind. 

In  den  beiden  Messen  1697,  wo  in  den  Kirchen  Frankfurts 
für  den  glücklichen  Friedensabschluss  von  Rvswick  häufiger 
Gottesdienst  gehalten  wurde,  duldete  der  Rath  keine  Komödianten 
oder  Freudenspieler.  Statt  dessen  ist  in  diesem  Jahre  in  Bockenkeim 
ein  Theater  errichtet  worden,  dessen  Besuch  von  Seiten  der  Frank¬ 
furter  trotz  des  vom  Rath  erlassenen  Verbotes  sehr  zahlreich  war. 
In  Folge  dessen  wurden  am  13.  Januar  1697  und  11.  Mai  1698 
von  dem  Prediger  -  Ministerium  Frankfurts  beschlossen,  hei  jeder 
Gelegenheit  gegen  den  Besuch  dieses  Theaters  zu  wirken.228  Jeden¬ 
falls  in  Rücksicht  auf  diesen  Beschluss  zeigten  auch  die  Väter  der 
Stadt  gegen  die  Wittwe  Katharina  Elisabeth  Velthen  kein  entgegen¬ 
kommendes  Verhalten,  als  dieselbe  mit  ihrer  25  Mann  starken  Com¬ 
pagnie  in  der  Ostermesse  1698  dringend  um  Aufnahme  nachsuchte.229 

Obgleich  sie  sich  auf  den  wiedergewonnenen  Frieden ,  auf  die 
ankommenden  hohen  Standespersonen  berief,  die  sich  »bei  ihren 
serieusen  Verrichtungen  gerne  mit  erlaubten  Veränderungen  diver- 
tiren  wollen«,  so  erhielt  sie  doch  erst  nach  mehrmaligen  Bittgesuchen 
und  auf  ganz  besondere  Empfehlung  »Seiner  hochgräflichen  Gnaden 
zu  Hanau«  und  verschiedener  wegen  nachträglicher  Verhandlungen 
über  den  Frieden  von  Ryswik  sich  hier  aufhaltender  hoher  Standes¬ 
personen  die  Erlaubniss,  ihre  »moralischen,  keine  skandalösen  Dinge 
enthaltenden  Actiones  präsentiren«  zu  dürfen.230  Vielleicht  wirkte 
aber  bei  der  endlichen  Willfahrung  des  Rathes  noch  mehr  als  dieses 
hohe  Fürwort  das  grosse  Ansehen  des  Veltken’scken  Namens  mit, 
der  ja  auch  in  Frankfurt  stets  einen  guten  Klang  gehabt  hatte. 

Und  die  Wittwe  des  berühmten  Magisters,  die  kurz  nach  dem 
Tode  »ihres  vor  mehreren  Jahren  verstorbenen  Mannes  das  polnische 
und  chursächsische  Privilegium  erhielt«,  wollte  durch  ihr  eignes 
Handeln  diesen  feinen  Ruhm  nicht  schmälern.  Sie  versicherte  aus¬ 
drücklich,  dass  sie  es  in  allen  Stücken  machen  wollte,  wie  ihr  seliger 
Mann,  »der  durch  seine  Actiones  in  ehr-  und  sittsamen  Gemütkern 
keinen  Eckel  oder  Verachtung  erwecket,  sondern  sich  vor  Hoch  und 
Niederen  Personen  dergestalten  auch  in  Frankfurt  aufgeführet,  dass 
nie  eine  Klage  oder  Ungelegenheit  erhoben  worden.«231 

Da  die  Schaubühne  der  Veltkin  sehr  eifrig  besucht  und  am 
22.  Juni  1698  abermals  von  Seiten  der  Geistlichkeit  über  den  »un- 
geseheuten  Besuch  des  Theaters«  geklagt  wurde,  so  scheint  eine  sehr 
freimüthige  Aeusserung  eines  ungenannten,  aber  sicher  angesehenen 
Frankfurters  sich  direkt  auf  die  Leistungen  der  berühmten  Bande 
bezogen  zu  haben.  Er  meinte,  »es  Aväre  Schade,  dass  solche  Komödien 
nicht  in  der  Barfüsserkircke  gehalten  worden  seien,  maassen  solche 


Hamlet.  Es  war  so,  dass  ein  Bruder  den  andern  im  Garten 
ermordet. 

Principal  Carl.  So  wird  es  docli  diese  Materie  sein.  Giesst 
des  Königs  Bruder  nicht  dem  Könige  einen  Gift  in  das  Ohr? 

Hamlet.  Recht,  recht,  eben  dieselbe  ist  es;  könnt  ihr  wohl 
sie  diesen  Abend  noch  präsentiren? 

Principal  Carl.  0  ja,  das  können  wir  leicht  machen,  denn 
es  kommen  wenig  Personen  dazu.  —  etc.222 

Ein  solches  Versprechen  konnte  der  Principal  nicht  kurz  vor 
der  Aufführung  geben,  wrenn  die  Darsteller  nöthig  gehabt  hätten, 
ihre  Rollen  noch  vorher  zu  memoriren.  Er  musste  sich  somit  auf 
che  Redegewandtheit  der  Schauspieler  verlassen,  welche  die  gegebene 
Materie  sofort  nach  einer  kurzen  Probe  und  Beschreibung  in  ein 
passendes  dramatisches  Gewand  zu  kleiden  verstanden. 

Von  der  Vertheidigung  der  Ansicht,  dass  Hamlet  wirklich  und 
zwar  auch  in  Frankfurt  von  Velthen  zur  Darstellung  gebracht  wor¬ 
den  sei,  kehren  wir  zu  dem  berühmten  Magister  selbst  zurück,  der 
seinen  guten  Stützpunkt  Frankfurt  nach  der  kurzen,  aber  erfolg¬ 
reichen  Wirksamkeit  im  Jahre  1686  nie  wieder  sehen  sollte. 

Kaum  war  Velthen  nach  Sachsen  zurückgekehrt,  da  liess  der 
»Jupiter  Frankreichs«,  der  König  Ludwig  XIV.,  die  ersten  Vorboten 
jenes  neuen  verheerenden  Unwetters  emporsteigen,  das  nicht  allein 
die  Rheinpfalz  verwüsten,  sondern  auch  Frankfurt  mit  den  umliegen¬ 
den  Ortschaften  in  die  grösste  Gefahr  versetzen  sollte.  Schon  1687, 
also  ein  Jahr  vor  dem  Ausbruch  des  pfälzischen  Erbschaftskrieges, 
waren  die  Zeitumstände  so  trüb  und  Besorgniss  erregend,  dass  der 
Rath  in  der  Oster-  und  Herbstmesse  weder  den  Gesuchen  der  Ko¬ 
mödianten,  noch  der  Seiltänzer  oder  sonstiger  Künstler  einen  will¬ 
fährigen  Bescheid  ertheilen  konnte. 

In  der  Herbstmesse  wollte  der  bereits  erwähnte  Georg  Scheurer, 
Principal  der  Xiirnbergischen  Komödianten,  seine  Aufnahme  durch 
den  Beistand  des  Landgrafen  zu  Hessen-Homburg  mit  aller  Gewalt 
durchsetzen,  aber,  obgleich  Scheurer  eine  Supplication  nach  der 
anderen  einreichte,  obgleich  sein  fürstlicher  Gönner  eigens  »dero 
Cammermeister«  mehrmals  wegen  einer  »Recommandation  und  Uft- 
nahme  der  Komödianten«  zu  den  Herren  Bürgermeistern  sandte,  so 
entschloss  sich  doch  der  Rath  bei  den  immer  ernster  werdenden 
Zeitumständen  zu  keiner  Abänderung  des  einmal  gefassten  Beschlusses. 
Ebensowenig  wie  Scheurer  durfte  auch  der  im  letzten  Viertel  des 
XVII.  Jahrhunderts  hochberühmte  Seiltänzer  Jean  Fontaine  seine 
»kaum  glaublichen  Actiones«  präsentiren,  die  früher  das  Volk  so  sehr 
angelockt  und  ihn  und  seine  »Mitgesellen  für  die  weitesten  Reisen 
anhero  reich  entschädigt  und  belohnet«  hatten.  Das  Einzige,  was 


124 


der  Rath  mit  Rücksicht  auf  die  Messfremden  gestattete,  war  die 
»privat  Cammer«  eines  Taschenspielers,  dessen  Künste  jedoch  nur 
unter  grossen  Einschränkungen  erlaubt  wurden.223 

Der  barbarische  Einfall  der  Franzosen  in  die  Pfalz  vertrieb  die 
meisten  Wandertruppen  bis  zum  Frieden  von  Rvswik  (1697)  aus 
den  vom  Kriege  bedrohten  Gegenden.  Auch  Frankfurt  schwebte 
bis  zu  diesem  Zeitpunkt  in  steter  Gefahr  vor  der  Wiederkehr  der 
französischen  Mordbrenner,  welche  1688  die  der  Stadt  zugehörigen 
Dörfer  Ober-  und  Niederrad  angezündet  und  ausserdem  noch  oft 
wilde  Streif  banden  in  die  Nähe  des  Frankfurter  Weichbildes  aus¬ 
gesandt  hatten. 

»Doch  wo  Bellona  herrscht,  kann  keine  Muse  nahen«,  und  so 
kam  es  denn  auch,  dass  Yelthen  gerade  in  seinen  letzten  Lebens¬ 
jahren  von  Frankfurt  fern  bleiben  musste,  seit  ihn  der  Tod  Johann 
Georg’s  III.  von  Sachsen  aufs  Neue  mit  seiner  Bande  zu  unsicherem 
Erwerb  in  die  Ferne  hinaus  getrieben.  —  Frankfurt  sah  dem¬ 
nach  den  berühmten  Magister  nur  in  der  höchsten  Blüthe  seiner 
Wirksamkeit.  Als  er  selbst  eine  Reform  der  von  ihm  in’s  Leben 
gerufenen  Kunstgattung,  der  Stegreifkomödie,  anbahnte,  als  er  nach 
verzweifeltem  Kampfe  gegen  die  Dämonen,  die  er  einst  selbst  herauf¬ 
beschworen,  wie  ein  Held  auf  seinem  eignen  Schilde  starb:  da  war 
er  fern  von  Frankfurt,  das,  um  sein  eignes  Wort  zu  gebrauchen, 
»ihm  und  seiner  Kunst  gar  oft  einen  gütlichen  und  segensreichen 
Ein-  und  Ausgang  gestattet«  hatte.  Yelthen,  der  wahrscheinlich  bald 
nach  1693  starb,  raubte  durch  sein  Ableben  der  immer  mehr  ver¬ 
fallenden  Schauspielkunst  den  letzten  Rest  edler  Widerstandskraft. 
Nachdem  der  grosse  Magister,  dessen  eignes  Geschick  so  fest  mit  dem 
ihren  verwachsen  war,  nicht  länger  ein  starker  Führer  sein  konnte, 
verwilderte  sie  so  sehr,  dass  sie  nicht  mehr  Kunst,  sondern  nur  noch 
Profession  genannt  werden  konnte. 

III. 

Nach  einem  achtjährigen  Stillstand  im  theatralischen  Leben 
meldeten  sich  beim  Rathe  Frankfurts  in  der  Herbstmesse  1695  wie¬ 
der  die  ersten  Komödianten  an.  Es  war  Andreas  Elenson,  der 
mittelst  eines  Schreibens  ans  Regensburg  vom  6.  Juni  1695  »die 
gnädige  Obrigkeit  der  weltberühmten  Reichsstadt  in  tiefster  Unter- 
thänigkeit«  um  die  Erlaubniss  anging,  in  der  Herbstmesse  »am  all¬ 
hiesigen  orth  seine  actiones  exhibiren  zu  dörffen«.224  Aber  trotzdem 
sich  der  in  Frankfurt  sehr  angesehene  Graf  Gustav  Adolf  von  Hohen¬ 
lohe  für  Elenson  bei  den  Bürgermeistern  verwandte,  konnten  die 
Väter  der  Stadt  doch  in  einer  Zeit  kein  solch’  weltliches  Vergnügen 
gestatten,  in  welcher  fast  noch  täglich  in  allen  Kirchen  Gottesdienst 
wegen  Abwendung  der  Kriegsgefahr  gehalten  wurde.  Auch  alle 


121 


Die  Tragödie:  »Der  bestrafte  Brudermord  oder  Prinz  Hamlet 
aus  Dänemark«  soll  ja  von  der  grösstentheils  aus  Studenten  bestehen¬ 
den  Yeltlien 'sehen  Truppe  schon  bald  nach  deren  Gründung  in  Dres¬ 
den  gegeben  und  später  auf  ihren  weiteren  Wanderzügen  durch  das 
Reich  auch  in  süddeutschen  Städten  aufgeführt  worden  sein.  Ohne 
Zweifel  war  die  von  der  berühmten  Bande  dargestellte  Tragödie 
nach  jenem  alten  Original  neu  bearbeitet  worden,  welches  die  eng¬ 
lischen  Komödianten  sechzig  Jahre  früher  bei  der  Aufführung  am 
Hofe  zu  Dresden  und  später  in  Frankfurt  bei  ihrer  Abschiedsvorstel¬ 
lung  benutzt  hatten. 

Der  berühmte  Schauspieler  Konrad  Eckhof  besass  eine  im  Jahre 
1710  in  Preetz  in  Holstein  ausgefertigte  Abschrift  dieses  umgearbeite¬ 
ten  Stückes,  in  welchem  besonders  eine  Scene  und  verschiedene  in 
derselben  vorkommende  theatralische  Bezeichnungen  der  damaligen 
Zeit  darauf  hinweieen,  dass  die  Bearbeitung  des  alten  Originals  wahr¬ 
scheinlich  für  die  berühmte  Bande  berechnet  war.  —  Da  schon  im 
vorigen  Jahrhundert  durch  den  Theaterschriftsteller  Christian  Hein¬ 
rich  Schmidt,  der  Eckhof’s  Abschrift  gewiss  nicht  kannte,  sehr  heftig 
gegen  die  mit  grosser  Sicherheit  aufgestellte  Behauptung  gestritten 
wurde,  dass  Yeltlien  den  Shakespeare  seinem  Repertoire  einverleibt 
habe,  da  auch  in  unserer  Zeit  oft  derselbe  Zweifel  ausgesprochen 
wurde,  so  mag  hier  in  der  sicheren  Annahme,  dass  der  dänische 
Prinz  1686  über  die  Bretter  der  Frankfurter  Schaubühne  im  Krach¬ 
bein  ging,  ein  Theil  von  einer  Scene  aus  jener  Bearbeitung  der 
Tragödie  »Hamlet«  Platz  finden,  welche  vielleicht  besser  die  wichtige 
Frage  zu  entscheiden  vermag,  als  alle  literarischen  Belege  und  be¬ 
rechtigten  Yermuthungen.  Vorausgeschickt  werde  noch,  dass  man 
diesem  Stück  bereits  den  Titel  »Haupt-  und  Staatsaktion«  beilegen 
kann  und  dass  die  vorgeschriebenen  Scenerien  genau  mit  der  Ein¬ 
richtung  der  Bühne  zu  Velthen’s  Zeit  übereinstimmen.  Die  Tragödie 
beginnt  mit  einem  in  bombastischer  Sprache  abgefassten  Vorspiel,  in 
welchem  die  Nacht  in  einer  »gestirnten  Maschine«  erscheint  und  ein 
bald  in  Alexandrinern,  bald  in  platter  Prosa  gegebenes  Zwiegespräch 
mit  den  Furien  Tisiphone,  Megära  und  Alecto  hält.  Der  Lustig¬ 
macher  tritt  ziemlich  bescheiden  als  Hofnarr  Phantasmo  auf,  er  treibt 
seine  Scherze  mit  der  wahnsinnigen  Ophelia  und  bereichert  schliess¬ 
lich  durch  seinen  Tod  das  Stück  um  eine  Leiche  mehr.  Die  folgende 
Scene  ist  in  der  Schlegel-Tieck’schen  Uebersetzung  des  Hamlet  kaum 
wieder  zu  erkennen. 

»Zweiter  Akt.  Scene  VII. 

Hamlet,  Komödianten,  Principal  Carl. 

(Die  Bezeichnung  Principal  kommt  erst  in  Velthen’s  Zeit  zum 
ersten  Mal  vor,  früher  Wessen  die  Leiter  einer  Truppe  Führer,  Mei¬ 
ster  und  auch  schon  hie  und  da  Directores.) 


122 


Principal  Carl.  Ihro  Hoheiten  wollen  die  Götter  allezeit 
mit  Seegen,  Glück  und  Gesundheit  beschenken. 

Hamlet.  Ich  dank  euch,  mein  Freund,  was  verlanget  ihr? 

Principal  Carl.  Ihro  Hoheiten  wollen  uns  in  Gnaden  ver¬ 
zeihen,  wir  sind  fremde  hochteutsche  Comödianten,  und  hätten  ge¬ 
wünscht,  das  Glück  zu  haben,  auf  Ihro  Majestät  des  Königs  Bey- 
lager  zu  agiren,  allein  das  Glück  hat  uns  den  Rücken,  der  contraire 
Wind  aber  das  Gesichte  zugekehret,  ersuchen  also  an  Ihro 
Hoheiten,  ob  wir  nicht  noch  eine  Historie  vorstellen  könnten,  damit 
wir  unsere  weite  Reise  nicht  gar  umsonst  möchten  gethan  haben. 

Hamlet.  Seyd  ihr  nicht  vor  wenig  Jahren  zu  Wittenberg 
auf  der  Universität  gewesen?  Mich  dünkt,  ich  habe  euch  da  sehn 
agiren. 

Principal  Carl.  Ja,  Ihro  Hoheiten,  wir  sind  von  denselben 
Comödianten. 

Hamlet.  Habt  ihr  dieselbe  Compagnie  noch  ganz  bei  euch? 

Principal  Carl.  Wir  sind  zwar  nicht  so  stark,  weilen 
etliche  Studenten  in  Hamburg  Condition  genommen,  doch  seynd  wir 
zu  vielen  lustigen  Comödien  und  Tragödien  stark  genug. 

(Hiernach  wäre  die  Mythe  vielleicht  doch  nicht  ganz  ohne 
einen  thatsächlichen  Anhalt,  welche  einige  studirte  Mitglieder  der 
Yelthen’schen  Truppe  durch  vortheilhafte  Verheirathungen  in  Ham¬ 
burg  von  dem  Musen-  in  den  Merkursdienst  übertreten  lässt.) 

Hamlet.  Könnt  ihr  uns  wohl  diese  Nacht  eine  Comödie  prä- 
sentiren  ? 

Principal  Carl.  Ja,  Ihro  Hoheiten,  wir  sind  stark  und 
exercirt  genug. 

Hamlet.  Habt  ihr  noch  alle  drey  Weibspersonen  bey  euch; 
sie  agirten  sehr  wohl? 

Principal  Carl.  Nein,  nur  zwey,  die  eine  ist  mit  ihrem 
Mann  an  dem  sächsischen  Hof  geblieben.« 

Es  folgt  nun  eine  originelle,  aber  trotzdem  verunglückte  freie 
Bearbeitung  der  berühmten  Rede  Hamlot’s  über  die  Schauspielkunst. 
Dann  versichert  Hamlet  dem  Principal,  dass  er  ein  grosser  Lieb¬ 
haber  seiner  Exercitien  sei,  und  fragt  weiter: 

»Höret  mir  nun,  ihr  agirtet  dazumalen  eine  Materie  in  Witten¬ 
berg  von  dem  König  Pir  —  Pir  —  es  pirt  sich  so. 

Principal  Carl.  Ach,  es  wird  vielleicht  von  dem  grossen 
König  Pyrro  seyn  ? 

Hamlet.  Mich  dünkt,  doch  weiss  ich  es  eigentlich  nicht. 

Principal  Carl.  Wenn  Ihro  Hoheit  nur  noch  etliche  Per¬ 
sonen  nennen  oder  etwas  von  dem  Inhalt  melden  wollten. 

(Es  bedurfte  also  nur  eines  Leitfadens,  um  mit  Hülfe  der  ex- 
tcmporirten  Rede  den  betreffenden  Stoff  dramatisch  beleben  zu 
kö  nnen!) 


129 


So  kam  es,  dass  die  Schauspielkunst  ihre  ersten  Jugendkräfte  im 
Irrthum  zusetzte,  dass  sie  in  ihrem  eigentlichen  Jünglingsalter  ein 
kümmerliches  Wachsthum  zeigte,  und  dass  sie  erst  in  der  milden 
sonnigen  Klarheit,  mit  der  Goethes  und  Schillers  Poesie  den  geistigen 
Horizont  des  deutschen  Volkes  überstrahlte,  wieder  vollständig  von 
den  Nachwehen  jener  wüsten  Ausschweifungen  genesen  konnte. 


9 


Die  dramatische  Kunst  in  Frankfurt  von  dem 
Beginne  des  XVIII.  Jahrhunderts  bis  zum 
ersten  Auftreten  der  Neuherin. 

i. 

Es  war  eine  erbebende  und  erfreuliche  Aufgabe,  von  den  guten 
segensreichen  Jahren  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  berichten 
zu  können,  aber  es  ist  ein  ernstes  Amt  im  Dienste  der  Wahrheit, 
auch  ihre  durch  eigne  Schuld  hervorgerufenen  bösen  und  unfrucht¬ 
baren  Zeiten  ans  Licht  zu  ziehen.  In  eine  solche  Periode,  deren 
traurige  Physiognomie  mit  dem  Laufe  der  Jahre  immer  schärfere 
Züge  annehmen  sollte,  treten  wir  in  der  Frankfurter  Theater¬ 
geschichte  mit  dem  Beginne  des  neuen  Jahrhunderts.  —  Dies  ist  die 
Epoche,  in  der  die  getreuesten  Anhänger  der  dramatischen  Kunst  hier, 
wie  überall,  an  üirem  besseren  Selbst  verzweifelten,  in  der  ein  Un¬ 
stern  über  ihr  schwebte :  die  Blüthezeit  der  tollen  Haupt-  und  Staats¬ 
aktionen  und  des  verwilderten  Kunstvagabundenthums. 

Diejenige  Wandertruppe,  welche  diese  an  traurigen  Kapiteln 
reiche,  an  erhebenden  Momenten  so  arme  Epoche  in  Frankfurt  ein¬ 
leiten  sollte,  war  eine  französische  Opern-Gesellschaft,  welche  seither 
in  Metz  und  Strassburg  Vorstellungen  gegeben  und  sich  auf  den 
Wunsch  »hochansehnlicher  Kayserlicher  Ambassadeurs  und  Gesandten 
sowohl  auch  anderer  grosser  Fürsten  und  Herrn,  in  specie  aber  Ihrer 
hochgräflichen  Gnaden  von  Hanau  in  die  weltberühmte  Beichsstadt 
verfügt  hatte«.  Cherrier  und  Billieu,  die  Direktoren  dieser  aus  mehr 
denn  80  Personen  bestehenden  Compagnie  berufen  sich  in  ihrem  Ge¬ 
such  an  den  Rath  auf  diese  wichtige  Einladung  und  suchen  den¬ 
selben  noch  ausserdem  durch  die  genaue  Darlegung  des  Punktes 
für  sich  zu  gewinnen,  »dass  es  mit  den  Opern  eine  ganz  andere 
Beschaffenheit  habe, '  als  mit  denen  Comödias ,  welche  ein  Hochedler 
Magistrat,  wie  berichtet  worden,  ehedessen  wegen  ärgernuss  in  ihrer 
Stadt  nicht  habe  gestatten  wollen«.  An  diese  schlaue  Anspielung  auf 
die  Herabgekommenheit  des  deutschen  Schauspiels  fügen  Cherrier 
und  Billieu  dann  noch  den  kühnen  Zusatz ;  »dass  ihre  Opern  die 
Ehrbarkeit  ganz  und  gar  nicht  verletzen,  sondern  in  einem  unschul¬ 
digen  ehrlichen  und  edlen  divertissement  bestehen,  dergestalt,  dass 


131 


auch  ihre  Kayserliche  Majestät  zu  Wien  nicht  allein  solche  in  ihrer 
Kayserlichen  Residente  zu  dulden  pflegen,  sondern  auch  mit  ihrer 
praesentz  und  hohen  protection  allergnedigst  beehren  und  ein  sonder¬ 
bares  Belieben  daran  bezeugen«.237  —  Diese  höchst  geschickt  und 
schlau  abgefasste  Eingabe  blieb  denn  auch  nicht  ohne  den  gewünschten 
Erfolg.  Cherrier  und  Billieu  erhielten  ihre  Bitte  bewilligt238  und 
durften  sofort  mit  dem  Aufbau  einer  grossen  Hütte  beginnen,  welche 
verschiedenen  Andeutungen  zufolge,  entweder  auf  dem  Liebfrauen¬ 
berge  oder  auf  dem  Rossmarkt  gestanden  hat.  Die  Bühne  darin 
muss  eine  ähnliche  Einrichtung  gehabt  haben,  wie  die  der  Vorstellung 
von  Himmel,  Erde  und  Hölle  entsprechende  französische  Mysterien¬ 
bühne  des  Mittelalters.  Die  Entrepreneurs  besassen  nämlich  eine 
»mächtige  Machina«,  welche  sie  mit  grossen  Unkosten,  wegen  dem 
Auf-  und  Abwärtsschweben  der  Götter  und  Dämonen  von  Metz  hier¬ 
her  hatten  transportiren  lassen,  um  das  Himmlische,  Irdische  und 
Finstre  in  genauer  Unterschiedenheit  dem  Frankfurter  Publikum  auf 
dem  Theater  vorstellen  zu  können. 

Auch  an  sonstigem  raffinirten  Prunk  der  Dekorationen  und 
Kostüme  fehlte  es  dieser  Gesellschaft  nicht,  deren  hauptsächlichster 
Anziehungspunkt  neben  einigen  fürtrefflichen  Sängern  und  Sänge¬ 
rinnen  doch  wohl  in  einem  vollständig  ausgebildeten  Ballet  bestanden 
zu  haben  scheint. 

Die  Nichtachtung,  mit  welcher  die  Tagesblätter  und  die  Gebil¬ 
deten  in  jener  Zeit  auch  in  Frankfurt  alle  mit  dem  Theater  in  Zu¬ 
sammenhang  stehenden  Erscheinungen  im  Allgemeinen  zu  behandeln 
pflegten,  hat  leider  auch  das  Forschen  nach  gedruckten  Mittheilungen, 
besonders  nach  Theaterzetteln  von  dieser  Gesellschaft  gänzlich  er¬ 
folglos  bleiben  lassen. 

Ueber  den  künstlerischen  Standpunkt  der  beiden  Direktoren 
Cherrier  und  Billieu  wird  man  aber  einigermassen  durch  ihre  Lei¬ 
stungen  in  Metz  und  Strassburg  aufgeklärt,  wo  sie  hauptsächlich  Opern 
von  den  bei  den  Italienern  in  die  Schule  gegangenen  Robert  Cambert 
und  Jean  Baptiste  Lully  zur  Darstellung  gebracht  hatten.  Besonders 
waren  es  die  an  neuen  musikalischen  Formen  reichen  Opern  des 
letzteren,  z.  B.  »Bellerophon«,  »Jsis  und  Armida«,  welche  mit  ihren 
Göttererscheinungen  und  eingelegten  Balletten  das  Metzer  und  Strass¬ 
burger  Publikum  in  Sonderheit  aber  »dortige  hohe  Herrschaften  sehr 
angezogen  haben«  sollen.239  Was  nun  in  jenen  beiden  Städten  Hoch 
und  Gering  zu  fesseln  verstand,  ist  sicher  auch  in  Frankfurt  alsbald 
zur  Aufführung  gekommen.  Zudem  war  ja  auch  das  französische 
Opernrepertoire,  das  erst  durch  Lully ’s  Schöpfungen  grössere  Selbst¬ 
ständigkeit  erlangt  hatte,  noch  nicht  so  reichhaltig,  dass  eine  mannig¬ 
faltige  Abwechslung  desselben  möglich  gewesen  wäre. 

Die  beiden  durch  Ballet  verschönten  Schäferspiele  aber,  welche 
nach  späterer  Mittheilung  des  Frankfurter  Theaterschriftstellers  Jacob 

9* 


132 


Seyfried ,  hier  eine  so  bedeutende  Anziehungskraft  ausgeübt  haben 
sollen,  können  nur  die  besten  Schöpfungen  Robert  Cambert’s:  »Po¬ 
mona«,  und  »Les  peines  et  les  plaisirs  de  l’amour«  gewesen  sein. 
Diese  beiden  anmuthigen  musikalischen  Werke  erregten  auch  in  Wien 
das  grösste  Aufsehen. 

Dass  den  ernsten  Opern  wie  in  Metz  und  Strassburg  auch  in 
Frankfurt  ein  lustiges  Nachspiel  mit  gesanglichen  Einlagen  folgen 
musste,  lässt  sich  bei  einem  Rückblick  auf  die  früheren  Abschnitte 
der  Frankfurter  Theatergeschichte,  in  denen  die  lustige  Figur  ja  stets 
ein  so  starkes  Zugmittel  gewesen,  leicht  denken.  In  diesen  Nach¬ 
spielen  wirkten  jedenfalls  hauptsächlich  italienische  Künstler  mit, 
welcher  Umstand  viel  zur  Verbreitung  der  irrthümlichen  Annahme 
beigetragen  haben  mag,  dass  die  Truppe  eine  italienische  und  nicht 
eine  französische  Operngesellschaft  gewesen  sei. 

Unter  einem  Zuspruch  von  vornehmen  Herrschaften  und  ge¬ 
wöhnlichem  Publikum,  wie  ihn  wohl  kaum  jemals  eine  fahrende  Truppe 
in  Frankfurt  gehabt  hatte,  gaben  Cherrier  und  Billieu  ungefähr  vom 
5.  August  bis  Ende  September  1700  täglich  mit  Ausnahme  der  Sonn¬ 
tage  in  ihrer  sehr  grossen  mit  ganz  ungewöhnlichen  Unkosten  auf- 
gebauten  Hütte  musikalische  Vorstellungen.  Ob  die  Mittheilung  ver¬ 
schiedener  Frankfurter  Schriftsteller,  dass  die  Juden  den  Besuch  der 
französischen  Oper  mit  dem  Bann  belegt  hatten,  auf  einer  traditio¬ 
nellen  -Nachricht  oder  aktenmässigen  Notizen  beruht,  wagen  wir  hier 
um  so  weniger  zu  entscheiden  als  ungeachtet  der  gründlichsten 
Durchsicht  dafür  kein  Anhalt  in  den  Archivalien  zu  finden  war. 

Die  Aufführungen  in  der  französischen  Opernhütte  können  aber 
nicht  mehr,  wie  zu  Velthens  und  seiner  unmittelbaren  Nachfolger 
Zeit,  am  hellen  Nachmittage  stattgefunden  haben ;  denn  die  beiden 
Direktoren  bestellten  sechs  Aufseher,  welche  wegen  der  vielen  Lichter 
und  der  damit  verbundenen  Feuersgefahr  des  Abends  und  die  Nacht 
hindurch  in  der  Hütte  Wache  halten  mussten.240 

Die  Oper  mit  ihren  mannigfaltigen  Dekorationseffekten  und 
prunkhaften  Maschinerien  verlangte  zur  Vervollständigung  der  künst¬ 
lerischen  Täuschung  durchaus  den  strahlenden  Lichterglanz.  Wie  in 
vielen  deutschen  Städten  so  wurde  ihr  auch  hier  dieses  Recht  nicht 
ohne  grosse  Schwierigkeiten  zugesprochen,  aber  sie  erhielt  es  doch 
und  verhalf  dadurch  auch  dem  Schauspiel  in  Zukunft  zu  einer  Spiel¬ 
zeit,  in  der  Personen  aus  dem  Volke  viel  leichter  einer  Vorstellung 
beiwohnen  konnten  als  am  Nachmittage. 

Seit  dem  Anfang  des  neuen  Jahrhunderts  begannen  die  thea¬ 
tralischen  Vorstellungen  in  der  Herbstmesse  meistens  um  5  Uhr,  in 
Ausnahmsfällen  durften  sie  jedoch  auch  eine  Stunde  später  ihren 
Anfang  nehmen.  Hinsichtlich  des  Zuhörens  und  Zusehens  hatte  das 
Publikum  eine  viel  grössere  Ausdauer  als  heutzutage  zu  entwickeln; 
denn  die  meisten  Vorstellungen  von  Haupt-  und  Staatsaktionen  sowie 


133 


grossem  Opern  müssen  mindestens  drei  Stunden  in  Anspruch  ge¬ 
nommen  haben ,  wobei  das  lustige  Nachspiel  noch  nicht  mit  ein¬ 
gerechnet  ist. 

Welches  Eintrittsgeld  der  dazu  bevollmächtigte  jüngere  Bürger¬ 
meister  Johann  Martin  von  den  Birghden  den  französischen  Operisten 
festsetzte,  ist  nicht  genau  angegeben,  dass  es  aber  ein  viel  höheres 
gewesen  sein  muss,  als  Yelthen  und  seine  Nachfolger  bis  an  den 
Schluss  des  XYN.  Jahrhunderts  fordern  durften,  geht  aus  dem  Um¬ 
stand  hervor,  dass  Cherrier  und  Billieu  sich  schon  nach  den  ersten 
Vorstellungen  freiwillig  erboten,  der  Armenkasse  Frankfurts  die  un¬ 
gewöhnlich  hohe  Summe  von  1000  Francs  zu  entrichten.241 

Selbst  der  grösste  Zuspruch  von  Seiten  des  Publikums  würde 
eine  solche  Abgabe  neben  den  vielen  Unkosten  sicher  nicht  ermög¬ 
licht  haben ,  wenn  das  Eintrittsgeld  nicht  entsprechend  hoch  ge¬ 
wesen  wäre. 

Als  die  Messe  vorüber  war  und  der  Schluss  der  Vorstellungen 
herannahte,  kamen  die  französischen  Operisten  mit  Unterstützung  der 
hohen  Gesandten  und  Geheimen  Bäthe,  welche  sich  hier  zur  Ab- 
scliliessung  von  Friedens  Verhandlungen  aufhielten,  um  eine  Ver¬ 
längerung  des  angesetzten  Termins  ein.  Sie  sagten  in  ihrer  Eingabe 
vom  23.  September  1700,  dass  die  »anwesenden  Gesandten,  Fürsten, 
Herrn  und  Grafen  ein  sonderbahres  contentement  an  ihren  Opern 
bezeuget  und  abermahls  das  gnädigste  gesinnen  an  sie  ergehen  lassen, 
sich  noch  eine  Zeit  lang  zur  repräsentirung  ein  und  andrer  neuen 
piecen  hier  aufhalten  zu  wollen«.  —  Aber  obschon  sie  an  die  in 
Aussicht  gestellte  hohe  Abgabe  für  die  Armen  erinnerten ,  obschon 
die  angesehensten  Person  lichkeiten  dem  Gesuch  durch  ihre  Fürsprache 
doppelten  Nachdruck  verliehen  :  der  Rath  verlängerte  die  früher  ge¬ 
gebene  Erlaub niss  für  keine  einzige  Vorstellung.  —  Vielleicht  be¬ 
stimmten  die  Väter  der  Stadt  zu  dieser  entschiedenen  Zurückweisung 
die  ersten  Anzeichen  des  spanischen  Erbfolgekrieges,  welche  damals 
den  politischen  Horizont  Europas  zu  verdunkeln  begannen,  vielleicht 
folgten  sie  aber  auch  den  Warnungen  des  evangelisch-lutherischen 
Predigerministeriums,  welches  bei  den  der  fremdländischen  Oper 
zahreich  zuströmenden  Frankfurtern  eine  zu  grosse  Verweltlichung  und 
Abwendung  von  ernstem  Dingen  fürchtete. 

Nach  dem  kaum  abgeschlossenen  Frieden  von  Ryswik  brach 
denn  auch  im  Jahre  1701  der  spanische  Erbfolgekrieg  aus,  der  wäh¬ 
rend  seiner  zwölfjährigen  Dauer  die  Stadt  durch  Kriegssteuern  und 
Armeebewegungen  fortwährend  beunruhigte  und  in  Folge  dessen 
auch  einen  hemmenden  Einfluss  auf  den  Fortschritt  der  dramatischen 
Kunst  in  Frankfurt  ausübte.  Schon  im  Herbst  des  Jahres  1701 
wirkten  die  Zeitumstände  auf  die  Entschlüsse,  welche  der  Rath  in 
Bezug  auf  theatralische  Vorstellungen  fasste,  höchst  ungünstig.  Er 
nahm  die  Bittschriften  mehrerer,  nicht  näher  benannter  Komödianten- 


134 


banden  gar  nicht  an  und  wies  auch  am  9.  August  die  Direktoren 
der  französischen  Oper  zu  Metz  und  Strassburg,  Cherrier  und  Billieu, 
die,  wie  im  vorigen  Jahr,  ihr  gutes  Glück  wieder  in  Frankfurt 
suchen  wollten,  ein  für  allemal  ab.242 

Das  entschieden  unzugängliche  Verhalten  des  Rath  es  mag  mittler¬ 
weile  wohl  zur  Kenntniss  der  meisten  Wandertruppen  gelangt  sein; 
denn  erst  von  der  Zeit  vor  der  Herbstmesse  1705  findet  sich  nach 
mehrjährigem  Stillstand  im  theatralischen  Leben  Frankfurts  wieder 
die  erste  Komödianten-Supplikation  in  den  Akten  vor.  Es  ist  dies 
ein  Gesuch  der  Velthen’schen  Bande,  welche  sich  dicht  in  der  Nähe, 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  Hanau,  auf  hielt,  und  in  Frankfurt 
wie  in  früheren  Jahren  einen  beträchtlichen  Verdienst  zu  erzielen 
gedachte.243  Obschon  aber  der  Name  Velthen  beim  Rath  noch 
immer  einen  guten  Klang  hatte,  und  wenn  sich  auch  der  Herzog  von 
Weissenfels  für  die  Wittwe  des  berühmten  Magisters  verwandte, 
wurde  dieselbe  dennoch  im  Hinweis  auf  die  bedenklichen  Zeiten  in 
dieser  und  in  der  Herbstmesse  des  Jahres  1706  energisch  ab¬ 
gewiesen.244 

Bis  zur  Kaiserkrönung  Karl’s  VI.  hielt  sich  die  Velthin  wegen 
dieser  wiederholten  Zurückweisungen  fern  von  Frankfurt,  statt  dessen 
langte  im  August  1708  Sophia  Julie  Elenson  mit  ihrer  Truppe  von 
Schwalbach  hier  an,  wo  ihr  Mann,  der  schon  früher  erwähnte 
Franz  Elenson  —  welcher  Principal  der  Mecklenburgischen  Hof- 
komödianten  und  ein  ausgezeichneter  Pantalondarsteller  gewesen 
war  vor  einigen  Wochen  unverhofft  das  Zeitliche  gesegnet  hatte. 

In  ihrem  Bittgesuch  vom  28.  August  1708  schilderte  die  Elen¬ 
son  die  traurige  Lage,  in  welche  sie  durch  den  plötzlichen  Tod  ihres 
Mannes  versetzt  worden  sei.  Trotzdem  sie  sich  jedoch  auf  ihre  vier 
unerzogenen  armen  Kinder  und  auf  die  gesegneten  Umstände  berief, 
in  denen  sie  sich  gerade  befände,  wurde  sie  doch  erst  nach  wieder¬ 
holtem  Einkommen  und  nur  auf  besonderen  Wunsch  des  damals 
in  Frankfurt  anwesenden  Landgrafen  zu  Hessen  -  Darmstadt  für 
die  Herbstmesse  zugelassen.  Bei  der  gewährten  Erlaubniss  machte 
der  Rath  zur  Bedingung,  dass  sie  ihrer  gemachten  Offerte  gemäss 
einen  Tag  in  der  Woche  für  die  Armen  spielen,  sich  aller  üppigen 
Materie  enthalten,  nicht  zu  spät  in  der  Nacht,  auch  am  Sonntag  nicht 
spielen  solle. 

In  der  Herbstmesse  1709  fand  die  Elenson,  welche  inzwischen 
am  Hofe  zu  Darmstadt  gespielt  haben  muss,  auf  besondere  Empfeh¬ 
lung  ihres  fürstlichen  Gönners  ohne  Schwierigkeiten  wieder  die  ge¬ 
wünschte  Aufnahme.  Der  Landgraf  Ernst  Ludwig  von  Hessen-Darm¬ 
stadt  (1678 — 1739),  der  ein  grosser  Theaterfreund  war,  schickte  sogar 
seinen  Geheimen  Rath  Persius  von  Lonsdorff245  schon  Mitte  Juli 
mit  einer  eigenhändig  geschriebenen  Fürbitte  zu  den  Herren  Bürger¬ 
meistern,  auf  welche  »aus  unterthänigster  consideration  für  Ihro  hoch- 


135 


fürstliche  Durchlaucht«  sofort  "Willfahrung  zugesagt  wurde,  wenn 
sich  zwischen  jetzt  und  der  Herbstmesse  die  Zeitverhältnisse  nicht 
verschlimmert  haben  sollten. 

Die  politischen  Aussichten  trübten  sich  nicht  in  bedenklicher 
Weise  und  so  spielte  che  Elenson  auch  diesmal  wieder,  wie  im 
vorigen  Jahre,  in  einer  sehr  grossen  Bude  auf  dem  Rossmarkt,  die 
allabendlich  bis  auf  den  letzten  Raum  von  Fremden  und  Angehöri¬ 
gen  der  verschiedensten  Klassen  der  Bevölkerung  gefüllt  war.  Der 
grösste  Theil  der  Besucher  bestand  »aus  hohen  und  geringen  männlichen 
Herrn  Liebhabern«,  die,  um  mit  einem  Augenzeugen  zu  reden, 
»wegen  denen  Frauensleutten,  besonders  aber  wegen  dem  wunder¬ 
vollen  und  reizbaren  (reizenden)  Weibsbild  von  einer  Principalin 
stark  angelocket  wurden«.  —  Eine  Bestätigung  erhält  dieser  Aus¬ 
spruch  gewissermassen  durch  die  Thatsache,  dass  sich,  als  die  Elen¬ 
son  mehrmals  um  Yerlängerung  ihrer  Spielzeit  nachgesucht  hatte, 
sogar  »Seine  hochfürstliche  Durchlaucht  der  Deutsch-Ordensmeister 
durch  einen  hoch-  und  teutschmeisterischen  Cavalier«  eigens,  aber 
vergeblich,  beim  Rath  für  die  Hinausschiebung  des  festgesetzten  Ter¬ 
mins  verwandte. 

Die  Schönheit  der  Elenson  und  ihre  Gabe,  alle  Welt,  besonders 
die  Männer,  für  sich  einzunehmen,  verschafften  ihr  denn  auch 
in  der  Folge  ein  Ansehen  in  Frankfurt,  welches  sie  in  Hinsicht  auf 
ihre  Kunstleistuugen  und  ihre  moralische  Führung  viel  weniger  ver¬ 
diente,  als  ihre  Vorgängerin  Katharina  Elisabeth  Yelthen.  Denn 
obschon  die  Letztere  zum  Vortheil  ihrer  Kasse  in  den  lustigen  Nach¬ 
spielen  ebenfalls  die  italienischen  Muster  nachalimte,  so  hielt  sie  doch 
immer  noch  in  den  Hauptaktionen  die  Grenze  der  Ehrbarkeit  inne, 
welche  die  Elenson  meistens  in  kecker  Dreistigkeit  überschritt. 
Ueberhaupt  giebt  diese  neben  der  Velthen’schen  am  meisten  an¬ 
gesehene  deutsche  Wandertruppe  trotz  der  gewiss  nicht  zu  unter¬ 
schätzenden  Mitgliedschaft  Kohlhard’s,  Hoffmann’s  und  einer  Familie 
Lorenz,  seitdem  sie  unter  der  Direktion  dieses  ebenso  schönen  als 
verschlagenen  und  grundsatzlosen  Weibes  stand,  ein  deutliches  Bild 
des  inneren  Verfalles  der  dramatischen  Kunst,  wie  er  sich  von  da 
an  allmählich  immer  bedenklicher  in  den  theatralischen  Vorstellun¬ 
gen  und  in  dem  Leben  und  Streben  der  Schauspieler  zu  äussern 
begann. 

Die  Elenson,246  welche  auch  im  Leben  eine  gute  Actrice  war, 
mochte  wohl  eine  gewisse  handwerksmässige  Geschicklichkeit  für  die 
Ausübung  ihrer  Kunst  besitzen,  aber  dass  sie,  wie  die  Velthin,  ein 
klares  Bewusstsein  von  der  hohen  Aufgabe  derselben  gehabt,  wider¬ 
legt  ihre  Leitung  auf’s  Entsclüedenste.  —  Nach  ächter  Weiberart 
verfuhr  sie  willkürlich  und  ohne  jeglichen  Grundsatz  bei  ihren  An¬ 
ordnungen.  Meistens  waren  dieselben  vom  Zufall  abhängig,  den  sie 
oft  ihren  guten  und  freundlichen  Leitstern  genannt  haben  soll. 


136 


In  anderen  Städten  kündigte  die  Elenson  in  jener  Zeit  meistens 
»merkwürdige  Haupt-  und  Staatsactionen  mit  den  Arlequin«  und 
»curiose  Burlesken  mit  Ballet«  als  Nachspiel  an,  in  Frankfurt,  wo 
gerade  damals  eine  ernste,  streng  sittliche  Richtung  vorherrschte, 
wollte  sie  aber  schlauer  AVeise  »nur  modeste  und  innocente  Schau¬ 
spiele«  zur  Darstellung  bringen,  welche  freilich  in  Wirklichkeit  lange 
nicht  so  bescheiden  und  unschuldig  waren,  als  sie  auf  den  Theater¬ 
zetteln  geschildert  wurden. 

Ehe  die  Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  weiter  verfolgt 
wird,  ist  es  wohl  am  Platze,  jene  Gattung  von  Stücken  kurz  zu 
kennzeichnen,  welche  unter  dem  marktschreierischen  Titel  Haupt- 
und  Staatsaktionen  auch  hier  in  der  ersteh  Hälfte  des  XVIII.  Jahr¬ 
hunderts  ebenso  berühmt  als  berüchtigt  werden  sollten.  Es  waren 
dies  in  dramatische  Form  gebrachte,  meist  zu  grotesker  Zeichnung 
drängende  Begebenheiten  aus  der  Vergangenheit  und  Gegenwart, 
z.  B.  seltsame  Abenteuer,  kriegerische  Vorgänge,  Erstürmungen  und 
ungewöhnliche  Helden thaten,  welche  in  der  trockensten  Prosa  abge¬ 
fasst  und  in  höchst  realistischer  Weise  aufgebaut  waren.  Mit  der 
ernsten  Haupthandlung  dieser  Stücke  war  ein  meistens  völlig  un¬ 
geschickt  und  geschmacklos  eingeflochtenes  Zwischenspiel  des  Ar- 
lechino,  Arlequin,  Harlekin  oder  Courtisan  verbunden,  welche  Namen 
die  lustige  Person  des  deutschen  Dramas  mittlerweile  von  ihren 
italienischen  und  französischen  Vorbildern  für  Pickelhäring  und 
Hanswurst  eingetauscht  hatte.  Die  Bezeichnung  klang  zwar  ge¬ 
fälliger  und  einschmeichelnder,  aber  der  alte  derbe  deutsche  Schalk 
hatte  nur  ein  fremdländisches  Gewand  übergeworfen ,  in  seinem 
innersten  Wesen  war  er  nach  wie  vor  derselbe  geblieben.  In  den 
Haupt-  und  Staatsaktionen  wurde  der  Inhalt  der  Harlekinsscenen 
nur  angedeutet,  die  Ausführung  blieb  dem  Improvisationstalent  des 
geschickten  Darstellers  überlassen.  Die  ernsten  Scenen  in  diesen 
Stücken,  welche  ein  Theaterschriftsteller  des  vorigen  Jahrhunderts, 
Christian  Heinrich  Schmid,  mit  Recht  »ein  Mischmasch  von  Bom¬ 
bast,  Galimathias  und  pöbelhaften  Scherzen«  nennt,247  waren  zwar 
grösstentheils  im  Dialog  ausgeführt,  aber  manchmal  wurde  dem  be¬ 
treffenden  Schauspieler  auch  nur  der  Umriss  oder  Grundgedanke 
seiner  Rolle  angegeben.  Die  Haupt-  und  Staatsaktion  war  also  in 
gewissem  Sinn  eine  extemporirte  Komödie,  deren  oft  kühn  erfundene 
Handlung  fest  stehen  blieb,  während  die  Ausführung  je  nach  dem 
verschiedenen  Talent  der  Darsteller  eine  mannigfaltige  Veränderung 
erfuhr. 

Der  grösste  Theil  dieser  meist  von  Theaterprincipalen  und 
Schauspielern  aufgebauten  Haupt-  und  Staatsaktionen  ist  bald  nach 
ihrer  eigentlichen  Bliithezeit  verloren  gegangen,  was  seinen  Grund 
darin  haben  mag,  dass  die  Autoren  und  Eigenthümer  dieser  Stücke 
(oder  besser  gesagt  Dirigirbücher)  eitrigst  bemüht  waren,  dieselben 


137 


vor  jedem  fremden  Einblick  zu  hüten,  damit  sie  nicht  auch  von 
anderen  Banden  zur  Aufführung-  gebracht  werden  könnten.  So  hatte 
jede  bedeutendere  Wandertruppe,  auch  die  Elenson’sche,  ausser  den 
allgemein  verbreiteten  Haupt-  und  Staatsaktionen,  deren  Inhalt  meist 
aus  nationalen  Umbildungen  fremder  Originale  bestand  —  z.  B. 
die  rasende  Medea  mit  Arlequin  nach  der  Tragödie  des  Euripides  — 
ihre  eigentümlichen  Haupt-  und  Staatsaktionen,  welche  bei  jeder  An¬ 
kunft  in  einer  anderen  Stadt  höchst  prahlerisch  angepriesen  und  als 
einzig  in  ihrer  Art  hingestellt  wurden. 

Auch  die  schlaue  Principalin  Sophie  Julie  Elenson  versuchte, 
nachdem  ihr  Anerbieten,  in  der  Ostermesse  1710  nur  unschuldige 
und  modeste  Komödien  aufführen  zu  wollen,  zurückgewiesen  worden 
war,  sich  durch  einen  Hinweis  auf  die  ihr  zugehörigen,  eigens  für 
ihre  Truppe  verfassten  Staatsactionen  in  der  Herbstmesse  desselben 
Jahres  in  Frankfurt  wieder  Eingang  zu  verschaffen.248  Es  gelang 
ihr  auch;  sie  spielte  wieder  in  einer  Bude  auf  dem  Rossmarkt  und 
unter  einer  so  allgemeinen  Betheiligung  der  Frankfurter  und  der  Mess¬ 
fremden,  dass  der  grosse  Raum  bis  zum  Schluss  der  Messe  nicht 
die  Hälfte  »von  denen  zum  Schauen  bereiten  Herrn  Liebhabern«  zu 
fassen  vermochte.  Trotzdem  sie  nur  unter  der  ausdrücklichen  Be¬ 
dingung  Zulass  erhalten  hatte ,  dass  sie  nach  Ablauf  der  Messe 
nicht  nochmals  um  Verlängerung  des  Termins  einkommen  solle,  so 
wagte  sie  dies  dennoch  in  sehr  kühner,  entschiedener  Weise,  aber 
freilich  erfolglos. 

Das  Krönungsjahr  Kaiser  KarTs  VT.,  das  in  seiner  zweiten 
Hälfte  durch  die  mit  dem  feierlichen  Akt  verbundenen  Festlichkeiten 
auch  ausser  den  hohen  Fürsten  und  Herren  ungemein  viel  Fremde 
nach  Frankfurt  lockte,  ist  eines  der  denkwürdigsten  Jahre  in  der 
Frankfurter  Theatergeschichte  und  zugleich  der  Glanzpunkt  in  der 
hiesigen  Kunstthätigkeit  der  Principalin  Sophia  Julie  Elenson.  Ehe 
auf  ihre  Wirksamkeit  näher  eingegangen  wird,  muss  hier  erwähnt 
werden,  dass  sie  sich  bis  zu  ihrem  letzten  Aufenthalte  in  Frankfurt 
in  der  Herbstmesse  1710  stets  als  Wittwe  des  Julius  Andreas  Elen¬ 
son  Unterzeichnete.  Bei  ihrer  Rückkehr  im  folgenden  Jahre  setzt 
sie  diesem  noch  den  Hamen  Haack  vor,  woraus  zu  folgern  sein 
dürfte,  dass  sie  in  der  Zwischenzeit  mit  dem  trefflichen  Harlekin 
ihrer  Gesellschaft,  dem  ehemaligen  Dresdener  Barbiergehülfen  Johann 
Caspar  Haack,  ein  zweites  Ehebündniss  eingegangen  war. 

Schon  einige  Monate  vor  dem  Beginne  der  Wahl  bestürmten 
verschiedene  deutsche  und  französische  Wandertruppen  den  Rath  um 
die  Zusage,  »dass  sie  während  der  Kayserlichen  Solennitäten  vor  an¬ 
dern  zum  Exhibiren  ihrer  Actiones«  zugelassen  werden  möchten. 
Unter  den  verschiedenen  Supplikanten  seien  hier  nur  die  bedeutend¬ 
sten  deutschen  Truppen  jener  Zeit,  die  Velthen’sche  und  die  Elen- 
son'sche  Gesellschaft,  erwähnt,  welche  letztere  am  18.  Juni  durch 


138 


einflussreiche  Verwendung  vor  allen  andern  die  erbetene  Vertröstung 
erhielt..249 

Um  ein  gleiches  Glück  wie  ihre  junge  schöne  Rivalin  zu  ge¬ 
messen,  reichte  die  Velthin  Ende  Juni  und  Anfangs  Juli  mehrere 
Bittschriften  ein,  in  welchen  sie  den  Rath  daran  erinnerte,  dass  sie 
nicht  allein  schon  vor  etlichen  zwanzig  und  mehr  Jahren  das  Glück 
und  die  hohe  Gnade  gehabt  habe,  allhier  mit  ihrem  Manne  im 
Krach b ein  zu  agiren,  sondern  auch  erst  vor  drei  Jahren  mit  der 
gnädigen  Vertröstung  entlassen  worden  sei,  dass  ihr  nächstens  in 
nur  etwas  besser  anscheinenden  Zeiten  auf  gehorsamstes  Anmelden 
vor  Andern  die  Spiel  .erlaub  n  iss  zu  Theil  werden  solle.  Ihr  Hinweis 
auf  den  erfolgten  Frieden  in  Ungarn  verhalt  aber  der  Velthin  ebenso¬ 
wenig  zur  Erhöruug  ihrer  Bitte,  wie  die  Mittheilung,  dass  sie  »mit 
einer  Bande  exacten  agenten ,  mit  properen  Kleidern  und  raren 
neuen  Komödien«  auf’s  Beste  versehen  sei.  Sie  wurde  immer  und 
immer  wieder,  sogar  ohne  die  geringste  Vertröstung,  zurückgewiesen  ; 
denn  die  Principalin  der  Mecklenburgischen  Compagnie,  die,  um 
eigne  Worte  der  Velthin  zu  gebrauchen,  bereits  zweimal  in  kurzer 
Zeit  so  glücklich  war,  aus  der  reichen  Segensquelle  dieser  welt¬ 
berühmten  Stadt  schöpfen  zu  dürfen,  stand  ihr  überall  durch  ihre 
einflussreichen  Verbindungen  und  hohen  Gönnerschaften  im  Wege. 

Schon  vor  der  eigentlichen  Spielzeit  begann  also  ein  Wettstreit 
zwischen  beiden  Principal  innen,  der  von  Seiten  der  Haack-Elenson 
unter  dem  Beistände  von  solchen  Hülfsmitteln  geführt  Avurde,  welche 
der  alternden  Wittwe  des  berühmten  Magisters  nothgedr ungen  einen 
verhängnisvollen  Schlag  nach  dem  andern  versetzen  mussten. 

Am  30.  Juli  1711  suchte  die  Haack-Elenson  um  die  end¬ 
gültige  Erlaubnis  zum  Spielen  und  gleichzeitig  um  die  Anweisung 
eines  gut  gelegenen  Platzes  zur  Erbauung  einer  grossen,  bequemen 
Komödien-Hütte  nach.  Dies  Gesuch  wurde  durch  ihren  hohen 
Gönner,  den  Kurfürsten  von  Mainz,  unterstützt,  welcher  den  Kammer¬ 
rath  Nitschki  zu  dem  älteren  Herrn  Bürgermeister  Johann  Philipp 
Orth  mit  dem  Aufträge  absandte,  dass  er  »ad  instantiam  des  fürst¬ 
lichen  Frauenzimmers«  —  also  in  Rücksicht  auf  die  schon  in  Frank¬ 
furt  zur  Wahl  und  Krönung  eingetroffenen  hohen  Damen  —  gerne 
sehen  möchte,  wenn  dem  Gesuch  der  Mecklenburgischen  Comödianten 
baldmöglichst  entsprochen  werde.  Der  Rath,  Avelcher  die  Absicht  ge¬ 
habt  zu  haben  scheint,  die  Komödianten  so  lange  als  möglich 
zurückzuweisen,  fasste  hierauf  den  Beschluss,  dass  man  dem  Herrn 
Kammerrath  Nitschki  »Avegen  mancherley  dabei  besorgten  incon- 
venienzen,  Mord  und  Todschlag  remonstration  thun  und  sich  anbey 
dahin  vernehmen  lassen,  dass,  wehin  Ihro  Clmrfürstlichen  Gnaden 
es  dennoch  gnädigst  begehren  sollten,  man  aus  unterthänigem  re- 
spect  und  consideration  für  dieselbe  denen  supplicanten  Avillfahren 
Avolle«.250 


139 


Und  Seine  kurfürstlichen  Gnaden  begehrten  entschieden  die 
Gewährung  Ihres  Wunsches,  obgleich  der  Rath  bei  Nitschki  noch¬ 
mals  Vorstellungen  machen  liess,  welche  noch  weniger  als  die 
obigen  geeignet  sind,  die  Leistungen  und  das  Ansehen  der  Haack- 
Elenson  in  ein  günstiges  Licht  zu  stellen.  Der  Kurfürst  von  Mainz, 
jedenfalls  von  der  schlauen  Principalin  nicht  weiüg  mit  Bitten  be¬ 
stürmt,  verwandte  sich  darauf  nochmals  für  sie  und  liess  durch 
seinen  Abgesandten  dem  Rathe  melden,  dass  allen  befürchteten  Un¬ 
annehmlichkeiten  schon  zur  Genüge  durch  ihn  vorgebeugt  worden  sei. 
Nun  konnten  die  Väter  der  Stadt  ihre  Entschliessung  nicht  länger 
hinausschieben,  sie  ertheilten  dem  Gesuch  der  Haack-Elenson  einen 
willfährigen  Bescheid  und  wiesen  ihr  für  eine  wohl  einzurichtende 
Komödien-Hütte  den  Platz  hinter  der  Hauptwache  au.  Dabei  wurde 
ihr  aber  zur  Bedingung  gemacht,  »dass  sie  dem  Aerario  wöchentlich 
für  diese  Vergünstigung  50  tl.  geben,  in  denen  drei  Messwochen 
aber  dieses  wöchentliche  quantum  denen  löblichen  Armenhäusern  ent¬ 
richten,  dagegen  sie  niemanden  einige  frev  Zettel  (Freibill et)  zu- 
kommen  lassen  und  übrigens  eines  billigmässigen  taxes,  welchen  zu 
reguliren  denen  Herrn  Bürgermeistern  committiret  worden,  gewärtig 
sein  solle«. 

In  diesem  Rathsbeschluss  geschieht  zum  ersten  Mal  der  Frei- 
billets  Erwähnung,  welche  Einrichtung  aber  schon  früher  bestanden 
und  nach  dem  Ausspruch  eines  später  hier  auftretenden  Theater-Prin- 
cipals  Sebastiani  »von  jeher  zum  nicht  geringen  Calam  (Kalamität) 
und  Nachtheil  der  verschiedenen  Direkteres  in  dieser  sonst  be¬ 
rühmten  Stadt  bestanden  haben  muss«.  — -  Auch  die  Festsetzung 
einer  so  hohen  Spielabgabe  an  die  Stadt  treffen  wir  in  diesem 
Krönungsjahre  zum  ersten  Male. 

Kaum  hatte  die  Haack-Elenson  vom  Rathe  die  Erlaubniss  zur 
Errichtung  eines  Komödienhauses  erhalten,  als  ihr  ein  nicht  näher 
bezeichneter  hoher  Gönner  eine  ebenso  grosse,  wie  für  die  damalige 
Zeit  prächtig  ausgestattete  Hütte  erbauen  liess.  Die  Bühne  der¬ 
selben,  welche  einen  vorderen  und  einen  hinteren  Schauplatz  hatte, 
besass  auch  verschiedene  kunstvolle  Flugwerke  und  eine  »feinartige 
Vordergardine  (Vorhang),  welche  eigens  für  die  kaiserliche  Wahl  ge¬ 
nmiet  worden.«251  —  Nach  verschiedenen  traditionellen  Mittheilungen 
befand  sich  auf  dem  Vorhang  eine  auf  den  wichtigen  Vorgang  be¬ 
zügliche  allegorische  Darstellung. 

Die  Haack-Elenson  hatte  bereits  mit  ihren  »eigens  für  die  Wahl¬ 
zeit  verschrieben  capabelen  subjectis  vierzehn  Tage  vor  grossen 
Fürsten  und  Herrn  agiret«,  als  der  Velthin  erst  am  18.  August  auf 
Verwendung  »der  fürtrefflichen  Königlich  Polnischen  und  Chur¬ 
sächsischen  Gesandtschaft«  die  lang  ersehnte  Spielerlaubniss  zu  Theil 
wurde.  Aber  sie  erfuhr  trotz  der  hohen  Empfehlung  in  keiner 
Weise  eine  so  rücksichtsvolle  Behandlung  wie  ihre  glücklichere 


140 


Nebenbuhlerin.  Sie  hatte  ebensoviel  zu  zahlen  wie  diese  und  musste, 
wie  es  in  dem  Bescheid  hiess,  sich  selbst  einen  bequemen  Platz  für 
ihre  Hütte  ausfindig  machen«.  — 

Nach  mühevollem  Suchen  fand  sie  ihn  denn  auch  endlich  in 
der  für  jene  Zeit  etwas  abgelegenen  Behausung  des  Herrn  Hanikel 
im  sogenannten  »Langen  Gang«  auf  der  Allerheiligengasse.  Bei  dem 
Erbauen  ihrer  Hütte  begannen  jedoch  für  die  Velthin  schon  die 
verschiedensten  Kämpfe  und  Unannehmlichkeiten,  die  in  der  Folge 
einen  immer  grösseren  Umfang  annehmen  sollten.  Erst  machte  das 
Bauamt  Schwierigkeiten  wegen  der  Anweisung  des  Platzes,  dann  be¬ 
schwerten  sich  die  in  der  Nähe  wohnenden  Hauseigenthümer,  welche 
von  einer  so  gefährlichen  und  unangenehmen  Nachbarschaft  durchaus 
nichts  wissen  wollten.  Als  die  Hütte  endlich  doch  trotz  alles  Wider¬ 
spruches  unter  Dach  und  Fach  stand  und  die  Vorstellungen  ihren  An¬ 
fang  genommen  hatten,  suchten  sich  die  rücksichtslosen  Umwohner 
auf  eine  Art  an  der  Principalin  der  Polnischen  und  Chursächsischen 
Hofkomödianten  zu  rächen,  welche  selbst  ihren  getreuesten  An¬ 
hängern  den  Besuch  des  Theaters  fast  ganz  unmöglich  machte.  So 
strömte  denn  Alles,  Hoch  und  Gering,  in  den  Musentempel  der 
Haack-Elenson ,  dessen  Sitze  schon  am  Morgen  vor  der  Vorstellung 
stets  »fluchs  wie  ein  Raub«  vergriffen  waren. 

In  welcher  bedrängten  Lage  sich  aber  während  der  reichsten 
Ernte  ihrer  Rivalin  die  arme  Velthin  befand,  das  zeigt  am  besten 
die  lfier  folgende  Bittschrift  um  Ermässigung  der  wöchentlichen 
Abgabe,  welche  sie  schon  am  10.  October  1711  einreichen  musste: 

Hochedelgeborene,  Hochedel  Gestrenge,  Vest  und  Hoch- 
gelahrte ,  Wohlfürsichtig  Hoch  und  Wohl  weise,  Insonders 
grgl.  Hochgeehrteste  Herrn  Schultheiss  und  Schöffen. 

Ob  wir  gleich  die  gnade  genossen,  auff  dero  gnädig  ertheilten 
Conseils  alliier  unser  theatrum  zu  eröffnen,  auch  mit  unsern  Theatra¬ 
lischen  auffwartungen,  so  lange  die  Solennitoet  der  Kayserlichen  Wahl 
dauret,  fortzufahren  indulgiret  worden,  so  zwinget  uns  dennoch  die 
höchste  Extremitoet,  gegenwärtiges  unterthänig-ergebenstes  Memorial 
zu  überliefern.  Wir  erinnern  uns,  dass  Wir  bey  der  Überreichung 
unserer  permission  befehligt  worden,  wöchentlich  70  (50)  gülden  an  eines 
Hoch  eilen  und  Hochweisen  Rahtes  Cantzlei  alliier  zu  überli  eifern ; 
weil  uns  aber  leyder  wider  alles  vermuthen  das  Unglück  getroffen, 
dass  Wir,  thoils  weil  die  Mecklenburgische  bande  vierzehn  Tage  eher 
zu  agiren  begnädigt  worden,  in  welcher  Zeit  sie  die  beste  gelegen- 
heit  gehabt,  sowohl  frembte  Herrschaften  als  auch  den  ganzen  Adel 
an  sich  zu  zihen,  Theils  auch  ihr  der  beste  Platz  zum  Bau  an¬ 
gewiesen  worden,  wir  aber  nicht  nur  später  nach  ihnen  erst  den  Consens 
erhalten,  sondern  auch  an  allen  orten,  den  auffgeführten  Bau  be¬ 
treffen  t,  wie  bewusst  mit  dem  grössten  Schaden  gehindert  worden, 
auch  ein  weit  schlechterer  Platz  als  jenen  angewiesen  worden,  welche 


141 


nicht  nur  weit  hinter  den  ihrigen  gelegen,  sondern  auch  deswegen 
die  höchste  Beschwehrnüs  causiret,  weil  die  unhöffliche  und  sehr  grobe 
Nachbarschafft  sowohl  durch  unnöthige  auffrükrung  des  gassenun- 
flats,  welcher  allemahl  mit  fleiss  um  die  Zeit,  da  wir  den  anfang  zu 
agiren  machen,  geschihet,  als  auch  unnatürlicher  überhäuffung  salven 
Menschen  Kohts  dergestalt  incommodiret,  dass  ungeacht  des  täglichen 
Yerreucherns  weder  Cavaliers  noch  Dames  sich,  wie  gern  sie  auch 
wollten,  darinnen  aufhalten  können ;  und  wir  also  kaum  manchen 
tag  die  Unkosten  erhalten,  vill  geschweigen  die  Mittel  zur  Bezahlung 
der  gemachten  Schult  auff  bringen  können.  Als  hat  uns,  wie  gedacht, 
die  höchste  nolit  obligiret,  die  Unmöglichkeit  der  wöchentlichen  abzu- 
statteten  70  (50)  gülden,  Eurer  Hochetel  gebohrnen  Hoch-Etel  gesträng 
Herrlichkeit  in  aller  Submission  vorzustellen  unterthänigst  bittente, 
so  Evidentes  malkeur  und  Unvermögen  in  gnädigen  regard  zu  zihen 
und  uns  diesfall  dero  unmassgebliche  gnade  gemessen  lassen  und 
nicht  zu  glauben,  als  ob  unsere  agirente  Bande  nicht  so  gut  bestellt 
sey  als  die  Mecklenburgische,  noch  proestiren  könne,  was  jene  zu 
tlmn  sich  rühmet,  sindemahl  wir  davon  gar  gerne  den  ausschlag 
einem  unparteyischen  Juditio  überlassen  wollen,  sondern  viel  mehr 
ob  angeführten  Modiven  gnädig  zu  Consideriren,  ohne  welche  wir 
nimmermehr  um  die  sublationem  deponeudae  pecuniae  würden  an¬ 
gehalten  haben,  leben  also  der  unterthänigsten  Hoffnung  dessfallss  gleich 
auf  unsere  Wenigkeit  keine  Reflexion  gemacht  werden  solte,  man  uns 
dennoch  der  intercession  einer  Hohen  Herrschaft  gemessen  lassen  und  mit 
einer  baldigen  gnädigen  Resolution  erfreuen  wird,  worüber  wir  verharren 
Eurei-  Hoch  Edlen  gebornen-gestrengen  und  Herrlichkeiten 
unterthänig  ergebenste 
Catharina  Elisabetha  Veitkeimin, 

Georg  Hengel, 

Christian  Spiegelberg, 

Prinzipalen  der  Königlich  Pollnischen  und  Churfürstlich 
Sächsischen  Hofcomoedianten. 

(Die  Supplikation  ist  nicht  von  der  Vefthin  selbst  unterzeichnet.) 

Mit  Recht  mochte  die  Velthin  in  dieser  Bittschrift  etwas  gereizt 
aussprechen,  dass  ihre  Bande  in  keiner  Hinsicht  der  Mecklenburgi¬ 
schen  nachstehe,  denn  es  waren  ja  nicht  höhere  Kunstleistungen,  die 
ihr  Unterliegen  herbeiführten,  sondern  vielmehr  eine  Kette  von  un¬ 
glücklichen  Zufällen,  welche  (he  kluge  Haack-Elenson  geschickt  zum 
Nachtheil  ihrer  Rivalin  auszubeuten  wusste.  Wenn  aber  auch  ihr 
unverschuldetes  Missgeschick  augenfällig  zu  Tage  trat,  so  nahmen 
die  Bürgermeister,  denen  vom  Rath  eine  Beschlussfassung  überlassen 
worden  war,  doch  auf  ihr  und  ihrer  getreuesten  Genossen  Gesuch 
keine  weitere  Rücksicht. 

In  der  festen  Hoffnung,  vielleicht  dennoch  ihren  Verlust  wie¬ 
der  ausgleichen  und  ihren  Verpflichtungen  nachkommen  zu  können, 


142 


bot  die  Velthin  das  Aeusserste  auf  und  spielte  weiter.  Sie  gab  auch 
dem  Rath  zu  Ehren  eine  Komödie,252  die  ihr  eine  gute  Einnahme 
verschaffte  und  plötzlich  das  Interesse  der  hohen  Herrschaften  mehr 
auf  ihre  Torstellungen  hinlenkte.  —  Aber  in  dem  Augenblick,  wo 
eine  günstige  Fügung  die  Yelthin  aus  dem  durch  blosses  Un¬ 
glück  herbeigeführten  elenden  Zustand  zu  erlösen  schien,  machte  ihr 
die  gefährliche  schöne  Nebenbuhlerin  durch  allerlei  Intriguen  und 
Versprechungen  che  besten  Kräfte  ihrer  Truppe  abtrünnig,  wodurch 
der  von  allen  Seiten  bedrängten  Frau  der  letzte  Halt  in  ihrer  trost¬ 
losen  Lage  entrissen  wurde. 

Georg  Hengel  und  Christian  Spiegelberg,  (der  Letztere  nicht 
zu  verwechseln  mit  jenem  Principal  Johann  Spiegelberg,  bei  dem  die 
Neuberin  und  ihr  Gatte  1717  ihre  Künstlerlaufbahn  begannen)  hielten 
zwar  mit  ihren  Familien  treulich  bei  ihr  aus,  aber  die  Hütte  wurde 
nun  von  Tag  zu  Tag  leerer,  die  Unannehmlichkeiten  und  Schulden 
in  gleichem  Maasse  grösser.  Am  3.  November  bat  die  Yelthin  noch 
einmal  »um  moderation  des  ihr  angesetzten  wöchentlichen  quanti«,  der 
Rath  ging  jedoch  nicht  darauf  ein  und  nahm  ihr  ohne  wenig  Um¬ 
stände  die  Hütte  unter  dem  Yorwande  ab,  dass  sie  zu  einem  Heu- 
und  Stroh-Magazin  und  zu  Stallungen  für  die  kaiserlichen  Pferde 
benutzt  werden  solle.253  Als  dieser  Plan  dann  auch  gerade  in  einem 
Moment  ausgeführt  wurde,  wo  die  zweifelhaften  Kunstleistungen  der 
Mecklenburgischen  Compagnie  sich  beim  hohen  und  niederen  Publi¬ 
kum  des  grössten  Beifalls  erfreuten,  fasste  die  Velthin  in  gerechter 
Entrüstung  über  das  unverdiente  Glück  ihrer  Nebenbuhlerin  und  die 
»despektirliche«  Verwendung  ihres  Musentempels  einen  verzweifelten 
Entschluss.  Sie  wollte  den  Namen  ihres  seligen  Mannes  mit  keinem 
Makel  behaften,  wollte  den  bis  jetzt  so  unglücklich  für  sie  ausge¬ 
fallenen  Wettkampf  mit  der  gefeierten  Nebenbuhlerin  auf  einem  und 
demselben  Schauplatz  zu  Ende  führen.  Sie  bat  deshalb  am  1.  Dezem¬ 
ber  1711  den  Rath  um  die  Gnade,  dass  er  die  Fürstlich  Mecklen¬ 
burgischen  Komödianten  anweisen  möge,  sie  3  Tage  in  der  Woche 
in  ihrer  Hütte  spielen  zu  lassen.  Da  der  Rath  jedoch  durch  eine 
solche  Beschränkung  der  Haack-Elenson  sicher  viele  ihrer  hohen 
Gönner  beleidigt  hätte,  so  verhinderte  er  die  Fortsetzung  dieser  künst¬ 
lerischen  Weiberfehde  durch  einen  abschlägigen  Bescheid.  Diese 
letzte  Abweisung,  deren  eigentlichen  Grund  die  kluge  Yelthin  klar 
erkannte,  verletzte  ihren  gekränkten  Stolz  in  solchem  Grade,  dass  sie 
es  nach  ihrer  für  Frankfurt  allerdings  wenig  schmeichelhaften  Aussage 
nicht  länger  in  einer  Stadt  aushalten  konnte,  worin  eine  schöne 
Larve  und  wichtige  Herrengunst  dem  rechtschaffensten  Thun  den 
Garaus  machen  können. 

Als  die  Gläubiger  der  Wittwe  Velthen  »vor  die  Herrn  Sckultkeiss 
und  die  Schöffen  verwiesen  wurden,  um  solche  Credit  oder  Concurs 
Sache  pro  stylo  und  more«  allda  erörtern  zu  lassen,  verkaufte  sie,  um 


143 


wenigstens  ihren  ehrlichen  Namen  zu  erhalten,  den  grössten  Theil 
ihrer  Requisiten  und  Garderobe  und  befriedigte  ihre  Gläubiger.  Dann 
räumte  sie  ihrer  ungleichen  Gegnerin  das  Feld,  deren  mächtige  Bundes¬ 
genossen  List,  Jugend  und  Schönheit  auch  ferner  erfolgreich  in 
Frankfurt  für  dieselbe  wirken  sollten. 

Nach  den  bitteren  Enttäuschungen  und  Zurücksetzungen,  welche 
die  Velthin  ohne  eigenes  Verschulden  während  der  Wahl  und  Krö¬ 
nungszeit  Karls  VI.  in  Frankfurt  erleben  musste,  scheint  sie  ihre 
Principalschaft  nicht  mehr  lange  behalten  zu  haben.  Eckhofs  Mit¬ 
theilungen  zufolge  ist  che  Wittwe  des  berühmten  Magisters  nach 
ihrem  bewegten  Wanderleben  in  ziemlich  guten  Umständen  und 
hohem  Älter  in  Wien  gestorben. 

Als  der  Rath  der  Principal  in  Velthen  ihre  letzte  Bitte  abschlug, 
liess  er  zugleich  am  1.  Dez.  1711  an  die  Mecklenburgischen  Komö¬ 
dianten  die  Verfügung  ergehen,  dass  sie  nach  Verlluss  der  lau¬ 
fenden  Woche  wegen  der  heiligen  Adventszeit  das  Spielen  bis  auf 
weitere  Verordnung  einstellen  sollten.  Dies  geschah  denn  auch  ein 
paar  Tage  lang.  Aber  die  Haack  -  Elenson  vermochte  durch  ihre 
hohen  Gönner  in  diesem  Krönungsjahre  mehr  durchzusetzen,  als  das 
gesammte  Prediger-Ministerium  Frankfurts,  welches  vom  Rathe  die 
Einstellung  der  Komödien  verlangt  hatte.  Konnte  ihr  geistlicher 
Beschützer,  der  Kurfürst  von  Mainz,  in  der  heiligsten  Zeit  des  Jahres 
nicht  für  die  Fortsetzung  der  von  der  Kirche  als  sündhaft  bezeich- 
neten  Profession  eintreten,  so  fand  sich  sogleich  ein  anderer  Gönner 
in  dem  Böhmischen  Gesandten  Grafen  von  Kinski,  der  auf  den 
Wunsch  der  schönen  Principalin  sofort  seinen  Sekretair  mit  der  Bitte 
zu  den  Herrn  Bürgermeistern  schickte,  dass  man  den  Mecklen¬ 
burgischen  Komödianten  ferner  zu  spielen  erlauben  möge.254 

In  Ansehung  solcher  hohen  Rekommandation  machte  der  Rath 
keine  weiteren  Einwendungen  und  gestattete  der  Haack-Elenson,  mit 
Ausnahme  der  Festtage  bis  an  den  Jahresschluss  zu  spielen.  Nach 
zuverlässigen  Mittheilungen  von  Zeitgenossen  soll  dieselbe  während 
der  Wahl  und  Krönung  Karls  VI.  die  für  damals  unerhörte  Summe 
von  mehr  als  40,000  Rchsthl.  reine  Einnahme  gehabt  haben.  Dies 
erscheint  um  so  eher  glaublich,  als  sie  der  Stadt  allein  für  Standgeld, 
ohne  die  Abgaben  an  die  Hospitalskasse,  778  11.  entrichtete  und  ihren 
Schauspielern  Gehälter  zahlte,  mit  welchen,  nach  einem  Ausspruch 
der  Velthin,  kein  ehrlicher  Mensch  gleichen  Schritt  halten  konnte. 
Auch  eine  Episode  aus  dem  Leben  dieser  berühmten  und  berüch¬ 
tigten  Frau  spricht  für  die  ungewöhnliche  Summe,  welche  sie  1712 
bei  ihrer  Abreise  von  Frankfurt  nach  Danzig  mitnehmen  durfte.  Als 
etwa  10  Jahre  später  der  Kaiser  Karl  VI.  sie  bei  ihrem  Aufenthalte 
in  Wien  in  leutseliger  Herablassung  nach  ihren  Verhältnissen  fragte, 
antwortete  sie  mehr  aufrichtig  als  höflich  und  besonnen  »Es  geht 
mir  Gottes  erbärmlich,  Ihro  Majestät,  eine  Krönung  noch,  wenn  ich 


144 


die  nur  erlebte !«  —  In  diesem,  das  Ableben  des  Kaisers  herbei 
sehnenden  Geständniss  lag  viel  Wahrheit;  denn  der  vor  Jahren  zum 
grössten  Theil  mit  unlauteren  Hülfsmitteln  und  auf  den  Trümmern 
des  Velthen’schen  Ansehens  errungene  Gewinn  war  durch  den  Leicht¬ 
sinn  und  die  Unbesonnenheiten  der  Haack-Elenson  wie  gewonnen, 
so  zerronnen. 

Es  klingt  gleichsam  wie  ein  Hohn  auf  jedes  ächte  Kunststreben, 
wenn  man  erfährt,  dass  diese  Frau,  die  nur  zu  oft  ihren  Beruf  zum 
Deckmantel  zweifelhafter  Handlungen  machte,  von  verblendeten  Zeit¬ 
genossen  eine  »Oberpriesterin  Thaliens«  genannt  wurde.  Kein  Funke 
edler  Kunstbegeisterung  lebte  in  ihrer  berechnenden  Seele,  sie  war 
eine  Professionistin  vom  gewöhnlichsten  Schlage,  die  mit  der  Yelthin 
auch  nicht  im  entferntesten  einen  Vergleich  aushalten  konnte.  Man 
hat  es  oft  als  ein  ehrendes  Zeugniss  für  ihre  »mit  Fleiss  choisirten 
Staats-Aktionen  und  Kapital  Bourlesken«  angesehen,  dass  während  der 
Krönung  Kaiser  Karls  VI.  die  allerhöchsten  Herrschaften  denselben 
reichen  Beifall  zollten.  Bei  dieser  Schlussfolgerung  jedoch  zog  man 
nicht  in  Betracht,  wie  sehr  durch  das  wachsende  Regiment  des  Har¬ 
lekins  oder  Hanswurstes  selbst  das  Bühneninteresse  des  besseren 
Publikums  immer  mehr  und  mehr  in  verkehrte  Bahnen  gelenkt  wurde. 
Die  Schauspielkunst  verirrte  sich  seit  dem  Beginne  des  Jahrhunderts 
nicht  allein  vom  rechten  Wege,  die  Geschmacksrichtung  der  Menge, 
welche  ihr  leicht  einen  Wink  zur  Umkehr  hätte  geben  können,  trat 
ohne  Bedenken  Schritt  für  Schritt  in  ihre  Fusstapfen.  Nach  den 
heutigen  Kunstbegriffen  erscheint  es  kaum  glaublich,  dass  die  krei¬ 
schenden,  mit  ihren  Armen  die  Lüfte  zersägenden  Tyrannen  und 
Helden,  welche  in  den  Haupt-  und  Staatsaktionen  neben  den  süss- 
lichen,  mit  affektirter  und  abgezirkelter  Förmlichkeit  auftretenden 
Prinzen  und  Prinzessinnen  über  die  die  Welt  bedeutenden  Bretter 
dahintobten,  so  viel  Gnade  vor  den  Augen  der  allerhöchsten  Liebhaber 
finden  konnten.  Wenn  man  sich  zu  dieser  Unnatur  der  ernsten 
Darstellungsweise  nun  noch  die  eingestreuten  anstössigen  Redensarten 
und  Plattheiten  des  Harlekins  denkt,  dessen  Beliebtheit  um  so  höher 
stieg,  je  unnatürlichere  Gesichter  er  zu  den  Vorgängen  auf  der 
Bühne  schneiden  konnte,  so  kann  auch  der  Beifall  des  in  jener  Zeit 
angesehensten  Publikums  für  ein  heutiges  Urtheil  über  die  Lei¬ 
stungen  der  Mecklenburgischen  Compagnie  durchaus  nicht  mehr  maass¬ 
gebend  sein. 

Bestätigt  wird  diese  Behauptung  noch  durch  den  Bericht  eines 
gebildeten  Zeitgenossen ,  der  die  Aufführungen  dieser  Gesellschaft 
nicht  schön  genug  zu  beschreiben  weiss.  Ausser  »den  fürtrefflichen 
Schrullen  und  Schwänken  des  Harlekin«  rühmt  er  besonders  »das 
abentheuerliche  Geschrey«,  welches  schon  vor  dem  Beginne  der  Aktion 
hinter  dem  Vorhang  vernommen  werde,  dann  den  Lärm  der  Trom¬ 
meln  und  Heerpauken  beim  Aufziehen  der  Gardine  und  schliesslich 


145 


den  Prologanten,  der  mit  fein  gepuderter  Perücke  und  glasirten 
Handschuhen  hin  und  wieder  auf  der  Bühne  spazieren  ging,  das 
Publikum  galant  grüssen  und  den  Inhalt  des  Stückes  im  Y oraus  be¬ 
richten  musste.255  Auf  die  Principalschaft  der  Haack-Elenson  wäh¬ 
rend  der  Wahl  und  Krönung  Karls  YI.  in  Frankfurt  passte  also 
in  der  That  der  Ausspruch  des  ehrlichen  Philander  von  Sittewald : 

»Ein  Scheffel  Gunst,  ein  Löffel  Kunst 
Ist  freilich  schlecht  gemessen; 

Doch  macht  die  Gunst,  dass  man  die  Kunst 
Gar  öfters  ganz  vergessen.« 

Obschon  sich  auch  von  der  diesjährigen  Kunstthätigkeit  der 
Mecklenburgischen  Komödianten  keine  Theaterzettel  auffinden  Hessen, 
so  ist  doch  die  hie  und  da  ausgesprochene  Meinung  sehr  zu  bezwei¬ 
feln,  dass  auch  der  »Regulus«  des  Pradon  nach  Bressands  Uebersetzung 
damals  in  Frankfurt  zur  Aufführung  gekommen  wäre.  Haack,  der 
zweite  Mann  der  Elenson,  brachte  dieses  Stück  allerdings  in  späteren 
Jahren  zur  Darstellung,  aber  während  der  Zeit  der  Wahl  und  Krönung 
Karls  YI. ,  in  welcher  das  Theater  zur  reinsten  Belustigungsanstalt 
der  von  den  vielen  Feierlichkeiten  oft  sehr  ermüdeten  hohen  Herr¬ 
schaften  herab  sank,  wäre  eine  derartige  Abwechslung  im  Repertoire 
ein  zu  gewagtes  Unternehmen  gewesen. 

II. 

Nach  dem  Krönungsjahre  1711,  in  dem  das  Theater  eine  so 
grosse  Bedeutung  gehabt  hatte,  findet  sich  für  einen  Zeitraum  von 
mehr  als  drei  Jahren  keine  Komödianteneingabe  in  den  Akten. 
Erst  vor  der  Herbstmesse  1715  bittet  Heinrich  Wilhelm  Benecke, 
Principal  der  Kaiserl.  Wienerischen  und  hochfürstlich  Bad.  Dur- 
lachischen  Hofkomödianten  zweimal  um  Zulassung,  wird  aber  am 
1.  August  ein  für  allemal  mit  dem  Bescheid  zurückgewiesen,  dass  man 
kein  weiteres  Memorial  mehr  von  ihm  annehmen  werde.250  Für  die 
Ostermesse  des  folgenden  Jahres  meldete  sich  schon  im  Januar  1716 
durch  einen  gewissen  Gerhard  Stein  Johann  Caspar  Haack  wieder 
an,  der  sich  seit  seinem  letzten  Aufenthalt  in  Frankfurt  zu  dem 
Mecklenburgischen  auch  noch  das  Königl.  Polnische  und  Kur-Sächsi¬ 
sche  Privilegium  erworben  hatte.257  Er  erbot  sich  auch  diesesmal,  wie 
in  der  Kaiserlichen  Wahl-  und  Krönungszeit  geschehen,  allwöchent- 
Mch  an  einem  Tag  für  die  Armen  zu  spielen ,  doch  so,  dass  alle 
Unkosten  wie  Musikanten,  Lichter,  Buchdrucker  und  dergleichen 
von  dem  Einkommen  dieses  Tages  bezahlt  werden  sollten.  Haack,  der 
freilich  mit  seinem  ersten  Gesuch  zur  Geduld  verwiesen  wurde, 
war  durch  den  Einfluss  seiner  noch  immer  sehr  schönen  Frau  der 
Zusage  schon  beinah  gewiss,  als  die  Geistlichkeit  gegen  die  Wieder¬ 
abhaltung  seiner  Komödien  energische  Einsprache  erhob.  Als  Grund 

10 


146 


hierfür  wurde  angeführt,  »dass  weilen  nicht  allein  ein  neuer  Türken¬ 
krieg  zu  befahren,  sondern  auch  sonsten  die  heutigen  conjuncturen 
in  vielerley  Wegen  gefährlich  und  weit  ausschauend  erscheinen  thä- 
ten.«258  Es  war  diesmal  kein  Krönungsjahr,  und  deshalb  keine 
fremden  einflussreichen  Fürsten  und  Gesandten  anwesend ,  welche 
ihre  Wünsche  zu  Gunsten  der  Haack-Elenson  hätten  zum  Ausdruck 
bringen  dürfen,  und  der  Rath  konnte  im  Hinblick  auf  die  wirklich 
ernster  gewordenen  Zeitverhältnisse  das  Vorbringen  des  evangelisch- 
lutherischen  Prediger-Ministeriums  nicht  unberücksichtigt  lassen. 

Hatte  die  Haack-Elenson  auch  im  Januar  1716  ohne  die  ge¬ 
wünschte  Erlaubniss  abziehen  müssen,  so  wusste  sie  sich  doch  durch 
die  Empfehlung  des  Landgrafen  Ernst  Ludwig  v.  Hessen-Darmstadt, 
an  dessen  Hof  ihre  Truppe  ohne  Zweifel  im  Sommer  eine  Zeit  lang 
gespielt  hatte,  für  die  Herbstmesse  sofort  Zulassung  zu  verschaffen. 
Aber  in  dieser  Messe  war  das  Ansehen  und  auch  die  Einnahme  der 
Gesellschaft  bedeutend  geringer  als  in  dem  Wahl-  und  Krönungsjahre 
1711.  Die  Vorstellungen,  welche  inzwischen  ihren  Charakter  keines¬ 
wegs  verändert  hatten,  wurden  nicht  mehr  so  eifrig  besucht;  denn 
die  Principalin  war  kein  neues  Zugmittel  mehr,  und  es  fehlte  auch 
das  brillante  Theater  von  ehedem. 

Dabei  war  jedoch  Haacks  Gewinn  noch  so  bedeutend,  dass  er 
das  Bestimmte  für  die  Armen  gewiss  zu  entrichten  im  Stande  ge¬ 
wesen  wäre,  wenn  er  diese  Schuld  nicht  hätte  zu  einer  Hinterthüre 
benutzen  wollen,  durch  welche  er  in  der  Ostermesse  1717  desto 
leichter  wieder  mit  seiner  Truppe  Einlass  finden  könnte.  In  dieser 
Beziehung  hatte  er  sich  aber  vollständig  verrechnet.  —  Ungeachtet 
der  Versicherung,  dass  er  gerne  die  rückständige  Schuld  abtragen 
wolle,  liess  sich  der  Rath  in  den  beiden  folgenden  Messen  auf  keine 
seiner  verschiedenen  Bittschriften  ein.259 

Vom  Jahre  1717  ab  kommt  der  Name  Haack-Elenson  in  der 
Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  nicht  mehr  vor.  Die  Gesellschaft 
hielt  sich  in  der  Folge  mehr  im  nördlichen  Deutschland  z.  B.  in 
Hamburg  und  zuletzt  auch  in  Sachsen  auf,  wo  Johann  Caspar  Haack 
nach  vielen  schmerzlichen  Erfahrungen  in  seinem  Familien-  und 
Berufsleben  1723  gestorben  ist.  Bald  nach  seinem  Tode  fand  die 
immer  noch  schöne  und  verführerische  Wittwe  Ersatz  für  ihren  Ver¬ 
lust  in  einem  Mitglied  ihrer  Truppe,  dem  Schauspieler  Hoffmann,  der 
ein  Mann  von  feinen  Sitten  und  gelehrter  Bildung  gewesen  sein  soll. 
Mit  ihrem  dritten  Gatten  ist  die  Elenson-Haack-Hoffmann,  die  schon 
1725  starb,  nie  nach  Frankfurt  gekommen,  statt  dessen  traten  ihre 
beiden  Söhne  erster  Ehe,  Karl  Ferdinand  und  Friedrich  Wilhelm, 
sowie  ihre  älteste,  an  den  Schauspieler  Joseph  Ferdinand  Müller  ver- 
heirathete  Tochter,  später  oft  als  Mitglieder  von  Wandertruppen  in 
Frankfurt  auf. 

Das  grosse  Unglück,  von  welchem  Frankfurt  im  Jahre  1719 


147 


durch  die  furchtbare  Feuersbrunst  betroffen  wurde,  die  in  24  Stunden 
432  Häuser  der  mittleren  Stadt  in  Asche  legte,  hielt  bis  zum  Jahre 
1725  alle  in  der  Nähe  weilenden  Wandertruppen  von  den  beiden 
Messen  fern.  Sie  ahnten  jedenfalls,  dass  in  einer  Zeit,  in  welcher 
man  in  den  Kirchen  Klag-,  Ermahnungs-  und  Trostpredigten  abhielt, 
alle  ihre  Bitten  uni  Zulassung  vergeblich  sein  würden. 

Ein  Wanderprincipal  wagte  es  aber  trotz  der  ungünstigen  Aus¬ 
sichten,  den  Rath  um  Zulassung  für  die  Herbstmesse  1720  anzu¬ 
gehen.  Es  war  Johann  Heinrich  Prunius,  Direktor  der  Kurfürst!. 
Bayrischen  bestallten  Hofkomödianten,  »insgemein  die  teutsch  Wie¬ 
nerische  Bande  genannt«,  der  am  20.  und  29.  August  petitionirte  und 
von  dem  Landgrafen  von  Hessen-Rheinfels  aufs  Wärmste  empfohlen 
worden  war.260  Aber  die  Rathsherren,  durch  das  furchtbare  Unglück 
imd  die  fortgesetzten  Warnungen  der  Geistlichkeit  unzugänglich  ge¬ 
macht,  wiesen  Prunius  selbst  dann  noch  ein  für  allemal  zurück,  als 
er  ein  zweites  Empfehlungsschreiben  des  in  Frankfurt  allgemein  be¬ 
liebten  und  hochangesehenen  Kunstmäcen,  Landgrafen  Ernst  Ludwig 
von  Hessen-Darmstadt,  gegeben  Bad  Ems  den  23.  August  1720,  ein¬ 
reichte.  Beide  Rekommandationen  wurden  alsbald  beantwortet  und 
dem  hohen  Herrn  ausführlich  auseinander  gesetzt,  dass  man  nach 
einer  so  schweren  Heimsuchung  unmöglich  eine  öffentliche  Lustbar¬ 
keit  wie  das  Komödienspielen  gestatten  könne. 

Einige  Jahre  später  siegte  aber  dennoch  der  Einfluss  des  oben¬ 
genannten  Landgrafen  über  die  damaligen  misslichen  und  trübseligen 
Zeitumstände.  Auf  seine  Empfehlung  wurde  in  der  Herbstmesse 
1725  Albert  de  Fraine,  Direktor  der  Pragischen  Komödianten  unter 
dem  Vorbehalt  angenommen,  dass  er  wöchentlich  einmal  zum  Besten 
des  Kastenamts  spiele  und  ausserdem  noch  den  drei  Stiftungen 
zu  Gute  eine  Komödie  vorstelle.261  Obgleich  de  Fraine’s  Komödien¬ 
haus,  das  in  der  Nähe  der  Hauptwache  gestanden  haben  muss,  von 
Frankfurtern  wenig  besucht  wurde,  hatte  er  dennoch  eine  sehr  gute 
Einnahme.  Während  der  Messe  weilte  nämlich  die  zur  Statthalterin 
der  Niederlande  erhobene  Schwester  Kaiser  Josephs  I.,  Maria  Elisabeth, 
auf  der  Durchreise  einige  Zeit  in  Frankfurt,  deren  Gefolge  neben  anderen 
sich  um  dieser  Ursache  willen  ebenfalls  hier  aufhaltenden  hohen 
Herrschaften  die  Vorstellungen  von  de  Fraine  eifrig  besuchte.  Albert 
de  Fraine,  dessen  Truppe  nicht,  wie  wegen  seines  Namens  mehrmals 
vermuthet  worden  ist,  französische,  sondern  deutsche  Stücke  mit  dem 
Harlekin  aufführte,  stand  auf  keiner  höheren  künstlerischen  Stufe  als 
die  meisten  Komödiantenbanden  jener  Zeit.  Wie  alle  andern  Wander- 
principale  so  strebte  auch  er  nur  nach  einem  guten  Gewinn,  zu  dem 
ihm  hauptsächlich  der  buntgekleidete  Lockvogel,  der  Harlekin,  ver¬ 
helfen  musste. 

Ausser  de  Fraine  suchte  sich  auch  in  der  Herbstmesse  1725 
der  als  Hanswurst  und  Zahnbrecher  berühmte  und  berüchtigte  Johann 

io* 


148 


Ferdinand  Beck  die  Zulassung  zu  verschaffen.  Er  wurde  jedoch 
ebenso  wenig  in  dieser  wie  in  der  folgenden  Ostermesse  angenommen, 
obgleich  er  am  Würzburgischen  Hofe  mit  grossem  Beifall  gespielt 
und  ein  sehr  gewichtiges  Zeugniss  vom  Fürsten  von  Thum  und 
Taxis  eingereicht  hatte.262 

Jedenfalls  durch  eine  traditionelle  Namensumbildung  ist  schon 
seit  dem  Anfänge  dieses  Jahrhunderts,  als  eine  zusammenhängende 
Schilderung  über  »Thaliens  Schicksale  in  Frankfurt«  erschien,  die 
erste  künstlerische  Wirksamkeit  der  Neuberin  in  Frankfurt  irrthümlich 
in  das  Jahr  1727  gesetzt  worden. 

Aber  nicht  die  grosse  Reformatorin  des  deutschen  Theaters 
hielt  sich  damals  hier  auf,  sondern  ein  Marionettenspieler  Theobald 
Neufzer,  der  laut  dem  Rechnungshauptbuche  nach  der  Herbstmesse  der 
Stadtkasse  126  fl.  8  kr.  Standgeld  zahlte.263  Neufzer,  dessen  Puppen¬ 
spiele  sehr  beliebt  waren,  gab  schon  1726  und  in  verschiedenen 
folgenden  Jahren  in  einer  Bude  am  Main  Vorstellungen.  Nachdem 
er  Anfang  der  dreissiger  Jahre  gestorben  war,  führte  seine  Frau, 
die  früher  Seiltänzerin  gewesen,  die  Direktion  weiter  fort.  Sie  wurde 
nacli  dem  damaligen  Sprachgebrauch  »Die  Neufzerin«  genannt,  welche 
Bezeichnung  sicher  im  Laufe  der  Zeit  ihre  Verwechslung  mit  der 
Neuberin  verursacht  haben  mag. 

Von  der  Herbstmesse  1725  bis  zur  Ostermesse  1731  fand  keine 
von  den  vielen  Wandertruppen,  welche  mit  dem  Flitterkram  ihrer 
Herrlichkeiten  ohne  jedes  höhere  Kunststreben  das  deutsche  Reich  nach 
allen  Himmelsgegenden  durchzogen,  in  Frankfurt  Aufnahme.  Nur 
eine  derselben,  deren  künstlerische  Bedeutung  und  bürgerliche  Stel¬ 
lung  allerdings  die  Allgemeinheit  weit  überragte,  soll  hier  Erwäh¬ 
nung  linden.  —  Es  war  die  Truppe  des  Johann  Gottlieb  Förster, 
Principals  der  Königl.  Grossbritannischen  und  Kur-Braunschweig-Lüne- 
burgischen  Bande,  die  im  Sommer  1728  im  Bade  Schwalbach  unter 
dem  grössten  Beifall  auch  vor  hohen  Frankfurter  Herrschaften  ge¬ 
spielt  hatte.264  Förster,  auf'  dessen  Bühne  Menschen  und  Marionetten 
in  anmuthiger  Vereinigung  agiren  sollten,  glaubte  sicher  Aufnahme 
in  Frankfurt  zu  finden,  da  ja  seit-  etlichen  Jahren  keine  Komödie 
erlaubet  worden  sei.  —  Aber  er  wurde  nicht  allein  diesmal  ent¬ 
täuscht,  sondern  auch  in  den  beiden  Ostermessen  von  1729  und 
1730,  vor  welchen  er  besonders  »seine  remarquablen  eigens  erfundnen 
Haupt-  und  Staatsactionen«  anpries.265 

Für  den  Entwicklungsgang  der  Frankfurter  Theatergeschichte 
ist  die  mehrmalige  Abweisung  dieses  Wanderprincipals  gerade  keine 
erfreuliche  Thatsacho.  Förster,  der  mit  Hülfe  seiner  Schauspieler 
Ludovici  und  Wezell,  welche  dramatische  Autoren  waren,266  stets 
die  Lokalgeschichte  der  grösseren,  von  ihm  besuchten  Städte  für  eine 
Vorstellung  ausbeutete,  würde  sicher  Gelegenheit  zur  Erwähnung 
einer  besonders  interessanten  Darstellung  gegeben  haben. 


149 


Das  höchst  unzugängliche  Verhalten  des  Rathes,  welches  er 
gerade  in  jener  Zeit  den  wandernden  Thespisjüngern  gegenüber  an 
den  Tag  legte,  veranlasste  eine  Gesellschaft  Niederländisch-Franzö¬ 
sischer  Komödianten  vor  ihrem  Einkommen  um  die  begehrte  Erlaub¬ 
nis  für  die  Ostermesse  1731  den  in  Frankfurt  lebenden  Geheimrath 
von  Berberich  um  eine  gütige  Verwendung  bei  den  Vätern  der  Stadt 
anzugehen.  Der  einflussreiche  Herr  that  dies  auch  und  erhielt  die 
Zusage  dass,  »wenn  sie  darüber  gehörig  suppliciren  und  für  jede 
milde  Stiftung  50  fl.  im  Voraus  erlegen  könnten«,  ihnen  sicher  Will¬ 
fahrung  zu  Theil  werden  sollte.267 

Ob  ehe  Niederländisch-Französischen  Komödianten  diese  Be¬ 
dingungen  angenommen  haben,  oder  ob  sie  in  der  Ostermesse  1731 
ihr  Glück  anderswo  versuchten,  liess  sich  nicht  feststellen,  weil 
weder  in  den  Akten  noch  in  den  gedruckten  Quellen  eine  weitere 
Spur  von  ihnen  zu  finden  war.  Da  jedoch  der  1725  und  1726  mehr¬ 
mals  abgewiesene  Principal  Johann  Ferdinand  Beck  nach  einigen 
erfolglosen  Eingaben  endlich  am  15.  März  noch  Zulassung  fand,268 
so  scheint  es  fast,  als  ob  die  ihm  gewährte  Erlaubniss  von  dem  Aus¬ 
bleiben  jener  Truppe  abhängig  gewesen  wäre. 

Zur  Charakteristik  dieses  Wanderprincipals,  der  als  derber 
deutscher  Hanswurst  und  als  Zalmbrecher  gleich  gross  war,  genüge 
die  Thatsache,  dass  er  sich  schon  1703  als  solcher  Doppelkünstler 
durch  einen  Kupferstich  mit  der  Unterschrift  verherrlichen  liess: 
»Ein  Künstler,  der  bin  ich,  wer  dies  nicht  glauben  will, 

Setz  sich  auf  einen  Stuhl  und  halte  mir  nur  still, 

Ich  nehm’  die  Zähne  aus,  suptile  und  behände, 

So  hat  der  Schmertz,  che  Qual  auf  einmal  gleich  ein  Ende. 

Ich  bin  ein  solcher  Mann,  der  noch  viel  mehr  kann  machen, 
Wer  mich  agiren  sieht,  den  mache  ich  zu  lachen.«  u.  s.  w.269 

»Die  mörderlichen  und  doch  ergötzlichen«  Haupt-  und  Staats¬ 
aktionen  Becks,  in  denen  Hans-Wurst  nicht  italienisirt,  sondern  wie 
ein  recht  derber  deutscher  Lümmel  auftrat,  fanden  in  Frankfurt  den 
grössten  Beifall.  Was  seit  Jahren  nicht  vorgekommen  war,  geschah: 
Beck  sah  sich  sogar  zur  vollkommenen  Befriedigung  der  Theater¬ 
liebhaber  genöthigt,  noch  um  acht  Tage  Verlängerung  des  ihm  an¬ 
gesetzten  Termines  zu  bitten,  die  ihm  auch  auf  sein  Anerbieten,  zu 
der  bereits  bestimmten  Abgabe ,  die  Lösung  des  letzten  Tages 
gleichfalls  den  Armen  zuzuwenden,  sofort  gewährt  Avurde.270  Ausser¬ 
dem  musste  er  aber  auch  für  diese,  Avie  für  die  früheren  Wochen, 
dem  Aerario  15  11.  Standgeld  entrichten.  Unerwähnt  darf  es  nicht 
bleiben,  dass  Beck  auch  seine  Vorstellungen  in  den  Zwischenakten 
durch  ein  sehr  kunstvolles  Schattenspiel  anziehend  zu  machen  ver¬ 
stand.  Er  und  seine  manchmal  beim  Rathe  Frankfurts  für  ihn  ein¬ 
kommende  Frau,  Johanna  Sophie,  nennen  in  zwei  Bittschriften  das 
Schattenspiel  sogar  ihr  »anzügliches  Hauptwerk«. 


150 


Im  Juli  desselben  Jahres  richtete  Leonhard  Andreas  Denner 
der  Aeltere,  der  bis  zum  Jahre  1710  mit  seiner  Familie  zur  Truppe 
der  Velthin  gehört  hatte,  von  dem  kurpfälzischen  Hofe  zu  Heidelberg 
aus  ein  Schreiben  an  den  Rath  Frankfurts,  woraus  zweifellos  her¬ 
vorgeht,  dass  er  und  che  Seinen,  nicht,  wie  schon  oft  vermuthet  wurde, 
in  jener  Zeit  zur  Neuber’schen  Bande  gehören  konnten.  Als  Prin¬ 
cipal  der  »Königl.  Gross  Britannischen  auch  kurfürstl.  Brandenburgi- 
schen  würklichen  Hof-Acteurs«  war  er  nach  eigener  Mittheilung  im 
vorigen  Jahr  mit  seiner  Suite  an  den  hochfürstlich  Württembergischen 
und  von  da  an  den  kurpfälzischen  Hof  berufen  worden,  wo  er  sich 
noch  aufhielt.  Weil  er  aber  nach  Hannover  zurück  will,  so  möchte 
er  (auf  der  Durchreise)  moralische  Komödien  geben,  »die  nicht  ein¬ 
mal  einen  Schein  von  Scandalum  involviren,  sondern  mit  recht  extra 
ordinair  galanten  musicalischen ,  sowohl  teutschen  arien  von  der 
Composition  der  weit  und  breit  renomirten  Virtuosen  Monsieur  Tele- 
mann  und  Händel  vermischt  sein  sollen.  Die  ein  gemischte  erlaubte 
Lustbarkeit  soll  lediglich  in  einem  wohl  moralisirenden  Arlequin 
bestehn.«271 

Der  Name  Telemann,  dessen  musikalische  Thätigkeit  in  Frank¬ 
furt  von  1711- — 1721  der  verstorbene  Carl  Israel  in  seiner  Frank¬ 
furter  Concert-Chronik  (Neujahrs-Blatt  des  Vereins  für  Geschichte 
und  Alterthumskunde  zu  Frankfurt  am  Main  für  das  Jahr  1876)  so 
eingehend  und  verständnissvoll  geschildert  hat,  siegte  ohne  Frage 
über  einige  pietistiscke  Bedenken,  welche  nach  Becks  zweifelhafter 
Kunstthätigkeit  entschieden  der  Wiederaufnahme  eines  selbst  hoch- 
privilegirten  Wanderprincipals  entgegenwirkten.  Nach  der  Erlegung 
einer  Summe  von  100  Reichsthalern  und  der  Entrichtung  der  auf¬ 
erlegten  Abgabe  an  das  Rechnei-Amt  fand  also  Leonhard  Andreas 
Denner  in  der  Herbstmesse  1731  die  begehrte  Aufnahme. 

Die  Kunstrichtung  dieses  Wanderdirektors  lässt  sich  deutlich 
aus  seiner  eben  erwähnten  Eingabe  erkennen.  —  Noch  mehr  wird 
dieselbe  beleuchtet  durch  ein  wenige  Blätter  enthaltendes  Heftchen, 
welches  Denner  den  Rathsmitgliedern  vor  der  Magistratskomödie 
»Le  Cid«  oder  »Roderich  und  Chimene«  (nach  Corneilles  Trauerspiel) 
überreichen  liess.  Dieses  in  den  Beilagen  unter  Nr.  I  veröffentlichte 
Heftchen  hat  um  so  grösseren  Werth  als  es  die  älteste  aufgefundene 
Publikation  von  hier  aufgetretenen  Wandertruppen  ist  und  zugleich 
die  äusserst  devote  Art  und  Weise  kennzeichnet,  in  welcher  damals 
und  auch  später  die  Komödianten  dem  Rathe  Frankfurts  zu  huldigen 
pflegten. 

Denner  wusste  den  Haupt-  und  Staatsaktionen  dadurch  einen 
erhöhten  Reiz  zu  verleihen,  dass  er  sie,  wie  auch  die  in  Roderich 
und  Chimene  vorkommenden  Arien  bestätigen,  mit  musikalischen  Ein¬ 
lagen  von  den  bedeutendsten  Komponisten  seiner  Zeit  »garnirete«  und 
den  Arlequin,  der  von  seinem  Sohn,  dem  sogenannten  jüngeren  Denner, 


151 


vortrefflich  dargestellt  wurde,  die  »erlaubten«,  aber  trotzdem  nach 
unseren  Begriffen  oft  sehr  starken  »Lustbarkeiten«  nicht  mit  tölpel¬ 
hafter  Plumpheit,  sondern  mit  geschmeidiger  Tänzergrazie  vortragen 
liess.  Bei  dieser  Truppe  befanden  sich  ausser  den  beiden  Denner, 
Vater  und  Sohn,  auch  noch  eine  Demoiselle  und  Madame  Dennerin, 
jedenfalls  die  Tochter  des  ersteren  und  che  Gattin  des  letzteren. 
Beide  besassen  bedeutende  und  gut  ausgebildete  gesangliche  Anlagen, 
welche  im  Verein  mit  den  Spässen  des  wohl  moralisirenden  Ar- 
lequin  das  Publikum  am  meisten  in  den  bretternen  Musentempel 
auf  den  Rossmarkt  lockten.272  Freilich  waren  auch  die  Requisiten 
und  Maschinerien  dieses  Wanderprincipals,  der  wie  ein  General  von 
seiner  »Suite«  spricht,  viel  prächtiger  als  die  dürftigen  Ausrüstungen 
Becks,  bei  welchem  die  Gallakleider  der  Prinzen  und  Prinzessinnen 
allabendlich  des  Glanzes  halber  »neu  gespecket  wurden«  und  oft  einige 
Bücher  Goldpapier  ausreichen  mussten,  um  die  ganze  Garderobe 
wieder  ein  wenig  aufzuputzen.  —  Im  Anschluss  hieran  sei  noch 
bemerkt,  dass  sowohl  untergeordnete  wie  bessere  Wandertruppen  in 
Bezug  auf  die  Kleidung  der  in  den  Haupt-  und  Staatsaktionen  auf¬ 
tretenden,  den  verschiedensten  Zeiten  und  Völkern  ungehörigen  Könige, 
Helden  und  Tyrannen  ähnlich  dachten,  wie  Tieck  und  Lichtenberg, 
die  beide  sogar  den  Ausspruch  thun  konnten;  »Wo  der  Antiquar  in 
den  Köpfen  eines  Publikums  noch  schlummert,  da  soll  der  Schau¬ 
spieler  nicht  der  Erste  sein,  der  ihn  erweckt«.  —  Von  charakteristi¬ 
scher  Kostümtreue  war  noch  gar  keine  Rede,  obgleich  man  allmählich 
zwischen  einer  türkischen ,  einer  römischen  und  mittelalterlichen 
Tracht  zu  unterscheiden  begann.  Alle  Stücke,  deren  Gegenstand  einer 
nicht  zu  fernen  Zeit  angehörte,  wurden  in  dem  letzten  Kostüme 
dargestellt,  das  eigentlich  nur  eine  phantastische  Umbildung  der  da¬ 
mals  modernen  Kleidung  war.  —  Dieselbe  masslose  Willkür,  welche 
sich  in  dieser  Epoche  auf  dem  Gebiete  der  Schauspielkunst  überall 
breit  machte,  kennzeichnete  auch  ihre  Kostümrichtung.  In  geschmack- 
imd  sinnlosem  Uebertreiben  der  an  und  für  sich  schon  überladenen 
Rococotracht  wurden  in  den  Stücken  oft  die  ungeheuerlichsten  Zu¬ 
sammenstellungen  zu  Wege  gebracht.  —  Römische,  griechische  und 
mittelalterliche  Helden  erschienen  in  Schnallenschuhen,  Kniehosen, 
im  breitschössigen  Rock  und  mit  dem  glänzenden  Schlachtenhelm 
auf  der  gepuderten  Allongeperücke.  Auch  den  Darstellerinnen  der 
Königstöchter  und  Heldenweiber  des  Alterthums  waren  das  vom 
Reifrock  aufgebauschte  Gewand,  der  Federn  und  Blumenschmuck  auf 
der  hohen  Frisur,  das  zierlich  gefältelte  Taschentuch  unerlässliche 
Zeichen  ihrer  absonderlichen  Würde. 

Leonhard  Andreas  Denner,  der  ungeachtet  seiner  sich  über  die 
gewöhnliche  Komödiengauklerei  erhebenden  Kunstbestrebungen  Aehn- 
lichkeit  gehabt  haben  muss  mit  dem,  was  man  heutzutage  einen 
Reklamehelden  nennt,  liess  jedenfalls  auch  hier,  wie  in  Heidelberg,  seine 


152 


Ankündigungen  auf  ganze  Bogen  drucken  und  mit  Arabesken  und 
figürlichen  Darstellungen  verzieren.  Wie  schon  oft,  so  muss  auch  jetzt 
leider  wieder  konstatirt  werden,  dass  trotz  eines  nicht  kleinen  Auf¬ 
gebotes  von  Mühe  und  Zeit  ebenfalls  von  dieser  und  der  nachfolgenden 
Operisten-Gesellschaft  keine  Theaterzettel  ausfindig  zu  machen  waren. 
Der  Umstand,  dass  dadurch  auch  das  Eintrittsgeld  der  beiden  Truppen 
nicht  festgestellt  werden  kann,  lässt  diesen  Mangel  doppelt  fühlbar 
erscheinen. 

Denner  hielt  in  der  Herbstmesse  eine  gute  Ernte  und  wäre 
gerne  noch  länger  in  Frankfurt  geblieben,  wenn  er  nicht  an  einem 
bestimmten  Termin  hätte  in  Hannover  eintreffen  müssen. 

Jedenfalls  durch  Donners  Erfolg  erinuthigt,  suchte  auch  der 
italienische  Operist  Anthonius  Peruzzi  aus  Venedig  für  die  Herbst¬ 
messe  um  die  Erlaubniss  nach,  »liebliche  und  arglose  Opern«  auf¬ 
führen  zu  dürfen.273  Er  hatte  hier  im  Sommer  1731  ein  italienisches 
Concert  gegeben,  welches  aber,  wie  er  selbst  meint,  nur  aus  dem 
Grunde  so  wenig  Zuhörer  hatte,  weil  viele  hohe  und  niedere  Personen 
gerade  damals  die  Brunnen-Kur  gebrauchten.  In  etwas  grossthueri- 
scher  Weise  beruft  sich  Peruzzi  in  seiner  ersten  Bittschrift  darauf, 
dass  er  das  Glück  gehabt  habe,  geraume  Jahre  über  in  Diensten  der 
Durchlauchtigsten  Frau  Erzherzogin  zu  Brüssel,  der  schon  einmal 
erwähnten  Maria  Elisabeth,  Statthalterin  der  Niederlande,  zu  stehen 
und  höchstdero  und  anderer  Fürsten  Zufriedenheit  in  jeder  Art 
und  Hinsicht  zu  erringen.  Peruzzi,  der  schon  einen  Theil  seines 
Personals  nach  Frankfurt  berufen  hatte,  sagt  im  Anschluss  hieran,  »dass 
die  in  seinem  metier  erlangte  Wissenschaft  allschon  gutentheils  der 
Welt  bekannt  sei,  weshalb  er  desto  eher  hoffe,  in  dieser  berühmten 
Stadt  mit  seinen  Opern  aufwarten  zu  dürfen«.  Bei  all  seinem  stolzen 
selbstbewussten  Auftreten  wurde  aber  Anthonius  Peruzzi  doch  erst 
nach  einer  nochmaligen  Eingabe  unter  denselben  Bedingungen  wie 
früher  die  deutschen  Komödianten  angenommen.  Nach  eingeholter 
Erlaubniss  erbaute  derselbe  eine  Hütte  in  der  Nähe  des  Gasthofs  »Zum 
wilden  Mann«,  in  welchem  er  sich  selbst  mit  seiner  Gesellschaft  ein- 
logirt  hatte.  — •  Da  dieses  Gasthaus  in  einer  Sackgasse  (Lit.  G  Nr. 
87)  ganz  nahe  beim  Augsburgerhof  lag,274  so  stand  die  Hütte  des 
italienischen  Operisten  jedenfalls  auf  dem  Trierischen  Platz,  ungefähr 
am  Eingang  zur  heutigen  Vogelsgesanggasse. 

Peruzzi  musste  schon  vor  dem  Beginne  seiner  Thätigkeit  mit 
mehr  Hindernissen  kämpfen  als  Leonhard  Andreas  Denner.  Erst 
hatte  er  beim  Aufbau  der  Hütte  viele  unnöthige  Verdriesslichkeiten 
mit  der  Nachbarschaft  des  Gasthofs  »Zum  wilden  Mann«,  dann  traf 
auch  der  grösste  Theil  der  Compagnie  erst  sehr  spät,  seiner  eignen 
Mittheilung  zufolge,  am  letzten  September  1731  ein.  Alle  diese 
Hindernisse  und  den  Uebelstand,  dass  er  noch  nichts  verdient  habe 
und  daher  das  Standgeld  nicht  entrichten  und  seine  Gläubiger 


153 


mclit  befriedigen  könne,  klagte  Peruzzi  dem  Rath  in  einer  Eingabe 
anfangs  October,  in  welcher  er  zugleich  um  Yerlängerung  seines 
Termins  bis  auf  die  nächsten  Weihnachten  bittet.  Der  Rath  hatte 
ein  Einsehen  mit  der  bedrängten  Lage  Peruzzi’s,  er  gestattete  ihm 
trotz  der  Einwürfe  der  Geistlichkeit ,  wofern  er  in  Zeit  von  8  Tagen 
das  schuldige  Standgeld  entrichtet,  bis  auf  die  Betwoche  zu  agiren. 
Diese  Bedingung  erfüllte  Peruzzi  sofort,  aber  die  211  fl.  Standgeld 
für  die  folgenden  Wochen  und  seine  Gläubiger  bezahlte  er  erst 
nach  obrigkeitlichem  Einschreiten.  Allem  Anschein  nach  war  hieran 
weniger  seine  schlechte  Einnahme,  als  die  leichtfertige  Führung  der 
Geschäfte  schuld,  da  er  nach  ächter  Komödiantenart  mit  dem  erworbe¬ 
nen  Verdienst  nicht  haushälterisch  umzugehen  verstand. 

Die  Mitglieder  der  Truppe  Peruzzi’s,  che  nicht  allein  Opern, 
sondern  auch  italienische  Komödien  aufführte,  waren  ein  leicht¬ 
lebiges  Volk,  dessen  freie,  in  scandalöse  Vorgänge  verwickelte  Auf¬ 
führung  dem  bürgerlichen  Ansehen  der  Schauspieler  in  Frankfurt 
einen  empfindlichen  Schlag  versetzte.  Der  Principal  der  Kurpfälzi¬ 
schen  Hofkomödianten,  Sigismund  Ferdinand  Scultetus,  sagt  nämlich, 
nachdem  ihm  am  3.  März  1733  sein  Gesuch  nicht  bewilligt  worden 
war,  in  einer  zweiten  Bittschrift,  dass  er  jedenfalls  deshalb  abgewie¬ 
sen  worden  sei,  Aveil  die  lfier  gewesenen  Operisten  durch  ihre  un¬ 
ordentliche  Aufführung  und  gehäufte  Schuldenlast  viel  Verdruss  er¬ 
weckt  hätten.  Scultetus  mochte  sich  hierin  nicht  irren,  denn  der  Rath 
blieb  bei  dem  abschlägigen  Bescheid,  obgleich  jener  200  Rchsthlr. 
Caution  stellen  Avollte  und  wiederholt  versicherte,  dass  seine  Com¬ 
pagnie  nicht  »von  einer  solchen  Art  und  auch  mit  keinem  solchen 
niedrigen  Gesindel  von  scandalosen  Frauensleuten  untermischt  Aväre.«275 

Die  Anzeige  des  Wirthes  im  Wilden  Mann,  der  am  1.  Juli 
1732  in  den  Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten,  dem  heutigen 
Frankfurter  Intelligenzblatt,  mittheilte,  sein  Gasthof  sei  einige  Monate 
von  Operisten  besetzt  gewesen,  hat  jedenfalls  die  irrige  Meinung  ver¬ 
breitet,  dass  sich  auch  in  diesem  Jahre  eine  italienische  Operngesell¬ 
schaft  in  Frankfurt  aufgehalten  habe.  Aber  dem  ist  nicht  so.  Diese 
Anzeige  bezieht  sich  auf  Peruzzi  und  Consorten,  welche  Schulden 
halber  nicht  sogleich  nach  Schluss  ihrer  Vorstellungen  ab  reisen 
konnten  und  noch  einige  Monate  auf  ihre  Auslösung  warten  mussten. 

Ein  Avälscher  Tanzmeister  und  eine  wälsche  Sängerin,  welche 
in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1732  in  Frankfurt  Unterricht  er- 
theilten,  waren  jedenfalls  Mitglieder  dieser  Truppe,  die  sich  auf  ehren¬ 
vollere  Weise  aus  der  grossen  Misere  zu  befreien  suchten,  als  der  grösste 
Theil  ihrer  Kollegen  und  Kolleginnen. 

Der  unmittelbare  Vorläufer  der  Neuber’schen  Bande  in  Frank¬ 
furt  war  der  unter  dem  Titel  »der  starke  Mann«  gleich  berühmte 
und  berüchtigte  Karl  von  Eckenberg,  der  nach  mehrjähriger  Unter¬ 
brechung  der  theatralischen  Aufführungen  in  der  Herbstmesse  1735 


154 


fünf  Wochen  lang  zu  Frankfurt  in  einer  Hütte  auf  dem  Liebfrauen¬ 
berg  spielte.276  Die  Truppe  dieses  ehemaligen  Akrobaten,  dessen 
Ruhm  von  Berlin  nach  Frankfurt  gedrungen  war,  bestand  aus  einem 
bunten  Mischmasch  von  allerlei  »lebendigen  Künstlern  und  bossig 
anzuschauenden  Drahtpuppen«.  Auf  welcher  Stufe  Karl  von  Ecken- 
berg’s  277  künstlerische  Leistungen  standen,  lässt  sich  hieraus  zur 
Genüge  ersehen.  Derselbe  gab  auch  bei  seinem  ersten  Aufenthalt 
in  Frankfurt,  wie  vorher  in  Berlin,  Haupt-  und  Staatsaktionen,  Har- 
lekinaden  und  Marionettenspiele,  welche  durch  eingeschobene  Luft¬ 
sprünge,  »Starkemannskünste«  und  »feinliche  Singestücke«  besonders 
anziehend  gemacht  wurden.  Für  Frankfurt  waren  derartig  zusammen¬ 
gesetzte  Vorstellungen  etwas  Neues,  weshalb  sich  der  grosse  Beifall 
einigermassen  erklären  lässt,  den,  um  einen  Zeitgenossen  reden  zu 
lassen,  »ein  Gaukler  ärndtete,  der  durch  den  Harlekin  die  grössten 
Unflätereien  aufs  Tapet  brachte  und  Comödie  spielen,  Seiltanzen 
und  Luftspringen  in  ein  gezwungen  widerliches  Bündniss  trieb«. 

Es  ist  einer  der  eigen thiimlichsten  Zufälle  in  der  Frankfurter 
Theatergeschichte,  dass  auf  den  letzten  Repräsentanten  dieser  Art 
der  dramatischen  Kunst  eine  Truppe  folgte,  von  deren  Wirksamkeit 
seit  mehreren  Jahren  die  Reform  und  Fortentwicklung  der  deutschen 
Schauspielkunst  nicht  mehr  zu  trennen  war.  Die  Extreme  berühr¬ 
ten  sich  bei  diesem  Wechsel  in  der  That  in  einer  ebenso  auffallen¬ 
den  als  interessanten  Weise.  Fanden  doch  alle  schroffen  Gegensätze 
der  damaligen  theatralischen  Kunstrichtung :  grenzenlose  Willkür  und 
schablonenhafte  Dressur,  unmässige  Rohheit  und  steife  Formalität 
gleichsam  eine  scharfe  Charakteristik  in  den  Namen  Karl  von  Ecken- 
*  berg  und  Karoline  Neuberin. 


Die  Neuberin  zum  ersten  Male  in  Frankfurt. 

i. 

Ehe  die  Sonne  am  Morgen  aus  dunklen  Wolken  hervortritt, 
zeigen  sich  am  östlichen  Himmelsbogen  feurige  Streifen,  welche  zwar 
oft  von  den  letzten  nächtlichen  Schatten  wieder  bedeckt  werden, 
aber  trotzdem  das  Herannahen  des  allbelebenden  Tagesgestirnes  ver¬ 
künden.  Dieses  Bild  aus  der  Natur  lässt  sich  äusserst  bezeichnend 
auf  die  Kunstthätigkeit  der  Neuberin  in  Frankfurt  anwenden,  die, 
wie  jener  verheissungsvolle  Schein  am  düsteren  Horizont,  der  drama¬ 
tischen  Kunst  einen  neuen  sonnigen  Tag  verkündete.  Es  fehlte  auch 
hier  an  den  Schatten  nicht,  welche  das  edlere  Wirken  der  grossen 
Frau  wieder  verdunkelten,  aber  es  war  doch  nicht  umsonst  gewesen, 
es  hatte  wenigstens  das  Verständniss  für  eine  bessere  Richtung 
erschlossen  und  in  empfänglichen  Gremüthern  die  Ahnung  von  einer 
allmählich  sich  bahnbrechenden,  neuen  Kunstepoche  erweckt. 

Das  erste  Auftreten  der  Neuber’schen  Truppe  in  Frankfurt  wird 
durch  eine  Vermittlung  vorbereitet,  welche  ebenso  ehrenvoll  wie  be¬ 
zeichnend  für  die  künstlerische  Thätigkeit  und  moralische  Führung 
dieser  berühmten  Gesellschaft  ist.  Am  9.  November  1735  richtete 
der  Chef  eines  Hamburger  Handelshauses  an  Benjamin  Metzler  sei. 
Söhne  dahier  folgenden  Brief,  den  wir  mit  Ausnahme  der  im  Ein¬ 
gänge  desselben  stehenden  geschäftlichen  Mittheilungen  wörtlich  hier 
folgen  lassen. 

Hochgeehrte  Herrn! 

....  Sonsten  dienet  dieses  E.  E.  gantz  dienstliche  hiermit  zu 
ersuchen,  bev  dortigem  Magistrat  und  denen  als  sonsten  beykömmt, 
zu  vernehmen,  ob  eine  gewisse  Bande  Comedianten  nicht  Erlaubniss 
bekommen  könne,  in  dortiger  Messe  zu  agiren?  und  was  solchen- 
fals  die  conditiones  seyn  würden  ?  E.  E.  nehmen  nicht  übel ,  dass 
darmit  incommodiren ;  diese  Comedianten  meritiren  ihrer  guten 
Aufführung  halber ,  dass  sich  feine  Leute  ihrer  annehmen  umb 
so  mehr,  als  sie  zuerst  die  Teutsche  Schaubühne  von  aller  Un- 
fläterey  gesäubert  haben,  so  dass  nunmehr  honnete  Leute  selbige 
nicht  nur  ohne  zu  erröten  frequentiren ,  sondern  sogar  auch  gute 
Sittenlehren  daraus  ziehen  und  sich  zu  nutze  machen  können.  Wie 
dann  sind  ein  Jahr,  dass  sie  etwa  hier  sind  unsere  ehrbarsten  Bür- 


156 


ger,  ja  unser  gantzer  Majistrat  ihre  Spiele  öfters  mit  ihrer  Gegen¬ 
wart  beehren,  sogar  auch  einige  unsrer  vornehmsten  Gelehrten 
derer  besten  französischen  Poeten  in  schöne  teutsche  Verse  über¬ 
setzet  haben.  Ihre  Weibsbilder  sowohl  als  die  Männer  halten 
sich  sehr  ehrbar  und  eingezogen  und  können  die  Bürger,  worbey  sie 
logiren,  ihre  christliche  und  friedfertige  Lebensart  nicht  genug  rühmen. 
Sie  können  hier  der  opera  wegen  nicht  beständig  subsistiren  und 
darumb  mögten  sie  gerne  in  Frankfurt  in  denen  Messen  spielen.  — 
Können  E.  E.  nun  ihnen  darunter  behültlich  sein,  so  würden  E.  E. 
uns  sehr  obligiren;  denn  wir  sind  von  vornehmen  Freunden,  woran 
uns  sehr  viel  gelegen,  darumb  ersuchet  worden.  Bitten  E.  E.  um 
eine  baldige  und  umbständliche  Antwort  und  verharren  indess  nebst 
freundlichen  Sol.  und  Empf.  Götti.  Obhut 
E.  E.  I).  W.  Diener 

Poppe  und  Kroon.278 

Auf  diesen  wichtigen  Empfehlungsbrief  muss  das  Frankfurter 
Handelshaus  sich  in  einem  Antwortschreiben  bereit  erklärt  haben, 
für  die  von  ihren  Hamburger  Geschäftsfreunden  so  warm  empfohlene 
Truppe  beim  Rathe  Frankfurts  vermittelnd  einzutreten,  denn  im 
Januar  des  folgenden  Jahres  stellte  der  Principal  Neuber,  der  sich 
inzwischen  mit  seiner  Bande  nach  Kiel  begeben  hatte,  der  Firma 
Benjamin  Metzler  selig  Söhne  folgende  Vollmacht  aus: 

»Inhaber  dieses  ist  von  mir  bevollmächtigt,  die  Erlaubniss  in 
Frankfurth  am  Mayn  bevorstehende  Ostermesse  deutsche  Comödien 
agiren  zu  dürfen,  zu  suchen  und  einen  Platz  zu  besprechen,  wo 
man  dergleichen  vorstellen  kann,  auch  zu  behandeln  und  zu  be¬ 
dingen,  was  hiezu  von  nöthen  seyn  wird. 

Kiel,  den  25.  Januar  1736. 

Johann  Neuber, 

Principal  der  Königlich  Polnischen,  Churfürstlich  Sächsischen, 
auch  Hochfürstlich  Braunschweigisch -Wolfenbüttel ’schen  Hof- 
comödianten.«279 

Hierauf  supplicirten  denn  auch  die  Handelsleute  Benjamin  Metz¬ 
ler  Söhne  als  Bevollmächtigte  Johann  Neuber’s  um  die  Erlaubniss, 
dass  derselbe  in  der  Ostermesse  seine  moralischen  deutschen  Komö¬ 
dien  allhier  darstellen  dürfe.  Sie  legten  ihrer  Eingabe  das  von  den 
Hamburger  »beglaubten  Freunden  über  die  Conduite  und  die  Reprä¬ 
sentationen  abgefasste  Empfehlungsschreiben  bei  und  sprachen  ausser¬ 
dem  noch  die  Hoffnung  aus,  »dass  sothaner  C o mö  dien b  and e , 
die  dahier  in  loco  noch  niemahlen  agiret,  folglich 
hochgeneigteste  Gewährung  der  i  e  z  o  zum  ersten  Mal 
unterth  änigst  nachgesuchten  Erlaubniss  um  so  mehr 
sich  getröstet,  als  die  ehedem  vorgewallte  und  be¬ 
betrübte  Zeiten  ihre  völlige  Endtschafft  erreicht 
haben.«280  Obschon  aber  Neuber’s  Vertreter  alle  diese  Thatsachen 


157 


zu  seinen  Gunsten  erwähnten  und  im  Anschluss  daran  noch  erklär¬ 
ten  ,  dass  derselbe  gerne  die  pflichtschuldige  Abgabe  sofort  ent¬ 
richten  wolle,  wurde  die  Eingabe  doch  für  diesmal  znrückgewiesen.281 
Der  Rath  nahm  überhaupt  in  der  Ostermesse  1736  weder  Komödian¬ 
ten  noch  sonstige  fahrende  Künstler  an. 

Am  28.  Februar,  demselben  Tage,  an  welchem  auch  Ke  über 
einen  abschlägigen  Bescheid  erhalten  hatte,  widerfuhr  ein  Gleiches 
dem  hier  schon  von  früher  bekannten  und  allgemein  beliebten  »starken 
Mann«,  der  wieder  seine  Künste,  »bestehend  in  ausserordentlicher 
Force,  Seiltanzen,  Luftspringen  und  Comödienspielen  zum  Besten  geben 
wollte«.282 

Es  scheint  seit  dem  Beginne  des  achtzehnten  Jahrhunderts  bei 
den  vorsichtigen  Rathsherren  immer  mehr  Gebrauch  geworden  zu 
sein,  keinem  Komödianten  schon  auf  sein  erstes  Gesuch  hin  Spiel- 
erlaubuiss  zu  ertheilen,  es  sei  denn,  dass  er  von  einflussreicher  Seite 
empfohlen  worden  wäre.  Von  diesem  Verhalten  des  Rathes  ist 
jedenfalls  das  Ehepaar  Neuber  von  den  Inhabern  der  genannten 
Frankfurter  Firma  unterrichtet  worden,  denn  es  liess  sich  durch  die 
einmalige  Abweisung  nicht  zurückschrecken  und  versuchte  bei  Zeiten 
für  die  Herbstmesse  die  gewünschte  Zulassung  zu  erhalten.283 

Da  in  der  Folge  die  Principalin  Friederica  Carolina  Neuberin, 
geborene  Weissenborn,  einzig  den  schriftlichen  Verkehr  mit  den  Be¬ 
vollmächtigten  in  Frankfurt  und  mit  dem  Rathe  selbst  fortsetzte,  da 
sie  überhaupt  bei  den  verschiedensten  Verhandlungen  stets  als  die 
eigentliche  treibende  und  ausführende  Kraft  in  den  Vordergrund 
tritt,  so  nimmt  sie  in  der  Frankfurter  wie  in  der  allgemeinen  deut¬ 
schen  Theatergeschichte  eine  höhere  Stellung  ein  als  ihr  Mann,  wozu 
ihre  stattliche,  gewinnende  Erscheinung  vielleicht  auch  einen  Theil 
beigetragen  haben  mag.  Als  die  Neuberin  zum  ersten  Male  nach 
Frankfurt  kam,  stand  sie  bereits  im  39.  Lebensjahre;  man  hätte  sie 
aber  nach  dem  Urtheil  von  Zeitgenossen  für  zehn  Jahre  jünger  hal¬ 
ten  können. 

Neuber  Unterzeichnete  während  der  Herbstmesse  1736  und  der 
Ostermesse  1737  nur  die  Theaterzettel  und  blieb  sonst-  in  Bezug  auf 
die  Vertretung  der  Principalschaft  in  bescheidenem  Dunkel.  Hiermit 
soll  aber  durchaus  nicht  gesagt  sein,  dass  der  Gatte  der  berühmten 
Frau,  welcher  sich  in  seinen  Briefen  so  klar  und  stylvoll  auszu¬ 
drücken  verstand,  ihr  gegenüber  eine  untergeordnete  Stellung  ein¬ 
genommen  hätte.  Wenn  auch  nicht  in  Hinsicht  auf  Lebhaftigkeit 
des  Geistes  und  kühne  Energie,  so  stand  Neuber  doch,  was  Ver¬ 
ständnis  für  die  dramatische  Kunst  und  allgemeine  Bildung  betraf, 
mit  seiner  Frau  sicher  auf  gleicher  Höhe,  wenn  er  sie  nicht  etwa 
im  letzten  Falle  noch  überragte.  Die  männlichen  Charakteranlagen 
der  Neuberin  und  das  stillere,  mehr  zur  Zurückgezogenheit  neigende 
Wesen  ihres  Mannes  brachten  das  umgekehrte  Verhältniss  hervor, 


158 


als  es  sonst  meist  bei  anderen  Ehegatten  stattfindet.  Sie  vertrat  die 
Unternehmungen  nach  aussen,  er  wirkte  mehr  nach  innen  und  wurde 
deshalb  weniger  bekannt  und  oft  gar  unterschätzt.  Die  Neuberin 
hatte  an  ihrem  Manne  einen  starken  Halt,  denn  ihr  neben  den 
genialsten  Zügen  doch  hie  und  da  weiblich  eigensinniger  Charakter 
hätte  sie  ohne  seinen  mildernden  Einfluss  gewiss  noch  mehr  Ueber- 
eilungen  begehen  und  in  noch  weitere  Verlegenheiten  kommen 
lassen,  als  sie  schon  ohnedies  bei  der  Fortführung  ihrer  Principal- 
schaft  gerieth. 

Als  die  Herbstmesse  1736  herannahte,  richtete  die  Neuberin 
unterm  17.  Juni  1736  von  Lübeck  aus  ein  Bittgesuch  an  den  Rath 
Frankfurts,  welches  von  Benjamin  Metzler  Söhne  mitunterzeichnet 
und  auch  vermittelt  wurde.  Sie  legte  demselben  ein  Zeugniss  des 
kunstsinnigen  Herzogs  Karl  Friedrich  von  Holstein  und  eine  ge¬ 
druckte  Probe  »Von  der  Unschuld,  Reinheit  und  Nutzen  ihrer  Co- 
müdien«  bei,  »die  sich  von  andern  ohnziemlichen  theatralischen  re- 
präsentationen  ganz  und  gar  unterscheiden  und  in  Hamburg  von 
Gelehrten  und  Magistrats-Personen  mit  bester  approbation  besucht 
worden  sind«.284  Sie  berief  sich  auch  diesmal  wieder  darauf,  dass 
sie  noch  nie  hier  in  Frankfurt  gespielt  habe  und  erbot  sich  im 
Falle  der  Zusage,  gerne  für  die  Armen  einige  Komödien  zu  agiren. 
Das  Zeugniss  des  Herzogs  bat  sich  die  Neuberin  wieder  zurück,  die 
gedruckte  Einlage  aber,  die  scheinbar  diesem  Gesuch  angeheftet  war, 
muss  leider  abhanden  gekommen  sein.  Kann  aber  auch  von  ihrem 
Inhalte  nichts  Näheres  angegeben  werden,  so  ist  uns  doch  durch  einen 
andern  guten  Fund  Gelegenheit  geboten,  diesem  Mangel  wenigstens 
einigermassen  abzuhelfen. 

Ehe  die  Neuber’sche  Bande  vor  der  Herbstmesse  1736  in 
Frankfurt  eintraf,  liess  die  Principalin  durch  Benjamin  Metzler  Söhne 
in  verschiedenen  hiesigen  vornehmen  Familien  zum  besseren  Ver- 
ständniss  ihres  gereinigten  Theaters  einen  Auszug  von  der  Abhand¬ 
lung  des  Magister  Joh.  Friedrich  Mayen  »Ueber  die  Schaubühne«  ver¬ 
breiten,  welche  derselbe  mit  seiner  Uebersetzung  der  Rede  des  be¬ 
rühmten  französischen  Paters  Porre  »Von  den  Schauspielen,  ob  sie 
eine  Schule  guter  Sitten  sind  oder  sein  können«  1734  in  Leipzig 
herausgegeben  und  hauptsächlich  zur  Verherrlichung  Gottsched’s 
veröffentlicht  hatte.  Eines  dieser  von  der  Neuberin  verbreiteten 
Exemplare,  welches  in  eine  hiesige  Patricierfamilie  kam,  liegt  uns 
in  einem  aus  vier  dicht  bedruckten  Blättern  bestehenden  Quartheft¬ 
chen  mit  den  Bemerkungen  seines  damaligen  Besitzers  vor.  Da  die 
Verbreitung  dieser  Schrift  in  Frankfurt  höchst  bezeichnend  für  die 
Bestrebungen  der  Neuberin  und  —  um  eine  Randglosse  auf  jenem 
Heftchen  zu  gebrauchen  —  »für  die  berühmte  Principalin  und 
Actrice  allhier  am  Orte  wichtiger  geworden  ist,  als  das  lauteste  Ge- 
schrey,  womit  frühere  Comödianten  ihr  eigen  unverdient  Lob  aus- 


159 


posaunten«,  so  soll  der  Anfang  und  noch  einige  hauptsächlichen 
Stellen  der  Abhandlung  liier  Aufnahme  finden. 

»Die  Schaubühne  hat  sich  in  Deutschland  desjenigen  Glückes 
noch  nicht  rühmen  können,  welches  sie  braucht,  sich  aus  dem  Staube 
zu  erheben  und  in  der  Hochachtung  zu  stehen,  worinnen  man  sie 
bey  den  gesittesten  Völkern  jederzeit  angetroffen  hat.  —  Wer  sich 
anmassen  will,  von  der  Schaubühne  zu  urtheilen,  muss  von  allen 
Vorurtheilen  frei  seyn  und  die  Sache  anfangs  ausser  ihren  besonde¬ 
ren  Umständen  betrachten.  Wer  nicht  weiss,  was  eine  Sache  eigent¬ 
lich  ist,  wie  kann  der  auch  wissen,  ob  sie  ihrem  Wesen  nach  schäd¬ 
lich  oder  nützlich  sey,  ob  sie  mehr  dem  Missbrauche  oder  dem 
rechten  Gebrauche  unterworfen,  und  ob  es  nicht  möglich,  sie  also 
einzurichten,  dass  der  gute  Gebrauch  eingeführet  und  dem  Miss¬ 
brauch  gesteuert  werden  möge.  Die  Schaubühne  ist  ein  vortreff¬ 
liches  Mittel,  die  Menschen  zu  lehren  und  zu  bewegen,  ihre  Vor¬ 
stellungen  machen  den  grössten  Eindruck  in  den  Gemüthern,  weil 
sie  am  fähigsten  sind,  die  so  nöthige  Aufmerksamkeit  zu  wirken.« 

Nachdem  dann  ziemlich  ausführlich  der  Nutzen  und  die  segens¬ 
reiche  Einwirkung  der  Schauspielkunst  geschildert  ist,  wird  genau 
dargethan,  was  man  eigentlich  unter  Theater  zu  verstehen  habe,  und 
nach  einem  Lob  auf  die  Griechen  und  Körner,  welche  den  Vortheil 
desselben  wohl  eingesehen  hätten,  in  Bezug  auf  das  Schicksal  der 
heimischen  Darstellungskunst  folgende  Betrachtung  daran  geknüpft: 
»Die  deutsche  Schaubühne  muss  in  ihrem  Vaterlande,  so  gut  sie 
kann,  herum  wallen.  Sie  muss  sich  durch  eignen  Trieb  zur  Voll¬ 
kommenheit  selbst  bessern.  Sie  hat  keinen  Vorschub  dazu  als  den 
ungewissen  Beytrag  der  Zuschauer.  —  Sie  findet  tausend  Hinder¬ 
nisse,  welche  sie  übersteigen  muss,  und  eine  beschwerliche  Arbeit, 
die  Vorurtheile  wegzuschaffen,  in  welchen  che  Leute  durch  die  Ver¬ 
derber  der  deutschen  Schaubühne  noch  beständig  erhalten  werden. 
Wer  hier  durchdringen  will,  muss  Standhaftigkeit  und  Lust  zur  nütz¬ 
lichen  Arbeit  haben.« 

Nun  folgt  eine  nicht  ohne  Geist  geschriebene  ästhetische  Ab¬ 
handlung  über  che  Natur  der  Tragödie  und  Komödie,  der  sich  eine 
Aufzählung  der  hervorragendsten  Eigenschaften  eines  guten  Komö¬ 
dianten  anschliesst.  In  der  Folge  wird  dann  erörtert,  dass  jeder 
dargestellte  Vorgang  wahrscheinlich  sein  müsse,  und  im  Anschluss 
hieran  die  berühmten  Haupt-  und  Staatsaktionen  früherer  Zeiten 
scharf  getadelt. 

»Die  alten  deutschen  Comödien«  —  heisst  es  —  »sehen  noch 
lächerlicher  als  ihr  Harlekins-Kleid  aus.  Denn  an  demselben  sind 
doch  zum  wenigsten  die  bunten  Eiecken  noch  in  einer  gewissen 
Ordnung,  obgleich  ohne  Grund  gesetzt;  hier  aber  kömmt  alles  so 
buntscheckicht  untereinander,  dass  es  weder  hinten  noch  vorne  ein 
Geschicke  hat.  Das  macht’s  aber,  die  besten  davon  sind  nach  dem 


160 


alten  italienischen  Leisten  zugeschnitten.  Weil  diese  nur  auf  Er¬ 
götzung  sehen  und  mit  ihren  Vorstellungen  weiter  nichts  ausrichten 
wollen,  als  dass  sie  mit  ihren  Narrens-Possen  den  Zuschauern  auf 
einige  Stunden  die  Vernunft  rauben  wollen,  damit  cüese  desto  un- 
gescheuter  lachen  können,  so  ist  ihnen  auch  die  Wahrscheinlichkeit 
mit  allen  ihren  Regeln  nichts  nütze.  Je  toller  es  heraus  kömmt, 
je  besser  ist  es.« 

Der  Verfasser  giebt  darauf  bedeutungsvolle  Winke,  wie  die 
Schaubühne  auf  einen  ehrbaren  Euss  gestellt  werden  könne.  Er 
schildert  die  von  ihrem  Einfluss  geförderte  philosophische  Tugend 
und  versichert,  dass  trotz  der  Anregung  zum  Guten  nicht  alle  ihre 
erquickende  Ergötzung  aufhören  würde.  Der  Zeitvertreib  würde 
dessenungeachtet  nicht  zu  ernsthaft  werden,  —  meint  er,  —  »es 
würde  dennoch  auch  zu  lachen  genug  geben,  ob  man  gleich  dieses 
Vergnügen  nicht  dem  Hans-Wurst  und  Harlekin  soll  zu  danken 
haben.« 

Es  wird  sodann  nicht  allein  in  feiner  Weise  der  Eindruck  ge¬ 
schildert,  den  eine  glückliche  Nachahmung  der  Natur  zu  machen  im 
Stande  sei,  sondern  auch  an  einem  Beispiel  erläutert,  dass  Gefallen 
erzeugen,  ebensoviel  heissen  will  wie  herzlich  belustigen.  Auf  diese 
Definition  folgt  noch  eine  genaue  Schilderung  der  verschiedenen 
Mittel,  durch  welche  die  Tragödie  und  Komödie  die  Herzen  der  Zu¬ 
schauer  fesseln  könne.  Dann  kommt  der  Verfasser  nochmals  auf 
den  Punkt  zurück,  dass  das  Theater,  wofern  es  vernünftig  ein¬ 
gerichtet  und  keine  Schandbühne  sei,  eine  lebendige  Schule  der  guten 
Sitten  werden  könne.  Nach  der  Warnung,  man  solle  das  Theater 
nicht  geringschätzig  ansehen,  das  so  viel  zur  Glückseligkeit  der 
Menschen  und  zur  Beförderung  des  Guten  beizutragen  vermöchte, 
wird  nochmals  zwischen  besseren  und  niedrigen  dramatischen  Be¬ 
strebungen  genau  unterschieden  und  mit  der  Behauptung  geschlos¬ 
sen  :  »Sobald  die  Schaubühne  aus  der  Art  schlägt,  ist  sie  böse,  und 
also  zu  verwerfen.  Ja,  ich  wollte,  dass  man  ihr  alsdann  nicht  weiter 
den  Namen  der  Schaubühne  zugestehen  möchte,  sowie  man  denjeni¬ 
gen  nicht  einen  Redner  nennen  soll,  der  seine  Beredsamkeit  dem 
gemeinen  Wesen  zum  Nachtheil  gebraucht.« 

Auf  diesen  Auszug  folgte  ein  Theil  der  Vorrede  Mayen’s  zu 
seinem  gedachten  Buche,  in  welcher  zur  Verherrlichung  Gottsched’s 
etwas  zu  ausführlich  gegen  die  Ansicht  gekämpft  wird,  dass  ein  Ge¬ 
lehrter  sich  viel  zu  tief  erniedrige,  wenn  er  sich  um  die  Schaubühne 
bekümmere.  Nachdem  Gottsched’s  Reformbestrebungen  zur  Hebung 
des  deutschen  Theaters  kurz  angedeutet  und  die  unglimpflichen 
Nachreden,  die  dieser  grosse  Mann  wegen  seiner  edlen  Bestrebungen 
zu  erdulden  habe,  zum  Schweigen  verwiesen  worden  sind,  folgt  dann 
noch  ein,  wie  es  scheint,  eigens  in  Hinsicht  auf  das  Gottsched’s 
Ideen  ausführende  Neuber’sche  Theater  abgefasster  Satz:  »Sonsten 


1 61 


hat  die  Schaubühne  freylich  zur  Belustigung  des  Pöbels  dienen 
müssen,  und  wo  der  Hanswurst  und  Harlekin  regiert,  da  geschieht 
es  auch  wirklich  jetzo  noch.  Allein,  ist  denn  der  Pöbel  dazu  ver¬ 
dammt,  dass  er  in  seinem  unsötigen  Wesen  bleiben,  und  niemahls 
einen  besseren  Geschmack  bekommen  soll  ?  Ist  es  nicht  die  Schuldig¬ 
keit  der  Gelehrten,  sie  davon  zu  befreyen,  da  die  Mittel  dazu  in 
ihren  Händen  sind?  Sollte  man  nicht  darauf  denken,  diese  Be¬ 
lustigung  so  einzurichten,  dass  sie  den  Gelehrten  und  Ungelehrten 
angenehm  und  zuträglich  sey?  Ich  sollte  es  meynen,  und  vielleicht 
irre  ich  auch  nicht.  Freylich  ist  es  vor  einen  ehrlichen  Mann  etwas 
unanständiges,  wenn  er  vor  der  Schaubühne  seyn  und  nichts  als 
Zoten,  Saupossen  und  einfältiges  Zeug  hören  soll.  Auf  der  verderb¬ 
ten  Schaubühne  geschieht  dieses.  Wer  vertheidiget  diese  aber  dabey? 
Eben  der  Abscheu  vor  solchen  unerträglichen  Vorstellungen  und  die 
Möglichkeit,  eine  bessere  Einrichtung  in  den  Gang  zu  bringen,  sind 
die  Ursachen,  dass  man  auf  allerhand  Vorschläge  sinnet,  das  Uebel 
abzuschaffen  und  das  Gute  einzuführen.  Niemahls  habe  ich  gehöret, 
dass  man  dieses  hätte  verwerfen  sollen  oder  können.  Man  reinige, 
verbessere,  und  bringe  nur  die  Schaubühne  unter  den  Gehorsam  der 
Vernunft,  es  werden  sich,  bey  uns  so  wenig  als  in  andern  Ländern, 
auch  die  bravesten  Männer  nicht  schämen  dürfen,  Zuschauer  eines 
Schauspiels  abzugeben.« 

Und  die  angesehensten,  bravsten  Leute  in  Frankfurt,  »die 
»sonsten  noch  niemahlen  eine  Inclination  für  das  Theater  bezeuget«, 
scheuten  sich  nach  einer  weiteren  Bemerkung  auf  dem  bereits  er¬ 
wähnten  Heftchen  auch  nicht,  die  Neuber’sche  Schaubühne  »nacli 
sothaner  Vorbereitung  mit  einer  ganz  seltsamlichen  Spannung«  zu 
erwarten. 

Die  Neuberin  scheint  ausserdem  noch  mehrfach  versucht  zu 
haben,  die  Bedeutung  der  von  ihr  angebahnten  Reform  der  Schau¬ 
bühne  ihren  Frankfurter  Zuschauern  so  viel  als  möglich  klar  zu 
machen.  Den  unter  Beilage  II  und  III  mitgetheilten  Ankündigun¬ 
gen  war  der  bereits  erwähnte,  nur  etwas  veränderte  Auszug  aus  der 
Mayen ’schen  Abhandlung  und  eine  von  Wolf  Balthasar  Adolph  von 
Steinwehr  am  7.  October  1734  in  der  Deutschen  Gesellschaft  zu 
Leipzig  gehaltene  Rede  beigegeben,  welche  über  den  [Ausspruch  des 
Palingenius  handelt: 

Si  recte  aspicias,  vita  haec  est  fabula  quaedam, 

Seena  autem  mundus  versatilis,  histrio  et  actor 
Quilibet  est  hominum :  Mortales  nam  prope  cuncti 
Sunt  personati. 

In  freier  Uebersetzung  möchte  dieser  Ausspruch  folgendermassen 
lauten : 

Blicke  du  ruhig  nur  hin,  so  ist  dies  Leben  ein  Schauspiel 
Und  die  Bühne  dafür  giebt  die  bewegliche  Welt. 


11 


162 


Mime  und  Spieler  kann  sein  ein  jeder  unter  den  Menschen, 

Aber  mimt  er  auch  nicht,  fehlt  ihm  die  Maske  doch  nie. 

Nachdem  Benjamin  Metzler  Söhne  mit  dem  Rath  noch  ver¬ 
schiedene  Verhandlungen  über  den  Platz  gepflogen  hatten,  wo  die 
Komödiantin  Friederica  Carolina  Neuberin  ihre  Hütte  aufschlagen 
lassen  dürfe,  ertheilte  der  Rath  nach  langem  Widerstreben  die  Er¬ 
laubnis  zur  Aufrichtung  derselben  auf  dem  Liebfrauenberge.285  In 
der  letzten  Woche  des  September  1736  kam  die  Neuber’sche  Bande 
von  Norden,  jedenfalls  von  Lübeck,  nach  Frankfurt,  wo  denn  auch 
alsbald  mit  den  Vorstellungen  begonnen  wurde.  Ehe  dieselben 
weitere  Erörterung  finden,  soll  erst  noch  der  Personalbestand  der 
Neuber’schen  Schaubühne  besprochen  werden,  zu  dem  gerade  damals 
die  grössten  Schauspielcelebritäten  jener  Zeit  gehörten.  Nach  dem 
Principal  selbst  und  seiner  Gattin  sei  hier  zuerst  Friedrich  Kohlhardt 
erwähnt,  der  früher  Mitglied  der  Haack’schen  Truppe  gewesen  und 
in  tragischen  und  komischen  Rollen  gleich  gross  war.  Diesem  älteren 
Kollegen  am  nächsten  stand  Gottfried  Heinrich  Koch,  der  nicht  allein 
ein  trefflicher  Schauspieler  war,  sondern  auch  noch  durch  andere  Künste 
der  Neuber’schen  Schaubühne  nützte.  Er  malte  für  dieselbe  in  freien 
Stunden  Dekorationen,  dichtete  neue  Stücke,  übersetzte  verschiedene 
Dramen  und  richtete  die  lustigen  Nachspiele  ein.  In  komischen 
Bedienteurolien  und  als  Darsteller  von  launigen  und  polternden 
Alten  that  sich  neben  Lorenz,  der  zwar  Könige  und  Helden  spielte, 
aber  im  lustigen  Fache  ebenso  Vorzügliches  leistete,  auch  in  Frank¬ 
furt  besonders  der  junge  Fabrizius,  ein  Predigerssohn  aus  Cottbus, 
hervor.  Ausser  den  eben  genannten  Darstellern  waren  seit  einigen 
Jahren  noch  Johann  Friedrich  Schönemann,  ehemaliges  Mitglied  der 
Förster’schen  Truppe  und  später  Nachfolger  der  Neuberin,  und 
Suppig  aus  Dresden  zu  dieser  Bande  gekommen.  Der  letztere  er¬ 
warb  sich  besonders  als  Liebhaber  in  der  Komödie  und  Tragödie, 
sowie  als  Chevalier  einen  grossen  Ruf.  Nach  Weisse,  Winzinger, 
Jacobi,  Steinbrecher,  Schröter,  Antusch,  Schubert  und  Mayer  möge 
von  dem  männlichen  Personal  schliesslich  noch  Michael  Tiirpe  ge¬ 
nannt  werden,  der  ein  seltenes  Nachahmungstalent  besass,  aber  den 
Franzbranntwein  ebenso  sehr  liebte,  wie  seine  Kunst. 

Da  auf  den  aus  jener  Zeit  herrührenden  Theaterzetteln  das 
darstellende  Personal  nicht  benannt  ist  und  auch  die  sonstigen  ge¬ 
druckten  Quellen  nicht  ausführlich  genug  sind,  so  war  es  auch  nur 
möglich,  einen  Theil  der  Namen  von  den  Darstellerinnen  der  Neuber’¬ 
schen  Truppe  zu  ermitteln.  Nach  der  Principalin  verdient  Frau 
Gründler,  Tochter  des  ehemaligen  Velthen’schen  Schauspielers  Sasse, 
als  vorzügliche  Liebhaberin  die  erste  Erwähnung.  Ihre  1736  kaum 
herangeblühte  Tochter  spielte  in  Frankfurt  Kinder-  und  ganz  jugend¬ 
liche  Rollen,  in  deren  Durchführung  sie  eine  grosse  Schauspielerin  an¬ 
gekündigt  haben  soll.  Das  Talent  der  jungen  Künstlerin  kam  aber 


1(33 


nicht  zu  seiner  vollen  Entfaltung,  da  sie  sich  schon  1738  bei  einem 
Aufenthalt  der  Neuber’schen  Truppe  in  Kiel  mit  dem  einige  Zeit  bei 
derselben  wahrscheinlich  als  Uebersetzer  thätigen  Notar  und  franzö¬ 
sischen  Sprachmeister  Weisse  verheirathete  und  sammt  ihrer  Mutter 
von  der  Bühne  zurücktrat.  Ob  die  schöne  Schauspielerin  Philippine 
Turnier,  die  spätere  Frau  des  berühmten  Karl  Gottlob  Heydrich, 
schon  damals  in  Frankfurt  bei  der  Truppe  war  und  in  den  Hora- 
tiern  die  Clelia  spielte,  lässt  sich  aus  dem  oben  erwähnten  Grunde 
nicht  bestimmt  feststellem  Da  es  aber  eine  absonderlich  schöne 
Person  war,  »welche  dies  liebliche  römische  Weibsbild  agiren  thät«, 
so  kann  es  entweder  nur  sie  oder  die  jugendliche  Frau  Schönemann’s, 
Anna  Kachel  (Rahel),  geborene  Weigler,  gewesen  sein,  die  1730  mit 
ihrem  Manne  zur  Neuber’schen  Truppe  gekommen  war  und  später 
auch  die  Alzire  und  Zaire  bei  derselben  spielte. 

Die  älteren  Königinnen  und  Heldenmütter  gab  Frau  Stein¬ 
brecher,  geborene  Spiegelberg,  mit  vieler  Würde  und  erhabener  De¬ 
klamation  ;  die  launigen,  zärtlichen  und  heftigen  Frauenrollen  stellte 
die  Lorenzin  dar,  die  von  Gemüth  sehr  gut  war,  aber  für  solche 
»Weibscaliber«  das  beste  Zeug  besass.  Die  Gattin  eines  Darstellers 
der  Truppe:  Sophie  Antusch,  hatte  eine  vorzügliche  Bildung  und 
trat  hauptsächlich  in  sanften  tragischen  Rollen  auf.  Ausser  der 
jungen  Frau  Koch,  einer  geborenen  Büchner  aus  Leipzig,  die  auch 
zu  zärtlichen  Liebhaberinnen,  Prinzessinnen  und  sanften  Rollen  ver¬ 
wendet  wurde,  sind  nur  noch  eine  Madame  Rischin  und  eine 
Demoiselle  Ehlicli,  beide  früher  Mitglieder  der  Förster’schen  Bande, 
zu  erwähnen,  deren  Rollenfächer  sich  aber  nicht  näher  feststellen 
lassen.286 

Mit  einer  solchen,  durch  ihren  langen  Aufenthalt  in  Hamburg 
(vom  18.  April  bis  5.  December  1735)  wohl  eingespielten  Künstler¬ 
gesellschaft  wagte  es  die  Neuberin,  Anfangs  October  1736  in  Frank¬ 
furt  ihre  Vorstellungen  vor  einem  Publikum  zu  beginnen,  dessen 
grösserem  Theil,  um  den  Ausspruch  eines  Zeitgenossen  zu  gebrau¬ 
chen  ,  »die  tollen  Haupt-  und  Staatsaktionen  ein  Labsal  und  die 
zottenreichen  Schlusscomödien  stets  ein  beliebter  Nachtisch  ge¬ 
wesen«. 

Der  Umstand,  dass  die  Principale  in  jener  Zeit  ihre  Vorstel¬ 
lungen  noch  nicht  in  den  Tagesblättern  ankündigten,  und  der  Mangel 
an  Theaterzetteln  machen  es  unmöglich,  genau  festzustellen,  mit 
welchem  Stück  die  Neuberin  ihre  Schaubühne  in  Frankfurt  eröffnete. 
Wenn  wir  aber  einer  gewiss  begründeten  Mittheilung  aus  dem  Jahre 
1770  vollständig  Glauben  schenken  dürfen,  so  war  es  »Timoleon, 
der  Raths-  und  Bürgerfreund«,  dieselbe  Tragödie,  welche  sie  von 
dem  Verfasser  derselben,  G.  Behrmann,  im  Manuscript  erhalten  und 
am  28.  November  1735  zu  Ehren  des  Hamburger  Magistrats  auf¬ 
geführt  hatte. 


ll  * 


164 


Der  Neuberin,  die  oft  in  so  feinfühliger  Weise  auf  das  Interesse 
ihres  Publikums  Rücksicht  zu  nehmen  verstand,  wäre  es  schon  zu¬ 
zutrauen,  dass  sie  sich  und  ihre  Truppe  durch  die  Vorstellung  eines 
Stückes  einführte,  welches  für  die  Denkungsart  und  politische  An¬ 
sicht  der  Frankfurter,  als  freie  Bürger  einer  kleinen,  gesegneten  Re¬ 
publik,  wie  geschaffen  erschien.  Wäre  dem  aber  auch  nicht  so, 
Timoleon  kam  nach  der  Mittheilung  eines  Zeitgenossen  jedenfalls 
1736  in  Frankfurt  zur  Aufführung  und  erregte  grösseres  Aufsehen 
als  ein  Jahr  früher  in  Hamburg.  Dass  die  Frankfurter  mit  den 
Ideen  des  Dichters  sympathisirten  und  bei  ihrer  freiheitlichen  Ge¬ 
sinnung  besonders  einige  Scenen  des  Stückes  begeistert  aufnahmen, 
wird  ein  Ausspruch  Timoleon’s,  I.  Handlung,  III.  Auftritt,  hinreichend 
erklären : 

»Die  Freiheit  ist  gewis  der  Bürger  grösster  Schatz, 

Ist  die  einmahl  dahin,  so  ist  sie  stets  verlohren. 

Zur  Knechtschaft  sind  wir  nicht,  nein,  wir  sind  frei  geboren; 

Wir  kennen  keinen  Herrn  als  Pflicht  und  Vaterland, 

Als  Rath  und  Bürgerschaft,  als  Weisheit  imd  Verstand, 

Als  Recht  und  Billigkeit,  als  Redlichkeit  und  Treue. 

Wer  uns  die  Freiheit  raubt,  der  stirbt  mit  Furcht  und  Reue.«287 

Ausser  dieser  Tragödie  lässt  sich  mit  Gewissheit  nach  leider 
nur  stückweise  erhaltenen  Theaterzetteln  die  während  der  Herbst¬ 
messe  1736  und  in  der  Ostermesse  1737  erfolgte  Aufführung  folgen¬ 
der  Stücke  feststellen:  »Der  sterbende  Cato«  nach  den  Originalien 
des  Addison  und  Deschamps  von  Gottsched,  in  welcher  Tragödie 
Kohlhardt  die  Titelrolle  spielte ;  »Brutus«  von  V oltaire  und  »Britanni- 
cus«  von  Racine,  beide  Stücke  von  Stüven  übersetzt;  Racine’s  »Iphi¬ 
genie  in  Aulis«  von  Gottsched,  und  »Berenize«,  ein  dramatisches  Werk 
desselben  Poeten,  von  Pantke  in’s  Deutsche  übertragen.  Ferner  »Die 
Horatier«  von  dem  Verfasser  des  »Timoleon«,  »Regulus«  von  Pradon 
und  »Alexander«  von  Bressand.  An  Komödien  kamen  —  so  weit 
es  sich  nachweisen  lässt  —  während  der  gleichen  Zeit  zur1  Darstel¬ 
lung:  »Die  verliebte  Verwandlung«  und  »Der  Läufer«  von  Le  Grand, 
»Der  Zerstreute«  und  »Die  unverhoffte  Wiederkunft«  von  Regnard, 
»Der  Geizige«  von  Moliere,  »Der  verheirathete  Philosoph,  der  sich 
des  Ehestandes  schämt«  von  Destouches,  »Die  beiderseitige  Unbestän¬ 
digkeit«  von  Marivaux,  »Die  Herbstfreude«  von  Carolina  Friederica 
Neuberin  und  »Der  sich  selbst  betrauernde  Ehemann«. 

Bei  der  Unvollständigkeit  jener  Theaterzettel  lassen  sich  die 
lustigen  Nachspiele  nicht  angeben,  welche  auf  der  Neuber’schen 
Schaubühne  auch  in  Frankfurt  den  Tragödien  und  Komödien  folgten. 
Da  aber  die  Namen  der  hier  aufgeführten  Stücke  in  dem  Hambur¬ 
ger  und  Lübecker  Repertoire  der  Neuberin  von  1735  und  1736 
ebenfalls  enthalten  sind,288  so  dürfte  kaum  ein  Zweifel  darüber  ob¬ 
walten  können,  dass  auch  in  Frankfurt  die  beliebten  Nachspiele: 


165 


»Harlekin,  die  lebendige  Uhr  und  verstellte  Mumie«,  »Die  vier  ver¬ 
liebten  Geister«,  »Das  bärtige  Frauenzimmer«,  »Alte  Jungfern  jung 
zu  machen«,  »Harlekin  der  Schuhflicker  ein  Advokat«  und  »der  Mann 
mit  zwei  Köpfen«  in  dem  Neuber’schen  Theater  auf  dem  Liebfrauen¬ 
berge  zur  Darstellung  gekommen  sind. 

Wie  in  Hamburg,  so  wurden  auch  hier  von  der  Neuberin,  um 
das  Verständniss  der  Zuschauer  zu  erleichtern ,  bei  besonders  wich¬ 
tigen  Vorstellungen  neben  den  Theaterzetteln  noch  kleine  Heftchen 
in  Quartform  ausgegeben,  die  auf  der  ersten  Seite  die  Widmung, 
auf  den  folgenden  eine  poetische  Anrede,  dann  den  Titel  und  die 
Personen  des  Stückes  und  eine  beigefügte  Erläuterung  desselben, 
»Kurzer  Vorbericht«  genannt,  enthielten.  Von  allen  diesen  Heftchen 
Hessen  sich  nur  zwei  ausfindig  machen,  deren  Abdrücke  diesem  Buche 
als  Beilage  Nr.  II  und  Nr.  III  zugegeben  sind.  Das  Erstere  der¬ 
selben,  welches  vor  der  sogenannten  Magistratskomödie  allen  Mit- 
ghedern  des  Raths  zugeschickt  wurde,  enthält  einen  Prolog,  der  mit 
Ausnahme  einiger  abgeänderten  Stellen  und  der  Verwandlung  des 
Namens  Hamburg  in  Frankfurt  mit  der  poetischen  Anrede  an  die 
Väter  der  nordischen  freien  Reichsstadt  in  der  dortigen  Magistrats¬ 
komödie  vom  28.  November  1735  vollständig  übereinstimmt. 

Das  von  der  Neuberin  verfasste  Vorspiel  »Die  Herbstfreude«  ist 
aber  nicht  zu  verwechseln  mit  ihrem  nach  Calderons  »das  Leben  ein 
Traum«  bearbeiteten  Schäferspiel  gleichen  Namens.  (Enthalten  in  der 
Wiener  Schaubühne  fünfter  Tlieil.)  Die  Handlung  ist  zwar  in  dem 
genannten  Schäferspiel  sehr  dürftig,  allein  der  Alexandrinervers 
ist  mit  weit  mehr  Glück  behandelt  als  in  vielen  Dramen  aus  jener 
Zeit.  Gottsched  urtheilte  über  dieses  Stück  sehr  günstig,  auch  Lessing 
ging  später  nicht  gerade  mit  Geringschätzung  darüber  hinweg.  »Alle 
Schauspiele«,  sagt  er  von  den  dramatischen  Arbeiten  der  Neuberin, 
»sind  voller  Verkleidung,  voller  Festivitäten,  wunderbar  und  schim¬ 
mernd.  VieHeicht  zwar  kannte  sie  ihre  Herrn  Leipziger  und  das 
war  vielleicht  eine  List  von  ihr,  was  ich  für  Schwachheit  halte«. 

Durch  die  genaue  Schilderung  der  Scenerie  und  kurze  Inhalts¬ 
andeutung  des  in  Frankfurt  aufgeführten  Schäferspiels  gewinnt  man 
einigermassen  Einbhck  in  dieses  sicher  mit  allem  für  die  damalige 
Zeit  denkbaren  Prunke  ausgestattete  Stück. 

Derartige  allegorische  Darstellungen,  die  man  gewissermassen 
mit  den  Widmungsblättern  bedeutender  damals  erscheinender  Schrift¬ 
werke  vergleichen  könnte,  waren  beim  Publikum  sehr  behebt.  Wie 
der  Maler  in  einem  solchen  Widmungsblatt  seine  Kunst  in  der  figür¬ 
lichen  Darstellung  abstrakter  Begriffe  zeigen  konnte,  so  gab  eine 
allegorische  Vorstellung  dem  Principal  einer  Wandertruppe  Gelegenheit, 
nicht  nur  die  sogenannte  höhere  Repräsentationsart  seines  Personals 
zur  Geltung  zu  bringen,  sondern  auch  seinen  Geschmack  in  der  An- 


166 


Ordnung  der  Scenerie  und  der  sonstigen  dekorativen  Ausstattung  zu 
bekunden. 

Die  Neuberin  eröffnete  in  der  Herbstmesse  1736,  in  der  Oster¬ 
messe  1737  und  auch  bei  ihrem  späteren  Aufenthalt  in  Frankfurt 
regelmässig  ihre  Schaubühne  mit  einem  derartigen  allegorischen  Vor¬ 
spiel.  In  dem  zweiten  Heftchen  (Beilage  Nr.  III)  wird  die  Auffüh¬ 
rung  eines  solchen  »Die  Umstände  der  Schauspielkunst  in  allen  vier 
Jahreszeiten«  angekündigt.  Dieses  Stückchen,  das  gleichfalls  von  der 
Neuberin  verfasst  war,  kam  sicherlich  später  in  Hamburg  mit  kleinen 
Veränderungen  unter  dem  Titel  »Die  Verbindung  der  vier  Jahres¬ 
zeiten«289  zur  Darstellung.  Auch  hier  trat  die  Hochachtung,  in 
welche  sich  die  Ergebenheit  der  Neuber’schen  Bande  gegenüber  dem 
Katli  Frankfurts  einkleidete,  als  eine  jugendliche  Schäferin  und  Mer- 
curius  als  ein  schöner  Jüngling  auf,  von  dem,  —  eine  feine  Anspie¬ 
lung  auf  die  Bedeutung  Frankfurts  als  Handelsstadt  —  das  Schicksal 
der  ernsten  Göttin  Melpomene  vielfach  abhing.  Den  Schutz,  welchen 
ihr  der  Frühling,  ein  junger  Gärtner,  der  Sommer  und  der  Herbst, 
zwei  Schäfer,  und  der  Winter,  ein  alter  selbst  hülfsbedürftiger  Mann, 
nicht  immer  angedeihen  lassen  können,  den  gewährt  ihr  in  allen  vier 
Jahreszeiten  der  Bote  der  Himmlischen  und  Gott  des  Handels.  In 
unserem  Abdruck  der  besprochenen  Heftchen  ist  die  Rollenbesetzung 
der  Stücke  »die  Horatier,  Britannicus  und  der  Lauffer«  angefügt,  wie 
sie  sich  mit  einiger  Sicherheit  nach  dem  damaligen  Personalbestand 
der  Neuber’schen  Bühne  in  Frankfurt  feststellen  lassen  dürfte. 

Bei  der  Besprechung  der  Erklärungshefte  darf  nicht  ausser  Acht 
gelassen  werden,  dass  die  Beschreibung  der  Scenerie  in  dem  Vor¬ 
spiel  »die  Herbst-Freude«  ganz  entschieden  auf  die  durch  die  Oper 
in  Gebrauch  gekommene  Eintheilung  der  Bühne  in  einen  äusseren 
und  inneren  Schauplatz  hindeutet.  Der  Satz :  »Es  öffnet  sich  die 
hintere  Wand  in  der  Hütte,  allwo  man  im  Prospekte  auf  beiden 
Seiten  Weingärten,  in  der  Mitten  aber  den  Tempel  der  Vernunft  siehet, 
welcher  durch  eine  Sonne  beleuchtet  wird«,  lässt  keinen  Zweifel  hie¬ 
ran  aufkommen.  Die  Bemerkung,  dass  über  dem  Theater  zwei 
fliegende  Kinder  schweben,  die  das  Frankfurter  Wappen  halten,  weist 
auf  die  auch  bei  der  Neuber’schen  Bühne  gebräuchliche  Anwendung 
eines  sogenannten  Flugwerks  hin,  Avelches  die  schwebenden  Kinder 
jedenfalls  stützte.  Dieses  in  den  allegorischen  Stücken  die  Verbin¬ 
dung  zwischen  Himmel  und  Erde  vermittelnde  Flugwerk  wurde  von 
der  Neuberin  in  einer  Supplikation  an  den  Rath  »eine  excellente 
Götter-Maehina«  genannt. 

Welchen  Fortschritt  die  Dekorationen  und  sonstigen  Auszie¬ 
rungen  des  Theaters  durch  den  Einfluss  der  Oper  selbst  bei  Wander¬ 
bühnen  gemacht  hatten,  geht  ebenfalls  aus  der  Erklärung  zur  Herbst¬ 
freude  hinreichend  hervor.  Im  Anschluss  hieran  sei  auch  noch  er¬ 
wähnt,  dass  die  Neuberin  dem  Kostüm  eine  viel  grössere  Sorgfalt 


167 


widmete  als  ihre  Vorgänger  und  zeitgenössischen  Collegen.  Sie  schied 
den  übermässigen  Flitterkram,  die  geschmacklose  Ueberladung  mit 
allerlei  goldpapierenen  Verzierungen  aus,  sie  schaffte  manche,  die  Tracht 
eines  Volkes  entstellende  Zuthat  ah,  z.  B.  die  der  Antike  nachge¬ 
bildeten  nicht  unkleidsamen  Perlendiademe  bei  den  Türkinnen,  aber  sie 
hielt  an  den  drei  Klassen  der  römischen,  türkischen  und  modernen 
Tracht  unerschütterlich  fest  und  rüttelte  auch  nicht  an  der  konven¬ 
tionellen,  schon  früher  geschilderten  Anwendung  der  Perücke,  der 
Sammethosen  und  Schnallenschuhe  bei  den  Männern,  des  Bcifrocks 
und  der  gepuderten  Frisur  hei  den  Frauen. 

Nach  den  sonstigen  Bestrebungen  der  Neuberin,  über  die  selbst 
ein  Lessing  den  Ausspruch  that,  dass  sie  »eine  vollkommene  Kennt- 
niss  ihrer  Kunst  besässe«,  würde  ein  derartiges  Verharren  bei  solchen 
Verstössen  ganz  imbegreitlich  erscheinen,  wenn  man  nicht  in  Be¬ 
tracht  ziehen  müsste,  dass  damals  die  Kleidertrachten  anderer  Zeiten 
und  Völker  noch  lange  nicht  so  bekannt  waren  wie  heut  zu  Tage, 
und  die  der  Neuberin  zu  Gebote  stehenden  Geldmittel  im  Verhältniss 
viel  zu  gering,  um  eine  vollständige  Umgestaltung  auf  dem  Gebiet  des 
Kostüms  unternehmen  zu  können. 

So  kam  es,  dass  trotz  aller,  die  Kostümtreue  betreffenden  un¬ 
ermüdlichen  Ermahnungen  ihres  damaligen  Gönners  Gottsched,  die 
griechischen  und  römischen  Helden,  —  z.  B.  Timoleon,  Horatius  und 
Britannicus  mit  Perücke  und  Zwickelstrümpfen  erschienen,  und  die 
Frauengestalten  der  alten  Sage  und  Geschichte:  Jphigenia,  Camilla, 
Clelia,  Agrippina,  Junia  und  Berenize  in  vom  Beifrock  aufgebauschtem 
Kleide,  mit  wehendem  Spitzentaschentuch  und  hochgepuderter  Frisur 
über  die  Neubersche  Schaubühne  auf  dem  Liebfrauenberge  dahin¬ 
schwebten.  Diesem  Theaterkostüme  entsprach  denn  auch  die  outrirte 
Spielweise.  Der  gereimte  Alexandriner,  das  von  den  Franzosen  an¬ 
genommene  tonangebende  Versmass  der  Tragödie,  wurde  in  gesangs¬ 
artiger  Deklamation  und  mit  einem  Pathos  vorgetragen,  der  diese 
einer  freien  Behandlung  so  viele  Schwierigkeiten  bereitende  poetische 
Form  noch  weit  unnatürlicher  erscheinen  liess.  —  Die  plastischen 
Darstellungen  waren  ebenfalls  von  einem  gewissen  rythmischen  Gesetz 
abhängig.  Jeder  Schritt  musste  taktmässig,  alle  Bewegungen  sollten 
wellenförmig,  der  ganze  Anstand  musste  erhaben,  abgezirkelt  und 
von  einer  tänzerhaften  Grazie  unterstützt  sein.  Ein  recht  klares  Bild 
von  dieser  Spielweise  giebt  Schütze  in  seiner  Hamburger  Theater¬ 
geschichte290  bei  Gelegenheit  einer  Besprechung  von  Kochs  Spiel. 
Er  schreibt:  »Steif  gestikulirte  er  in  allen  ernsten  halb-tragischen 
und  tragischen  Rollen  und  sprach  sie  schlecht.  Er  konnte  damals 
z.  B.  seine  Hand  nicht  in  die  Westenöffnung  am  Busen  leiten,  ohne 
vorher  einen  Halbzirkel  zu  beschreiben,  und  mit  eben  der  steifen 
halbzirkelnden  Gestikulation  nahm  diese  Hand  erforderlichen  Falls 
ihren  Rückzug  in  die  Rocktasche.« 


168 


Dass  dieser  von  der  Neuberin  unter  Gottsched’scbem  Einfluss 
festgestellte  Styl  nichts  weniger  als  eine  musterhafte  Darstellungsweise 
genannt  werden  kann,  ist  selbstverständlich,  aber  nach  der  ausschwei¬ 
fenden  Willkür  und  marionettenhaften  Förmlichkeit  der  Manier  der 
Haupt-  und  Staatsaktionen  war  er  doch  eine  Vorstufe  zum  Besseren, 
ein  Uebergang,  welcher  manche  Keime  zur  weiteren  Vervollkomm¬ 
nung  der  Schauspielkunst  in  sich  trug.  Ebenso  wie  die  Spielart  sind 
auch  jene  mattherzigen ,  von  Gottsched  und  seinen  Schildknappen 
nach  französischen  Originalien  übersetzten  regelmässigen  Tragödien 
und  Komödien  und  auch  die  wenigen  nachgebildeten  dramatischen 
Dichterwerke  wie  »die  Horatier«  und  »Timoleon«  von  Behrmann,  »Ulysses 
von  Ithaka«  von  Ludwig  und  Elias  Schlegel’s  Tragödien  und  Komö¬ 
dien  aufzufassen,  denen,  wenn  man  jene  Epoche  überblickt,  nur  die 
Bestimmung  zugefallen  zu  sein  scheint,  unter  Gottsched’s  Beistand 
Bühne  und  Literatur  wieder  in  innige  Wechselbeziehungen  zu  ein¬ 
ander  zu  bringen  und  der  Darstellungskunst  eine  bessere  Nahrung  zu 
reichen,  wie  ihr  seither  ihre  eignen  Vertreter  in  improvisirten,  von 
der  augenblicklichen  Stimmung  abhängenden  Gedanken  dargeboten 
hatten. 

Das  durch  Gottsched  eingeführte  französische  Renaissancedrama 
verknöcherte  zwar  bald  zu  mattherzigem  geistlosem  Formalismus,  aber 
es  darf  dessenungeachtet  nicht  vergessen  werden,  dass  es  eine  Zeit 
gegeben  hat,  in  welcher  die  verwahrloste  darbende  Schauspielkunst 
gerade  in  diesen  regelmässigen  Uebersetzungen  und  Nachahmungen 
ihren  letzten  Rettungsanker  finden  durfte.  Gottsched  ist  wegen  der 
Einführung  der  dramatischen  Renaissancepoesie  oft  und  scharf  ge¬ 
tadelt  worden,  aber  in  einem  Augenblick  der  Noth  ist  »dies  Herüber¬ 
hohlen«  doch  wohl  eine  verdienstliche  That  gewesen.  Dem  deutschen 
Drama  neuen  Lebensgehalt  zu  geben,  die  erkünstelte  Idealität  wieder 
in  die  Schranken  der  Natur  zurückzuweisen,  stand  nicht  in  seiner 
Macht.  —  Einem  Lessing  war  es  Vorbehalten,  der  Retter  des  deut¬ 
schen  Dramas  zu  werden  und  die  grosse  Aufgabe  der  Versöhnung 
des  künstlerisch  Idealen  und  eigenartig  Volkstümlichen  glücklich 
durchzuführen. 


n. 

Von  der  Schilderung  der  Neuberschen  und  Gottsched'schen 
Kunstbestrebungen  kommen  wir  nun  auf  die  Vorstellungen  der  be¬ 
rühmten  Gesellschaft  in  Frankfurt  zurück.  Trotzdem  die  Haupt-  und 
Staatsaktionen  mit  dem  Harlekin  hier  stets  so  viele  dankbare  Zu¬ 
schauer  gefunden  hatten,  so  gelang  es  doch  der  Neuberin  viel  leichter 
als  in  Hamburg,  das  Publikum  für  das  französisch-klassische  Drama 
und  die  neue  Spielart  zu  gewinnen.  —  Der  Besuch  ihrer  »gereinigten 
Schaubühne«  war,  wie  sie  sich  selbst  in  einer  Eingabe  an  den  Rath 


169 


ausdrückt,  »bei  jeder  Action  so  stark ,  dass  es  eine  wahrhafte  Lust 
und  Freudigkeit  zu  agiren  war«.  Und  was  für  Frankfurts  Theater¬ 
geschichte  von  ganz  besonderer  Bedeutung  ist,  ihre  Vorstellungen 
wurden  znm  grössten  Theil  von  einem  Publikum  besucht,  das  wegen 
der  rohen  Zoten  des  Harlekin  bisher  das  Theater  nur  für  eine  Be- 
lustignngsanstalt  des  Pöbels  angesehen  hatte.  Es  geschah  seit  Vel- 
thens  Zeit  zum  ersten  Male  wieder,  dass  hochgebildete  und  selbst 
streng  kirchlich  gesinnte  Personen  ihr  freundliches  Interesse  dem 
Theater  zuwandten. 

»Was  noch  nie  hierorts  beschehen«,  schreibt  eine  der  höheren 
Gesellschaft  angehörige  Dame  an  ihren  in  Marburg  studirenden  Sohn, 
Ende  October  1736  »Alles  strömet  in  das  Theater  auf  dem  Lieb¬ 
frauenberge.  Man  erblicket  nicht  nur  die  fürnehmlichsten  sondern 
auch  Leuthe  da,  che  sonsten  nur  in  der  Kirchen  sitzen  und  oft  schon 
ein  gar  los  Maul  über  derartige  Kurzweil  hatten.  Das  macht  aber 
auch  die  Comödianten  werfen  sich  nicht  weg,  wie  ehemalen  zu  häufig 
geschehen,  sie  führen  allesambt  einen  stillen  ehrsamen  Wandel  und 
agiren  gar  ausnehmend  schön  und  mit  Respekt  und  Sitte.  —  Vor 
zottigten  Redensarten  braucht  man  keine  Angst  mehr  zu  empfindeD, 
der  Hans-Wurst,  kommt  in  der  ernsthaften  Actiou  meinst  gar  nicht 
vor,  erst  zuletzt  in  dem  Beschluss  und  dann  ist  er  sehr  manierlich 
und  ohne  Unfläterey.  Es  heisst  die  Comödianten  thäten  den  Britan¬ 
niens  noch  einmal  agiren,  wovon  ich  L.  schon  viel  schönes  schrieb, 
bis  dato  bist  Du  wills  Gott  zur  Taufen  hier  und  kannst  selbst  alles 
erschauen«. 

Diesem  Briefe  nach  zu  urtheilen,  der  ein  ebenso  ehrenhaftes 
Zeugniss  für  die  Führung  der  Neuber’schen  Bande  in  Frankfurt  wie 
das  Schreiben  des  Handelshauses  Poppe  und  Kroon  an  Benjamin 
Metzler  sei.  Söhne  für  ihr  Verhalten  und  ihre  Kunstthätigkeit  in 
Hamburg  ist,  muss  das  Schauspiel  »Britanniens«  am  9.  November 
1736  nicht  zum  erstenmal  aufgeführt  worden  sein.  Der  Umstand, 
dass  auf  einem  stückweise  erhaltenen  Theaterzettel  vor  dem  eben¬ 
genannten  Drama  ein  Vorspiel  angezeigt  ist,  in  dem  die  Weisheit, 
die  Demuth,  Apollo  und  ein  Tadler,  also  nicht  dieselben  Personen 
wie  in  dem  in  dem  Heftchen  angegebenen  Vorspiel  auftreten,  lässt 
keinen  Zweifel  mehr  an  jener  brieflichen  Mittheilung  aufkommen. 
Da  dies  Stück  nun  wegen  seiner  doppelten  Aufführung  für  die  thea¬ 
tralische  Wirksamkeit  der  Neuberin  in  Frankfurt  bedeutungsvoll  ge¬ 
worden  ist,  soll  ein  Auszug  aus  einer  Scene  und  eine  kurze  Inhalts¬ 
gabe  desselben  folgen,  welche  der  Uebersetzer,  Herr  von  Stüven, 
zum  besseren  Verständniss  des  Publikums  selbst  für  die  auf  den 
Zetteln  gedruckten  Vorberichte  der  Wandertruppen  verfasste. 

»Britanniens,  ein  Sohn  des  Kaisers  Claudius  und  der  Stiefbruder 
des  Nero,  hatte  ein  Liebesbündniss  mit  der  Junia  aufgerichtet,  welches 
auch  seine  Stiefmutter,  die  Agrippine,  für  genehm  gehalten.  Nero, 


170 


welchen  dieses  sehr  verdross,  dass  er,  als  Kaiser,  nicht  um  die  Ein¬ 
willigung  in  dieses  Bündniss  gefragt  worden,  Hess  die  Junia  gefangen 
setzen.  Als  er  sie  nun,  von  der  Wacht  begleitet,  daher  führen  sähe, 
wurde  er  selbst  in  heftiger  Liebe  gegen  sie  entzündet,  und  also  ein 
mächtiger  und  gefährlicher  Neben-Buhler  des  Britanniens;  zumal  da 
Nero  keine  Hoffnung  einiger  Gegen-Liebe  von  der  Junia  erhielte. 
Die  herrschsüchtige  Agrippine  nimmt  dieses  Verfahren  ihres  Sohnes  für 
eine  grosse  Beleidigung  auf,  und  giebt  ihren  Zorn  durch  harte  Droh¬ 
worte  zu  erkennen.  Narcissus  hingegen  stellet  sich  gegen  den  Britanni- 
cus,  als  wann  er  seine  Parthey  hielte;  giebt  aber  indessen  dem  Kaiser 
allerhand  ^boshafte  Anschläge;  dass  Burrhus  mit  seinen  klugen  Vor¬ 
stellungen  bey  ihm  so  wenig,  als  bey  der  Agrippine,  auszurichten 
vermögend  war.  Britannicus  wird  auch  sogar  auf  Befehl  des  Kaisers 
gefangen  gesetzt.  Zwar  hatte  Burrhus  durch  vieles  beweghehes  Bitten 
und  Zureden  den  Kaiser  schon  auf  bessere  Gedanken  gebracht,  dass 
er  das  der  Agrippine  in  einer  kurz  vorhin  gepflogenen  Unterredung 
gegebene  Wort,  sich  mit  dem  Britannicus  auf  das  neue  auszusöhnen, 
und  die  Junia  frey  zu  lassen,  zu  erfüllen  geneigt  war;  als  Narcissus 
ihn  auf  das  neue  anreizte,  den  Brudermord  auszuführen.  Welchem 
auch  Nero  endlich  folgte,  und  den  Britannicus  mit  einem  Giftbecher 
hinrichtete.  Als  Junia  dieses  kaum  erfahren  hatte,  eilete  sie  zu  dem 
Tempel  der  Göttin  Vesta,  in  der  jungfräulichen  Keuschheit  daselbst 
ihr  Leben  zu  beschüessen.  Narcissus  aber,  welcher  sie  mit  Gewalt 
davon  abhalten  wollte,  wurde  von  dem  Volke,  welches  die  Junia 
beschützet,  im  Gedränge  ermordet«.291 

Und  nun  denke  man  sich  Suppig  und  Steinbrecher,  die  jeden¬ 
falls  den  Nero  und  Narcissus  spielten  in  der  oben  geschilderten 
Manier  und  den  konventionellen  Kostümen  den  zweiten  Auftritt  im 
zweiten  Aufzug,  eine  der  besten  Steffen  im  ganzen  Stücke,  spielen. 
Narcissus  kommt  auf  Neros  Befehl  und  spricht  nach  einigen  auf  die 
vorige  Scene  bezüglichen  Versen: 

»Mein  Kaiser!  aber  wie?  was  kann  denn  so  ein  Schrecken 
Und  solche  Bangigkeit  in  Aug  und  Brust  erwecken? 

Was  macht  dich  so  betrübt?  Dein  ganz  entstellter  Blick, 

Sieht  mich  in  Furcht,  und  zeugt  von  einem  Ungelück. 

Doch,  lacht  das  Glück  dir  nicht,  du  hast  ihm  zu  befehlen. 

Nero. 

Narciss !  ich  bin  verliebt ;  dir  kann  ich’s  nicht  verhehlen. 

Narcissus. 

Mein  Kaiser  !  Du  ? 

Nero. 

Ja  wohl  !  Jetzt  ist  die  Stunde  da, 

Und  meine  Göttin  ist  die  schöne  Junia. 

Narcissus. 


Die  liebst  du? 


171 


Nero. 

Diese  Nacht,  von  Neubegier  getrieben, 

Bin  ich,  da  man  sie  bracht,  am  Fenster  stehen  blieben. 

Ich  sah  ihr  schönes  Aug,  das  sie  gen  Himmel  schlug, 

Und  Noth  und  Thränenvoll,  ihm  ihre  Quaal  vortrug. 

Wie  schöne  war  sie  nicht;  aus  Ruh  und  Schlaf  genommen, 
War  sie  ganz  ohne  Schmuck  der  Kleidung  hergekommen. 

Was  sag  ich,  weiss  ich  selbst,  ob  etwan  diese  Tracht, 

Die  Fackeln,  das  Geschrey,  die  Dunkelheit  der  Nacht, 

Der  Anblick  voller  Grimm,  der,  die  sie  zu  mir  brachten, 

Die  Augen  doppelt  schön,  und  doppelt  zärtlich,  machten? 

Das  weiss  ich,  wie  ich  sie  von  ungefähr  gesehn, 

Narciss!  da  war ’s  um  mich  und  um  mein  Herz  geschehn. 

Es  schien:  als  wiird’  ich  gar  Sprach  und  Gefühl  verlieren; 

Ich  stund  erstaunt,  und  liess  sie  in  ihr  Zimmer  führen, 

Und  ich  verschloss  mich  drauf  in  meinem  ganz  allein, 

Und  wollte  wieder  frey  von  diesem  Vorwurf  sevn. 

Umsonst,  sie  war  zu  fest  in  diese  Brust  gedrücket, 

Durch  ihre  Thränen  selbst  schien  ich  noch  mehr  entzücket; 

Ich  glaubt,  ich  bäte  sie,  sie  möchte  mir  verzeihn, 

Bald  bat  und  fleht  ich  nur,  bald  schien  ich  ihr  zu  dräun, 

Mich  flöhe  Ruh  und  Schlaf ;  von  ihr  ganz  eingenommen, 

Sah  mein  verliebtes  Aug  die  Morgenröthe  kommen. 

Doch  kommt  sie  mir  vielleicht  nur  so  vollkommen  für, 

Ist  sie  denn  würklich  schön  ?  was  meinest  du  von  dir  ? 

Narciss!  was  glaubest  du? 

Narciss  us. 

Mein  Herr!  du  wirst  vergönnen; 
Dass  du  sie  nie  gekannt,  wird  keiner  glauben  können.«292 

u.  s.  w. 

Mit  welchen  wellenförmigen  Armbewegungen  Nero  sein  Geständ¬ 
nis  begleitet,  mit  welch  lang  vibrirendem  Pathos  er  Junias  Quaal 
und  Thränen  geschildert  haben  mag,  deutet  die  Aeusserung  des 
Verfassers  einer  Abhandlung  »Ueber  die  deutsche  Schaubühne«  an,  der 
es  als  etwas  ungewöhnlich  Schönes  in  der  Deklamation  bezeichnete, 
dass  die  Acteurs  und  Actricen  der  Neuber’schen  Bande  die  besten 
Stellen  in  den  römischen  Tragödien  lang  dehnten  und  durch  eine 
schwunghafte  Bewegung  den  Vortrag  unterstützten.  Die  neue  Kunst¬ 
richtung  der  Neuberin  siegte  also  wenigstens  bei  den  Gebildeten 
Frankfurts  ohne  grosse  Schwierigkeiten  über  den  verderbten  theatra¬ 
lischen  Geschmack,  der  eine  Hauptaktion  ohne  Harlekin  seither  für 
unmöglich  gehalten  hatte. 

In  der  Herbstmesse  1736  und  in  der  Ostermesse  des  folgenden 
Jahres  machte  die  Neuberin  dem  Bedtirfniss  des  Publikums  nach 
einer  komischen  Zugabe  noch  in  sofern  Koncessionen ,  als  sie  dem 


regelmässigen  Hauptstück  eine  lustige  Nachkomödie  folgen  liess.  Aber 
der  in  derselben  auftretende  Harlekin  war,  wie  wir  bereits  aus  dem 
mitgetheilten  Briefe  wissen,  nicht  mehr  der  alte  unverschämte  Patron, 
dessen  zweideutige  Witze  und  schmutzige  Zoten  jedes  feinere  Gefühl 
verletzen  mussten.  Gegen  Melpomenens  Scepter  und  Dolch  konnte 
seine  Pritsche  auf  der  Neuber’schen  Bühne  nicht  viel  ausrichten,  er 
war  nur  eine  aus  Rücksicht  auf  die  Zuschauer  geduldete  Figur,  die 
man  sobald  als  möglich  aus  der  noblen  Gesellschaft  entfernte. 

Bei  ihrer  ersten  Wirksamkeit  gefiel  die  Neubersche  Bande 
derartig  in  Frankfurt,  dass  die  Principalin  den  Rath  noch  um  zwei 
Wochen  Verlängerung  ihrer  Spielzeit  bat,  was  ihr  auch  sofort  ge¬ 
währt,  wurde.  Der  nach  dem  Geldwerthe  jener  Zeit  ziemlich  hohe 
Eintrittspreis  zu  ihrem  Theater  ist  in  den  abgedruckten  Heftchen 
angegeben;  ihre  Abgabe  an  die  Stadt  steht  zu  demselben  in  ent¬ 
sprechendem  Verhältniss.  Die  Neuberin  zahlte  nämlich  für  die  Mess¬ 
zeit  150  tl.  und  für  zwei  Wochen  nach  derselben  60  tl. 

Entweder  am  16.  oder  17.  November  begab  sich  die  Principalin 
mit  ihrer  Bande  nach  Strassburg,  in  welcher  Stadt  ihr  das  auch  dort 
angesehene  Handelshaus  Benjamin  Metzler  Söhne  in  freundlichster 
Weise  viele  Verbindungen  angebahnt  hatte.293  Aus  einem  Briefe 
Johann  Neuber’s  an  Gottsched,294  geschrieben  in  Strassburg  den  24. 
Dezember  1736,  geht  hervor,  dass  seine  Truppe  an  diesem  Tage  vier 
Wochen  daselbst  gespielt  hatte,  welches  Datum  nach  Abrechnung 
der  Reisezeit  und  der  Aufrichtung  des  dortigen  Theaters  mit  der 
obigen  Angabe  ihres  Abzugs  von  Frankfurt  genau  übereinstimmen 
möchte. 

Die  Briefe  Gottsched’s  an  das  Neuber’sche  Ehepaar,  sowie  alle 
sonstigen  Zusendungen  wurden  demselben  durch  Benjamin  Metzler 
Söhne  in  Frankfurt  vermittelt.  Auch  in  dem  oben  erwähnten  Schreiben 
an  Gottsched  fügt  Neuber  hinzu,  dass  derselbe  die  für  ihn  und  seine 
Frau  bestimmten  Briefe  an  dieses  Handelshaus  zur  weiteren  Ueber- 
mittlung  senden  möge. 

Im  April  1737  kehrte  die  Neuberin  mit  ihrer  Truppe  wieder 
nach  Frankfurt  zurück.  Ob  sie  sich  in  der  Zwischenzeit  nur  in 
Strassburg  aufgehalten,  oder  ob  sie,  wie  eine  traditionelle  Mittheilung 
behauptet,  auch  einige  Wochen  in  Metz  gespielt  hat,  kann  hier  um 
so  weniger  entschieden  werden,  als  selbst  der  verdienstvolle  Biograph 
der  Neuberin,  Freiherr  Joh.  Fried,  v.  Reden-Esbeck  dieses  Aufent¬ 
haltes  mit  keinem  Worte  gedenkt. 

In  der  Ostermesse  1737  spielte  die  Neuber’sche  Gesellschaft 
nicht,  wie  vermuthet  worden,  zwei  sondern  ungeführ  vier  Wochen, 
beinah  bis  Ende  Mai  in  Frankfurt.  Die  Rechenbücher  der  Stadt,  in 
die  wieder  ihre  150  fl.  Standgeld  eingetragen  sind,  liefern  im  Verein 
mit  den  Rathsprotokollen  einen  untrüglichen  Beweis  dafür.295 

Das  Repertoire  der  Truppe  war  inzwischen  noch  um  zwei  neue 


173 


Stücke  bereichert  worden :  »Mitliridates«,  übersetzt  vom  Professor 
Witter  und  »Polyeuct«  übersetzt  von  Frau  Dr.  Link,  welche  beide 
in  Strassburg  lebten.  Jedenfalls  sind  diese  Werke  in  der  Ostermesse 
1737  auch  in  Frankfurt  aufgeführt  worden;  denn  die  Erwerbung 
eines  neuen  regelrechten  Stückes  war  für  die  Neuberin  von  zu 
grosser  Bedeutung,  als  dass  sie  nicht  bemüht  gewesen  sein  sollte, 
auch  das  hiesige  Publikum  bald  mit  denselben  bekannt  zu  machen. 

Die  Principalin  und  ihr  Gatte  befanden  sich  nämlich  in  Bezug 
auf  dramatische  Dichtungen  gerade  in  der  umgekehrten  Lage,  wie 

die  heutigen  Bühnenleiter,  die  sich  vor  dem  productiven  Geiste  un¬ 

serer  Zeit  kaum  zu  retten  vermögen.  Heutzutage  pflegt  man  in  den 
Intendanzen  der  Theater  nicht  ohne  Grund  mit  einem  gewissen 
Grauen  die  Packetpost  zu  erwarten,  welche  die  massenhaften  Kinder 
der  Muse  aus  allen  Himmelsgegenden  auf  die  heissersehnte  Wahl¬ 
statt  bringen  muss.  Damals  hingegen  öffnete  man  »jeden  beschwereten 
dicklichen  Brief  mit  fürnemblichem  Plaisir«  und  gab  sich  gerne  zu¬ 
frieden,  wenn  das  Stück  aufzugs-  oder  gar  auftrittsweise  von  dem 

Verfasser  oder  Uebersetzer  nach  und  nach  eingeschickt  wurde.  — 

Auch  in  dem  mehrfach  erwähnten  Briefe  an  Gottsched  findet  sich 
wieder  die  bezeichnende  Bitte:  »Ist  etwann  in  Leipzig  eine  übersetzte 
Tragödie  zu  haben,  so  bitte  sehr  darum«.  —  Ehe  die  Neuberin  in 
der  Ostermesse  1737  Frankfurt  verliess,  um  wieder  nach  Sachsen 
zurückzukehren,  wurde  ihr  auf  Ansuchen  schon  im  Voraus  die  Wie¬ 
dereröffnung  ihrer  Schaubühne  zur  Herbstmesse  gestattet.296  Aber 
sie  machte  von  dieser  Erlaubniss  keinen  Gebrauch;  denn  sie  spielte 
zu  jener  Zeit  in  Leipzig  und  verbannte  dort  im  Oktober  in  einer 
feierlich  theatralischen  Demonstration,  die  Lessing  »die  grösste  Har- 
lekinade«  genannt  hat,  den  buntscheckigen  Schalk  für  immer  von 
ihrer  Bühne. 

Als  sie  in  der  Herbstmesse  1737  ausgeblieben  war,  suchte  sich 
ein  anderer  Wanderpiincipal  Gerwaldi  von  Wallerotty,  auch:  Belle- 
rotti,  Bellerotty  und  Waldrodi  genannt,  Frankfurt  zu  einem  dauernden 
Anhaltspunkt  zu  erwählen.  Wallerotty,  der  damals  Principal  der  König!. 
Preussischen  Hofkomödianten  war,  berief  sich  auf  ein  Zeugniss  Sr. 
Majestät  des  Königs  von  Preussen  und  berichtete,  dass  er  mit  seiner 
»Suite  zu  Linz  sowohl  sinnreiche,  als  auch  moralische  und  wohl  com- 
ponirte  Extra-Comödien  und  Aktionen  mit  vortrefflichen  musikalischen 
Sängerinnen  und  Tänzerinnen«  aufgefühlt  habe.  Trotz  dieser  ver¬ 
lockenden  Anpreisung  seiner  Künste  und  der  weiteren  Versicherung, 
dass  die  Neuber’sche  Bande,  welche  in  der  vorigen  Herbstmesse  die 
ihr  im  Voraus  gewährte  Erlaubniss  unberücksichtigt  gelassen,  auch 
in  der  Ostermesse  nicht  hierherkommen  könne,  wurden  seine  Gesuche 
vom  Rathe  zweimal  abgewiesen.297 

Statt  dessen  nahm  der  Rath  merkwürdigerweise  den  Anti¬ 
poden  der  Neuberin,  den  als  »starken  Mann«  bekannten  Carl  von 


174 


Eckenberg  in  der  Ostermesse  1738  an,  der  wieder  seine  »Exercitia 
und  Uebriges«  in  einer  Bade  auf  dem  Liebfrauenberge  präsentiren 
wollte.298  Auf  demselben  Boden  also,  auf  welchem  die  Neuberin  eine 
neue  Kunstära  für  Frankfurt  eingeleitet  hatte,  wurden  jetzt  wieder 
unter  dem  grössten  Beifall  des  gewöhnlicheren  Publikums  »Prozedu¬ 
ren  tractiret«,  die  am  allerletzten  den  Titel  Komödien  verdient  hatten. 

Auch  in  der  Herbstmesse  1738  gab  der  »starke  Mann«  auf 
dem  vorigen  Schauplatz  wieder  seine  mannichfaltigen  Künste  zum 
Besten.  Er  wusste  sich  bei  Zeiten  die  Zulassung  zu  verschaffen, 
indem  er  am  10.  Juni  in  einem  Mitleid  erregenden  Schreiben  den 
Rath  von  dem  schweren  Schicksal  unterrichtete,  welches  ihn  gleich 
nach  Schluss  der  vorigen  Messe  betroffen  habe.  Nachdem  er  den 
Rathsherren  für  die  letzte  gütige  Erlaubniss  gedankt,  fährt  Ecken¬ 
berg  fort :  »Gleich  wie  ich  nun  eben  selbiger  Zeit  die  betrübnissvolle 
Nachricht  erhalten,  wie  zu  Faischendorf,  eine  Stunde  von  Wien, 
meine  ganze  Meyerei  mit  Hauss,  Scheuer,  Stallung,  Früchten  und 
allem  dergestallt  abgebrannt,  dass  mir  nur  ein  einziges  auf  der  Weydte 
gewesenes  Pferd  übrig  geblieben,  solcherlialben  auch  der  dermahlen 
liier  gewesene  Kayserliche  Gesandte,  Herr  Graf  von  Colloredo,  Ex- 
cellenz,  mich  als  einen  ohnehin  Kavserlichen  unterthan  auf’s  kräftigste 
für  die  Herbstmesse  recomandiret.«  Dann  berief  sich  Eckenberg  auf 
seine  und  seiner  Bande  tadellose  Führung  (die  hauptsächlich  in  der 
pünktlichen  Entrichtung  des  Standgeldes  sich  äusserte),  theilte  mit, 
dass  er  jetzt  in  Mainz  sei,  Cöln  und  Mannheim  bis  zur  Herbstmesse 
besuchen  wolle  und  auf  Verlangen  noch  eine  zweite  Rekommanda- 
tion  von  Colloredo  einbringen  könne.  »Auch  der  Serieuseste«,  schliesst. 
Eckenberg  kühn,  »kann  über  meine  sinnreichen,  mit  erlaubten  Scherz- 
Reden  (?)  untermischte  künstliche  und  sehenswürdige  Repräsentation 
nichts  sagen.«299 

Auf  dieses  Schreiben  und  eine  nochmalige  Fürsprache  des 
Grafen  Colloredo  erhielt  denn  der  »starke  Mann«  auch  sofort  einen 
zusagenden  Bescheid.300 

Am  2.  October  1738  gab  der  vielseitige  Künstler  zu  Ehren 
des  Rathes  die  Haupt-  und  Staatsaktion  Aemilius  Paulus  Papinianus, 
vor  welcher  er  an  alle  Mitglieder  des  Senates  ebensolche  Quartheft¬ 
chen  wie  ehedem  die  Neuberin  sandte.  Neben  der  ausführlichen 
Angabe  des  Stückes  enthielten  dieselben  auch  den  Text  eines  drama¬ 
tisch-musikalischen  Prologes.  Eines  jener  Exemplare  liegt  uns  vor, 
und  fügen  wir  diesem  Buche  unter  Beilage  IV  hauptsächlich  darum 
einen  Abdruck  desselben  an,  weil  dadurch  der  Unterschied  zwischen 
den  Vorstellungen  Eckenberg’s  und  denen  der  Neuberin  desto  schärfer 
gekennzeichnet  wird. 

Als  im  folgenden  Jahre  die  Neuberin  wieder  nicht  nach  Frank¬ 
furt  kam  und  auch  Ecken  berg  ausblieb,  wusste  sich  Wallerotty  nach 
mehreren  vergeblichen  Versuchen  durch  eine  Empfehlung  des  theater- 


175 


liebenden  Gesandten  Grafen  von  Colloredo  endlich  die  Zulassung'  zu 
verschaffen.301  Er  spielte  in  einer  Hütte  auf  dem  Rossmarkt,  hatte 
aber  —  nach  seiner  Ansicht,  weil  dieselbe  sehr  abgelegen  war,  — 
nicht  den  gewünschten  Erfolg.  Gegen  das  Ende  der  Messe  muss  er 
mehr  Zuspruch  bekommen  haben,  denn  er  petitionirte  am  24.  Sep¬ 
tember  um  vierzehntägige  Verlängerung  der  Spiel erlaubniss  und  gab 
dabei  ausdrücklich  zu  bedenken,  dass  eine  Versagung  dieser  Bitte 
seinen  Ruin  herbeiführen  würde.  Wallerotty  zahlte  nur  57  fl. 
Standgeld  für  die  Messzeit  und  ein  solches  von  20  fl.  für  die  ge¬ 
währte  Verlängerung,  aus  welchen  Ziffern  sich  besser  als  aus  man¬ 
chen  andern  Thatsachen  schliessen  lässt,  dass  er  mit  der  Neuberin, 
die  mehr  als  das  Doppelte  für  die  gleiche  Zeit  hatte  entrichten  müs¬ 
sen,  nicht  auf  eine  Stufe  gestellt  wurde. 

Wallerotty,  dessen  mit  Gesang  und  Ballet  ausgestattete  Haupt- 
und  Staatsaktionen  in  der  Folge  den  Eindruck  fast  gänzlich  wieder 
verwischen  sollten,  den  die  gereinigte  Schaubühne  der  Neuberin  bei 
einem  grossen  Theil  des  Publikums  zurückgelassen  hatte:  Wallerotty 
konnte  auch  in  keiner  Weise  mit  der  aufopferungsfähigen  Reforma¬ 
torin  der  deutschen  Schauspielkunst  einen  Vergleich  aushalten.  Er 
huldigte  des  Verdienens  halber  dem  Geschmack  des  niedrigsten 
Pöbels,  führte  die  tolle  Stegreif  burleske  wieder  ein  und  liess  den 
Harlekin  und  seine  meist  sehr  schamlose  Genossin  Colombine  oder 
Harlekin  a  mit  der  alten  Dreistigkeit  auftreten. 

Die  von  diesem  Aufenthalte  Wallerotty ’s  erhaltenen  Theater¬ 
zettel  sind  solche  zerfetzten  Fragmente,  dass  sich  der  Titel  der  Stücke 
nicht  ganz  sicher  bestimmen  lässt.  Da  nun  Wallerotty  diesen  Kunst¬ 
standpunkt  nicht  änderte  und  von  seinem  Aufenthalt  in  den  Jahren 
1741  und  1742  ein  fast  vollständiges  Repertoire  erhalten  ist,  so  mag 
hier  eine  Wiedergabe  jener  Fragmente  unterbleiben  und  statt  dessen 
der  gelindeste  Vers  aus  einer  Arie  in  der  etwas  modernisirten  alten 
Hans-Wurst-Komödie  »Die  durchleichtige  Schäferin«  folgen,  die  der 
Wallerotty’sche  Harlekin  jedenfalls  nur  mit  etwas  mehr  Geschmeidig¬ 
keit  als  die  noch  nicht  in  der  italienischen  Schule  gewesenen  früheren 
Lustigmacher  vorgetragen  haben  mag. 

Harlekin  zur  Colombine. 

Sag’,  alte  Runkunkel,  was  fallt  dir  doch  ein, 

Als  sollte  mein  Herze  verliebt  in  dich  sein  ? 

Zwei  Augen,  als  wie  ein  Stroh-Wäschel  so  schön, 

Eine  tröpfelnde  Nasen,  Mist-krampene  Zähn, 

Pfui  Deixel,  die  machen  a  Grausen  bey  mir. 

Pasquelle,  Pasquelle! 

Du  alte  Schabelle, 

Geh  pack  dich  von  hier!302 

Derartige  unästhetische  und  anstössige  Einlagen  im  Verein  mit 
den  wieder  emporkommenden  regellosen  Haupt-  und  Staatsaktionen 


176 


und  wilden  Stegreifkomödien  waren  die  Schatten,  welche  das  edlere 
Kunststreben  der  Neuberin  in  Frankfurt  wieder  verdunkelten  und  in 
der  Folge  hier,  gleich  finstern  Wolken,  den  hellen  Schein  des  herein- 
gebrochenen  Morgens  wieder  mit  trüben  Schleiern  umhüllten.  Es 
folgte  nach  kurzer  Unterbrechung  ein  neuer  Abschnitt  in  der  Frank¬ 
furter  Theatergeschichte,  worin,  um  mit  Schiller  zu  reden,  die  Phan¬ 
tasie  ihr  wildes  Reich  entfaltete  und  in  dem  heiligen  Bezirk  der 
Scene  das  Niedrigste  mit  dem  Höchsten  vermengte.  Dabei  blieb 
der  Kern  der  damaligen  Aufführungen  zwar  gut  deutsch,  aber  wie 
gross  war  im  Vergleich  zu  dieser  nationalen  Treue  die  That  der 
Neuberin,  die  im  Hinblick  auf  ein  hohes  Ziel:  »die  Reinigung  der 
oft  entweihten  Scene«  —  den  Franken  sich  als  einen  Führer  zum 
Bessern  auserkor. 


Frankfurter  Bühnenleben  während  der  Krönung 
Karl’s  VII.  1742  und  Franz  I.  1745. 

i. 

»Die  Schauspielkunst  hat  eine  vielgestaltige  Proteusnatur,  Licht 
und  Schatten  liegen  in  ihr  dicht  neben  einander.«  Dieser  Ausspruch, 
welchen  man  dem  geistreichen  und  witzigen  Vorkämpfer  für  religiöse 
Gedankenfreiheit,  Charles  de  Saint-Denis,  Seigneur  de  Saint-Evremont, 
zuschreibt,  findet  in  der  Entwicklungsgeschichte  des  Frankfurter 
Theaters  vielfache  Bestätigung. 

Besonders  ist  dies  in  den  dreissiger  und  vierziger  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts  der  Fall,  in  welchen  einestheils  durch  die 
Neuberin,  anderntheils  durch  Wallerotty  Kunstrichtungen  Vertretung 
fanden,  welche  wie  zwei  feindselige  Elemente  von  einander  ver¬ 
schieden  waren. 

Das  Jahr  1742  erscheint  beim  Ueberblicken  jenes  Zeitraums 
wie  eine  kurze  Erholungspause  für  die  nun  kommenden  mannig¬ 
fachen  theatralischen  Genüsse,  welche  während  der  Wahl  und  Krönung 
Karl’s  VIT.  nicht  allein  auf  den  bretternen  Schaubühnen  Frankfurts, 
sondern  auch  —  um  mit  von  Loen  zu  reden  —  auf  dem  ebenso  beweg¬ 
lichen  Theatro  muudi  dargeboten  werden  sollten. 

Kaum  war  Kaiser  Karl  VI.  zur  Ruhe  bestattet,  kaum  der  Ter¬ 
min  der  Wahl  und  Krönung  seines  Nachfolgers  festgesetzt,  als  sich 
auch  Wallerotty  schon  Mitte  Januar  1741  die  Zulassung  für  die  Zeit 
der  Feierlichkeiten  durch  wichtige  Fürsprache  zu  verschaffen  wusste.303 
Aber  er  sollte  nicht  allein  Berücksichtigung  finden.  Ende  Januar 
meldete  sich  auch  der  berühmte  französische  Wanderprincipal  Jean 
Baptiste  Gherardi,  der  seither  in  der  Schweiz,  im  Eisass  und  in 
Lothringen  herumgereist  war  und  die  besten  Zeugnisse  vom  Mar¬ 
schall  von  Broglio  in  Strassburg  und  dem  einflussreichen  königlichen 
Rath  Hanns  in  Nancy  verlegen  konnte.304  Das  Bittgesuch  Gherardi’s 
enthält  einen  Satz,  dessen  Inhalt  für  die  Geschmacksrichtung  der 
damaligen  vornehmen  Welt :  französische  Sprache,  Sitte  und  Kunst 
deutscher  Art  und  deutschem  Streben  in  jeder  Weise  vorzuziehen, 
äusserst  bezeichnend  ist. 


12 


178 


»Und  dann  ich  zwar  äusserlich  vernommen«,  schreibt  Gherardi, 
»dass  ein  Trupp  teutscher  Komödianten  die  Erlaubnis  zum  Spielen 
wirklich  erhalten,  einestheils  jedoch  manche  Personen  lieber  franzö¬ 
sisch  als  teutsche  Comödien  sehen  und  hören,  anderntheils  nicht 
wenige,  sonderlich  von  denen  so  mit  der  ansehnlich  Königlich  fran¬ 
zösischen  und  anderen  fremden  Gesandschaften  anhero  kommen,  die 
teutsche  Sprache  gar  nicht  verstehen.« 

Diese  Gründe  und  die  beigelegten  Zeugnisse  verschafften  der 
fünfzig  Mitglieder  zählenden  Compagnie  des  Gherardi  sofort  Eingang. 
War  dem  Wallerotty  der  Platz  auf  der  grossen  Bockenheimer  Gasse 
vor  der  heutigen  Gastwirthschaft  zum  Taunus,  die  sogenannte  Säu- 
Allee,  angewiesen  worden,  so  erhielt  Gherardi  die  Erlaubniss,  seine 
Hütte  im  »Langen  Gang«  an  der  Judenmauer,  wo  bei  der  Krönung 
Karl’s  VI.  die  Velthin  gespielt  hatte,  aufzurichten.  Kaum  aber  wurde 
mit  der  Erbauung  der  Hütte  auf  dem  Grund  und  Boden  des  Gast- 
wirths  Engel  zum  »Römischen  König«,  heute  »Goldene  Luft«,  be¬ 
gonnen,  als,  wie  einst  bei  der  Wittwe  des  berühmten  Magisters,  mit 
der  etwaige  Eeuersgefahr  befürchtenden  Nachbarschaft  die  grössten 
Streitigkeiten  entstanden. 

Besonders  waren  es  die  Juden,  welche  in  der  Erinnerung  an 
die  schreckliche  Eeuersbruust  im  Jahre  1721  alles  aufboten,  um  die 
Errichtung  der  französischen  Komödienhütte  im  Langen  Gang  zu 
verhindern.  Ja,  es  blieb  bei  den  Supplikationen  an  den  Rath,  bei 
den  gegenseitigen  Reibereien  und  Drohungen  nicht  allein,  es  kam 
auch  zu  handgreiflichen  Auseinandersetzungen,  bei  denen  die  Juden 
im  Kampfe  mit  den  Bauarbeitern  den  Kürzeren  zogen. 

Nach  diesen  Thätlichkeiten  verbot  dann  der  Rath  am  2.  Mai 
1741  den  Weiterbau  der  Hütte  und  ertheilte  zugleich  dem  Bauamt 
den  Bescheid,  den  französischen  Komödianten  einen  anderen  Platz 
anzuweisen.  Diese  müssen  aber  nach  den  langen  amtlichen  Ver¬ 
handlungen  endlich  versucht  haben,  die  gesammte  Judenschaft  auf 
gütlichem  Wege  für  sich  zu  gewinnen.  Am  16.  Mai  1741  kamen 
nämlich  die  Principale  der  Compagnie  Gherardi  und  Seriny  um 
Aufhebung  des  Bauverbotes  ein  und  theilten  zugleich  mit,  dass 
nunmehr  die  Vertreter  der  gesammte n  Judenschaft,  der  Handelsmann 
Beer  Löb  und  der  Handelsmann  Isaac  Goldschmid,  sich  unter  folgen¬ 
den  Bedingungen  mit  der  Fortführung  des  Baues  einverstanden  er¬ 
klärt  hätten : 

»1)  Dass,  sobald  die  Komödie  anginge,  zwei  Soldaten  beständig 
um  selbige  herum  patrouillirten,  dass  von  aussen  nichts  geschehen 
könnte,  und  sodann  die  ganze  Nacht  hindurch  damit  fleissig  con- 
tinuirten,  zwei  andere  hingegen  inwendig  die  Nacht  durch  in  selbi¬ 
ger  blieben  und  wacheten. 

2)  Wenn  des  dasigen  Quartiers  Erbieten  gemäss,  eine  oder 
zwo  tägliche  Spritzen  in  den  Hof  gestehet  würden,  und  endlich  wenn 


179 


3)  die  conditio  mit  einverleibt  würde,  dass  solches  ihrer  errichte¬ 
ten  Convention  mit  denen  Possessoribus  des  Langen  Gangs  (worunter 
Gastwirth  Engel)  nicht  prajudicrrlich  seye,  auch  nachhero  die  Hütte, 
wenn  man  sie  nicht  mehr  brauche,  gleich  wieder  weggenomuien  wer¬ 
den  sollte.«305 

Unter  dem  ausdrücklichen  Vorbehalt  der  Erfüllung  obiger  Be¬ 
dingungen  wurde  dann  das  Verbot  aufgehoben,  welcher  Umstand 
den  Wirtk  Engel  seines  voraussichtlichen  Gewinnes  wegen  derartig 
beglückte,  dass  er  ein  »höchst  freudevolles  Dankschreiben«  an  den 
Rath  richtete.306 

Nach  so  viel  Misshelligkeiten  und  der  Ueberwindung  verschie¬ 
dener  Hindernisse  konnten  dann  endlich  < lie  französischen  Komö¬ 
dianten  bei  Vollendung  der  grossen  Hütte  am  13.  Juni  den  Rath  um 
die  Erlaubniss  angehen,  ihre  Schaubühne  am  Samstag  den  17.  Juni 
eröffnen  zu  dürfen. 

Es  wurde  ihnen  auf  diese  Bitte  sofort  ein  zusagender  Bescheid, 
aber  mit  der  Einschränkung  zu  Tlieil,  dass  sie  sich  nicht  unterstehen 
sollten,  an  einem  Sonn-  oder  Feiertage  zu  agiren.  Dieses  Verbot 
wurde  jedoch  alsbald  wieder  aufgehoben.  An  dem  festgesetzten  Da¬ 
tum  fand  denn  auch  unter  Betheiligung  vieler  hoher  Herrschaften 
und  eines  sonstigen  zahlreichen  Publikums  die  Eröffnung  der  fran¬ 
zösischen  Schaubühne  mit  Corneille’s  Trauerspiel  »Le  c.omte  d’Essex« 
und  einem  nachfolgenden  Lustspiel,  genannt  »Le  Galant  Coureur«,  mit 
dem  Schlage  5  Uhr  Nachmittags  statt. 

War  bei  fast  allen  seither  in  Frankfurt  aufgetretenen  Wander¬ 
truppen  über  den  grossen  Mangel  an  erhaltenen  Theaterzetteln  zu 
klagen,  so  sind  wir  diesmal  in  der  erfreulichen  Lage,  ein  fast  voll¬ 
ständiges  Repertoire  der  französischen  und  deutschen  Komödianten 
vom  24.  April  resp.  16.  Juni  1741  bis  zum  18.  bezw.  25.  Mai  des 
folgenden  Jahres  in  Beilage  V  und  VI  geben  zu  können.  Ein  Frank¬ 
furter  Bühnenliebhaber  aus  den  höheren  Ständen,  der  sowohl  die 
Vorstellungen  Wallerotty’s  als  auch  die  der  französischen  Principale 
Gherardi  und  Seriny  eifrig  besuchte,  hob  mit  Ausnahme  von  wenigen 
sämmtliche  Zettel  und  noch  manche  andere  in  Bezug  auf  das 
Theaterleben  während  der  Wahl-  und  Krönungszeit  Karl’s  VII. 
wichtige  Ankündigungen  auf. 

Der  Gebrauch,  welcher  sowohl  bei  den  deutschen  wie  französi¬ 
schen  Komödianten  üblich  war,  auf  jeden  Theaterzettel  die  Ein¬ 
leitung  setzen  zu  lassen :  »Mit  gnädiger  Bewilligung  Eines  Hoch- 
Edlen  und  Hoch-Weisen  Magistrats  werden  ihre  Schaubühne  heute 
eröffnen  etc.«,  hat  vielfach  zu  den  verschiedensten  Irrthümern  über 
den  eigentlichen  Anfang  der  während  der  Wahl  und  Krönung 
Karl’s  VII.  hier  abgehaltenen  französischen  und  deutschen  Komödien 
Veranlassung  gegeben.  Es  ist  aber  nicht  allein  aus  den  Akten, 
sondern  auch  aus  dem  ersten  in  Beilage  V  vollständig  abgedruckten 

12* 


180 


Theaterzettel  zweifellos  zu  ersehen,  dass  der  17.  Juni  der  wirkliche 
Anfangstermin  der  französischen  Komödie  gewesen  ist. 

Die  gedruckten  Programme  der  deutschen  Komödianten,  die 
gar  keine  Rücksicht  auf  den  Tag  der  Vorstellung  nehmen  und  nur 
stets  von  »heute«  sprechen,  versah  der  Sammler  mit  den  betreffenden 
Daten  und,  wie  die  französischen,  hie  und  da  mit  kurzen  Rand¬ 
bemerkungen.  —  Diese  Sammlung  ist  besonders  in  Hinsicht  auf 
Wallerotty’s  Vorstellungen  um  so  werthvoller  und  interessanter,  als 
sich  wohl  schwerlich  noch  einmal  ein  so  zahlreiches  Repertoire  der 
abenteuerlichen  Gattung  Haupt-  und  Staatsaktionen  finden  wird. 
Alle  die  originellen  Vorberichte  jener  Theaterzettel,  in  denen  der  In¬ 
halt  der  bezüglichen  Aktion  skizzenhaft  erzählt  wird,  hier  wiederzu¬ 
geben,  würde  zu  weit  führen,  nur  einige  sind  in  Beilage  VI  buch¬ 
stabengetreu  aufgenommen,  während  die  übrigen  kürzere  Erwähnung 
gefunden  haben. 

Ehe  Wallerotty’s  Leistungen  ausführlicher  erörtert  werden, 
möge  erst  eine  Schilderung  des  Kunststandpunktes  und  der  sonsti¬ 
gen  Verhältnisse  der  französischen  Truppe  vorhergehen.  Wie  ver¬ 
schiedene  Zeitgenossen  mittheilen,  war  das  Theater  derselben  ja  doch 
das  einzige,  in  welchem  man  während  der  Wahl-  und  Krönungszeit 
eine  regelrechte  Komödie  und  Tragödie  gemessen  und  sich  an  den 
zierlichen  Spässen  des  Harlekin  ergötzen  konnte. 

Ein  Blick  auf  das  Repertoire  dieser  Gesellschaft  zeigt,  dass 
dieselbe  bei  jeder  Vorstellung  als  Hauptstück  irgend  ein  Werk  eines 
bedeutenden  französischen  Dichters  gab,  dem  stets  ein  mit  Ballet- 
und  Gesang  untermischtes  lustiges  Nachspiel  oder  eine  Parodie  der 
vorangegangenen  Tragödie  oder  Komödie  folgte.  Es  fanden  sich  aus 
dem  Gebiete  des  Trauerspiels  die  besten  Werke  eines  Corneille,  Ra¬ 
cine,  Voltaire,  Crebillon,  de  la  Motte,  Chaillot,  und  aus  dem  Genre 
des  Lustspiels  die  berühmtesten  Stücke  von  Moliere,  Regnard,  le 
Grand,  Destouches,  Marivaux,  du  Fresne,  le  Sage,  Mont-Fleury,  Dan- 
court,  Alain,  Champitron,  Polaprat  und  de  Bourseault  vertreten.  Zur 
Abwechslung  gab  die  französische  Truppe  hie  und  da  einmal  eine 
Stegreifkomödie  nach  italienischem  Muster,  z.  B.  »Die  Liebe  des 
Arlequin  und  seiner  Cloe«  am  21.  November  1741,  welche  Stücke 
wegen  der  lustigen  Einwürfe  des  Harlekin  und  wegen  des  vortrefflich 
geschulten  Zusammenspiels  der  Gesellschaft  stets  den  grössten  Beifall 
ernteten. 

Trotz  des  eigentlich  klassischen  Repertoires  kamen  aber  auch 
zeitweise  Stücke  zur  Aufführung,  in  denen  sich  der  Harlekin  gerade 
nicht  zur  Freude  der  Kenner  in  die  dargestellte  Aktion  einmischte. 
Der  geistreiche  Johann  Michael  von  Loen  kritisirt  in  seinen  »Kleinen 
Schriften«  die  französische  Schaubühne  des  Gherardi  und  drückt 
dabei  gleichzeitig  sein  Missfallen  über  die  Zudringlichkeit  des  bur¬ 
lesken  Elements  in  einer  ernsten  Handlung  aus.  Der  Umstand,  dass 


181 


Loen’s  Mittheilung  die  einzige  erhaltene  Kritik  eines  gebildeten,  fein¬ 
fühligen  Zeitgenossen  über  das  französische  Theater  während  der 
Wahl  und  Krönung  Karl’s  YII.  ist,  lässt  sie  doppelt  werthvoll, 
doppelt  einer  Wiedergabe  würdig  erscheinen. 

»Unter  verschiedenen  elenden  und  abgeschmackten  Schau¬ 
spielen«  —  schreibt  er  —  »siebet  man  auch  hier  eine  französische 
Komödie:  sie  ist  ziemlich  gut.  Cherardi  [Glierardi],  das  Haupt 
dieser  Bande,  erwirbt  sich  bei  Kennern  vielen  Beyfall.  Er  verstehet 
die  Regeln  der  Schauspielkunst  und  weiss  Alles  wold  anzugeben. 
Her  vornehmste  unter  den  Spielenden  ist  einer  Hamens  le  Cocq.  Er 
hat  ein  sehr  gutes  Ansehen  und  ist  zu  dem  Trauerspiel  gebohren. 
In  dem  Lustspiel  hat  er  lange  nicht  dieselbe  Stärke.  Yerwichenen 
Sonnabend  stellte  er  den  Simson  vor.  [Gerade  der  Zettel  dieser  Vor¬ 
stellung  ist  leider  nicht  erhalten.]  Jedermann  bewunderte  dessen 
Geschicklichkeit.  Er  machte  dadurch,  dass  man  kaum  beobachtete, 
wie  dieses  Stück  ebenso  viel  Fehler  Avider  die  Regeln  der  Schauspiel¬ 
kunst,  als  Schönheiten  hatte.  Die  Einheit  des  Orts,  die  Verwick¬ 
lung,  die  Zeit  der  Begebenheit,  die  Wahrscheinlichkeit,  besonders 
aber  die  Ehrerbietung,  welche  man  den  Geschichten  der  heiligen 
Bücher  schuldig  ist;  alles  dieses  ist  fast  gar  nicht  darinnen  wahr¬ 
genommen  worden.  Es  ist  eine  Tragikomödie,  wie  man  solche 
nennet;  das  ist  lustig  und  traurig  untereinander  Avie  der  Peter 
Squenz  [von  Gryphius].  Der  Harlekin  erscheint  dabey  sehr  zur 
Unzeit,  um  die  Heldenthaten  des  Simson  lächerlich  zu  machen,  der 
unterdessen  die  heissesten  Gebeter  zu  dem  Gotte  des  Volkes  Israel 
auf  der  Schaubühne  ausschüttet.  Dieses  scheint  mir  allerdings  so 
ungeziemend  als  ärgerlich  zu  seyn.«307 

Dies  auch  am  23.  September  1741  und  am  17.  Februar  1742 
aufgeführte  Stück  war  also  eine  ächte  Haupt-  und  Staatsaktion  in 
französischer  Sprache,  die,  wie  ihre  wiederholte  Darstellung  zeigt, 
doch  unter  dem  die  französischen  Vorstellungen  besuchenden  vor¬ 
nehmen  fremden  und  einheimischen  Publikum  noch  viele  Zuschauer 
gefunden  hatte. 

Eigentliche  Opern  führte  die  französische  Gesellschaft  nicht  auf, 
obgleich  sie  hie  und  da  diese  Bezeichnung  in  ihrem  Repertoire  an- 
Avendet.  Es  waren  meistens  lustige  Singspiele,  in  denen  ein  grosser 
Theil  des  Dialogs  gesprochen  und  die  Hauptwirkung  durch  einige 
von  der  ersten  Sängerin  vorgetragene  Arien  erzielt  wurde.  Diese 
Stücke  waren  auch  stets  durch  Ballet  und  pantomimische  Einlagen, 
sowie  durch  das  Auftreten  der  Darsteller  und  Darstellerinnen  in 
lustigen  Charaktermasken  mit  einem  ganz  eigenartigen  Reiz  aus¬ 
gestattet. 

Alle  Mitglieder  der  Gherardi-Seriny’schen  Truppe  waren  nach 
Mittheilungen  der  beiden  Principale  an  den  Rath  Frankfurts  ebenso- 
Avohl  im  Agiren  als  im  Tanzen  und  Singen  geübt.308  Wenn  auch  die 


angegebene  grosse  Fertigkeit  in  der  letztgenannten  Kunst  etwas  über¬ 
trieben  ist,  so  steht  doch  fest,  dass  die  erste  Behauptung  auf  zweifelloser 
Wahrheit  beruhte.  Die  ersten  Solotänzer  und  Tänzerinnen  der  Truppe 
Monsieur  Gherardi  tils,  Monsieur  Bevuremont,  Mademoiselle  de  l’Isle 
und  Mademoiselle  Lyonais  wurden  auch  in  der  Komödie  und  in  dem 
burlesken  Schlussstück  verwendet,  welche  Anordnung  sehr  viel  zu 
einem  graziösen  gefälligen  Zusammenspiel  beigetragen  haben  soll. 

Monsieur  Gherardi  fils  leistete  im  komischen  Genre  besonders 
Vorzügliches  als  Harlekin  (Arlequin)  Scaramuz  und  Pierrot.  Die  je 
nach  Belieben  des  betreffenden  Darstellers  oft  veränderte  bunt¬ 
scheckige  Maske  des  ersteren  ist  hinreichend  bekannt,  bei  den  beiden 
anderen  dürfte  eine  knappe  Schilderung  wohl  nicht  ganz  überflüssig 
erscheinen. 

Scaramuz,  diese  von  dem  berühmten  italienischen  Schauspieler 
Benozzi  geschaffene  komische  Figur,  besass  einen  ebenso  pedantischen 
als  zurückstossenden  und  rechthaberischen  Charakter.  Er  war  ge¬ 
wöhnlich  der  verschmähte  gefoppte  Liebhaber,  der  seine  Angebetete 
mit  allerlei  Redensarten  und  Citaten  langweilte  und  welchen  Har¬ 
lekin  und  Scapin  zum  Besten  hielten.  Das  Kostüm  desselben  bestand 
in  einem  schwarzen  Wamms,  das  ein  enganliegender  Ledergürtel 
umschloss,  und  in  einem  langen  Mantel  mit  Aermeln,  der  nebst  einem 
ungeheuren,  mit  seinem  Hintertheil  fast  den  ganzen  Rücken  bedecken¬ 
den  Hut  beim  Tanzen  zu  mannigfaltiger  komischer  Draperie  in  den 
verschiedenen  Stellungen  verwandt  wurde. 

Der  Charakter  des  Pierrot,  eine  1684  von  Giuseppe  Giaraton, 
einem  Schauspieler  des  italienischen  Theaters  in  Paris,  erfundne 
Maske,  ist  insofern  dem  schon  in  einem  früheren  Abschnitt  geschil¬ 
derten  Pulcinella  ähnlich,  als  seine  Grundzüge  ebenfalls  Leichtgläu¬ 
bigkeit,  Dummheit  und  Schwerfälligkeit  sind.  Das  Kostüm  dieser  in 
Frankreich  sehr  beliebten  Figur  war  ganz  weiss,  sehr  weit,  mit  kolos¬ 
salen  Knöpfen  besetzt  und  hinderte  scheinbar  die  freie  Bewegung  des 
Körpers.  Unter  einem  ungeheuren  Hut  trug  er  ein  den  Kopf  engum- 
schliessendes  Käppchen.  Sein  Gesicht  war  stark  weiss  geschminkt,  seine 
Backen  und  der  Mund  brennend  rotli  bemalt.  Ausser  diesen  meist 
in  den  lustigen  Nachkomödien  und  pantomimischen  Tänzen  vorkom¬ 
menden  Charaktermasken,  stellte  Gherardi  fils  auch  hier  wie  in  Strass¬ 
burg  und  in  der  Schweiz  die  Scapins,  Mascarilles  und  Sganarelles  in 
den  Moliereschcn  Komödien  mit  gleicher  Trefflichkeit  dar. 

Monsieur  Bevuremont,  der  zweite  Solotänzer,  gab  hauptsächlich 
eine  Art  Harlekin,  welcher  sich  wie  z.  B.  in  der  Tragi-Komödie 
»Simson«  durch  Stegreifwitze  in  die  ernste  Aktion  zur  Unzeit  ein¬ 
mischte.  Sich  über  Alles  lustig  machen,  Nasen  drehen,  Schläge  mit 
der  Pritsche  austheilen  und  mit  der  grössten  Gewandheit  jeder  Er¬ 
widerung  ausweichen,  war  neben  den  witzigen  Einwürfen  der  Schwer¬ 
punkt  von  Bevureinonts  Leistungen. 


183 


Mademoiselle  de  l’Isle  besass  ein  ganz  besonderes  Talent,  in 
pantomimischen  Tänzen  die  den  ebengescliilderten  Männerrollen  ent¬ 
sprechenden  komischen  Frauenmasken  wirkungsvoll  darzustellen.  Sie 
war  ebenso  trefflich  als  Arlequinetta,  Scaramuzia  und  Colombine, 
wie  als  Darstellerin  von  solchen  jugendlichen  Hosenrollen,  zu  denen 
eine  grosse  körperliche  Gewandtheit  erforderlich  war. 

Demoiselle  Lyonais,  ihre  nächste  Kollegin  auf  dem  Gebiete 
Terpsichorens,  spielte  in  der  Komödie  die  neckischen ,  schalkhaften 
Kammerjungfern  und  naiven  Landmädchen  mit  vielem  Glück,  haupt¬ 
sächlich  aber  verhalf  ihr,  wie  Loen  mittheilt,  ihre  schöne  Persönlich¬ 
keit  zu  diesem  Siege. 

Ausser  diesen  beiden  ersten  Künstlerinnen  tanzten  zuweilen 
auch  noch  eine  Mademoiselle  Bandeau  und  Mad.  le  Cocq;  deren 
hauptsächlichste  Thätigkeit  jedoch  in  gesanglichen  und  schauspiele¬ 
rischen  Leistungen  bestand.  Durch  eine  Theatermisere,  welche  den 
ziemlich  tragischen  Abschluss  der  französischen  Vorstellungen  in  Frank¬ 
furt  bildete,  erfahren  wir  auch  noch  den  Kamen  der  jugendlichen 
Tragödin  der  Truppe:  Genevieve  Baudaie,  welche  die  Alzire,  die  Zaire 
und  sonstige  grosse  Rollen  schon  an  bedeutenden  Pariser  Theatern 
gespielt  hatte.  Sie  scheint  in  Liebesbeziehungen  zu  dem  jüngeren 
Gherardi  gestanden  und  Theil  an  dem  Unternehmen  der  Priucipale 
gehabt  zu  haben ;  denn  ihre  Kostüme  und  Pretiosen  wurden  bei  der 
späteren,  trotz  aller  guten  Einnahmen  eingetretenen  Verschuldung 
auch  mit  Beschlag  belegt-.309 

In  älteren  Frauenrollen  traten  die  Gattinnen  der  beiden  Prin- 
cipale,  eine  Madame  Gaussin  und  die  Mutter  der  Mademoiselle  Bau¬ 
daie  auf,  deren  Fächer  sich  jedoch  nicht  näher  bestimmen  lassen. 
Ausser  der  Frau  des  von  Loen  so  sehr  anerkannten  Heldendarstellers 
le  Cocq  müssen  noch  mehrere  durch  verwandtschaftliche  Beziehungen 
zusammengehörige  Acteurs  und  Actricen  bei  der  Truppe  gewesen 
sein,  deren  Namen  und  Rollenfächer  sich  aber  wegen  des  Theater¬ 
gebrauchs  jener  Zeit,  nur  das  ganz  besonders  Hervorragende  auf  den 
gedruckten  Ankündigungen  anzugeben ,  nicht  nachweisen  lassen. 
Ueberhaupt  macht  die  Truppe,  deren  Mitglieder,  wie  gesagt,  vielfach 
durch  Familienbande  miteinander  verknüpft  waren,  den  Eindruck,  als 
habe  sie  ein  recht  patriarchalisches  Leben  geführt.  Die  meisten  Mit¬ 
glieder  wohnten  im  Langen  Gang,  wurden  in  ihrer  moralischen  Füh¬ 
rung  überwacht  und  auf  Rechnung  der  Principale  verköstigt. 

Gherardi  pere,  der  in  seiner  Jugend  Mitglied  einer  Pariser 
Bühne  gewesen  war,  legte  gegenüber  dem  Rathe  Frankfurts  ein  grosses 
Gewicht  darauf,  dass  sowohl  das  artistische  als  das  moralische  Regi¬ 
ment  über  seine  Suite  nach  den  strengen  Regeln  der  Pariser  Bühne 
geführt  werde. 

Gherardi  hatte  auch  ein  vollkommenes  Verständniss  für  seine 
Kunst,  er  gab  sich  in  Frankfurt,  wo  sein  Theater,  um  seinen  eignen 


184 


Ausdruck  zu  gebrauchen,  der  Sammelpunkt  der  galanten  Welt  war, 
ganz  der  künstlerischen  Leitung  desselben  hin,  weshalb  er  nur  wenig 
auftreten  konnte.  Geschah  es  aber  einmal,  dann  spielte  er  stets  ernste 
oder  heitere  Charakterrollen  in  einer  Weise,  dass  ihm  keiner  seiner 
Schauspieler  darin  gleich  kam. 

Der  erst  in  zweiter  Linie  kommende  Principal  Seriny  war 
hauptsächlich  in  der  Tragödie  beschäftigt,  während  ein  älteres  Mit¬ 
glied,  George  Nevard,  ein  ausgezeichneter  Darsteller  für  Pantalons- 
Rollen,  also  für  polternde,  ehrliche  und  betrogene  Alten,  war. 

Was  die  moralische  Führung  dieser  Gesellschaft  anbelangt,  so 
scheint  Gherardi  in  seinem  Bericht  an  den  Rath  doch  wohl  eine 
etwas  zu  kühne  Behauptung  aufgestellt  zu  haben.  Die  Truppe  war 
ein  ächt  französisches  leichtlebiges  Wandervölkchen,  das  unter  sich 
fest  zusammenhielt,  aber  auf  deutsche  Tugendbegriffe  wenig  Rück¬ 
sicht  nahm. 

In  den  letzten  Monaten  des  Jahres  1741  und  in  den  beiden 
ersten  des  folgenden  wurden  oft  auf  Befehl  des  Kurfürsten  von  Cöln, 
der  verschiedenen  Gesandten  und  des  Fürsten  von  Thurn  und  Taxis 
Redouten  und  Maskenbälle  in  der  französischen  Komödienhütte  ab¬ 
gehalten,  bei  denen  es  mitunter  gerade  nicht  dem  Ansehen  der  hohen 
Würdenträger  entsprechend  hergegangen  sein  mag.  Besonders  die 
Maskenbälle,  zu  denen  sich  dann  und  wann  auch  die  Damen  der 
hochgräflichen  Excellenzen  vermummt  hin  begaben,  scheinen  ein  Frei¬ 
platz  der  tollsten  Ausgelassenheiten  und  galantesten  Abenteuer,  ein 
Orbis  pictus  der  damaligen  vornehmen  Welt  gewesen  zu  sein.  Dass 
die  von  den  hier  weilenden  Gesandten  und  sonstigen  hohen  Herrn 
angebeteten  Actricen  Gherardis  hierbei  nicht  die  letzte  Rolle  spielten, 
geht  aus  den  verschiedensten  Mittheilungen  von  Zeitgenossen  hervor. 

Trotzdem  französischer  Anstand,  französische  Eleganz  diesen 
Maskenbällen  einen  äusserlich  feinen  Anstrich  gaben,  so  scheint  es 
doch  oft  hinter  den  Coulissen  zu  bedenklichen  Ruhestörungen  ge¬ 
kommen  zu  sein.  Wahrscheinlich  um  solchen  Konflikten  vorzubeugen, 
schickte  am  2.  Januar  1742  der  Fürst  von  Thurn  und  Taxis  seinen 
Hofmeister  Weigel  mit  den  besten  Empfehlungen  zu  dem  jüngeren 
Herrn  Bürgermeister,  Jacob  Mentzel,  und  liess  ihn  um  20  Mann 
Wache  für  die  französische  Komödienhütte  ersuchen,  in  welcher  er 
heute  Abend  einen  Maskenball  geben  würde.  Er  bat  ferner  um  eine 
Verstärkung  der  Konstabler- Wache  und  liess  die  wichtige  Anzeige 
machen,  dass  seine  Kurfürstl.  Gnaden  von  Cöln,  die  er  eigens  ein¬ 
geladen,  diesen  Ball  mit  ihrer  Gegenwart  beehren  wollten.310 

Der  jüngere  Bürgermeister  theilte  dem  Rath  dies  Begehren  mit, 
worauf  derselbe  aus  Rücksicht  für  die  hohen  Herrn  zwar  diesmal 
keine  abschlägige  Antwort  ertheilte,  aber  den  Zusatz  machte,  dass 
man  künftighin  die  Abhaltung  der  Redouten  in  der  französischen 
Komödienhüttc  wegen  Feuersgefahr  nicht  mehr  dulden  könne.  Zur 


185 


Verhütung  von  unangenehmen  Vorfällen,  wie  solche  oft  vorgekommen 
waren,  wurde  auch  noch  ein  Offizier  zur  Oberaufsicht  in  den  Langen 
Gang  kommandirt.  —  Um  aber  nur  einem  möglichst  feinen  Publikum  die 
Gelegenheit  zu  einem  interessanten  Rendez-vous  zu  geben,  wurde  bei 
den  von  Gherardi  arrangirten  Maskenbällen  das  sehr  hohe  Eintritts¬ 
geld  von  einem  Ducaten  zu  den  ersten  und  von  zwei  Gulden  zu 
den  zweiten  Logen  für  die  Person  festgesetzt. 

Der  eben  erwähnte  Kurfürst  von  Cöln,  der  auch  die  Abhaltung 
der  Maskenbälle  beim  Rath  befürwortet  hatte,  scheint,  wenigstens 
während  der  Wahl  und  Krönungszeit  Karls  VII.,  ein  sehr  kunst¬ 
sinniger  und  lebenslustiger  Prälat  gewesen  zu  sein.  Er  beehrte  das 
französische  Theater  sehr  oft,  hauptsächlich  im  Februar  1742,  mit 
seiner  Gegenwart  und  liess  auch  häufig  an  die  bei  den  verschiedenen 
Gesandtschaften  angestellten  Beamten  Freikarten  austheilen. 

In  dieser  Freigebigkeit  wurde  er  noch  überboten  durch  den 
französischen  Marschall  von  Belle-Isle  und  den  spanischen  Gesandten 
Grafen  von  Montijo ,  welche  beide  Freikomödien  zum  allgemeinen 
Besten  geben  Hessen.  — -  Besonders  reichlich  belohnte  der  Letztere 
die  französischen  Komödianten  für  ihr  Spiel;  denn  er  liess  sich  auch 
in  diesem  Falle  von  dem  Grundsatz  leiten,  jeder  der  ihm  in  Frankfurt 
einen  Dienst  erwiesen,  müsse  auch  ein  Andenken  daran  haben,  dass 
ein  spanischer  Gesandter  bei  der  Krönung  Karls  VII.  gegenwärtig 
gewesen  sei. 

Die  Herzogin  v.  Belle-Isle,  die  nach  der  Kaiserin  während 
der  Wahl-  und  Krönungszeit  die  erste  Rolle  spielte,  wandte,  gleich 
den  meisten  vornehmen  Damen,  der  französischen  Komödie  das  grösste 
Interesse  zu.  Sie  wohnte  nicht  allein  mehreren  Vorstellungen  bei, 
sondern  gestattete  auch  den  Principalen,  dass  sie  ihren  angekündigten 
Besuch  vorher  auf  den  Theaterzetteln  anmelden  dürften.  Bei  dieser 
Gelegenheit  versäumte  es  denn  die  elegante  Welt,  Frankfurts  nie,  im 
grössten  Pomp  in  der  französischen  Komödienhütte  zu  erscheinen. 
Es  gab  dann  ein  Schauspiel  im  Schauspiel,  dessen  einzelne  Auftritte, 
wie  ein  leider  ungenannter  Zeitgenosse  treffend  bemerkt,  hinreichen¬ 
den  Stoff  zu  einer  Komödie  darboten.311  Die  hohen  Herrschaften 
besuchten  in  den  Zwischenakten  einander  in  den  mit  rothem  Tuch 
und  Quasten  garnirten  Logen,  die  eifrigsten  Kunstliebhaber  begaben 
sich  hinter  die  Coulissen  um  mit  den  Actricen  zu  plaudern  und  die 
von  den  mit  der  Kaiserwahl  verbundenen  ernsten  Verrichtungen  er¬ 
müdeten  Herrn  Gesandten  ergötzten  und  erquickten  sich  ruhig  von 
ihren  Sitzen  aus  an  der  köstlichsten  Augenweide. 

Der  Sitte  der  Pariser  Theater  in  jener  Zeit  folgend ,  gaben  die 
Principale  der  französischen  Komödie  während  des  Carnevals  vom 
3.  bis  6.  Februar  1742  drei  Vorstellungen,  in  welchen  das  Publikum 
auf  die  ersten  Plätze  nur  in  Verkleidungen  zugelassen  wurde.  Un¬ 
geachtet  des  hohen  bereits  erwähnten  Eintrittspreises,  zahlten  dennoch 


186 


Personen  denselben,  die  dem  Ausspruch  eines  Herrn  Kölbele  zufolge 
viel  besser  ihre  Gläubiger  befriedigt  hätten. 

Diese  Schauspiele,  die  mit  einem  Anschein  von  Berechtigung 
die  schönste  Gelegenheit  zu  pikanten  Abenteuern  darboten ,  übten 
nicht  allein  auf  die  fremden  hohen  Herrschaften,  sondern  auch  auf 
solche  vergnügungssüchtige  Frankfurter  den  grössten  Reiz  aus,  die 
aus  mannigfaltigen  Gründen  das  französische  Theater  nur  unter  der 
Maske  besuchen  konnten.  So  kam  es,  dass  die  Vorstellungen  wäh¬ 
rend  des  Karnevals  den  Höhepunkt  der  interessanten  und  pikanten 
Zusammenkünfte  bildeten,  zu  welchen  der  Besuch  der  französischen 
Komödie  der  eleganten  Welt  Frankfurts  mit  Hülfe  der  Kunst  die 
beste  Gelegenheit  verschaffte. 

Da  derartige  Vergnügungen,  in  einer  Komödienhütte  abgehalten, 
Ihr  die  damalige  Einwohnerschaft  Frankfurts  etwas  ganz  Absonder¬ 
liches  und  Unerhörtes  waren,  so  kann  man  in  ihnen  leicht  die  Quelle 
der  verschiedensten  und  abenteuerlichsten  Erzählungen  auffinden,  welche 
die  Tradition  an  den  ungenirten  Verkehr  in  dem  französischen 
Theater  überhaupt,  besonders  aber  an  die  sogenannten  »Masken Vorstel¬ 
lungen«  geknüpft  hat.  Aber  wenn  man  auch  der  Phantasie  des 
Volkes  eine  vergrössernde  Ausarbeitung  gewisser  Vorfälle  zuschreiben 
muss,  so  lässt  es  sich  doch  nicht  leugnen,  dass  auch  manch  Körnlein 
Wahrheit  in  die  bunten  Erfindungen  eingemischt  war. 

Der  Kulturhistoriker,  der  das  bewegte  Leben  in  Frankfurt  vor, 
während  und  nach  der  Wahl  und  Krönung  Karls  VII.,  der  sich  be¬ 
kanntlich  bis  1744  hier  aufhielt,  zutreffend  schildern  will,  der  darf 
vor  Allem  die  Zusammenkünfte  in  der  französischen  Komödienhütte 
nicht  vergessen,  die  in  der  Timt  bis  in  die  verborgensten  Vorgänge 
ein  Spiegelbild  jenes  theatralisch  -  festlichen  Ereignisses  gewesen 
sind.  —  Der  bekannte,  schon  einmal  erwähnte  Ausspruch  des  Palin- 
genius  passt  nicht  allein  auf  die  vielen  in  der  französischen  Komö¬ 
dienhütte  vorgefallenen  Abenteuer,  er  lässt  sich  auch  auf  die  bei  der 
Wahl  und  Krönung  Karls  VII.  anwesenden  hohen  Würdenträger 
anwenden,  die  wohl  nur  im  Geheimen  Politik  trieben  und  allem  An¬ 
schein  nach  mehr  zu  ihrer  Belustigung  als  zu  ernsten  Verrichtungen 
1 1  ierh  ergek  om m en  waren . 

Obgleich  nun  die  Principale  der  französischen  Komödianten, 
Gherardi  und  Seriny,  glänzende  Einnahmen  hatten,  so  bezahlten  sie 
doch  weder  ihre  auswärtigen  Schulden,  noch  ihre  Abgaben  an  das 
hiesige  Rechneiamt,  In  Folge  dessen  legte  der  Bevollmächtigte 
zweier  Gläubiger,  des  Grafen  von  Almenstadt  in  Nancy  und  des 
Banquier  Vieutebach  in  Bern:  der  hiesige  Kaufmann  Wuppermann, 
Anfangs  März  Beschlag  auf  die  tägliche  Einnahme  der  Komödianten, 
die  sich  aber  ein  solches  Vorgehen  nicht  gefallen  Hessen  und  eine 
Beschwerdeschrift  beim  Rathe  einreichten.  In  dieser  wiesen  sie  noch¬ 
mals  auf  die  den  Aufbau  ihrer  Hütte  verlängernden  Unannehmlich- 


187 


keiten  hin,  erinnerten  daran,  wie  theuer  es  während  der  Wahl-  und 
Krönungszeit  hier  zu  leben  gewesen  sei,  und  suchten  sogar  eine 
frühere  Mittheilung,  dass  sie  stets  sehr  gute  Geschäfte  gemacht  hätten, 
zu  widerlegen.  Dann  folgte  ein  kurzer  Ueberschlag  ihrer  hauptsäch¬ 
lichsten  Ausgaben,  der  hier  deshalb  Wiedergabe  findet,  weil  er  einiger- 
massen  einen  Einblick  in  die  Unkosten  der  besseren  Wanderprin- 
cipale  jener  Zeit  gewährt.  —  Ausserdem,  was  sie  an  das  Rechneiamt. 
zu  zahlen  hatten,  schuldeten  sie  noch: 

an  den  Banquier  Ohlenschlager .  1200  fl. 

an  den  Wirth  Engel  im  Langen  Gang  .  .  200  „ 

An  Herrn  Yarrentrapp . 150  „ 

für  Salarium  und  Kostgeld  der  Komödianten  2500  „ 
Kleineren  Schulden  hatten  sie  circa  .  .  .  500  „ 

folglich  zusammen  4550  fl.312 

Die  kluge  Versicherung  der  beiden  Principale,  dass  sie  erst  die 
hiesigen  Schulden  tilgen  wollten  und  dann  sofort  die  auswärtigen 
Gläubiger  zu  bezahlen  versprachen,  verschaffte  ihnen  denn  auch  am 
5.  März  1742  ein  Rathsdecret,  durch  welches  dem  Handelsmann 
Wuppermann  befohlen  wurde,  sich  des  thätlichen  und  eigen¬ 
mächtigen  Verfahrens  sofort  zu  enthalten.  Nun  spielten  die  franzö¬ 
sischen  Komödianten  ungehindert  bis  zum  17.  März,  an  welchem 
Tage  sie  ihre  Vorstellungen  wegen  der  immer  noch  nicht  entrichteten 
Abgabe  an  das  Rechneiamt  auf  Rathsbefehl  einstellen  mussten. 
Als  sie  sich  aber  auch  dann  noch  nicht  beeilten  ihre  Schuld  zu  be¬ 
zahlen,  wurde  die  Hütte  sammt  allen  darin  befindlichen  Requisiten 
und  Kostümen  amtlich  versiegelt.  Wenige  Tage  später,  am  22.  März 
1742,  kamen  nun  die  beiden  Principale  sowohl  wegen  Milderung  der 
rückständigen  344  fl.  Standgeld  als  auch  wegen  Zurückgabe  ihrer 
versiegelten  Effekten  ein.  Obgleich  sie  nun  dem  Rath  in  geschickter 
Weise  vorzuspiegeln  suchten,  dass  sie  nur  durch  das  Weglaufen  eines 
treulosen  Kassierers  in  diesen  beklagenswerthen  Zustand  gekommen 
seien,  so  hatten  doch  die  inzwischen  über  ihr  flottes  Leben  und  ihre 
gar  nicht  so  schlechten  Verhältnisse  besser  unterrichteten  Rathsherren 
diesmal  keine  Nachsicht  mit  den  beiden  Direktoren  der  französischen 
Komödie.  Es  wurde  ihnen  der  Bescheid  zu  Theil,  dass  man  nur, 
wenn  sie  100  Thlr.  auf  Abschlag  bezahlen  und  den  Rest  mit  den 
laufenden  neu  hinzukommenden  Abgaben  an  bestimmten  Terminen 
entrichten  würden,  ihrem  Gesuch  entsprechen  und  auch  die  Komö¬ 
dienhütte  wieder  öffnen  wolle.313 

Wie  aus  dem  Bürgermeisterbuche  von  1742  hervorgeht,  baten 
Gherardi  und  Seriny  am  3.  April  nochmals  aus  den  in  ihrer  Vor¬ 
stellung  angeführten  Gründen  um  Freigabe  der  Pfänder,  deren  Be¬ 
willigung  dem  jüngeren  Bürgermeister  überlassen  wurde. 

Wegen  des  Pehlens  dieser  Eingabe  lassen  sich  die  Gründe  nicht 
angeben,  welche  den  Bürgermeister  zu  einer  schnellen  Entschliessung 


188 


bestimmt  haben  mögen.  Jedenfalls  aber  war  es  die  Rücksicht  auf 
eine  theaterliebende  hohe  Persönlichkeit;  denn  schon  am  4.  April 
wurden  den  Komödianten  ihre  Effekten  zurückgegeben,  die  Hütte 
wieder  geöffnet,  und  die  Fortsetzung  der  Vorstellungen  gestattet.  Am 
7.  April  begannen  dieselben  denn  auch  wieder,  worauf  nach  einer 
abermaligen  Spielzeit  von  fast  zwei  Monaten,  Anfangs  Juni  1742, 
endlich  die  Schliessung  der  französischen  Schaubühne  erfolgte. 

Ha  Cfherardi  und  Seriny  in  dieser  Zeit  sehr  gute  Einnahmen 
gehabt  hatten,  reichte  Wuppermann  als  Bevollmächtiger  der  auswär¬ 
tigen  0 laubiger  beim  Rathe  eine  Vorstellung  gegen  die  Direktoren  der 
französischen  Komödianten  ein,  in  welcher  die  früher  vorgebrachten 
Entschuldigungsgründe  derselben  falsche  Vorspiegelungen  und  leere 
Ausflüchte  genannt  wurden.  Ueberhaupt  wirft  diese  Eingabe,  deren 
steifen  und  langathmigen  Inhalt  wir  dem  Leser  gerne  erlassen  möchten, 
kein  günstiges  Licht  auf  die  beiden  Schuldner,  die  an  verschiedenen 
Stellen  mit  anderen  Ausdrücken  wortbrüchige  Schwindler  genannt 
werden.314  Es  wurde  nun  der  Beschluss  gefasst,  dass  die  beiden 
Direktoren  über  ihre  Schulden  vernommen  werden  sollten;  —  wie 
die  Angelegenheit  aber  eigentlich  beendet  wurde,  lässt  sich  nicht 
mit  Gewissheit  feststellen.  Gherardi  und  Seriny  scheinen  sich  mit 
ihren  auswärtigen  Gläubigern  und  dem  hiesigen  Rechneiamt  abge¬ 
funden  und  unter  schriftlich  festgesetzten  Bedingungen  die  Erlaubniss 
für  einen  ungehinderden  Abzug  mit  allen  ihren  Sachen  erhalten  zu 
haben.  Im  Jahre  1743  zahlten  sie  von  Strassburg  aus  noch  einen 
Rest  von  47  Gld.  Mit  Einschluss  desselben  stellt  sich  ihre  Gesammt- 
abgabe  an  die  Stadt  während  eines  Aufenthaltes  von  beinah  einem 
Jahre  auf  nur  300  Gulden  47  Kreuzer. 

II. 

In  demselben  Verhältniss  wie  heut  zu  Tage  ein  Vaudeville- 
Theater  zu  einer  Bühne  ersten  Ranges,  standen  damals  die  Hoch¬ 
deutschen  Komödianten  unter  Direktion  von  Wallerotty  zu  ihren 
französischen  Kollegen  im  Langen  Gang.  Schon  der  auf  den  Thea¬ 
terzetteln  angegebene,  bedeutend  von  einander  abweichende  Eintritts¬ 
preis  weist  auf  einen  grossen  Unterschied  im  künstlerischen  Ansehen 
der  beiden  Theater  hin.  Damit  soll  aber  nicht  gesagt  sein,  dass  die 
fremden  hohen  Herrschaften  und  vornehmen  Frankfurter  den  franzö¬ 
sischen  Musentempel  allein  mit  ihrer  Gegenwart  beehrt  hätten,  im 
Gegentheil,  sie  unterhielten  sich  in  der  grossen  Komödienhütte  auf 
der  Bockenheimer-Gasse,  in  welcher  kein  so  steifer  formeller  Ton 
herrschte,  oft  viel  zwangloser  und  ohne  lästige  Beobachtung.  Wie 
die  Principale  der  französischen  Truppe,  so  hatte  auch  Wallerotty 
auf  den  Theater  selbst,  das  heisst  in  der  unmittelbaren  Nähe  der 
Coulissen,  den  vornehmsten  Gönnern  sogenannte  Prosceniumsplätze 


189 


einri eilten  lassen,  welche  das  übrige  Publikum  nicht  wenig  störten. 
Diese  von  Goethe  in  »Wahrheit  und  Dichtung«  scharf  gegeisselte  Un¬ 
sitte  soll  in  einem  späteren  Abschnitt  dieses  Buches  noch  ausführ¬ 
licher  besprochen  werden. 

Da  mit  dem  Beginne  des  Jahres  1741  schon  ausserordentlich 
viele  Fremde  und  hohe  Herrschaften  in  Frankfurt  eingetroffen  waren, 
sah  sich  der  RatlP  zur  Aufhebung  seines  Beschlusses  genöthigt,  nach 
welchem  die  Komödien  erst  in  der  eigentlichen  Wahlzeit  ihren  An¬ 
fang  nehmen  sollten.  Wallerottv,  der  mit  keiner  bösen  Nachbar¬ 
schaft  zu  thun  hatte,  konnte  deshalb  seine  Schaubühne  schon  am 
17.  April  unter  grossem  Andrang  des  Publikums  eröffnen.  —  Dieser 
Beifall  blieb  auch  dem  deutschen  Theater  trotz  der  gefährlichen 
Nebenbuhlerschaft  des  französischen  ungeschwächt  bis  zu  seiner  nach 
Verlauf  eines  Jahres  erfolgenden  Schliessung.  Und  doch  brachte 
Wallerottv,  wie  sein  beigegebenes  Repertoire  bezeugt,  das  Un¬ 
geheuerlichste  auf  die  Bühne,  was  jemals  in  Frankfurt  an  Haupt- 
und  Staatsaktionen  und  lustigen  Stegreifkomödien  dargestellt  wor¬ 
den  war. 

Die  Geschichte  und  Sage  der  Griechen,  Römer  und  der  anderen 
alten  Völker,  die  Helden-,  Liebes-  und  Historienbücher  der  Deut¬ 
schen,  die  Moderomane  und  die  bedeutendsten  neueren  Ereignisse, 
die  abenteuerlichsten  Vorgänge,  phantastischsten  Zaubergeschichten  und 
Dichterwerke  aller  Nationen  mussten  bei  Wallerotty  herhalten,  um 
zu  flüchtigen  Scenarien  ausgebeutet  zu  werden.  Die  Anordnung 
und  der  Aufbau  dieser  Stoffe  wurde  dann  stets  derartig  eingerichtet, 
dass  dem  in  allen  möglichen  Gestalten  auftretenden  Harlekin  hin¬ 
reichend  Gelegenheit  blieb,  den  ernsteren  Inhalt  mit  lustigen  Zwischen¬ 
scene  n  unterbrechen  zu  können. 

Es  würde  einen  zu  grossen  Raum  in  Anspruch  nehmen,  sollten 
alle  die  höchst  originellen  und  interessanten  Vorberichte  Wieder¬ 
gabe  linden,  durch  welche  Wallerotty  auf  den  Theaterzetteln  das  Publi¬ 
kum  mit  einer  kurzen  Inhaltsangabe  der  Haupt-  und  Staatsaktionen 
und  lustigen  Harlekinaden  vorzubereiten  und  anzulocken  beabsich¬ 
tigte.  —  Hier  mag  nur  gesagt  sein,  dass  sich  wohl  selten  eine  so 
vollständige  und  deshalb  so  werthvolle  Sammlung  von  Theater¬ 
zetteln  dieser  absonderlichen  Gattung  der  dramatischen  Dichtkunst 
erhalten  haben  mag,  wie  es  die  bereits  erwähnte  in  Beilage  VI  nach 
der  Zeitfolge  der  Aufführung  mitgetheilte  ist. 

Der  erste  dieser  Zettel  gibt  genügenden  Aufschluss  über  die 
Zustutzung  des  Shakespeare’schen  Stückes  »Der  Kaufmann  von 
Venedig.«  Der  eigentliche  Grundgedanke  des  Drama’s  ist  in  das 
Gebiet  der  Komik  übertragen  und  die  edle  Porzia  in  ein  »char¬ 
mantes  und  intrigantes  Frauenzimmer«  verwandelt.  Jessica,  Shylock’s 
Tochter  und  Lorenzo,  ihr  Liebhaber,  erscheinen  in  diesem  »galanten« 
mit  vielen  Tänzen,  Arien  und  unterschiedlichen  Auszierungen  mög- 


190 


liehst  ausgeschmückten  Stück  als  italienische  Servetta  und  mehrfach 
verkleideter  Harlekin.  Mit  derselben  Freiheit  wie  dieses  Dichterwerk 
sind  auch  andere  poetische,  sagenhafte  geschichtliche  und  politische 
Stoffe,  um  einen  recht  zutreffenden  Ausdruck  Gutzkow’s  zu  ge¬ 
brauchen,  »für  haupt-  und  staaisaktionelle  Zwecke  zurecht  gehauep 
worden.« 

Mitunter  macht  einem  Wallerotty ’s  Verstumm fiungstal ent  gerade 
denselben  Eindruck  wie  der  Vandalismus  jenes  gothischen  Häupt¬ 
lings,  der  den  geraubten  Göttergestalten  die  Glieder  abschlagen  liess. 
damit  sie  in  den  Nischen  seines  Hauses  besser  Platz  finden  konnten. 
Denn  dass  Wallerotty  eine  grosse  Anzahl  dieser  ungeheuerlichen 
Stücke  selbst  componirt  hat,  geht  aus  vielen  Theaterzetteln  und  aus 
einer  Eingabe  an  den  Rath  Frankfurts  deutlich  hervor,  in  welcher 
er  ausdrücklich  sagt,  dass  er  selbst  viele  neue  Aktiones  zusammen¬ 
gestellt  und  hierin  noch  au  einem  Akteur  seiner  Bande  eine  gute 
Unterstützung  erhalten  habe.  Dieser  Helfer  war  Franz  Anton  Nutli, 
der  unter  andern  auch  als  Einrichter  der  Haupt-  und  Staats¬ 
aktion  »Der  von  seiner  eignen  Mutter  vor  den  grössten  Feind  ge- 
haltne  Sohn  oder  die  gestürzte  Regierungs-Sucht«  besonders  auf  dem 
bezüglichen  Zettel  angeführt  wird. 

Wallerotty  bot  Alles  auf.  um  durch  ein  interessantes  Reper¬ 
toire  das  Publikum  in  sein  Theater  zu  ziehen  und  sich  »neben  den 
Franzosen  auf  einer  annehmblichten  Höhe  zu  erhalten«.  Er  verfasste 
sogar  ein  Lokalstück :  »Die  lustige  Spazierfahrt  nach  dem  Sau-Steg« 
(Schweinstiege),  welches,  nach  dem  Personal  zu  urtheilen,  ein  Vor¬ 
läufer  der  Malss’schen  Hampelmanniaden  gewesen  zu  sein  scheint. 
Bei  der  vielseitigen  und,  wie  Wallerotty  zu  sagen  pflegte,  nieder¬ 
reissenden  Thätigkeit  eines  Theaterprincipals  wäre  es  nun  eine  Un¬ 
möglichkeit  gewesen,  so  viele  neue  Stücke  zu  komponiren.  wenn  der 
Inhalt  derselben  hätte  vollständig  niedergeschrieben  werden  sollen. 
Aber  es  wurde  nur  der  Text  der  bedeutendsten  und  das  Skelett  der 
anderen  Scenen  aufgestellt,  die  Wechselrede  jedoch  der  E  ihn  dungs¬ 
gab  e  der  Schauspieler  überlassen. 

Bevor  nun  auf  die  Umstände  näher  eingegangen  wird,  welche 
gerade  zu  einer  so  vollkommenen  Darstellung  dieser  Stücke  auf  der 
Wallerotty ’schen  Bühne  ausserordentlich  viel  beitrugen,  soll  hier  erst 
noch  die  nöthige  Erläuterung  zu  den  drei  andern  in  Beilage  VI  voll¬ 
ständig  abgedruckten  Theaterzetteln  folgen.  Der  zweite  derselben, 
die  Ankündigung  einer  ächten  Harlekinade,  zeigt  klarer,  als  es  jede 
andere  Schilderung  vermöchte,  durch  welche  tollen  Mittel  man  auf 
die  Lachmuskeln  des  Publikums  zu  wirken  suchte.  Ein  Haupt¬ 
anziehungspunkt  für  dasselbe  bildeten  die  auf  den  Zetteln  angekün¬ 
digten  mannichfaltigen  Verkleidungen  und  Verwandlungen  des  Hans- 
wurst,  worin  auf  dem  Wallerotty  ’schen  Theater  das  Unglaublichste 
geleistet  wurde.  —  Der  Sammler  jener  Theaterzettel,  der  neben  den 


191 


klassischen  Stücken  in  der  französischen  Komödie  gerade  diese 
komischen  Piecen  besonders  gern  besucht  zu  haben  scheint,  kritisirte 
ihre  Aufführung  oft  mit  einem  kurzen  Schlagworte  höchst  günstig. 
Hie  und  da  findet  sich  auf  den  Programmen  die  Randbemerkung : 
Gut,  Schön,  Sehr  gelungen. 

Der  dritte  Zettel  bringt  die  Anzeige  von  einer  alten,  berühm¬ 
ten  Haupt-  und  Staatsaktion,  welche  von  Wallerotty  sicher  ganz 
genau  nach  einem  bereits  vorhandenen  Scenarium  zur  Aufführung 
gebracht  wurde.  Wenigstens  stimmt  der  kurze  Bericht  im  Avertisse¬ 
ment  des  Zettels  vollständig  mit  dem  Inhalt  der  aus  Anhalt-Zerbst 
stammenden  Handschrift  der  Haupt-  und  Staatsaktion  Carolus  XII. 
überein,  welche  die  kriegerischen  Unternehmungen  und  den  Tod 
dieses  seiner  Zeit  überaus  populären  Schwedenkönigs  in  derselben 
Aufeinanderfolge  schildert.  Wie  in  der  Handschrift  angegeben,  so 
macht  auch  in  der  Frankfurter  Darstellung  ein  den  todten  König 
auf  dem  Paradebett  zeigendes  Tableau  deu  Schluss  des  Stückes. 

Bellona,  Mercur,  Mars  und  Fama  umstehen  eine  Weile  sein 
Lager  in  tiefster  Trauer,  dann  singt  die  letztere  eine  »lamentable 
Aria«  und  die  beiden  ersteren  sprechen  den  Epilog.  Da  nun  durch  diese 
Scene  die  Aufführung  des  Stückes  nach  der  gedachten  Handschrift 
erfolgt  sein  wird,  so  möge  hier  nach  deren  Wortlaut  zur  Charakteristik 
der  trockenen  Sprache  der  Haupt-  und  Staatsaktionen  ein  Theil  des 
Monologs  folgen,  mit  welchem  Karl  XII.  das  Stück  eröffnet: 

»Mächtigster  Beherrscher  dieser  unumschränkten  Erde :  Hand ! 
von  welcher  Glück  und  Unglück  an  den  Zügel  deines  Gutachtens 
geführet  wird,  welches  die  Anschläge  derer  Sterblichen  temperiret! 
Wer  bin  ich?  Herr:  dein  Knecht.  Dass  du  mich  durch  die  Wellen 
meines  rasenden  Schicksahls  glücklich  bis  hieher  gebracht  hast.  Er¬ 
laube  mir  doch,  unpartheyisches  Europa,  dass  ich  iu  dieser  stillen 
Einsamkeit  meinen  bishero  mit  Blut  und  Leichen,  Glück  und  Un¬ 
glück  geführten  Lebenslauf  in  etwas  entwerffen  möge.  Carl  der  Xlte, 
ein  Sohn  Carl  Gustav’s  (welchen  der  Schwedische  Thron  von  der 
Welt-bekannten  Königin  Christina  cediret  worden),  war  mein  Vater 
und  meine  Mama  Ulrica  Eleonora,  König  Friedrich’s  des  dritten  von 
Dänemark  Tochter,  die  er  mit  Sophia  Amalia ,  einer  Prinzessin  von 
Braunschweig-Lüneburg  erzeuget,  von  welcher  ich  Anno  1682  den 
19.  Juny  des  Morgens  zwischen  7  und  8  Uhr  zu  allgemeiner  Freude 
des  Schwedischen  Reichs  gebohren  worden.  Meine  Education  war 
sehr  sorgfältig . «315 

In  dieser  Weise  entwirft  der  Held  seine  Selbstbiographie  noch  eine 
geraume  Zeit  lang  fort.  Dann  folgen  die  verschiedenen  Handlungen, 
wie  sie  im  Avertissement  angegeben  sind.  Auch  die  Reden  anderer 
in  dem  Stück  auftretender  Personen,  z.  B.  des  Herzogs  von  Holstein- 
Gottorp  und  des  Prinzen  Friedrich  von  Hessen-Cassel,  sind  in  glei¬ 
cher  Weise  langathmig  und  äusserst  ermüdend  für  die  Zuschauer. 


192 


Nichts  ist  deshalb  leichter  zu  begreifen,  als  der  Beifall,  mit  welchem 
die  in  die  »serieuse  Materie«  eingeschobenen  Harlekinscenen  vom  da¬ 
maligen  Publikum  aufgenommen  wurden.  Sie  waren  gleichsam  eine 
Belohnung  für  die  harte  Geduldsprobe,  eine  belustigende  Entschädi¬ 
gung  für  die  langweiligen  Auseinandersetzungen  und  die  endlosen 
Lamentationen  und  Todesklagen  an  der  Leiche  des  Königs. 

Wie  in  den  meisten  Haupt-  und  Staatsaktionen,  so  waren  auch 
in  dieser  die  Z wisch enscenen  des  Harlekins  nur  in  allgemeinen  Um¬ 
rissen  angegeben.  In  welcher  Art  dies  geschah,  mag  hier  durch 
ein  paar  Proben  aus  der  Anhalt-Zerbster  Handschrift  klar  gemacht 
werden.  Am  Schluss  des  ersten  Aktes  bildet  sich  folgende  An¬ 
weisung  : 

»Seena  4.  Arlequin  will  die  Plapperliese  heirathen.  Lieutnant 
will  nicht,  es  würde  sich  schön  schicken;  sie  reissen  ihn  beide 
herum;  endlich  beüehlt  der  Lieutnant,  er  solle  sich  Marsch  fertig 
machen ;  alle  ab.« 

Nachdem  sich  im  dritten  Akte  die  drei  ersten  Scenen  politi¬ 
schen  Inhalts  abgespielt  haben,  kommt  die  folgende  Anordnung  für 
das  Zwischenspiel: 

»Mittel  auf;  (das  heisst  die  den  äusseren  Schauplatz  abschliessende 
Gardine  wird  in  die  Höhe  gezogen)  Markedänerin ;  es  wird  von  Sol¬ 
daten  gegessen  und  getrunken  dazu. 

Seena  5.  Arlequin  als  Dragoner  gekleidet,  prudalisiret,  will 
nichts  bezahlen,  es  stünde  mit  in  seiner  Capitulation,  Markedänerin 
will  bezahlt  sein,  giebt  ihm  eine  Ohrfeige.  Arlequin  zieht  den  Degen, 
Markedänerin  schreit.  Arlequin  erschrickt,  lässt  ihn  fallen,  sie  nimmt 
den  Degen  und  will  Arlequin  erstechen,  solcher  schreit,  sie  erschrickt 
und  lässt  den  Degen  ebenfalls  fallen;  endlich  schmeisst  Arlequin 
Töpfe  und  Alles  in  Stücken.  Ab.« 

Im  letzten  Akte  lautet  die  Vorschrift  für  die  »Seena  9.  Arle¬ 
quin  am  Spiess,  Plapperliese  hängt,  Arlequin  nimmt  von  Bier  und 
Brandtewein  haussen  Abschied.  Mittel-Gardine  zu.«316 

Diese  Anweisung  deutet  auf  die  damals  gebräuchliche  Ein- 
theilung  der  Bühne  in  einen  äusseren  und  inneren  Schauplatz,  wie 
das  häuhge  Erscheinen  allegorischer  und  Göttergestalten  in  den 
Wolken  aut'  die  alte  Anwendung  einer  Flugmaschine  hin,  die  aber 
auch  sehr  liäuüg  beim  plötzlichen  Verschwinden  des  Harlekin  dien¬ 
lich  sein  musste. 

Der  vierte  Zettel,  ebenfalls  die  Ankündigung  einer  Haupt-  und 
Staatsaktion,  fand  besonders  Avegen  des  Vorberichts  hier  Aufnahme, 
welcher  von  Wallerotty  für  die  Ankündigungen  stets  sehr  ausführlich 
und  originell  ausgearbeitet  wurde. 

Wallerotty  brachte  nur  Avenige  Stücke,  wie  er  sagte,  »nach  den 
wahren  theatralischen  Regeln«  auf  seine  Bühne.  Geschah  es  aber 
einmal,  Avie  bei  der  Vorstellung  von  »Cato«,  von  »Roderich  und 


193 


Cliimene«  und  dem  »Poetischen  Dorfjunker«,  dann  bemerkte  er  stets 
als  etwas  ganz  Absonderliches  auf  dem  Zettel,  dass  »diese  regel¬ 
mässigen  Materien  Wort  für  Wort,  wie  vorgeschrieben,  produciret 
werden  sollten«. 

Der  Harlekin,  der  ein  paar  Jahre  früher  von  der  Ne  uh  er  in  nur 
noch  aus  gewissen  Rücksichten  auf  der  Frankfurter  Schaubühne  ge¬ 
duldet  worden  war,  er  spielte  jetzt  mit  seinen  tollen  Genossen  und 
Genossinnen  wieder  die  grösste  Rolle  auf  derselben.  Scaramuz  und 
Scaramuza,  Crispin  und  Crispina,  Hanswurst  und  Colombine,  Scapin 
und  Scapina,  Pantalon  und  Harlekin etta,  alle  erschienen  in  seinem 
Gefolge  und  entzückten  das  Publikum  im  Wallerotty 'sehen  Musen¬ 
tempel  ebenso  sehr  durch  ihre  komischen  Masken,  als  durch  ihre 
lustigen  und  derben  Schwänke. 

Einer  der  Schauspieler  Wallerotty ’s  hatte  sich  sogar  einen  eig¬ 
nen  komischen  Charakter  geschaffen,  mit  dessen  Darstellung  er,  wie 
ein  Jahr  früher  in  Wien,  auch  in  Frankfurt  die  grössten  Erfolge 
erzielte.  Es  war  der  unter  seinem  Theaternamen  Monsieur  Bernardon 
verschieden  tlich  auf  den  Programmen  erwähnte  Joseph  Kurz,  der 
ein  Vierteljahrhundert  später  als  angesehener  Wanderprincipal  für  die 
Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  eine  grosse  Bedeutung  gewinnen 
sollte.  Die  von  diesem  jugendlichen  Schauspieler  dargestellte  komi¬ 
sche  Figur  »Bernardon«  war  eine  Art  Scapin,  ein  liederlicher,  dummer, 
tölpischer  Bursche,  der  trotz  dieser  schlechten  Eigenschaften  sich  über¬ 
all  mittelst  einer  gewissen  Verschmitztheit  durchhalf.  Im  Verein  mit 
der  jugendlichen  Frau  Nuth,  der  ersten  Darstellerin  der  Gesellschaft, 
und  deren  bereits  genanntem  Gatten,  dem  Harlekin  Franz  Anton  Nuth, 
leistete  Kurz-Bernardon  in  den  komischen  Zwischenspielen  der  Haupt- 
und  Staatsaktionen  und  in  der  Stegreifkomödie  ganz  Vortreffliches. 
Das  Glück  der  Wallerotty 'sehen  Bühne  beruhte  hauptsächlich  auf 
dem  komischen  Talent  dieser  drei  Künstler,  deren  Zusammenspiel 
den  Unwerth  der  Stücke  gänzlich  vergessen  machte. 

Die  Befähigung  der  Frau  Nuth  war  durch  die  Darstellung 
lustiger  Rollen  nicht  erschöpft,  sie  besass  auch  neben  einer  gut  ge¬ 
schulten  schönen  Stimme  vollkommene  Kenntniss  der  italienischen 
Sprache,  welche  ihr  den  Vortrag  der  vielfach  eingelegten  italienischen 
Arien  möglich  machte.  Ausser  den  genannten  Mitgliedern  stellte 
die  Familie  Wallerotty  ein  ziemlich  starkes  Kontingent  zu  dem  En¬ 
semble  der  Truppe.  Der  Principal  spricht  einmal  von  fünf  dieser 
Familie  angehörenden  Personen,  die  auf  dem  Theater  in  der  Bocken- 
heimergasse  tüchtig  mitwirkten.317  Dies  war  jedenfalls  er  selbst, 
seine  Frau,  zwei  Töchter  —  Demoiselle  Wallerotty  die  ältere  und  die 
jüngere  —  und  eine  Schwester  der  Principalin,  die  das  Fach  der  tragi¬ 
schen  Liebhaberinnen  inne  gehabt  zu  haben  scheint. 

Durch  die  Klage  eines  hiesigen  Gastwirths  wegen  einer  ihm 
versprochenen,  aber  nicht  geleisteten  Zahlung  erfahren  wir  auch  noch 

13 


194 


die  Namen  von  einigen  andern  Mitgliedern  des  Wallerotty’schen 
Theaters,  deren  mehr  untergeordnete  künstlerische  Bedeutung  das 
Aufzeichnen  nicht  nöthig  macht.  Hier  werde  nur  der  Ballet¬ 
meister  der  Truppe,  ein  Monsieur  le  Breun,  und  die  »premiere 
Agentin  im  Danz«,  eine  gewisse  Mademoiselle  Amely,  erwähnt,  die 
im  Schuldenmachen  grösser  gewesen  zu  sein  scheint,  wie  in  ihrer 
Kunst. 

Ueberhaupt  standen  die  hochdeutschen  Komödianten  in  Hin¬ 
sicht  auf  ein  flottes  Leben  und  sorgloses  Borgen  ihren  französischen 
Kollegen  nicht  im  geringsten  nach.  Auch  Waller otty  musste  oft 
wegen  seines  Standgeldes  gemahnt  werden,  obschon  er,  wie  ein  Mit¬ 
glied  des  Raths  in  einer  Sitzung  äusserte,  »die  fürtrefflichsten  Ein¬ 
nahmen  von  der  Welt  hatte«. 

Der  freigebige  Graf  von  Montijo,  der  am  Vorabend  des  Namens¬ 
tages  der  Königin  Elisabeth  von  Spanien  (18.  November  1741)  zum 
allgemeinen  Besten  auch  für  freien  Eintritt  in  die  deutsche  Komödie 
gesorgt  hatte,  bezahlte  diese  allerdings  mit  Illuminationen  und  vielen 
Ausschmückungen  bereicherte  Festvorstellung  derartig,  dass  die  ge¬ 
summte  Gesellschaft  schon  davon  hätte  eine  Zeitlang  leben  können. 

Aber  ungeachtet  der  besten  Einnahmen  war  Wallerotty,  gleich 
den  beiden  Leitern  der  französischen  Truppe,  stets  in  Geldverlegen¬ 
heit.  »Die  herrschenden  Tagesstimmungen  theilen  sich  allen  Ständen 
mit« ;  dieser  Ausspruch  Goethe’s  passt  auch  auf  das  Frankfurter 
Komödiantenleben  vor,  während  und  nach  der  Wahl  und  Krönung 
Karl’s  Vn.;  denn  das  allgemein  heitere  und  flotte  Leben  steckte 
auch  die  Schauspieler  an,  so  dass  die  besten  Einnahmen  nicht  aus¬ 
reichten,  um  die  zalilreichen  Tages Vergnügungen  ohne  bittere  Nach¬ 
wehen  gemessen  zu  können. 

Maskenbälle  hielt  man  in  der  deutschen  Komödienhütte  nicht 
ab,  aber  statt  deren  müssen  in  den  Wintermonaten  nach  dem  Schluss 
des  Theaters  mitunter  gesellige  Zusammenkünfte  stattgefunden  haben, 
die  jungen  Leuten  Gelegenheit  zu  Liebeshändeln  boten.  Bei  einer 
solchen  verliebte  sich  nämlich  auch  der  Sohn  einer  hiesigen  an¬ 
gesehenen  Familie  derartig  in  eine  bereits  mit  einem  ihrer  Kollegen 
verlobte  Wallerotty ’sche  Schauspielerin,  dass  sich  auf  dem  lustigen 
Schauplatze  des  Harlekins  fast  eine  wirkliche  tragische  Hauptaktion 
ohne  heitere  Zwischenscenen  abgespielt  hätte.318 

Solche  Vorgänge  und  noch  manche  andere  von  den  beiden 
Bühnen  ausgehende  sittengefährdende  Einflüsse  waren  gerade  nicht 
geeignet,  die  alte  Abneigung  der  Geistlichkeit  gegen  das  Theater  als 
unberechtigt  erscheinen  zu  lassen.  Wie  in  vielen  andern  deutschen 
Städten,  so  war  es  auch  in  Frankfurt  in  dieser  Epoche  das  Schicksal 
der  dramatischen  Kunst,  wegen  der  unedlen  Nebenzwecke  ihrer  Ver¬ 
treter  in  ihrer  hohen  idealen  Aufgabe  gänzlich  verkannt  zu  werden. 
Wenn  man  nun  dabei  noch  den  niedrigen  Kunststandpunkt  der 


195  - 


meisten  deutschen  Wandertruppen  in’s  Auge  fasst,  so  kann  man  die 
häufigen  Warnungen  des  Frankfurter  Prediger-Ministeriums  vor  dem 
Besuch  des  Theaters  in  der  That  nicht  zelotische  Ereiferungen  oder 
pietistisch-engherzige  Angriffe  nennen.  Aber  weder  das  bessere  noch 
das  geringere  Publikum  kehrte  sich  an  diese  fortgesetzten  Ermah¬ 
nungen,  es  strömte  nach  wie  vor  in  die  beiden  bretternen  Musen¬ 
tempel. 

Da  weder  Wallerotty  noch  Gherardi  trotz  der  einflussreichsten 
Fürsprache  wegen  der  Feuergefährlichkeit  Erlaubniss  bekommen  hat¬ 
ten,  in  den  Hütten  Oefen  zu  errichten,319  so  nahmen  die  Zuschauer 
sich  heisse  Krüge,  Wärmsteine  und  sonstige  Hülfsmittel  zum  Schutz 
gegen  che  Kälte  in  die  beiden  Bretterbuden  mit.  Denn  wenn  die¬ 
selben  auch  vermittelst  Böhrenleitungen  von  ausserhalb  stehenden 
Maschinen  durchwärmt  werden  sollten,  so  war  die  Heizung  doch  so 
mangelhaft,  dass  man  sich,  wie  ein  Graf  Pappenheim  zum  jüngeren 
Bürgermeister  sagte,  »zu  Tod  erkeisen  konnte«.  Als  nun  das  städti¬ 
sche  Bauamt  das  Setzen  von  Oefen  durchaus  nicht  gestattete,  er¬ 
laubte  der  Bath  wenigstens  einem  Gastwirth  Truschet  (Truchet),  an  das 
bretterne  Komödienhaus  der  hochdeutschen  Komödianten  eine  Neben¬ 
hütte  aufzubauen  und  darin  allerlei  warme  Getränke  feilzuhalten. 
Diese  Einrichtung  zog  so  viel  Zuschauer  in  das  deutsche  Theater, 
dass  Wallerotty  den  im  März  anbefohlenen  Abbruch  dieser  Hütte 
mit  allen  möglichen  Einwendungen  zu  verhindern  suchte.320 

Nach  Entrichtung  des  rückständigen  Standgeldes  wurde  Walle¬ 
rotty  ohue  weiteres  gestattet,  seine  Schauspiele  bis  Ende  Mai  1742 
fortsetzen  zu  dürfen.  Als  dieser  Zeitpunkt  herannahte,  suchte  es  der 
Principal  der  hochdeutschen  Komödianten  durch  die  Fürsprache  seiner 
Gönner  so  weit  zu  bringen,  dass  er  nicht  allein  im  Voraus  die  Zu¬ 
lassung  für  die  Herbstmesse,  sondern  auch  die  Vergünstigung  er¬ 
hielt,  seine  Hütte  bis  dahin  stehen  zu  lassen.321  Wenn  er  aber 
auch  eine  Supplikation  nach  der  andern  einreichte  und  sein  Stand¬ 
geld  pünktlicher  als  je  bezahlte,  so  befahl  dennoch  der  Bath  den 
Abbruch  der  Hütte  und  Hess  alle  seine  weiteren  Eingaben  unberück¬ 
sichtigt.  Diese  Hartnäckigkeit  scheint  dem  Wallerotty  wenig  Bürg¬ 
schaft  für  eine  spätere  Wiederannahme  geboten  zu  haben,  denn  er 
blieb  nicht,  wie  beabsichtigt,  den  Sommer  über  mit  seiner  Truppe 
in  Frankfurt  und  kehrte  auch  in  der  Herbstmesse  nicht  hierher 
zurück. 

Wallerotty  zahlte  während  seines  mehr  als  einjährigen  Aufent¬ 
haltes  der  Stadt  Frankfurt  im  Ganzen  808  Gulden  Standgeld. 
Ausser  den  Einnahmen  von  der  deutschen  und  französischen 
Komödie  hatte  die  Stadt  aber  auch  noch  anderen  Vortheil  von 
beiden  Theatern.  Es  wurde  das  eingenommene  Geld  grösstentheils 
wieder  umgesetzt  und  eine  Menge  reicher  Fremden  herbeigezogen, 
die  nach  der  Meinung  eines  Senatsmitgliedes  ohne  den  Genuss  der 

13* 


196 


Komödie  auch  in  jeder  anderen  Stadt  ihr  Vergnügen  hätten  finden 
können. 

Ehe  der  Bericht  über  das  Frankfurter  Bühnenleben  dieses 
wichtigen  Jahres  geschlossen  wird,  soll  noch  eine  Mittheilung  Walle¬ 
rotty ’s  aus  einer  seiner  Supplikationen  Erwähnung  finden,  welche 
einigermassen  Aufschluss  über  den  Gagenetat  eines  damaligen  be¬ 
deutenden  Wanderprincipals  giebt.  Wallerotty  zahlte  dem  »Premier 
Agenten  und  der  Premiere  Agentin«  seiner  Truppe  wöchentlich  die 
nach  seiner  Meinung  ausserordentlich  hohe  Summe  von  beinahe 
6  Thalern,  wonach  sich  einigermassen  die  geringeren  Gehalte  für  das 
übrige  Personal  und  die  ausserordentliche  Monatsausgabe  eines  der¬ 
zeitigen  Bühnenleiters  berechnen  lassen. 

Das  französische  Theater,  als  eigentlicher  Kunsttempel  der 
höchsten  und  allerhöchsten  Herrschaften,  zahlte  selbstverständlich 
seinen  Mitgliedern  noch  viel  höhere  Gagen.  Auch  hatten  Gherardi 
und  Seriny  mehr  Ausgaben  für  das  Kostüm,  das  jedesmal  der  Zeit 
und  Nationalität  der  dargestellten  Personen  entsprechend  sein  musste. 
Bei  Wallerotty  traten  die  Helden  des  Alterthums,  der  mittleren  und 
neueren  Geschichte  in  dem  pomphaftesten  Flitterkram  und  den  un¬ 
geheuerlichsten  Anzügen  auf.  —  »Es  war  ein  Gottesglück«,  schrieb 
ein  Augenzeuge,  der  sicher  Gottsched’s  Ansichten  über  die  Kostüm¬ 
reformen  theilte,  »dass  die  hohen  abgeschiedenen  Geister  ihre  auf¬ 
getakelten  Zerrbilder  nicht  sehen  konnten ;  sie  wären  sonst  noch 
einmal  vor  Schrecken  über  sich  selbst  verschieden  und  hätten  sicher 
den  Teufel  hinter  einen  Poeten  gehetzet,  wenn  er  incliniret  gewesen 
wäre,  sie  in  einer  Comödia  oder  Tragödia  auf  dem  Theatro  zu  ver¬ 
ewigen.«322 

HI. 

Von  einem  öfters  vermutheten  Aufenthalt  der  Neuberin  in 
Frankfurt  im  November  1742  liess  sich  in  den  Akten  keine  Spur 
auffinden.  Auch  die  Bechenbücher  der  alten  Keichsstadt,  die  un¬ 
trüglichen  Beweismittel  bei  derartigen  zweifelhaften  Angaben,  haben 
aus  dieser  Zeit  keine  Zahlung  der  Neuberin  aufzuweisen.  Geringe 
finanzielle  Erfolge  in  Frankfurt  können  also  nicht,  wie  man  an  nimmt, 
den  tiefen  Unmuth  und  Theaterüberdruss  noch  gesteigert  haben,  der 
sich  der  Neuberin  über  ihre  schlechten  Einnahmen  in  der  Oster¬ 
messe  und  im  Sommer  1742  in  Leipzig  bemächtigte  und  so  viel 
zur  Auflösung  ihrer  Truppe  im  folgenden  Jahre  beitrug.  Die 
mittlerweile  durch  das  Fehlschlagen  vieler  schöner  Hoffnungen  ver¬ 
zweifelnde  Frau  hatte  an  der  letzten  traurigen  Erfahrung  in  Leipzig 
genug,  wo  die  mannichfaltigsten  bitteren  Erlebnisse  höchst  nieder¬ 
drückend  auf  sie  eingewirkt  hatten.  Besonders  war  dies  durch  das 
Erscheinen  eines  ihr  ganzes  Leben  und  Streben  in  den  Schmutz 


197 


der  gemeinsten  Verläumdung  hinabziehendes  »Heldengedicht«  von 
F.  S.  Mayer  geschehen.323 

Erst  im  Herbste  1745,  als  sie  ein  Jahr  früher  die  Principal- 
schaft  aufs  Neue  übernommen  hatte,  kam  die  Neuberin  wieder  nach 
Frankfurt,  nachdem  sie  sich  schon  im  Juli  mit  Hülfe  ihrer  uneigen¬ 
nützigen  Förderer,  Benjamin  Metzler  Söhne,  vom  Bathe  die  Zulassung 
für  die  Wahl-  und  Krönungszeit  Franz  I.  verschafft  hatte.  Schon 
einige  Monate  früher  hatte  aber  auch  ihr  eifrigster  Gegner,  der  Kur- 
sächsische  Hofkomödiant  Joseph  Ferdinand  Müller,  Schwiegersohn 
der  Elenson-Haack-Hoffmann,  Aufnahme  gefunden,324  dessen  Theater 
vorweg  den  gelegensten  Platz  auf  dem  Iiebfrauenberge  bekam. 

Fast  gleichzeitig  mit  der  Neuberin  wurde  durch  den  sächsischen 
Gesandten  Grafen  von  Schönberg  brieflich  und  mit  den  besten  Em¬ 
pfehlungen  die  italienische  Operistengesellschaft  von  Petrus  Migotti 
(Mingotti)  angemeldet,  welche  in  der  Ostermesse  1745  mit  grossem 
Erfolge  in  Leipzig  gespielt  hatte.325  Ferner  erhielten  auf  allerhöchste 
Fürbitte  für  die  Wahl-  und  Krönungszeit  auch  noch  der  berühmte 
italienische  Pantomimenspieler  Nicolini  mit  seiner  grösstentheils  aus 
Kindern  imd  kaum  Erwachsenen  bestehenden  Truppe,  dann  der 
kühne  pantomimische  Seiltänzer  Hyacinthe  Riccio  mit  seinen 
Acteurs  und  Actricen  und  endlich  die  Marionettenspieler  Eberhard 
Mayer,  Jacob  Salier  und  Matthäus  Buschmann  die  gewünschte  Spiel- 
erlaubniss. 

Auf  die  in  den  Annalen  des  Frankfurter  Theaters  leer  geblie¬ 
benen  Blätter  der  Jahre  1743  und  1744  folgte  also  durch  die  Wahl 
und  Krönung  Franz  I.  ein  an  mancherlei  Bühnen erlebnissen  reiches 
Kapitel. 

Die  Wirksamkeit  der  Neuberin,  deren  Stern  auch  unter  »den 
Strahlen  der  neu  aufgehenden  Reichssonne«  seinen  alten  Glanz  nicht 
wieder  erhalten  konnte,  sollte  durch  das  Zusammentreffen  der  ver¬ 
schiedensten  hinderlichen  Umstände  und  die  gefährliche  Konkurrenz 
mit  Müller  und  Nicolini  nur  von  sehr  geringem  Erfolg  begleitet 
sein.  Die  schon  oft  enttäuschte  Frau  schien  nur  zu  neuen  bitteren 
Erfahrungen,  zur  Bestätigung  der  abermaligen,  schon  früher  erkann¬ 
ten  Wahrheit  nach  Frankfurt  gekommen  zu  sein,  dass  ihre  Zeit  vor¬ 
über,  dass  sie  zu  alt  geworden  sei,  um  für  ihre  geläuterte  Kunst¬ 
richtung  mit  Aussicht  auf  Erfolg  gegen  den  grossen  Anhang  des 
Harlekin  weiter  kämpfen  zu  können.  Das  Schicksal,  das  ihr  schon 
einmal  das  Banner  aus  den  Händen  genommen  hatte,  wollte  ihr 
nicht  mehr  durch  freudige  Erlebnisse  in  Frankfurt  den  Glauben  an 
eine  bessere  Zukunft  erwecken. 

Einigen  Aufschluss  über  den  diesjährigen  Aufenthalt  der  Neu¬ 
berin,  sowie  über  die  hiesigen  Bühnen  Verhältnisse  während  der  Wahl 
und  Krönung  Franz  I.  überhaupt  erhalten  wir  aus  folgendem  Briefe 
des  später  berühmt  gewordenen  geistreichen  Schriftstellers  Friedrich 


198 


Melchior  Freiherrn  von  Grimm,  der  sich  im  Gefolge  des  sächsischen 
Gesandten  Grafen  von  Schönberg  befand  und  am  11.  October  1745 
von  Frankfurt  aus  an  Gottsched  berichtete: 

»Die  Frau  Neuberin  fängt  ihre  Sachen  allezeit  sehr  listig  an. 
Sie  sitzt  bereits  volle  drey  Wochen  mit  ihrer  ganzen  Bande  liier 
und  hat  noch  kein  Stück  aufgeführet.  Heute,  höre  ich,  wird  sie  ihre 
Bühne  mit  dem  Britannicus  eröffnen,  und  in  6  Tagen  sind  der  Hof 
und  alle  Gesandtschaft ichen  Gefolge  weg,  aldan  ist  Geld  zu  ver¬ 
dienen.  Sie  hat  sich  eine  Bude  gebauet,  welche  sie  nicht  eher  hat 
können  zu  Stande  bringen,  obgleich  ihr  Herr  Gemahl  einige  Wochen 
vorher  hier  war,  Anstalten  vorzukehren.  Ich  befürchte,  dass  sie 
grossen  Schaden  haben  wird.  Der  Pöbel  läuft  zur  Müller’schen 
Bande.  Was  aber  vornehm  ist,  geht  in  die  Pantomime  (des  Nicolini). 
Diese  wird  von  lauter  Kindern  von  12 — 16  Jahren  aufgeführt  und 
ist  sehr  artig,  die  Verzierungen  aber  vom  Theater  prächtig  und  viel¬ 
fältig.  Diese  Leute  ziehen  auch  den  grössten  Gewinnst. 

Ueherdies  sind  die  Operisten  hier,  welche  an  der  letzten  Oster¬ 
messe  zu  Leipzig  gewesen.  Unsere  Gräfin  von  Schönberg  ist  vorige 
Woche  krank  geworden.  Auch  das  thut  der  Neuberin  Schaden  und 
benimmt  mir  die  Hoffnung,  dass  wir  ihr  Favorit-Stück,  die  Haus¬ 
französin,  werden  zu  sehen  bekommen.«326 

Als  Grimm  diesen  Brief  schrieb,  hatte  er  keine  Ahnung  von 
den  Schwierigkeiten,  mit  welchen  das  Ehepaar  Neuber  beim  Auf¬ 
richten  seiner  Hütte  kämpfen  musste.  Anfangs  wurde  ihm  von  dem 
Bauamt  gestattet,  die  Bude  in  der  hintersten  Allee  (heutiger  Goethe¬ 
platz)  aufzubauen,  als  aber  der  Riss  derselben  übergeben  worden 
war,  machte  das  Bauamt  den  Rath  darauf  aufmerksam,  dass  doch 
wohl  durch  die  Aufrichtung  der  Hütte  ein  in  vielen  Jahren  nicht 
zu  ersetzender  Schaden  verursacht  werden  könne.327  Es  wurden 
nun  verschiedene  andere  Orte  in’s  Auge  gefasst,  da  aber  überall  die 
Umwohner  eine  Komödienhütte  nicht  dulden  wollten,  nach  vielen 
Verhandlungen  endlich  ein  Platz  unweit  der  Konstabler  Wache  dicht 
neben  dem  Zeughause  festgesetzt. 

Ueber  alle  diese  Hindernisse  war  aber  der  Neuberin  die  beste 
Zeit  verloren  gegangen.  Müller,  dessen  Bühne  während  der  Wahl 
und  Krönung  Franz  I.  ungefähr  dieselbe  Stellung  einnahm,  wie 
früher  Wallerotty’s  Theater,  hatte  schon  das  gewöhnliche  Publikum 
durch  seine  Harlekinaden  und  niedrigen  Possenspiele  für  sich  ge¬ 
wonnen,  Nicolini  war  bereits  mit  seinen  prächtig  ausgestatteten  Panto¬ 
mimen  der  Liebling  der  hohen  Herrschaften,  und  Petrus  Migotti 
(Mingotti)  der  Begünstigte  der  Musikfreunde  geworden,  als  die  Neu¬ 
berin  nach  beendigter  Wahl  und  Krönung  (13.  September  und 
4.  October)  am  11.  October  ihre  mit  vielen  prächtigen  Verzierungen 
und  guten  Einrichtungen  aufgebaute  Hütte  mit  dem  in  Frankfurt 
früher  sehr  beliebten  Drama  »Britannicus«  und  einem  vorauf  gehen- 


-  199 


den  Schäferspiel  eröffnete.  Schon  am  ersten  Abend  aber  sollte  sie 
das  fast  gänzlich  leer  gebliebene  Haus  darüber  aufklären,  dass  sie 
neben  solchen,  dem  allgemeinen  Tagesgeschmack  huldigenden  Rivalen 
in  Frankfurt  für  ihre  gereinigte  Schaubühne  keinen  festen  Boden 
mehr  gewinnen  konnte. 

Auch  beim  Fortgang  der  Vorstellungen  steigerte  sich  der  Be¬ 
such  des  Theaters  nur  in  sehr  geringem  Maasse.  Ihre  Anhänger 
förderten  zwar  die  Neuberin  so  viel  sie  vermochten,  aber  was  war 
das  verhältnissmässig  kleine  Häuflein  der  Getreuen  und  Kunstver¬ 
ständigen  gegen  die  Menge  des  Publikums,  welche  sich  bei  Nicolini 
an  den  Pantomimen  und  Kinderballetten  und  bei  Müller  an  den 
derben  Spässen  des  Harlekins  und  seines  lustigen  Gefolges  ergötzte? 
Was  half  es  der  Neuberin,  dass  sie  —  um  ihr  Theater  populärer 
und  anziehender  zu  machen  —  meistens  Lustspiele  von  Moliere, 
Regnard,  Destouches  und  Mariveaux  zur  Aufführung  brachte?  Was 
nützte  es  ihr,  dass  sie  ihr  poetisches  Talent  zu  Hülfe  nahm  und  fast 
für  jede  zur  Darstellung  kommende  Tragödie  ein  neues  allegorisches 
Festspiel  zusammenstellte?  Sie  spielte  ja  meistens  doch  vor  leeren 
Bänken  und  konnte  im  ungleichen  Kampfe  mit  solchen  Rivalen  nur 
herabstimmende  Niederlagen,  jedoch  keinen  erhebenden  Sieg  erleben. 

Aber  gerade  dieses  Missgeschick  reizte  ihren  kühnen,  energi¬ 
schen  Geist  zu  hartnäckigem  Widerstreben.  Sie  wollte  ihren  Gegnern 
das  Feld  nicht  räumen,  wollte  in  Frankfurt,  wo  sie  vor  fast  einem 
Decennium  einer  edleren  Kunstrichtung  Eingang  verschafft  hatte,  die 
Erinnerung  an  ihr  früher  so  beifällig  aufgenommenes  Spiel  nicht 
durch  elende  Possen  und  fremden  Flitterkram  wieder  auslöschen 
lassen.  In  welcher  gereizten  Stimmung  sich  die  vom  verschieden¬ 
sten  Missgeschick  verfolgte  Frau  damals  in  Frankfurt  befand,  geht 
aus  verschiedenen  Eingaben  an  den  Rath  hervor,  in  welchen  sie 
denselben  um  Herabsetzung  ihres  Standgeldes  angeht.  Man  fühlt  den 
bitteren  Groll  und  die  heftige  Erregung  heraus,  welche  diese  Ge¬ 
suche  begleiteten,  man  nimmt  unwillkürlich  Antheil  an  dem  gekränk¬ 
ten  Stolz,  der  sich  nach  der  letzten  bitteren  Enttäuschung  wild  in 
ihrer  Seele  aufbäumte.  In  ihrer  traurigen,  unverschuldeten  Lage 
verzeiht  man  es  der  Neuberin  auch  gern,  dass  sie  nicht  ganz  sach¬ 
lich  blieb,  dass  sie  zuweilen  Seitenhiebe  auf  den  hiesigen  verdorbe¬ 
nen  Geschmack  austheilte  und  nach  ächt  frauenhafter  Art  den  Rath 
in  die  Mitwissenschaft  von  Dingen  zog,  die  er  eigentlich  gar  nicht 
hätte  zu  wissen  brauchen. 

Wenn  sich  auch  die  Neuberin  in  einzelnen  ihrer  Eingaben  ent¬ 
rüstet  und  aufgebracht  zeigte,  so  strömte  ihr  Herz  in  anderen  wieder 
voll  Dankbarkeit  für  ihre  unermüdlichen  Gönner,  besonders  für  die 
Vertreter  des  Handelshauses  Benjamin  Metzler  Söhne  über,  die  ihr 
und  ihrem  Manne  nicht  allein  mit  gutem,  werthvollem  Rath,  sondern 


200 


auch  mit  grossmüthiger  That  iu  gar  manchen  Nöthen  beigesprungen 
wären. 

Die  eingelegten  poetischen  Dankreden,  welche  die  Neuberin  in 
den  damals  hier  aufgeführten  allegorischen  Spielen  Melpomene  und 
Thalia  stets  an  ihren  Beschützer  Mercur  halten  liess,  sind  gewiss  als 
eine  verblümte  Huldigung  für  das  Handelshaus  Benjamin  Metzler 
Söhne  anzusehen,  ohne  dessen  grossmüthige  Unterstützungen  sie  nach 
eigenem  Geständniss  mit  bestem  Willen  und  Vermögen  während  dieses 
Aufenthaltes  in  Frankfurt  nicht  hätte  bestehen  können. 

Aber  bei  aller  freundlichen  Unterstützung  trug  die  Neuberin 
doch  noch  auf  doppelten  Schultern !  —  Sie  hatte  durch  das  Einrücken 
der  Preussen  in  Sachsen  (im  zweiten  schlesischen  Krieg  1744—1745) 
als  eine  Bewohnerin  der  Stadt  Leipzig  nicht  nur  einen  grossen  Schaden 
erlitten,  es  war  ihr  auch  für  den  Schluss  dieses  und  den  Anfang 
des  folgenden  Jahres  jede  Gelegenheit  zur  Wiederkehr  abgeschnitten 
worden.328  Auch  ihre  Komödianten,  über  die  Misserfolge  ebenfalls 
gekränkt  und  entmuthigt,  sehnten  sich  von  Frankfurt  fort,  wo  die 
meisten  bei  ihrer  ersten  Anwesenheit  sich  so  heimisch  und  glücklich 
gefühlt  hatten.  Wie  die  Principalin,  so  konnten  auch  sie  es  kaum 
ertragen,  dass  ihnen  die  fremden  Pantomimenspieler,  die  Operisten 
und  »das  Müller’sche  Komödiengesindlein«  fast  alles  Interesse  hinweg¬ 
gehascht  hatten. 

Und  doch  zählte  die  Neuber’sche  Bande  damals  noch  einen 
grossen  Theil  der  bedeutendsten  deutschen  Darsteller  und  Darstelle¬ 
rinnen  zu  ihren  Mitgliedern.  Kohlhardt  war  zwar  vor  einigen  Jahren 
gestorben,  Schönemann  hatte  eine  eigne  Gesellschaft  gegründet  und 
Heydrich  mit  seiner  Frau  Philippine  geh.  Tummler  unter  der  Prin- 
cipalschaft  der  Frau  Schröder  in  Hamburg  sein  Glück  versucht,  aber 
sonst  war  der  alte  Stamm  der  Truppe  bei  der  vor  einem  Jahre  er¬ 
folgten  Wiedererichtung  zu  gemeinsamem  Schaffen  aufs  Neue  zu¬ 
sammen  getreten. 

Die  Neuberin  hatte  auch  inzwischen  für  die  gestorbenen  und 
abgegangenen  Mitglieder  einen  einigermassen  guten  Ersatz  gefunden. 
Unter  dem  männlichen  Personal  sei  nur  Bruck,  früher  erstes  Mit¬ 
glied  der  Müller’schen  Gesellschaft,  ein  junger  talentvoller  Mann  aus 
Mühlberg  Namens  Klotsch  und  der  Studiosus  Wolffram  erwähnt,  der¬ 
selbe,  der  später  in  Lessings  erstem  Stück,  »Der  junge  Gelehrte«  die 
Titelrolle  mit  all  dem  Pedantismus  und  der  zutreffendsten  indivi¬ 
duellen  Beziehung  auf  Leipzig  so  erfolgreich  darzustellen  verstan¬ 
den  hat. 

Wichtiger  als  der  Beitritt  dieser  Mitglieder  erscheint  die  Ge¬ 
winnung  von  zwei  jungen  Künstlerinnen,  deren  bedeutende  Talente 
durch  die  Anleitung  der  Neuberin  zur  schönsten  Entfaltung  kommen 
sollten.  Die  eine  war  die  kaum  dem  Kindesalter  entwachsene  Tochter 
des  schon  früher  erwähnten  Ehepaares  Lorenz,  die  andere  die  schöne 


201 


Katharina  Magdalene  Kleefelder,  welche  sich  in  der  Folge  mit  Klotsch 
und,  nachdem  sie  diesen  1754  in  Breslau  durch  den  Tod  verloren 
hatte,  mit  dem  berühmten  Schauspieler  Brückner  verheirathete. 

In  einer  Vorstellung,  der  zärtlichen  Schwestern  von  Geliert, 
welches  Stück  jedenfalls  seines  Verfassers  wegen  in  Frankfurt  vor  einem 
zahlreicheren  Publikum  als  gewöhnlich  gespielt  und  später  wiederholt 
werden  musste,  thaten  sich  Demoiselle  Kleefelder  und  Demoiselle  Lorenz 
in  den  Titelrollen  ganz  besonders  hervor.  —  Wie  ein  Jahr  früher  in 
Leipzig  werden  die  beiden  Künstlerinnen  auch  Mer  dem  langweiligen 
moralisirenden  Ton  des  Stückes  durch  ihr  gewandtes  Spiel  und  frisches 
Wesen  eine  belebende  Kraft  verliehen  haben. 

Ob  die  Neuberin  in  jener  Zeit  auch  Gellerts  Betschwester  auf 
che  Frankfurter  Bühne  brachte,  lässt  sich  bei  den  Mangel  an  erhal¬ 
tenen  Theaterzetteln  nicht  feststellen.  Da  aber  das  Stück  vielfach 
geistliche  Anfeindungen  zu  ertragen  hatte,  und  der  grösste  Theil  ihrer 
damaligen  Frankfurter  Gönner,  wie  sie  selbst  sagte,  aus  wahrhaft 
frommen  Leuten  bestand,  so  möchte  man  fast,  glauben,  dass  sie,  um 
keine  Missverständnisse  zu  erregen,  von  der  Aufführung  des  genannten 
Lustspiels  Abstand  genommen  hat. 

Die  Spielart  und  das  Kostüm  der  Ke  ober 'sehen  Bande  waren 
sich  gleich  geblieben,  ihr  Repertoire  hatte  aber  durch  die  während 
des  letzten  Jahrzehnts  in  der  dramatischen  Literatur  erwachte  Be¬ 
wegung  vielfache  Bereicherung  erfahren.  Vor  Allem  waren  es  die 
Tragödien  und  Komödien  Elias  Schlegels:  »Die  Trojanerinnen«,  »Kanut«, 
»Hermann«,  »Der  geschäfftige  Müsiggänger«  und  »Der  Triumph  der 
guten  Frauen«,  die  zwar  nach  den  Regeln  der  französischen  Drama¬ 
turgie  abgefasst  waren,  aber  an  ächtem  Dichtergehalt,  an  wirksamem 
Aufbau  der  Sceuen,  die  zeitgenössischen  Werke  eines  Krüger,  Martin, 
Uhlich  u.  m.  a.  weit  überragten.  Wäre  die  Phantasie  Elias  Schlegels 
nicht  in  französische  Fesseln  geschlagen  worden,  sie  hätte  noch  sicher 
in  sich  die  Kraft  zu  bedeutenderen  literarischen  Werken  gefunden. 

Nach  einer  glaubwürdigen  Ueberlieferung  sind  »Kanut«,  »Her¬ 
mann«  und  »Der  geschäfftige  Müsiggänger«"  von  Elias  Schlegel  wäh¬ 
rend  dieses  letzten  Aufenthaltes  der  Neuberin  in  Frankfurt  von  ihr 
zur  Aufführung  gebracht  worden.  Auf  Grund  von  stückweise  er¬ 
haltenen  Theaterzetteln  steht  aber  die  Darstellung  des  schon  früher 
hier  aufgeführten  »Mithritades«  und  des  »Polyeuct«,  zu  welchen  beiden 
Stücken  der  Komponist  und  Schriftsteller  Joh.  Adolph  Scheibe  eine 
passende  Musik  für  die  Zwischenakte  geschrieben  hatte,  zweifellos 
fest.  Scheibe  ging  von  dem  Grundsatz  aus,  dass  die  vor  und  zwi¬ 
schen  den  Stücken  zu  spielende  Musik  dem  Inhalt  derselben  ent¬ 
sprechen,  und  dass  jedes  dramatische  Werk  eine  eigenartige  musika¬ 
lische  Begleitung  haben  müsse. 

Die  für  jede  edle  Kunstunterstützung  begeisterte  Neuberin  för¬ 
derte  diese  Idee,  was  ihr  aber  hier  ebenso  wenig  als  in  anderen 


202 


Städten  zum  besonderen  Vortheil  gereichen  sollte.  Sie  konnte  den 
Harlekin  nicht  vergessen  machen,  konnte  mit  dem  besten  Willen  eine 
Strömung  nicht  bemeistern,  die  Wallerotty  in  Frankfurt  wieder  in 
Fluss  gebracht  und  welche  an  Müller  einen  so  grossen  Förderer  ge¬ 
funden  hatte. 

Es  liegt  etwas  Grossartiges,  etwas  ßewundernswerthes  in  dem 
Widerstand,  mit  welchem  die  Neuberin  trotz  aller  Enttäuschungen 
auch  in  Frankfurt  gegen  ihr  immer  näher  kommendes  Schicksal  an¬ 
kämpfte.  —  In  ihrer  Notli  richtete  sie  sich  zwar  in  sofern  nach  den 
Neigungen  der  Menge,  als  sie  meistens  beliebte  Komödien,  wie  den 
»Tartütfe«  von  Moliere,  mit  recht  lustigen  Nachspielen  aufführte,  aber 
ihrem  Kunststandpunkt  wurde  sie  nicht  um  Haaresbreite  untreu;  der 
Harlekin  in  seiner  eigentlichen  buntscheckigen  Gestalt  wurde  von  ihr 
auf  den  Brettern  der  Frankfurter  Schaubühne  nicht  mehr  geduldet. 

Bald  sah  die  Neuberin  ein,  dass,  so  lange  Müller,  Nicolini  und 
Migotti  die  Lieblinge  des  Publikums  waren,  für  ihr  bestes  Wollen 
und  Vermögen  kein  Sternlein  mehr  zum  Leuchten  kommen  konnte. 
Sie  baute  deshalb  ihre  ganze  Hoffnung  auf  Müller ’s  und  Nicolini’s 
Weggehen,  welche  sich  beide  verpflichtet  hatten,  nach  Ablauf  der 
Wahl-  und  Krönungszeit  an  anderen  Orten  zu  spielen.  Nachdem  Müller 
vom  24.  September  bis  23.  October  unter  dem  grössten  Beifall  des 
Publikums  Harlekinaden  gegeben  und  der  Stadt  eine  Abgabe  von 
150  Gld.  gezahlt  hatte,  zog  er,  wie  Nicolini,  mit  gefüllter  Kasse  von 
Frankfurt  fort.  Der  Letztere  hatte  eine  solche  Einnahme,  dass  er 
ohne  den  geringsten  Widerspruch  für  jede  Vorstellung  10  fl.,  zusam¬ 
men  250  fl.  Standgeld  entrichtete. 

Petrus  Migotti,  der  bald  nach  Eröffnung  der  Neuber’schen 
Schaubühne,  einer  »hohen  Ordre«  folgend,  von  liier  fortging,  gab 
nur  zwölf  Vorstellungen  im  Schärfischen  Saale  auf  dem  Liebfrauen¬ 
berge,  die  aber  von  Kennern  als  vortreffliche  musikalisch-dramatische 
Leistungen  hingestellt  wurden.  Es  Hess  sich  nicht  ermitteln,  ob  seine 
später  sehr  berühmt  gewordne  Gattin,  Katharina  Regine,  geb.  1728 
zu  Neapel,  sich  schon  im  Jahre  1745  in  Frankfurt  hören  liess,  aber 
so  viel  steht  fest,  dass  er  zwei  sehr  vortreffliche  Sängerinnen  und 
einen  mit  grossem  Ruhm  genannten  Sänger  in  seiner  Truppe  hatte, 
deren  Namen  aber  wegen  der  mangelhaften  Quellennachrichten  nicht 
ausfindig  zu  machen  waren. 

Ende  October  1745  waren  alle  Komödianten  mit  Ausnahme 
der  Neuberin  wieder  abgereist,  und  nun  suchte  diese  sich  in  der  festen 
Hoffnung,  das  Publikum  in  Frankfurt  wieder  für  sich  gewinnen  und 
die  gehabten  Verluste  decken  zu  können,  am  2.  November  die  Er¬ 
laubnis  zu  erwirken,  den  ganzen  Winter  über  ihre  Komödien  auf¬ 
führen  zu  dürfen.  Aber  welche  eindringlichen  Gründe  sie  auch  für 
ihre  Bitte  vorbrachte,  wie  überzeugend  sie  auch  die  Noth wendigkeit 


203 


eines  so  grossen  Begehrens  dahinzustellen  suchte,  der  Rath  verlän¬ 
gerte  ihre  Spielzeit  dennoch  nur  um  vier  Wochen.329 

Es  war  eine  neue  Zeit  voll  Sorgen  und  bitteren  Enttäuschungen, 
ein  wahres  Martyrium  in  niederdrückenden  Verhältnissen,  welche 
die  merkwürdige  Frau  durch  die  Hinausschiebung  ihres  festgesetzten 
Termins  zu  ertragen  hatte.  Vom  Publikum  im  Stich  gelassen,  vom 
Unmuth  ihrer  Darsteller  gequält,  von  ihren  Gläubigern  in  die  Enge 
getrieben,  stand  sie  da  wie  ein  gegen  gewaltige  Mächte  vergebens 
ankämpfender  Streiter.  Es  ist  die  Art  wahrhaft  edler  und  grosser 
Naturen,  durch  Widerstand  und  Verfolgung  zu  erhöhter  Kampfes¬ 
lust  für  ihre  Bestrebungen  angespornt,  zu  werden,  —  so  erging  es 
auch  der  Neuberin  in  Frankfurt.  —  Sie  folgte  dem  Rathe  verschie¬ 
dener  Freunde  und  Gönner  nicht,  die  ihr,  des  besseren  Erwerbes 
willen,  zur  Wiederaufnahme  des  Harlekins  riethen,  sie  behielt  ihre 
oppositionelle  Stellung  gegen  den  Geschmack  des  Publikums  bei  und 
blieb  mit  einer  reckenhaften  Standhaftigkeit  ihrer  besseren  Ueber- 
zeugung  treu.  Die  Sorgen  und  traurigen  Erlebnisse,  die  nun  wie 
ein  Unwetter  auf  sie  einstürmten,  sind  deshalb  als  das  ganz  natür¬ 
liche  Ergebniss  dieses  edlen  Starrsinns  anzusehn.  Gedrängt  von  ihren 
Gläubigern,  besonders  von  dem  hiesigen  Holzhändler  Tabor,  dem 
Zimmermeister  Koch  und  der  Wittwe  des  Gastwirths  Rngel,  bei  der 
sie  selbst  nebst  verschiedenen  ihrer  Mitglieder  wohnte,  trug  die  Neu¬ 
berin  am  2.  December  1745  dem  Rath  die  Bitte  vor,  noch  einige 
Zeit  und  auch  die  nächste  Ostermesse  hier  spielen  zu  dürfen.  Sie 
erinnert  wieder  an  ihr  Missgeschick,  dass  während  der  Wahl  und 
Krönung  Franz  I.  andere  den  Profit,  sie  aber  den  Schaden  gehabt, 
sie  giebt  dem  Rath  zu  bedenken,  dass  sie  auch  fernerhin  »trotz  der 
betrüblichsten  Aussicht  keine  Zotten  oder  Possen,  sondern  moralische 
Stücke  aufzuführen  willens  sei«.  —  Unterstützt  wurde  ihr  letztes 
Gesuch  durch  eine  besondere  Eingabe  der  genannten  Gläubiger,  die 
vom  Rathe  dringend  Beistand  zur  Erlangung  ihres  nöthigen  Eigen¬ 
thums  begehrten.330 

Aber  es  waren  nur  noch  wenige  hohe  Herrschaften  in  Frank¬ 
furt,  so  dass  der  Rath  in  Rücksicht  auf  die  Abmahnungen  der  Geist¬ 
lichkeit  wenige  Wochen  vor  Weihnachten  die  Fortführung  einer 
Schaubühne  nicht  gestatten  konnte.  Die  beiden  Gesuche  wurden  des¬ 
halb  abgeschlagen  und  der  Neuberin  anbefohlen,  Montags  den  6. 
December  unfehlbar  den  Anfang  mit  Abbrechung  ihrer  Hütte  zu 
machen.  Mit  ihrer  Bitte  um  die  Spielerlaubniss  für  die  Ostermesse 
wurde  sie  einstweilen  zur  Geduld  verwiesen.331 

Auf  diesen  für  sie  in  ihrer  traurigen  Lage  furchtbar  nieder¬ 
schmetternden  Bescheid  erhob  die  Neuberin  zwar  Widerspruch,  der 
aber  nicht  die  geringste  Berücksichtigung  fand. 

Sie  reichte  deshalb  den  Bürgermeistern  Frankfurts  noch  eine 
Bittschrift  ein,  worin  sie  sagte,  dass  ihr  auf  ihr  »vorgestern  verlesenes 


—  204  — 


Memoriale  nicht  die  mindeste  gnädige  Reflexion  gemacht  worden, 
weshalb  sie  in  den  disconabelsten  Zustand  versetzet  worden  sei«. 
Dann  spricht  sie  von  dem  traurigen  Befehl,  zur  Abreissung  ihrer 
Hütte,  schildert  ihre  unverschuldete  Bedrängniss  und  fährt  fort :  »Da 
aber  die  Kürze  der  Zeit  nicht  gestattet,  bei  einem  hochpreisslichen 
ganzen  Rath  meine  fernere  weitere  Noth dürft  vorstellig  zumachen,  so 
nehme  ich  in  hoc  frangenti  zu  Er.  Hochedelgeborenen  meine  gehor¬ 
samste  Zuflucht  und  erkühne  mich,  hochdenenselben  in  unterthänigem 
respect  zur  hoch  erlauchten  Einsicht  und  milder  Beherzigung  Mancher- 
ley  zu  Gemüth  zu  führen«.332 

Es  folgt  nun  eine  Auseinandersetzung  über  die  verschiedenen 
Kostenpunkte,  welche  ihr  —  die  doch  die  Aussicht  habe,  künftige 
Ostern  wieder  spielen  zu  dürfen  —  durch  den  Transport  der  Hütte 
auf  einen  andern  Platz  und  die  Beschädigung  der  Bretter  verursacht 
würde.  Dann  erwähnt  sie  noch  einmal  ihre  schlechten,  kaum  die 
Kosten  deckenden  Einnahmen  und  erinnert  an  ihre  Schulden,  beson¬ 
ders  an  die  311  Thlr.  bei  Tabor,  die  sie  nun  immer  tiefer  in  die 
grösste  Bedrängniss  hineinbringen  würden.  Wenn  man  sie  von  hier 
abweise,  meint  die  Neuberin,  habe  sie  bei  den  traurigen  Aussichten 
in  Sachsen  nicht  die  geringste  Gelegenheit,  mit  ihrer  Gesellschaft  ein 
Stück  Brod  verdienen  und  ihre  hiesigen  Gläubiger  befriedigen  zu 
können.  Hierauf  kommt  sie  nochmals  auf  das  Stehenbleiben  der 
Hütte  zurück,  die  doch  niemand  hinderlich  falle  und  in  Hinsicht 
auf  die  Nähe  der  Konstabler- Wache  durch  das  Herumpatrouilliren 
der  Soldaten  vor  jeglicher  Eeuersgefahr  geschützt  werden  könne.  — 
Sie  erbietet  sich  auch,  zur  vollkommenen  Sicherheit  Nachts  einen 
Arbeiter  in  der  Hütte  wachen  zu  lassen,  offerirt.  dem  Rath  am  6. 
December,  als  dem  Geburtstage  des  Kaisers  Franz  I.,  eine  Komödie 
zu  geben  und  schliesst  in  der  festen  Hoffnung,  dass  man  ihre  ge¬ 
rechten  Bitten  nicht  unerhört  lassen  möge. 

Auf  diese  Eingabe  und  die  nachdrücklichste  mündliche  Fürsprache 
von  Benjamin  Metzler  Söhne  hin,  that  nun  der  Rath  sein  Möglichstes  : 
er  gestattete  ihr  nicht  allein  noch  einige  Vorstellungen  zu  geben, 
sondern  ertheilte  ihr  auch  schon  die  Spielerlaubniss  für  die  nächste 
Ostermesse.333  Aber  seinen  einmal  gefassten  Beschluss  wegen  Ab¬ 
bruch  der  Hütte  änderte  er  auch  diesmal  nicht.  Er  befahl,  dass 
dieselbe  sofort  nach  den  verwilligten  Vorstellungen  abgebrochen  und 
ohne  Weiteres  auf  einen  passenden  Platz  geschafft  werden  solle. 

Trotzdem  nun  der  Rath  die  Ausführung  dieses  Befehls  bei  Strafe 
geboten  hatte,  machte  die  Neuberin,  die  das  Stehenbleiben  der  Hütte 
wie  früher  manches  Andere  schliesslich  doch  durchsetzen  wollte,  an 
dem  bestimmten  Tage  keine  ernstliche  Anstalten  zum  Niederreissen 
derselben.  Statt  dessen  reichte  sie  am  8.  December  1745  eine  aber¬ 
malige  Bittschrift  wegen  des  Wiederbeginns  ihrer  Komödien  nach  den 
Neujahrs-Ferien  und  hauptsächlich  wegen  des  Stehenbleibens  ihrer 


205 


Hütte  ein,  die  von  Neuber  geschrieben,  aber  von  ihr  unterzeichnet 
ist  und  hier  als  ein  klares  Bild  ihrer  damaligen  Lage  buchstaben¬ 
getreu  Aufnahme  finden  soll. 

Wohl-  und  Hochedelgebohrne,  Gestrenge,  Hochedle  Yest 
und  Hochgelahrte;  Wohlfürsichtige,  Hoch  und  Wohlweisse  p.p. 
Insonders  Grossgünstige  Hochgebiethende  und  Hochgeehrteste 
Herren,  Herren  Bürgermeistern  und  Rath. 

Ew.  Wold-  und  Hochedelgeb.  Gestreng  und  Herrl.  auch  Wohl- 
fürsicht.  und  Hochweissht.  habe  zuförderst  unterthänigen  Bank  ab¬ 
zustatten,  dass  Höchstdieselben  nach  meinem  Demüthigsten  Bitten 
mir  bisher  nicht  alleine  willfahren  sondern  auch  künftige  Ostern  die 
Erlaubniss  wiederum  Comödien  vorzustellen  gnädig  ertheilen  wollen, 
dabey  auch  zu  geruhen  beliebet,  dass  die  Comödien-Hütte  abgebrochen 
und  auf  einen  anderen  Platz  transportiret  werde. 

Bieses  alles  erkenne  mit  Bank  vor  eine  grosse  Gnade,  und 
würde  dabey  gerne  stille  stehen,  wenn  nur  das  letztere  in  meinen 
mögl.  Kräften  zu  thun  bestünde.  Hiebey  darff  wohl  nicht  schmerz¬ 
lich  wiederhohlen,  weil  es  weltkundig,  wie  und  wes  wegen  Sachsen, 
und  darinnen  Leipzig  insolchen  Zustand  gesetzet  worden,  dass  ich 
itzo  mit  meiner  Gesellschafft  unmöglich  dahin  zurück  kehren  kann 
und  darff,  um  mich  biss  zu  Ostern  daselbst  aufzuhalten.  Baher  sehe 
mich  bey  geänderten  Umständen  genöthiget  unterthänig  zu  bitten, 
mir  zu  vergönnen,  dass  wir  hier  verbleiben,  und  nach  geendigten 
Christ-Ferien  wieder  anfangen  dürffen  Comödien  aufzuführen,  damit 
wir,  wo  möglich  Lebens-Unterhalt  erwerben  möchten.  Wie  nun  an 
gnädiger  Gewehrung  dieser  meiner  demüthigsten  Bitte  nicht  zweifle, 
so  würde  doch  dabey  höchst  unglücklich  werden  müssen,  wenn  ich 
die  Comödien-Hütte  vorher  auf  einen  andern  Platz  transportiren  solte. 
Verschiedene  Uhrsachen  machen  diesen  Transport  unmöglich,  und 
wenn  Höchstdieselben  geruhen  sich  nur  die  ersten  vortragen  zulassen, 
so  werden  sich  die  übrigen  selbst  zeigen.  Bie  gründlichsten  davon 
sind:  Erstlich  die  kurze  Zeit.  Bie  kurzen  Tage.  Bie  langsamen  und 
th euren  Arbeiter,  und  endlich  mein  gänzliches  Unvermögen.  Ber 
Erdboden  ist  gefrohren,  dass  man  die  Hölzer  nicht  tüchtig  genug 
eingraben  kan.  Alles  kan  der  Kälte  wegen  nicht  so  gut  gebauet 
werden,  dass  es  hernach  bey  Veränderung  des  Wetters  im  früh  Jahre 
sicher  stünde.  Zwischen  hier  und  Neu- Jahr  ists  nach  hiesiger  Bau- 
Leuthe  Vermögen  nicht  möglich  bey  diesem  Wetter  und  kurzen 
Tagen  eine  dergl.  Hütte  zu  transportiren.  Ich  bin  nicht  in  den  Um¬ 
ständen  itzo  die  Hütte  völlig  zu  bezahlen,  weil  ich  den  Verdienst 
nicht  dazu  gehabt  habe,  vielweniger  aber  bin  ich  bey  Vermögen  so 
vielen  Arbeits-Leuthen,  als  bey  dieser  Jahreszeit  nöthig,  das  Arbeits 
und  Tagelohn  zu  bezahlen.  Vor  hundert  Gulden  Nagel  gehen  wenig¬ 
stens  verlohren.  Beym  Frost  springt  das  Bau-Holz  und  die  Biehlen 
in  stücken ,  dass  kaum  die  Helfte  brauchbar  bleibt.  90  biss  100  fl. 


206 


wird  dass  Fuhrlohn  ohne  die  Zimmermans  Arbeit  betragen.  Was 
wird  nicht  dabey  an  Holtz  und  Diehlen  von  abhanden  kommen,  oder 
auf  gut  deutsch  gestohlen  werden,  welches  man  alles  durch  Geld  er¬ 
setzen  soll,  welches  Geld  ich  eben  so  wenig  als  das  erste  dazu  habe, 
und  mit  einer  Gesellschafft  von  20  Personen  unter  der  Zeit  dennoch 
leben,  und  ich  cüeselben  alle  Wochen,  eben  als  zur  agir  Zeit,  wie 
auch  sonst  Jedermann  bezahlen  muss. 

Hiebey  will  nicht  anführen  wie  die  Nachbarn  an  dem  Orthe, 
wo  man  die  Hütte  bey  itzigen  kurzen  Tagen  und  stiller  Zeit  hin- 
transportiren  wolte  über  das  Bauen  und  klopfen  kreischen  und 
schreyen  würden,  wenn  ich  auch  das  Geld  dazu  hätte. 

Ew.  Wohl-  und  Hochedelgeb.  Gestreng,  und  Herrlichkt.  auch 
Wohlfürsicht.  und  Hochweissht.  können  nun  diesen  Geld-Kosten, 
Arbeiten,  Klagen,  Schwierigkeiten,  und  meinem  gänzlichen  Untergänge 
mit  einem  gnädigen  Entschlüsse  abhelffen,  wenn  Höchstdieselben 
gnädig  erlauben  und  geschehen  lassen,  dass  die  Hütte  stehen  bleiben, 
und  wir  nach  den  Weyhnacht-  und  Neujahr-Ferien  wieder  Comödien 
agiren  dürfen.  Ist  durch  Gottes  Gnade  und  unsere  versorgende  An¬ 
stalt  Zeithero  kein  Schade  geschehen,  so  wird  auch  eben  dieser  Gott 
ferner  Stadt,  Zeughauss,  Bürgerschaft  und  Fremdlinge  auch  unser 
armes  Vermögen  dabei  gnädiglich  durch  seine  heil.  Wächter  behüten, 
und  wir  werden  Gott  und  Ew.  Wohl-  und  Hochedelgeb.  Gestreng 
und  Herrlich  p.  p.  vor  sothane  gnädige  Willfahrung  loben  und 
danken.  Denn  wiedrigenfals,  wenn  man  auf  dem  Transport  der 
Hütte  bestünde,  wäre  nicht  allein  die  ganze  Hütte  verlohren,  durch 
die  angeführten  Unkosten,  und  unser  Haab  und  Vermögen  müsten 
wir  mit  Stillschweigen  dabey  verliehren,  ja  wir  würden  hier  unter 
dero  gnädigen  Schutz,  als  itzo  aus  unsern  Vaterlande  zu  Ihnen  ge- 
tlüchtete,  so  gewiss  um  alles  kommen,  als  wenn  wir-  in  Sachsen  von 
Feinden  mit  Gewalt  um  Haab  und  Guth  gebracht  würden,  zudem 
stehet  daselbst  noch  vieles  von  unsern  Vermögen  der  Gefahr  aus¬ 
gesetzt  geraubet  zu  werden,  dass  wir  also  noch  zu  fürchten  genug 
haben. 

Wie  mich  nun  also  höchstweisester  Einsicht  in  Deferirung 
meiner  Demüthigsten  Bitte  versehe,  so  verharre  in  tiefster  Veneration 
und  Respect 

Ew.  Wohl-  und  Hochedelgeb.  Gestreng,  und  Herrl.  auch 
Wohlfürsicht.  und  Hochweissheiten 
Demüthig  gehorsamste  Magd 
Friderica  Carolina  Neuberin. 

Obgleich  jedoch  ihre  Gründe  ebenso  dringend  als  begreiflich 
waren,  empörten  sich  jetzt  die  meisten  Rathsmitgiieder  über  den 
hartnäckigen  Widerstand  der  Principalin  und  fassten  den  Beschluss, 
es  beim  vorigen  Bescheid  bewenden  zu  lassen  und  künftighin  gar 
keine  Bittschrift  mehr  von  ihr  anzunehmen. 


207 


Nun  sah  die  Neuberin  nach  den  langen  aufreibenden  Verhand¬ 
lungen  endlich  ein,  dass  sie  gegen  diesen  Befehl  nichts  ausrichten  könnte. 
Sie  begann  sofort  mit  dem  Abbruch  der  Hütte,  benachrichtigte  den 
Rath  davon  und  bat  in  wahrhaft  erschütternder  Weise,  man  möge 
sie  doch  vor  ihrem  gänzlichen  Ruin  erretten  und  wenigstens  gestatten, 
dass  sie,  nur  um  ihren  Lebensunterhalt  gewinnen  zu  können,  nach 
dem  neuen  Jahre  im  König  von  England  spielen  dürfe. 

Aber  sie  hatte  die  Gunst  des  Rathes  verscherzt;  dieser  nahm 
weder  Rücksicht  auf  sie  noch  auf  ihre  drängenden  Gläubiger.  In 
diesem  hoffnungslosesten  Zustand  von  der  Welt  kam  der  Geist  des 
Widerspruchs  über  die  Neuberin,  sie  stellte  den  Abbruch  ihrer  Hütte 
ein  und  klagte  dem  Rath  in  kühnen  Worten,  dass  sie,  »die  gerne 
jedermann  redlich  bezahle,  mit  einem  Himmelschrey enden  Ach !  und 
Gott  rührenden  Seufzern  als  eine  unschuldige  um  Hab  und  Gut  ge¬ 
brachte  Frau  mit  dem  Bettelstab  aus  Frankfurt  beschimpft  iu  ihr 
Y aterland  z  urückgetrieben  w  erde«. 3  3  4 

Der  Rath  Hess  sich  jedoch  von  einer  fahrenden  Komödiantin 
derartige  verblümte  Vorwürfe  und  sonstige  verletzende  Anspielungen 
nicht  bieten.  Er  berücksichtigte  ihre  Eingabe  gar  nicht  weiter  und 
ertheilte  statt  aller  Antwort  am  6.  Januar  dem  Bauamt  den  Auftrag, 
dafür  zu  sorgen,  dass  noch  selbigen  Tages  und  zwar  auf  Kosten  der 
Neuberin  die  Hütte  vollends  abgebrochen  werde.335 

Nun  erreichte  die  Noth  während  ihres  diesmaligen  Frankfurter 
Aufenthaltes  alsbald  den  Höhepunkt.  Die  arme  Frau  konnte  weder  die 
Gagen  ihrer  Mitglieder,  die  sich  doch  auf  mehr  denn  20  Rchsthr.  die 
Woche  beliefen,  noch  ihre  mitleidlosen  Gläubiger  bezahlen,  welche 
am  20.  Januar  174G  noch  einmal  gemeinsam  mit  ihr  wegen  interi¬ 
mistischer  Vorstellungen  bis  zur  Ostermesse  eingekommen  waren. 
»Ihr  Acker  und  Pflug  stand  still«,  sie  konnte  es  einigen  brauchbaren 
Mitgliedern  ihrer  Truppe  nicht  »für  ungut  nehmen,  dass  sie  solchem 
Elend  Valet  sagten,  dass  sie  einem  erhaltnen  Wink  auf  der  Spur 
nachzufolgen  trachteten  und  ihr  Glück  unter  einem  besseren  Gestirn 
wieder  aufsuchen  wollten«. 

Um  wenigstens  diese  abgehenden  Mitglieder  befriedigen  zu  können, 
muss  die  Neuberin  gerade  im  Begriff  gewesen  sein  zu  dem  Verkauf 
ihrer  Kostüme  und  Requisiten  zu  schreiten,  als  ihr,  »aus  oftmals  mil¬ 
den  fürsorglichen  Händen«  wieder  im  Stillen  eine  bedeutende  Unter¬ 
stützung  zufloss.  —  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  dieser  Helfer 
aus  grosser  Noth  das  Handelshaus  Benjamin  Metzler  Söhue  war,  ohne 
dessen  Beistand,  wie  die  Neuberin  später  an  einer  anderen  Stelle 
aufrichtig  bekannte,  »die  Wasser  der  Trübsal  schier  über  ihrem  Haupte 
oft  zusammen  geflossen  wären«. 

Kann  es  nun  als  eine  keineswegs  erfreuliche  Aufgabe  bezeichnet 
werden,  die  schwergeprüfte  Neuberin  der  Wahrheit  gemäss  durch 
das  dunkle  Kapitel  zu  begleiten,  zu  welchem  die  traurigen  Erlebnisse 


208 


ihres  letzten  Frankfurter  Aufenthaltes  den  Stoff  liefern  sollten,  so  ist 
es  doch  auch  wieder  etwas  Erhebendes,  feststellen  zu  können,  dass 
im  Augenblick  der  grössten  Noth  sich  auch  in  Frankfurt  edle  Wohl- 
thäter  ihrer  ann ahmen. 

Beinah  fünfunddreissig  Jahre  früher  hatte  die  arme  Velthin  in 
Frankfurt  keinen  kunstsinnigen  Erretter  aus  ihrer  traurigen  Lage  ge¬ 
funden.  Mittlerweile  war  doch  die  Achtung  vor  den  besseren  Jüngern 
der  dramatischen  Kunst  hier  schon  so  weit  gestiegen,  dass  wenigstens 
die  Neuberin  durch  uneigennützigen  Beistand  sich  über  ihre  hiesigen 
Misserfolge  einigermassen  trösten  konnte. 

Nachdem  sie  einige  Monate  in  Frankfurt  mit  ihrer  Bande  un- 
thätig  zugebracht  hatte,  liess  die  Neuberin  im  April  1746  ihre  Bude 
auf  dem  Liebfrauenberge  wieder  aufrichten  und  begann  ihre  Vor¬ 
stellungen  mit  dem  Anfang  der  Ostermesse.  Sie  spielte  noch  nach 
dem  Schluss  derselben  bis  Ende  Mai,  aber  dass  ihre  Einnahmen  auch 
dieses  Mal  viel  geringer  waren  als  bei  ihrem  ersten  Aufenthalt,  be¬ 
weist  das  für  eine  längere  Spielzeit  verhältnissmässig  unbedeutende 
Standgeld  von  40  Gulden. 

Das  Publikum,  welches  bei  ihrem  hiesigen  Aufenthalt  in  den 
Jahren  1736  und  1737  für  ihre  Vorstellungen  als  für  etwas  Neues 
besonderes  Interesse  gezeigt  hatte :  es  war  noch  nicht  reif  genug,  um 
für  die  Dauer  von  der  edleren  Kunstrichtung  dieser  grossen  Frau 
vollständig  befriedigt  werden  zu  können.  So  kam  es,  dass  sie  auch 
diesmal  nur  vor  einem  kleinen  auserwählten  Kreise  spielte,  dass  sie 
wieder  ihre  Unkosten  nicht  decken,  ja  kaum  die  Unschlittkerzen  zur 
Beleuchtung  von  ihrem  Gewinn  bezahlen  konnte.  Es  war  eine 
verzweifelte  Lage,  aus  der  sie  sich  endlich,  müde  und  gebrochen,  durch 
eine  schnelle  Abreise  zu  befreien  suchte.  Sie  hinterliess  eine  Menge 
Schulden,  dieselben  sind  aber,  wie  aus  den  Akten  hervorgeht,  schon 
im  Laufe  des  Sommers  von  auswärts  meistens  abgetragen  worden  ; 
wenigstens  stand  der  Wiederkehr  der  Neuberin  in  der  Herbstmesse 
1746  nichts  im  Wege. 

Während  die  Künstler  der  Neuber’schen  Truppe  vor  leeren 
Logen  und  unbesetzten  Bänken  spielen  mussten,  fanden  in  der  Oster- 
messe  1746  die  Marionetten  eines  Frankfurter  Bürgersohns,  Seeger 
Weinla,  ein  ebenso  dankbares  als  zahlreiches  Publikum.  Und  doch 
war  der  Eintrittspreis  in  diese  Bude  nicht  viel  geringer  als  bei  der 
Neuberin,  die  immer  noch  für  den  ersten  Platz  nur  2  Kopfstück 
oder  10  Batzen,  für  den  zweiten  nur  6  und  für  den  dritten  nur  4 
Batzen  nahm.  Diese  Bevorzugung  einer  oberflächlichen  Belustigung 
ist  gewiss  als  das  beachten swerthe  Zeichen  eines  Zeitabschnittes  an¬ 
zusehen,  in  dem  man  sich  auch  in  Frankfurt  zum  erstenmal  nach 
so  vielen  beunruhigenden  Ereignissen  und  trüben  Aussichten  dem 
harmlosen  Genüsse  eines  gedeihlichen,  Handel  und  Wandel  fördernden 
Friedens  hingab. 


209 


Grollenden  Herzens  war  die  Ne  uberin  von  ihrer  hiesigen  Schau¬ 
bühne  abgetreten;  mit  dem  festen  Vorsatz,  nie  wiederzukehren,  hatte 
sie  wie  eine  Flüchtige  bei  Nacht  und  Nebel  der  Stadt  Frankfurt  für 
immer  Lebewohl  gesagt.  —  In  ihrer  unglücklichen  Stimmung  glaubte 
sie  die  Spuren  ihres  hiesigen  Wirkens  für  alle  Zeiten  ausgelöscht, 
ihre  edelsten  Bestrebungen  missverstanden  und  ihr  Andenken  durch 
die  letzten  Misserfolge  und  die  verschiedenen  Zwistigkeiten  mit  dem 
Rath  mit  einem  bedenklichen  Makel  behaftet.  —  Aber  die  kühne 
Reformatorin  der  deutschen  Schauspielkunst  irrte  in  dieser  Annahme. 
Die  Nachwelt,  welche  von  den  kleinlichen  Anhängseln  grosser  Be¬ 
strebungen  in  ihrem  Urtheil  nicht  mehr  beeinträchtigt  wird,  die  einzig 
den  Kern  eines  redlichen  Wollens  ins  Auge  fasst:  sie  ehrt  jene 
Niederlage  wie  einen  unsterblichen  Sieg,  verneint  das  Dichterwort: 
dem  Mimen  flicht  die  Nachwelt  keine  Kränze,  und  legt  der  Neuberin 
für  ihr  hiesiges  Wirken  im  Geiste  einen  vollen  frischen  Lorbeerzweig 
auf  jenes  Denkmal  in  Laubegast,  welches  spätere  Verehrer  ihrem  An¬ 
denken  im  Jahre  1852  daselbst  neu  errichten  Hessen. 


14 


Franziskus  Schnell  und  seine  unmittelbaren 
Nachfolger. 

i. 

Es  ist  eine  eigenthiimliche  Erscheinung  in  dem  Entwicklungs¬ 
gang  der  Frankfurter  Theatergeschichte,  dass  von  dem  ersten  Wirken 
der  Berufskomödianten  an  jede  bessere  der  hier  auftretenden  Wander¬ 
truppen  eine  eigene  Kunstepoche  gebildet  hat.  Innerhalb  dieses  ihr  zu¬ 
gehörigen  Zeitraums  lässt  sich  deutlich  ein  Höhepunkt  der  Wirksam¬ 
keit  erkennen,  nach  dessen  Erreichung  das  Interesse  an  der  betreffen¬ 
den  Truppe  allmählich  abnimmt,  um  schliesslich  vollständig  auf  andre 
neu  auftauchende  Vertreter  der  dramatischen  Kunst  überzugehen,  die 
sich  bei  ihren  Bestrebungen  vielfach  von  entgegengesetzten  Gesichts¬ 
punkten  leiten  liessen.  So  kann  man  von  der  Zeit  Robert  Brownes 
und  Sakvilles,  des  Jollifous,  Yelthens,  der  seiner  Wittwe,  der 
Elenson,  Eckenbergs,  Wallerotty’s  und  schliesslich  der  Neuberin 
reden,  in  welcher  jedesmal  das  Wirken  der  Genannten  zuerst  eine 
Zeit  lang  für  die  Theilnahme  des  Publikums  maassgebend  und  sodann 
dem  unerbittlichen  Gesetze  des  Yeraltens  unterworfen  war. 

Yiel  mehr  als  auf  dem  Gebiete  andrer  Künste  tritt  in  dem 
Bereich  der  dramatischen  die  Macht  des  schonungslosen  Schicksals 
hervor,  welches  den  Individuen  nur  auf  dem  Höhepunkt  ihres  Lebens 
und  Strebens  eine  kurze  Glanzzeit  vergönnt,  sie  dann  wie  ein  des¬ 
potischer  Fürst  beseitigt  und  seine  volle  Gunst  neu  aufgehenden 
Sternen  zuwendet. 

Die  Epoche  der  Neuberin  hatte  kaum  ihren  tragischen  Abschluss 
gefunden,  als  die  dramatische  Kunst  in  Frankfurt  in  dem  berühmten 
Wanderprincipal  Franziskus  Schuch  um  die  Mitte  des  XVIII.  Jahr¬ 
hunderts  einen  neuen  Führer  erhielt.  Am  14.  März  1748  meldete 
sich  Schuch,  der  damals  Königl.  Polnischer  und  Kurfürstl.  Sächsischer 
Hofkomödiant  war,  zum  ersten  Male  an  und  wurde,  wie  es  in  den 
Rathsprotokollen  heisst,  in  Rücksicht  auf  die  ausgezeichnete  Empfeh¬ 
lung  des  Kaiserlichen  Gesandten,  Grafen  von  Cobentzel,  sofort  an¬ 
genommen.336 

Aber  auch  ohne  diese  einflussreiche  Fürsprache  würde  Schuch 
ganz  sicher  die  Zulassung  für  die  Ostermesse  erhalten  haben.  War 
er  doch  von  verschiedenen  Mitgliedern  des  Rathes  und  andern  hohen 


211 


Frankfurter  Herrschaften,  die  ihn  vor  mehreren  Jahren  im  Bade 
Schwalbach  mit  seiner  Bande  hatten  spielen  sehen,  ausdrücklich  zum 
Kommen  aufgefordert  und  im  Voraus  einer  günstigen  Aufnahme  ver¬ 
sichert  worden. 

Der  Eath,  der  noch  immer  mit  den  fortwährenden  Einsprachen 
der  Geistlichkeit  rechnen  musste,  gebrauchte  auch  in  der  Folge  die 
Befürwortung  hoher  einflussreicher  Persönlichkeiten  gleichsam  als 
Hülfsmittel,  um  der  Aufnahme  der  Komödianten  eine  gewisse  Be¬ 
rechtigung  zu  verschaffen.  - —  Wurden  auch  die  Thespisjünger  mit 
wenig  Ausnahmen  noch  immer  auf  eine  Stufe  mit  dem  »fahrenden 
gottverderbten  Gesindlein«  gestellt,  so  hatte  doch  der  fortschreitende 
Zeitgeist  während  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  wenigstens  in 
den  Kreisen  der  Gebildeten  schon  manches  gegen  sie  bestandene 
Vorurtheil  beseitigt  und  an  die  Stelle  der  überkommenen  Gering¬ 
schätzung  und  Verachtung  allmählich  neue  Ansichten  gerückt. 

Hatten  die  wandernden  Principale  vor  Schuch’s  Auftreten,  um 
ihre  Aufnahme  zu  erlangen,  meistens  noch  eines  hochtönenden  Privi¬ 
legiums  oder  der  nachdrücklichen  Empfehlung  einer  hohen  Persön¬ 
lichkeit  bedurft,  deren  Gunst  che  Väter  der  Stadt  aus  triftigen  Gründen 
bei  der  Entschliessung  mit  in  die  Wagschale  legen  mussten,  so  sassen 
doch  um  die  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts  schon  manche  hochge¬ 
bildete  Männer  mit  humanen  Ansichten  im  Eathe  Frankfurts,  welche 
die  ständigen  Einsprachen  der  Geistlichkeit  gegen  die  Gestattung 
theatralischer  Vorstellungen  nicht  berücksichtigten  und  durch  den 
Hinweis  auf  die  Thatsachen  zu  widerlegen  suchten,  dass  bedeutende 
Männer  der  literarischen  Welt,  ja  selbst  der  fromme  Geliert,  für  die 
Schaubühne  dichteten,  und  dass  auch  die  Kaiserin  Maria  Theresia 
der  aufstrebenden  Schauspielkunst  ihren  hohen  Schutz  angedeihen  üess. 

Zu  dieser  veränderten  Gesinnung  kam  noch  ein  anderer  Um¬ 
stand,  der  die  frühere  Abneigung  gegen  die  Komödianten  allmählich 
in  ein  freundliches  Entgegenkommen  umwandelte.  Man  war  im 
Eath  mittlerweile  zu  der  Ansicht  gelangt,  dass  man  jenen  Zufluss 
von  Fremden  nicht  unberücksicht  lassen  dürfe ,  den  die  Ab¬ 
haltung  von  theatralischen  Vorstellungen  zum  Vortheil  des  allge¬ 
meinen  Erwerbs  veranlasste.  Hierzu  trat  noch  die  weitere  Erwä¬ 
gung,  dass  die  Abgaben,  welche  die  Wandertruppen  einestheils  in 
runden  Summen,  anderntheils  durch  einige  zum  Besten  der  Armen 
und  Kranken  gegebene  Aufführungen  leisten  mussten,  nicht  zu  unter¬ 
schätzen  seien. 

Franziskus  Schuch,  der  sich  sofort  nach  seiner  Aufnahme  zu 
einer  bedeutenden  Abgabe  an  die  Stadt  und  zur  Abhaltung  von  zwei 
Komödien  zum  Besten  der  Armen  verpflichtete,  bekam  zur  Erbauung 
seiner  Hütte  den  von  früheren  uud  späteren  Principalen  am  passend¬ 
sten  gehaltenen  Platz  auf  dem  Liefrauenberge  angewiesen.  In  dieser 
trotz  den  heftigsten  Eeklamationen  der  Nachbarschaft  erbauten  grossen 

14* 


212 


Hütte  spielte  Schuch  in  der  Oster-  und  Herbstmesse  1748  unter 
solchem  Beifall,  dass  er  jedesmal  um  zwei  Wochen  Verlängerung 
seiner  Spielzeit  einkommen  musste. 

Vor  1748  begünstigte  Schuch  in  seinem  Repertoire  am  meisten 
die  extemporirte  Komödie,  zu  Anfang  dieses  Jahres  trat  er  jedoch 
mit  Gottsched  in  Verbindung  und  bat  sich  die  Unterstützung  des 
mächtigen  literarischen  Diktators  für  sein  neues  und  grösstes  Be¬ 
streben  aus :  regelmässige  Komödien  und  Tragödien  auf  seiner  Schau¬ 
bühne  aufzuführen.  Wie  ernst  und  eifrig  er  damals  dieses  Vorhaben  zu 
verwirklichen  gedachte,  beweist  sein  Frankfurter  Repertoire  im  Jahre 
1748,  in  welchem  regelrechte  Stücke  wie  »Canut«  und  »Hermann« 
von  Elias  Schlegel,  wie  die  Tragödien  Gottsched’s  und  die  seiner  An¬ 
hänger,  nebst  den  übersetzten  Werken  der  französischen  Klassiker, 
besonders  »Alzire«  und  »Merope«  von  Voltaire,  den  Stegreifkomödien 
gegenüber  den  ersten  Rang  einnahmen. 

Aber  gerade  an  den  Letzteren  und  an  den  lustigen,  durch  ein¬ 
gelegte  Ballette  verschönten  Nachspielen  gewannen,  wie  Schuch  selbst 
sagt,  »nicht  nur  das  niedrigere  Publikum,  sondern  auch  die  meisten 
hohen  Herrschaften  ein  so  erhebliches  und  anreitzendes  Wohlgefallen,« 
dass  er  fortan  auf  die  Aufführung  dieser  Stücke  ein  ganz  besonderes 
Gewicht  legen  musste. 

Das  Frankfurter  Publikum  drängte  also  durch  seine  grosse  An¬ 
hänglichkeit  an  den  Harlekin  und  dessen  Gefolge  den  Principal  Fran¬ 
ziskus  Schuch  auf  den  früheren  Standpunkt  zurück  und  veranlasste 
ihn,  der  besseren  Einnahmen  wegen  künftighin  den  Schwerpunkt 
seiner  Thätigkeit  auf  das  Gebiet  der  Stegreifkomödie  und  Burleske 
zurück  zu  verlegen.  Das  Interesse  der  gebildeten  Frankfurter  an 
diesen  untergeordneten  Kunstgattungen  würde  bei  den  damaligen 
literarischen  Einflüssen  kaum  begreiflich  erscheinen,  wenn  Schuch 
nicht  als  Hanswurst  in  der  Stegreifkomödie  das  Unglaublichste  ge¬ 
leistet  und  diese  komische  Volksfigur  mit  einem  unwiderstehlichen 
Humor  ausgestattet  hätte. 

Ueberhaupt  herrschten  in  Frankfurt  wie  in  den  meisten  bedeu¬ 
tenden  Stationen  der  deutschen  Wandertruppen  getheilte  Meinungen 
über  das  Erscheinen  und  Ausbleiben  dieser  lustigen  Figur  auf  der 
deutschen  Schaubühne.  Ein  grosser  Theil  des  besseren  Publikums 
dachte  wie  Gottsched,  der  den  Hanswurst,  Harlekin,  Scaramuz  u.  s.  w. 
garstige  Fratzen  nannte,  die  einzig  dazu  vorhanden  seien,  den  Pöbel 
zum  Gelächter  zu  reizen,  eine  noch  zahlreichere  Menge  aber  verth ei- 
digte  die  Berechtigung  des  alten  Spassmachers,  dessen  Witze  und 
heitere  Einfälle ,  um  den  Ausdruck  des  Frankfurter  Schriftstellers 
Seyfried  zu  gebrauchen  —  »nach  trüben  Stimmungen  und  harten 
Stunden  wieder  einigermassen  Sonnenschein  in  das  beschwerte  Ge¬ 
rn  üth  zurückbringen  mussten«. 

Noch  mehr  als  zehn  Jahre  später  standen  sich  ja  die  Gegner 


213 


und  Anhänger  des  Hanswurstes  in  zwei  grossen  Parteien  gegenüber. 
Der  in  allen  seinen  Anschauungen  volksthümliche  Geschichtsschrei¬ 
ber  Justus  Möser  veröffentlichte  1761  die  Schrift  »Harlekin  oder 
Yertheidigung  des  Grotesk-Komischen«  und  selbst  Lessing  in  seiner 
»Hamburger  Dramaturgie«  stellt  die  Wirksamkeit  des  Hanswurstes 
keineswegs  als  etwas  Gefährliches  hin.  Der  grosse  Reformator  des 
deutschen  Dramas  sucht  hauptsächlich  die  Berechtigung  des  Hans¬ 
wurstes  dadurch  darzuthun,  dass  er  ihn  nicht  als  eine  Persön¬ 
lichkeit,  sondern  als  eine  ganze  Gattung  betrachtet  wissen  will. 

Hm  so  weniger  kann  es  hier  unsere  Aufgabe  sein,  für  die  eine 
oder  andere  Ansicht  einzutreten,  als  die  Nachwelt  ihr  Yerdammungs- 
urtheil  über  den  buntscheckigen  Schelm  bereits  gesprochen  hat,  und 
die  Meinungen  über  die  komischen  Yolksfiguren  auf  der  deutschen 
Schaubühne  stets  getheilt  und  von  individuellen  Ansichten  abhängig 
bleiben  werden.  Begreiflicher  jedoch  und  weniger  ungewöhnlich  wird 
uns  von  dem  heutigen  Standpunkte  aus  diese  Geschmacksrichtung 
in  Frankfurt  erscheinen,  wenn  wir  die  merkwürdige  Persönlichkeit 
näher  in’s  Auge  fassen,  deren  eigenthümliches  und  grosses  Talent 
das  Interesse  für  den  Harlekin  in  so  ungewöhnlicher  Weise  wieder 
erwecken  sollte. 

Franziscus  Schuch,337  der  in  der  Folge  unter  allen  Principalen 
die  Herrschaft  des  Harlekin  oder  Hanswurst  am  längsten  gelten 
liess,  ist  eine  der  eigenartigsten  und  interessantesten  Erscheinungen 
in  der  Frankfurter  Theatergeschichte.  Im  Leben  ein  in  sich  gekehr¬ 
ter,  finsterer  Mann,  der  oft  Tage  lang  ausser  dem  Nöthigsten  kein 
Wort  über  die  Lippen  brachte,  verwandelte  er  sich  auf  der  Bühne 
in  das  gerade  Gegen th eil.  Auf  den  die  Welt  bedeutenden  Brettern 
besass  er,  was  ihm  im  wirklichen  Leben  Niemand  zutraute,  eine 
ausserordentlich  erfinderische  Phantasie,  ein  hinreissendes  Feuer  und 
im  komischen  Ausdruck  eine  Natürlichkeit,  welche  überall  das  Pu¬ 
blikum  bezauberte  und  ihm  später  selbst  das  Lob  eines  Lessing 
eintrug.  Schuch  pflegte  von  sich  selbst  zu  sagen:  »Wenn  ich  schon 
die  Hanswurstjacke  anziehe,  so  ist  es,  als  wenn  der  Teufel  in  mich 
führe.« 

Er,  seine  Frau,  eine  geborne  Raderaännin,  welche  die  Colom- 
bine  spielte,  und  Stenzei,  das  erste  Mitglied  der  Bande,  bildeten  eine 
Künstlertrias,  die  durch  die  Gewohnheit  eines  langen  Zusammen¬ 
lebens  und  Wirkens  in  der  Stegreif komödie  das  bewunderungs¬ 
würdigste  Einverständnis  zeigte.  Das  lebhafte  Zusammenspiel  dieser 
drei  Genossen,  welches  durch  die  drolligsten  Einfälle  und  eine  komische 
Begeisterung  noch  mehr  gehoben  wurde,  übte  auch  auf  die  Frank¬ 
furter  und  viele  Messfremde  im  Jahre  1748  den  grössten  Reiz  aus. 
Die  Bude  auf  dem  Liebfrauenberge  war  bei  den  extemporirten  Ko¬ 
mödien  stets  zum  Erdrücken  voll,  und  die  Geistlichkeit  Frankfurts 


214 


hatte  wieder  ihre  liebe  Noth,  um  von  den  Kanzeln  herab  gegen  diese 
»Pestbeul  der  Verweltlichung«  gehörig  wirken  zu  können. 

Aber  Franziscus  Schuch  war  nicht  allein  in  Frankfurt  beliebt, 
sondern  auch  an  anderen  Orten  erregte  er  das  grösste  Aufsehen. 
Ueberall  gab  er,  wie  er  selbst  einmal  in  einer  Eingabe  dem  Eath 
versichert,  den  kranken  Herzen  einen  guten  Labetrank.  Hören  wir, 
was  ein  Augenzeuge  seiner  Leistungen,  der  Schauspieler  und  Sänger 
Flögel,  in  seiner  Geschichte  des  Grotesk-Komischen  über  Schuch 
urtheilt:  »Unter  den  letzten  Darstellern  des  Hanswurst  in  Deutsch¬ 
land  hat  sich  Franziscus  Schuch  vielen  Beifall  erworben.  Ich  habe 
ihn  zur  Zeit  des  siebenjährigen  Krieges  in  Breslau  oft  spielen  sehen, 
wo  er  bei  Hohen  und  Niedrigen  allgemein  beliebt  war.  Er  hatte  in 
dieser  Bolle  ein  nicht  gemeines  Talent  und  war  im  Extemporiren 
mit  dem  sehr  geschickten  Schauspieler  Stenzei,  der  gemeiniglich  den 
Anselmo  vorstellte,  ein  Meister.  Er  durfte  nur  sich  auf  dem  Theater 
sehen  lassen,  so  fing  Alles  an  zu  lachen.  Ausser  der  Bühne  war  er 
ein  finsterer,  ernsthafter  Mensch,  der  wenig  sprach.« 

Neben  Schuch,  seiner  Frau  und  Stenzei  sind  aus  dem  Jahre 
1748  von  dem  Personal  der  Gesellschaft  nur  noch  der  Helden¬ 
darsteller  Mayer,  die  jugendliche  Demoiselle  Schleissner —  eine  Bectors- 
Tochter  aus  Gera  —  eine  aus  Vater,  Mutter  und  Tochter  bestehende 
Familie  Köhler  und  schliesslich  der  Balletmeister  Mecour  namhaft  zu 
machen,  der  ein  Liebesverhältniss  mit  einer  schönen  Frankfurter 
Bürgerstochter,  Johanna  Preisler,  anknüpfte  und  nach  seiner  Ver- 
heirathung  dies  bedeutende  Talent  der  Bühne  zuführte. 

Im  Frühling  des  Jahres  1750,  als  das  letzte  Unternehmen  der 
Neuberin  in  Zerbst  vollständig  gescheitert  war,  kamen  Bruck,  Wolffram 
und  das  Ehepaar  Klotsch  zu  der  Schuch’schen  Gesellschaft,338  welche 
sie  aber  nach  Schluss  der  Herbstmesse  wieder  gemeinschaftlich  ver¬ 
bessern  Es  hielt  es  eben  Niemand  bei  dem  finsteren,  wortkargen 
und  abstossenden  Principal  so  lange  aus,  als  wie  sein  Schicksals¬ 
genosse,  der  Komiker  Stenzei,  der  gleich  Schuch  in  seiner  Jugend 
zum  Mönch  bestimmt  gewesen  und  mit  ihm  gemeinsam  aus  einem 
österreichischen  Kloster  entwichen  war.  Auch  Stenzei  war  ein. 
stiller,  trockener  Mann,  der  seinen  Genossen  so  verstand,  dass  er 
ihn  nur  anzublicken  brauchte,  um  von  seinen  Gedanken  unterrichtet 
zu  sein. 

Zum  Entsetzen  der  ganzen  Bande  verabredeten  sie  die  Scenarien 
zu  den  Stegreifkomödien  meist  durch  Zeichensprache.  —  Sie  sahen 
dann  nach  der  Mittheilung  des  weiter  unten  näher  erwähnten  Schau¬ 
spielers  Uhbch  so  stib  und  feierlich  wie  zwei  geheimnissvobe  Magier 
aus,  deren  wunderbare  Zaubergewalt  sich  aber  erst  voll  und  ganz 
beim  Lichte  der  Unschlittkerzen  entfalten  konnte. 

Stenzei  hielt  auch  bis  zuletzt  mit  wahrer  Jonathanstreue  bei 
seinem  Kameraden  aus ;  er,  dem  das  Eeisen  beschwerlich  fiel,  ertrug 


215 


Schlichs  unseligen  Hang  zum  ruhelosen  Wandern  mit  wahrhaft 
rührender  Geduld  und  war  ihm  ein  treuer  Helfer,  wenn  ihn  sein 
eigen thümli eh  abstossendes  Wesen  mit  seiner  Truppe  oder  sonstigen 
Personen  in  Unannehmlichkeiten  verwickelt  hatte. 

Kurz  vor  der  Herbstmesse  1748  kam  auch  der  als  fruchtbarer 
dramatischer  Dichter  bekannte  üblich  nebst  seiner  jungen  Frau, 
einer  gebornen  Rudolplii,  -wieder  zu  der  Gesellschaft,  welcher  sie 
schon  früher  einmal  angehört  hatten.  339  Aus  Uhlich’s  Feder, 
welchen  Schuch  »den  Autor  seiner  Truppe«  nannte,  stammen  deshalb 
auch  die  verschiedenen  allegorischen  Festspiele,  welche  in  der  Folge 
von  Schuch  bei  den  sogenannten  Rathskomödien  mit  grossem  Glanz 
und  »einem  abscheulichen  (dieser  Ausdruck  wird  von  den  Wander- 
principalen  oft  für  grossartig  gebraucht)  Aufwand  von  feinen  Ge¬ 
wändern  und  stolzen  Zierrathen«  zur  Aufführung  gebracht  wurden. 
Eines  dieser  sämmtlich  erhaltenen  Vorspiele,  das  in  der  Ostermesse 
1751  zur  Darstellung  kam,  ist  als  Beilage  Nr.  VII  angefügt. 

Mit  Ausnahme  der  genannten  Schauspieler  und  Schauspielerinnen 
bestand  die  Truppe  Schuch’s  grösstentheils  aus  zusammengelaufenen 
Leuten,  welche  ebensowenig  von  Standesbewusstsein  als  von  Standes¬ 
ehre  eine  Ahnung  hatten.  Sie  erwählten  sich  die  theatralische  Lauf¬ 
bahn  nur,  weil  sie  für  keine  andere  passten  und  ein  freies,  un¬ 
gebundenes  Leben  einer  regelmässigen  Pflichterfüllung  vorzogen. 
Dass  unter  solchen  Umständen  die  Truppe  trotz  ihrer  allgemeinen 
künstlerischen  Beliebtheit  kein  bürgerliches  Ansehen  genoss,  ist  leicht 
begreiflich.  Von  keinem  Angehörigen  derselben  wird,  wie  später 
von  Mitgliedern  der  Ackermann’schen,  Kurz’schen,  Marschand’schen 
und  Seyler’schen  Gesellschaft,  erzählt,  dass  er  in  einer  Familie  der 
höheren  oder  mittleren  Stände  Frankfurts  eingeführt  gewesen  wäre. 

Aber  wenn  auch  selbst  der  originelle  Principal  von  den  gesell¬ 
schaftlichen  Kreisen  ausgeschlossen  blieb,  er  verstand  es  dennoch, 
sich  von  Anfang  an  in  der  Gnade  des  Hochedlen  und  Hochweisen 
Frankfurter  Rathes  festzusetzen.  Er  liess  keine  Gelegenheit  unbe¬ 
nutzt,  um  den  hohen  Gönnern  zu  huldigen,  und  richtete  sein  Re¬ 
pertoire  ganz  nach  dem  Wunsche  einiger  Rathsmitglieder  ein.  In 
der  Donnerstag,  den  3.  October  1748  abgehaltenen  Rathskomödie 
deren  charakteristischer,  den  Vätern  der  Stadt  überreichter  Zettel 
diesem  Buche  unter  Beilage  Nr.  VIII  nebst  den  aus  verschiedenen 
Jahren  erhaltenen  Schuch’schen  Theaterzetteln  angefügt  ist,  hielt  die 
Principalin  »vor  einer  ansehnlichen,  von  durchreisenden  hohen  Herr¬ 
schaften  rühm  lieh  st  bereicherten  Versammlung«  eine  schmeichelhafte 
Dankrede  in  Versen,  welche  nicht  verfehlte,  den  beabsichtigten  Ein¬ 
druck  hervorzubringen.  Schuch  erhielt  am  anderen  Tage  nicht  allein 
die  Erlaubniss,  noch  zwei  Wochen  spielen  zu  dürfen,  sondern  auch 
das  sehr  erfreuliche  Versprechen,  dass  er  im  nächsten  Jahre  vor 


216 


allen  andern  Wanderprincipalen  in  beiden  Messen  Zulassung  finden 
solle.  Nach  dieser  in  Aussicht  gestellten  Vergünstigung  verpflichtete 
er  sich  im  Voraus,  für  die  Messzeit  wieder  75  fl.  und  für  jede  Woche 
nachher  15  fl.  zahlen  zu  wollen. 

Als  Schuch  im  Jahre  1748  seine  letzte  Vorstellung  gab,  wurde 
dem  versammelten  Publikum  ein  Gedicht  als  Abschiedsgruss  verab¬ 
reicht,  welches  der  Principal  selbst  verfasst  hatte  und  am  Schlüsse 
des  lustigen  Nachspiels  in  der  Hanswurst-Kleidung  vortrug.  Dieser 
in  Versen  abgefasste  Abschiedsgruss  hegt  uns  vor  und  soll  hier 
keineswegs  seiner  poetischen  Bedeutung,  sondern  nur  des  origmellen 
Inhalts  wegen  Aufnahme  finden: 

Der  mit  vielen  Thränen  benetzte 
Abschied  |  Welchen  | 

Bey  der  Abreise  |  Von  |  Frankfurt  j  zu  | 

Einem  Hochgeneigten  Angedenken  | 
in  aller  unterthänigstem  Bespect  |  hinterlassen  wollen  | 

Ein  unterthänigst  gehorsamer  Knecht 
Franciscus  Schuch 
Principalis,  in  Theatro  dictus 
Hans  Wurst. 

Anno  1748. 

Soll  ich,  o  Gönner  Ihr,  auf  einmahl  von  Euch  scheiden, 

Soll  ich  so  plötzlich  fort?  0  hart  und  strenger  Schluss! 

Soll  denn  die  arme  Wurst  eylend  Frankfurt  meiden? 

Wann  ich  daran  gedenk,  so  mehrt  sich  der  Verdruss. 

Dann  hier  sass  ich  dem  Glück  wahrhaftig  in  dem  Schoss, 

Weil  ich  stäts  Eure  Huld  und  hohe  Gnad  genoss. 

Jedoch  was  soll  ich  thun?  ich  weiss  mich  nicht  zu  fassen, 

Mein  Schicksal  ruft  mir  zu,  pack  dich  von  hinnen  forth ; 

Der  schwartze  Barth  wird  weiss  und  will  vor  Gram  erblassen, 
Dass  ich  nun  reisen  muss,  von  dem  vergnügten  Orth. 

Ich  soll  von  Frankfurt  ziehn,  wohin  ?  Das  weiss  ich  nicht, 
Vielleicht  nach  Osten  hin,  woselbst  der  Tag  anbricht. 

Doch  nein,  in  Ost  da  seynd  der  Finsternisse  Sorgen, 
Hanns-Wurst  braucht  hellen  Schein :  ich  weiss,  was  ich  versteh. 
Drum  blieb  ich  lieber  hier,  bei  Euch,  Hoch  Gnädige, 

Wenn  nicht  der  harte  Schluss  ergangen  über  mich, 

Dass  mein  Glück  gehen  soll,  wie  Krebse  hinter  sich. 

So  komm  mein  Röckgen  her,  Brustlatz  und  du  Halss-Kragen, 

Ihr  Hosen,  Schuh  und  Hut,  auch  du  mein  Pistoles, 

Das  manchen  Kerl  schon  hat  so  tapfer  rum  geschlagen 
Und  mich  bewahret  stäts  vor  allen  Hieb  und  Stöss, 

Euch  packet  nun  Hannswurst  auf  eine  Zeitlang  ein, 

Biss  ihm  die  Zeit  vergönnt,  dass  er  darf  lustig  sein. 


217 


Weil  nun  der  Schluss  gemacht,  dass  ich  von  hier  muss  reisen, 

So  bleibt  es  denn  dabey:  jedoch  Geehrteste, 

Erlaubt  die  letzte  Ptlicht  anheut  Euch  zu  erweisen, 

Damit  Hans- Wurst  bei  Euch  in  hohen  Gnaden  stell ! 

Es  soll  zu  aller  Zeit  davor  der  treue  Geist, 

Die  Dankbarkeit  selbst  sein,  ob  er  von  hier  gleich  reisst. 

Obgleich  Schuch  bei  seinem  Abgang  im  Jahre  1748  die  Ver¬ 
sicherung  erhalten  hatte,  dass  seine  Bittschrift  in  der  nächsten  Oster¬ 
messe  zuerst  Berücksichtigung  finden  sollte,  machte  er  sich  wegen 
eines  erhaltenen  Rufes  an  den  Hof  des  Fürsten  von  Thurn  und 
Taxis  in  Regensburg  diese  Vergünstigung  doch  nicht  weiter  zu 
Nutzen.  Statt  dessen  meldete  sich  schon  im  Januar  Johann  Fried¬ 
rich  Darmstädter,  Principal  der  Königlich  Schwedischen  und  Däni¬ 
schen  Hofkomödianten,  an,340  der  bereits  im  vorigen  Jahre  vom 
Kaiserlichen  Gesandten,  Grafen  von  Cobentzel,  in  Mainz  einigen 
Rathsmitgliedern  bestens  empfohlen  worden  war.  Jedenfalls  aus  Rück¬ 
sicht  für  Schuch  wurde  Darmstädter’s  erstes  Gesuch  abgewiesen. 
Erst  als  jener  sich  bis  kurz  vor  der  Ostermesse  1749  noch  nicht 
gemeldet  hatte,  erhielt  der  auch  von  dem  Grafen  von  Schönborn, 
Vicedom  zu  Aschaffenburg,  mit  einem  guten  Zeugniss  ausgestattete 
Darmstädter  am  6.  März  die  nochmals  begehrte  Zulassung. 

Nach  einer  Ankündigung  in  den  Frag-  und  Anzeigungsnach¬ 
richten  eröffnete  er  sein  grosses  bretternes  Theater  auf  dem  Ross¬ 
markte  mit  dem  Trauerspiel  »Mahomed  IV.«,  vor  dessen  Beginn  der 
berühmte  Luftspringer  Mr.  Maffon,  welcher  noch  niemals  in  Frank¬ 
furt  gesehen  worden  war,  verschiedene  »bewunderungswürdige  Exer- 
citia«  vorstellen  sollte.  Diese  an  die  englischen  Komödianten  und 
an  Eckenberg  erinnernde  Vereinigung  der  dramatischen  Kunst  mit 
Luftspringen  und  sonstigen  akrobatischen  Fertigkeiten  scheint  ein 
eigenthümliehes  Merkmal  dieser  Wandertruppe  gewesen  zu  sein. 

Es  befand  sich  bei  derselben  auch  noch  eine  berühmte  Luft- 
und  Schwebekünstlerin  und  ein  als  Hanswurst  auftretender  Springer, 
deren  beiderseitige  Leistungen  das  Publikum  mehr  anzogen  als  die 
theatralischen  Vorstellungen.  Diese  Bevorzugung  der  Akrobaten  von 
Seiten  des  Frankfurter  Publikums  erscheint  um  so  berechtigter,  als 
jene  Künstler  in  ihrer  Art  wirklich  Vortreffliches  leisteten,  das 
übrige  meistens  aus  herabgekommenen  Leuten  bestehende  Personal 
Darmstädter’s  hingegen  in  seinem  Zusammenspiel  nicht  im  entfern¬ 
testen  mit  der  Schuch’schen  Gesellschaft  zu  vergleichen  war. 

Wenn  aber  auch  Darmstädter  dem  Rathe  gegenüber  ein  be¬ 
sonderes  Gewicht  darauf  legte,  dass  er  schon  23  Jahre  in  den  ver¬ 
schiedensten  Residenzen  und  Reichsstädten  gespielt  und  auch  kürz¬ 
lich  wieder  zu  Aschaffenburg  und  Werthheim  zu  aller  höheren  und 
geringen  Zuschauer  Ergötzen  Stücke  zur  Darstellung  gebracht  habe, 


218 


welche  die  Ehrbarkeit  in  keiner  Weise  verletzten,341  so  gehörte 
seine  Truppe  in  Hinsicht  auf  ihre  Kunstleistlingen  doch  nicht  zu  den¬ 
jenigen,  deren  Euhrn  mit,  dem  immer  mehr  emporkommenden  Fort¬ 
schritt  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  identisch  war. 

Darmstädter’s  Kunststandpunkt  richtete  sich  hauptsächlich  nach 
der  Stimmung  seines  jeweiligen  Publikums.  Er  gab  Haupt-  und 
Staatsaktionen,  regelrechte  Trauer-,  Schau-  und  Lustspiele  mit  lusti¬ 
gen  Nachkomödien  und  zwar  in  einer  Anordnung,  zu  welcher  er 
gerade  durch  die  lebhafte  Theilnahme  des  Publikums  und  die  Aus¬ 
sicht  auf  guten  Gewinnst  am  meisten  angeregt  wurde.  Trotz  dieser 
ganz  vom  Zufall  abhängigen  Bühnenleitung  wusste  aber  Darmstädter 
bei  jeder  Gelegenheit  viel  Gutes  und  Schönes  über  die  hohe  Auf¬ 
gabe  der  dramatischen  Kunst  zu  sagen,  deren  Bedeutung  ihm  ohne 
Zweifel  vollständig  klar  war.  Auch  in  dem  Erklärungsheftchen  zu 
der  am  25.  April  1749  abgehaltenen  Magistratskomödie  finden  wir 
unter  dem  Titel  »Vorbericht«  eine  von  ihm  verfasste  kurze  Ab¬ 
handlung  über  den  Zustand  des  Theaters  und  speciell  der  Frank¬ 
furter  Schaubühne,  die  von  einem  klaren  Verständniss  und  einem 
ausgebildeten  Urtheil  zeugt. 

»Der  gute  Geschmack«,  schreibt  Darmstädter,  »welcher  seit 
einigen  Jahren  der  deutschen  Schaubühne  ein  ganz  neues  Ansehen 
gegeben,  ist  auch  in  Frankfurt  gestiegen.  Die  nichts  würdigen  Possen- 
reisser,  welche  nur  den  Pöbel  belustigen,  verschwinden  gleichsam, 
weil  sie  sich  nicht  mehr  wie  sonst  brüsten  können.  Man  will  itzo 
keine  Zoten,  sondern  vernünftige  Scherze  hören;  man  verbannet  das 
Unnatürliche  vom  Schauplatz  und  siehet  blos  auf  die  Natur  und 
Vernunft.  Sollte  nun  eine  nach  den  Kegeln  eingerichtete  Bühne 
einer  Republik  nicht  mehr  heilsam  als  schädlich  seyn?  Eine  gründ¬ 
liche  Einsicht  kann  am  besten  davon  urtheilen.« 

Nun  kommt  Darmstädter  auf  das  von  ihm  aufgeführte  allego¬ 
rische  Festspiel,  »Das  von  der  Weisheit  vereinigte  Trauer-  und  Lust¬ 
spiel«,  zu  sprechen,  das  er  mit  Recht  »eine  ungeschickte  Anfangs¬ 
arbeit  und  nichts  weniger  als  ein  Meisterstück«  nennt.  Wir  unter¬ 
lassen  es,  den  Inhalt  dieser  sehr  schwachen  dramatisch-poetischen 
Leistung  wiederzugeben  und  bemerken  .nur  noch,  dass  wegen  der 
nicht  vollständigen  Erhaltung  des  Erklärungsheftchens  der  Titel  des 
eigentlichen  Hauptstückes  nicht  angegeben  werden  kann. 

Von  der  Gesellschaft  Darmstädter’s,  deren  Kunstthätigkeit  keine 
merklichen  Spuren  in  Frankfurt  zurückliess ,  wäre  nur  noch  die 
Hinterlassung  von  nicht  unbedeutenden  Schulden  zu  erwähnen, 
durch  welche  sie  sich  für  immer  eine  Wiederkehr  nach  Frankfurt 
unmöglich  machte.  Auch  in  sonstiger  Beziehung  war  die  morali¬ 
sche  Führung  der  Truppe  keineswegs  so  tadellos,  als  dass  sie  den 
Widerwillen  der  Geistlichkeit  und  das  alte  Vorurtheil  sittenstrenger 


219 


Personen  gegen  die  Komödianten  nur  ein  klein  wenig  hätte  mildern 
können. 

Vielleicht  hängt  mit  der  wenig  sittlichen  Führung  der  Darm- 
städter’schen  Gesellschaft  die  verhängnissvolle  Härte  einer  hiesigen 
Dame  aus  den  höheren  Ständen  zusammen,  die  einer  schönen,  ehr¬ 
baren  Schauspielerin  in  Mainz  im  Mai  1749  ihr  junges  Leben  kosten 
sollte.  Ein  ungenannter  Schriftsteller  aus  dem  vorigen  Jahrhundert 
erzählt  nämlich  in  einer  Broschüre  »Von  verschiedenen  Personen,  so 
ihr  Leben  in  dem  Rheinstrom  endigten«  (Mainz  1760):  »Diese  junge, 
unbescholtene  Schauspielerin,  die  sie  an  einem  schönen  Mayensonntag 
1749  aus  dem  grünlichen  Wasser  zogen,  hatte  sich  in  einen  reichen 
Jüngling  vom  Frankfurter  Kaufmannsstande  derartig  verliebet,  dass 
sie,  als  desselbigen  fürnehme  Mutter  geäussert,  sie  wolle  ihn  lieber 
todt  dahintragen,  als  mit  einem  solchen  Weibsbild  verheurathet  sehen, 
ihre  Kirnst  nicht  länger  continuirte  und  nach  Verwünschung  ihrer 
Eltern,  die  sie  solch  schandbar  Handwerk  gelehret,  in  ihrem  desperaten 
Schmerz  in  ein  feucht  Grab  ging.« 

Nach  beinahe  siebenjähriger  Abwesenheit  kam  Franz  Gerwaldi 
von  Wallerotty  am  10.  Juli  1749  um  die  Zulassung  in  der  Herbst¬ 
messe  ein.342  Er  hielt  sich  damals  in  Mainz  auf,  wo  er  mit  seiner 
Bande  von  dem  schon  mehrmals  genannten  Grafen  von  Cobentzel 
den  Sommer  über  engagirt  gewesen  war.  Das  Gesuch  Wallerotty ’s 
wurde  von  einem  Empfehlungsbriefe  seines  kunstsinnigen  Gönners 
an  den  Schöffen  von  Lersner  unterstützt,  der  dasselbe  der  nächsten 
Rathsversammlung  vorlegte.  Um  wenigstens  eines  jener  vielen  Schrei¬ 
ben  von  hohen  Herren  mitzutheilen,  welche  den  Wanderprincipalen 
oft  wie  Zauberschlüssel  das  hartnäckige  Einlassthor  zur  Stadt  Frank¬ 
furt  eröffnen  mussten,  soll  hier  der  in  französischer  Sprache  ab¬ 
gefasste  Brief  des  Grafen  Cobentzel  wortgetreue  Aufnahme  finden. 

A  Monsieur  de  Lersner,  Echevin  de  la  ville  imperiale  de 
Frankfort. 

Monsieur,  Je  viens  d’aprendre  que  mon  recommande  de  l’annee 
passee,  Darmstädter,  n’est  plus  en  etat  de  reparoitre  ä  votre  pro- 
chaine  foire;  je  suis  bien  mortifie  d’avoir  mal  reussi  dans  rna  re- 
commandation  et  pour  retablir  ma  reputation,  je  vous  pris  de  pro- 
curer  au  Porteur  de  la  presente  la  permission  d’ouvrir  son  thoätre 
ä  la  prochaine  foire.  Sa  troupe  est  fort  bonne,  ses  habits  seroient 
assez  beaux  pour  une  opera,  et  comme  il  est  assez  bien  en  fond  il 
est  sur,  qu’il  ne  laissera  pas  de  dettes  comme  son  Devancier,  vous 
etes  accoutume  d’etre  tourmente,  c’est  pourquoi  je  vous  prie  d’augmen- 
ter  ä  cette  occasion  les  obligations  que  je  vous  ai. 

Je  suis  tres  parfaitement 
Monsieur 

Mayence,  Votre  tres  humble  et  obeissant  serviteur 

le  5  de  juillet  1749.  C.  de  Cobentzel.343 


-  220 


Ungeachtet  dieses  vom  Rath  höflichst  beantworteten  Empfeh¬ 
lungsschreibens  machte  derselbe  dem  ehemaligen  Liebling  des  Frank- 
turter Publikums  vor  seiner  erst  Ende  Juli  erfolgten  Aufnahme344  grosse 
Schwierigkeiten.  Es  half  Wallerotty  nichts,  dass  er  kühn  behauptete, 
es  seien  seit  seinem  Weggang  keine  solchen  Schauspiele  in  Frankfurt 
aufgeführt  worden,  dass  er  einen  für  sich  sehr  günstigen  Vergleich 
zwischen  seiner  »woldsituirten  moralischen  und  artistischen  suite« 
und  der  schlechten,  herabgekommenen  Bande  des  Darmstädter  zog. 
Er  musste  auf  Schuck’s  Ausbleiben  warten,  musste  sich  von  dem 
Wandel  der  theatralischen  Verhältnisse  überzeugen,  der  mittler¬ 
weile  in  Frankfurt  einem  Andern  seine  ehemalige  Aufgabe  zu- 
ertheilt  hatte. 

Wenige  Tage  nachdem  che  Musen  und  alle  Geister  des  Schönen 
und  Grossen  dem  neugebornen  Johann  Wolfgang  Goethe  ihre  wunder¬ 
baren,  unvergänglichen  Gaben  in  die  Wiege  legten,  wenige  Tage 
nach  jenem  denkwürdigen  28.  August  1749  eröffnete  Wallerotty 
seinen  bretternen  Musentempel  auf  dem  Rossmarkte.  Eigentlich  hatte 
er  die  Absicht,  die  Hütte  auf  dem  gelegeneren  Liebfrauenberge  auf¬ 
zurichten,  allein  die  Nachbarschaft  auf  demselben  reichte  sofort  ein 
Abwehrungsschreiben  wegen  Verbauung  des  Prospektes,  Störung  ihrer 
Handlungen,  möglicher  Feuersgefahr  und  sonstiger  Unannehmlich¬ 
keiten  ein,343  welches  Wallerotty  von  dem  gelegeneren  Orte  an  einen 
ihm  in  keiner  Weise  angenehmen  Platz  hintrieb. 

Es  haben  sich  von  dieser  Kunstthätigkeit  Wallerotty’s  keine 
Theaterzettel  ausfindig  machen  lassen;  da  er  aber  selbst  einmal  in 
einer  Eingabe  ausspricht,  dass  er,  wie  in  den  Krönungszeiten,  wie¬ 
der  »merkwürdige  Actiones  mit  allerlei  Ballet  und  Singesang  repre- 
sentiren  wolle«,  so  ist  kein  Zweifel  darüber,  dass  er  seinem  früheren 
Standpunkt  in  jeder  Weise  getreu  blieb. 

Es  ist  ein  eigenthümliches  Zusammentreffen,  dass  in  derselben 
Zeit,  in  welcher  der  künftige  Heros  der  deutschen  Poesie  nicht  weit 
von  der  Hütte  Wallerotty’s  in  den  ersten  Lebenswochen  die  beglück¬ 
ten  Eltern  durch  seine  kräftigen  Tonleistungen  entzückte,  sich  in 
Frankfurt  noch  einmal  jene  masslose  Kunstgattung  breit  machte,  die 
Goethe  später  sehr  zutreffend  »das  erste  laute  Kindergeschrei  der 
deutsch-dramatischen  Poesie«  zu  nennen  pflegte. 

Obgleich  Wallerotty’s  erste  Sängerin  durch  die  Folgen  eines 
Falles  nicht  auftreten  konnte,  machte  er  doch  so  gute  Geschäfte, 
dass  er  noch  vierzehn  Tage  nach  dem  Schluss  der  Messe  Vor¬ 
stellungen  gab.  Er  zahlte  wie  Schuch  für  die  vier  ersten  Wochen 
75  fl.  Abgabe  und  für  die  beiden  letzten  nur  30  fl.  Da  Wallerotty 
in  einem  im  Jahre  1751  eingereichten  Gesuch  berichtet,  dass  seine 
1749  unpässlich  gewesene  erste  Sängerin,  che  von  jeher  wegen  ihrer 
ausserordentlich  angenehmen  Stimme  und  ihres  trefflichen  Spieles  in 
Frankfurt  sehr  viele  Bewunderer  gefunden  habe,  wieder  vollkommen 


221 


hergestellt  sei,  so  kann  man  wohl  mit  einiger  Bestimmtheit  annehmen, 
dass  zu  jener  Zeit  noch  immer  die  berühmte  Frau  Nuth  die  erste 
Darstellerin  seiner  Gesellschaft  war.  Ihr  Gatte  Franz  Anton  Nuth 
gehörte  ganz  sicher  noch  derselben  an,  aber  das  dritte  ehedem  all¬ 
gemein  beliebte  komische  Talent  der  Wallerotty’schen  Truppe,  Mon¬ 
sieur  Bernardon,  hatte  seit  mehreren  Jahren  in  Wien  sein  Glück 
anderweitig  versucht. 

In  der  Ostermesse  1750  fand  der  vom  Hofe  des  Fürsten  von 
Thum  und  Taxis  kommende  Franziskus  Schuch  sofort  die  begehrte 
Zulassung. 346  Nach  seiner  eignen  Aussage  wollte  er  von  nun  an 
eine  Tour  durchs  Reich  machen  »und  die  weltberühmte  Handels- 
Reichs-  und  Krönungsstadt  Frankfurt  zum  Ein-  und  Ausgangspunkt 
derselben  erwählen«.  Schuch  spielte  diesmal  in  einer  ungewöhnlich 
grossen  Hütte  auf  dem  Rossmarkte  und  zwar  unter  solchem  Beifall 
der  Frankfurter  und  der  Messfremden,  dass  die  Rathsschreiber  ihre 
Freibillets  selbst  zu  höheren  Preisen  leicht  verkaufen  konnten.  Und 
doch  forderte  Schuch  kein  geringes  Eintrittsgeld;  er  nahm  wie  im 
Jahre  1748  für  einen  Sitz  in  den  Logen  1  fl.,  auf  dem  Parterre  8 
Batzen,  auf  dem  zweiten  Platz  4  und  auf  dem  letzten  2  Batzen. 

Schuch,  welcher  den  in  Frankfurt  herrschenden  Theatergeschmack 
schon  ganz  genau  kannte,  gab  auch  in  dieser  Messe  dann  und  wann 
regelrechte  Trauer-  und  Lustspiele,  unter  andern  auch  in  mehrfachen 
Wiederholungen  die  dramatische  Satire  »Die  Pietisterei  im  Fischbein¬ 
rocke«,  welches  Stück  von  der  Frau  Professor  Gottsched  nach  Bou- 
geants  »Femme  Docteur«  bearbeitet  worden  war.  Diese  Satire  ver¬ 
dient  insofern  eine  besondere  Erwähnung,  als  sie  die  einzige  auf  die 
Anregung  Gottscheds  entstandene  Komödie  ist,  welche  vor  der  Heraus¬ 
gabe  der  »deutschen  Schaubühne«  im  Druck  erschien.  Das  Stück  ist 
eine  offenbare  Nachbildung  der  »Fennnes  savantes«  von  Moliere,  es 
geisselt  das  Treiben  der  Jansenisten,  welche  namentlich  durch  ihren 
an  Gräbern  vorgenommnen  Wunderschwindel  die  Herzen  der  Frauen 
für  sich  zu  gewinnen  suchten.  Wie  in  dem  Moliere’schen  Stück  so 
kommen  auch  in  dieser  Komödie  zwei  Schwestern  vor,  von  denen 
die  freisinnige  jüngere  auf  Wunsch  der  Mutter  und  der  älteren 
Schwester  einen  Jansenisten  heirathen  soll,  aber  mit  Hülfe  eines 
Oheims  im  letzten  Augenblick  von  demselben  befreit  und  dem  Er¬ 
wählten  ihres  Herzens  erhalten  wird.347 

Ausser  diesem  auch  auf  das  pietistische  Cliquenwesen  in  Deutsch¬ 
land  passenden  Stück,  gab  Schuch  jedoch  hauptsächlich  Stegreif¬ 
komödien  und  lustige  Hanstwurstiaden,  in  denen  er  selbst  den  Faden 
des  Ganzen  meisterhaft  zu  leiten  und  die  Zuschauer  fieberhaft  zu 
erregen  vermochte.  So  lange  Schuch  als  Leiter  einer  Schaubühne 
in  Frankfurt  auftrat,  enthüllte  Melpomene  nur  selten  ihr  ernstes  Ant¬ 
litz,  es  beherrschte  vielmehr  die  lachende  Muse  durch  ihren  mäch¬ 
tigen  und  geschickten  Vasallen  das  Gebiet  der  dramatischen  Kunst. 


222 


Schuchs  Burlesken  und  Stegreifkomödien  waren  aber  auch,  wie 
ein  Augenzeuge  berichtet,  einer  guten  Medizin  gleich,  die  einen 
schlecht  verdauenden  Magen  durch  ein  herzliches  Lachen  wieder  in 
Bewegung  setzten  und  den  matten  Lebensgeistern  eine  neue  Schwung¬ 
kraft  verleihen  konnten. 

Zur  Herbstmesse  1750  kam  der  berühmte  Hanswurst  nicht  mit 
seiner  Bande  nach  Frankfurt ;  überhaupt  lässt  sich  aus  dieser  Zeit 
an  theatralischen  Leistungen  nur  eine  von  dem  Italiener  Jiordani 
am  10.  September  im  Schärfischen  Saale  aufgeführte  komische  Oper 
genannt  »La  Camilla«  namhaft  machen.  —  Jiordani,  der  eigentlich 
ein  reisender  italienischer  Konzertmeister  war,  zahlte  für  diese  sehr 
stark  besuchte  Vorstellung  an  die  Stadt  eine  Abgabe  von  9  Gulden. 

Schuch  gab  während  seines  mehrjährigen  Aufenthaltes  in  bei¬ 
den  Messen  in  Frankfurt  so  viel  Burlesken  und  lustige  Nachspiele, 
dass  er  oft  nur  den  Titel  eines  Stückes  auf  den  Zettel  setzte,  aber 
am  Abend  selbst  noch  keine  Ahnung  von  der  scenischen  Ausführung 
desselben  hatte.  Durch  die  Umstände  gedrängt,  spielte  er  also  oft 
förmlich  Hazard,  wobei  er  sich  stets  auf  seine  und  Stenzeis  ausser¬ 
ordentliche  Erfindungsgabe  verliess,  die  im  Extemporiren  schon  die 
härtesten  Feuerproben  bestanden  hatte.  Trauten  sie  sich  und  dem 
übrigen  Personal  dann  auch  einmal  etwas  zuviel  zu,  was  nach  der 
Aussage  des  Frankfurter  Schriftstellers  Phillipp  Jacob  Rühl  mitunter 
vorgekommen  sein  soll,  so  amüsirte  sich  das  Publikum  doppelt  über 
die  Verlegenheit  der  Schauspieler  und  zeigte  durch  seinen  anhalten¬ 
den  Beifall,  dass  es  gegen  ein  derartiges  Vorkommniss  gar  nichts 
einzuwenden  habe.  Wie  in  unsrer  Zeit  so  war  auch  damals  bei 
Vielen  das  Amüsement  die  Hauptsache,  und  Schuch  als  gewandter 
Principal  beutete  dieses  an  und  für  sich  ja  auch  gerechtfertigte  Be- 
dürfniss  zu  seinem  Vortheil  aus. 

Das  gewagte  Verfahren  Schuchs,  oft  erst  Abends  vor  dem  Be¬ 
ginne  der  Vorstellung  das  Scenarium  zu  einer  lustigen  Nachkomödie 
aufzustellen  oder  den  bereits  gegebenen  Leitfaden  im  Spiel  durch 
einen  tollen  Einwurf  zu  zerreissen,  war  auch  zur  Kenntniss  des 
Frankfurter  Publikums  gekommen  und  hatte  hier,  wie  in  verschie¬ 
denen  anderen  Städten,  zu  einer  Menge  von  Anekdoten  Stoff  gegeben. 

Eine  derselben,  die  am  meisten  den  Schein  der  Wahrheit  für 
sich  haben  möchte,  soll  hier  zur  besseren  Charakteristik  dieses  merk¬ 
würdigen  Principals  kurze  Erwähnung  finden. 

Schuch,  dessen  künstlerisch  bedeutende  Frau  ihm  um  eines 
Grafen  willen  untreu  geworden  war,  hatte  durch  die  leidenschaftliche 
Liebe  jener  bereits  erwähnten  Demoiselle  Schleissner  reichen  Ersatz 
für  die  vielen  bitteren  Erfahrungen  in  seinem  Ehestande  gefunden. 
So  kam  es,  dass  er  seine  Rechte  nicht  geltend  machte,  der  treu¬ 
losen  Frau  volle  Freiheit  liess,  aber  dafür  sein  ganzes  Herz  an  die 
junge  Darstellerin  hing,  die  ihm  die  grössten  Beweise  ihrer  Liebe 


223 


gegeben,  ja  sogar  seinetwegen  für  immer  von  ihrer  Familie  verstossen 
worden  war.  Da  wurde  der  schon  oft  getäuschte  und  deshalb  zum  Miss¬ 
trauen  neigende  Mann  durch  böse  Einflüsterungen  plötzlich  an  der  Ge¬ 
liebten  irre.  Er  glaubte  sich  zum  zweiten  Male  betrogen  und  sie  in 
ein  geheimes  Liebesverhältniss  mit  einem  jungen  Schauspieler  seiner 
Bande  verwickelt,  der  eine  schöne  Gestalt  besass  und  durch  sein  ein¬ 
schmeichelndes  Wesen  den  meisten  Frauen  gefährlich  wurde. 

Es  war  in  der  Herbstmesse  1751  vor  der  Vorstellung  der 
Stegreifkomödie  »Die  geschmähte,  aber  doch  endlich  triumphirende 
Liebestreue  mit  Hanswurst,  einem  lustigen  und  schlauen  Diener«,  als 
Schuch,  finster  vor  sich  hinstarrend,  in  seinem  buntscheckigen  Ge¬ 
wand  hinter  den  Coulissen  sass.  Vergeblich  waren  alle  an  ihn  ge¬ 
richteten  Fragen,  ob  das  schon  mehrmals  auf  verschiedene  Weise 
hier  und  an  anderen  Orten  aufgeführte  Stück  nach  diesem  oder 
jenem  Scenarium  abgespielt  werden  sollte.  Schuch,  der  auf  dem 
Zettel  das  in  Frankfurt  beliebte  Stück  »Alzire«  angekündigt  und 
kaum  vor  einer  Stunde  diese  Abänderung  getroffen  hatte,  schien 
taub  oder  irrsinnig  geworden  zu  sein ;  denn  er  gab  Niemand,  selbst 
nicht  der  Schleissnerin,  irgend  welche  Antwort  und  starrte  nach  wie 
vor  mit  finsterer  Gleichgültigkeit  vor  sich  hin. 

Was  ihn  so  furchtbar  still  gemacht,  wusste  nur  die  Schau¬ 
spielerin,  welche  ihm  das  Gift  der  Eifersucht  in ’s  Herz  geträufelt, 
aber  doch  solche  Wirkung  desselben  nicht  vorausgesetzt  hatte. 

In  Schuch  kochte  und  gährte  es  unter  der  äusseren  Ruhe,  er 
betrachtete  von  Zeit  zu  Zeit  mit  einem  höhnischen  Lächeln  sein  Hans¬ 
wurstgewand  und  schien  sich  in  einen  rasenden  Tyrannenagenten  zu 
verwandeln,  wenn  die  Schleissnerin  ihm  nahte  und  zärtlich  ihren  Arm 
um  seine  Schultern  legen  wollte.  Gutzkow  lässt  den  Moliere  im 
»Urbild  des  Tartuffe«  einen  Ausspruch  tlmn,  der  auch  den  damaligen 
Seelenzustand  Schuchs  in  zutreffender  Weise  schildern  möchte:  »Nein, 
nein,  ich  mag  nicht  daran  denken  —  Lachen  müssen  bei  Herzeleid, 
imter  Thränen  Spässe  machen,  das  gehört  auch  zu  jenen  Kunstlei¬ 
stungen,  für  welche  man  an  der  Kasse  kein  Entree  bezahlt  und  zu 
jenen  Geheimnissen  der  Schauspielkunst,  die  noch  kein  Kritiker  er¬ 
gründet  hat«. 

Kurz  vor  dem  Beginne  der  Vorstellung,  entlockte  endlich  Sten- 
zel’s  herzliches  Zureden  dem  Freunde  den  Ausspruch:  »Nur  anfangen, 
nur  anfangen  wie’s  letzte  Mal,  das  Weitere  wird  sich  schon  finden«. 
In  dem  angegebenen  Stücke  spielte  Demoiselle  Schleissner:  die  ver- 
läumdete  Liebhaberin  Amande,  der  ebenfalls  verdächtigte  junge  Schau¬ 
spieler:  deren  Verlobten  Leander,  der  Komiker  Stenzei:  Amandens 
Vater,  Schuch  als  Hanswurst:  den  Diener  Leanders  und  die  Erfin¬ 
derin  der  nichtigen  Verläumdung  und  Darstellerin  der  Colombinen- 
Rollen :  das  verschlagene  Kammermädchen  Amandens.  Der  den 
Schauspielern  von  früher  bekannte  Aufbau  des  Stückes  ordnete  an, 


224 


dass  die  Ehre  der  durch  eine  böse  Nachbarin  verdächtigten  Amanda 
durch  einen  guten  Einfall  ihres  Taters  gerettet  werde,  aber  Schuch 
warf  zum  grössten  Entsetzen  der  Mitwirkenden  gleich  im  ersten  Akte 
das  ganze  Scenarium  um.  In  fieberhafter  Erregung  lenkte  er  durch 
seine  witzigen  Einwürfe  alsbald  den  Gang  der  Handlung  so,  dass  nicht 
eine  Nachbarin,  sondern  Colombine  das  Unheil  anrichtete  und  ihm 
selbst  die  Aufgabe  zu  Tlieil  wurde,  durch  seine  List  die  Unschuld 
der  beschimpften  Amanda  an  den  Tag  zu  bringen.  —  Im  letzten 
Akt  gerieth  er  denn  auch  derartig  mit  der  Colombine  zusammen, 
dass  sein  allzu  natürliches  Spiel  die  Darstellerin  dieser  Rolle  in  die 
grösste  Angst  versetzte  und  unter  dem  allgemeinen  Beifall  des  nichts 
ahnenden  Publikums  zu  Geständnissen  trieb,  deren  volle  Bedeutung 
nur  einer  im  ganzen  Theater,  der  beglückte  und  plötzlich  wie  um¬ 
gewandelte  Hanswurst  selbst,  begreifen  konnte. 

So  gut  wie  an  diesem  Abend  hatte  Schuch  noch  nie  mit,  seiner 
Partnerin  gespielt,  darüber  waren  alle  Zuschauer  einig.  Hinter  den 
Coulissen  hatte  man  freilich  die  Komödie  in  der  Komödie  schliesslich 
doch  durchschaut  und  damit  den  Schlüssel  für  das  räthselhafte  Be¬ 
nehmen  des  Principals  gefunden.  Am  meisten  beglückt  über  dies 
originelle  Hülfsmittel  zur  Entdeckung  der  Wahrheit  war  die  Schleiss- 
nerin,  die  nicht  nur  in  ihrer  Rolle,  sondern  auch  in  Wirklichkeit  als 
triumphirende  Unschuld  dastand. 

Nach  dem  Schluss  der  Vorstellung  soll  hinter  den  Coulissen 
eine  rührende  Scene  stattgefunden  haben,  deren  Einzelheiten,  wie 
überhaupt  der  ganze  Vorfall,  durch  einige  Mitglieder  der  Truppe  zur 
Kenntniss  des  Publikums  gelangten.  So  wurde  Schuch  auf  der  Bühne 
und  im  Leben  für  viele  Frankfurter  eine  interessante  Person,  die, 
wie  Dr.  H.  WagDer,  Herausgeber  des  Frankfurter  Musenalmanachs 
auf  das  Jahr  1781,  später  berichtet,  noch  viele  Jahre  nach  ihrem 
Weggang  von  Frankfurt  den  Stoff  zu  manchem  interessanten  Ge¬ 
sprächsthema  abgeben  musste. 

Mitte  April  1750  richtete  Schuch  ein  sehr  schmeichelhaftes 
Dankschreiben  an  den  Rath  und  lud  denselben  zugleich  zu  der  für 
diesen  Tag  vorbereiteten  Magistratskomödie  ein.348  Er  führte  »den 
Geizigen«  von  Moliere  und  vorher  ein  allegorisches  Vorspiel  »der  Sieg 
der  Schauspielkunst«  auf,  in  welchem  Apollo,  die  neun  Musen,  die 
Schauspielkunst,  die  Schmähsucht,  die  Heuchelei,  die  Dummheit  und 
der  Undank  in  sehr  eigen thümlichen  Personifikationen  auftreten.  So 
erscheint  der  Letztere  als  ein  Stutzer,  die  Heuchelei  aber  in  Gestalt 
eines  Schulmeisters.  Die  Vorstellung,  besonders  das  gedachte  Fest¬ 
spiel,  wurde  sehr  günstig  ausgenommen  und  Schuch  erhielt  wahr¬ 
scheinlich  in  Folge  dessen  sofort  die  erbetene  Zulassung  für  die 
Herbstmesse. 

Aber  der  berühmte  Hanswurst  konnte  von  dieser  Erlaubniss 
keinen  Gebrauch  machen.  Er  erhielt  einen  Ruf  vom  Herzog  von 


225 


Sachsen-Coburg-Gotha,  den  gerade  damals  zu  Altenburg  tagenden 
Landtag  mit  seinen  Schauspielen  zu  belustigen  und  durfte  diesem 
allerhöchsten  Befehl  um  so  weniger  ausweichen,  als  er  ein  Sächsisches 
Privilegium  besass  und  von  dem  Herzog  schon  oft  in  seinen  Bestre¬ 
bungen  gefördert  worden  war.349 

Um  sich  che  ihm  bisher  zu  Theil  gewordene  Gunst  des  Frank¬ 
furter  Eathes  zu  erhalten,  entschuldigte  er  in  einem  geschickt  abge¬ 
fassten  Schreiben  sein  Ausbleiben  und  erklärte  sich  in  demselben 
sogar  bereit,  wie  er  für  billig  halte,  die  Abgabe  an  das  Rechneiamt 
gerade  so  zu  entrichten,  als  ob  er  wirklich  während  der  Messe  hier 
gespielt  hätte. 

Der  Rath  lehnte  begreiflicherweise  dies  Anerbieten  ab,  bewahrte 
aber  dem  Principal  Schuch  sein  Wohlwollen;  denn  er  zog  ihn  am 
12.  Januar  1751  dem  Wallerotty  vor,  der  ebenfalls  am  selben  Tage 
um  Zulassung  für  ehe  Ostermesse  eiugekommen  war.350  Schuch 
schrieb  von  Cassel  aus,  wo  er  den  Winter  über  unter  grossem  Bei¬ 
fall  gespielt  hatte,  der  mittlerweile  zum  Königl.  Polnischen  und  Kur- 
Sächsischen  wie  auch  Kur-Bayrischen  Hof-Acteur  ernannte  Walle¬ 
rotty  dagegen  von  München,  wo  er  schon  seit  mehreren  Monaten 
zum  grössten  Gefallen  der  allerhöchsten  Herrschaften  seine  beliebten 
Stücke  aufführte.  W allerotty,  der  in  Frankfurt  keine  Schulden  zurück¬ 
gelassen  hatte,  scheint  an  seiner  Aufnahme  nicht  im  Geringsten 
gezweifelt  zu  haben;  denn  er  richtete  später  ein  Schreiben  an  den 
Rath,  in  welchem  er  in  ziemlich  erregtem  Ton  bedauerte,  dass 
ihm  ein  anderer  Principal  vorgezogen  worden  sei. 

Durch  den  ausserordentlich  starken  Besuch  seiues  Theaters  in 
der  Ostermesse  1751  ermuthigt,  kam  Schuch  zu  einem  Entschluss, 
dessen  weitgehende  Bedeutung  ihm  ein  unauslöschliches  Andenken 
in  den  Annalen  des  Frankfurter  Theaters  sichern  wird.  Er  war 
es,  der  zuerst  beim  Senate  den  Antrag  auf  Erbauung  eines  ständigen 
Schauspielhauses  stellte  und  diese  Angelegenheit  mit  einem  Eifer 
betrieb,  welcher  die  günstige  Yermuthung  aufkomm en  lässt,  als  habe  er 
hierbei  nicht  allein  in  seinem  eignen  Interesse,  sondern  auch  in  der 
Absicht  gehandelt,  der  durch  den  ambulanten  Zustand  der  Truppen 
schwer  leidenden  Schauspielkunst  ein  festes  Heim  zu  schaffen.  Zu¬ 
gleich  begehrte  er  für  sich  und  seine  Erben  ein  ausschliessliches 
Privilegium  für  10  Jahre  und  erbot  sich  als  Entgelt  eine  entspre¬ 
chende  Abgabe  zu  entrichten.351  Der  Rath  fasste  den  Antrag  mit 
Lebhaftigkeit  auf  und  beauftragte  am  11.  Mai  1751  das  städtische 
Bauamt,  einen  Uebersclilag  zu  machen,  wie  viel  die  Einrichtung  des 
Komödienbaues  in  dem  weissen  Haus  oder  im  Marstall  (ersteres 
stand  auf  der  Stelle  des  heutigen  Schauspielhauses,  letzterer  ungefähr 
auf  dem  jetzigen  Börsenplatz)  etwa  kosten  würde.  Dieser  Auffor¬ 
derung  gemäss  reichte  nun  das  städtische  Bauamt  einige  Tage  später 
einen  Anschlag  ein,  nach  welchem  der  Bau  eines  vollständigen  Ko¬ 
lo 


226 


mödienkauses,  das  am  Marstall  in  Holzfachwerk  aufgerichtet  werden 
könne,  1000  Tklr.  kosten  würde.  Dieses  Theater  sollte  Logen,  Parterre, 
Amphitheater  und  Paradies  besitzen,  seine  sonstige  innere  Einrichtung, 
die  Dekorationen,  die  Verzierung  der  Logen  und  die  Beleuchtung 
aber  von  Schuch  gestellt  werden.  Gegen  eine  regelmässige  Abgabe 
von  400  fl.  für  die  Messzeit  und  etwa  noch  14  Tage  nach  derselben 
wollte  man  ihm  und  seinen  Erben  dann  ein  Privilegium  auf  10  Jahre 
erth  eilen. 

Das  geringe  Baukapital  von  1000  Rtkl.  liefert  einen  hinläng¬ 
lichen  Beweis,  dass  es  kein  prächtiger  Tempel  werden  konnte,  in 
welchem  Thalia  und  Melpomene  nach  langem  Aufenthalte  in  Bretter¬ 
buden  ihre  neue  bessere  Heimstätte  finden  sollten. 

Nur  ein  den  einfachsten  Bedürfnissen  entsprechendes  Komödien¬ 
haus  hätte  für  diese  Summe  hingestellt  werden  können,  welches  auch 
nicht  im  entferntesten  den  am  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts  ur¬ 
sprünglich  für  die  Oper  errichteten  und  später  vom  Schauspiel  ein¬ 
genommenen  Gebäuden  in  Hamburg,  Leipzig,  Nürnberg  und  Augsburg- 
gleich  gekommen  wäre. 

Aber  der  Plan  gelangte  leider  gar  nicht  zur  Ausführung.  Es 
erhob  sich  alsbald  eine  durch  einen  grossen  Theil  der  Bürgerschaft 
unterstützte  Opposition  von  Seiten  des  evangelisch-lutherischen  Pre¬ 
digerministeriums,  welche  in  einer  von  den  14  Geistlichen  Unter¬ 
zeichneten  Eingabe  ihren  beredten  Ausdruck  fand. 

In  dieser  allerunterthänigsten  Vorstellung  erklärten  die  Geist¬ 
lichen,  dass  das  Aufführen  von  Komödien  Gott  missfällig  und  dem 
thätigen  Christenthum  schädlich  sei.  Man  könne  es  ihnen  daher 
nicht  missdeuten,  wenn  sie  als  geistliche  von  Gott  eingesetzte  W ächter 
den  Rath  aus  Pflicht  gegen  Gott  und  die  weltliche  Obrigkeit 
der  Stadt  um  Ablehnung  des  Gesuchs  der  Komödianten  wegen  Er¬ 
bauung  eines  ständigen  Schauspielhauses  ersuchten.  Unter  andern 
ward  auch  ein  lokaler  Grund  als  Hülfsmittel  zur  Abwendung  benutzt. 
Man  hob  hervor,  dass  es  dem  Rath  zu  einem  besonderen  Vorwurf 
gereichen  werde,  wenn  man  den  Komödianten  zu  ihren  Eitelkeiten 
ein  Versammlungshaus  erbaue,  während  man  den  Reformirten  schlech¬ 
terdings  keine  Kirche  gestatten  wolle  und  könne. 

Schliesslich  beantragte  die  Geistlichkeit,  »ein  Hochedler  Rath 
wolle  für  die  Ehre  Jesu  und  zum  Besten  des  wahren  Christenthums 
den  festen  und  beständigen  Schluss  fassen,  künftighin  auf  keine  Weise 
einige  Komödien- Arten  hier  mehr  zu  erlauben,  und  das  zuversichtliche 
Vertrauen  zu  Gott  zu  haben,  dass,  wenn  auch  hohe  Vorbitten  grosser 
Pürsten  und  Herrn  deswegen  zu  depreciren  wären,  dennoch  Gott 
solches  nicht  zum  Schaden,  sondern  vielmehr  zum  Nutzen  unserer 
Stadt  werde  gereichen  lassen«.352 

Aber  diese  geistliche  Philippica  fand  vorerst  nicht  die  gewünschte 
Berücksichtigung.  Der  Rath  ertheilte  dem  Gesuch  keineswegs  einen 


227 


günstigen  Bescheid,  er  verschob  aber  die  Sache  und  zeigte  dadurch 
allerdings,  dass  er  es  mit  den  frommen  Wächtern  nicht  gerne  ver¬ 
derben  wollte.  Auch  Franziskus  Schuch  betrieb  die  Angelegenheit 
nicht  weiter;  jedenfalls  hatte  ihu  die  sehr  bedeutende  Messabgabe 
und  die  sonstigen  Bedingungen  doch  ein  wenig  zurückgeschreckt. 

Die  Bitte  in  dem  Gesuch  der  Geistlichkeit,  der  Rath  möge  gar 
keine  Komödien-Arten  in  Frankfurt  mehr  gestatten,  wurde  von  Seiten 
desselben  nicht  weiter  beachtet.  Schuch  spielte  auch  in  den  beiden 
Messen  1752  in  einer  grossen  Bude  auf  dem  Rossmarkte  und  zwar 
nach  den  Berichten  der  Oberpostamtszeitung  und  des  Frankfurter 
Journals  unter  einem  solchen  Zulauf  von  hohen  Herrschaften  und 
geringem  Publikum,  dass  sein  Theater  die  Zuschauer  kaum  zu  fassen 
vermochte. 

Um  sich  für  das  Wohlwollen  des  Rathes  so  viel  als  möglich 
dankbar  zu  beweisen,  führte  Schuch  am  20.  April  1751  auf  beson¬ 
deres  Verlangen  als  Magistratskomödie  das  Trauerspiel  »Mithridates« 
mit  einer  nachfolgenden  Hanswurstiade  und  einem  vorangehenden 
allegorischen  Festspiel  »Die  vereinigte  Tragödie  und  Comödie«  von 
Uhlich  auf.  Der  Umstand,  dass  in  dieser  dramatischen  Allegorie  im 
Streite  der  Tragödie  mit  der  Comödie  fast  sämmtliche  regelrechten 
Trauerspiele  und  Komödien  aufgezählt  sind,  die  Schuch  während 
seiner  in  sieben  Messen  ausgeübten  Kunstthätigkeit  in  Frankfurt  zur 
Darstellung  brachte,  veranlasst  hier  den  Abdruck  der  ersten  Scene 
dieses  von  ihm  sehr  prächtig  ausgestatteten  Festspiels. 

Seena  I 

Tragödie,  Comödie. 

Tragödie. 

Schweig  und  erheb  dich  nicht,  mir  kömmt  der  Vorzug  zu, 

Ich  nütz,  erbau,  belehr ;  was  aber  fruchtest  du  ? 

Comödie. 

Frag  nur  die  kluge  Welt,  die  wird  dir  Antwort  geben, 

Denn  in  mir  sieht  der  Mensch  ein  Bild' von  seinem  Leben. 

Die  Laster  deck  ich  auf  und  mach  sie  lächerlich, 

Die  Thoren  trifft  mein  Spott,  sie  bessern  sich  durch  mich. 

Tragödie. 

Du  strafst  die  itz’ge  Welt  und  ich  die  vor’gen  Zeiten; 

Ich  zeig  der  Alten  Wuth,  der  Helden  Muth  im  Streiten, 

Der  Untreu  Schimpf  und  Lohn,  der  Fürsten  Pflicht  und  Noth, 
Der  Bürger  Schuld  und  Treu,  der  Frevler  Fall  und  Tod. 

Comödie. 

Mein  heller  Spiegel  zeigt  den  Menschen  ihre  Flecken, 

Sie-  sehn  sie  so  genau,  dass  sie  für  sich  erschrocken; 

Ich  strafe  Stolz,  Betrug,  Hass,  Dummheit,  Sclnneicheley, 
Gewinnsucht,  Eigensinn,  Geitz,  Wahn  und  Heucheley. 

15* 


228 


Tragödie. 

Mein  Cato  weisst,  wie  man  kann  wahren  Ruhm  erwerben, 
Denn,  eh  er  schimpflich  lebt,  eh  will  er  rühmlich  sterben, 

Was  zeigt  Alzire  nicht  für  zärtlichen  Bestand? 

Wie  rührt  ihr  Glaube  nicht  und  ihr  unglücklich  Band ! 

Was  kann  Zayre  nicht  für  gute  Lehren  geben, 

Die  bey  der  Zärtlichkeit  das  Christenthum  erheben  ? 

Zeigt  Iphigenia  nicht  von  Gehorsam  voll, 

Wie  seiner  Eltern  Wink  ein  Kind  verehren  soll. 

Weisst  nicht  Cornelia,  dass  wir  des  Himmels  Schlüssen, 

Stets  unterworfen  sind  und  ihnen  folgen  müssen? 

Wer  sieht  wohl  unbewegt  Chi  menen  s  Leiden  an. 

Die  den  geliebten  Feind  nicht  gnug  bestrafen  kann  ? 

Entwickelt  Polyeuct  nicht  seines  Herzens  Triebe, 

In  dem  so  harten  Kampf  des  Glaubens  und  der  Liebe? 

Was  Mutter-Liebe  kann,  beweisst  Meropens  Muth, 

Aus  Neigung  für  den  Sohn  schont  sie  nicht  Gunst  noch  Blut. 
Muss  man  die  Bürgertreu  Timoleons  nicht  loben? 

Er  straft  des  Bruders  Wutli  und  sein  tyrannisch  Toben. 

Wer  rühmt  nicht  im  Canut  desselben  Gütigkeit, 

Der,  da  er  strafen  kann,  doch  grossmuthsvoll  verzeiht. 

Wer  wird  Orestens  Angst,  Electerns  Grimm  nicht  fühlen? 
Wer  siehet  ungerührt  den  Tod  des  Cesars  spielen? 

Sind  die  Horazier,  Banise,  Mithridat 

Und  Brutus  es  nicht  werth,  dass  man  sie  gerne  hat  ? 

Kurz :  jedes  Trauerspiel  zeigt  eine  grosse  Tugend, 

Und  es  beleidiget  kein  Alter,  keine  Jugend. 

C  o  m  ö  d  i  e. 

Stellt  mein  Ruhmrediger  der  eitlen  Welt  nicht  klar, 

Ein  lächerliches  Bild  des  grössten  Thoren  dar? 

Wie  mancher,  der  nichts  ist,  und  dennoch  viel  will  heissen, 
Wird,  wenn  er  ihn  gesehn,  zu  bessern  sich  befleissen? 

Wenn  der  Vorwitzige,  die  Unbesonnenheit, 

Nach  der  verlohrnen  Braut  sehr,  doch  zu  spät,  bereut; 

Lernt  mancher  sich  daraus  der  strafbarn  Neigung  schämen, 
Dass  er  gern  eine  Frau  wird  unprobiret  nehmen. 

Die  Männerschule  zeigt,  dass  man  nicht  allemal 
Den  Schönen  trauen  darf;  indem  der  Guten  Zahl 
Sehr  sparsam,  leider!  ist;  sie  suchen  ihr  Vergnügen 
Oft  in  der  schnöden  Kunst,  die  Männer  zu  betrügen. 

Sieht  mancher  Knicker  nicht  im  Geitzigen  sein  Bild, 

Dass  er,  wenn  man  sein  lacht,  auch  auf  sich  selber  schilt? 
Dass  er  den  Trieb  verflucht,  des  Nächsten  Glück  zu  stören, 
Sein  überflüssigs  Gut  dadurch  nur  zu  vermehren? 


229 


Wenn  ein  verliebt  Gespenst  sich  mit  der  Trommel  zeigt, 

Sieht  man  den  Liebenden,  sey  jedes  Wagstück  leicht. 

Wie  lächerlich  es  steht,  wenn  Bürger  sich  erfrechen, 

Und  auf  der  Bierbank  frev  von  Staat  und  Obern  sprechen, 

Weisst  Hollberg’s  Satir  uns  im  Kannengiesser  schön. 

Kein  Bürger  kann  so  weit,  als  Hermann  Breme  gehn. 

Dass  in  den  Witwen  oft  kein  Trieb  zum  Trauern  wohne, 

Zeigt  die  gleich  wankende  ephesische  Matrone; 

Zu  schweigen,  wie  das  Hertz  ein  Schäferspiel  erfreut, 

Das  jene  Welt  uns  weisst,  in  der  nur  Zärtlichkeit, 

Kur  Treu  und  Unschuld  galt. 

Tragödie. 

Lass  dir  die  Lust  vergehen, 

Dass  du  dich  über  mich  willst  prahlerisch  erhöhen, 

Mein  Alter  spricht  bereits  für  mich  und  meinen  Werth, 

Ich  habe  schon  das  Yolk  in  Griechenland  belehrt. 

Comödie. 

Gut ;  aber  bin  wohl  ich  ihm  unbekannt  gewesen  ? 

Wird  nicht  Aristophan  von  Kennern  noch  gelesen? 

Er  und  Men  an  der  wies  das  Lustspiel  in  Atheen; 

War  nicht  gantz  Latien  Terenz  und  Plautus  schön? 

Wie  glücklich  dämpften  sie  die  schnöden  Yorurtheile, 

Der  Schauplatz  diene  nicht  zu  eines  Yolk  es  Heile? 

Tragödie. 

Was  Aeschil,  Sophocles,  Euripides  verricht, 

Was  Seneca  gethan,  vergisst  man  ewig  nicht, 

Wie  manchen  grossen  Geist  sah  man  in  neuern  Zeiten 
In  Frankreichs  Schutz  und  Schoos  mir  Lied  und  Krantz  bereiten. 
Corneillens  Stärk  und  Feur,  Racinens  Zärtlichkeit, 
Yoltairens  reicher  Witz  bey  der  Erhabenheit 
Wird  noch  che  späte  Welt  zu  Keyd  und  Beyfall  reitzen, 

Koch  tausend  werden  einst  nach  ihrem  Ruhme  geitzen. 

Comödie. 

Stellt  mir  die  neure  Zeit  nicht  auch  Herolde  dar? 

Was  mir  mein  Moliere  für  eine  Zierde  war, 

Was  Regnard,  was  Destouches,  was  Boisy  geschrieben, 

Hat  dich  schon  oftermals  zu  Keid  und  Scham  getrieben. 

Tragödie. 

Zeig  mir  in  Deutschland  wen,  der  was  für  dich  gethan ! 

Doch  Dichter,  die  durch  mich  berühmt  sind,  trift  man  an. 

Timoleon,  Canut  und  andre  gute  Stücke 

Yerdienen,  dass  ich  mich  damit  in  Deutschland  schmücke. 

Comödie. 

Was  thut  denn  nicht  für  mich  des  fleiss’gen  Gottsched  Kiel, 
Und  mancher,  dessen  Werck  auf  Bühnen  oft  gefiel? 


230 


Mir  hat  auch  Dänemark  den  grössten  Geist  gezeuget, 

Und  Hollberg  weiss  die  Kunst,  wie  man  die  Laster  beuget. 

Tragödie. 

Sieh,  dort  kömmt  der  Verstand;  lass  mit  mir  unsern  Streit 
Auf  seinem  Spruch  beruhn. 

Comödie. 

Ich  bin  dazu  bereit.353 

In  der  zweiten  Scene  kommen  der  Verstand  und  die  Unschuld 
hinzu,  welche  den  Zwist  weder  zu  Gunsten  der  Komödie  noch  der 
Tragödie  entscheiden.  Nachdem  beide  gegangen,  tritt  die  falsche  Staats¬ 
kunst  auf,  welche  sich  das  Vertrauen  von  Tragödie  und  Komödie  zu 
erwerben  sucht.  Sie  wird  aber  zurückgewiesen  und  bald  darauf  von 
der  wahren  Staatskunst  mit  strafenden  Worten  als  eine  Feindin  alles 
Edlen  zum  Weggehen  gedrängt.  Diese  rühmt  nun  in  schmeichel¬ 
haften  Worten  das  weise  Regiment  des  Frankfurter  Käthes  und  preist 
die  beiden  Schwestern  glücklich,  die  unter  einem  solchen  »Ruder« 
Schutz  und  Glück  gefunden  haben.  Dann  unternehmen  noch 
Schmeichelei  und  Wollust  eine  Versuchungsprobe,  aber  sie  werden 
von  Tragödie  und  Komödie  mit  Hülfe  des  Verstandes,  der  Wahr¬ 
heit  und  der  Unschuld  glücklich  besiegt  und  für  immer  aus  dem 
Gebiete  Frankfurts  verbannt. 

Das  Festspiel  schliesst  mit  einem  Glückwunsch  auf  die  theuren 
Gönner  und  macht  durch  eine  Bemerkung  noch  auf  eine  weitere 
Danksagungsrede  aufmerksam,  die  eine  Schauspielerin  der  Gesellschaft 
am  Schluss  desselben  zu  halten  beabsichtige. 

Aehnliche  allegorische  Festspiele :  »Der  Tempel  der  schönen 
Wissenschaften«  und  »Die  Freyen  Künste«  wurden  in  den  Magistrats¬ 
komödien  während  der  Oster-  und  der  Herbstmesse  1752  unter  all¬ 
gemeinem  Beifall  der  Zuschauer  im  Schuch 'sehen  Theater  auf  dem 
Rossmarkt  zur  Darstellung  gebracht. 

Unter  den  sieben  vorliegenden  Festspielen  ist  dasjenige  vom 
12.  Mai  1751  hauptsächlich  deshalb  zum  vollständigen  Abdruck  in 
der  Beilage  VII  ausgewählt,  weil  es  speciell  für  Frankfurt  geschrie¬ 
ben  wurde  und  merklich  auf  die  Erbauung  eines  Schauspielhauses 
anspielt.  Oder  sollten  die  Verse  keine  tiefere  Bedeutung  haben: 
»Drum  helft  der  Bühne  in  hohen  Gnaden, 

Die  auch  ein  Zweig  vom  Stamm  der  freyen  Künste  ist; 

Sie  bringt  nie  einem  Staate  Schaden, 

Wenn  man  aus  ihrem  Thun  nur  stets  das  Beste  liesst.« 

Schuch  kam  vor  der  Ostermesse  1752  von  Düsseldorf  nach 
Frankfurt,354  wo  hauptsächlich  seine  Kinder  in  kleineren  Stücken 
und  Balletten  sehr  gefallen  hatten.  Er  führte  sie  in  diesen  Leistun¬ 
gen  auch  dem  Frankfurter  Publikum  vor,  dessen  Sympathieen  sich 
die  graziösen  Kinder,  drei  Knaben  und  zwei  Mädchen  im  Alter  von 
sieben  bis  vierzehn  Jahren,  im  Fluge  eroberten.  Besonders  gefielen 


231 


die  kleinen  Künstler  in  den  beiden  Stücken  »Der  Herr  von  Habe¬ 
nix«  und  »Die  Geburt  des  Harlekin«.  Ein  Zettel  dieser  tollen,  mehr¬ 
mals  hier  aufgeführten  Harlekinade  ist  in  dem  in  Beilage  VIII 
wiedergegebenen  Schuch 'sehen  Repertoire  wortgetreu  abgedruckt  zu 
finden. 

Schuch  hatte  nach  Schluss  der  drei  letzten  Messen  jedesmal 
noch  zwei  Wochen  gespielt,  diesmal,  in  der  Herbstmesse  1752,  dehnte 
er  seinen  Aufenthalt  noch  um  eine  Woche  länger  aus.  Er  zahlte 
während  seiner  siebenmaligen  Kunstthätigkeit  in  Frankfurt  messent- 
lich  75  fl.  und  für  jede  Woche  nach  der  Messe  15  fl.  Diese  Abgabe 
blieb  bis  zum  Ende  der  fünfziger  Jahre  auch  für  jede  bessere  Wander¬ 
truppe  bestehen. 

Ehe  Schuch  1752  von  Frankfurt  abreiste,  verschaffte  er  sich 
noch  die  Erlaubniss  für  die  Ostermesse  des  folgenden  Jahres,  machte 
aber  merkwürdigerweise  keinen  Gebrauch  von  derselben  und  ent¬ 
schuldigte  auch  nicht  beim  Rath  sein  Ausbleiben,  was  er,  wie  an  einer 
anderen  Stelle  erwähnt  wurde,  früher  in  gleichem  Falle  gethan  hatte. 

Ob  der  sonst  so  beliebte  Principal  hierdurch  die  Gunst 
seiner  ehemaligen  Gönner  verscherzt  hatte  oder  ob  es  die  immer 
drohenderen  Gewitterwolken  am  politischen  Horizont  waren,  die 
den  Rath  ernst  stimmen  mussten :  Schuch,  der  1756  von  Hamburg 
aus  um  Zulassung  für  die  Herbstmesse  bat,  erhielt  einen  abschlägi¬ 
gen  Bescheid,  und  zwar  mit  dem  unangenehmen  Zusatz,  dass  man 
gar  kein  weiteres  Memoriale  von  ihm  annehmen  werde.355 

Seit  diesem  strengen  Rathsbeschluss  taucht  der  Name  Franzis- 
cus  Schuch  nur  noch  einmal  in  den  auf  die  Geschichte  der  Frank¬ 
furter  Schaubühne  bezüglichen  Akten  auf.  Es  war  dies  vor  der 
Herbstmesse  1758,  in  welchem  kriegerischen  Jahre  die  Väter  der 
Stadt  überhaupt  keine  Komödianten  annahmen.  Gestützt  auf  seinen 
guten  Namen  und  künstlerischen  Ruhm  in  Frankfurt,  hoffte  Schuch, 
dass  man  trotz  des  ausgebrochenen  Krieges  an  keine  Zurückweisung 
denken  und  eine  Ausnahme  mit  ihm  machen  werde.  Er  irrte  sich 
jedoch,  der  Rath  nahm  keine  Rücksicht  darauf,  dass  er  Frankfurt 
allen  andern  Orten  vorziehen  wollte,  die  ihm  Anerbietungen  gemacht 
hatten,  blieb  vielmehr  bei  dem  einmal  gefassten  Beschluss  und 
theilte  ihm  zu  dem  abschlägigen  Bescheid  noch  mit,  dass  man  in 
Zukunft  seine  Eingaben  nicht  mehr  berücksichtigen  könne  und 
wolle. 356 

Wie  so  mancher  seiner  Vorgänger  und  Nachfolger,  so  musste 
auch  Schuch  neuen  Kräften  weichen  und  den  Schutz  der  lachenden 
Muse  in  Frankfurt  einem  anderen  fahrenden  Wanderprincipal  über¬ 
lassen.  Auf  dem  Höhepunkt  seines  Lebens  und  Strebens  hatte 
Schuch  erfolgreich  in  Frankfurt  gewirkt;  nachher  trat  er  nur 
noch  in  Norddeutschland,  hauptsächlich  in  Berlin,  auf,  wo  er  seit 


232 


1754  mit  kurzen  Unterbrechungen  ausschliesslich  spielte  und  mit 
Hülfe  des  berühmten  Tanzmeisters  Carioni  in  seinen  Vorstellungen 
die  Ballette  mit  den  Komödien  verband. 

II. 

Die  unmittelbaren  Nachfolger  Schuch’s  in  Frankfurt  waren  in 
der  Ostermesse  1753  zwei  berühmte  und  berüchtigte  Italiener:  Do- 
minico  Bassi  und  Gervasio  Sillani,  welche  durch  ein  höchst  günsti¬ 
ges  Zeugniss  des  Kurfürsten  von  der  Pfalz  nach  mehrmaligem 
Petitioniren  schliesslich  vom  Rathe  angenommen  wurden. 35  7  Die 
Hauptfertigkeit  dieser  fremden  Principale  bestand,  um  ihre  eignen 
Bezeichnungen  zu  gebrauchen,  »in  kleinen  Bourletteh  a  uso  Panto¬ 
mime,  Operetten  in  Musica  und  köstlichem  Feuerwerk«.  Sie  gaben 
an,  dass  sie  durch  die  vollkommene  Ausführung  dieser  Künste  sich 
den  reichsten  Beifall  der  Kaiserlichen  Majestäten  in  Wien,  des 
Königs  von  Preussen  und  vor  ihrer  Ankunft  in  Frankfurt  auch  des 
Kurfürsten  von  der  Pfalz  erworben,  an  dessen  Hof  sie  sieben 
Monate  lang  »unter  allerhöchstem  und  starken  applause  aufgewartet« 
hätten.358 

Trotzdem  ihre  Burlesken  in  einer  dem  grössten  Theile  des 
hiesigen  Publikums  unbekannten  Sprache  gegeben  wurden  und  ihre 
dargestellten  Pantomimen  oft  nichts  weniger  als  eine  unschuldige 
Bedeutung  hatten,  erfreuten  sich  die  Vorstellungen  der  Italiener 
gerade  von  Seiten  der  vornehmen  Frankfurter  und  vieler  hier  an¬ 
wesender  Fremden  eines  so  starken  Besuches ,  dass  Bassi  und 
Sillani  nach  dem  Schlüsse  der  Oster-  und  der  Herbstmesse  jedesmal 
für  gut  fanden,  noch  um  zwei  Wochen  Verlängerung  einzukommen. 

Die  besondere  Vorliebe  der  höheren  Kreise  für  derartige  Künste 
der  südlichen  Wandervögel  ist  ein  eigenthtimlieher,  aber  verhängnis¬ 
voller  Zug  des  sogenannten  philosophischen  Jahrhunderts  gewesen. 
Man  begeisterte  sich  nicht  allein  in  einer  uns  jetzt  unbegreiflichen 
Weise  für  die  noch  in  anderen,  gefährlicheren  Künsten  erfahrenen 
Italiener,  man  verkleidete  sich  sogar  selbst,  um  scenische  Tänze  auf- 
zuführen  und  im  Gewände  arkadischer  Schäfer  desto  leichter  galante 
Abenteuer  bestehen  zu  können. 

Italienische  Abenteurer,  Magiker,  Goldköche,  Astrologen,  Nekro¬ 
manten,  W undärzte  und  Schwarzkünstler  waren  es  nicht  allein,  welche 
seit  dem  Beginne  des  X  VIII.  Jahrhunderts  glänzende  Rollen  diesseits 
der  Alpen  spielten,  auch  die  südlichen  Jiingerinnen  Terpsichorens 
wussten  sich  Bedeutung  zu  verschaffen  und  der  verhängnisvollen 
Maitressenwirthschaft  des  vorigen  Jahrhunderts  einen  neuen  Auf¬ 
schwung  zu  verleihen. 

Fast  die  meisten  deutschen  Höfe  wissen  von  dem  despotischen 
Regiment  einer  solchen  künstlerischen  Dirne  ein  trauriges  Kapitel 


933  — 


zu  erzählen,  deren  mächtiger  Einfluss  sich  nicht  auf  die  Zerstörung 
des  Herzensglückes  mancher  edlen  Fürstin  und  ihrer  Familie  be¬ 
schränkte.  Von  den  Höhen  des  Lebens,  von  den  Höfen  der  Fürsten, 
brach  sich  der  Strom  der  Entsittlichung  Bahn  in  die  Niederungen 
der  bürgerlichen  Kreise  und  vernichtete  manche  guten  Grundsätze  alt¬ 
deutscher  Sitte  und  patriarchalischer  Ehrbarkeit. 

Mit  Recht  sind  deshalb  die  Wandertruppen  jener  italienischen 
Principale  in  Deutschland  von  vielen  Kulturhistorikern  das  Spiegel¬ 
bild  der  höheren  geselligen  Kreise  des  vorigen  Jahrhunderts  genannt 
worden.  Und  dieser  Spiegel  war  nicht  derartig  geschliffen,  dass  er 
nur  verzerrte  Fratzen  und  wunderliche  Uebertreib ungen  sehen  liess, 
er  war  in  der  Tliat  ein  getreues  Abbild  des  Lebens,  ein  Widerschein 
alles  dessen,  was  unter  äusserlich  schimmerndem  Kleide  seine  niedri¬ 
gen,  selbstsüchtigen  Absichten  verbarg. 

Auch  die  Mitglieder  der  Truppe  des  Dominico  Bassi  und  Ger- 
vasio  Siflani  standen  auf  keiner  höheren  moralischen  Stufe,  als  ihre 
meisten  zeitgenössischen  Kollegen.  Der  berühmte  Sittenmaler  und 
Abenteurer  Jacob  Casanova  von  Seingalt  entwirft  in  seinen  Denk¬ 
würdigkeiten 359  ein  zutreffendes  Bild  von  dem  sittlichen  Zustand 
der  Gesellschaft  des  Dominico  Bassi  in  Augsburg  im  Jahre  1762, 
welches  auch  ihre  moralische  und  künstlerische  Verfassung  in  den 
beiden  Frankfurter  Messen  des  Jahres  1753  mit  wahrhaft  photo¬ 
graphischer  Treue  wiedergiebt. 

Insoweit  es  möglich  war,  ist  unter  Beilage  IX  ein  Auszug 
aus  dem  Repertoire  dieser  Truppe  veröffentlicht,  welcher,  Avie  das 
ebenfalls  angeführte,  vor  der  Magistratskomödie  in  der  Ostermesse 
1753  abgehaltene  musikalische  Vorspiel,  weiteres  Zeugniss  ablegt  für 
den  von  den  beiden  italienischen  Principalen  selbst  näher  bezeich¬ 
nten  Kunststandpunkt. 

Da  Dominico  Bassi  und  Gervasio  Sillani  als  italienische  Panto¬ 
mimen  und  Harlekinadenspieler  keine  weitere  Bedeutung  für  den 
Entwicklungsgang  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  haben  konnten, 
so  mag  hier  die  Wiedergabe  der  auf  sie  bezüglichen  Schilderung 
Casanova’s  aus  dem  fahrenden  Komödiantenleben  des  vorigen  Jahr¬ 
hunderts  unterbleiben,  deren  naturgetreue  Malerei  —  die  cynischen 
Zuthaten  natürlich  ausgenommen  —  nur  von  Goethe  in  »Wilhelm 
Meister«  übertroffen  wurde. 

Die  künstlerische  Thätigkeit  dieser  italienischen  Gesellschaft 
und  ihren  demoralisirenden  Einfluss  in  Frankfurt  hatte  die  Tradition 
schon  am  Ende  der  siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  in  ein 
Gewebe  von  absichtlichen  und  unfreiwilligen  Dichtungen  verwickelt. 
Mangelhafte  Nachrichten  jedoch  gestatten  es  nicht,  diese  verschleier¬ 
ten  Verhältnisse  vollständig  klarzustellen  und  verschiedene  abenteuer¬ 
liche  Berichte  entschieden  zu  widerlegen,  welche  die  Skandalchronik 


234 


der  Stadt  damals  mit  reichem  Stoff  versorgt  und  in  verschiedenen 
hiesigen  Familien  bedenkliche  Zerwürfnisse  herbeigeführt  haben  sollen. 

Das  Theaterjahr  1753  werde  nicht  ohne  die  Erwähnung  eines 
Ereignisses  abgeschlossen,  das  den  gewiss  durch  manche  skandalösen 
Vorfälle  genährten  Widerwillen  der  Geistlichkeit  gegen  die  Komö¬ 
dianten  in  die  grellste  Beleuchtung  zu  stellen  vermag.  In  kümmer¬ 
lichen  Verhältnissen  und  geistesgestört  starb  in  diesem  Jahre  der 
früher  zur  Schuch'schen  Gesellschaft  gehörige  Theaterdichter  Adam 
Gottfried  Uldich  in  Frankfurt,  nachdem  er  zuvor  mit  den  Predigern 
der  Stadt,  besonders  mit  dem  Senior  Starke,  wegen  Verweigerung 
des  heiligen  Abendmahles  in  einen  heftigen  Streit  gerathen  war.  Bei 
dieser  Gelegenheit  schrieb  er  »Die  Beichte  eines  christlichen  Komö¬ 
dianten  an  Gott«,  die  zwar  augenscheinlich  nicht  beachtet  wurde, 
aber  doch  kein  geringes  Theil  dazu  beigetragen  haben  mag,  dass  in 
Zukunft,  wenigstens  nachweislich,  keine  Sakramentsverweigerung  in 
Frankfurt  bei  Komödianten  oder  sonstigen  fahrenden  Leuten  mehr 
vorkam.  —  Wie  hatten  sich  die  Zeiten  für  die  bürgerliche  Stellung 
der  Bühnenkünstler  geändert,  als  Klinger  seine  ersten  Dramen 
schrieb,  der  ein  Jahr  vor  dem  Tode  Uhlich’s  in  Frankfurt  das  Licht 
der  Welt  erblickte ! 

In  der  Ostermesse  1754  waren  nur  Marionettenspieler  hier,  in 
der  Herbstmesse  hingegen  kam  »auf  Wunsch  des  Fürsten  von  Thurn 
und  Taxis  sowie  der  gesammten  gesandtschaftlichen  Noblesse«  eine 
italienische  Operisten-Gesellschaft  unter  Direktion  von  Girolami  Boni, 
auch  Hieronymus  Bony  und  Monsieur  Bon  genannt,  von  Regensburg 
nach  Frankfurt. 360 

Die  Sänger  und  Sängerinnen  dieses  ausländischen  Wander- 
principals  standen  auf  einer  bei  weitem  höheren  künstlerischen  und 
sittlichen  Stufe,  als  ihre  meisten  herum  schweifen  den  Kollegen  und 
Kolleginnen.  Boni  selbst  war  ein  trefflicher  Virtuos  und  seine  Frau 
Carlotta  eine  in  der  neapolitanischen  Schule  des  Alessandro  Scarlatti 
gebildete  Sängerin,  welche  eine  schöne  Mezzosopran-Stimme  besass 
und  die  Partien  der  berühmten  Faustina  Hasse  in  Dresden  sang. 
Girolami  Boni  führte,  wie  sein  unter  Beilage  X  nicht  ganz  voll¬ 
ständig  wiedergegebenes  Repertoire  bezeugt,  hauptsächlich  Opern  von 
den  hervorragendsten  Trägern  der  italienischen  Musik  in  Deutsch¬ 
land,  von  Johann  Adolf  Hasse,  dem  Gatten  der  grossen  Sängerin 
und  Lieblingsschüler  Scarlatti’s,  in  Frankfurt  auf. 

In  der  Mitte  des  achtzehnten  Jahrhunderts,  als  die  deutsche 
Dichtung  kaum  die  ersten  Kinderlaute  stammelte,  als  die  bildende 
Kunst  mehr  denn  je  in  den  Fesseln  des  französischen  Zopfstyls  lag, 
hatte  die  Musik  bereits  durch  das  Dreigestirn  Hasse,  Bach  und 
Händel  eine  Höhe  erreicht,  welche  ihre  beiden  Schwestern  erst  nach 
harten  Kämpfen  erklimmen  sollten.  Vertraten  die  beiden  letzteren 
die  urdeutsche,  keinem  fremden  Einfluss  unterliegende  Richtung,  so 


235 


war  Hasse  ein  nationaler  Nachbildner  der  italienischen  Oper,  der 
seine  fremden  Muster  nicht  allein  erreichte,  sondern  in  vieler  Hinsicht 
sogar  tibertraf.  Die  Kenner  tadeln  an  den  Hasse’schen  Opern  zwar 
den  Mangel  an  dramatischem  Leben,  an  Tiefe  und  innerer  Einheit, 
aber  sie  rühmen  noch  vielmehr  den  Reichthum  von  sinnigen  Melo¬ 
dien,  die  treffliche  Instrumentirung  und  die  einfache,  aber  fest  durch¬ 
geführte  Charakteristik,  durch  welche  der  grosse  Dresdner  Kapell¬ 
meister  allen  seinen  dramatischen  Schöpfungen  ein  fesselndes  und 
eigenartiges  Gepräge  zu  geben  verstand. 

Die  Aufführung  Hasse’scher  Opern  war  für  die  Frankfurter 
Musikfreunde  kein  geringes  Ereigniss.  Trotz  des  hohen  Eintritts¬ 
geldes  (siehe  den  in  Beilage  Nr.  X  abgedruckten  Zettel  vom  10. 
September  1754)  strömte  Alles  in  die  Operistenhütte  auf  dem  Ross¬ 
markte,  deren  leichter  Aufbau  gerade  nicht  für  die  Aufnahme  so 
vieler  Menschen  berechnet  war. 

Am  5.  October  1754,  als  Boni  sich  kaum  die  Erlaubniss  er¬ 
wirkt  hatte,  noch  3  Wochen  spielen  zu  dürfen,  stürzte  während  der 
Aufführung  der  Oper  »II  Negligente«  oder  »Der  gedankenlose  Mensch« 
ein  Theil  der  Gallerie  auf  die  Logen  herab,  wodurch  verschiedene 
Personen  zwar  nicht  lebensgefährlich,  aber  doch  nicht  unerheblich 
verletzt  wurden.361 

Heinrich  Sebastian  Hüsgen,  geb.  1746,  derselbe,  der  mit  Göthe 
zusammen  Schreibunterricht  nahm,  berichtet  über  dieses  Ereigniss  in 
seinem  Buch,  »Artistisches  Magazin«  - —  bei  Gelegenheit  einer  Beschrei¬ 
bung  des  neu  errichteten  Komödienhauses  —  im  Jahre  1790  folgender- 
massen : 

»Aus  den  Zeiten  meiner  Jugend  entsinne  ich  mich  gar  wohl 
noch,  dass  an  einem  Samstag  als  man  just  spielete  »Der  Teufel  ist 
los«  einige  Logen  einer  solch  bretternen  Hütte  eingestürzet,  jüdische 
Damens  und  christliche  Herrn  übereinander  geporzelt,  und  dabei 
allerlei  Unglück  und  Spektakel  vorgefallen  sind.  Meine  abgelebten 
Eltern  wohnten  gleich  dabei,  wir  hörten  das  Geschrey  und  den  Ler- 
men,  vermutheten  aber,  ehe  wir  näher  unterrichtet  waren,  es  gehöre 
dieses  zum  Stück  und  lobten  den  Teufel  vielmehr,  dass  er  seine  Rolle 
so  meisterhaft  spielete.« 

Dieser  Yorfall  soll  recht  zutreffend  von  Hüsgen  geschildert 
worden  sein,  nur  irrte  er  sich  in  der  Angabe  des  Stückes,  dessen 
Titel  er  wohl  in  der  langen  Zwischenzeit  verwechselt  haben  mochte. 
Die  Operette,  »Der  Teufel  ist  los«,  deren  Text  vom  Dichter  Weise 
nach  einem  englischen  Original  bearbeitet  und  von  Hiller  in  Musik 
gesetzt  wurde,  ist  später  oft  von  anderen  Wandertruppen,  aber  nicht 
von  dieser  italienischen  Künstlergesellschaft  zur  Darstellung  gebracht 
worden. 

Boni,  der  seine  Aufführungen  wegen  des  Unglücksfalls  sofort 
einstellen  und  mit  dem  Abbruch  der  Hütte  beginnen  musste,  suchte 


236 


sich  dadurch  einen  Ersatz  für  deu  gehabten  Schaden  zu  verschaffen, 
dass  er  um  Erlaubniss  zur  Fortsetzung  seiner  Opern  in  einem  be¬ 
liebigen  Saal  nachsuchte.  Aber  der  Rath  entsprach  dieser  Eingabe 
nicht,  er  erliess  hingegen  dem  Boni,  und  jedenfalls  in  Rücksicht  auf 
seinen  Verlust,  einen  Theil  des  Standgeldes,  so  dass  er  für  die  Mess¬ 
zeit  nur  45  fl.  und  für  die  12  Tage  nachher  15  fl.  zu  bezahlen 
brauchte. 

Wenn  auch  der  unangenehme  Vorfall  höchst  störend  in  seine 
Wirksamkeit  in  Frankfurt  eingriff,  so  war  doch  Boni  mit  dem  Er- 
gebniss  dieses  ersten  hiesigen  Aufenthaltes  sehr  zufrieden.  Er  erklärte 
dies  dem  Rathe  in  einem  Dankschreiben  vom  8.  October  1754,  in 
welchem  er  zugleich  versicherte,  dass  er  nach  seiner  Rückkunft  in 
Regensburg  dem  Fürsten  von  Thurn  und  Taxis  sogleich  rühmlichst 
anmelden  wolle,  wie  wohl  er  von  dem  hochedlen  Rath  und  hiesigen 
Publikum  aufgenommen  worden  sei.362 

Anfangs  März  1755  kam  Boni  von  Regensburg  aus  wieder  um 
die  Zulassung  für  die  Ostermesse  ein.  Er  erbot  sich  in  seinem 
Schreiben,  zur  Verhütung  aller  störenden  Unfälle  anstatt  in  einer 
bretternen  Hütte  in  einem  Saal  spielen  zu  wollen  und  rühmte  gleich¬ 
zeitig  wieder  die  eingehende  Kenntniss  und  den  guten  Geschmack 
der  Frankfurter,  welche  »seinen  musikalisch-dramatischen  Vorstellun¬ 
gen  stets  einen  besonderen  Sporn  zur  Vervollkommung  gegeben 
hätten.«363 

Boni  erhielt  in  Bezug  auf  seine  Hauptbitte  einen  günstigen 
Bescheid,  aber  in  einem  Saal  durfte  er  sein  Theater  nicht  aufschlagen. 
Er  musste  wieder  in  einer  Hütte  auf  dem  Rossmarkt  spielen  und 
dieselbe  zur  Verhütung  von  Unglück  unter  Aufsicht  des  städtischen 
Bauamts  errichten  lassen.364  Trotz  dieser  Vorsich tsmassregel  fehlte 
dem  Publikum  doch  am  Beginne  der  Vorstellungen  der  rechte  Muth, 
sich  in  dem  bretternen  Musentempel  Boni’s  einer  Lebensgefahr  aus¬ 
zusetzen.  Erst  nach  und  nach  überwanden  die  vortrefflichen  musi¬ 
kalischen  Leistungen  der  italienischen  Operisten  die  geheime  Furcht 
vor  der  Wiederholung  eines  störenden  Vorfalls  wie  im  vergangenen 
Jahre.  Allmählich  bezeigten  die  hohen  Herrschaften  wieder  ihre  alte 
Theilnahme,  die  Logen  füllten  sich  bis  auf  den  letzten  Raum  und 
auch  die  volle  Besetzung  der  übrigen  Plätze  zeugte  für  die  ausser¬ 
ordentliche  Theilnahme,  welche  auch  das  geringere  Frankfurter  Pu¬ 
blikum  für  musikalische  Meisterwerke  an  den  Tag  legte. 

Um  die  italienische  Oper  leichter  besuchen  zu  können,  wünschte 
der  Kaiserliche  Gesandte,  Graf  von  Pergen,  dass  dieselbe  im  Saale 
des  Gasthofs  zum  König  von  England  abgehalten  werden  möchte. 
Der  Besitzer  dieser  Lokalität,  ein  Rittmeister  Breitenbach,  kam  des¬ 
halb  unter  Zusicherung  aller  Vorsichtsmassregeln  am  20.  März  1755 
um  Gewährung  dieses  Wunsches  ein,  erhielt  aber  wegen  der  mit 
den  Vorstellungen  verbundenen  Feuersgefahr  einen  abschläglichen  Be- 


237 


scheid.365  Ein  anderer  von  dem  Grafen  von  Pergen  von  Bassenheim 
selbst  gestellter  Antrag,  auf  achttägige  Verlängerung  des  Termins  der 
Operisten  und  Herabsetzung  des  bestimmten  Standgeldes,  wurde  vom 
Rathe  am  ersten  Mai  1755  ohne  weiteres  bewilligt.  Der  gleichzeitig 
aus  denselben  Gründen  petitionirende  Boni  durfte  noch  acht  Tage 
länger  spielen  und  brauchte  mit  Einschluss  der  Messzeit  der  Stadt 
im  Ganzen  nur  87 J/2  fl.  Abgabe  dafür  zu  entrichten.366 

Eigentümlich  ist  es,  dass  Boni,  dessen  musikalische  Kräfte 
doch  so  Vortreffliches  leisteten,  noch  Equilibristenkünste  mit.  seinen 
musikalisch-dramatischen  Vorstellungen  verband.  Er  huldigte  damit 
wohl  einem  mehrere  Jahrhunderte  alten  Bedürfniss  des  gewöhnlicheren 
Publikums,  für  welches  derartige  akrobatische  Künste  seit  den  Zeiten 
der  englischen  Komödianten  in  Frankfurt  stets  eine  lockende  Zuthat 
gewesen  waren. 

Zur  Truppe  Boni’s  gehörte  ein  berühmter  englischer  Jongleur, 
der  in  seiner  Art  ebenso  bewundernswerth  war,  wie  die  Sänger  und 
Sängerinnen,  deren  Leistungen  nach  der  Meinung  des  Rittmeisters 
Breitenbach  noch  niemals  ihres  Gleichen  in  Frankfurt  gefunden  hatten. 

Ein  gutes  Zeugniss  für  die  moralische  Haltung  der  Truppe 
Boni’s  ist  wohl  der  Umstand,  dass  die  Tradition  mit  ihrem  Aufent¬ 
halt  in  Frankfurt  keine  pikanten  und  scandalösen  Vorgänge  in  Ver¬ 
bindung  brachte.  Bei  Gelegenheit  einer  späteren  Besprechung  über 
Frankfurter  Schaubühnen  in  früherem  Jahren36  7  geschieht  nur  ein¬ 
mal  der  Principalin  der  italienischen  Operisten  von  1755,  also  der 
Signora  Carlotta  Boni,  Erwähnung,  die,  wie  ihre  berühmtere  Kollegin 
Faustina  Hasse,  nicht  nur  durch  ihre  Kunstleistungen,  sondern  auch 
durch  ihre  majestätische  und  schöne  Erscheinung  die  zahlreichen 
hiesigen  Liebhaber  der  Opern  des  Kapellmeisters  Hasse  zu  entzücken 
wusste. 

Neben  den  musikalisch  dramatischen  Werken  dieses  hochange¬ 
sehenen  Meisters  gefiel  in  Frankfurt  noch  besonders  Pergoleses  Inter¬ 
mezzo  »La  serva  padrona«,  welches  wegen  seiner  allgemeinen  Beliebt¬ 
heit  auch  im  Jahre  1756  von  einem  durchreisenden  Direktor  musi¬ 
kalisch-italienischer  Schauspiele,  Vignany,  am  12.  September  im 
Schärfischen  Saal  auf  dem  Liebfrauenberge  gegeben  wurde. 

Anfangs  Juli  1755  wurden  vom  Ratli  für  die  Herbstmesse 
Dominico  Bassi  und  Gervasio  Sillani  und  der  in  Frankfurt  durch 
seine  öftere  Wirksamkeit  bekannte  Direktor  der  Kurbayrischen  Hof¬ 
akteurs  Franz  Gervaldi  von  Wallerotty  angenommen.368  Der  Letz¬ 
tere  petitionirte  von  Nürnberg  aus,  wo,  wie  er  sich  ausdrückte,  seine 
»onärgerlichen  mit  Ballet  und  Sängereien  ausgarnirten  Haupt-  und 
Staatsaktionen  mit  noch  nie  dagewesenem  plaisir  angeschaut  worden 
waren«. 

Als  die  Herbstmesse  herannahte,  forderte  der  Rath  den  Walle¬ 
rotty  auf,  dass  er  sich  mit  den  Italienern  vereinigen  und  abwechs- 


238 


lungsweise  mit  ihnen  in  einer  vor  allem  etwaigen  Einsturz  zu  be¬ 
wahrenden  Hütte  spielen  möge.  —  Gegen  die  Ausführung  dieses 
Vorschlags  legte  aber  Wallerotty  dem  Rath  sofort  eine  von  den 
schlagendsten  Gründen  unterstützte  Einsprache  vor.369  Er  erinnerte 
daran,  dass  jede  Nation,  geschweige  denn  jede  Schauspielertruppe, 
eine  von  der  anderen  sehr  abweichende  Eigenart  besitze,  dass  es  schon 
durch  die  verschiedenen  Sprachen  bei  dem  öfters  nöthigen  Ausräu¬ 
men  der  Bühne  zu  Thätlichkeiten  zwischen  den  sich  nicht  verstehen¬ 
den  beiderseitigen  Schauspielern  und  Bedienten  kommen  könne. 

Hierauf  spricht  er  von  der  Eeuersgefahr,  welche  trotz  der  Vorsicht 
der  Principale  durch  die  ganz  verschiedenen  Aufsehern  anvertraute 
Obhut  über  die  vielen  Lichter  leicht  entstehen  könne  und  giebt  die  zu 
geringe  Einnahme  von  drei  wöchentlichen  Vorstellungen  zu  bedenken, 
mit  der  er  unmöglich  bei  einer  so  zahlreichen,  eigens  für  den  Frank¬ 
furter  Aufenthalt  verstärkten  Compagnie  ehrlich  durchzukommen 
vermöge.  Schliesslich  hebt  er  noch  den  Hauptgrund  zu  seinen 
Gunsten  hervor,  dass  es  nämlich  den  Italienern  gar  nicht  ernst  mit 
dem  Kommen  sei,  da  ihn  deren  Vertreter  aufgesucht  habe,  um  mit 
ihm  wegen  etwaigen  Verkaufs  der  vom  Frankfurter  Bathe  für  die 
Herbstmesse  erhaltenen  Erlaubniss  zu  unterhandeln.  Er  sei  aber  in 
Ansehung  der  grossen  Gnade,  die  ihm  ein  Hochedler  Rath  stets  er¬ 
wiesen  hätte,  keineswegs  auf  einen  solchen  ungebührlichen  Vorschlag 
eingegangen,  habe  vielmehr  den  Vertreter  der  italienischen  Principale 
zurückgewiesen  und  lieber,  um  auf  alle  Fälle  in  keine  Schulden  zu 
gerathen,  einem  Wink  des  Kurfürsten  von  Mainz  Folge  geleistet,  der 
ihn  von  Nürnberg  aus  Ende  Juni  an  seinen  Hof  nach  Mainz  berufen 
hätte.  Auf  die  schliesslich  nochmals  ausgesprochene  Bitte  Wallerotty ’s, 
keine  Theilung  der  Bühne  mit  den  Italienern  eingehen  zu  müssen, 
wurde  ihm  denn  ein  günstiger  Bescheid  nach  Mainz  mit  der  Weisung 
zu  Theil,  sein  Theater  auf  dem  Rossmarkt  aufrichten  zu  lassen. 

Den  Italienern  Bassi  und  Sillani  scheint  es  aber  in  der  That 
kein  Ernst  mit  ihrem  Kommen  gewesen  zu  sein.  Sie  blieben  ohne 
Entschuldigung  von  der  Herbstmesse  fort,  und  füllten,  wie  Walle¬ 
rotty  sagte,  »ihre  Kasse  gehörig  an  einem  anderen  Orte,  wo  für  der¬ 
artige  welsche  Künste  und  welsche  Art  ein  besserer  Acker  -wie  in 
der  weltberühmten  moralischen  Stadt  Frankfurt  war«. 

Dass  Wallerotty  in  dieser  und  in  der  Herbstmesse  des  folgen¬ 
den  Jahres  seine  Direktion  in  der  alten  bekannten  Weise  fortführte, 
bezeugen  die  als  Beilage  Nr.  XI  mitgetheilten  Theaterzettel  und  ver¬ 
schiedene  sonstige  Quellennachrichten.  Sein  hauptsächlichstes  Genre 
war  und  blieb  die  Haupt-  und  Staatsaktion,  in  deren  tollen  Darstel¬ 
lungen  er,  um  seine  eignen  Worte  zu  gebrauchen,  »von  keinem  Vor¬ 
gänger  und,  wie  sicher  und  bestimmt,  auch  von  keinem  späteren 
Nachfolger  übertroffen  werden  konnte«. 

Welcher  grossen  Beliebtheit  sich  aber  in  jener  Zeit  noch  diese 


239 


Stücke  bei  Hoch  und  Niedrig-  erfreuten,  das  geht  aus  den  Thatsachen 
hervor,  dass  Wallerotty  1755  noch  4  Wochen  nach  dem  Schluss  der 
Messe  spielte  und  selbst  im  folgenden  Jahre,  in  welchem  der  Rath 
wegen  Ausbruchs  des  siebenjährigen  Krieges  »alle  sonstigen  Spec- 
takel«  für  die  Messen  zurückwies,  auf  mehrmalige  Fürsprache  der 
damals  hier  weilenden  Herzogin  von  Meiningen  am  1.  September 
1756  zugelassen  wurde.37  0  Wallerotty  spielte  wieder  noch  zwei 
Wochen  nach  dem  Schluss  der  Messe  und  kam  dann  nochmals  um 
Hinausschiebung  des  Termins  ein,  welches  Begehren  ihm  aber  trotz 
der  Verwendung  des  sich  zu  jener  Zeit  in  Frankfurt  aufhaltenden 
Landgrafen  von  Hessen-Rothenburg-Rheinfels  diesmal  wegen  der 
kriegerischen  Zeitverhältnisse  abgeschlagen  werden  musste.371 

Während  dieser  beiden  letzten  Aufenthalte  in  Frankfurt  spielten 
hauptsächlich  Wallerotty ’s  zweite  Frau  und  seine  jüngste  Tochter 
erster  Ehe  die  hervorragen sten  Rollen  und  genossen  deshalb  beim 
Publikum  das  grösste  Ansehen.  Die  Erstere  glänzte  als  Sängerin 
und  als  tragische  Heldin,  die  Andere  als  Colombine  und  lustige  Har- 
lekinetta.  Ein  Theil  der  Truppe  bestand  auch  diesmal  wieder  aus 
Ballettänzern  und  Ballettänzerinnen,  deren  Kunstleistungen,  wie  früher 
»in  der  ernsten  Handlung  eine  angenehme  Abwechslung  bieten  mussten.« 
Das  Ehepaar  Ruth  gehörte  nicht  mehr  zu  Wallerotty ’s  Truppe, 
statt  dessen  hatte  dieser  einen  »neuen  vortrefflichen  Monsieur  Scapin« 
und  ausser  seiner  Frau  »noch  eine  andre  Premiere  Agentin,  die  eben¬ 
falls  mit  italienischen  Arien  aufwarten  konnte«. 

Der  siebenjährige  Krieg  brachte  andere  dramatische  Elemente 
nach  Frankfurt,  so  dass  Wallerotty,  der  im  folgenden  Jahre  wieder 
am  Hofe  des  Kurfürsten  von  Bayern  in  München  spielte,  zunächst 
keine  Aussicht  hatte,  in  dieser  früher  von  ihm  so  gerne  besuchten 
Stadt  auftreten  zu  können.  Als  das  kriegerische  Unwetter  wieder 
vorübergezogen  war,  tauchten  neue  Sterne  am  Kunsthimmel  Frank¬ 
furts  auf,  die  durch  ihren  Glanz  die  alten  verdunkelten  und  die  Auf¬ 
merksamkeit  der  Theaterfreunde  auf  ihr  Erscheinen  hinlenkten. 

Unter  den  in  der  Herbstmesse  1756  abgewiesenen  besseren 
Wanderprincipalen  befand  sich  ausser  Schuch  auch  der  berühmte 
Pantomimenspieler  Sebastiani,  der  von  Strassburg  aus  mit  seiner  aus 
18  Kindern  und  24  Balletpersonen  bestehenden  Gesellschaft  nach 
Frankfurt  kommen  wollte.37  2  Es  ist  mehrmals  bestimmt  berichtet 
worden,  dass  Sebastiani  in  dieser  und  in  der  folgenden  Herbstmesse 
hier  gespielt  habe,  welche  Mittheilung  nur  in  so  fern  nicht  ganz  un¬ 
richtig  zu  nennen  ist,  als  ein  Theil  seiner  Kinder  (Siehe  die  der  Bei¬ 
lage  Nr.  XII  zugetheilten  Theaterzettel)  in  der  Herbstmesse  1757 
einigemal  im  Ackermännischen  Theater  auf  dem  Rossmarkte  panto¬ 
mimische  Darstellungen  gab. 

Ehe  die  französische  Schauspielkunst  während  eines  Zeitraums 
von  mehreren  Jahren  mit  Hülfe  der  politischen  Zustände  die  Allein- 


240 


herrschaft  über  die  Frankfurter  Bühnen  zu  erlangen  wusste,  fand 
im  März  1757  eine  deutsche  Truppe  hier  Aufnahme,373  deren  Wirk¬ 
samkeit  in  den  beiden  Messen  dieses  Jahres  als  ein  Glanzpunkt  in 
der  Frankfurter  Theatergeschichte  zu  verzeichnen  ist.  Es  war  dies 
die  Ackermann’sche  Gesellschaft,  die  wegen  der  in  Sachsen  herrschen¬ 
den  kriegerischen  Unruhen  nicht  länger  in  Leipzig  spielen  konnte 
und,  wie  der  Principal  sicli  ausdrückt,  »nach  Frankfurt  ihre  Zuflucht 
nahm,  wo  stets  die  Schauspielkunst  und  alle  schönen  Wissenschaften 
gütlichen  Schutz  und  eine  gesegnete  Heimat  gefunden  hatten«. 

Ackermann  wurde  aufs  Beste  durch  den  Herzog  von  Sachsen- 
Meiningen  empfohlen,  der  zuerst  ein  eigenhändiges  Schreiben  an  den 
Eath  richtete  und  darauf  noch  einen  in  Frankfurt  weilenden  sächsi¬ 
schen  Cavalier  mit  der  abermaligen  Fürbitte  an  den  Herrn  Bürger¬ 
meister  Erasmus  Karl  Schlosser  abschickte,  dass  man  diesen  treff¬ 
lichen  Principal  doch  keinesfalls  unerhört  von  Frankfurt  wieder 
abziehen  lassen  möge. 

Nun  erst  erhielt  Ackermann  Erlaubniss,  worauf  er  mit  seiner 
Truppe  per  Extrapost  von  Halle  kam,  wo  der  Beifall  der  dortigen 
Musensöhne  ihm  eine  grosse  Einnahme  verschafft  hatte.  Mit  Bewilli¬ 
gung  des  städtischen  Bauamtes  errichtete  er  sofort  eine  grosse 
Bude  auf  dem  Eossmarkte  und  eröffnete  am  12.  April  1757  daselbst 
seine  Schaubühne  mit  der  »Alzire«,  dem  »Scheeren schieifer«  und  einem 
nachfolgenden  Amerikanerballet.374  Eine  der  nächsten  Vorstellungen 
war  »Der  Kaufmann  von  London«  von  Georg  Lillo,  jenes  unbedeu¬ 
tende,  an  dichterischem  Gehalte  arme  Stück,  das  dennoch  nicht 
allein  in  der  englischen,  nein,  auch  in  der  deutschen  Literatur’  ein 
Bahnbrecher  neuer  dramatischer  Eichtungen  werden  sollte. 

Der  jugendliche  Lessing,  durch  che  Lektüre  dieses  Werkes  an¬ 
geregt,  verfasste  das  bürgerliche  Trauerspiel  »Miss  Sara  Sampson«,  in 
welchem  er  kühn  die  verknöcherten  konventionellen  Eegeln  der 
französischen  Eenaissancepoesie  durchbrach  und  den  ersten  Schritt 
auf  jener  ruhmreichen  Bahn  that,  auf  welcher  er  der  Befreier  von 
fremdem  Formenzwang  und  der  Begründer  der  eigentlichen  deutsch¬ 
dramatischen  Poesie  werden  sollte. 

Wenige  Tage  nach  der  Vorstellung  des  Dramas  »Der  Kauf¬ 
mann  von  London«  wurde  dem  Frankfurter  Publikum  Gelegenheit 
geboten,  das  verwandte  englische  Stück  mit  dem  deutschen  Trauer¬ 
spiel  zu  vergleichen.  Ackermann  führte  am  27.  April  1759  »Miss 
Sara  Sampson«  zum  ersten  Mal  in  Frankfurt  auf,  welche  Vorstellung 
einen  derartigen  Erfolg  erzielte,  dass  sie  am  4.  Mai  wiederholt  wer¬ 
den  musste. 

Ein  feiner  Kenner  des  Schauspiels,  der  die  denkwürdigen  Vor¬ 
stellungen  des  »Kaufmanns  von  London«  und  der  »Miss  Sara  Samp¬ 
son«  in  dem  bretternen  Theater  der  Ackermann  ’schen  Gesellschaft 
mitansah,  musste  sofort  die  Entdeckung  machen,  dass  das  deutsche 


241 


Trauerspiel  sein  englisches  Vorbild  bei  weitem  überragte.  Hier  die 
nüchterne  Geschichte  eines  jungen  Kaufmanns,  der  in  die  Schlingen 
einer  Buhlerin  fällt  und  auf  ihr  Anstiften  nach  verschiedenen  anderen 
Missethaten  seinen  Oheim  ermordet,  dort  ein  lebenswahres,  an  feinen 
psychologischen  Zügen  reiches  Familiengemälde,  desseu  weniger  ge¬ 
lungene  Stellen  gegenüber  der  principiellen  Bedeutung  des  Werkes 
und  der  charaktervollen  Bestimmtheit  der  Zeichnung  gar  nicht  mehr 
in  Betracht  kommen. 

Hätte  der  Principal  Konrad  Ackermann  nichts  weiter  in  Frank¬ 
furt  gethan,  als  dieses  erste  bedeutende  dramatische  Werk  Lessing’s 
zur  Aufführung  gebracht,  sein  Name  würde  dadurch  schon  eine 
bleibende  und  rühmliche  Stätte  in  der  Entwicklungsgeschichte  des  Frank¬ 
furter  Theaters  gefunden  haben.  Aber  Ackermann  that  mehr ;  er  führte 
auch  Lessing’s  Erstlingswerke  »Der  junge  Gelehrte«  und  »Der  Frei¬ 
geist«,  ferner  von  Geliert  »Die  Scheinheiligen«  und  »Die  Betschwester« 
auf  und  hielt  unter  den  auf  seiner  Bühne  darzustellenden  Werken 
der  französischen  Dramatiker  eine  sorgfältige  Auslese.  Der  heimi¬ 
schen  Literatur  gönnte  er,  so  weit  es  möglich  war,  den  hervor¬ 
ragendsten  Platz  in  seinem  Repertoire;  erst  in  zweiter  Linie  kamen 
die  französischen  Tragödien  und  Komödien,  welche  er  stets  in  der  für 
die  beste  bekannten  Uebersetzung  zur  Darstellung  brachte. 

Ackermann  verschaffte  sich  nach  dem  Schluss  der  Ostermesse 
die  Erlaubniss,  noch  zwei  Wochen  länger  Vorstellungen  geben  zu 
dürfen ;  er  spielte  also  vom  12.  April  bis  zum  25.  Mai,  während 
welcher  Zeit  er  sechsunddreissig  Aufführungen  veranstaltete,  für 
die  er  eine  Summe  von  1725  Thalern  einnahm.375  Nach  Abzug- 
aller  Unkosten  war  dies  ein  finanzielles  Resultat,  welches  auch  nicht 
im  entferntesten  den  Einnahmen  Schuch’s  gleichkam,  aber  es  setzte 
Ackermann  doch  wenigstens  in  den  Stand,  seine  Gläubiger  befriedi¬ 
gen  und  als  ehrlicher  Mann  von  hier  nach  Strassburg  reisen  zu 
können. 

Wie  eine  feine  Anspielung  auf  den  mässigen  Besuch  seines 
Theaters  in  der  reichen  Handelsstadt  Frankfurt  erscheint  in  der 
Schlussvorstellung  die  Aufführung  des  Vorspiels  »Der  täuschende 
Vertumnus«,  in  welchem  dieser  Gott  der  Gartenfrüchte  die  harrenden 
Schäfer  über  eine  erwartete  gute  Ernte  täuscht. 

Aber  Ackermann  kehrte  trotz  der  mässigen  Einnahmen  zur 
Herbstmesse  nach  Frankfurt  zurück.  Er  spielte  diesmal  vom  2.  Sep¬ 
tember  bis  15.  October,  also  wieder  noch  zwei  Wochen  nach  Schluss 
der  Messe,  nahm  aber  für  dreissig  Vorstellungen  nur  1345  Tlialer 
ein.  Er  begann  mit  »Zaire«  und  einem  nachfolgenden  Türkenballet 
und  schloss  mit  dem  von  der  Frau  Professor  Gottsched  in  Leipzig 
übersetzten  Stück  »Der  poetische  Dorfjunker«  und  einem  darauf 
folgenden  Kinderballet. 

Da  das  von  der  Frau  Professor  Gottsched  in  Leipzig  übersetzte, 

IG 


242 


in  der  That  sehr  gelungene  Lustspiel  des  Destouches  zu  den  Lieb¬ 
lingsstücken  des  hiesigen  Publikums  gehörte  und  deshalb  später  von 
fast  allen  in  Frankfurt  spielenden  Wandertruppen  gegeben  wurde, 
so  dürfte  hier  eine  kurze  Inhaltsangabe  desselben  nicht  ganz  über¬ 
flüssig  erscheinen. 

Henriette,  die  älteste  Tochter  eines  Herrn  von  Altholz,  war 
bei  ihrer  Tante  in  einer  Residenz  am  Hofe  erzogen  worden  und  an 
den  Umgang  der  feingebildetsten  und  scharfsinnigsten  Hofleute  ge¬ 
wöhnt.  Ehe  man  Henriette  wieder  nach  Hause  zurückberief,  hatte 
sie  sich  bereits  mit  einem  angesehenen  Obristen  von  Treuendorf  ver¬ 
lobt,  welches  Bündniss  aber  von  ihren  Eltern  nicht  gebilligt  wurde, 
weil  dieselben  ihre  Tochter  bereits  einem  Herrn  von  Masuren  fest 
zugesagt  hatten.  Dieser  bestimmte  Bräutigam  besass  nicht  die  ge¬ 
ringste  Lebensart,  er  konnte  nur  einigermassen  Yerse  machen,  worauf 
er  sich  aber  nicht  wenig  einbildete. 

Da  der  Yermählungstag  schon  festgesetzt  war,  wusste  sich 
Henriette  aus  ihrer  Noth  nicht  anders  zu  erretten,  als  entweder  ihre 
Person  dem  poetischen  Dorfjunker  recht  verhasst  zu  machen  oder, 
falls  dieses  Vorhaben  nicht  gelingen  würde,  sich  in  ein  Kloster  zu 
begeben.  Allein  so  weit  sollte  es  nicht  kommen;  denn  mit  Hülfe 
von  ein  wenig  Verstellungskunst  gelang  es  ihr  alsbald,  den  zuerst 
gefassten  Vorsatz  glänzend  durchzuführen.  Henriette  liess  sich  gleich 
nach  seiner  Ankunft  mit  ihrem  zugedachten  Verlobten,  dem  poeti¬ 
schen  Dorfjunker,  in  ein  Gespräch  ein,  während  dessen  Verlauf  sie 
sich  so  dumm  und  unbeholfen  anstellte,  dass  Masuren  in  der  ersten 
Entrüstung  über  ihre  Albernheit  den  Ehekontrakt  sofort  auflöste. 

Als  dies  geschehen  war,  zeigte  sich  Henriette  wieder  in  ihrer 
wahren  Gestalt.  Sie  erhielt  nun  die  Einwilligung  ihrer  Eltern  zur 
Vermählung  mit  dem  Obristen  von  Treuendorf,  der  ihr  bei  der  Abreise 
aus  der  Residenz  in  einer  Verkleidung  nachgefolgt  war  und  sich  von 
dem  Herrn  von  Altholz  als  Gärtner  hatte  anstellen  lassen.  Masuren 
aber  musste  zu  spät  erkennen,  dass  sein  poetischer  Witz  doch  nicht 
hinreichte,  um  ihm  ein  ebenso  schönes  als  liebenswürdiges  junges 
Mädchen  zur  Gattin  zu  gewinnen. 

Der  Umstand,  dass  Ackermann  den  poetischen  Dorfjunker  Ma¬ 
suren  und  die  jugendliche,  talentvolle  Mad.  Hensel  die  Henriette 
spielte,  hat  gewiss  viel  dazu  beigetragen,  die  Vorstellung  dieses 
heiteren  Stückes  gerade  auf  der  Ackermann  ’schen  Bühne  besonders 
gelungen  ausfallen  zu  lassen.376 

Am  7.  October  1757  gab  Ackermann  eine  Komödie  zu  Ehren 
des  Raths,  in  welcher  ein  allegorisches  Vorspiel  und  »Merope«  von 
Voltaire  aufgeführt  und  die  folgende,  von  der  Principalin  Sophie 
Charlotte  Ackermann  verfasste  Dankrede  von  der  bereits  erwähnten 
Frau  Hensel  gesprochen  wurde: 


243 


Yater  und  Stützen  des  Staats,  der  sich  seit  Seiden  erhalten 
Und  bis  an’s  Ende  der  Welten  wird  blüh’n, 

Wo  das  geheiligte  Recht  die  würdigsten  Männer  verwalten, 

Die  sich  um’s  Glücke  des  Staates  bemüh’n: 

Allhier  erkennet  man  den  Werth  einer  gereinigten  Bühne, 

Wo  sich  bald  Schrecken,  bald  Mitleid  erregt, 

Wo  man  das  Sittliche  lehrt  und  oft  mit  lachender  Miene 
Laster  verspottet,  sie  züchtigt  und  schlägt. 

Griechenland  schätzte  sie  schon,  Rom  brachte  sie  vollends  zum  Flore 
Frankreich  erhob  sie  durch  Aufwand  und  Fleiss, 

Selbst  der  Chineser  neigt  sich  zu  ihr  mit  willigem  Ohre, 

Folgt  ihren  Lehren  und  singt  ihren  Preis. 

Teutschland,  das  sich  mit  Muth  Wahne  und  Dünkel  entzogen, 
D’rein  es  che  Blindheit  der  Zeiten  gebracht, 

Yon  dem  gewaltigen  Zuge  kluger  Exempel  bewogen, 

Zog  sie  nach  solchen  aus  Tollsinn  und  Nacht. 

Aber  was  braucht  es  hier  Schauspiel  und  Bühne  zu  preisen, 

Wo  man  sie  schätzet,  dieweil  sie  erfreu'n, 

Und  den  verdorbensten  oft  Wege  voll  Sicherheit  zeigen, 

Glücklich  und  ruhig  im  Leben  zu  sein. 

Statt  ihres  Preises  soll  heut,  —  Yäter!  —  nur  Euer  erschallen, 
Freude  und  Dankbegier  füllen  sie  an ; 

Da  auch  ihr  lernender  Fleiss  gütig  und  huldreich  gefallen, 

Weil  er  vor  Eifer  sein  Bestes  gethan. 

Lebet  für  Eure  Huld,  die  ihr  auch  Fremden  gewehret, 

Allzeit  in  Segen,  Ruh’  und  Gedeih’n, 

Tausende  flehen  dafür,  was  sonst  das  Glück  verzehret, 

Müsse  in  Frankfurt  zur  Kümmerniss  sein ! 

Wenn  sich  der  schreckliche  Krieg  anderwärts  grausam  bezeiget, 
Sei  hier  des  Friedens  befestigter  Platz. 

Wird  uns  in  Zukunft  die  Gunst  von  Euch  noch  zugeneiget, 

Ist  uns  dieselbe  der  kostbarste  Schatz. 

Ist  diese  poetische  Dankrede  auch  nichts  weniger  als  schwung¬ 
voll  zu  nennen,  zeigt  sie  auch  manche  Inkorrektheiten  im  rythmi¬ 
schen  Aufbau,  so  giebt  sie  doch  einestheils  ein  Zeugniss  für  das 
klare  Kunstverständnis  der  Verfasserin  und  anderntheils  einen  neuen 
Beleg  für  die  mannigfaltigen  Huldigungen,  durch  welche  die  Komö¬ 
dianten  sich  die  Gunst  des  Frankfurter  Ratlies  zu  erwerben  und 
auch  dauernd  zu  erhalten  suchten. 

Obgleich  die  Ackermann’sche  Gesellschaft  sich  1757  noch  nicht  auf 
der  Hohe  befand,  wie  kaum  ein  Decennium  später  in  Hamburg,  wo 

]6* 


244 


sie  einen  Eckhof,  den  genialen  Borchers  und  die  gerade  auf  dem 
Gipfel  ihres  künstlerischen  Wirkens  stehende  Hensel  zu  Mitgliedern 
zählte,  so  ist  sie  doch  wegen  ihrer  Förderung  der  deutsch-dramati¬ 
schen  Literatur  und  dem  Anstreben  besserer  Ziele  bei  weitem  die 
bedeutendste  Wandertruppe,  die  seit  dem  Abzug  der  Neuberin  ihre 
Bühne  in  Frankfurt  aufschlagen  durfte. 

Ackermann,  welcher  dem  Ballet  noch  eine  besondere  Pflege 
widmete  und  keine  Vorstellung  —  selbst  die  der  »Miss  Sara  Sampson« 
nicht  —  ohne  eine  Pantomime  oder  einen  scenischen  Tanz  vorüber¬ 
gehen  Hess ,  Ackermann  befolgte  also  keineswegs  das  ausschliessliche 
strenge  Prinzip  der  Neuberin,  aber  dem  Harlekin  gestattete  auch  er 
nur  sehr  beschränkte  Beeilte.  Er  trat  wohl  noch  hie  und  da  einmal, 
hauptsächlich  in  den  Balleten,  in  dem  bekannten,  mit  bunten  Lappen 
besetzten  Gewand  auf,  seine  unzeitige  Einmischung  jedoch  in  die 
ernsten  oder  heiteren  Stücke  war  auch  für  das  Ackermann ’sche 
Theater  ein  längst  überwundener  Standpunkt. 

Der  Umstand,  dass  im  Jahre  1757  »Miss  Sara  Sampson«,  »Al- 
zire«,  »Melanide«,  »Cenie«  und  alle  jugendlich  dramatischen  Partien 
von  der  genialen  Frau  Hensel,  späteren  Seyler,  dargestellt  wurden, 
verschaffte  den  genannten  Stücken  in  Frankfurt  eine  ganz  besondere 
Bedeutung.  Ueberhaupt  war  die  Besetzung  der  Bollen  bei  hervor¬ 
ragenden  Trauer-,  Schau-  und  Lustspielen  gerade  während  des  hiesi¬ 
gen  Aufenthalts  der  Truppe  eine  so  vortreffliche,  dass  selbst  der 
strengste  Kritiker  nur  UnwesentUches  daran  zu  tadeln  gefunden  hätte. 

In  dem  als  Beilage  XII  insoweit  als  möglich  mitgetheilten  Be- 
pertoire  Ackermann’s  aus  den  beiden  Messen  1757  ist  der  Zettel 
zur  Vorstellung  der  »Miss  Sara  Sampson«  vom  4.  Mai  1757  nach 
dem  damaligen  Personalbestand  der  Ackermann ’schen  Gesellschaft 
und  nach  sonstigen  literarhistorischen  Belegen  mit  der  Namensangabe 
der  verschiedenen  Bollenvertreter  versehen  worden. 

Dass  Frau  Ackermann  hier  nicht,  wie  in  anderen  Städten, 
Mellefont’s  Liebste,  die  Marvood,  spielte,  hatte  seinen  Grund  in  ihrer 
unmittelbar  bevorstehenden  Niederkunft.  Während  des  Aufenthaltes 
der  Gesellschaft  in  Strassburg,  wohin  sie  sich  bekanntlich  von  Frank¬ 
furt  aus  begab,  wurde  die  spätere  Zierde  des  Hamburger  Theaters, 
die  viel  bewunderte  Charlotte  Ackermann,  geboren,  deren  früher 
Tod  ihre  kurze  künstlerische  Wirksamkeit  mit  einem  verklärenden 
Schimmer  umkleidet  hat. 

Frau  Ackermann  kehrte  nicht  Anfangs  September  mit  der 
kaum  zwölf  Tage  alten  Charlotte  zur  Herbstmesse  von  Strassburg 
nach  Frankfurt  zurück.  Sie  hielt  sich  noch  einige  Wochen  im 
Hause  eines  Doctor  Belir  auf  und  kam  jedenfalls  erst  Anfangs  Octo- 
ber  nach  Frankfurt.  Aus  diesem  Grunde  kann  sie  unmögKck,  wie 
einige  Male  angenommen  wurde,  bei  der  dritten  Aufführung  von 


245 


»Miss  Sara  Sampson«  den  23.  September  1757  die  Marvood  gespielt 
haben. 

Auch  Äckermann's  genialer  Stiefsohn  Friedrich  Ludwig  Schrö¬ 
der,  den  irrthümliche  Vermuthungen  als  Knaben  bei  der  Truppe  seiner 
Eltern  in  Frankfurt  thätig  glaubten,  gehörte  damals  ihrem  Yerbande 
noch  nicht  an.  Als  das  Ehepaar  Ackermann  wegen  der  kriegerischen 
Ereignisse  das  neu  erbaute  Komödienhaus  in  Königsberg  verliess,  war 
Friedrich  Ludwig  Schröder  daselbst  zurückgeblieben  und  nach  einem 
kurzen  Aufenthalt  auf  dem  Collegium  Friedericianum  zu  einer  Seil¬ 
tänzergesellschaft  übergetreten,  bei  der  er  sich  während  der  Kunst- 
thätigkeit  der  Ackermann’schen  Gesellschaft  in  Frankfurt  in  den  ersten 
grotesken  Sprüngen  übte.377 

Nachdem  Frau  Hensel  am  12.  September  1757  die  Titelrolle  in 
der  »Zaire«  vor  einem  ausgewählten  Publikum  mit  grossem  Beifall 
gespielt  hatte,  verliess  sie  che  Ackermann’sche  Truppe,  um,  wie  es 
in  einem  aus  jener  Zeit  stammenden  Bericht  heisst,  unter  dem  Scep- 
ter  der  Frau  Yenus  einem  neuen  und  erheblichen  Glück  entgegen 
zu  gehen. 

Welche  Anerkennung  das  Wirken  der  Ackermann’schen  Truppe 
in  Frankfurt  fand,  lässt  sich  aus  den  angegebenen  Thatsachen  wohl 
mit  einiger  Sicherheit  schliessen,  aber  doch  nicht  mit  Bestimmtheit 
feststellen.  Man  hielt  damals  auch  hier  die  Schaubühne  noch  nicht 
für  wichtig  genug,  um  che  verschiedenen  Stücke  und  Leistungen 
der  einzelnen  Darsteller  einer  öffentlichen  Besprechung  zu  wür¬ 
digen.  Auch  hatten  die  Zeitungen  gerade  im  Jahre  1757  so  viele 
Nachlichten  vom  Kriegsschauplätze,  besonders  von  dem  grossen 
Preussenkönig,  zu  melden,  dass  der  Schauspielkunst  nur  bei  ganz 
besonderen  Anlässen  und  dann  stets  nur  mit  wenig  Worten  gedacht 
werden  konnte. 

Was  aber  die  Tagesblätter  unterdessen,  das  suchten  die  Wander- 
principale  durch  ihre  oft  mit  ornamentalen  Yerzierungen  versehenen 
Theaterzettel  wieder  auszugleichen.  Ackermann  verschmähte  zwar 
die  Ausgabe  grosser  Plakate,  aber  er  gab  seinen  Ankündigungen 
eine  besondere  Bedeutung  durch  die  interessanten  Nachrichten  über 
che  darzustellenden  Stücke,  auf  welche  wir  bei  den  in  der  Beilage 
Nr.  XII  abgedruckten  Theaterzetteln  besonders  aufmerksam  machen. 

Ackermann  stattete  seine  Yorstellungen  nach  dem  Begriffe  der 
damaligen  Zeit  sehr  prächtig  aus,  aber  für  die  Kostümtreue  fehlte 
ihm  der  rechte  Sinn.  Wie  die  Neuberin,  so  hielt  auch  er  noch  immer 
den  Rokokostandpunkt  fest,  dessen  Richtung  ihm  die  meiste  Gelegen¬ 
heit  zu  phantastischem  Aufputz  und  zur  Verwendung  prunkhafter 
Zuthaten  bot.  In  der  Inscenirung  wurde  er  durch  den  in  Frankfurt 
später  als  Tanzlehrer  thätigen  Balletmeister  Finsinger  unterstützt, 
welcher  mit  seiner  Frau  bis  Ende  des  Jahres  1757  ebenfalls  der 
Ackermann’schen  Gesellschaft  angehörte. 


246 


Ein  Jahr  vor  dem  ersten  Auftreten  dieser  berühmten  Truppe 
in  Frankfurt  erbaute  der  holländische  Oberst  Bender  von  Bienenthal 
auf  seinem  Besitzthum  zum  Junghof  einen  für  die  damalige  Zeit 
ziemlich  geräumigen  Koncertsaal.  Der  weniger  kunstsinnige  als 
spekulative  Holländer  ahnte  bei  diesem  Unternehmen  noch  nicht, 
dass  sich  derselbe  einige  Jahre  später  durch  den  Wechsel  der  Ver¬ 
hältnisse  in  einen  Tempel  Thaliens  um  wandeln  würde.  Im  Vergleich 
zu  den  roh  gezimmerten  Bretterbuden  war  dieser  Saal  allerdings  eine 
herrliche  Lokalität.  Er  befand  sich  in  dem  etwas  erhöhten  Erdgeschoss 
eines  einstöckigen,  länglich  viereckigen  Hauses,  hatte  dieselbe  Form 
und  ringsum  in  einem  Halbkreise  eine  Reihe  einfacher  Logen,  zu 
denen  man  über  einige  Stufen  gelangen  konnte.  Vor  den  Logen  war 
das  Parterre  und  über  denselben  eine  der  Breite  der  Logen  ent¬ 
sprechende  Gallerie. 3  7  8 

In  der  Ackermann ’schen  Bude  auf  dem  Rossmarkte  hatte  sich 
also  das  theaterliebende  Publikum  Frankfurts  wenigstens  für  den 
Verlauf  der  nächsten  Jahre  zum  letzten  Male  dem  Wind  und  Wetter 
ausgesetzt  und  an  den  kalten  Octobertagen  des  Jahres  1757  durch 
alle  möglichen  Hülfsmittel,  wie  heisse  Steine,  Krüge  und  Wärm¬ 
flaschen,  gegen  den  Zug  der  schneidenden  Herbststürme  geschützt. 
Von  den  Höfen  und  öffentlichen  Plätzen  zog  die  Schauspielkunst 
nun  in  geschützte  Räume,  in  welchen  sie  aber  noch  nicht  eigner 
Herr  war  und  ihr  Gastrecht  oft  theuer  erkaufen  musste. 


Die  französische  und  deutsche  Komödie  von  1759 
bis  1763  und  ihr  Einfluss  auf  den  jungen  Goethe. 

i. 

Wenn  schon  in  der  Entwicklung  gewöhnlicher  Menschen  sich 
die  ursprünglichen  Anlagen  mit  den  mannigfaltigsten  Eindrücken 
und  Einflüssen  von  aussen  so  innig  verschmelzen,  dass  seihst  der 
Scharfblick  des  grössten  Menschenkenners  ihren  beiderseitigen  An- 
theil  an  der  Fortentwicklung  eines  Individuums  nicht  von  einander 
zu  trennen  vermag,  wie  viel  mehr  ist  dies  der  Fall  bei  genialen 
Geistern,  deren  Entfaltungsgeschichte  oft  die  wunderbarsten  Ver¬ 
schlingungen  von  angeborenem  Verständniss  und  fördernden  oder 
hindernden  Einwirkungen  aufzuweisen  hat. 

Goethe  erkannte  sich  gern,  Avie  Gervinus  bezeichnend  sagt,  in 
dem  Wechselverhältniss  der  Einflüsse,  in  welchem  sich  mehr  oder 
minder  jeder  Mensch  zu  seiner  Zeit  und  Umgebung  befindet.  Bis 
in’s  Endlose  glaubte  er  die  Quellen  seiner  Bildung  verfolgen  zu 
können,  so  dass,  wenn  er  alles  zu  sagen  vermöchte,  was  er  grossen 
Vorgängern  und  Mitlebenden  schuldig  geworden,  nicht  viel  Eignes 
übrig  bleiben  würde.  Mit  dieser  Behauptung  ist  Goethe  freilich  wohl 
etwas  zu  weit  gegangen,  wenn  es  auch  feststeht,  dass  seine  glück¬ 
liche  und  durch  die  mannigfaltigsten  Erlebnisse  angeregte  Jugendzeit 
das  Fundament  seiner  gesammten  geistigen  Entwicklung  und  dich¬ 
terischen  Weltanschauung  geworden  ist. 

Wir  sind  jetzt  in  der  Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  bei 
einer  Epoche  angelangt,  die  in  den  planmässigen  Unterricht  des 
noch  nicht  ganz  zehnjährigen  Goethe  zwar  eine  bedeutende  Störung 
bringen,  aber  auf  anderem  Wege  seinem  Geiste  eine  Menge  neuer 
Begriffe  und  Anschauungen  zuführen  sollte.  Den  französischen  Ko¬ 
mödianten  war  es  Vorbehalten,  die  von  der  Grossmutter  durch  das 
geschenkte  Puppenspiel  angeregte  Neigung  für  das  Theater  in  dem 
Knaben  Wolfgang  nicht  nur  zu  nähren,  sondern  auch  zu  steigern, 
sein  Verständniss  für  die  Bühne  zu  erweitern  und  seine  Erfindungs¬ 
und  Darstellungsgabe  im  höchsten  Grade  anzuregen. 

Kurz  nachdem  die  Ackermann’sche  Gesellschaft  Frankfurt  wie¬ 
der  verlassen  hatte,  änderten  sich  die  allgemeinen  Verhältnisse  nach 


248 


den  Schlachten  von  Zorndorf,  Hochkirch  und  Crefeld  in  auffallender 
Weise.  Die  Nähe  des  Kriegsschauplatzes  verscheuchte  den  patriarcha¬ 
lischen  Frieden,  in  welchem  sich  die  Stadt  Frankfurt  seit  vielen 
Jahren  bis  zum  Ausbruch  des  siebenjährigen  Krieges  befand,  und 
beunruhigende  Vorkomnisse  aller  Art  Hessen  den  Wunsch  nicht  zur 
Verwirklichung  kommen,  den  Frau  Ackermann  in  dem  bereits  er¬ 
wähnten,  an  den  Rath  gerichteten  Abschiedsgedicht  zum  Ausdruck 
gebracht  hatte. 

Teopliilus  Döbbelin,  derselbe,  dessen  Truppe  noch  nicht  zehn 
Jahre  später  durch  die  ersten  und  vortrefflichen  Aufführungen  von 
Lessings  »Minna  von  Barnhelm«  eine  hohe  Bedeutung  in  der  Ge¬ 
schichte  des  deutschen  Theaters  erlangen  sollte,  bewarb  sich  als  Direktor 
der  Weimarischen  Hofbiilme  im  Jahre  1758  mehrmals,  aber  vergebhch 
um  die  Spielerlaubniss.  Der  um  die  Zukunft  Frankfurts  besorgte 
Rath  wollte  eben  in  den  Kriegszeiten  keine  Komödie  gestatten,  er 
hatte  sich  mit,  ernsteren  Fragen  zu  beschäftigen  und  wies  DöbbeKn 
entschieden  zurück,  als  dieser  glaubte,  durch  wiederholte  und  drin¬ 
gende  Bittschriften  sein  Begehren  doch  durchsetzen  zu  können. 

Was  viele  Mitglieder  des  Rathes  nach  den  letzten  kriegerischen 
Ereignissen  des  Jahres  1758  vorausgesehen  hatten,  das  erfüllte  sich 
noch  am  Schlüsse  dieses  und  am  Beginne  des  folgenden  Jahres.  Es 
gab  fast  täglich  Durchmärsche  von  der  Reichsarmee  und  den  ver¬ 
bündeten  Franzosen,  welche  Letzteren  schon  am  2.  Januar  1759  die 
Stadt  besetzten. 

Johann  Wolfgang  Goethe,  der  durch  dieses  Ereigniss  so  viel 
anregenden  Stoff  für  seine  lebhafte  Phantasie  erhielt,  schilderte  später 
im  dritten  Buche  von  Wahrheit  und  Dichtung  die  ersten  Folgen  des 
Einzugs  der  Franzosen  folgendermassen : 

»Nun  fehlte  es  von  dem  ersten  Tage  der  Besitznehmung  unsrer 
Stadt,  zumal  Kindern  und  jungen  lauten,  nicht  an  immerwährender 
Zerstreuung.  Theater  und  Bälle,  Paraden  und  Durchmärsche  zogen 
unsere  Aufmerksamkeit  hin  und  her.  Die  letztem  besonders  nahmen 
immer  zu,  und  das  Soldatenleben  schien  uns  ganz  lustig  und  ver¬ 
gnüglich«. 

Aber  nicht  durch  die  bunten  Bilder  des  Kriegslebens  sollte  der 
jugendliche  Dichtergeist  am  meisten  gefördert  werden:  die  dramati¬ 
sche  Kunst  —  wenn  auch  im  fremden  Gewände,  erhielt  —  wie  schon 
gesagt,  die  Aufgabe,  in  jener  Zeit  diejenigen  Saiten  in  seinem  Gemüthe 
anzuschlagen,  die  in  seinem  späteren  Leben  voller  und  immer  voller 
erklingen  sollten. 

Als  die  Franzosen  in  Frankfurt  eingerückt  waren,  musste  trotz 
der  kriegerischen  Zeitverhältnisse  für  Amüsement,  besonders  für  Thea¬ 
ter  gesorgt  werden.  Die  verschiedenen  Mitglieder  der  französischen 
Generalität  wollten  diesen  Kunstgenuss  nicht  länger  entbehren,  und 


249 


vor  allen  war  es  der  Prinz  de  Rohan,  welcher  sich  beim  Rathe  um 
die  Zulassung  einer  Komödiantentruppe  verwandte.  Am  2.  April 
1759  richtete  er,  durch  die  Bitten  des  von  ihm  begünstigten  Direk¬ 
tors  einer  italienischen  Operettengesellschaft  bestürmt,  folgendes 
Schreiben  an  den  Rath  : 

»Yous  m’obligerez,  monsieur,  de  vouloir  bien  donner  la  per- 
mission  et  accorder  un  en droit  au  nomme  Garrigny,  directeur  de 
Lopera  Italien  Bouffon;  pour  donner  le  spectacle  pendant  la  foire; 
je  vous  prie  de  m’accorder  ce  plaisir,  moyennant  qu’ils  payeront 
ce  que  vous  jugerez  ä  propos.  Soyez  persuade  de  toute  la  consido- 
ration  possible  avec  laquelle  je  suis  pour  vous  monsieur 

Jules  Hercules  le  Prince  de  Rohan. 

ä  Monsieur 
Monsieur  le  Magistrat 
de  la  ville  libre  et  imperiale  de  Frankfort 
ä  Frankfort.« 3  9  7 

Aber  der  Rath  bewilligte  das  Gesuch  des  einflussreichen  Prinzen 
nicht,  er  besass  vielmehr  trotz  des  damaligen  Ueberge wichts  der  Fran¬ 
zosen  den  Muth,  unter  einem  Yorwande  sein  Begehren  höflich  ab¬ 
zulehnen.  Gleich  nachdem  man  den  Brief  des  Prinzen  in  der  Senats¬ 
sitzung  verlesen  hatte,  wurde  folgendes  Antwortschreiben  abgefasst 
und  durch  den  Kanzleiboten  Kaiser  in  die  Kanzlei  des  Prinzen 
Rohan  abgeschickt : 

Memoire : 

»Malgro  le  desir  sincere  que  nous  avons  de  temoigner  ä  s. 

A.  Mr.  le  Prince  de  Rohan  l’attention,  que  nous  avons  pour  ses 
recommandations,  la  Situation  dans  laquelle  nous  nous  trouvons,  le 
manque  d’emplacemens  necessaire  pour  ces  sortes  de  spectacles,  join- 
tes  ä  d’autres  raisons  tres  considerables  ne  nous  permettent  pas  de 
deferir  au  nomme  Garrigny,  directeur  d’une  opera  comique  Italien. 

C’est  ce  qui  nous  fait  supplier  s.  A.  Mgr.  le  Prince  de  Rohan  de 
nous  indiquer  d’autres  occasions  plus  favorables  oü  nous  puissions 
Lui  temoigner  le  respect  et  les  egards,  que  nous  conservons  pour 
les  recommandations  d’un  Seigneur  de  sa  qualite. 

Fait  ä  Frankfort  le  3.  April  1759«. 3 80 

Diesmal  war  es  dem  Rath  gelungen,  ohne  Yerstoss  einem  Lästi¬ 
gen  Begehren  auszuweichen,  als  aber  einige  Tage  später  der  Herzog 
von  Broglio  ähnliche  Wünsche  zum  Ausdruck  brachte,  konnte  aus 
Rücksicht  für  den  Oberbefehlshaber  der  französischen  Armee  an  eine 
verblümte  Yerweigerung  nicht  mehr  gedacht  werden.  Im  Aufträge 
des  Herzogs  von  Broglio  trug  der  im  Yaterhause  Goethes  einquar- 
tirte  Königslieutenant,  Monsieur  de  Thoranc  (nicht  wie  bisher  irr- 
thümlich  angenommen  wurde  »Thorane«)  am  8.  April  dem  Rathe 
schriftlich  folgende  Bitte  vor: 

3^.  •/Ha.'i-tV-K  SA 

Jv\  HtäVA 


*v 


250 


»Jai  l’honneur  de  prevenir  Messieurs  du  Magistrat  que  Mr.  le 
duc  de  Broglio,  approuve  les  arrangements  que  Mrs.  Lot  et  Bersac 
fairont  pour  etablir  icy  la  troupe  de  comediens  franqois  qu’il  a  en- 
gages  ä  yenir  de  Metz  pour  cela.  Je  prie  les  Messieurs  de  vouloir 
bien  accorder  ä  la  dite  troupe  tous  les  secours  dont  eile  a  besoin  et 
favoriser  leurs  representations  et  leur  etablissement 

Thoranc.«381 

In  derselben  Senatssitzung  vom  9.  April  1759  wurde  auch  eine 
deutsche  Eingabe  der  französischen  Directeurs  L'Hote  und  de  Bersac 
verlesen,  deren  Inhalt  auf  die  Empfehlung  des  Herzogs  von  Broglio, 
des  Grafen  Thoranc  und  des  Generals  de  la  Vasonne  Bezug  nahm 
und  zugleich  die  Absicht  ausdrückte,  falls  das  Gesuch  genehmigt 
würde,  den  Ivoncertsaal  im  Junghof  für  die  französische  Komödie 
benutzen  zu  wollen.382  L’Hote  und  de  Bersac  erhielten  sofort  einen 
günstigen  Bescheid,  und  dem  Lieutenant  Anthoni,  der  dem  Grafen 
Thoranc  von  Seiten  der  Stadt  Frankfurt  als  Adjutant  beigegeben  war, 
wurde  nach  der  Senatssitzung  folgendes  Schreiben  zur  persönlichen 
Bestellung  eingehändigt: 

A  Monsieur  de  Thoranc. 

»A  l’egard  des  Comediens  on  ne  manquera  pas  de  leur  pro- 
curer  tous  les  secours  dont  on  est  capable,  mais  on  supplie  en  meine 
temps  Mr.  de  Thoranc  de  vouloir  bien  se  charger  du  soin  de  l’em- 
placement  ou  endroit  oü  ils  puissent  faire  leurs  representations«.383 

Als  am  anderen  Tage  die  Besitzerin  des  Junghofes,  Frau  Ma¬ 
rianne  von  Bienenthal  geb.  von  Malapert  im  Namen  ihres  abwesen¬ 
den  Mannes  um  die  Erlaubniss  einkam,  ihren  Konzertsaal  den  fran¬ 
zösischen  Komödianten  überlassen  zu  dürfen,  wurde  ihr  dieselbe 
gegen  den  sonst  streng  eingehaltenen  Grundsatz  des  Rathes,  theatra¬ 
lische  Vorstellungen  wegen  der  Feuersgefahr  nur  noch  in  eigens  dazu 
erbauten  Bretterbuden  dulden  zu  wollen,  durch  den  Einfluss  des 
Königslieutenants  de  Thoranc  sofort  ertheilt,  jedoch  dem  Rechneiamte 
die  Festsetzung  einer  Abgabe  Vorbehalten.384 

Die  beiden  Entrepreneurs  der  französischen  Komödie  begannen 
nach  diesem  Bescheid  sofort  mit  dem  Aufschlagen  ihrer  Bühne  und 
beriefen  ihre  Truppe  von  Metz  nach  Frankfurt,  Am  20.  April  waren 
denn  auch  alle  Vorbereitungen  so  weit  gediehen,  dass  L’Hote  und 
de  Bersac  dem  Grafen  Thoranc  die  in  einigen  Tagen  bevorstehende 
Eröffnung  der  französischen  Komödie  anzeigen  konnten.  Gleich  nach 
dieser  Meldung  beorderte  der  Königslieutenant  seinen  Adjutanten 
Anthoni  mit  der  persönlichen  Uebermittlung  des  folgenden  Schreibens 
an  den  Rath: 

»J’ay  l’honneur  de  prevenir  Messieurs  du  Magistrat,  que  la 
troupe  de  comediens  franyois,  qui  doit  arriver  de  Metz,  commencera 
ses  representations  dimanche  prochain,  et  continuera  tant  que  les 
circonstances  le  demanderont ;  je  les  prie  de  vouloir  bien  faire  pre- 


251 


venir  les  bourgeois  et  autres,  qui  jouiront  du  spectacle  de  n’apporter 
aucun  trouble  aux  representations ;  j’aurais  attention  ä  maintenir  l’or- 
dre  et  la  plus  exacte  discipline  dans  cette  troupe  et  ä  empecher  tout 
ce  qui  pourroit  occasionner  le  moindre  dereglement  ou  desordre.  S’il 
vient  a  leur  connoissance  quelque  chose  qui  puisse  blesser  ou  con- 
trarier  les  usages  et  regles  qu’on  a  coutume  de  suivre  dans  la  ville 
a  l'occasion  des  spectacles  publics  je  les  prie  de  m’informer  pour  que 
j’y  apporte  un  remede  prompt  et  efticace. 

Francfort  le  20.  Avril  1759.  Thoranc.«385 

Wie  auch  aus  dem  Schluss  dieses  Briefes  hervorgeht,  besass 
der  geschichtliche  Königslieutenant  in  der  That  jenen  Zug  edler  Rück¬ 
sicht  für  bestehende  Zustände,  mit  welchem  Goethe  sein  Charakterbild 
in  Wahrheit  und  Dichtung  so  fesselnd  auszustatten  wusste.  Ueber- 
haupt  giebt  ein  Einblick  in  die  bezüglichen,  im  Besitz  des  hiesigen 
Stadtarchivs  befindlichen  Actenstücke  die  zweifellose  Gewissheit,  dass 
Goethe  das  liebevoll  ausgeführte  Portrait  Thoranc’s  keineswegs  zu  sehr 
idealisirte,  sondern,  einige  kleine  Ausschmückungen  ausgenommen, 
ganz  genau  und  getreu  nach  dem  Leben  entworfen  hat. 

Der  Königslieutenant  Thoranc  war  ein  würdiger,  gerechter,  un¬ 
bestechlicher  Mann,  dessen  schneidige  Entschiedenheit  durch  die  feine 
und  elegante  Form  ihrer  Aeusserung  nie  verletzend  wirken  konnte. 
Er  besass  alle  Vorzüge  eines  hochgebildeten  und  geistreichen  Fran¬ 
zosen  und  vereinigte  dieselben  mit  soldatischer  Biederkeit  und  einen 
mitunter  bewundernswerthen  Scharfblick  für  die  verschiedensten  Vor¬ 
kommnisse.  Auch  der  seltsame  Zug  von  Hypochondrie,  den  Goethe 
in  dem  Portrait  des  Königslieutenants  zu  einer  charakteristischen 
Grundlinie  ausbildete,  scheint  nicht  ganz  ohne  thatsächlichen  Anhalt 
gewesen  zu  sein.  Der  Adjutant  Anthoni  berichtete  einmal  den  Vä¬ 
tern  der  Stadt,  dass  der  Königslieutenant  heute  niemand  vorliesse, 
woraus  man  schliessen  dürfte,  dass  ihn,  da  er  nicht  krank  oder  sonst 
verhindert  war,  vielleicht  grade  damals  eine  jener  von  Goethe  ge¬ 
schilderten  Saulsstimmungen  beherrschte.  Wenn  das  geflügelte  Wort, 
»le  style  c’est  Fhomme«  irgendwo  Bewahrheitung  findet,  so  ist  dies 
bei  Thoranc  der  Fall,  dessen  Briefe  an  den  Rath  Frankfurts  den 
Charakter  ihres  Verfassers  in  der  vorteilhaftesten  Weise  wieder- 
spiegeln. 

Es  ist  zu  verwundern,  dass  Goethe,  der  in  Hinsicht  auf  den 
Königslieutenant  so  Vieles  getreu  in  seinem  Gedächtniss  bewahrte, 
sich  nicht  an  die  Beziehungen  desselben  zu  der  französischen  Ko¬ 
mödie  im  Junghof  erinnerte.  Thoranc,  der  ein  eifriger  Theaterbe¬ 
sucher  war  und  die  dramatische  Kunst  ebenso  freundlich  beschützte 
wie  die  Malerei,  begünstigte  nicht  nur  die  beiden  Directeurs 
L’Hote  und  de  Bersac,  sondern  auch  deren  Nachfolger,  den  be¬ 
rühmten  französischen  Komödianten  Renaud.  Wie  aus  verschiedenen 
Eingaben  an  den  Rath  hervorgeht,  ersuchten  die  genannten  Direk- 


252 


toren  clen  Königslieutenant  in  seinem  Standquartier  zum  Hirschgraben 
Lit.  F.  Nr.  /74  oft  persönlich  um  Vermittlung  in  den  verschieden¬ 
sten  Angelegenheiten.  Dem  auf  das  bei  Thoranc  ein-  und  ausgehende 
Publikum  genau  achtenden  kleinen  Goethe  war  sicher  bei  seiner 
grossen  Vorliebe  für  das  Theater  der  öftere  Besuch  der  auch  als 
Schauspieler  thätigen  Entrepreneurs  nicht  entgangen,  aber,  wie  manches 
Andere,  im  Laufe  der  Zeit  aus  dem  Gedächtniss  entschwunden  und 
von  seiner  dichterischen  Phantasie  mit  neuen  Eindrücken  verschmol¬ 
zen  worden. 

Von  ihrem  Protektor  Thoranc  kehren  wir  nun  zu  der  franzö¬ 
sischen  Truppe  der  Direktoren  L’Hote  und  de  Bersac  zurück,  deren 
Vorstellungen  mit  einem  Stück  von  Favart  »La  fille  mal  gardee«  oder 
»die  Uebelbewahrung  der  Tochter«  ihren  Anfang  nahmen.  Durch 
einen  glücklichen  Fund  des  Herrn  Stadtarchivars  Dr.  Grotefend  sind 
eine  Anzahl  hochwichtiger  Theaterzettel  von  dieser  und  der  späteren 
französischen  Gesellschaft  entdeckt  worden,  die  wieder  aufs  Neue 
Zeugniss  ablegen,  wie  fest  und  getreu  sich  die  theatralischen  Vor¬ 
stellungen  im  Junghof  dem  empfänglichen  Geiste  des  zehnjährigen 
Dichterknaben  einprägten . 

Wie  er  selbst  in  Wahrheit  und  Dichtung  erzählt,  besuchte 
Johann  Wolfgang  Goethe  auf  das  Freibillet  seines  Grossvaters,  des 
Stadtschultheissen  Textor,  gegen  den  Willen  seines  Vaters,  aber  unter 
Begünstigung  der  Mutter,  täglich  die  französische  Komödie  im  Jung¬ 
hof.  Da  er  den  Inhalt  der  aufgeführten  Stücke,  besonders  der  sich 
auf  Vorfälle  aus  dem  gewöhnlichen  Leben  beziehenden  gar  nicht  ver¬ 
stehen  konnte,  achtete  er  hauptsächlich  auf  das  Geberdenspiel  der 
Schauspieler,  auf  ihre  Bewegungen  und  den  Ausdruck  der  Rede, 
überhaupt  auf  Dinge,  welche  die  Phantasie  der  Kinder  im  Allge¬ 
meinen  weniger  zu  fesseln  vermögen.  Aber  bei  dem  häufigen  Besuch 
der  Komödie,  dem  Umgang  mit  dem  Personal  derselben  und  der  ange¬ 
borenen  Gabe  Goethes,  sich  leicht  den  Schall  und  Klang  einer  Sprache 
anzueignen,  gewann  er  bald  soviel  Kenntniss  der  französischen  Sprache, 
dass  er  die  dargestellte  Handlung  stückweise  begriff  und  die  Lücken 
mit  Hülfe  seiner  lebhaften  Phantasie  ausfüllte.  Diese  Uebung  seiner 
Erfindungsgabe  war  für  den  Knaben  ebenso  wichtig  wie  die  Märchen- 
erzählungen  der  Mutter,  die  einige  Jahre  früher  seine  lebhafte  Ein¬ 
bildungskraft  zur  ersten  Selbstthätigkeit  angeregt  hatten. 

»Höchst  anmuthig  war  der  Eindruck,«  erzählte  Goethe  in  Wahr¬ 
heit  und  Dichtung,  »den  der  »Devin  du  Village«,  »Rose  et  Colas«, 
»Annette  et  Lubin«  auf  mich  machten.  Ich  kann  mir  die  bebänder¬ 
ten  Buben  und  Mädchen  und  ihre  Bewegungen  noch  jetzt  zurück¬ 
rufen«.  Wie  das  zu  diesem  Abschnitt  gehörige,  aber  leider  nicht  voll¬ 
ständige  Repertoire  (Beilage  XIII)  der  französischen  Komödie  bezeugt, 
sah  der  kleine  Goethe  die  durch  idyllische  Einfachheit  und  anmuthige 
Melodien  sich  auszeichnende  Operette  »Le  devin  du  Village«  (der  Dorf- 


253 


Wahrsager)  von  Jean  Jaques  Rousseau  wirklich  am  19.  November 
1759  aufführen.  Ein  neuer  Akteur,  der  noch  nie  in  Frankfurt  ge¬ 
sungen  hatte,  stellte  die  Titelrolle  dar  und  das  Stück  selbst  war  »mit 
allen  Anehmlichkeiten  ausgeschmückt«,  das  heisst  durch  allerlei  da¬ 
mals  sehr  beliebte  Aufzüge  und  Tänze  der  phantastisch  gekleideten 
arkadischen  Schäfer  besonders  reizvoll  für  das  Publikum  ausgestattet. 

Was  aber  die  Aufführung  von  »Rose  et  Colas«,  Text  von  Se- 
daine,  in  Musik  gesetzt  von  Mosigny  und  Gretry  betrifft,  so  muss 
sich  Goethes  Erinnerung  doch  wohl  auf  eine  spätere  Zeit  beziehen. 
Die  Operette  erschien  1764  in  Paris,388  wo  man  sie  auch  gleich  zur 
Darstellung  brachte;  in’s  Deutsche  wurde  sie  erst  1772  übersetzt  und 
in  Frankfurt  gelangte  sie  schon  ein  Jahr  später,  in  der  Ostermesse 
1773,  durch  die  Truppe  des  kurpfälzischen  Hofschauspielers  Marchand 
zur  Aufführung.  Da  diese  Gesellschaft  ebenfalls  im  Konzertsaal  zum 
Junghof  spielte,  so  wäre  es  ja  grade  keine  Unmöglichkeit,  dass  der 
damals  in  Frankfurt  lebende  junge  Doctor  Goethe  diese  Vorstellung 
besucht  und  viele  Jahre  später  mit  einer  in  seiner  Kindheit  von  den 
französischen  Komödianten  gegebenen  verwechselt  hätte. 

Auch  die  Aufführung  des  dritten  von  Goethe  erwähnten  Stückes 
»Annette  et  Lubin«  steht  sehr  zu  bezweifeln.  Diese  graziöse  Operette 
der  Madame  Marie  Justine  Benedicte  Favart  wurde  erst  am  15. 
Februar  1762  in  Paris  zum  ersten  Mal  gegeben387  und  kann  des¬ 
halb  bei  der  damals  meistens  viel  langsamer  als  heut  zu  Tage  er¬ 
folgenden  Verbreitung  der  neu  erschienenen  Stücke  nicht  leicht  mehr 
bis  zum  Abzug  der  französischen  Komödianten  in  der  Ostermesse 
1763  in  Frankfurt  aufgeführt  worden  sein.  Entweder  verwechselte 
Goethe  in  der  Erinnerung  diese  »Comödie  en  un  acte  et  en  vers 
libres,  melee  d’Ariettes  et  de  Vaudevilles«  mit  einem  anderen  ein¬ 
aktigen  und  ganz  ähnlichen  Stück  von  Mad.  Favart  »La  fete  d’Amour« 
welches  am  4.  März  1760  mit  vielen  neuen  Auszierungen  auf  die 
hiesige  französische  Bühne  gebracht  wurde,  oder  er  sah  die  Vorstel¬ 
lung  dieses  Stückes  am  23.  März  1764  bei  der  Barizon 'sehen  Ge¬ 
sellschaft.  (Siehe  das  unter  Beilage  Nr.  XIV  zusammengestellte  Reper¬ 
toire  derselben.) 

Beide  Stücke  fanden  in  Deutschland  viele  Nachahmer,  besonders 
war  es  »Annette  et  Lubin«,  welches  später  Weisse  und  Eschenburg 
bei  der  Abiassung  ihrer  Stücke  »Die  Liebe  auf  dem  Lande«  und 
»Lukas  und  Hannchen«  zum  Vorbild  diente,  und  aucli  den  Theater¬ 
schriftsteller  Löwen  zu  seiner  Romanze  »Junker  Veit«  anregte. 

Wie  die  erhaltenen  Theaterzettel  und  noch  manche  andere 
Nachrichten  bezeugen,  stimmt  die  Mittheilung  Goethes,  dass  Tra¬ 
gödien  auf  der  französischen  Bühne  seltner  zur  Darstellung  gelangten 
als  die  damals  sehr  beliebten  versificirten  Lustspiele  der  Dichter  Des¬ 
touches,  Marivaux  und  de  la  Chaussee,  vollständig  mit  den  sicher 
feststellbaren  Aufführungen  überein.  Neben  diesen  drei  beliebten 


254 


französischen  Dramatikern  sind  noch  eine  Reihe  andrer  berühmter 
Namen  zu  nennen.  Zuerst  seien  vor  Allen  hier  die  Klassiker  Cor¬ 
neille,  Racine,  Moliere  und  Voltaire  erwähnt,  deren  Werke  grade 
keinen  besondern  Vorzug  im  Repertoire  genossen,  aber  dann  und 
wann  doch  ihren  gebührenden  Ehrenplatz  eingeräumt  erhielten. 

Nächst  den  Stücken  von  Marivaux,  Destouches  und  de  la 
Chaussee  gefielen  in  Frankfurt  besonders  die  Lustspiele  von  Dancourt, 
Regnard  und  le  Grand,  welche  im  Verein  mit  den  Werken  der  an¬ 
dern  obengenannten  Dichter  schon  zur  Zeit  der  französischen  Komödie 
während  der  Wahl  und  Krönung  Karls  VII.  in  Frankfurt  die  grössten 
Erfolge  errungen  hatten. 

Ausser  Diderot,  Lemiere,  Palissot  und  Rousseau  müssen  dann 
nach  den  urkundlich  feststehenden  Aufführungen  ihrer  Stücke  noch 
die  minder  bedeutenden  Dramatiker  Hauteroche,  Boursault,  Palaprat, 
Merville  und  Madame  Favart  namhaft  gemacht  werden. 

Den  Komödien  oder  Tragödien  folgte  auf  der  französischen 
Schaubühne  entweder  ein  pantomimisches  Ballet  oder  eine  gewöhn¬ 
lich  einaktige  Operette,  deren  Komponist  aber  auf  den  Theaterzetteln 
nie  angegeben  ist.  Zuweilen  wurden  auch  in  das  Französische  über¬ 
setzte  italienische  Stücke  mit  dem  Harlekin  oder  Scapin  und  mehr¬ 
aktige  komische  Opern  durch  L’Hote  und  de  Bersac  im  Konzertsaal 
zum  Junghof  zur  Darstellung  gebracht.  Von  diesen  sind  wir  nur 
im  Stande,  die  bereits  erwähnte  komische  Oper  Favarts  »La  fille 
mal  gardee«,  ferner  »Le  marechal«,  »Les  trois  Sultanes«  und  »Ninnette 
ä  la  cour«  zu  nennen.  Die  beiden  zuletzt  angeführten  Operetten  sind 
ebenfalls  anmuthige  und  lebensvolle  musikalisch  dramatische  Werke 
von  Charles  Simon  Favart,  dem  Gatten  der  schon  mehrfach  erwähn¬ 
ten  genialen  Madame  Marie  Favart  und  eigentlichen  Schöpfer  der 
feineren  komischen  Oper. 

Dieser  von  der  Richtung  der  französischen  Direktoren  der  Jahre 
174U  und  1741  nur  wenig  abweichende  Kunststandpunkt  wurde 
nicht  allein  von  L’Hote  und  de  Bersac,  sondern  auch  von  ihrem 
Nachfolger  Renaud  beibehalten. 

Leider  hat  sich  der  Zettel  der  ohne  Zweifel  von  Renaud  bald 
nach  der  Uebernahme  der  Bühnenleitung  zur  Aufführung  gebrachten 
Tragödie  »HypernAnestra«  von  Lemiere  nicht  erhalten.  Dieses  Stück, 
welches  den  grössten  Eindruck  auf  den  frühreifen  Knaben  Wolfgang 
Goethe  machte,  war  erst  1758  in  Paris  erschienen,  also  für  Frank¬ 
furt  eine  Neuigkeit,  deren  mehrfache  Wiederholung  bei  der  üblichen 
sorgfältigen  Einstudirung  ganz  natürlich  erscheint. 

Dass  der  kleine  Goethe  sich  überhaupt  für  die  Tragödie  mehr 
begeisterte  als  für  das  Lustspiel,  lag  in  dem  gemessenen  Schritt,  in 
dem  Taktartigen  der  Alexandriner,  welche  in  seinem  angeborenen 
rythmischen  Gefühl  einen  wohlthuenden  und  fördernden  Wiederhall 
fanden,  ln  Folge  der  aus  diesen  Wechselbeziehungen  entspringenden 


255 


Anregung  überkam  den  empfänglichen  Geist  des  Knaben  die  erste 
Leidenschaft  für  eine  deklamatorische  Vortragsweise  mit  pathetischem 
Anklang.  Goethe  erzählt  in  »Dichtung  und  Wahrheit«,  dass  er  in 
seines  Vaters  Bibliothek  ging,  den  Racine  zur  Hand  nahm  und 
ganze  Stücke  aus  demselben  nach  theatralischer  Art  und  Weise  mit 
grosser  Lebhaftigkeit  wie  ein  eingelernter  Sprachvogel  recitirte.888 

Jene  Vorhebe  des  Knaben  für  das  Pathos  und  die  rythmische 
Bewegung  der  Verse,  wir  finden  sie  neben  den  Reminiscenzen  an 
den  taktmässigen  Ausdruck  der  Alexandriner,  mit  welchem  die  fran¬ 
zösischen  Schauspieler  im  Junghof  sein  poetisches  Gemüth  entzück¬ 
ten,  bei  dem  gereiften  Dichter  in  dem  Bestreben  wieder,  che  drama¬ 
tische  Kunst  aus  ihrer  Natürlichkeitsrichtung  in  eine  ideale  Sphäre 
zu  entrücken. 

Als  Goethe  und  Schiller  die  Weimar’sche  Schule  begründeten, 
bekämpften  sie  mit  der  ganzen  Uebermacht  ihres  Genies  den  durch 
Eckhof  und  Schröder  in  der  Darstellungskunst  angebahnten  lebens¬ 
vollen  Naturalismus  und  setzten  —  dem  Geschmack  der  Menge  ent¬ 
gegen  —  an  die  Stelle  der  »schönen  Wirklichkeit«  die  Antike  als  Formen  - 
muster  für  die  Geberde  und  metrische  Rede.  —  Was  Goethe  in  der 
durch  ihn  hervorgerufenen  neuen  Aera  der  Schauspielkunst  als  etwas 
Wesentliches  von  dem  darstellenden  Künstler  forderte,  das  hatte  er 
schon  hier  in  Frankfurt  in  seinen  Knabenjahren  schätzen  und  lieben 
gelernt.  Mit  Recht  konnte  er  deshalb  auch  im  Hinblick  auf  seine 
Bestrebungen  für  die  Weimar’sche  Bühne  den  Ausspruch  thun:  »Die 
Keime  zu  allen  meinen  späteren  künstlerischen  Richtungen  und  Be¬ 
dürfnissen  lassen  sich  ohne  grosse  Mühe  in  meinen  jugendlichen 
Leidenschaften  und  Liebhabereien  auffinden.« 

Ausser  den  bereits  genannten  Stücken  erzählt  Goethe  in  »Wahr¬ 
heit  und  Dichtung«  noch,  dass  er  Diderot’s  »Hausvater«  und  die  »Philo¬ 
sophen«  von  Palissot  gesehen  habe.  Er  konnte  sich  der  Figur  des 
Philosophen  in  letzterem  Stücke,  der  nach  der  Anweisung  des  Dichters 
auf  allen  Vieren  gehen  und  in  ein  rohes  Sälathaupt  beissen  musste, 
im  Alter  noch  sehr  gut  erinnern. 

Wann  das  erste  Stück  aufgeführt  wurde,  lässt  sich  nach  dem 
vorhandenen  Material  nicht  feststellen,  aber  die  »Philosophen«  von 
Palissot  müssen  jedenfalls,  da  sie  schon  am  10.  Juli  1760  auf  dem 
Zettel  angezeigt  wurden,  einige  Tage  später  gegeben  worden  sein. 
Um  so  mehr  muss  man  über  jene  Aufführung  dieses  Stückes  in 
Frankfurt  erstaunen,  wenn  man  bedenkt,  dass  dasselbe  am  2.  Mai 
1760  zum  ersten  Male  in  Paris  zur  Darstellung  gekommen  war. 

Diderot’s  »Hausvater«,  der  schon  1758  erschien  und  von  Lessing 
1760  in’s  Deutsche  übersetzt  und  in  seiner  Dramaturgie  (84  St.) 
ein  vortreffliches  Stück  genannt  wurde,  ist  deshalb  wichtig  für  die 
deutsch-dramatische  Literatur,  weil  er  das  Vorbild  der  sogenannten 


256 


ernsten  Komödie  wurde.389  Namentlich  Iffland  pflegte  später  das 
»Genre  serieux«  in  seinen  oft  weinerlichen  Lustspielen. 

Das  Stück  »Die  Philosophen«  von  Palissot  ist  eine  gegen  Diderot 
und  Rousseau,  hauptsächlich  aber  gegen  das  von  letzterem  ver¬ 
kündete  Naturevangelium  gerichtete  Satire.  Goethe  bespricht  dieses 
Stück  später  1805  in  den  Anmerkungen  zu  »Rameau’s  Neffe«  seinem 
Inhalt  und  Werth  nach  und  im  Zusammenhang  mit  einem  älteren 
Lustspiel  Palissot’s  »Le  cercle«.  Er  nennt  den  Verfasser  der  »Philo¬ 
sophen«  in  dieser  Abhandlung  den  »beschränkten  Widersacher  eines 
gewissen  Zustandes,  der  keineswegs  erblickt,  worauf  es  im  Allgemei¬ 
nen  ankommt  und  nur  auf  ein  beschränktes,  leidenschaftliches  Publi¬ 
kum  eine  augenblickliche  Wirkung  hervorzubringen  vermag«.  Da  es 
interessant  ist,  zu  hören,  wie  der  gereifte  Goethe  später  über  ein 
Stück  dachte,  dessen  derbste  Scene  ihm  von  jener  Vorstellung  im 
französischen  Theater  her  im  Gedächtniss  blieb,  so  lassen  wir  hier 
einen  Theil  seiner  Abhandlung  folgen: 

»  .  .  .  .  er  (Palissot)  gedenkt  eine  Satire  zu  schreiben  und  ge¬ 
wissen  bestimmten  Individuen,  deren  Bild  sich  allenfalls  verzerren 
lässt,  in  der  öffentlichen  Meinung  zu  schaden.  Und  wie  benimmt 
er  sich  ? 

Sein  Stück  ist  in  drei  Akte  kurz  zusammengefasst.  Die  Oeko- 
nomie  desselben  ist  geschickt  genug  und  zeugt  von  einem  geübten 
Talente ;  allein  die  Erfindung  ist  mager,  man  sieht  sich  in  dem  ganz 
bekannten  Raume  der  französischen  Komödie.  Nichts  ist  neu  als 
die  Kühnheit,  ganz  deutlich  ausgesprochene  Personalitäten  auszu¬ 
bringen. 

Ein  wackrer  Bürger  hatte  seine  Tochter  vor  seinem  Tode  einem 
jungen  Soldaten  zugesagt;  die  Mutter  aber  ist  nunmehr  als  Wittwe 
von  der  Philosophie  eingenommen  und  will  das  Mädchen  nur  einem 
aus  dieser  Gilde  zugestehen.  Die  Philosophen  selbst  erscheinen  ab¬ 
scheulich  und  doch  in  der  Hauptsache  so  wenig  charakteristisch, 
dass  man  an  ihre  Stelle  die  Nichtswürdigen  einer  jeden  Klasse 
setzen  könnte.  Keiner  von  ihnen  ist  etwa  durch  Neigung,  Gewohn¬ 
heit  oder  sonst  an  die  Frau  und  das  Haus  gebunden,  Keiner  be- 
triegt  sich  etwa  über  sie  oder  hat  sonst  irgend  ein  menschliches 
Gefühl  gegen  dieselbe;  das  alles  war  dem  Autor  zu  fein,  ob  er  gleich 
genügsame  Muster  hierzu  in  dem  sogenannten  Bureau  d’esprit  vor 
sich  fand ;  verhasst  wollte  er  die  Gesellschaft  der  Philosophen  machen. 
Diese  verachtet  und  verwünscht  ihre  Gönnerin  auf  das  Plumpste. 
Die  Herren  kommen  sämmtlick  nur  in ’s  Haus,  um  ihrem  Freund 
Valöre  das  Mädchen  zu  verschaffen.  Sie  versichern,  dass  Keiner,  so¬ 
bald  dieser  Anschlag  gelungen,  die  Schwelle  je  wieder  betreten 
werde.  Unter  solchen  Zügen  soll  man  Männer  wie  d’Alembert  und 
Helvetius  wieder  erkennen!  Denken  lässt  sich,  dass  die  von  dem 
Letzteren  aufgestellte  Maxime  des  Eigennutzes  wacker  durchgezogen 


257 


und  als  unmittelbar  zum  Tasckendiebstahl  führend  vorgestellt  wurde. 
Zuletzt  erscheint  ein  Hanswurst  von  Bedienten  auf  Händen  und 
Füssen,  mit  einer  Salatstaude,  um  den  von  Rousseau  als  wiinsckens- 
werth  geschilderten  Naturzustand  lächerlich  zu  machen.  Ein  aufge¬ 
fangener  Brief  entdeckt  die  Gesinnungen  der  Philosophen  gegen  die 
Hausdame,  und  sie  werden  mit  Beschämung  fortgejagt.«390 

Die  Scene  dieser  bösartigen,  auch  von  Voltaire  scharf  getadel¬ 
ten  und  ebenfalls  in  obiger  Abhandlung  von  Goethe  »ein  Appell  an 
die  Gemeinheit«  genannten  Satire,  deren  er  sich  noch  aus  seinen 
Knabenjahren  erinnerte,  ist  die  neunte  des  dritten  Aktes. 

Hier  erscheint  Crispin  (Rousseau)  allant  ä  quatre  pattes  und 
spricht : 

»En  nous  civilisant,  nous  avons  tout  perdu, 

La  sante,  le  bonheur,  et  meine  la  vertu. 

Je  me  renferme  donc  dans  la  vie  animale; 

Vous  voyez  ma  cuisine;  eile  est  simple  et  frugale. 

(H  tire  une  laitue  de  sa  poche.)«391 

Wie  fest  die  in  der  französischen  Komödie  empfangenen  Ein¬ 
drücke  sich  dem  Gedächtniss  Goethe’s  eingeprägt  haben,  möge  auch 
folgende  Darlegung  ergeben. 

Wie  der  diesem  Buche  im  Originalab druck  beigegebene  Theater¬ 
zettel  vom  7.  Mai  1760  bezeugt,  tanzte  auf  der  französischen  Schau¬ 
bühne  im  Junghof  in  der  That  in  einem  pantomimischen  Ballet  ein 
Knabe,  dessen  Leistungen  in  Gemeinschaft  mit  denen  der  jugend¬ 
lichen  Mademoiselle  Regnault  (Renaud)  den  grössten  Beifall  des  Pu¬ 
blikums  erlangt  haben  mögen,  da  das  Ballet  auf  Verlangen  wieder¬ 
holt  werden  musste. 

Es  wäre  nun  wohl  möglich,  dass  Goethe,  der  den  Knaben  nur 
einen  Solotanz  mit  vieler  Gewandtheit  und  Anmuth  ausführen  sah, 
ihn  nicht  in  dieser,  sondern  in  einer  späteren  Vorstellung  im  Verein 
mit  seinem  Freunde  Derones  bewundern  konnte.  Jedenfalls  sah  er 
den  kleinen  Künstler  nicht  mit  der  Demoiselle  Renaud  zusammen 
tanzen;  denn  sonst  müsste  man  entweder  an  einen  Irrthum  in  der 
sonst  so  lebhaften  Erinnerung  Goethe’s  oder  an  ein  absichtliches 
Uebergehen  ihrer  künstlerischen  Mitwirkung  glauben. 

Der  greise  Dichter  erzählt,  dass  er  damals  die  Leistungen  des 
Knaben  und  dessen  schönen  Anzug  bewundert,  zugleich  aber  zu  seinem 
Begleiter  bedauernd  geäussert  habe,  in  was  für  einem  zerrissenen  J äck- 
chen  derselbe  heute  Nacht  wohl  schlafen  möge.  Dieser  zufällig  von 
der  sich  unter  den  Zuschauern  befindenden  Mutter  des  Knaben  ge¬ 
hörte  Ausspruch  zog  ihm  von  derselben  eine  Strafpredigt  zu,  auf 
welche  der  jugendliche  Goethe,  ohne  sich  etwas  dabei  zu  denken, 
die  Antwort  gab:  »Wozu  der  Lärm?  Heute  roth,  morgen  todt.« 

Wenn  auch  dieses  Wort  von  der  Mutter  des  Knaben  sehr 
ernst  aufgefasst  wurde,  so  scheint  es  doch  trotz  der  baldigen  und 

17 


258 


schweren  Erkrankung  des  Knaben  nicht  von  schlimmer  Vorbedeu¬ 
tung  für  ihn  geworden  zu  sein.  Wenigstens  weisen  die  hiesigen 
Standesamtsbücher  nicht  nach,  dass  der  Sohn  eines  durchreisenden 
französischen  Tanzmeisters  oder  ein  sonst  zu  dem  Theater  im  Jung¬ 
hof  gehöriger  Knabe  während  der  französischen  Besetzung  im  sieben¬ 
jährigen  Kriege  in  Frankfurt  gestorben  ist. 

rr. 

Da  Goethe’s  Darstellungen  in  »Wahrheit  und  Dichtung«  die 
einzigen  Berichte  sind,  welche  sich  über  die  französische  Komödie 
zur  Zeit  der  Besetzung  Frankfurts  im  siebenjährigen  Kriege  erhalten 
haben,  so  müssen  wir  auch  hier  seinen  bekannten  Mittheilungen 
folgen  und  sie  als  nothwendige  Ergänzung  in  freier  Zusammen¬ 
stellung  in  die  lückenhaften  Quellennachrichten  eintreten  lassen. 

»Das  Lokal«,  sagt  Goethe,  »war  weder  günstig  noch  bequem, 
indem  man  das  Theater  in  einen  Konzertsaal  hineingezwängt  hatte...... 

»Dieses  (das  Proscenium)  war  nach  französischer  Art  sehr  tief  und  an 
beiden  Seiten  mit  Sitzen  eingefasst,  die,  durch  eine  niedrige  Barriere 
beschränkt,  sich  in  mehreren  Reihen  hintereinander  auf  bauten,  und 
zwar  dergestalt,  dass  die  ersten  Sitze  nur  wenig  über  die  Bühne 
erhoben  waren.  Das  Ganze  galt  für  einen  besondern  Ehrenplatz; 
nur  Offiziere  bedienten  sich  gewöhnlich  desselben,  obgleich  die  Nähe 
der  Schauspieler,  ich  will  nicht  sagen  jede  Illusion,  sondern  gewisser- 
massen  jedes  Gefallen  aufhob.  Sogar  jenen  Gebrauch  oder  Miss¬ 
brauch,  über  den  sich  Voltaire  so  sehr  beschwert,  habe  ich  noch 
erlebt  und  mit  Augen  gesehen.  Wenn  bei  sehr  vollem  Hause  und 
etwa  zur  Zeit  von  Durchmärschen  angesehene  Offiziere  nach  jenem 
Ehrenplatz  strebten,  der  aber  gewöhnlich  schon  besetzt  war,  so  stellte 
man  noch  einige  Reihen  Bänke  und  Stühle  ins  Proscenium  auf  die 
Bühne  selbst,  und  es  blieb  den  Helden  und  Heldinnen  nichts  übrig, 
als  in  einem  sehr  mässigen  Raume  zwischen  den  Uniformen  und 
Orden  ihre  Geheimnisse  zu  enthüllen.  Ich  habe  die  »Hypermnestra« 
selbst  unter  solchen  Umständen  aufführen  sehen.«392 

Dass  der  Vorhang  zwischen  den  Akten  nicht  fiel,  war  beson¬ 
ders  ein  Gebrauch,  der  dem  kleinen  Wolfgang  Goethe  als  einem 
guten  deutschen  Knaben  unerträglich  war.  Ebenso  störten  ihn  die 
beiden  Grenadiere,  welche,  das  Gewehr  beim  Fuss,  ganz  öffentlich 
zu  beiden  Seiten  des  hintersten  Vorhangs  standen  und  Zeugen  von 
allen  Vorgängen  waren,  welche  sich  im  Innersten  der  Familie  zu¬ 
trugen.  Kaum  vermag  man  es  sich  noch  mit  den  heutigen  ver¬ 
wöhnten  Begriffen  über  selbstverständliche  Täuschungen  in  »der  Welt 
des  schönen  Scheins«  vorzustellen,  was  uns  Goethe  in  einer  fesseln¬ 
den  und  wahrheitsgetreuen  Schilderung  über  die  französische  Komödie 
im  Junghof  mittheilt. 


259 


In  der  That  kann  man  sieh  eines  wahrhaft  tragikomischen 
Eindrucks  nicht  erwehren,  wenn  man  sich  diese  militärische  Polizei¬ 
anstalt  Ton  einer  Bühne  vergegenwärtigt,  auf  welcher  sich  die  wacht¬ 
habenden  Grenadiere  in  den  Zwischenakten  vor  den  Augen  des 
Publikums  bei  einfallender  Musik  ablösten. 

L’Hote  und  de  Bersac  hatten  Anfangs  nur  die  Erlaubniss  er¬ 
halten,  bis  Mitte  Juni  1759  spielen  zu  dürfen,  am  20.  Juni  kamen 
sie  aber  um  eine  Verlängerung  derselben  bis  zur  Ostermesse  1760 
ein,  was  ihnen  vom  Ratlie  aus  Rücksicht  auf  die  französische 
Besatzung  selbstverständlich  sofort  gewährt  wurde.393  Als  auch  diese 
Zeit  abgelaufen  war,  dankten  sie  unterm  10.  Januar  1760  für  den 
günstigen  Bescheid  vom  20.  Juni  1759  und  baten  um  eine  aber¬ 
malige  Verlängerung  der  Spielzeit  bis  nach  der  Ostermesse  1761 
oder  doch  so  lange,  als  das  französische  Hauptquartier  in  Frankfurt 
bleiben  würde.  Auch  dieses  Mal  durfte  der  Rath  nicht  an  eine 
Verweigerung  der  vorgetragenen  Bitte  denken,  er  bewilligte  das 
schriftliche  Gesuch  sofort;  394  und  wohl  namentlich  deshalb,  weil  das¬ 
selbe  Seitens  verschiedener  einflussreicher  Persönlichkeiten  mündlich 
unterstützt  worden  war. 

Die  beiden  Direktoren  hatten  so  leichtsinnig  gewirthschaftet, 
dass  sie  ungeachtet  der  besten  Einnahmen  bereits  Anfangs  December 
1760  nicht  mehr  im  Stande  waren,  ihr  Personal  und  ihre  sonstigen 
Gläubiger  befriedigen  zu  können.  Da  che  Mitglieder  der  französi¬ 
schen  Truppe  dadurch  wieder  in  Schulden  geriethen,  kamen  ver¬ 
schiedene  unangenehme  Zwischenfälle  vor,  deren  Folgen  L’Hote  und 
de  Bersac  nöthigten,  die  Leitung  des  Theaters  im  Junghof  in  andere 
Hände  zu  übergeben.  Auch  bei  ihrem  früheren  Aufenthalte  in  Metz 
scheinen  sie  in  Bezug  auf  geschäftliche  Angelegenheiten  keine  be¬ 
sondere  Geschicklichkeit  bekundet  zu  haben.  Als  die  beiden  Entre¬ 
preneurs  nämlich  nach  Frankfurt  kamen,  war  eine  solche  Ebbe  in 
ihrer  Kasse,  dass  sie  sich  genöthigt  sahen,  in  der  Artope’schen  Hand¬ 
lung  hierselbst  für  ein  Darlehen  von  6646  Livres  folgende  werthvolle, 
ihre  noblen  Passionen  kennzeichnende  Stücke  in  Pfand  zu  geben: 
deux  chandeliers  d’argent,  neuf  couverts  d’argent,  un  etui  d’or,  une 
montre  d’or  emaillee,  une  autre  d’or  guilloche  et  garnie  de  ses  ca- 
chets,  une  ecueille  d’argent  garnie  de  son  couvert,  deux  goblets  d’ar¬ 
gent,  deux  autres  cuilleres  d’argent  et  fourchettes,  deux  salieres.395 

Am  24.  September  1759,  als  L’Hote  und  de  Bersac  noch 
1346  Livres  abzuzahlen  hatten,  begehrten  sie  unter  der  Zusicherung, 
den  Rest  baldigst  abtragen  zu  wollen,  die  Pfänder  von  der  Artope’¬ 
schen  Handlung  zurück,  welche  aber  deren  Herausgabe  vor  voll¬ 
ständigem  Abtrag  der  Schuld  verweigerte. 

Der  Ausgang  der  von  ihnen  deshalb  gegen  das  genannte  Ge¬ 
schäft  angestellten  Klage  kann  nicht  angegeben  werden,  weil  die 
darauf  bezüglichen  Acten  nicht  vollständig  erhalten  sind. 

17* 


260 


Um  die  alleinige  Direction  der  französischen  Komödie  im  Jung¬ 
hof  bewarb  sich  nun  nach  L’Hote  und  de  Bersac  das  frühere  erste 
Mitglied  der  Truppe  Monsieur  Baptiste  Renaud,  auch  Regnault  und 
Renaut  geschrieben,  dessen  Frau  und  Tochter  ebenfalls  zu  dem  Per¬ 
sonal  derselben  gehört  hatten.  Der  Umstand,  dass  seine  Vorgänger 
ihren  Verpflichtungen  gerade  nicht  auf  das  Pünktlichste  nachgekom¬ 
men  waren,  machte  für  Renaud,  der  sich  erbot,  für  alle  Schulden 
seiner  Acteurs  und  Actricen  haften  zu  wollen,  die  Empfehlung  einiger 
hohen  Herrn  der  französischen  Besatzung  beim  Rathe  durchaus 
nothwendig.  Am  6.  December  1760  richtete  der  Generallieutenant 
Marquis  du  Mesnil  deshalb  folgendes  eigenhändige  Schreiben  an  den 
ersten  Bürgermeister  der  Stadt: 

»La  faqon  distinguee  dont  le  S.  Renaut  a  servi  et  travaille  pour 
l’amusement  public  sur  le  theätre  de  la  comedie  de  Francfort  lui 
ayant  m  eilte  l’estime  des  personnes  les  plus  distinguees.  J’ai  pense, 
Monsieur,  que  ce  seroit  rendre  Service  au  public  que  de  solliciter 
en  sa  faveur  le  privilege  de  la  comedie  que  je  vous  demande  pour 
lui  avec  d’autant  plus  d’instance  qu’il  sera  en  etat  de  repondre  de 
ses  actions  et  de  celles  de  sa  troupe,  quand  il  jouira  seul  du  privi¬ 
lege,  sa  probite  etant  le  garant  de  sa  conduite  ainsi  que  sa  fortune. 

Je  me  Hatte,  Monsieur  que  vous  voudrez  bien  avoir  egard  ä 
ma  sollicitation  et  rendre  justice  aux  sentiments  de  la  consideration 
avec  laquelle  je  suis,  Monsieur,  vötre  tres  humble  et  tres  obeissant 
serviteur. 

Francfort,  le  6.  Decembre  1760.  Du  Mesnil.«396 

Gleich  nach  Empfang  dieses  Briefes,  der  in  der  Senatssitzung 
vom  6.  December  vorgelesen  wurde,  richtete  der  Rath  nachstehendes, 
seine  damals  ziemlich  abhängige  Stellung  charakterisirendes  Antworts¬ 
schreiben  an  den  hohen  Bittsteller : 

»Monseigneur. 

Votre  Excellence  ayant  bien  voulu  demander  ä  notre  premier 
Bourguemestre  le  privilege  de  la  comedie  franyoise  pour  le  S.  Renaud 
tout  seul,  et  celui-ci  nous  en  ayant  fait  rapport.  Nous  sommes 
charmes  de  donner,  en  cette  occasion  ä  votre  Excellence  une  preuve 
des  moins  equivoques  de  notre  respect  et  de  notre  deförence  ä  tout 
ce  qui  peut  l’interesser,  et  nous  accordons  au  S.  Renaud  le  privilege 
qu’il  demande  des  qu’il  presentera  pour  cet  effet  une  requete,  et 
qu’il  s’engagera  d’etre  garant  taut  pour  la  bonne  conduite  des  per¬ 
sonnes  de  .sa  troupe,  que  pour  les  payements  des  dettes,  qu’ils  pour- 
roient  contracter. 

Nous  avons  l’honneur  d’etre  avec  du  respect 
Monseigneur 
de  Votre  Excellence 

Francfort,  les  tres  humbles  et  tres  obeissants  Serviteurs 

le  6.  Decembre  1760.  Burguemestres  et  Magistrats.«397 


261 


Aber  bei  der  Empfehlung  des  Generallieutenants  du  Mesnil 
blieb  es  nicht  allein,  auch  der  einflussreiche  Marquis  des  Salles  ver¬ 
wandte  sich  —  und  jedenfalls  auf  die  Bitten  Renauds,  —  für  denselben 
in  folgendem  Schreiben  bei  dem  Rath : 

»Avant  pris  connaissance  de  la  demande  que  Monsieurs  le  Mar¬ 
quis  du  Mesnil  a  fait  ä  Messieurs  du  Magistrats  de  la  ville  de  Franc¬ 
fort  en  faveur  du  S.  Renaud  pour,  que  la  preference  du  privilege 
de  la  comedie  francoise  luv  füt  accordee  informee  en  meme  tems  de 
la  reponse  que  Messieurs  du  Magistrat  ont  fait  a  ce  general  par  la- 
quelle  ils  veulent  bien  faroriser  le  dit  S.  Renaud.  Je  m’emp resse  a 
faire  la  meme  demande  ä  Messieurs  du  Magistrats,  ils  me  feront 
plaisir  de  vouloir  bien  donner  au  S.  Renaud  cette  preference  et 
l’assurance  d’etre  acceptö  je  serai  sensible  ä  cette  attention  de  la  part 
des  Messieurs  du  Magistrats 

Francfort  le  9.  Decembre  1760.  Des  Salles.«398 

Nach  solcher  Fürsprache  durfte  Renaud,  ausser  welchem  sich 
scheinbar  auch  noch  Andere  bewarben  im  Yoraus  eines  Erfolges 
sicher  sein.  Auf  seine  deutsche  Eingabe  erhielt  er  denn  auch  ohne 
weiteres  am  10.  December  1760 3 99  die  Erlaubniss,  die  alleinige 
Direktion  der  französischen  Komödie  übernehmen  und  so  lange  die 
Besetzung  dauere,  in  Frankfurt  spielen  zu  dürfen.  Renaud  gab  hier- 
selbst  bis  Anfangs  Juni  1762  Vorstellungen,  dann  reiste  er  mit  seiner 
Truppe  ab  und  zwar  höchstwahrscheinlich  nach  Strassburg;  denn 
dort  soll  im  Juli  1762  eine  aus  Frankfurt  gekommene  französische 
Gesellschaft  gespielt  haben.  Beim  Beginne  der  Herbstmesse  kehrte  er 
wieder  hierher  zurück  und  gab  noch  nach  dem  am  2.  December  1762 
erfolgten  Abzug  der  französischen  Besatzung  im  Junghof  mehrere,  von 
einem  zahlreichen  Publikum  besuchte  Vorstellungen.  Ende  des  Jahres 

1762  kam  Renaud  um  die  Erlaubniss  ein,  dieselben  bis  zur  Ostermesse 

1763  fortsetzen  zu  dürfen.  Er  berichtete  dem  Rath,  dass  es  ihm 
weniger  darum  zu  thun  sei,  sein  Theater  noch  länger  hier  öffnen 
zu  können,  als  um  die  Erhaltung  seiner  Rechte  »gegen  seine  Acteurs«, 
die  sich  durch  den  Abzug  der  französischen  Besatzung  nicht  mehr 
an  ihn  gebunden  hielten.400  Der  inzwischen  zum  Reichsgrafen  er¬ 
hobene  Königslieutenant  Thoranc,  welcher  sich  noch  in  Frankfurt  auf 
hielt,  richtete  folgendes  Schreiben  für  ihn  an  den  Rath : 

»Je  prie  messieurs  du  magistrat  de  vouloir  bien  ecouter  favor- 
ablement  la  demande  du  Sieur  Regnault  en  tant  quelle  ne  peutetre 
contraire  ni  ä  ce  que  l’equite  et  la  justice  peuvent  exiger,  ni  ä  ce 
que  les  reglemens  de  la  ville  statuent  sur  les  spectacles.  Nous  avons 
autant  de  lieu  de  nous  louer  des  soins  et  de  la  conduite  qu’a  tenue 
le  dit  Sieur  Regnault  tant  qu’il  a  entretenu  icy  une  troupe,  qu’il  est 
ä  souhaiter  que  nous  trouvions  des  occasions  de  luy  donner  des 
preuves  de  la  satisfaction  qu’on  a  eue  de  luy. 

Francfort,  le  28.  Decembre  1762.  Le  comte  de  Thoranc.«401 


262 


Der  Rath  erfüllte  unterm  6.  Januar  1763  die  Bitte  Renaud’s 
mit  der  einzigen  früher  nicht  gemachten  Einschränkung,  dass  er  an 
Sonntagen  nicht  spielen  dürfe,  woraus  man  schliessen  kann,  dass  er 
stets  seinen  Yerpflichtungen  nachgekommen  war  und  den  Empfeh¬ 
lungen  seiner  hohen  Gönner  nicht  grade  Unehre  gemacht  hatte.  Der 
Magistrat  der  Stadt  Frankfurt  behielt  ihn  auch  nach  seinem  Weg¬ 
gang  in  gutem  Andenken  und  ertheilte  ihm  einen  zusagenden  Be¬ 
scheid,  als  er  nach  beinahe  zehnjähriger  Abwesenheit  wieder  um  Zu¬ 
lassung  für  die  beiden  Messen  des  Jahres  1770  nachsuchte. 

Sowohl  L’Hote  und  de  Bersac  wie  Baptiste  Renaud  waren  trotz 
der  hohen  Eintrittspreise  (siehe  den  diesem  Buche  im  Originalabdruck 
beigegebenen  Zettel  vom  7.  Mai  1760)  von  jeglichen  Abgaben  an  das 
Rechneiamt  frei.  Sie  wurden  gleichsam  zum  Gefolge  der  Franzosen  ge¬ 
rechnet,  die  bekanntlich  nach  einem  berühmten  Ausspruch  ihre  Civi- 
lisation,  das  heisst  ein  Theater  und  ein  Cafe,  überall  mithin  bringen. 
In  Frankfurt  wurde  das  Cafe  1759,  bald  nach  dem  Beginn  der 
Komödie  eröffnet.  Eine  Madame  La  Cour,  »Cafetiere  francoise  ä  la 
suite  de  la  comedie«  erhielt  auf  eine  Empfehlung  des  Prinzen  von 
Roh  an  vom  Rathe  die  Erlaubniss,  im  Junghof  »pres  de  la  comedie«  eine 
Kaffeeschenke  eröffnen  zu  dürfen.  —  Bei  dieser  Madame  La  Cour  war 
es  ohne  Zweifel,  wo  sich  der  kleine  Wolfgang  Goethe  bei  einem  Glase 
Mandelmilch  erholte,  als  er  den  in  Wahrheit  und  Dichtung  berichteten 
theatralischen  Zweikampf  mit  seinem  Freunde  Derones  ausgefochten  hatte. 

Auch  anderen  sonst  nur  höchst  selten  in  Frankfurt  geduldeten 
Lustbarkeiten  wusste  die  Fürsprache  der  verschiedenen  hohen  Mit¬ 
glieder  der  französischen  Generalität  Eingang  zu  verschaffen. 

Am  31.  Mai  1759  wurde  nach  der  von  dem  damals  hier  oft 
im  König  von  England  Concerte  abhaltenden  italienischen  Musik¬ 
meister  Poli  (Poly)  im  Junghof  aufgeführten  Oper  »Der  Spieler«  von 
Hasse  von  dem  berühmten  Königl.  Polnischen  Feuerwerker  Pietro 
Moretti  ein  Kunstfeuerwerk  auf  chinesische  Art  abgebrannt.  Dieses 
»Lustfeuer«  erhielt  einen  solchen  Beifall,  dass  Moretti  von  verschie¬ 
denen  hohen  Liebhabern  aufgefordert  wurde,  ein  grösseres  zu  ver¬ 
fertigen.  Er  beabsichtigte  nun  in  Rücksicht  auf  seinen  hohen  Be¬ 
schützer,  den  Marschall  von  Broglio,  einen  Tempel  des  Friedens  in 
allerlei  bunten  Flammen  darzustellen.  Da  ihm  aber  der  Saal  im 
Junghof  wegen  den  vielen  anzubringenden  Figuren  und  Inschriften  zu 
eng  war,  wollte  er,  weil  auch  nicht  die  geringste  Gefahr  zu  befürch¬ 
ten  sei,  die  Sache  im  Hof  der  Bien enthal’schen  Besitzung  veranstalten.402 
Gegen  dieses  Unternehmen  erhoben  sich  nun  verschiedene  Bedenken, 
sogar  der  Stellvertreter  des  in  Wiesbaden  die  Kur  gebrauchenden 
Thoranc,  Monsieur  de  la  Vasonne,  bat  durch  den  Lieutenant  Anthoni 
den  Rath,  das  Kunstfeuer  zur  Vermeidung  aller  Gefahr  vor  dem 
neuen  Thore  abbrennen  zu  lassen.  Weil  aber  der  städtische  Haupt¬ 
mann  Steller  nach  vorgenommener  Untersuchung  keine  besonderen 


263 


Bedenken  zu  erheben  hatte,  gestattete  der  Rath  in  Rücksicht  auf  die 
im  Junghof  wohnenden  hohen  Offiziere  trotz  aller  Einsprachen  die 
Abbrennung  des  Feuerwerks  auf  dem  bereits  genannten  Platz. 

Dieses  am  Abend  des  28.  Juni  1759  veranstaltete  Feuerwerk, 
welchem  eine  grosse  Anzahl  Menschen,  besonders  von  der  Haute 
volee  Frankfurts,  beiwohnten,  verlief  eben  so  gut  wie  ein  im  Januar 
1761  während  eines  Maskenballes  in  der  französischen  Komödie  an- 
gezündetes  kleineres  Kunstfeuer ,  dessen  Abbrennung  vorher  noch 
mehr  ängstliche  Bedenken  hervorgerufen  hatte. 

Die  von  L'Hote  und  de  Bersac  und  später  von  Renaud  im 
»grand  salle  du  Junghof«  gegebenen  Maskenbälle  trugen  denselben 
Charakter  wie  die  in  der  französischen  Komödienhütte  während  der 
Wahl  und  Krönung  Karls  VII.  abgehaltenen.  Aeusserlich  wahrte 
man  zwar  den  ceremoniellen  Takt  sehr  streng,  wodurch  jedoch  keines¬ 
wegs  die  Gelegenheiten  zu  galanten  Abenteuern  ausgeschlossen 
wurden.  Auch  hier  spielten  die  Actricen  der  Gesellschaft  eine  grosse 
Rolle,  besonders  die  schöne  Madame  Renaud,  eine  Frau  anfangs  der 
dreissiger  Jahre,  welche  unter  den  Mitgliedern  der  Generalität 
verschiedene  hohe  Gönner  hatte. 

Da  Goethe  sicher  niemals  einem  Maskenballe  in  der  französischen 
Komödie  zugesehen  haben  wird,  erwähnt  er  auch  diese  pikanten 
Vergnügungen  in  »Wahrheit  und  Dichtung«  gar  nicht,  erzählt  aber 
statt  dessen  viel  und  mit  liebevollem  Eingehen  von  einem  zur  franzö¬ 
sischen  Truppe  gehörigen  Geschwisterpaar,  den  Kindern  der  Madame 
Derones,  durch  deren  Umgang  er  die  mannigfaltigsten  Anregungen 
erhalten  sollte.  Der  mit  Goethe  gleichalterige  Knabe,  welchen  er 
einen  allerliebsten  kleinen  Aufschneider  nennt,  machte  ihn  bald 
mit  seiner  ein  paar  Jahre  älteren  Schwester,  einem  stillen  trau¬ 
rigen  Mädchen  von  fesselndem  Aeusseren,  bekannt.  Dieser  jungen 
Schönen  wandte  Wolfgang  seine  erste  unerwiederte  Neigung  zu,  er 
erwies  ihr  alle  denkbaren  Aufmerksamkeiten  und  hatte  sie  schliess¬ 
lich  um  so  lieber,  als  er  aus  den  Erzählungen  des  Bruders  das 
Geheimniss  ihrer  stillen  Traurigkeit  entdeckt  zu  haben  glaubte. 

Es  ist  oft  die  Frage  aufgeworfen  worden,  ob  diese  in  Wahr¬ 
heit  und  Dichtung  erzählte  Episode  eine  dichterische  Erfindung  oder 
von  Goethe  nach  einer  wirklichen  Begebenheit  geschildert  worden 
sei.  Wir  sind  nun  in  der  glücklichen  Lage  an  der  Hand  urkund¬ 
licher  Nachrichten  das  Letztere  mit  geradezu  zweifelloser  Gewissheit 
feststellen  zu  können.  Weder  die  Kinder  der  Madame  Derones  noch 
sie  selbst  sind  frei  erfundene  Gestalten  der  Goethe’schen  Muse.  Auch 
der  ungewöhnliche  Name  Derones  ist  nicht  fingirt,  entweder  ist  der¬ 
selbe,  was  am  nächsten  liegen  möchte,  im  Laufe  der  Zeit  von  der 
Erinnerung  des  Dichters  —  um  einen  Ausdruck  Gutzkow ’s  zu  ge¬ 
brauchen  —  dem  Klangfall  der  Sylben  nach  poetisch  umgebildet 
oder  mit  dem  Namen  der  im  XVI.  Jahrhundert  in  Frankfurt  ein- 


264 


gewanderten  Familie  de  Rhon  verwechselt  worden,  welche  in  der 
Nähe  von  Goethe’s  "Vaterhaus  im  Hirschgraben  wohnte  und  zur  Zeit 
der  französischen  Besetzung  einen  grosses  Aufsehen  erregenden 
Bankerott  machte. 

Die  von  Goethe  im  dritten  Buche  von  Wahrheit  und  Dichtung 
geschilderte  Familie  ist  die  des  Direktors  Kenaud,  dessen  älteste 
Kinder,  ein  Mädchen  von  etwa  dreizehn  oder  vierzehn,  und  ein 
Knabe  von  elf  Jahren,  dann  und  wann  in  den  dargestellten 
Stücken  oder  pantomimischen  Balleten  mitwirken  mussten.  —  Jene 
Demoiselle  Regnault,  die  am  7.  Mai  1760  mit  dem  siebenjährigen 
Knaben  zusammen  ein  pantomimisches  Ballet  aufführte,  ist  das  von 
dem  beinahe  zwölfjährigen  Goethe  in  liebender  Verehrung  angebetete 
junge  Mädchen,  dessen  Wesen  durch  das  Nachdenken  über  manche 
zweifelhafte  Handlungen  der  eigenen  Mutter  eine  so  ernste  Ver¬ 
tiefung  erhalten  hatte.  —  Um  so  mehr  erscheint  die  in  Wahrheit 
und  Dichtung  gegebene  Aufklärung  über  die  räthselhafte  Traurigkeit 
der  jungen  Schönen  begründet,  als  Madame  Renaud,  die  etwa  zwölf 
Jahre  früher  als  junge  Frau  und  graziöse  Tänzerin  auf  dem  Dresdener 
Theater  das  grösste  Aufsehen  erregte,  damals  ein  mehrjähriges  Ver- 
hältniss  mit  dem  berühmten  und  berüchtigten  Grafen  Brühl,  Ober¬ 
stallmeister  des  Königs  von  Polen  und  Kurfürsten  von  Sachsen 
unterhalten  hatte.  —  Nach  Auflösung  desselben  wurde  die  immer  noch 
schöne  Renaud  von  einem  hohen  französischen  Officier  begünstigt, 
der  ohne  Zweifel  im  Jahre  1760  zur  französischen  Besatzung  der 
Stadt  Frankfurt  gehört  haben  wird.  Vielleicht  war  es  dessen  Portrait, 
welches  der  kleine  Derones  seinem  Freunde  Wolfgang  hinter  dem 
mit  eleganten  seidenen  Vorhängen  aufgeputzten  Bette  der  Mutter 
zeigte,  vielleicht  war  es  aber  auch  das  Bildniss  des  Grafen  Brühl, 
welcher  der  Renaud  wohl  in  früheren  Jahren  sein  Pastellbild  ge¬ 
schenkt  haben  mochte.  —  Der  in  seinen  historischen  Denkwürdig¬ 
keiten  so  manche  schöne  Tänzerin,  Sängerin  und  Schauspielerin  er- 
wähnende  Jacob  Casanova  erzählt  auch  in  einem  Abschnitt  derselben 
von  der  Madame  Renaud  und  setzt  ihr  bei  dieser  Gelegenheit  ge¬ 
rade  kein  ehrenvolles  Denkmal. 403 

Was  vor  Allem  noch  dafür  spricht,  dass  der  kleine  Derones 
in  der  That  der  Sohn  des  Direktors  Renaud  war,  ist  die  Freiheit, 
mit  welcher  er  seinen  Freund  Wolfgang  in  allen  Räumen  des 
Theaters,  selbst  in  den  Ankleidezimmern  des  darstellenden  Personals 
herumführen  durfte.  Bei  der  von  dem  jeweiligen  Platzcommandanten 
von  Frankfurt  über  die  französische  Komödie  strenge  geübten  Auf¬ 
sicht  wäre  —  trotz  des  Freibillets  des  Stadtschultheissen  Textor  — 
ein  derartiger  Einblick  in  die  Zustände  hinter  den  Coulissen  ganz  un¬ 
möglich  gewesen,  wenn  nicht  Derones  als  Sohn  des  Direktors  von  den 
wachthabenden  Aufsehern  eine  grössere  Berücksichtigung  genossen 
hätte.  Auch  konnte  der  kleine  Prahlhans,  den  Goethe  aber  doch  einen 


265 


Knaben  von  guten  Sitten  nennt,  die  Aufführung  des  von  seinem 
Freunde  verfassten  phantastischen  Stückchens  ohne  nähere  Be¬ 
ziehungen  zu  der  Direktion  unmöglich  in  so  sichere  Aussicht  stellen, 
als  er  es  nach  Goethe’s  Mittheilungen  gethan  hat. 

Die  auf  der  französischen  Schaubühne  im  Junghof  aufgeführten, 
halb  mythologischen,  halb  allegorischen  Stücke,  welche  Goethe  zu 
seinem  dramatischen  Erstlingswerk  anregten,  lassen  sich  bei  dem  nur 
lückenhaft  vorhandenen  Repertoire  nicht  näher  bezeichnen.  Jedenfalls 
gehörten  diese  damals  sowohl  auf  dem  französischen  als  auch  auf  dem 
deutschen  Theater  und  besonders  in  Frankfurt  beliebten  Stücke  zu 
jener  Gattung  allegorischer  Vorspiele,  mit  welchen  die  Bühnenleiter 
meistens  eine  besonders  bedeutende  Aufführung  entweder  einzuleiten 
oder  zu  beschlossen  pflegten.  In  diesen  fehlte  es  ja  nie  an  alle¬ 
gorischen  Gestalten,  an  Prinzen  und  Königstöchtern,  deren  idyllisches 
Stillleben  durch  die  aus  den  Wolken  zu  ihnen  herabschwebenden 
Götter  und  Göttinnen  einen  phantastischen  Reiz  erhielt.  Dass  die 
Ersteren  auch  oft  in  anderer  Gestalt  auftraten  und  eine  schöne  Hirtin, 
Jägerin  oder  Schäferin  zu  ihrer  Geliebten  erwählten,  war  in  dem 
Jahrhundert,  in  welchem,  wie  die  Kulturgeschichte  lehrt,  die  meisten 
grossen  Herren  ohne  ähnliche  Abenteuer  nicht  leben  konnten ,  ein 
sehr  beliebter  dramatischer  Gegenstand  geworden. 

Das  ebenfalls  in  allegorischem  Styl  abgefasste  Stückchen  Goethe’s, 
welchem  der  gerne  den  Meister  spielende  kleine  Derones  in  einer 
dramaturgischen  Litanei  viele  Fehler  nachwies,  verschaffte  zwar  dem 
Dichterknaben  eine  bittere  Enttäuschung,  reizte  ihn  aber  nach  dem 
misslungenen  ersten  Versuch,  die  dramatischen  Gesetze  der  Fran¬ 
zosen  selbst  zu  ergründen.  Er  las  Corneille’s  Abhandlung  über  die 
drei  Einheiten,  er  vertiefte  sich  in  Racine’s  Vorreden  ,  welches  Stu¬ 
dium  ihn  so  weit  brachte ,  dass  er  schliesslich  den  ganzen  franzö¬ 
sischen  Regelzwang  gründlich  verachten  lernte. 

Lewes  nimmt  in  seiner  trefflichen  Biographie  Goethe’s  gewiss 
nicht  mit  Unrecht  an,  dass  wir  vielleicht  dem  kleinen  Derones  einen 
Theil  jener  kühnen  Uebergehung  aller  erzwungenen  Regelmässigkeit 
verdanken,  durch  welche  Goethe  im  »Götz  von  Berlichingen«  sein 
Vaterland  überraschte  und  in  das  grösste  Staunen  setzte. 

Viel  dankbarer  als  für  die  wegen  Ausserachtlassung  der  Regeln 
des  Aristoteles  vorgenommene  Zerfetzung  von  Goethe’s  dramatischem 
Erstlingswerk  sind  wir  dem  kleinen  Derones  für  das  Herumführen 
seines  Freundes  Wolfgang  in  allen  zu  dem  Theater  gehörigen  Räumen. 
Hier  empfing  Goethe  neben  manchen  andern  auch  die  ersten  Ein¬ 
drücke  jener  ächten  Coulissenwirthschaft,  deren  tollen  Charakter  er 
später  im  »Wilhelm  Meister«  so  zutreffend  zu  schildern  vermochte. 
Wer  wird  nicht  bei  der  Stelle  im  dritten  Buche  von  Wahrheit  und 
Dichtung,  die  von  den  ungenirten  Vorgängen  in  dem  Ankleide¬ 
zimmer  der  beiden  Geschlechter  erzählt,  unwillkürlich  an  eine  andere 


266 


in  den  »Lehrjahren«  erinnert,  wo  Wilhelm  Meister  die  Vorstellung, 
welche  er  sich  von  dem  bürgerlichen  Leben  der  Schauspieler  erträumt, 
allmählich  vor  den  nüchternen  Thatsachen  der  Wirklichkeit  zer- 
fliessen  sieht. 

»Wie  sehr  stutzte  er  (Wilhelm  Meister)  daher  anfangs,  wenn 
er  sich  bei  seiner  Geliebten  (Marianne)  befand  und  durch  den  glück¬ 
lichen  Nebel ,  der  ihn  umgab ,  nebenaus  auf  Tische,  Stühle  und 
Boden  sah.  Die  Trümmer  eines  augenblicklichen,  leichten  und  falschen 
Putzes  lagen,  wie  das  glänzende  Kleid  eines  abgeschuppten  Fisches 
zerstreut  in  wilder  Unordnung  durcheinander.  Die  Werkzeuge  mensch¬ 
licher  Reinlichkeit,  als  Kämme,  Seife,  Tücher  und  Pomade  waren 
mit  den  Spuren  ihrer  Bestimmung  gleichfalls  nicht  versteckt.  Musik, 
Rollen  und  Schuhe,  Wäsche  und  italienische  Blumen,  Etuis,  Haar¬ 
nadeln,  Schminktöpfchen  und  Bänder,  Bücher  und  Strohhüte,  keines 
verschmähte  die  Nachbarschaft  des  andern ,  alle  waren  durch  ein 
gemeinschaftliches  Element,  durch  Puder  und  Staub  vereinigt.« 

Es  ist  bekannt,  dass  Goethe  in  seinem  späteren  Leben  sehr 
viel  in  Berührung  mit  Schauspielern  kam,  aber  ob  sein  Geist  jemals 
wieder  ein  so  heiteres  Bild  einer  ungenirten  Komödiantenwirthschaft 
empfing,  wie  hier  in  den  Räumen  der  französischen  Komödie  im 
Junghof,  ist  sehr  zu  bezweifeln.  Später,  als  Leiter  der  Weimarischen 
Bühne,  blickte  er  doch  schon  in  geordnetere  Zustände,  auf  welche 
eine  solche  Schilderung  im  Allgemeinen  nicht  mehr  passen  mochte. 
Gerade  die  Lebendigkeit  der  Darstellung,  die  genaue  Aufzählung  der 
einzelnen  Gegenstände,  weist  im  Vergleich  zu  anderen  Erlebnissen 
aus  jener  Zeit  darauf  hin ,  dass  Goethe  sich  diesen  _  Eindruck  schon 
in  seiner  frühesten  Jugend  eingeprägt  hatte.  —  Besass  er  doch  schon 
damals,  wie  Wahrheit  und  Dichtung  bezeugt,  »jene  glücklich  erobernde 
Vielseitigkeit,  womit  er  die  Gegenstände  um  sich  her  und  die  Gegen¬ 
stände  ihn  berührten.« 

Mit  Ausnahme  der  Familie  Renaud  und  einer  Tänzerin, 
Mademoiselle  Aurore,  liess  sich  kein  weiteres  Mitglied  der  franzö¬ 
sischen  Bühne  feststellen.  Die  Nachrichten  über  das  Personal  der 
Truppe  sind  ebenso  spärlich  wie  die  über  deren  künstlerische  Thätigk eit, 
welche  aber  allem  Anschein  nach  das  moralische  Ansehen  derselben 
bei  weitem  überragte. 

Ob  der  Knabe  Goethe  Gelegenheit  hatte,  schon  vor  dem  Ein¬ 
züge  der  Franzosen  Theateraufführungen  mitansehen  zu  können, 
müssen  wir  dahingestellt  sein  lassen.  Da  er  aber  die  Vorwürfe  seines 
Vaters  über  den  häufigen  Besuch  der  Vorstellungen  im  Junghof 
durch  die  in  Stücken  wie  »Der  Kaufmann  von  London«  und  »Miss 
Sarah  Sampson«  strenge  gehandhabte  poetische  Gerechtigkeit  zu 
widerlegen  suchte,  so  möchte  man  fast  annehmen,  dass  er  schon 
1757  den  Aufführungen  der  Ackermann’schen  Gesellschaft  in  der 
Bretterbude  auf  dem  Rossmarkte  beigewohnt  hatte.  Vielleicht  wäre 


267 


ihm  auch  der  Missbrauch,  den  Vorhang  während  der  zwischen  den 
Akten  liegenden  Pausen  nicht  fallen  zu  lassen,  in  der  französischen 
Komödie  weniger  unerträglich  vorgekommen,  wenn  ihm  nicht  von 
den  Vorstellungen  einer  deutschen  Gesellschaft  her  eine  bessere  Ein¬ 
richtung  bekannt  gewesen  wäre.  —  Jedenfalls  umfassen  die  Theater¬ 
eindrücke,  die  Goethe  im  dritten  Buche  von  Wahrheit  und  Dichtung 
niedergelegt  hat,  einen  Zeitraum  von  mindestens  acht  Jahren. 

Aber  nicht  allein  für  das  Amüsement  der  Offiziere  und  höheren 
Beamten  der  französischen  Armee  trug  man  Sorge,  auch  den  Solda¬ 
ten  wurde  während  der  Besetzung  in  den  beiden  Messen  regelmässig 
eine  theatralische  Belustigung  geboten.  Diese  bestand  in  den  Mario¬ 
nettenspielen  des  Frankfurter  Bürgersohnes  Johann  Ludwig  Ludwig, 
der  aus  Rücksicht  auf  die  Garnison  ebenfalls  von  dem  General¬ 
lieutenant  du  Mesnil  und  verschiedenen  anderen  hohen  Persönlichkeiten 
begünstigt  wurde.  Als  der  Rath  vor  der  Ostermesse  1762  ihm  die 
Erlaubniss  zum  Spielen  verweigert  hatte,  richtete  der  Königslieutenant 
Thoranc  folgendes  Schreiben  an  den  Magistrat,  worauf  die  begehrte 
Zulassung  sofort  erfolgte : 

»A  Messieurs  du  Magistrat  de  la  ville  libre  et  imperiale  de 
Francfort. 

Les  soldats  et  tambours  du  Regiment  de  Nassau  ayant  envie 
de  voir  des  marionnettes,  je  prie  messieurs  du  magistrat  de  vouloir 
bien  donner  leur  agrement  ä  ce  passe  temps. 

Francfort  17.  Fevrier  1762.  Thoranc.«404 

Als  Renaud  im  Juni  1762  Frankfurt  auf  einige  Zeit  mit  seiner 
Truppe  zu  verlassen  gedachte,  bewarb  sich  der  damals  in  Mainz 
spielende  Conrad  Ernst  Ackermann  auf  Empfehlungen  des  Marquis 
des  Salles  und  des  Königslieutenants  Grafen  de  Thoranc  Anfangs  Mai 
1762  um  die  Erlaubniss,  bis  zum  Beginne  der  Herbstmesse  wöchent¬ 
lich  dreimal  seine  Schaubühne  im  Saal  zum  Junghof  eröffnen  zu 
dürfen,  was  ihm  auch  bewilligt  wurde.405 

Ackermann’s  künstlerische  Thätigkeit  wurde  auch  während  dieses 
Frankfurter  Aufenthaltes  noch  immer  von  denselben  Grundsätzen 
wie  im  Jahre  1757  geleitet,  in  welchem  er  bekanntlich  die  neuesten 
Erzeugnisse  der  deutsch-dramatischen  Literatur  und  die  besten  Ueber- 
setzungen  französischer  Bühnenwerke  mit  nachfolgenden  pantomimi¬ 
schen  Balletten  zur  Darstellung  brachte.  Von  dieser  Wirksamkeit 
Ackermann’s  im  Sommer  1762  liess  sich  nur  ein  einziger  Theater¬ 
zettel  auffinden.  Derselbe  ist  am  Schluss  der  Beilage  Nr.  XIII.  mit- 
getheilt  und  belegt  die  eben  ausgesprochene  Behauptung.  Zugleich 
liefert  er  durch  seine  Anordnung  einen  Beweis  für  den  Zustand  des 
Zwanges,  in  welchem  sich  Frankfurt  während  der  französichen  Be¬ 
satzung  im  siebenjährigen  Kriege  befand. 

Sämmtliche  aus  jener  Zeit  erhaltenen  Theaterzettel  beginnen  nicht 
mit  der  sonst  üblichen  Hinweisung  auf  die  Erlaubniss  des  Rathes, 


268 


sondern  mit  der  fremden  Eingangsform  »Avec  permission  de  Mon¬ 
seigneur  le  dnc  de  Broglio  (oder  »de  nos  Seigneurs  les  marcchaux 
d’Estrees  et  Soubise,  des  Salles«)  et  des  Messieurs  du  Magistrats  de 
la  ville  libre  et  imperiale  de  Erancfort.« 

Während  dieser  Kunstthätigkeit  Ackermanns  in  Frankfurt  be¬ 
fand  sich  sein  damals  schon  verheiratheter  achtzehnjähriger  Stiefsohn 
Friedrich  Ludwig  Schröder  als  erster  Ballettänzer  bei  der  Gesellschaft. 
Ausser  Letzterem  selbst,  seiner  jungen  Frau  und  der  Familie  des 
Direktors,  zählte  dieselbe  seit  dem  April  1762  folgende,  sämmtlich 
hier  aufgetretene  Mitglieder :  die  berühmte  wieder  zur  Bühne  zurück¬ 
gekehrte  Madame  Hensel,  die  geniale  Karolina  Schulz,  (nach  anderen 
Schulze)  spätere  Kummerfeld,  und  deren  Bruder,  den  Balletmeister 
Schulz.  Ferner  den  von  der  Direktion  des  weimarischen  Theaters 
zurückgetretenen  Döbellin  nebst  seiner  Frau;  Mylins;  Koch;  den 
ehemaligen  Barbier,  aber  talentvollen  Schauspieler  Michael  Boek  und 
die  beiden  Ehepaare  Garbrecht  und  Kirchhof.  Ausser  diesen  ersten 
Mitgliedern  der  Truppe  sind  noch  zwei  Demoiselles  Schirmer  aus 
Mannheim;  eine  Karoline  Fuchs;  der  Tänzer  Carioni  und  Frau  und 
die  Schauspieler  Dupuis  und  Halley  zu  nennen,  zu  denen  noch  der 
Theatermeister  Silbernagel,  der  Correpetitor  Misch el,  die  Musiker 
Kahler  und  Danonville  und  die  Einhelferin  Clara  Hoffmann  hinzu¬ 
kamen.406 

Mit  diesem  gut  eingeübten,  an  wirklichen  Talenten  reichen  Per¬ 
sonal  konnte  es  Ackermann  schon  wagen,  nach  dem  Abzug  Renaud’s 
eine  Zeit  lang  auf  der  früher  französischen  Bühne  im  Junghof  deutsche 
Vorstellungen  zu  geben.  Er  hatte  auch  trotz  der  heissen  Jahreszeit 
keinen  geringeren  Erfolg  als  sein  Vorgänger,  dessen  ernste  und  heitre 
Stücke  nicht  eifriger  von  den  höchsten  Mitgliedern  der  französischen 
Besatzung  besucht  worden  waren,  als  Ackermanns  allerdings  ebenso 
prächtig  ausgestattete  Vorstellungen.  Aber  nicht  allein  von  den 
Fremden,  nein  auch  von  Seiten  der  Frankfurter,  denen  das  Franzö¬ 
sische  docli  weniger  geläufig  und  der  Genuss  einer  in  deutscher 
Sprache  gegebenen  theatralischen  Aufführung  seit  mehreren  Jahren 
nicht  geboten  worden  war,  wurde  dem  Theater  Ackermanns  der  eif¬ 
rigste  Zuspruch  zu  Theil.  So  kam  es,  dass  er  eine  viel  höhere  Ein¬ 
nahme  hatte,  als  bei  seinem  vorigen  Aufenthalt  in  Frankfurt,  dass  er 
sogar  dann  und  wann  Kammervirtuosen  für  musikalische  Einlagen 
in  die  Zwischenakte  engagiren  konnte. 

Wenn  sich  aber  auch  seine  Kasse  besser  füllte  denn  früher, 
so  gefiel  es  doch  weder  Ackermann  noch  den  schon  1757  bei  ihm 
gewesenen  Mitgliedern  der  Truppe  so  gut  wie  bei  ihren  früheren  Auf¬ 
enthalten  in  Frankfurt.  Die  strenge  polizeiliche  Aufsicht,  welche  von 
den  Franzosen  über  das  Theater  im  Junghof  geübt  wurde,  brachte 
den  Director  oft  in  die  grössten  Verlegenheiten  und  liess  ihm  eine 
Verlängerung  der  Spielzeit  durchaus  nicht  wünschenswert!:  erscheinen. 


269 


Die  kleinste  Versäumniss,  der  fast  unmerklichste  Yerstoss  hatte  eine 
Verhaftung  zur  Folge,  welche  meistens  erst  nach  den  langwierigsten 
Untersuchungen  wieder  aufgehoben  wurde.  Ausser  manchem  anderen 
dürfte  folgender  Vorfall  einen  Beweis  liefern. 

Dem  Balletmeister  Schulz  war  im  Croaten-Pas  de  deux  an 
seinem  Anzug  etwas  los  gegangen,  worauf  er  sich  sogleich  entfernte 
und  den  hinter  den  Coulissen  stehenden  Schröder  an  seine  Stelle 
treten  liess.  Dessenungeachtet  kamen  vier  Mann  Wache,  um  Schulz 
oder  den  Direktor  Ackermann  für  den  von  keinem  von  ihnen  verschul¬ 
deten  Vorfall  sofort  in  Haft  zu  nehmen.  Die  Soldaten  Hessen  sich 
trotz  aHer  Erklärungen  durchaus  nicht  darauf  ein,  statt  ihrer  den 
wirklich  bestrafen  swerthen  Schneider  zu  verhaften,  und  so  kam  es, 
dass  Schulz  ohne  weiteres  vierundzwanzig  Stunden  in  Haft  gesetzt 
wurde. 

Ebenso  unerbittlich  streng  wurde  für  die  Aufrechterhaltung  der 
Ordnung  in  den  zu  dem  Theater  gehörigen  Bäumen  gesorgt  und 
hierin  selbst  nicht  die  geringste  Kücksicht  auf  die  vornehmsten  Zu¬ 
schauer  genommen.  So  wurde  einst  ein  alter  französischer  General 
von  einem  Unteroffizier  mit  entblösstem  Haupt  zweimal  ersucht,  sich 
sofort  aus  den  nur  für  die  Schauspieler  bestimmten  Seitenflügeln  zu¬ 
rückzuziehen.  Aber  der  General  schenkte  diesem  Befehl  keine  Be¬ 
achtung,  er  blickte  den  Unteroffizier  verachtend  an  und  rührte  sich 
nicht  vom  Platz.  Der  Unteroffizier  setzte  dann  seinen  Hut  wieder 
auf  und  gab  die  Ordre  nochmals  im  Namen  des  Königs.  Hierauf 
nahm  der  alte  General  seine  Kopfbedeckung  ab  und  entfernte  sich 
sofort  aus  den  verbotenen  Seitenflügeln.407 

Der  jugendhche  Friedrich  Ludwig  Schröder,  welcher  sich  da¬ 
mals  gerade  in  den  sogenannten  tollen  Jahren  befand,  hatte  während 
seines  Aufenthaltes  in  Frankfurt  verschiedene  Zweikämpfe,  die  eben¬ 
falls  der  französischen  Besatzung  wegen  sehr  geheim  gehalten  werden 
mussten.  Bei  einem  DueUe  war  ihm  in  der  Hitze  des  Gefechts  un¬ 
bemerkt  die  Spitze  einer  dreikantigen  Klinge  in  den  Leib  gedrungen. 
Die  Wunde  hatte  sich  Anfangs  schnell  geschlossen,  später  aber  trat 
eine  Entzündung  ein,  welche  eine  langsame  Heilung  nötliig  machte, 
und  Schröder  eine  Zeitlang  am  Tanzen  verhinderte. 

Alle  diese  Zwischenfälle  trübten  den  diesmaligen  Aufenthalt 
Ackermann’s  in  Frankfurt,  dessen  Einnahmen  auch  durch  den  unge- 
wöhnhch  theuren  Unterhalt  wieder  bedeutend  geschmälert  wurden.  Er 
nahm  vom  16.  Juni  bis  15.  August  über  2,300  Thlr.  ein ;  von  dieser 
grossen  Summe  bHeb  ihm  jedoch  aus  den  eben  erwähnten  Gründen 
und  bei  den  vielen  Anschaffungen  trotz  der  geringen  Abgabe  an  die 
Stadt  (monatlich  30  fl.)  nur  ein  sehr  kleiner  eigner  Gewinn  übrig. 

Karoline  Schulz  giebt  über  jene  in  Frankfurt  verlebte  Zeit  fol¬ 
genden  Aufschluss:  »Hier  war  der  Aufenthalt  ebenso  theuer  als  in 
Mainz  billig,  zum  Glück  für  meine  Kasse  mussten  wir  bald  franzö- 


270 


siscken  Schauspielern  Platz  machen,  welche  in  der  Messe  zu  spielen 
kamen.  Die  Franzosen  hatten  damals  in  Frankfurt  zu  befehlen;  es 
war  ja  noch  Krieg«.408 

Johann  Wolfgang  Goethe,  der  die  Ackermann ’schen  Torstel¬ 
lungen  jedenfalls  ebenso  oft  besuchte  wie  früher  die  der  französischen 
Komödianten,  sah  damals  zuerst  die  geniale  Karoline  Schulz,  die  er 
dann  als  Student  in  Leipzig  auf  dem  Kochischen  Theater  oft  be¬ 
wunderte  und  viele  Jahre  später  in  Weimar  Wiedersehen  sollte. 

Nachdem  Madame  Hensel,  als  Muse  der  Schauspielkunst  ge¬ 
kleidet,  in  einem  sicher  wieder  von  Madame  Ackermann  verfassten 
Prolog  den  hohen  Protektoren  und  dem  Käthe  der  Stadt  Frankfurt 
für  die  ertheilte  Spielerlaubniss  und  den  gnädigen  Schutz  gedankt 
hatte,  räumte  die  Ackermann’sche  Truppe  der  französischen  wieder 
den  Platz  und  kehrte  nach  Mainz  zurück,  wo  der  Adel  während 
ihrer  Abwesenheit  in  dem  vom  Direktor  erbauten  bretternen  Schau¬ 
spielhause  sich  ein  Parquet  hatte  einrichten  lassen.  —  Renaud  spielte 
bis  Ostern  17 63. 4  09  In  der  Herbstmesse  dieses  Jahres  gab  es  keine 
theatralischen  Aufführungen  in  Frankfurt,  statt  dessen  wurde  den 
Freunden  der  Musik  sowohl,  als  auch  allen  denjenigen,  die  an  aus¬ 
serordentlichen  Dingen  einiges  Vergnügen  fanden,  ein  ungewöhnlicher 
Genuss  geboten.  Am  18.  August  Hessen  sich  nämlich  der  sieben¬ 
jährige  Wolfgang  Amadeus  Mozart  und  seine  fünf  Jahre  ältere 
Schwester  auf  dem  Flügel  und  der  Violine  im  Schärfischen  Saale  am 
Liebfrauenberge  unter  solchem  Beifall  hören,  dass  das  Concert  wegen 
der  in  allen  Gemüthern  erweckten  Bewunderung  eine  viermalige 
Wiederholung  fand. 

Schade,  dass  nicht  auch  Wolfgang  Goethe  den  Concerten  der 
eben  genannten  musikalischen  Wunderkinder  beiwohnte,  wir  würden 
sonst  diesen  Abschnitt  der  Frankfurter  Theatergeschichte  sicher  mit 
einer  ähnlichen,  aber  noch  werthvolleren  Schilderung  haben  schliessen 
können,  wie  sie  im  dritten  Buche  von  Wahrheit  und  Dichtung  über 
den  kleinen  Solotänzer  enthalten  ist. 

Die  Entwicklungsgeschichte  eines  grossen  genialen  Menschen 
richtig  darzustellen  und  aus  den  geistigen  Zügen  des  Kindes  die 
späteren  Eigenthümlichk eiten  des  Mannes  nachzuweisen,  gehört  gewiss 
zu  den  grossartigsten  Aufgaben,  welche  selbst  von  dem  verständnis¬ 
vollsten  Biographen  nur  annähernd  gelöst  werden  können. 

Einen  kleinen,  aber  wohl  nicht  unwesentlichen  Beitrag  zur  wei¬ 
teren  Erkenntnis  der  geistigen  Entwicklung  Goethes  in  seiner  Vater¬ 
stadt  Frankfurt  liefert  vielleicht  auch  die  vorstehende  Geschichte  des 
französischen  und  deutschen  Theaters  im  Junghof. 


Theater  in  Frankfurt  während  der  Krönung 

Joseph’s  II. 


Bei  der  Durchsicht  der  auf  den  französischen  Theaterdirektor 
Claude  Barizon  bezüglichen  Akten,  dessen  Kunstthätigkeit  in  Frank¬ 
furt  während  der  Wahl  und  Krönung  Joseph’s  II.  wir  nun  zu  schil¬ 
dern  haben,  finden  wir  den  Ausspruch  des  alten  Babbi  Ben  Akiba 
im  »Uriel  Acosta«  neu  bestätigt:  »Es  ist  Alles  schon  einmal  da¬ 
gewesen.«  Nicht  allein  im  neunzehnten,  nein,  auch  schon  im  vorigen 
Jahrhundert  gab  es  Theaterleiter,  welche  durch  die  von  namhaften 
Künstlern  angefertigten  prächtigen  Ausstattungen  der  von  ihnen  ge¬ 
gebenen  Stücke  eine  bedenkliche  Ebbe  in  ihre  Kasse  herbeiführten 
und  durch  das  häufige  Veranstalten  sehr  thenrer  Gastspiele  schliess¬ 
lich  zum  Niederlegen  ihres  Biihnenscepters  gezwungen  wurden.  — 
Nicht  immer  ist  die  geschäftliche  Spekulation  auf  einen  guten  Ge¬ 
winn  der  Impuls  zu  derartigen  Anstrengungen,  sie  werden  auch  hie 
und  da,  wie  bei  Barizon,  von  einem  edlen  künstlerischen  Ehrgeize 
hervorgerufen,  den  der  spätere  unbefangene  Beschauer  der  Ver¬ 
hältnisse  nur  mit  Bedauern  an  der  geringen  Theilnahme  des  Publi¬ 
kums  und  an  manchen  sonstigen  Hindernissen  und  Zwischenfällen 
zu  Grunde  gehen  sieht. 

Claude  Barizon,  welcher  mit  seiner  Truppe  schon  an  verschie¬ 
denen  deutschen  Höfen  gespielt  und  sich  besonders  die  Gunst  des 
Kurfürsten  von  Cöln  erworben  hatte,  erhielt  auf  verschiedene  einfluss¬ 
reiche  Fürsprachen  hin  Ende  Januar  1764  die  Erlaub niss,  während 
der  Wahl  und  Krönung  Joseph’s  II.  seine  Schaubühne  im  Bienen- 
thal’schen  Saal  zum  Junghof  eröffnen  zu  dürfen.410  Schon  ehe  die 
Vorverhandlungen  zu  der  am  3.  April  vollzogenen  feierlichen  Hand¬ 
lung  begannen,  gab  Barizon  nach  aktenmässigen  Mittheilungen  am 
25.  Februar  1764  seine  erste  Vorstellung.  Da  uns  die  Theaterzettel 
dieses  französischen  Principals  erst  vom  3.  März  an  vorliegen,  so 
sind  wir  nicht  in  der  Lage,  das  Stück  angeben  zu  können,  mit 
welchem  er  den  für  ihn  eigens  neu  hergerichteten  Schauplatz  im 
Junghof  eröffnete.  Bei  dem  damaligen  Geschmack  der  Menge  und 


272 


dem  Kunststandpunkte  Barizon’s  lässt  sich  aber  der  gewiss  sichere 
Schluss  ziehen,  dass  jeder  ersten  Vorstellung  eines  Stückes  ein  panto¬ 
mimisches  Ballet  oder  ein  einaktiges  Festspiel  vorausging,  welches 
in  allegorischer  Weise  die  bevorstehende  Krönung  zu  verherrlichen 
suchte. 

Wie  wir  aus  dem  fast  vollständig  erhaltenen  Repertoire  Bari¬ 
zon’s  ersehen,  verfolgte  er  fast  dieselbe  Kunstrichtung  wie  sein  Vor¬ 
gänger  Baptiste  Renaud.  Er  gab  ebenfalls  die  Stücke  der  ton¬ 
angebenden  französischen  Dramatiker,  führte  die  nämlichen  Operetten 
auf  und  begünstigte  die  pantomimischen  Ballete,  deren  Darstellungen 
so  viele  Gelegenheit  zur  Entfaltung  prächtiger  Ausstattungen  dar¬ 
boten.  Nur  darin  unterschied  sich  Barizon  von  Renaud,  dass  er 
nicht  allein  che  zufällig  durchreisenden  Künstler  auf  seiner  Bühne 
auftreten,  sondern  die  verschiedensten  Berühmtheiten  von  nah  und 
fern  nach  Frankfurt  kommen  Kess,  um  seine  VorsteUungen  durch 
ihre  Mitwirkung  doppelt  anziehend  zu  machen.  Während  der  kurzen 
Wirksamkeit  Barizon’s  in  Frankfurt  traten  die  damals  in  Deutsch¬ 
land  hochberühmten  französischen  Hofschauspieler  Doismond  und 
Deforges  aus  Cassel,  Belevall  und  Martin  aus  München  auf  seinem 
Theater  »als  feinliche,  aber  gar  schwer  gewonnene  Gäste«  auf. 

Auch  hervorragende  Musiker  jener  Zeit,  wie  den  Kurpfälzischen 
Hofviolinisten  Töski,  den  Kaiserlich  Russischen  Kammer- Virtuosen 
Heuse,  den  Landgräflich  Hessischen  Bassisten  Marmetti,  die  in 
Frankfurt  allgemein  bekannte  und  angesehene  Klavier-Virtuosin  Ma¬ 
dame  Aurray  und  den  Landgräflich  Hessischen  Violoncello-Spieler 
Schetky  berief  Barizon  auf  seine  Kosten,  damit  sie  das  Publikum 
»in  denen  Zwischenakten  durch  ein  fürtreffliches  Koncert  unterhalten 
und  nach  ernsthaften  Vorkommnissen  auf  dem  Theatro  wieder  höch¬ 
lich  erquicken  sollten«. 

Ausser  diesen  berühmten  Gästen  hatte  Barizon  für  die  Dauer 
seines  Frankfurter  Aufenthaltes  aus  Paris  und  anderen  Städten  noch 
verschiedene  bedeutende  Künstler  zu  sich  berufen.  Vor  allem  sei 
hier  der  gewandte,  früher  in  Cassel  gewesene  Solotänzer  Pierre 
d’Aigueville  aus  Versailles  erwähnt,  der  auf  den  Theaterzetteln  ge¬ 
wöhnlich  »der  berühmte  Monsieur  Pitrot«  genannt  wurde.  Wie  aus 
einem  in  den  Akten  aufgezeiclmeten  Vorfall  hervorgeht,  verstand  es 
aber  Monsieur  Pitrot  gerade  nicht,  seine  Einnahmen  mit  den  Ausgaben 
in  den  gehörigen  Einklang  zu  bringen.  Er  war  vielmehr  ein  leicht¬ 
sinniger  zwanzigjähriger  Patron,  dem  die  hohe  Gage  nicht  ausreichte 
und  dem  die  bedenkhchsten  Luftsprünge  in’s  Blaue  und  auf  anderer 
Leute  Kosten  ebenso  leicht  wurden  wie  seine  grotesken  Sätze  auf 
der  Schaubühne  im  Junghof. 

Als  Pitrot  wieder  einmal  an  verschiedenen  Stellen  Schulden 
gemacht  und  trotz  der  Mahnungen  seiner  Gläubiger  nicht  das  Ge¬ 
ringste  bezahlt  hatte,  wurde  er  zum  Schrecken  Barizon’s  nach  der 


273  — 


Helden-Pantomime  »Der  grossmüthige  Sultan«  am  Abend  des  24.  März 
1764  in  Haft  genommen.  Da  aber  bereits  die  Theateranzeige  für 
den  nächsten  Tag  ausgegeben  und  der  Besuch  verschiedener  hoher 
Persönlichkeiten  angekündigt  war,  so  gerieth  Barizon  durch  diesen 
Vorfall  in  keine  geringe  Verlegenheit.  Er  kam  sofort  um  Freilassung 
seines  ersten  Tänzers  ein,  deponirte  die  fragliche  Summe  und  gab 
zu  bedenken,  dass  der  Kaiser  Joseph  im  Palle  einer  Abweisung  das 
gewünschte  Ballet  nicht  sehen  könne.  Die  Hervorhebung  so 
gewichtiger  Gründe  und  die  sichergestellte  Befriedigung  der  Gläubiger 
verschafften  denn  auch  schon  am  Morgen  des  anderen  Tages  dem 
leichtlebigen  Monsieur  Pitrot  die  verlorene  Freiheit  und  dem  in  tausend 
Aengsten  schwebenden  Direktor  seine  bei  diesem  Vorfall  verlorene 
Gemüthsruhe  wieder. 4 1 1 

Ob  der  Kaiser  Joseph  nun  wirklich  das  französische  Theater 
Sonntags  den  25.  März  1764  besuchte,  ob  diese  Angabe  nur  ein 
von  dem  Gönner  Barizon’s,  dem  Fürsten  Esterhazy,  ausgesprochener 
Scheingrund  war,  lässt  sich  um  so  weniger  feststellen,  als  er  den 
angezeigten  Besuch  hoher  fürstlicher  Persönlichkeiten  nicht  mehr 
auf  den  Theaterzetteln  anzumelden  pflegte.  Die  ganze  Anordnung 
der  an  diesem  Tage  gegebenen  Vorstellung,  in  welcher  zwei  be¬ 
rühmte  auswärtige  Künstler  mitwirkten,  deutet  aber  nebst  dem  erhöhten 
Eintrittspreise  darauf  hin,  dass  man  in  der  That  auf  die  Anwesenheit 
hoher  Gäste  Rücksicht  genommen  hatte. 

Ausser  Pierre  d’Aigueville  werden  in  den  Akten  auch  noch 
drei  andere  zur  französischen  Gesellschaft  gehörige  Tänzer :  Olivier, 
King  und  Lodwy  sowie  Monsieur  Pitrot’s  Vater  erwähnt.  Für  die  in 
Mannheim  gemachten  Schulden  des  Letzteren  musste  Barizon  eben¬ 
falls  Bürgschaft  leisten.412 

Von  dem  übrigen  Personal  der  Truppe  sind  wir  nur  noch  im 
Stande,  die  Frau  des  Direktors,  eine,  wie  es  scheint  zu  seiner  Familie 
gerechnete,  Demoiselle  Bittner  und  die  auf  den  Zetteln  öfters  ge¬ 
nannte  Sängerin  Demoiselle  Vincent  zu  nennen,  welch’  Letztere  Ba¬ 
rizon  für  die  Dauer  der  Wahl  und  Krönung  eigens  von  einer  Pariser 
Schaubühne  nach  Frankfurt  berufen  hatte. 

Im  Ganzen  wurden  die  Vorstellungen  Barizon’s  von  allerhöch¬ 
sten  und  höchsten  Herrschaften  ziemlich  häufig  besucht.  Da  aber  das 
Eintrittsgeld  ein  zu  hohes  war  (siehe  den  in  Beilage  XIV  abgedruck¬ 
ten  Zettel  vom  3.  März  1764),  fehlte  dem  Direktor  des  französi¬ 
schen  Theaters  gerade  die  Unterstützung  Seitens  des  Theiles  des 
Publikums,  dem  der  regelmässige  Besuch  der  Komödie  eine  nicht 
zu  entbehrende  Erholung  von  den  Tagesgeschäften  geworden  war. 
So  kam  es,  dass  sich  Barizon  bei  seinen  ungewöhnlich  grossen  Aus¬ 
gaben  für  die  Dauer  nicht  halten  konnte,  und  trotz  aller  An¬ 
strengungen  von  Tag  zu  Tag  in  eine  grössere  Schuldenlast  gerieth. 

18 


274 


Als  eine  ehrende  Anerkennung  für  Barizon’s  Leistungen  darf 
man  es  wohl  betrachten,  dass  der  kunstsinnige  Fürst  Esterhazy  am 
19.  März  1764,  also  am  Namenstage  des  Wahl-  und  Krönungs¬ 
kandidaten,  den  Eintritt  zur  französischen  Schaubühne  im  Junghof 
für  das  Publikum  freistellte.413  Für  diese  Vorstellung,  die  durch 
eine  prächtige  Illumination  noch  besonders  glanzvoll  ausgestattet 
wurde,  zahlte  Fürst  Esterhazy  auch  die  Miethe  an  den  Obristen 
Bender  von  Bienenthal,  weshalb  derselbe  auch  den  betreffenden 
Theaterzettel  als  Beleg  einer  Schuld  nicht  aufzuheben  brauchte.  Nach 
der  Aufführung  gab  der  Fürst  Esterhazy  im  Saal  der  französischen 
Komödie  ein  grosses  Souper,  wozu  die  höchsten  Mitglieder  der  an¬ 
wesenden  Gesandtschaften  und  auch  verschiedene  hochgestellte  Frank¬ 
furter  geladen  waren. 

Ehe  das  traurige  Ende  der  Barizon’schen  Wirksamkeit  eine 
eingehendere  Besprechung  findet,  muss  erst  berichtet  werden,  dass 
sich  während  der  Wahl-  und  Krönungszeit  Joseph’s  II.  noch 
ein  deutsches  und  ein  italienisches  Theater  in  Frankfurt  befanden. 
Schon  am  22.  December  1763  verschaffte  sich  der  am  Anfang  dieses 
Jahres  mehrmals  als  Veranstalter  bedeutender  Koncerte  auftretende 
italienische  Musikmeister  Francesco  Maggiore  vom  Rathe  das  Privi¬ 
legium,  während  der  bevorstehenden  Solennitäten  allein  in  Frank¬ 
furt  Opern  aufführen  zu  dürfen.414  Er  verband  sich  zu  diesem 
Zwecke  mit  einem  gewissen  Conte  Cecchelli,  welcher  in  den  Akten 
mehrmals  als  der  Entrepreneur  der  italienischen  Oper  bezeichnet 
wird,  und  engagirte  eine  unter  Direktion  von  Jacob  Masi  stehende 
»W älsche  Opera-Buffa-Gesellschaft«. 

Als  die  auf  Kosten  des  Grafen  Cecchelli  in  der  kleinen 
Allee  aufgerichtete  Hütte  Ende  Februar  1764  vollendet  war,  betrie¬ 
ben  Maggiore  und  Cecchelli  das  Unternehmen  gemeinsam  weiter. 
Der  Erstere  war  hauptsächlich  als  Kapellmeister  tliätig  und  leitete 
die  inneren  Geschäfte ;  Graf  Cecchelli  lieh  die  nöthigen  Summen  und 
vertrat  die  Angelegenheiten  nach  aussen.  Wie  aus  einer  späteren 
Supplikation  Maggiore’s  an  den  Rath  hervorgeht,  bekam  sein  Mit¬ 
unternehmer  hierfür  zwei,  er  selbst  hingegen  nur  ein  Drittel  von 
der  jeweiligen  Einnahme.  Am  Schlüsse  der  italienischen  Schau¬ 
bühne  wurden  ihm  jedoch  im  Voraus  von  Cecchelli  für  seine  be¬ 
sondere  Mühe  als  Kapellmeister  100  Dukaten  zugesichert.415 

Welche  Opern  in  der  »wälschen  Komödienhütte«  bis  zum  1.  April 
1764  zur  Aufführung  gekommen  sind,  lässt  sich  ebensowenig  be¬ 
stimmen,  wie  ihr  Erfolg.  Es  waren  weder  Theaterzettel  noch  sonstige 
Nachrichten  von  der  italienischen  Truppe  aufzufinden.  Dieselbe  kann 
aber  unter  der  Leitung  eines  so  ausgezeichneten  Musikkenners  wie 
Maggiore  gewiss  nur  Gutes  geleistet  haben. 

Ende  März  1764  traf  Barizon  auf  den  Wunsch  verschiedener 
hoher  Gönner  mit  den  beiden  Direktoren  der  italienischen  Oper  die 


275 


Vereinbarung,  sich  vom  1.  April  an  zu  gemeinsamem  Streben  zu 
verbinden.  Die  Vorstellungen  sollten  von  diesem  Tage  an  in  der 
Opernhütte  in  der  kleinen  Allee  abgehalten  und  das  Theater  der 
sogenannten  Italienischen  Opera  von  da  ab  »Französisch-Italienische 
Schaubühne«  genannt  werden.416  Aber  die  in  geschäftlicher  Hinsicht 
wünschenswerthe  Vereinigung  dauerte  nur  vom  1. — 8.  April.  Wie 
sich  aus  einigen  Bemerkungen  in  verschiedenen  Eingaben  an  den 
Rath  aus  jener  Zeit  schliessen  lässt,  war  es  zwischen  den  Bühnen¬ 
leitern  über  verschiedene  Ansichten  zu  heftigen  Auseinandersetzun¬ 
gen  gekommen,  deren  Folgen  eine  schleunige  Trennung  durchaus 
nöthig  machten. 

Vom  9.  bis  ausschliesslich  den  12.  April,  an  welchem  Tage  er 
seine  Ueberschuldung  anzeigte,  gab  Barizon  wieder  abgesonderte  Vor¬ 
stellungen  im  Junghof.  Maggiore  und  Cecchelli  thaten  in  ihrem  Musen- 
tempel  desgleichen  und  kamen  sogar  Mitte  April  um  die  Erlaubniss  ein, 
ihre  Opernspiele  noch  bis  zum  Schluss  der  Ostermesse  fortsetzen  zu 
dürfen.  Da  die  beiden  Entrepreneurs  die  Abgaben  au  das  Rechnei¬ 
amt  pünktlich  entrichtet  und  auch  ausserdem  ihre  Gläubiger  »billiger- 
massen«  zufriedengestellt  hatten,  so  liess  man  ihnen  ohne  Schwierig¬ 
keiten  einen  günstigen  Bescheid  zukommen.417  Es  wurden  also  auch 
während  der  Messe  wöchentlich  dreimal  Vorstellungen  in  der  wälschen 
Opernhütte  gegeben,  welche  nach  dem  Ausspruch  eines  über  die 
Nachbarschaft  des  bretternen  Musentempels  sehr  entrüsteten  Haus¬ 
besitzers  »einen  abscheulich  starken  Zuspruch«  von  Seiten  der  Frank¬ 
furter  und  der  Fremden  erfuhren.  Im  Ganzen  dauerten  die  Auf¬ 
führungen  sechs  Wochen,  für  welche  Zeit  die  beiden  Unternehmer 
88  fl.  Abgaben  an  die  Stadt  entrichten  mussten. 

Maggiore,  der  sich  durch  seine  musikalische  Bedeutung  einen 
nicht  geringen  Einfluss  auf  verschiedene  Rathsmitglieder  zu  ver¬ 
schaffen  gewusst  hatte,  gab  auch  während  der  Wahl  und  Krönung 
Joseph’s  II.  einige  Koncerte  im  »König  von  England«,  in  denen  seine 
aus  Neapel  nach  Frankfurt  berufene  Gattin  als  Virtuosin  auf  einem 
nicht  näher  bezeichneten  Instrumente  und  seine  älteste  Tochter  als 
Sängerin  mitwirkten.41 8  Am  17.  April  1764  suchte  Maggiore  um 
die  Erlaubniss  nach,  »nächstkünftigen  Donnerstag  ein  geistlich  Kon- 
cert  »Stabat  mater«  von  Maestro  Pergolese,  so  nur  einmalen  hier  ge¬ 
höret  worden«,  im  König  von  England  abhalten  zu  dürfen.419  Er 
wurde  auch  dieses  Mal  nicht  zurückgewiesen  und  hatte,  wie  eine 
Bemerkung  in  den  Akten  errathen  lässt,  einen  solchen  Erfolg  mit 
der  gelungenen  Aufführung  dieses  Meisterwerkes,  dass  das  Koncert 
»auf  Wunsch  von  denen  Liebhabern  solcher  Musika  wiederholt  wer¬ 
den  musste«. 

Maggiore  ist  für  die  Geschichte  der  Musik  in  Frankfurt  eine 
wichtige  und  hochinteressante  Persönlichkeit,  über  deren  Wirken 
und  Einfluss  die  Schriftquellen  des  hiesigen  Stadtarchivs  noch  manche 

18* 


276 


werthvolle  Mittheilungen  aufzuweisen  haben.  Durch  die  tiefe  Kennt- 
niss  seiner  Kunst  und  sein  höchst  vortreffliches  Yiolinspiel  erwarb 
er  sich  ein  solches  Ansehen  in  Frankfurt,  dass  selbst  der  Anfangs 
gegen  ihn  eingenommene  hiesige  Kapellmeister  Fischer  »an  wichtiger 
Stelle«  den  Wunsch  zum  Ausdruck  brachte,  »der  Musikmeister  aus 
Neapolis  möge  so  bald  nicht  wieder  von  hier  fortgehen«. 

Von  Frankfurt  aus  unternahm  Maggiore  mit  seiner  Frau  und 
Tochter,  sowie  mit  einer  damals  berühmten  Koncertsängerin  Signora 
Lepri  und  mehreren  anderen  Virtuosen  Gastspielfahrten  nach  Ham¬ 
burg  und  Holland,  wo  seine  Leistungen  ebenfalls  von  allgemeinem 
Beifall  gekrönt  wurden.  Seit  dem  Jahre  1765  kommt  Maggiore, 
welcher  sicher  in  seiner  Zeit  dasselbe  war,  was  man  heutzutage 
einen  Impresario  nennt,  in  den  Akten  nicht  mehr  vor,  aber  seine 
künstlerische  Richtung  scheint  noch  lange  Zeit  auf  verschiedene  be¬ 
deutende  Frankfurter  Musiker  einen  nachhaltigen  Einfluss  ausgeübt 
zu  haben. 

Francesco  Maggiore  muss  auch  ein  stolzer,  von  seiner  musika¬ 
lischen  Bedeutung  vollkommen  überzeugter  Mann  gewesen  sein.  Als 
nämlich  durch  irgend  eine  Veranlassung  im  Rath  die  Meinung  laut 
geworden  war,  er  stände  zum  Grafen  Cecchelli  in  einem  abhängigen 
Verhältniss,  berichtete  Maggiore  sofort,  dass  er  durch  Vorlegung  des  mit 
seinem  Mitunternehmer  abgeschlossenen  Kontraktes  die  irrige  Meinung 
widerlegen  und  durch  weitere  Zeugnisse  seine  unabhängige  Stellung- 
und  Aufrechthaltung  des  ihm  vom  Rathe  Frankfurts  ausgestellten 
Privilegiums  auf  Verlangen  »stündlich  belegen  könne«.420  Er  bezog 
keineswegs  irgend  welchen  Gehalt  von  dem  Grafen  Cecchelli,  er  war 
vielmehr  nur  wegen  des  zu  solchem  Unternehmen  unbedingt  nöthigen 
Geldes  ein  Bündniss  zu  gemeinsamem  Streben  mit  ihm  eingegangen. 

Wie  schon  früher  bemerkt,  befand  sich  während  der  Wahl  und 
Krönung  Joseph’s  II.  ausser  dem  französischen  und  italienischen 
Theater  auch  noch  eine  deutsche  Schaubühne  in  Frankfurt,  deren 
Direktor  der  ehemalige  Marionettenspieler  Johann  Ludwig  Ludwig 
war.421  Die  Hütte  dieses  künstlerisch  wenig  bedeutenden  Wander- 
principals  war  auf  demselben  Platz,  der  sogenannten  Säu-Allee  in 
der  Bockenheimer  Gasse,  aufgerichtet,  wo  zweiundzwanzig  Jahre 
früher  bei  einer  andern  Krönung  Wallerotty’s  Musentempel  gestan¬ 
den  hatte.  Aus  dem  einzigen  aufgefundenen  und  als  Beilage  XV 
veröffentlichten  Theaterzettel  lässt  sich  schliessen,  dass  der  Frank¬ 
furter  Bürgerssohn  Johann  Ludwig  Ludwig  auch  die  künstlerische 
Richtung  seines  Vorgängers  genau  zu  befolgen  strebte,  aber  jeden¬ 
falls  viel  weniger  Talent  und  Geschicklichkeit  als  dieser  besessen 
hat.  Obgleich  alle  sonstigen  Nachrichten  über  Johann  Ludwig  Lud¬ 
wig  fehlen,  so  geht  doch  aus  späteren  aktenmässigen  Mittheilungen 
hervor,  dass  er  »veraltete  ungezogene  Zottenspiele  und  läppigte  Lach- 


277 


komödien«  aufführte,  an  denen  »man  sieh  wohl  vor  langen  Zeyten  er¬ 
götzen,  aber  dermalen  nicht  mehr  gouttiren  konnte«. 

Weil  Johann  Ludwig  Ludwig  ein  Frankfurter  Bürgerssohn  war 
imd  wegen  des  langsamen  Aufbauens  seiner  Hütte  erst  sehr  spät 
die  teutsche  Schaubühne  eröffnen  konnte,  liess  ihn  der  Rath  nach 
dem  Schlüsse  aller  anderen  Komödien  noch  beinahe  bis  Ende  Mai 
1764  spielen.422  Als  er  aber  um  die  Erlaubniss  einkam,  seine  für 
1000  fl.  erbaute  Hütte  bis  zur  Herbstmesse  stehen  lassen  und  dann 
seine  Vorstellungen  wieder  auf’s  Heue  beginnen  zu  dürfen,  erhielt 
Ludwig  den  gewiss  nicht  erwarteten  Bescheid,  dass  man  künftighin 
gar  keine  Schrift  mehr  über  diese  Angelegenheit  von  ihm  annehmen 
werde.423 

Trotz  dieser  Abweisung  suchte  er  sich  aber  dennoch  durch 
mehrere  Bittgesuche  vor  dem  Beginne  der  Herbstmesse  wieder  die 
Zulassung  zu  verschaffen.  Obgleich  er  jedoch  von  den  schlechten 
Geschäften  im  Frühjahr,  von  seinen  vielen  durch  den  Aufbau  der 
Hütte  veranlassten  Schulden  und  von  der  Absicht  redet,  mit  einer 
besonders  von  Heilbronn  verschriebenen  Gesellschaft  diesmal  keine 
Zoten  und  dergleichen  spielen,  sondern  nur  gute  Komödien  aufführen 
zn  wollen,  so  wurde  er  doch  immer  wieder  und  stets  mit  der  gröss¬ 
ten  Entschiedenheit  zurückgewiesen.4  24 

Diese  Hartherzigkeit  des  Rathes  gegen  einen  Frankfurter  hatte 
sicher  ihren  guten  Grund.  Johann  Ludwig  Ludwig  war  entweder 
keine  zuverlässige  Persönlichkeit  oder  er  hatte  Stücke  auf  seiner 
Bühne  zur  Darstellung  gebracht,  welche  die  wachsame  Geistlichkeit 
Frankfurts  aus  Rücksicht  für  die  Moral  zu  entschiedenem  Vorgehen 
bei  den  Häuptern  der  Stadt  gegen  ihn  nöthigten. 

Wie  aus  dem  erhaltenen  Theaterzettel  hervorgeht,  nahm  Ludwig 
ein  Eintrittsgeld,  welches  freilich  in  keinem  Verhältniss  zu  dem  der 
französischen  und  der  italienischen  Schaubühne  stand,  aber  bei  einem 
einigermassen  guten  Besuch  der  Vorstellungen  ihn  doch  auf  sehr 
gute  Einnahmen  bringen  konnte. 

Der  Umstand,  dass  die  in  Messzeiten  hier  spielenden  Theater- 
principale  entweder  mit  grossen  Unkosten  eine  eigene  Hütte  auf¬ 
richten  oder  dem  Obristen  von  Bienenthal  eine  schwere  Miethe  für 
seinen  Saal  zahlen  mussten,  veranlasste  den  Zimmermeister  Tabor, 
nach  dem  Schluss  der  italienischen  Oper  am  1.  Mai  1764  um  die 
Erlaubniss  einzukommen,  die  von  ihm  erbaute  Hütte  nicht  allein 
stehen  lassen,  sondern  auch  mit  einem  Ziegel-  oder  Schieferdach  und 
festen  Gefächern  versehen  zu  dürfen.  Er  erbot  sich,  hierfür  der 
Stadt  einen  jährlichen  Miethszins  zu  zahlen,  und  hoffte  um  so  mehr 
die  Genehmigung  seiner  Bitte  zu  erhalten,  als  ein  derartiges  ein¬ 
faches  Komödienhaus  mittlerweile  für  die  sonst  stets  wegen  der  har¬ 
ten  Bauunkosten  in  Schulden  gerathenden  Direktoren  und  auch  für 
das  Publikum  zum  wahren  Bedürfniss  geworden  sei.425 


278 


Warum  der  Rath  diesen  Antrag  ablehnte,  ist  nicht  näher  be¬ 
kannt,  aber  jedenfalls  geschah  es  doch  in  Rücksicht  auf  das  nun 
schon  viele  Jahre  zur  Seite  geschobene  Projekt  wegen  der  Erbauung 
eines  städtischen  Schauspielhauses,  welches  sicher  von  einigen  kunst¬ 
sinnigen  Senatsmitgliedern  bei  der  ersten  besten  Gelegenheit  wieder 
in  Anregung  gebracht  werden  sollte. 

Jedenfalls  würde  Claude  Barizon  nicht  eine  halb  so  grosse 
Schuldenlast  auf  sich  geladen  haben,  wenn  er  von  der  Stadt  und 
nicht  von  einem  allzu  sehr  auf  seinen  eignen  Nutzen  bedachten 
Privatmann  das  Lokal  zu  seinem  Theater  gemiethet  hätte.  Obrist 
Bender  von  Bienenthal  beutete  den  Yortheil,  der  alleinige  Besitzer  eines 
geschützten  Lokales  zur  Abhaltung  von  theatralischen  Vorstellungen  zu 
sein,  in  jeder  Weise  zu  seinen  Gunsten  aus.  Er  wusste  den  Prin- 
cipalen  ausser  dem  hohen  Miethzins  Rechnungen  für  Beschädigungen 
seines  Lokals  und  für  sonstige  Dinge  aufzustellen,  die  schon  L’Hote 
und  de  Bersac  entsetzt  und  später  Renaud  und  Ackermann  in  ganz 
unvermuthete  Unkosten  gebracht  hatten. 

Auch  der  allem  Anschein  nach  etwas  leichtlebige,  aber  äusserst 
gutmütliige  Barizon  sollte  durch  derartige  Nebenausgaben  bald  nach 
der  Eröffnung  des  Theaters  seinen  Kostenüberschlag  bedenklich  über¬ 
schritten  sehen.  Wie  aus  den  Akten  hervorgeht,  liess  ihm  Obrist 
von  Bienenthal  für  eignes  Geld  nicht  einen  Nagel  einschlagen,  keinen 
Stuhl  lieh  er  ihm  umsonst  und  wusste  die  geringste  Kleinigkeit  — 
um  den  Ausdruck  des  später  im  Junghof  spielenden  Theaterdirektors 
Marchand  zu  gebrauchen  —  so  zu  berechnen,  »dass  kein  Principal 
dabei  auf  einen  grünen  Zweig  kommen  konnte«.  Die  tägliche  Ab¬ 
gabe,  welche  Barizon  an  Bienenthal  für  eine  Vorstellung  zu  entrichten 
hatte,  betrug  4  Louisdor  oder  46  fl.  48  kr.  Folgte  derselben,  was 
sehr  häufig  geschah,  ein  grosser  Ball  nach,  so  stieg  die  Miethe  auf 
147  fl.  48  kr.  und  bei  einem  kleineren  auf  107  fl.  48  kr.  Zu  diesen 
regelmässigen  Kosten  kam  noch  der  hohe  Zins  für  das  Dekorations¬ 
magazin  —  einen  früher  als  Holzstall  benutzten  Raum,  —  ferner 
wöchentlich  16  fl.  48  kr.  für  den  Wächter  und  Reiniger  der  Komödie 
und  2  fl.  pro  Tag  für  die  Buffete  der  Weinwirth schaft  im  Junghof, 
welche  Barizon  ebenfalls  übernommen  hatte.426 

Wie  eine  Klage  Barizons  gegen  den  hiesigen  Gastwirth  Fre- 
mont  wegen  Zahlung  von  135  fl.  für  gelieferte  Fässer  Wein  bezeugt,427 
trieb  derselbe  neben  der  Bühnenleitung  noch  einen  Handel  mit  Liqueur 
und  Wein,  der  ihm  aber  ebenfalls  mehr  Schaden  als  Vortheil  ge¬ 
bracht  zu  haben  scheint.  Am  8.  März  1764,  als  Barizon  wegen  seiner 
grossen  Ausgaben  mehrmals  nicht  pünktlich  bezahlen  konnte,  stellte 
Bender  von  Bienenthal  einen  Mann  an  die  Eingangsthüre  zum  Ko¬ 
mödiensaal,  welcher  die  Einnahme  des  Abends  für  ihn  mit  Beschlag 
belegte.  Um  den  desshalb  entstandenen  Eklat  in  Zukunft  zu  vermeiden, 
lieh  Barizon  an  verschiedenen  Stellen  Geld  auf  hohe  Zinsen  und 


279 


befriedigte  seinen  unerbittlichen  Gläubiger  einstweilen  durch  kleinere 
und  am  1.  April  durch  eine  grössere  Abschlagssumme.428 

Wäre  Barizon  ein  klarblickender  Geschäftsmann  gewesen,  so 
hätte  er  schon  damals  die  Unhaltbarkeit  seiner  Lage  erkennen  müssen. 
Aber  es  scheint,  dass  er  sich  mit  Gewalt  aufrecht  erhalten  und  gerade 
durch  solche  Mittel  helfen  wollte,  che  seine  bedeutende  Schuldenlast 
leider  nur  mit  jeder  neuen  Vorstellung  vergrösserten.  Gleich  einem 
Rettungsanker  ergriff  er  deshalb  die  Gelegenheit,  sich  mit  Maggiore  und 
Cecchelli  zu  verbinden,  aber  wie  ahe  Unternehmungen  Barizon’s  in 
jener  Zeit,  so  führte  ihn  auch  diese  Vereinigung  nur  einer  neuen 
Täuschung  entgegen,  und  er  vermochte  »trotz  des  redlichsten  Wollens 
einer  schimpflichen  Meldung  bald  nicht  mehr  aus  dem  Wege  zu 
gehen«.  —  Am  4.  April  konnte  er  einen  fälligen  Wechsel  nicht 
bezahlen,  worauf  er  in  Haft  genommen,  aber  am  anderen  Tage  nach 
der  von  einer  hohen  Persönlichkeit  —  wahrscheinlich  von  Esterhazy  — 
geleisteten  Kaution  wieder  frei  gelassen  wurde.  Am  12.  April  muss 
er  seine  Zahlungsunfähigkeit  erklärt  und  gleich  darauf  nach  Hinter¬ 
lassung  seiner  sämmtlichen  Theatergarderobe,  der  kostbarsten  Requi¬ 
siten  und  Dekorationen,  eines  grossen  im  BienenthaPschen  Keller 
lagernden  Weinvorraths  mit  seiner  Familie  Frankfurt  verlassen  haben. 

Erst  einige  Jahre  später,  im  Dezember  1767,  wurde  die  weit¬ 
läufige  Barizon’sche  Debit-Sache  nach  langen  Verhandlungen  über 
die  verschiedenen  Forderungen  der  Gläubiger  durch  den  Ivontradiktor 
der  Angelegenheit,  Johann  Simon  Frank  von  Lichtenstein,  endlich 
zum  Abschluss  gebracht.  Da  die  Akten  über  diesen  Fall  nicht  voll¬ 
ständig  erhalten  sind,  so  lässt  sich  nicht  genau  angeben,  ob  die  Kre¬ 
ditoren,  unter  denen  sich  auch  einige  Sänger  und  Schauspieler  be¬ 
fanden,  wirklich  grosse  Verluste  zu  erleiden  hatten.429 

Da  aber  der  am  11.  September  1764  in  den  Frag-  und  An¬ 
zeigungsnachrichten  angekündigte  Verkauf  der  Barizon’schen  Weine, 
bestehend  in  rothem  Elsässer,  Champagner,  Alicante,  Carnarie  und 
sonstigen  fremden  und  ausländischen  Weinen  und  Liqueurs  wie  die 
Vergantung  der  Garderobe,  der  Requisiten  und  Dekorationen  doch 
eine  ziemliche  Summe  zusammen  gebracht  haben  muss,  so  kann  man 
mit  einiger  Sicherheit  den  Schluss  ziehen,  dass  die  Gläubiger  wenigstens 
doch  ziemlich  hohe  Procente  bekommen  haben  mögen. 

Wir  unterlassen  die  Namhaftmachung  der  in  dem  Liquidations¬ 
termin  der  Barizonschen  Debit-Sache  erschienenen  Personen  und  geben 
statt  dessen  in  den  Beilagen  unter  Nr.  XVI  den  wortgetreuen  In¬ 
halt  der  Berechnung  wieder,  welche  der  Obrist  Bender  von  Bienen¬ 
thal  mit  den  als  Beleg  dienenden  Theaterzetteln  dem  Massenkurator 
einreichte.  Wir  machen  darauf  aufmerksam,  dass  seine  Forderung 
allein  nach  einer  vorherigen  Abrechnung  noch  2,349  fl.  48  kr.  be¬ 
trug  und  dass  er  an  den  Tagen  (vom  1. — 8.  April)  an  welchen  Bari- 


280 


zon  gemeinschaftlich  mit  den  Italienern  spielte,  die  Miethe  gerade  so 
hoch  anrechnete,  als  ob  die  Vorstellung  in  seinem  Lokale  abgehalten 
worden  sei. 

Barizon’s  Bankerott  brachte  verschiedene  noch  von  ihm  auf  gut 
Glück  hierher  berufene  fremde  Künstler,  unter  andern  auch  die  schöne 
französische  Tänzerin  Mimi  Pitre  und  ihren  alten  Vater  in  eine 
traurige  Lage.  Dieselbe  klagte  dem  Rath  in  einer  Eingabe  vom  29. 
Mai  1764,  dass  sie  eine  weite  Reise  für  nichts  gethan,  ihren  Körper 
umsonst  angestrengt  und  beinah  400  Livres  dabei  eingebüsst  habe. 
In  Rücksicht  auf  dieses  Missgeschick  bat  sie  nun,  ihr  zu  vergönnen, 
sich  mit  ihrem  alten  Vater  eine  Zeitlang  in  der  Familie  des  Buch¬ 
binder  Münch  aufhalten  zu  dürfen.430  Der  Rath  gewährte  ihr  Be¬ 
gehren,  und  Mimi  Pitre  weilte  in  dem  genannten  Hause  bis  ihr 
Schicksal  sie  nach  Wien  rief,  wo  sie  später  noch  zu  grosser  Bedeu¬ 
tung  gelangen  sollte. 

Die  Wahl  und  Krönung  Joseph’s  II.,  deren  glänzende  Tage 
Goethe  im  fünften  Buch  von  Wahrheit  und  Dichtung  so  lebendig 
geschildert  hat,  ist  durch  den  tragischen  Abschluss  des  Barizon’schen 
Unternehmens  ein  wenig  erquickliches  Kapitel  der  Frankfurter  Thea¬ 
tergeschichte.  Aber,  da  nach  dem  originellen  und  gewiss  wahren 
Ausspruch  Saphirs,  Theaterbankerotte  und  die  damit  verbundnen 
Umstände  stets  zu  den  charakteristischen  Merkmalen  ihrer  Zeit  gehört 
haben  und  gehören  werden,  so  ist  vielleicht  dieser  Abschnitt  für  die 
Kulturgeschichte  Frankfurts  nicht  minder  bedeutend,  wie  die  Zeit 
der  Krönung  Karl’s  Vn.,  während  welcher,  wie  früher  gesagt,  die 
französische  Schaubühne  im  Langen  Gang  gleichsam  als  der  Spiegel 
des  gesammten  höheren  Gesellschaftslebens  angesehen  werden  konnte. 

In  der  Herbstmesse  1764  bewarben  sich  verschiedene  Wander- 
principale  um  die  Spielerl aubn iss,  unter  andern  auch  Sigismund  Neu¬ 
mann,  dessen  zum  Theil  aus  Kindern  bestehende  Truppe  unter  dem 
Namen  der  Pillotischen  Gesellschaft  sich  in  künstlerischer  und  mora¬ 
lischer  Beziehung  einen  guten  Ruf  erworben  hatte.  Aber  wenn  auch 
Neumann  versicherte,  pünktlicher  als  der  hier  kürzlich  gescheiterte 
Barizon  bezahlen  zu  wollen,  so  zog  ihm  der  Rath  doch  den  Operetten¬ 
spieler  Sebastiani  vor,  für  dessen  allenfallsige  Schulden  sich  im  Voraus 
eine  hohe  Persönlichkeit  verbürgt  hatte. 

Sebastiani,  welcher  seine  aus  dem  Französischen  und  Italieni¬ 
schen  entnommenen  Operetten  mit  eingelegten  Kinderballeten  ver¬ 
schönte,  spielte  auch  in  der  Ostermesse431  1765  und  noch  vierzehn 
Tage  nach  dem  Schluss  derselben  in  Frankfurt  und  erhielt  ferner 
im  Voraus  die  Zulassung  für  die  Herbstmesse  desselben  Jahres.432 
Aber  am  19.  August  starb  Kaiser  Franz  I.  weshalb  der  Rath  keine 
öffentlichen  Lustbarkeiten,  zu  welchen  auch  das  Theater  gerechnet 
wurde,  dulden  konnte.  Sebastiani,  der  schon  mit  seiner  Truppe  die 
kostspielige  Reise  von  Augsburg  hierher  gemacht  hatte,  kam  deshalb 


281 


darum  ein,  seine  Bühne  nach  geendigter  Trauerzeit  eröffnen  zu  dürfen, 
wurde  aber  bis  auf  die  nächste  Ostermesse  zur  Geduld  verwiesen.433 
Er  kehrte  bis  dahin  nach  Frankfurt  zurück,  spielte  wieder  im  Saal 
zum  Junghof  unter  dem  grössten  Beifall  des  Publikums  und  zahlte 
für  jede  Woche  die  verhältnissmässig  sehr  geringe  Abgabe  von  5  fl. 

Von  der  Truppe  dieses  Wanderprincipals  war  nur  ein  nicht 
ganz  vollständig  erhaltener  Theaterzettel  aufzufinden.  Er  kündigt  die 
Kinder-Oper :  Harlekins  Grabmal  mit  Ballet  und  Nachspiel  an  und 
lässt  ersehen,  dass  ein  Platz  in  den  Logen  1  fl.,  im  Amphitheater 
12  Batzen,  im  Parterre  9  Batzen  und  auf  der  Gallerte  18  kr.  kostete. 

Franz  Joseph  Sebastiani  hat  für  die  Geschichte  des  Frankfurter 
Theaters  nur  in  sofern  Bedeutung,  als  er  durch  die  pünktlichsten 
Zahlungen  und  die  wahrhaft  peinliche  Ordnung  in  seinen  geschäft¬ 
lichen  Angelegenheiten  den  Eindruck  einigermassen  wieder  verwischte, 
durch  welchen  Barizon’s  Bankerott  dem  alten  Misstrauen  gegen  die 
Komödianten  neue  Nahrung  gegeben  hatte.  In  künstlerischer  Be¬ 
ziehung  steht  Sebastiani  gegen  seinen  Vorgänger  und  nächsten  Nach¬ 
folger  bedeutend  zurück.  Er  war  ein  Mann  von  untergeordneter 
Bildung,  liess  die  Kunst  ausschliesslich  nach  Brod  gehen  und  gerieth 
nie  mit  seinen  Idealen  in  den  geringsten  Widerspruch.434 

Unter  seinen  Schauspielern  befand  sich  in  den  sechziger  Jahren 
der  junge  talentvolle  Theobald  Marchand,  der  einige  Jahre  früher  aus 
Liebe  zur  Kunst  einem  andern  Beruf  entsagt  haben  soll.  Als  Sebastiani 
1770  seinen  zusammengesparten  Beichthum  in  der  Stille  gemessen 
wollte,  übernahm  Marchand,  der  in  der  Folge  eine  neue  Epoche  der 
Frankfurter  Theatergeschichte  anbahnen  sollte,  die  Truppe  desselben 
und  leitete  sie  sofort  vom  Beginne  seiner  Direktion  an  nach  viel 
höheren  künstlerischen  Grundsätzen. 

Ehe  Sebastiani  nach  der  Ostermesse  1766  Frankfurt  verliess, 
suchte  er  noch  vor  seiner  Abreise  nach  Mainz  die  Zulassung  für  die 
Herbstmesse  zu  erlangen.  Als  er  aber  nach  seiner  ersten  Bittschrift 
zur  Geduld  verwiesen  worden  war  und  in  der  gleich  darauf  folgen¬ 
den  zweiten  Eingabe  ziemlich  plump  seine  Verwunderung  über  diesen 
unsicheren  Bescheid  zum  Ausdruck  brachte,  verscherzte  er  die 
Gnade  des  Baths  und  wurde  ein  für  allemal  mit  seinem  Begehren 
zurückgewiesen. 435 

Auch  Sebastiani  befolgte  noch  während  seines  mehrmaligen 
Aufenthaltes  in  Frankfurt  die  alte  Sitte,  eine  Vorstellung  zu  Ehren 
des  Bathes  zu  gehen.  Von  der  am  22.  April  1766  ahgehaltenen 
Magistratskomödie  besitzt  die  hiesige  Stadtbibliothek  das  Vorspiel, 
dessen  Inhalt  mit  dem  der  Schuch’schen  Stücke  gleicher  Art  fast  voll¬ 
ständig  überein  stimmt.  Allegorische  und  mythologische  Gestalten. 
Schäfer  und  Hirten  vereinigen  sich,  um  hei  einem  ländlichen  Fest  den 
hohen  Gönnern  zu  huldigen  und  in  wenig  gelungnen  Versen  die  Götter 
um  die  Erhaltung  der  ferneren  Huld  ihrer  Beschützer  anzuflehen.  Die 


282 


ersten  Scenen  des  unbedeutenden  Schäferstückchens  spielen  sich  auf  dem 
vorderen  Raum  des  Theaters  ab,  dann  folgt  die  Bemerkung  »Die  Mittel¬ 
wand  gehet  auf  u.  s.  w.«,  welche  auf  die  noch  immer  gebräuchliche 
Eintheilung  der  Bühne  in  einen  vorderen  und  hinteren  Schauplatz  deutet. 

Kaum  hatte  der  Rath  den  Komödianten  Sebastiani  entschieden 
zurückgewiesen,  als  ein  andrer  Wanderprincipal  um  Zulassung  für 
die  Herbstmesse  einkam.  Es  war  dies  der  von  Heidelberg  aus  petitioni- 
rende  Arnold  Heinrich  Porsch,  der  in  Münschen,  Dresden,  Nürnberg, 
Regensburg,  Mainz  und  Mannheim  mit  grossem  Beifall  gespielt  hatte 
und  die  besten  Zeugnisse  »von  kunstsinnigen  Fürsten  und  angesehenen 
Reichsstädten«  aufweisen  konnte.  Nach  Vorlegung  derselben  fand 
denn  auch  sein  im  rechten  Augenblick  eingereichtes  Gesuch  sofort 
Bewilligung.436  Schon  einige  Tage  vor  dem  Beginn  der  Herbstmesse 
eröffnete  Porsch  seine  Schaubühne  im  Junghofe,  auf  welcher  er  nur 
solche  Stücke  zur  Aufführung  bringen  wollte,  in  welchen  die  neueste 
und  regelmässigste  Einrichtung  mit  den  schönsten  Sittenlehren  ohne 
Aergerlichkeit  verbunden  sei. 

Obgleich  nur  sehr  spärliche  Nachrichten  über  die  Kunstthätig- 
keit  dieses  Direktors  in  Frankfurt  vorhanden  sind,  so  lässt  sich  doch 
aus  einer  Thatsache  der  Schluss  ziehen,  dass  er  das  in  seinem  ersten 
Bittgesuch  gegebene  Versprechen  erfüllt  und  auch  sonst  keine  Ver¬ 
anlassung  zu  Tadel  gegeben  hat.  Porsch  bekam  nämlich  auf  ein 
weiteres  Bittgesuch  ohne  jegliche  Einwendung  die  Erlaubniss,  seine 
Vorstellungen  bis  zum  Beginne  der  Adventszeit  fortsetzen  zu  dürfen.437 
Dass  man  von  dieser  Gewährung  das  Spielen  an  allen  Sonn-  und 
Festtagen  und  den  Samstagabenden  ausschloss,  bedarf  im  Hinblick 
auf  die  wachsame,  gegen  die  Komödianten  wenig  freundlich  gesinnte 
Geistlichkeit  der  Stadt  kaum  einer  besonderen  Erwähnung.  Von  Porsch’s 
Thätigkeit,  der  am  5.  Sept.  1766  seine  Bühne  mit  »Merope«  und  »Die 
drei  Brüder  und  Nebenbuhler«  eröffnete,  ist  nur  noch  ein  Theaterzettel 
(Beilage  XVI)  vorhanden,  doch  entschädigt  uns  für  diesen  Mangel 
einigermassen  die  Erhaltung  des  in  der  Magistratskomödie  aufgeführten 
Festspieles  »Die  dankbare  Schauspielkunst«.  Da  dieses  kleine  Stück  die 
Bedeutung  Frankfurts  hervorhebt  und  höchst  originell  zeigt,  durch 
welche  Huldigungen  sich  die  Komödianten  die  Gunst  des  Rathes  zu 
erhalten  suchten,  so  soll  sein  Inhalt  hier  kurz  skizzirt  und  einige 
besonders  bezeichnende  Stellen  wortgetreu  wiedergegeben  werden. 

»Der  Vorhang  gehet  unter  Pauken  und  Trompeten-Schall  auf, 
,  man  siehct  die  Lage  von  Frankfurt  zierlich  erleuchtet,  über  dem 
Horizont  schwebet  das  Stadt-Wappen  in  leuchtenden  Wolken,  neben 
welchen  man  folgende  Sinnschriften  lieset: 

Gaude  bonarum  Sapientiae  nutrix 

Artium  conservatrix  Optimo  Senatu  felix 

Oben  schwebet  ein  fliegender  Zettel  mit  der  Aufschrift 
Ut  luceat  in  perpetuas  aeternitates. 


283 


Ton  beyden  Seiten  des  Theaters  stellen  acht  blühende  Lorbeer¬ 
bäume  mit  folgenden  scheinenden  Ehren-Schriften : 

Senatus . Vivat. 

Respublica . Floreat. 

Nobilitas . Vigeat. 

Civitas . Crescat. 

Nachdem  der  Paukenschall  verhallt  ist,  treten  Apoll  und  Mer¬ 
kur  an  entgegengesetzten  Seiten  auf  und  begegnen  nach  wenigen 
Schritten  einander.  Der  Letztere  drückt  seine  Verwunderung  dar¬ 
über  aus,  dass  Apollo  des  Olympus  Höhen  und  seinen  dortigen 
Tempel  verlassen  habe,  worauf  der  Beherrscher  der  Musen  den  Aus¬ 
spruch  thut,  ganz  Frankfurt  sei  für  ihn  ein  herrlicher,  geweihter 
Tempel.  Dann  rühmt  er  die  hohe  Bliithe  aller  Künste,  preist  den 
Fleiss  der  Bürger  und  Gelehrten,  gedenkt  in  anerkennenden  Worten 
der  in  aller  Welt  herumgekommenen  Reisenden,  hebt  die  »eigen¬ 
artigen  Schönen  der  alten  Reichs-  und  Krönungsstadt«  preisend  her¬ 
vor  und  endigt  seine  Lobrede  mit  den  Worten: 

»Ich  steig’  nie  zum  Olimp,  zu  dem,  der  aller  Welt 
Zeit,  Segen  und  Geschick  in  starken  Händen  hält, 

Ohn  dass  ich  seine  Huld  für  Frankfurts  Glück  und  Ehre 
Zu  meiner  Wissenschaft  und  Künste  Flor  begehre. 

Merkur. 

Es  war  wohl  eine  Zeit,  wo  Handel  und  Gewinn, 

Zum  eifrigen  Gewerb  nur  zog  den  Bürger  hin, 

Wo  er  für  Müssiggang  die  schönsten  Künste  schätzte, 

Und  ihn  der  süsse  Klang  der  Musen  nicht  ergötzte. 

Doch  deiner  Künste  Glück  steigt  jetzt  zum  edlen  Flor, 

Durch  Handelsstädte  mehr,  als  Fürsten-Huld  empor. 

Frankfurt  und  Leipzig  giebt  mit  Hamburg  für  die  Künste 
Mehr  als  der  ganze  Rest  von  Deutschland  zum  Gewinnste!« 
Welcher  Zeit  Merkur  aus  Höflichkeit  für  die  Gegenwart  einen 
solchen  Vorwurf  macht,  lässt  sich  nicht  bestimmt,  sagen;  doch  meint 
er  jedenfalls  die  Epoche  der  Neuberin,  in  welcher  ein  hiesiger  Bür¬ 
ger  in  einer  vielverbreiteten  kleinen  Flugschrift  unter  anderen  auch 
den  Ausspruch  that,  dass  das  »Komödien  lustiren  ebensoviel,  ja  gar 
nichts  anderes  seye  als  eitel  Faulentzerey  und  verderblicher  Müssig¬ 
gang«.  —  Auf  die  rühmliche  Hervorhebung  der  drei  bedeutenden 
deutschen  Handelsstädte  Frankfurt,  Hamburg  und  Leipzig  lobt  dann 
Apoll  noch  in  einem  langen,  mit  folgenden  Versen  schliessenden 
Monolog  die  besonderen  Vorzüge  der  beinahe  tausend  Jahre  alten 
Stadt  am  Main: 

»Die  Kunst,  die  Rom,  der  Sitz  der  Weisheit,  so  geacht, 

Dass  er  ihr  auferbaut  viel  Tempel  voller  Pracht, 

Die  Schauspielkunst  erwirbt  in  Frankfurt  das  Vermögen, 

Zum  Wachsthum  ihrer  Kunst  den  sichern  Grund  zu  legen. 


—  284 


Ja  schlösse  Deutschlands  Schooss  ein  Frankfurt  dreymal  ein, 

Es  würd’  der  Deutschen  Spiel  gleich  den  Franzosen  sein! 

Da  kommt  die  Zeugin  her 

Die  Schauspielkunst  tritt  nun  mit  einem  Gefolge  von  Schäfern 
und  Schäferinnen  auf  und  bestätigt  die  für  die  damalige  Zeit  etwas 
kühne  Behauptung  Apollo’s.  Dann  bittet  sie  den  Gott  der  Musen, 
ihr  begeisternde  Worte  in’s  Herz  zu  legen,  damit  ihr  heutiges  Dank¬ 
opfer  der  hohen  Gönner  würdig  sei.  Apollo  berührt  die  Schauspiel¬ 
kunst  dann  mit  seinem  Scepter,  fordert  sie  auf,  sich  durch  steten 
Fleiss  die  Huld  Frankfurts  zu  erhalten,  und  wendet  sich  dann  vor 
seinem  Yersch winden  in  einer  »Wolken-Machina«  an  den  Gott  des 
Handels  mit  den  Worten: 

»Du  aber,  o  Merkur,  der  Frankfurts  Künste  lohnet, 

Vergönn’  der  Schauspielkunst,  dass  sie  hier  öftrer  thronet! 

Des  Reichthums  kleinster  Theil,  der  dir  geschenket  ist 
Auf  dieser  Muse  Fleiss  zu  Deutschlands  Ehre  fliesst !« 

Merkur  sagt  dann  der  Schauspielkunst  seinen  ferneren  Schutz 
zu,  wonach,  dieselbe  ein  langes  Lobgedicht  zu  Ehren  Frankfurts 
spricht.  Hierauf  singen  einige  Schäfer  und  Schäferinnen  Arien,  von 
denen  die  letzte  vom  ganzen  Chor  unter  Pauken-  und  Trompeten¬ 
begleitung  wiederholt  wird. 

Dass  Forsch  Frankfurt  in  so  ungewöhnlicher  Weise  feierte, 
hatte  w'ohl  seinen  Grund  in  dem  ausserordentlich  grossen  Beifall, 
der  ihm  von  der  ersten  bis  zur  letzten  Vorstellung  unausgesetzt  zu 
Theil  geworden  war.  Er  leistete  die  Abgabe  von  106  fl.  für  die 
zehn  Wochen  Spielzeit  »mit  einem  innerlichen  und  grossen  plaisir« 
und  hatte  kein  grösseres  Verlangen,  »als  auch  fürder  in  denen  Mess¬ 
zeiten  dem  hiesigen  publico  und  den  wohlgesinneten  Fremden  wieder 
mit  seiner  gekläreten  Schaubühne  aufwarten  zu  dürfen«. 

Aber  gerade  zu  der  Zeit,  als  sich  Porsch  um  die  Zulassung 
für  die  nächste  Ostermesse  bewarb,  kam  auch  ein  anderer  Wander- 
principal  um  dieselbe  ein,  dessen  Gesuch  wegen  der  besonderen 
Befürwortung  des  Präsidenten  Wilhelm  Reinhard  Grafen  von  Neipperg 
die  erste  Berücksichtigung  finden  musste.4  38  Es  war  dies  Joseph 
Kurz  oder  von  Kurz,  wie  er  sich  mit  römischen  Lettern  in  seinen 
Eingaben  an  den  Rath  unterschreibt,  welcher  damals  in  Mainz  spielte 
und  schon  deshalb  für  Frankfurt  eine  so  grosse  Bedeutung  gewinnen 
sollte,  weil  er  dem  durch  Franziscus  Schuch  angeregten  Plan  —  der 
Schauspielkunst  eine  feste  Wohnstätte  zu  errichten  —  einen  neuen 
und  nachdrücklichen  Anstoss  verlieh.  Seltsame  Fügung!  Wieder 
war  es  ein  Principal,  dessen  Richtung  die  Schauspielkunst  zum 
Hanswurst  der  Menge  herab  würdigte,  der  ihr  in  Frankfurt  trotzdem 
einen  unvergesslichen  Ritterdienst  erweisen  sollte. 


Vater  Bernardon  in  Frankfurt. 

i. 

Der  junge,  talentvolle  Schauspieler  Kurz,  welche]1  1741  — 1742 
das  Publikum  im  Waller otty’schen  Musentempel  so  oft  belustigt  und 
schon  früher  in  Wien  von  seiner  Hauptrolle  den  Beinamen  »Mon¬ 
sieur  Bernardon«  erhalten  hatte,  war  seit  Jahren  Principal  einer 
eignen  Gesellschaft  und,  wie  er  selbst  sagt,  »durch  die  Zeit  von 
einem  jungen  Monsieur  in  einen  lustigen  Vater  umgewandelt  worden«. 
Wie  in  anderen  Städten,  so  wurde  auch  Kurz  in  Frankfurt  bald  all¬ 
gemein  vom  Publikum  »Bernardon«  genannt,  welche  Bezeichnung 
sich  sogar  in  Verbindung  mit  seinem  Namen  hie  und  da  in  den 
Bathsbeschlüssen  vorfindet. 

Gleich  nach  Bewilligung  seines  Gesuchs  vom  7.  October  1766 
trat  Kurz  mit  dem  Gastwirth  Richter  auf  der  Friedbergergasse  wegen 
des  Baues  eines  ziemlich  grossen  Komödienhauses  in  dessen  Garten 
in  erfolgreiche  Verhandlungen.  Richter  liess  nun  auch  gleich  An¬ 
fangs  November  mit  Bewilligung  des  städtischen  Bauamts  die  Grund¬ 
mauern  zu  einem  dreistöckigen  Gebäude  in  Fachwerk  aufrichten, 
dessen  Riss  das  hiesige  Archiv  noch  heute  aufbewahrt.934  Allein  die 
Arbeiten  hatten  kaum  ihren  Anfang  genommen,  als  sie  auf  einen 
Rathsbefehl  schon  wieder  eingestellt  werden  mussten.  Aus  Besorg- 
niss,  dieses  150  Schuh  lange  und  50  Schuh  breite  Gebäude,  welches 
sogar  einen  10  Schuh  vorspringenden  Altan  haben  sollte,  könne  sich 
alsbald  in  einen  ständigen  Tempel  Thaliens  verwandeln,  reichte  das 
evangelisch-lutherische  Prediger-Ministerium  sofort  ein  »Widerspruchs¬ 
memorial«  ein,  und  auch  die  umwohnende  Nachbarschaft  kämpfte  in 
einer  sehr  energisch  gehaltenen  Bittschrift  hauptsächlich  wegen  der 
Feuersgefahr  gegen  das  Kurz-Richter’sche  Unternehmen.44  0  Da  in 
dieser  Supplikation  ausdrücklich  erwähnt  ist,  dass  das  projektirte 
Komödienhaus  ganz  nahe  an  dem  Holzmagazin,  dem  Porzellanhof, 
dem  städtischen  Armen-  und  einem  lutherischen  Pfarrhaus  und  nicht 
weit  von  Scheuern,  Heu-  und  Fruchtböden  aufgerichtet  werden  sollte, 
so  war  jedenfalls  das  zum  gelben  Hirsch  (Friedbergergasse  Lit.  C 
Nr.  8)  gehörige  grosse  Terrain  der  für  die  Hütte  in  Aussicht  ge¬ 
nommene  Platz.  Um  so  mehr  darf  die  Annahme  begründet  er- 


286 


scheinen,  als  man,  nach  den  Angaben  der  Unternehmer,  sowohl  von 
der  Friedberger-,  als  auch  von  der  Stelzengasse  aus  mit  Kutschen 
oder  zu  Fuss  sollte  ungehindert  zu  der  Komödie  gelangen  können. 
Einige  Mittheilungen  über  die  projektirte  innere  Einrichtung  dieses 
Komödienhauses  dürften  nicht  uninteressant  erscheinen.  Die  Bühne 
sollte  50  Schuh  lang  und,  abgesehen  von  den  Coulissen,  deren  sieben 
auf  jeder  Seite  geplant  waren,  vorne  26  und  hinten  20  Schuh  breit 
sein.  Auf  den  Zuschauerraum  waren  etwa  70  Schuh  Länge,  ein¬ 
schliesslich  der  Logen  38  Schuh  Breite  und  31  Schuh  Höhe  ge¬ 
rechnet.  Die  Logen  des  Parterres  sollten  7,  die  des  ersten  Bangs  8, 
der  zweite  Rang  und  das  Paradies  aber  je  7  Schuh  hoch  sein.  Das 
Parterre,  für  welches  in  der  Mitte  ein  Gang  vorgesehen  war,  hatte 
nach  dem  Plan  vorne  26  und  hinten  21  Schuh  Breite. 

Gleich  nachdem  der  Rath  die  Einstellung  der  Arbeiten  an  der 
Hütte  befohlen  hatte,  entstand  ein  heftiger  Streit  zwischen  dem  Wein¬ 
wirt  h  Richter  und  seinen  ängstlichen  .Nachbarn.  Aber  wenn  auch 
das  vom  Rath  zur  Schlichtung  berufene  städtische  Bauamt  zu  Gun¬ 
sten  Richter’s  entschied,  so  wurde  Kurz  dennoch  angewiesen,  seine 
Hütte  entweder  in  der  neuen  Allee  oder  auf  dem  Rossmarkt  aufzu¬ 
bauen.  Kaum  hatten  jedoch  die  dortigen  Bewohner  von  diesem  Be¬ 
schluss  Kunde  erhalten,  als  die  Rathsherren  wieder  mit  Bittgesuchen 
wegen  Abwendung  der  mit  der  Aufrichtung  der  Hütte  verbundenen 
»Tugend-  und  Feuersgefahr«  von  den  verschiedensten  Seiten  bestürmt 
wurden. 

Diesmal  blieben  aber  die  Klagen  der  seit  fast  einem  Decennium 
durch  die  Benutzung  des  Bienenthal’schen  Saales  für  theatralische 
Zwecke  verwöhnten  Nachbarschaft  ohne  den  gewünschten  Erfolg. 
Vater  Bernardon  erbaute  auf  dem  Rossmarkt  mit  einem  Kostenauf¬ 
wand  e  von  fast  5000  Thalern  eine  sehr  grosse  und  feste  Hütte  mit 
einer  an  Dekorationen  und  mancherlei  Maschineneinrichtungen  reich 
ausgestatteten  Bühne,  die  er  zum  Entsetzen  aller  Umwohner  sogar 
den  Sommer  über  bis  beinahe  Ende  October  des  Jahres  1767  stehen 
lassen  durfte.44 1 

Diese  Vergünstigung  und  die  selbstverständlich  damit  ver¬ 
bundene  Spielerlaubniss  hatte  darin  ihren  Grund,  dass  Kurz,  welcher 
die  Erlaubniss  gehabt  hatte,  auch  den  Sommer  über  Vorstellungen 
geben  zu  können,  nach  dem  Ableben  der  Kaiserin  Maria  Josepha., 
Gemahlin  Joseph’s  II.,  während  der  allgemeinen  Reichstrauer  vier 
Wochen  lang  sein  Theater  schliessen  musste.  Der  Rath  gewährte 
auch  seine  Bitte,  die  folgende  Ostermesse  wieder  hier  spielen  zu 
dürfen  und  stellte  ihm  sogar  später  in  einem  Beschluss  vom  22.  Sep¬ 
tember  1767,  welcher  den  durch  die  verschiedensten  Verhältnisse  ge¬ 
botenen  Abbruch  seiner  Hütte  anordnete,  die  Erbauung  eines  städti¬ 
schen  Komödienhauses  in  Aussicht.442  Im  Ganzen  betrug  Ber- 
nardon’s  Abgabe  an  die  Stadt  in  diesem  Jahre  277  fl.  30  kr. 


-  287 


Eine  so  rücksichtsvolle  Behandlung,  wie  sie  Kurz  von  Seiten  der 
höchsten  Behörde  Frankfurts  erfuhr,  war  vorher  noch  keiuem  der  hier 
aufgetretenen  Schauspieldirektoren  zu  Theil  geworden.  Es  war  jedoch 
weniger  seine  künstlerische  Bedeutung,  welche  ihm  dieselbe  ver¬ 
schaffte,  als  vielmehr  die  ihm  in  hohem  Grade  eigne  Gabe,  sich 
durch  ein  kavaliermässiges  Auftreten  in  verschiedene  hohe  Kreise 
Eingang  zu  verschaffen.  Wenn  er  auch  auf  der  Bühne  meist  das 
Gewand  des  Harlekins  trug  und  die  hölzerne  Pritsche  schwang:  in 
der  Gesellschaft  wusste  er  sich  deshalb  docli  das  grösste  Ansehen 
zu  erwerben.  Hatte  er  es  früher  in  Wien  so  weit  gebracht,  dass 
ihn  selbst  die  sittenstrenge  Kaiserin  Maria  Theresia  an  ihren  Hof 
zog,  so  genoss  er  auch  jetzt  das  besondere  Vertrauen  seines  hohen 
Gönners,  des  Kurfürsten  Emmerich  Joseph  von  Mainz,  welches  er 
freilich,  einer  sehr  unsauberen,  aber  als  durchaus  wahr  geschilderten 
Begebenheit  in  »Meissner’s  Skizzen«  zufolge,  nicht  den  edelsten  Be¬ 
ziehungen  verdankt  haben  soll. 

Vater  Bernardon,  der  sich  durch  glänzende  Geschäfte  ein  an¬ 
sehnliches  Vermögen  erworben  hatte,  kannte  eben  die  schwachen 
Seiten  der  Menschen  sehr  genau.  Er  wusste,  womit  er  ihnen  Inter¬ 
esse  und  zugleich  Achtung  einflössen  konnte,  und  Hess  auch  in 
Frankfurt  kein  Mittel  unbenutzt,  um  seine  Person  in  eine  vortheil- 
hafte  Beleuchtung  zu  stellen.  Er  hatte  eine  für  die  damalige  Zeit 
sehr  vornehme  Wohnung  in  der  Behausung  des  Hauptmanns  von 
Kahlden  auf  der  grossen  Gallengasse  (Lit.  E.  Kr.  6),  trat  mit  seiner 
Frau  äusserst  nobel  auf  und  machte  auch  sonst  ein  seinem  adeligen 
Namen  entsprechendes  Haus. 

Mit  dem  Erwerb  dieses  Adels  soll  es  übrigens  eine  eigne  Be- 
wandtniss  gehabt  haben.  Verschiedenen  Mittheilungen  zufolge  wurde 
Kurz  erst  am  Anfang  der  siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts 
in  Warschau,  wo  er  eine  grosse  Theaterunternehmung  leitete,  in  den 
polnischen  Freiherrnstand  erhoben;  andere  traditionelle  Nachrichten 
jedoch  berichten,  dass  er  schon  viele  Jahre  früher  aus  besonderer 
Gunst  durch  Kaiser  Franz  geadelt  worden.  Nach  einem  Bericht 
des  Theater -Journals  für  Deutschland  geschah  dies  auf  folgende 
Weise:  Kurz  hatte  ein  Stück  geschrieben,  »Baron  Zwickel«,  in  welchem 
er  die  Titelrolle  so  sehr  zum  Wohlgefallen  des  Kaisers  gespielt  hatte, 
dass  dieser  öfters  von  der  gelungenen  Darstellung  des  Baron  Zwickel 
mit  seinen  Kavalieren  sprach.  Dies  geschah  auch  eines  Tages  auf 
der  Promenade,  als  Kurz  gerade  vorüberging.  »Sieh  da,  unser  Herr 
Baron !«  sprach  Kaiser  Franz.  Kurz,  welcher  diesen  Ausspruch  des 
Kaisers  gehört  hatte,  trat  hinzu  und  sprach:  »I  dank  Eurer  Majestät 
für  die  Charge!«  Der  Kaiser  soll  gelacht  und  Bernardon  sich  seit 
jener  Zeit  »Baron  von  Kurz«  genannt  haben.443 

Da  Kurz  den  damals  in  Mainz  lebenden  General  Neipperg  und 
andere  hohe  Offiziere  oft  zu  seinen  Gästen  zählte,  trat  er  auch  durch 


288 


deren  Vermittlung  mit  mehreren  angesehenen  Frankfurter  Familien, 
ja  sogar  mit  einigen  Rathsmitgliedern  in  gesellschaftlichen  Verkehr. 
Nach  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  wusste  er  sich  vollständig  in 
dem  Vertrauen  seiner  hiesigen  Gönner  festzusetzen,  worüber  man 
um  so  mehr  erstaunen  muss,  als  die  von  ihm  verfassten  und  hier 
aufgeführten  Stücke,  die  sogenannten  »Bernardoniaden«,  den  Burlesken¬ 
unfug  auf  den  höchsten  Gipfel  führten  und  bei  jedem  einigermassen 
Gebildeten  doch  ein  gewisses  Bedenken  erregen  mussten.  Wozu  kein 
Principal  sich  mehr  in  Frankfurt  die  Freiheit  genommen  hatte,  das 
wagte  Kurz  im  Hinblick  auf  seine  günstige  sociale  Stellung. 

In  seinen  1767  hier  aufgeführten  Stücken  »Bernardon  im  Toll¬ 
hause«,  »Bernardon,  der  kalkultische  Grossmogul«,  »Amadeus  oder  der 
krumme  Teufel«,  »Der  dreissigjälirige  A-B-C-Schütz«  und  »Die  Teufels¬ 
mühle«  hüllte  er  die  derben  Spässe  des  verdorbenen  alten  Hanswurst 
in  moderne  Zweideutigkeiten  und  würzte  seine  Komik  mit  den  kühn¬ 
sten  und  gefährlichsten  Witzen. 

Die  Reformen  der  Kaiserin  Maria  Theresia,  besonders  die 
Theatercensur,  hatten  in  Wien  die  »dramatischen  Taschenspielereien« 
Vater  Bernardon’s  ganz  unmöglich  gemacht:  in  Frankfurt  legte  man 
im  Allgemeinen,  abgesehen  von  der  Geistlichkeit,  der  Schauspiel¬ 
kunst  noch  viel  zu  wenig  Bedeutung  bei,  um  von  ihren  kecken 
Ausschreitungen  einen  gefährlichen  Einfluss  auf  die  Zuschauer  zu 
fürchten. 

Regelrechte  Tragödien  und  Komödien  kamen  in  Frankfurt  auf 
der  Kurz’schen  Bühne  seltener  zur  Darstellung;  statt  dessen  wurde 
die  berüchtigte  Gattung  der  Haupt-  und  Staatsaktionen  gepflegt, 
welche  Vater  Bernardon  Gelegenheit  bot,  seine  Meisterschaft  im 
Stegreifspiel  auf  die  mannigfaltigste  Weise  an  den  Tag  zu  legen. 

Kurz  stellte  seinen  Schauspielern  gegenüber  oft  die  Behauptung 
auf,  »der  vollkommene  Akteur  bewähre  sich  allein  in  der  improvisir- 
ten  Rede«.  Er  meinte,  es  sei  keine  Kunst,  etwas  Fremdes  einzu¬ 
trichtern  und  dann  wieder  herzubeten,  wie  ein  A-B-C-Schütz ;  er 
hielt  es  für  das  Höchste,  durch  die  Eingebungen  des  Augenblicks 
das  Publikum  mit  sich  fortzureissen.  In  dieser  Beziehung  leistete 
nun  Kurz,  der  eine  bedeutende  komische  Begabung  besass  und  im 
Stegreifspiel  alle  Schulen  durchgemacht  hatte,  nach  dem  Urtheil 
manches  Augenzeugen  auch  Unübertreffliches.  Seine  Rede  war 
immer  dem  Charakter  der  Rolle  angemessen,  seine  augenblicklichen 
Einfälle  oft  von  einem  so  köstlichen  Humor  durchdrungen,  dass  ihn 
mancher  Dichter  hätte  darum  beneiden  können. 

Wenn  er  in  dem  1768  hier  aufgeführten  Stück  »Bernardon  und 
Fiametta«,  einer  Parodie  der  Sage  von  Deukalion  und  Pyrrha,  die 
Worte  sang: 

»Meine  Brust  zerreisst  in  Stücken, 

Und  mein  Herz  bekommt  ein  Loch ! 


289 


Welcher  Schneider  wird  sie  flicken, 

Welcher  Tischler  leimt  es  doch?« 

So  übte  er  auch  in  Frankfurt  solch  eine  unwiderstehliche  Gewalt  auf 
die  Zuschauer  aus,  dass  selbst  eifrige  Gegner  des  von  ihm  begün¬ 
stigten  Stegreifspiels  dadurch  gefangen  genommen  wurden. 

Für  tragische  Partieen  war  Kurz  gar  nicht  zu  gebrauchen, 
denn  er  verlieh  jeder  ernsten  Rolle  unwillkürlich  den  Stempel  des 
Lächerlichen.  Auch  als  »Essex«  in  der  von  Stiiven  übersetzten  Tra¬ 
gödie  des  Corneille  hatte  seine  Spielweise  etwas  Belustigendes,  war  sein 
Anstand  von  einer  so  gespreizten  Gravität,  dass  er  nothgedrungen 
das  Zwerchfell  erschüttern  musste. 

Ausser  Kurz  und  seiner  reizenden  Frau,  einer  früheren  italie¬ 
nischen  Tänzerin,  bestand  das  darstellende  Personal  der  Truppe  1767 
in  Frankfurt  aus  folgenden  Mitgliedern :  dem  meist  als  Helden  und 
erstem  Liebhaber  thätigen  Waitzhoffer  und  seiner  Frau,  welche  heitere 
Zofen  spielte;  dem  jungen  talentvollen  Heldendarsteller  Bergopzoomer; 
dem  auch  als  Verfasser  allegorischer  Festspiele  bekannten  Grünberg; 
dem  Ehepaare  Eitel ;  einem  gewissen  Koppe,  seiner  Frau  und  seiner 
Pflegetochter  Johanna  Rischar,  der  nachherigen  berühmten  Sacco,  und 
dem  der  letzteren  bestimmten  Bräutigam  August  Grosse.444 

Zu  dem  von  Kurz  mit  grosser  Vorliebe  gepflegten  Ballet  ge¬ 
hörten  die  Mitglieder  Gardello,  Demoiselle  Guizetti;  das  Lanzische 
Ehepaar;  Reimann ;  Mad.  Voltmi  und  einige  Figuranten.  Dann 
zählten  auch  noch  verschiedene  untergeordnete  Mitglieder  zu  dem 
Verband  der  Kurz’schen  Bühne,  deren  etwas  freie  Lebensweise  gerade 
nicht  geeignet  war,  das  moralische  Ansehen  der  Komödianten  in  den 
Augen  sittlich  strenger  Frankfurter  zu  heben. 

Ehe  die  Kurz’sche  Gesellschaft  vor  der  Ostermesse  1767  von 
Mainz  nach  Frankfurt  ging,  wurde  der  berühmte  Friedrich  Ludwig- 
Schröder  als  Tänzer  und  Schauspieler  Mitglied  derselben. 

Der  Umstand,  dass  bei  dieser  Bühne  nur  wenig  eiugelernte 
Stücke  im  Gange  waren,  worin  die  von  Schröder  anderwärts  mit  grosser 
Meisterschaft  gespielten  bedeutenden  Bedientenrollen  vorkamen, 
brachte  es  mit  sich,  dass  der  junge  Künstler  Alles,  was  Chevalier 
hiess  oder  in  dieses  Fach  gerechnet  wurde,  darzustellen  bekam. 

Von  den  von  Schröder  1767  in  Frankfurt  gegebenen  Rollen 
lassen  sich  folgende  feststellen: 


Hector . in  Der  Spieler  von  Regnard; 

Le  Blau . »  Die  schlaue  Wittib  von  Goldoni; 

Chevalier . »Der  Zerstreute  von  Regnard; 

Ernold . »  Die  Engländische  Pamela  nach  Gol¬ 

doni  von  Fried.  Willi.  Weiskern; 
Frontin  (Leporello)  .  .  »  Das  steinerne  Todten-Gastmahl  etc. 

(Don  Juan)  Stegreif komödie ; 

Norton . »  Miss  Sarah  Sampson  von  Lessing; 

19 


290 


Prinz  Miketay  ...  in  Prinzessin  Pumphia,  Farce  von  Kurz ; 

Truffaldino . »  Diener  zweier  Herrn  von  Goldoni.445 

Mehr  noch  als  Schauspieler  war  Friedrich  Ludwig  Schröder  als 
Tänzer  auf  der  Kurz’schen  Bühne  thätig.  Da  er  ein  ausserordent¬ 
liches  Talent  besass,  leidenschaftliche  Gefühle  und  erregte  Stimmungen 
durch  die  Kunst  der  Pantomime  zum  Ausdruck  zu  bringen,  ver¬ 
wandte  ihn  Kurz  sehr  viel  in  den  sogenannten  scenischen  Balletten, 
Die  Pflege  dieser  Anlage,  deren  Bedeutung  für  Schröder  oft  unter¬ 
schätzt  worden  ist,  kam  ihm  später  als  Heros  der  deutschen  Schau¬ 
spielkunst  beim  Durchführen  seiner  schwierigen  Bollen  gut  zu  statten. 

Was  manchmal  selbst  bei  hervorragenden  Künstlern  als  mangel¬ 
haft  bezeichnet  wird:  das  stumme  Spiel,  war  bei  Schröder  ebenso  vor¬ 
züglich  als  die  Deklamation  lebensvoll  und  hinreissend.  Besonders  Vor¬ 
treffliches  leistete  er  in  dieser  Hinsicht  in  Babo’s  »Otto  von  Wittels¬ 
bach«.  Wer  ihn,  wie  sein  Biograph  Mayer  erzählt,  in  dieser  Bolle 
nach  der  Ermordung  des  Kaisers  mit  verstörtem  Gesicht  aus  dem 
Nebenzimmer  stürzen  sah,  das  Zeichen  seiner  blutigen  That  auf  der 
Stirne,  die  Muskeln  erschlafft,  die  Arme  gelähmt  herabhängend,  der 
musste  diese  stumme  Darstellung  für  das  Höchste  halten,  was  die 
mimische  Kunst  jemals  geleistet  hatte. 

Noch  etwas  für  ihn  Wichtiges  erwarb  sich  der  junge  Schröder  als 
Ballettänzer  auf  der  Schaubühne  des  Wanderprincipals  von  Kurz, 
was  ihm  später  als  Direktor  des  Hamburger  Theaters  einen  unbe¬ 
rechenbaren  Nutzen  gewähren  sollte.  Dies  war  die  Kunst  ge¬ 
schmackvoll  anzuordnen  und  jene  tiefe  Kenntniss  der  theatralischen 
Effekte,  deren  Vortheile  er  sowohl  als  darstellender  Künstler  wie  als 
Schriftsteller  und  Bearbeiter  Shakespeare’s  später,  aber  nur  in  mass- 
voller  Weise,  zur  Geltung  kommen  liess. 

Nimmt  man  nun  noch  an,  dass  Schröder  durch  das  freie  flüch¬ 
tige  Treiben  einer  moralisch  und  künstlerisch  nach  »wälschem  Zuschnitt 
formirten  Truppe«  viele  wichtige  Erfahrungen  für  die  Kunst  und  das 
Leben  sammelte,  dass  er  seine  liebsten  Neigungen  dem  Ganzen  unter¬ 
ordnen  lernte,  so  ist  seine  Thätigkeit  auf  der  Kurz’schen  Bühne  in 
Frankfurt  und  Mainz  im  Jahre  1767,  trotz  der  tollen  Sprünge  und 
grotesken  Pas,  die  er  zur  allgemeinen  Belustigung  machen  musste, 
doch  kein  dunkler  Punkt  in  dem  Leben  des  grossen  Mimen. 

Die  Kunst  selbst  zeichnet  ihren  Auserwählten  die  rechten  Wege 
zur  Erreichung  eines  grossen  Zieles  vor.  Das  ist  eine  alte  Wahr¬ 
heit,  die  sich  schon  unzählige  Male  in  dem  Leben  bedeutender  Indivi¬ 
duen  bewährt  hat  und  die  sich  auch  bewähren  wird,  so  lange  noch 
ein  Menschenherz  das  Bedürfniss  empfindet,  auf  der  Grundlage  seiner 
natürlichen  Fähigkeiten  Hohes,  Grosses  und  Schönes  anzustreben.  — 
Nichts  ist  in  einem  solchen  Entwicklungsgang  unbedeutend,  nichts 
ist  anders  zu  wünschen,  das  Schicksal  besitzt  eine  unantastbare  Logik, 


291 


der  wir  vergeblich  mit  unsern  Verstandesschlüssen  einen  Irrthum 
nachzuweisen  suchen. 

Wäre  Friedrich  Ludwig  Schröder  im  Frühjahr  1767  bei  der 
Gründung  des  ersten  deutschen  Nationaltheaters  nicht  durch  den 
Umstand  von  Hamburg  vertrieben  worden,  dass  man  das  Ballet  als 
der  wahren  Schauspielkunst  unwürdig  von  dem  neuen  Unternehmen 
ausschloss,  er  hätte  vielleicht  nie  den  Irrthum  über  sich  sich  selbst 
so  klar  durchschaut,  nie  ein  so  gegen  alle  hinderlichen  Einflüsse 
gefestigtes  Fundament  zu  einer  neuen  Kunstepoche  errichten  können. 

Gleich  nach  Ostern  1767  wurde  die  grosse  Schaubühne  auf 
dem  Rossmarkte  mit  dem  Grafen  Essex,  dessen  Titelrolle  dieses  Mal 
von  Bergopzoomer  gegeben  wurde,  und  einer  grösstentheils  aus  dem 
Stegreif  gespielten  Nachahmung  des  französischen  Stückes  »Le  Mer- 
cure  galant«  eröffnet. 

Kurz  -  Bernardon  erschien  als  Dame,  die  sich  bei  dem  Heraus¬ 
geber  einer  Zeitung  nach  Messneuigkeiten  erkundigt  und  ihm  dann 
selbst  verschiedene  neue  Ereignisse  mittheilt.  Unter  anderem  erwähnt 
sie  auch  die  Ankunft  des  berühmten  Herrn  von  Kurz,  dessen  ganze 
Gesellschaft  sie  einer  ausführlichen  Schilderung  unterzieht.  Hierbei 
beliebte  es  ihr  zu  sagen  :  »Eitels  (bekanntlich  Mitglieder  der  Truppe) 
sind  von  Hamburg  gekommen.  Bleiben  dort  nicht  bessere,  so  schaut’s 
schlecht  aus.  Er  ist  ein  himmellanger  Bengel,  der  sich  für  einen 
Sänger  ausgiebt.  Herr  von  Kurz  wird  ihn  bald  wieder  laufen  lassen. 
In  Hamburg  müssen  halt  lauter  Riesen  seyn.  Daher  ist  auch  ein 
Schröder  eingetroffen,  der  springt  wie  ein  Teufel !  Die  Leute  sagen 
er  soll  auch  als  Schauspieler  gut  seyn«.446 

Schröder,  der  dieser  Vorstellung  im  Parterre  zusah,  fand  diese 
Bänkelposse,  besonders  den  Ausfall  gegen  seinen  von  ihm  hochge¬ 
schätzten  Kollegen  Eitel  und  dessen  Gattin  ganz  unverzeihlich.  Er 
lief  sogleich  hinter  die  Coulissen,  stellte  den  Direktor  mit  derben 
Worten  zur  Rede,  welcher  seinerseits  wieder  dem  kühnen  jungen 
Akteur  in  nicht  minder  gereizter  Weise  antwortete.  Durch  diesen 
Vorfall  entstand  zwischen  Kurz  und  Schröder  eine  Verstimmung, 
welche  erst  die  kluge  Principalin  nach  und  nach  wieder  gänzlich  zu 
verwischen  wusste.  Nach  Schröder’s  erstem  Auftreten  als  Hector  in 
dem  Spieler  dachte  Kurz  aber  noch  so  wenig  an  Nachfragen  oder 
Grollen,  dass  er  den  vom  Publikum  mit  grossem  Beifall  ausgezeich¬ 
neten  jungen  Künstler  vor  dem  ganzen  Personal  in  seine  Arme  schloss. 

Eine  ähnliche  Ehrenbezeugung  wurde  ihm  von  Seiten  des 
Direktors  nach  der  Vorstellung  des  steinernen  Gastes  zu  Theil.  Ohne 
eine  Probe  und  vorherige  Durchsicht  des  Stückes  hatte  Schröder  den 
Frontin  (Leporello),  Diener  des  Don  Juan,  so  vortrefflich  aus  dem 
Stegreif  gespielt,  dass  ihm  Kurz  mit  den  Worten  um  den  Hals  fiel: 
»Mordio  Sakkerement!  der  Herr  ist  Akteur!  Dagegen  sind  die  andern 
—  Gott  weiss  was«. 


19* 


292 


Durch  die  lustigen  Einfälle,  die  dem  jungen  Künstler  an  diesem 
Abend  zuströmten,  brachte  er  den  Darsteller  des  Don  Juan,  Bergop- 
zoomer,  oft  in  die  peinbchste  Verlegenheit.  Das  Publikum  amüsirte 
sich  hauptsächlich  hierüber  und  liess  mit  seinem  Beifall  nicht  nach, 
obgleich  die  Aufführung  durch  Schröders  lustige  Einlagen  eine  Stunde 
über  die  gewöhnliche  Zeit  währte. 

Das  grösste  Aufsehen  unter  allen  Kurz’schen  Vorstellungen  er¬ 
regte  Mitte  Oktober  1767  die  zweimal  gegebene  Haupt- Aktion  »das 
lastervolle  Leben  und  erschröckliche  Ende  des  weltberühmten  Erz¬ 
zauberers  Doctoris  Joannis  Fausti,  professoris  theologiae  Wittenber- 
gensis«,  deren  Darstellung  dem  Entrepreneur  hinreichend  Gelegenheit 
bot,  die  kunstvollen  Maschinerien  der  Bühne,  seine  »nie  übertroffene 
Dekorationen  und  sonstigen  feinartigen  und  erschröcklichen  Requi- 
sita«  insgesammt  zur  Anschauung  zu  bringen. 

Der  Titel  »professor  theologiae  Wittenbergensis«,  welchen  Kurz 
dem  »weltberühmten,  jedermänniglich  bekannten  Erzzauberer,  von 
Geistern  übel  vexirten  Reisenden,  lächerlichen  Bezahler  seiner  Schul¬ 
den«  u.  s.  w.  beizulegen  sich  erdreistete,  gab  die  Veranlassung,  dass 
das  evangelisch-lutherische  Predigerministerium  beim  Senat  eine  Be¬ 
schwerdeschrift  gegen  den  Kur-Mainzischen  Schauspieldirektor  ein¬ 
reichte.  Es  wurde  in  derselben  ausführlich  begründet,  dass  eine 
solche  Bezeichnung  auf  einem  Theaterzettel  nicht  allein  eine  grobe 
Unwahrheit  und  unverschämte  Verläumdung,  sondern  auch  eine  kecke 
Beleidigung  einer  der  ersten  und  ältesten  Universitäten  der  evange¬ 
lischen  Kirche  sei.  An  obige  Darlegung  schloss  sich  sodann  die 
dringende  Bitte,  den  Baron  von  Kurz  alsbald  zur  Verantwortung  zu 
ziehen  und  die  Beschimpfung  der  angesehensten  Würde  des  geist¬ 
lichen  Lehramts  nicht  ungerügt  hingehen  zu  lassen.447 

Auf  diese  Eingabe  musste  sich  Kurz  bei  dem  älteren  Bürger¬ 
meister  Friedrich  Maximilian  Baur  von  Eyseneck  verantworten,  der 
ihm  zugleich  auf  dem  nächsten  Theaterzettel  einen  Widerruf  des  Pre- 
dikats  »professor  theologiae  Wittenbergensis«  auferlegte.  Vater  Ber- 
nardon  befolgte  auch  am  22.  Oktober  diesen  Befehl,  aber  die  un¬ 
genügende  und  ausweichende  Art,  in  der  es  that,  spricht  dafür,  dass 
die  Anwendung  jenes  Titels  doch  nicht  so  ganz  harmlos  gemeint  war, 
wie  er  sie  in  der  Audienz  bei  dem  älteren  Bürgermeister  hinzu¬ 
stellen  versucht  hatte. 

Da  ein  Zettel  von  der  Vorstellung  des  Doctoris  Joannis  Eausti 
und  derjenige  mit  dem  gebotenen  Widerruf  in  die  Acta  ecclesiastica 
Tom  VIII.  eingefügt  wurden ,  so  sind  wir  erfreulicherweise  im 
Stande,  beide  in  der  Beilage  unter  Nr.  XVII  veröffentlichen  zu  können. 
Es  ist  jedenfalls  ein  merkwürdiges  Zusammentreffen,  dass  Kurz  ge- 
nöthigt  war,  gerade  auf  der  Ankündigung  einer  Aufführung  von 
»Minna  von  Barnhelm«,  diesem  ersten  deutschen  Nationallustspiel,  »auf 
gnädigen  Befehl«  den  kecken  Missbrauch  eines  angesehenen  Titels 


293 


öffentlich  ein  zages  tehen,  za  welchem  er  durch  die  Anpreisung  einer 
ungeheuerlichen  Zauberkomödie  veranlasst  worden  war. 

Man  hat  das  Vorgehen  der  protestantischen  Geistlichkeit  gegen 
Kurz  oft  kleinlich  und  beschränkt  genannt,  aber,  wenn  man  bedenkt, 
dass  der  keineswegs  harmlose  Günstling  des  Kurfürsten  von  Mainz 
diesen  Ausfall  in  einer  überwiegend  protestantischen  Stadt  vollführte, 
so  erscheint  es  doch  ziemlich  begreiflich,  dass  das  Ministerium  eine 
solche  auf  gut  Glück  gewagte  Dreistigkeit  nicht  stillschweigend  hin¬ 
nahm.  Für  dieses  entschiedene  Verhalten  erfolgte  denn  auch  im  No¬ 
vember  1767  von  Wittenberg  ein  Dankschreiben,  welches  der  Dekan 
der  Universität  Dr.  Joachim  Samuel  Weikhmann  eigenhändig  ge¬ 
schrieben  hatte.448 

Ueberhaupt  stellen  sich  im  allgemeinen  die  Kämpfe  der  Geist¬ 
lichkeit  gegen  die  hier  aufgetretenen  Komödiantenbanden,  die  uns 
heute  auf  den  ersten  Blick  engherzig  und  unbegreiflich  erscheinen, 
bei  genauer  Durchsicht  der  bezüglichen  Akten  doch  in  einem  ganz 
anderen  Lichte  dar.  Gar  manche  Härte,  welche  wir  Nachlebenden 
als  unchristlich  bezeichnen  müssen,  erscheint  durch  eine  innere  Noth- 
wendigkeit  geboten,  manche  strenge  Verordnung  der  Geistlichkeit 
durch  den  entsittlichenden  Einfluss  der  meisten  Wandertruppen  gleich¬ 
sam  bedingt. 

Das  Ereigniss,  welches  aber  diesen  unangenehmen  Vorfall 
beinahe  vollständig  in  den  Hintergrund  treten  lässt,  ist  die  Darstellung 
von  Lessings  »Minna  von  Barnhelm«  in  Frankfurt,  welche  am  18. 
Oktober  1767  erfolgte,  also  kaum  ein  viertel  Jahr  nach  der  ersten 
Aufführung  dieses  Stückes  durch  Döbellin  in  Berlin  und  noch  nicht 
einen  Monat  nach  der  am  28.  September  im  National-Theater  in  Ham¬ 
burg  veranstalteten  Vorstellung.  Der  Theaterzettel  vom  18.  Oktober 
1767  hat  sich  leider  nicht  erhalten,  aber  da  die  Ankündigung  zur 
Wiederholung  des  Stückes,  wie  eine  aktenmässige  Notiz  bezeugt, 
genau  mit  demselben  übereinstimmt,  so  ist  sein  Abhandenkommen 
wohl  nicht  als  ein  allzugrosser  Verlust  anzusehen.  Wir  erfahren  ja, 
wer  in  Frankfurt  die  ersten  Darsteller  der  Lessing’schen  Muster¬ 
charaktere  gewesen  sind  und  wundern  uns  nur  darüber,  dass  Riccaut 
de  la  Marliniere  auf  dem  Zettel  nicht  zu  finden  ist.  Vielleicht  hängt 
das  Fehlen  dieser  Figur  mit  einem  Unwohlsein  Friedrich  Ludwig 
Schröder’s  zusammen,  der  bekanntlich  gut  französisch  sprach,  aber 
gerade  im  Oktober  1767  eine  Kur  bei  einem  hiesigen  Dr.  Hoffmann 
durchmachte. 

Was  die  Darstellerin  der  Titelrolle,  Demoiselle  Rischar,  anbe¬ 
trifft,  so  muss  hier  erwähnt  werden,  dass  sie  ein  junges  reizendes 
und  mit  ausserordentlichen  Talenten  begabtes  Mädchen  war.  Sie 
befand  sich  später  als  Frau  Sacco  unter  Schröder’s  Direktion  in  Ham¬ 
burg  und  verschaffte  1776  durch  ihr  ungezwungenes  und  herzge¬ 
winnendes  Spiel  der  Schule  desselben  in  Wien  Eingang. 


294 


Der  Darsteller  des  Major  Teilheim,  Herr  Waizhofer,  stand  der 
Vertreterin  der  Minna  von  Barnhelm  bedeutend  nach.  Er  war 
nur  in  Stegreifrollen  zu  Hause,  in  gelernten  benahm  er  sich 
meist  hölzern  und  unbeholfen.  Vielleicht  liess  aber  seine  ritter¬ 
liche  Erscheinung,  welche  für  einen  Teilheim  wie  geschaffen  war,  in 
den  Vorstellungen  der  »Minna  von  Barnhelm«  die  Mängel  seines 
Spieles  nicht  zu  störend  hervortreten. 

Dass  Lessings  Meisterwerk  eine  günstige  Aufnahme  in  Frank¬ 
furt  fand,  beweist  die  zweimal  kurz  hintereinander  erfolgte  Auffüh¬ 
rung  des  Stückes  und  eine  zweite  kurz  vor  dem  Abzug  der  Gesell¬ 
schaft  nach  Mainz  gegebene  Wiederholung.  War  also  Kurz  auf  der 
einen  Seite  in  kecker  Dreistigkeit  zu  weit  gegangen,  so  sühnte  er 
doch  auf  der  andern  seinen  Fehler  wieder  durch  die  erste  Auffüh¬ 
rung  des  Stückes,  die  ihm  in  der  Geschichte  des  Frankfurter  Thea¬ 
ters  immer  zum  unvergesslichen  Verdienst  angerechnet  werden  muss. 

Durch  den  unangenehmen  Vorfall  im  Oktober  1767  verschwand 
aber  die  Zauberkomödie  Dr.  Joannes  Faustus  doch  nicht  für  immer 
von  dem  Kurz’schen  Repertoire.  Vater  Bernardon  liess  nur  das 
Prädikat  »professor  theologiae  Wittenbergensis«  fort  und  brachte  sie 
in  der  Ostermesse  1768  mehrmals,  mit  den  ebenfalls  auf  den  Zetteln 
höchst  bombastisch  und  schauerlich  geschilderten  14  Scenen,  unter 
dem  grössten  Beifall  des  Publikums  auf  die  Frankfurter  Schaubühne. 
Was  dieser  Schauerkomödie  hier  hauptsächlich  einen  so  grossen  Erfolg 
verschaffte,  war  die  Darstellung  der  Titelrolle  durch  den  bereits  ge¬ 
nannten  Grünberg.  Dieser  Schauspieler  hatte  studirt  und  besass  be¬ 
sonders  in  den  Naturwissenschaften  so  gründliche  Kenntnisse,  dass 
er  bei  jeder  Vorstellung  des  Faust  neue  Ansichten  über  Magie  vor¬ 
trug.  Er  wiederholte  sich  nie,  und  wie  lange  er  auch  sprach,  immer 
kam  den  Zuschauern  der  Schluss  seiner  Rede  zu  früh. 

Eine  Scene  dieses  nie  veraltenden  Stoffs  war  die  erschütterndste, 
die  Schröder  sich  auf  der  Bühne  denken  konnte.  Nachdem  Paust 
alles  aufgeboten  hat,  um  sich  aus  der  Macht  des  Teufels  zu  befreien, 
giebt  ihm  die  Verzweiflung  ein  letztes  grässliches  Mittel  zur  Rettung 
ein.  Er  fasst  den  festen  Vorsatz,  seinem  kürzlich  vor  Gram  ge¬ 
storbenen  Vater  das  Herz  aus  dem  Leibe  zu  reissen  und  begiebt 
sich  in  dieser  empörenden  Absicht  auf  den  Kirchhof.  Als  er  das 
Grab  geöffnet  hat  und  im  Begriff  ist,  die  schaudererregende  That  zu 
begehen,  richtet  sich  der  Leichnam  auf  und  giebt  dem  unnatürlichen 
Sohn  seinen  Fluch,  worauf  Faust  besinnungslos  zu  Boden  stürzt.  — 
Der  Eindruck  dieser  schauerlichen  Scene  wurde  einigermassen  durch 
das  Auftreten  des  von  Kurz  als  lustigem  Nachtwächter  gespielten 
Crispin  und  durch  einen  schnellen  Wechsel  der  Dekorationen  verwischt, 
welche  »den  traurigen  Begräbnissort  in  einen  lustvollen  Garten«  um¬ 
wandelten. 

Wie  man  aus  zwei,  leider  nur  stückweise  erhaltnen  Quartblät- 


—  295 


tern  schliessen  darf,  Hess  Kurz  zu  der  »Maschinen-Komödie«  vom  Dr. 
Joannes  Faustus  und  jedenfalls  auch  zu  anderen  wichtigen  Vorstel¬ 
lungen  kleine  Erklärungsheftchen  drucken,  welche  an  der  Kasse  seines 
Theaters  für  einen  geringen  Preis  zu  haben  waren.  Dieselben  Mit¬ 
theilungen,  die  der  Zettel  in  den  vierzehn  bombastisch  geschilderten 
Scenen  brachte,  enthielt  auch  das  Heftchen,  jedoch  ausführlicher 
und  jedenfalls  in  einer  von  Kurz  für  diesen  Zweck  zurecht  gestutz¬ 
ten  Weise. 

Zur  selben  Zeit,  in  welcher  in  Frankfurt  die  Schauerkomödie 
vom  lasterhaften  Leben  und  schrecklichen  Ende  des  Erzzauberers 
Faust  das  grösste  Aufsehen  erregte,  weilte  der  zukünftige  Neugestalter 
dieses  mächtigen,  aber  viellicht  nie  mehr  als  von  Kurz  übel  zuge- 
richten  Stoffes  ferne  von  seiner  Vaterstadt.  Goethe  besuchte  bekannt¬ 
lich  vom  Oktober  1765  bis  zum  September  1768  die  Universität 
Leipzig,  weshalb  er  das  unter  Leitung  Vater  Bernardons  stehende 
Theater  in  Frankfurt  nie  besucht  und  auch  jedenfalls  keines  jener  V 
in  Form  von  Heftchen  gedruckten  originellen  Programme  zu  Gesicht 
bekommen  haben  wird. 

Ausser  den  bereits  genannten,  von  Kurz  in  Frankfurt  gegebenen 
Stücken  lässt  sich  noch  eine  Darstellung  des  »Demetrius«  und  eine 
weitere  Vorstellung  des  Trauerspiels  »Der  Graf  von  Essex«  akten- 
mässig  nachweisen.  Mit  dem  letztgenannten  Stücke,  nebst  einem  die 
Wiedergenesung  der  Kaiserin  Maria  Theresia  feiernden  Vorspiele,  in 
welchem  der  Direktor  selbst  die  Titelrolle  hatte,  begannen  in  der 
Herbstmesse  1767  in  der  grossen  auf  dem  Rossmarkt  stehen  geblie¬ 
benen  Hütte  wieder  die  Kurz’schen  Vorstellungen.  (Siehe  den  betref¬ 
fenden  Zettel  in  der  Beilage  Nr.  XVII.) 

Bald  nachdem  Kurz  Anfangs  November  desselben  Jahres  mit 
seiner  Gesellschaft  nach  Mainz  abgezogen  war,  kam  der  Wanderprin- 
cipal  Johann  Martin  Löpper  (so  unterzeichnet  er  seinen  Namen,  in 
vielen  Theatergeschichten  wird  er  Leppert  genannt)  beim  Rath  um 
die  Erlaubniss  ein,  seine  deutsche  Schaubühne  nach  dem  neuen  Jahre 
einen  Monat  lang  eröffnen  zu  dürfen.  Löpper  wurde  anfangs  ab¬ 
schlägig  beschieden,  als  aber  sein  zweites  Gesuch  von  einer  einfluss¬ 
reichen  Persönlichkeit  befürwortet  wurde,  erhielt  er  sofort  die  begehrte 
Zulassung.44  9  Noch  vor  dem  Schluss  des  alten  Jahres  schlug  Löpper 
seine  Bühne  im  Junghof  auf  und  spielte  auf  derselben  laut  dem 
Rechnungshauptbuche  vom  2.  Januar  bis  zum  2.  Februar  1768. 

Ueber  diesen  Aufenthalt  Löpper ’s  fehlen  sowohl  in  den  Archi¬ 
valien  als  in  den  gedruckten  Quellen  aus  jener  Zeit  jegliche  weitere 
Nachrichten.  Da  er  nun  keine  hervorragende  Erscheinung  auf  dem 
Gebiete  seiner  Kunst  war  und  wie  die  Verfasser  der  »Chronologie 
des  deutschen  Theaters«,  Schmidt  und  Dyck,  sagen,  zu  den  von  Städt¬ 
chen  zu  Städtchen  ziehenden  Afterprincipalen  gehörte,  so  ist  der 


296 


Mangel  ausführlicherer  Mittheilungen  über  ihn  wohl  nicht  als  ein 
grosser  Verlust  zu  betrachten. 

Löpper’s  Leistungen  müssen  aber  in  Frankfurt  Beifall  gefunden 
haben;  denn  er  erhielt  im  Juni  desselben  Jahres  bei  seiner  Durch¬ 
reise  nach  Strassburg  auf  besonderen  Wunsch  verschiedener  Frank¬ 
furter  Gönner  sofort  die  Erlaubniss,  vierzehn  Tage  lang  im  Junghof 
Vorstellungen  geben  zu  dürfen.450  Bei  seinem  ersten  Aufenthalte 
zahlte  Löpper  wöchentlich  20  fl.  Standgeld,  während  er  im  Juni 
1768  ebensoviel  für  beide  Wochen  dem  städtischen  Rechneiamt  ent¬ 
richtete. 

Dass  Löpper  in  Frankfurt  so  viel  Beifall  ärndtete,  ist  wohl  haupt¬ 
sächlich  seinen  eignen  komischen  Leistungen  zuzuschreiben.  Seine 
Erscheinung  — -  er  war  von  überaus  kleiner,  fast  zwerghafter  Statur 
—  reizte  schon  zum  Lachen  und  machte  sein  Auftreten  nur  in 
Possenspielen  möglich.  Durch  seinen  unmässigen  Hang  zu  Ueber- 
treibungen  und  extemporirten  Zusätzen  machte  er  jede  Rolle  noch 
mehr  zur  Karrikatur ;  die  lächerlichste  Parodie  aber  war  es,  wenn 
er  den  ritterlichen  Grafen  Essex  oder  eine  ähnliche  Heldenrolle  spielte. 

Löpper  hatte  ein  ziemlich  abenteuerliches  Leben  hinter  sich. 
Er  entstammte  einer  anständigen  Familie,  war  zum  Studiren  bestimmt, 
hatte  aber  nach  eigner  Aussage  kein  Loth  Sitzfleisch.  Er  war  zuerst 
Läufer  bei  einem  in  Leipzig  studirenden  Grafen  Schmettau,  dann 
Hofnarr  König  August’s  II.  von  Sachsen,  nach  dessen  Tode  aber 
lustiger  Rath  beim  Grafen  Brühl  gewesen  und  wurde  schliesslich, 
nach  einer  mehrjährigen  Thätigkeit  als  Harlekin,  Principal  der  früher 
Josephi’schen  Gesellschaft.  In  der  deutschen  Theatergeschichte  ist 
dieser  zwerghafte  Possenreisser  unter  dem  Namen  »der  kleine  Lep- 
pert«  bekannt. 

Da  der  kleine  Wanderprincipal  meist  nur  Burlesken  und  Steg¬ 
reifkomödien  gab,  zählte  er  nur  Schauspieler,  die  im  komischen  Fache 
tüchtig  waren,  zu  seiner  Truppe.  Wie  sich  aus  der  »Chronologie  des 
deutschen  Theaters«  und  verschiedenen  anderen  Abhandlungen  über 
die  damaligen  Wanderbühnen  ergiebt,  befanden  sich  im  Jahre  1768 
bei  der  Löpper’schen  Gesellschaft  in  Frankfurt  folgende  hauptsächliche 
Mitglieder :  das  Ehepaar  Schmelz ;  die  Herrn  Meyer,  Regel,  Abbt 
und  Honsel,  der  letztere  Gatte  der  berühmten  Madame  Hensel,  spä¬ 
teren  Seyler,  und  die  jugendliche  Katharina  Juliane  Lucius  aus 
Dresden,  die  durch  ihr  einschmeichelndes  Organ  und  ihr  schönes 
Aeussere  eine  ebenso  starke  Anziehungskraft  ausgeübt  haben  soll 
»wie  der  bossige  Harlekin«  durch  seine  mehr  als  drollige  Er¬ 
scheinung. 

Aus  einem  Dankschreiben  Löpper’s  an  die  »Obrigkeit  Frank¬ 
furts«  lässt  sich  schliessen,  dass  auch  Rathsmitglieder  zu  seinen  hohen 
Gönnern  gehörten.  Er  legte  selbstverständlich  ein  besonderes  Ge¬ 
wicht  auf  diese  Gnade  und  erwähnt  ausdrücklich,  dass  er  hoffe,  nicht 


297 


zum  letzten  Mal  in  dieser  weltberühmten  Krönungsstadt  am  Main 
das  Publikum  erfreut  zu  haben.  An  diesen  Ausspruch  erinnerte 
auch  der  kleine  Harlekin  den  Rath,  als  er  im  Jahre  1770  zurück¬ 
kehrte  und  sich  die  Zulassung  für  die  Herbstmesse  zu  erwirken 
strebte. 


II. 

Vor  dem  Beginne  der  Ostermesse  1768  stellte  sich  Vater  Ber- 
nardon  mit  seiner  Truppe  wieder  in  Frankfurt  ein,  um,  wie  er  sagte, 
»der  bereits  gewährten  Spiel erlaubniss  mit  extramenter  Freude  nach¬ 
zukommen«.  Kurz  vorher,  in  der  ersten  Hälfte  des  Februar  1768, 
war  Friedrich  Ludwig  Schröder  in  Freundschaft  von  seinem  ihm 
wohlgesinnten  Principal  geschieden.  Der  Grund  dieses  Abgangs  war 
eine  seinerseits  unerwiderte  Liebe  einer  jungen  Schauspielerin,  welche 
dem  kaum  verwittweten  Schröder  selbst  ihre  Hand  angetragen  hatte 
und  bei  jeder  Begegnung  auf  der  Bühne  immer  mehr  in  ihrer  leiden¬ 
schaftlichen  Neigung  bestärkt  wurde.  Aus  Ehrenhaftigkeit  entfernte 
sich  Schröder,  welcher  neben  dieser  für  ihn  peinlichen  Liebe  auch 
noch  Eifersüchteleien  der  ihm  mehr  als  recht  und  erwünscht  zu- 
gethanen  Madame  von  Kurz  auszuhalten  hatte.451 

Als  Vater  Bernardon  nach  seiner  Ankunft  in  Frankfurt  die 
grosse  Hütte  in  der  kleinen  Allee  wieder  aufrichten  lassen  wollte, 
stellten  sich  diesem  Vorhaben  sofort  die  grössten  Schwierigkeiten 
entgegen.  Vor  allem  waren  es  die  Besitzer  der  Häuser  in  der  Nähe, 
die  wieder  in 'langen  Eingaben  ihre  alten  Klagen  über  Feuersgefahr, 
Störung  der  bürgerlichen  Ruhe  und  Verführungen  zu  allerlei  Lieder¬ 
lichkeiten  und  sonstigen  Sünden  hören  liessen.  Besonders  heftig 
eiferte  der  Kapitän  von  Groote  gegen  Kurz,  der  nach  seinem  Aus¬ 
spruch  die  Absicht  habe,  »sich  in  dieser  Stadt  einzunisteln  und  mit 
seinen  Gauklerpossen  die  Menschen  zur  Schwelgerei  zu  treiben«. 
Zugleich  wurden  die  Schauspieler  gehörig  schlecht  gemacht  und 
Kurz  ein  Moralprediger  genannt,  der  unter  dem  Deckmantel  der 
Ausbreitung  einer  gesunden  Moral  den  Verliebten  Gelegenheit  zum 
öfteren  Sehen  und  allerlei  Lasterausübungen  gebe.  »In  einer  wohl- 
eingerichteten  Republik  sind  dergleichen  Leute  sehr  wohl  zu  ent¬ 
behren«,  meinte  Kapitän  Groote,  »und  wer  die  Sittenlehre  liebt,  kann 
solche  in  dem  Sirach  ohne  grosse  Kosten  lesen  und  lernen,  ohne 
dass  er  dafür  viel  Geld  und  Zeit  verschwendet«  452  u.  s.  w.  Schliess¬ 
lich  bat  man,  dass  die  Nachbarschaft  der  kleinen  Allee  von  der 
Hütte  verschont  und  ihr  ein  dahin  lautender  Beschluss  mitgetheilt  werde, 
damit  man  »betreffenden  Falls«  in  der  Lage  sei,  fernere  rechtliche 
Mittel  zu  ergreifen  und  »Allerhöchsten  Orts«  Schritte  zu  thun. 
Nachdem  von  diesem,  dem  Rathe  gegenüber  in  höchst  anmassendem 
Tone  abgefassten  Gesuch  Abschrift  genommen  worden  war,  wurde 


298 


dasselbe  dem  Supplikanten  wegen  anstössiger  Schreibart  und  un¬ 
gebührlicher  Beanstandung  einer  obrigkeitlichen  Verfügung  mit  Ver¬ 
weis  und  Verwarnung  zurückgegeben. 

Die  Aufrichtung  der  Kurz’schen  Bude  in  der  kleinen  Allee 
unterblieb  aber  trotzdem.  Vater  Bernardon  erhielt  den  Bescheid, 
sich  einen  andern  Platz  zu  suchen,  und  wählte,  der  ewigen  Kämpfe 
mit  den  betreffenden  Nachbarn  und  Hausbesitzern  müde,  diesmal  den 
für  seine  Vorstellungen  allerdings  sehr  engen  Bienenthal’schen  Saal 
im  Junghof. 

Bei  der  Besprechung  der  Groote’schen  Eingabe  kommen  wir 
auf  die  ein  Jahr  früher  ebenfalls  gegen  die  Aufrichtung  der  Kurz’¬ 
schen  Hütte  in  der  neuen  Allee  eingereichte  Bittschrift  des  Frank¬ 
furter  Romanschriftstellers  Dr.  Johann  Balthasar  Kölbele  zurück.  Da 
dieses  Gesuch  ausserordentlich  bezeichnend  für  das  geringe  Ansehen 
der  Bühne  bei  dem  gebildeten  Mittelstände  Frankfurts  ist,  da  es 
ausserdem  noch  sehr  charakteristische  Anspielungen  auf  Kurz  ent¬ 
hält,  so  soll  es  an  dieser  Stelle  auszugsweise  Platz  finden. 

»Da  die  unterschriebenen  Nachbarn  der  neuen  Allee  erfahren 
haben,  dass  auf  eben  diese  Allee  ein  Komödienhaus  erbauet  werden 
solle,  so  werden  Ew.  Wohlgeb.  Hochedelgeb.  Gestr.  und  Herrlich¬ 
keiten  eben  dieser  Nachbarschaft  deswegen  einige  unterthänigst  ge¬ 
horsamste  Vorstellungen  grossgiinstigst  zu  erlauben  geruhen. 

Der  Concipiente  des  gegenwärtigen  Aufsatzes  hat  schon  durch 
öffentliche  Proben  gezeiget,  dass  er  nicht  durch  Vorurtheile  gegen 
die  schönen  Wissenschaften  und  in  Sonderheit  nicht  gegen  die  Schau¬ 
bühne  eingenommen  seye. 

Begebenheiten  der  Jungfer  Mayern,  zwote  Ausgabe,  zweeter 
Theil  Seite  127  bis  Seite  129. 

Er  wird  aber  gleichwohl  sein  Urtheil  von  der  Schaubühne 
niemand  aufdringen,  so  sehr  er  sich  vergnüget,  dass  andere  aufge¬ 
klärte  und  bey  Unpartheyischen  vor  gründliche  Gelehrte  gehaltene 
Männer  mit  ihm  einstimmen. 

Mosheimer’sche  Sittenlehre  der  heiligen  Schrift,  sechster  Theil, 
Seite  343—353  und  des  Pater  Porre  Rede  von  der  Schaubühne. 

Gegen  etliche  wenige,  den  Sitten  unschädliche  und  allenfalls 
erlaubte  Stücke  wimmelt  auch  noch  unser  neueres  und  verbessertes 
Theater  mit  vielen  bald  mehr  bald  weniger  anstössigen  und  mit 
verschiedenen,  die  Sitte  offenbar  verderbenden  Schauspielen:  und  ein 
gewinnsüchtiger  Schauspieler  weidet  meistens  und  am  öftersten 
die  allerschlimmsten,  weil  sie  ihm  die  meisten  Zuschauer  bringen.« 

Diese  Andeutung  ist  ohne  Zweifel  auf  Kurz  gemünzt,  der  sehr 
viel  auf  guten  Gewinnst  gehalten  haben  soll.  Dass  Kölbele  nicht 
gerade  mit  der  Sprache  herausrückt,  zeugt  für  eine  gewisse  Befangen¬ 
heit,  in  welche  ihn  das  Ansehen  Bernardon’s  bei  verschiedenen 
Rathsmitgliedern  versetzte. 


299 


»Hier  wird  denn«  —  heisst  es  weiter  —  »die  in  unseren  Zeiten 
ohnehin  schon  sehr  verderbte  Jugend  durch  die  in  übel  gerathenen 
Schauspielen  eingesogene  schlimme  Gesinnung  täglich  noch  mehr 
verdorben.  Den  Müssiggängern  wird  eine  Gelegenheit  zur  mehreren 
Beförderung  ihres  Müssigganges  und  auch  weitläufigere  Gelegenheit 
zur  Verschwendung  verschafft. 

Die  Schauspielerinnen  und  andere  dergleichen  Weibsbilder,  die 
sich  häufig  auf  dem  Schauplatz  einfinden,  verleiten  junge  Manns¬ 
leute  zu  Ausschweifungen.  Und  es  wird  auch  manches  Töchterchen 
von  angesehener  Familie  durch  verlaufene  Mannsleute  eben  deswegen 
verführet,  weil  es  mit  diesen  Mannsleuten  durch  den  Schauplatz  in 
Bekanntschaft  gerathen.« 

Der  Inhalt  des  letzten  Satzes  bezieht  sich  wahrscheinlich  auf 
eine  junge  Dame  aus  einer  angesehenen  Frankfurter  Familie,  welche 
einen  ehemaligen  französischen  Offizier  in  dem  Kurz’schen  Theater 
auf  dem  Rossmarkte  kennen  gelernt  hatte  und  zur  Schande  ihrer 
Familie  nach  einer  Vorstellung  mit  demselben  nach  Mainz  heimlich 
durchgebrannt  war,  von  wo  aus  sie  später  von  ihren  Eltern  wieder 
hierhergeholt  worden  sein  soll. 

»Dergleichen  üble  Folgen«  —  fährt  Kölbele  fort  —  »sind  un¬ 
zählbar.  Wenn  wir  auch  die  Religion  bei  Seite  setzen  und  nur  die 
Weltklugheit  zu  Rathe  ziehen,  so  werden  unsre  ohnedem  genug  ver¬ 
derbten  jungen  Leute  durch  den  Schauplatz  noch  mehr  in  solche 
unordentliche  und  verschwenderische  Lebensart  versetzet,  wovon  wir 
in  den  häufig  vorfallenden  Banquerouten  schon  ohnedem  die  be¬ 
trübtesten  Proben  haben.  Nicht  sowohl  durch  das  wenige  Komödien¬ 
geld,  als  vielmehr  durch  hundert  unerwartete  Ausschweifungen,  zu 
welchen  die  Besuchung  des  Schauplatzes  solche  Leute  verleitet. 

Wir  stehen  hier  in  Frankfurt  nicht  in  eben  der  Verfassung 
wie  in  Paris  oder  London.  So  sehr  auch  in  unserer  Stadt  endlich 
der  Müssiggang  abnehmen  dürfte,  so  haben  wir  doch  nicht  so  viele 
Fremden  unter  uns,  die  mit  öffentlichen  Lustbarkeiten  unterhalten 
werden  müssen,  damit  sie  keine  gefährlichen  Händel  vornehmen. 
Und  die  Ursachen,  welche  den  Cardinal  Richelieu  zur  Beförderung 
der  Schaubühne  in  Frankreich  bewogen,  passen  am  allerwenigsten 
auf  unsere  deutsche  Reichsstadt.  Sollten  auch  durch  die  Errichtung 
einer  beständigen  Schaubühne  und  durch  die  Beförderung  anderer 
Pariser  oder  Londonischer  Lustbarkeiten  manche  vornehmen  Fremde 
in  unsere  Stadt  gezogen  werden  und  sehr  ansehnliche  Gelder  bei 
uns  verzehren,  so  bleibt  es  noch  allemal  ein  politisches  Problema: 
ob  die  daraus  zu  hoffenden  Vortheile  unseres  geliebten  Frankfurts 
mit  der  Sittenverderbung  und  dem  daraus  entspringenden  Schaden 
unserer  einheimischen  Familien  nur  noch  einigermassen  im  Gleich¬ 
gewichte  stehen  werden  .  .  .  ,«453 

Hierauf  folgt  die  weitläufige  Ausführung  von  neun  Punkten, 


300 


weshalb  kein  Komödienhaus  in  der  neuen  Allee  zu  dulden  sei,  deren 
seitenlanger  Inhalt  sich  in  den  wenigen  Worten :  Furcht  vor  Tugen d- 
und  Feuersgefahr  kurz  zusammenfassen  lässt.  Das  Gesuch  trägt  bei¬ 
nahe  dreissig  Unterschriften,  unter  anderen  auch  die  des  Schulhalters 
Johann  Jacob  Hagenburger,  der  seinem  Namen  noch  den  gewiss  für 
die  Nichtachtung  des  Theaters  bezeichnenden  Zusatz  nachstellt : 
»Wollte  grossgünstig  gebeten  haben,  allda  man  die  Jugend  zu  Gottes 
Ehre  unterrichten  soll  und  durch  solche  Comödien  das  Gute  ver¬ 
hinderte  !« 

Um  begreifen  zu  können,  dass  ein  zwar  etwas  einseitiger,  aber 
trotzdem  vielwissender  Schriftsteller,  wie  Dr.  Johann  Balthasar  Kölbele 
war,  dem  Käthe  Frankfurts  in  demselben  Jahr  eine  solche  Bittschrift 
einreichte,  in  welchem  zu  Hamburg  das  erste  deutsche  National¬ 
theater  gegründet  wurde,  muss  man  sich  an  den  Kunststandpunkt 
Vater  Bernardon’s  und  an  die  oft  zu  gerechtem  Tadel  Veranlassung 
gebende  moralische  Haltung  seiner  Truppe  erinnern. 

Dr.  Kölbele,  welcher  die  in  dem  Bittgesuch  niedergelegten  An¬ 
sichten  über  die  deutsche  Schaubühne  auch  in  seinen  beiden  etwas 
pietistisch  gefärbten  Romanen  »Die  Begebenheiten  der  Jungfer  Meyern« 
und  »Die  Begebenheiten  der  Philippine  Damien«  (Frankfurt  a.  M. 
1768  und  69  in  der  Andrä’schen  Buchhandlung)  an  manchen  Stellen 
vertritt,  schrieb  während  des  Aufenthaltes  von  Kurz  in  der  Herbstmesse 
1767  eine  Abhandlung  über  die  deutsche  Schaubühne,  deren  ein¬ 
gehende  Schilderung  ihrer  »gegenwärtigen  Missstände«  offenbar  auf  das 
Theater  Bernardon’s  bezogen  ist. 

»Die  heidnischen  Römer«,  schreibt  Kölbele,  »verboten  anstössige 
Theatertänze,  weil  diese  Tänze  die  Jugend  ärgerten.  Die  neueren 
Zoten  und  Zweydeutigkeiten  sind  den  Sitten  so  schädlich  wie  diese 
alten  Tänze ....  Und  dann  das  Aergerniss,  das  die  Aktricen  geben ! 
Welche  Liebeshistörchen  hinter  der  Scene?  Eine  freche  Nymphe  die 
Zayre,  die  Alzire,  die  Miss  Sarah.  Kann  dies  Sitten  bessern  ?  Auch 
die  Anordnung  der  Bühne  ist  gegen  die  Sittenbesserung.  Die  Miss 
Sarah  zum  Vorspiel  und  ein  Baron  Zwickel  oder  Kayser  aus  dem 
Monde  zum  Nachspiele.  [Beides  Hauptrollen  von  Kurz-Bernardon.] 
Wie  lange  bleiben  hier  die  guten  Rührungen  der  Zuschauer?  Zwi¬ 
schen  den  empfindungsvollen  Aufzügen  der  Zayre  buntschäckige 
Tänze.  Heute  die  Minna  von  Barnhelm  und  morgen  den  Jahrmarkt 
von  Rumpelsdorf.  Einer  und  derselbe  Schauspieler  in  dem  Vor¬ 
spiele  »Der  weise  Tugendhafte«  und  in  dem  Nachspiele  »Der  laster¬ 
hafte  Narre«.  Dies  beweiset  die  grosse  Kunst  des  Schauspielers, 
aber  bessert  es  die  Zuschauer  oder  wird  hier  die  Tugend  lächer¬ 
lich  ?!....  Und  der  bessere  Komödien  Schreiber,  er  hat  das  Schick¬ 
sal  eines  Malers,  dessen  züchtigste  Stücke  ein  Wollüstling  kaufet 
und  sie  neben  die  unzüchtigsten  Gemälde  hänget«  u.  s.  w.45i 

Nach  seiner  ausführlichen  Abhandlung  über  die  deutsche  Schau- 


301 


bühne  zu  urtheilen,  hatte  Dr.  Kölhele  einen  hohen  Begriff  von  der 
Aufgabe  des  Theaters.  Es  bereitete  ihm  offenbar  kein  geringes 
Aergerniss,  dass  gerade  die  Kurz’schen  Vorstellungen  in  Frankfurt 
so  viel  Beifall  fanden,  die  nach  seinem  eignen  Ausspruch  am  aller¬ 
letzten  »ein  ernstes  Kunstverlangen  zufriedenstellen  oder  gar  einen 
guten  Gedanken  in  Kopf  und  Herz  herfürlocken  konnten«.  Ging 
Kölbele  in  diesem  TJrtheil  vielleicht  auch  etwas  zu  weit,  so  ist  doch 
seine  Absicht  eine  durchaus  edle  gewesen,  was  man  auch  bei  einigen 
weiteren,  auf  religiöse  Engherzigkeit  hindeutenden  Aussprüchen  in 
seiner  Abhandlung  nie  ausser  Acht  lassen  darf. 

Als  Kölbele  am  17.  März  17G7  dem  Rathe  Frankfurts  seine 
Supplikation  einreichte,  ahnte  er  nicht,  dass  dieselbe  auch  ihr  Theil 
dazu  beitragen  sollte,  um  die  seit  längerer  Zeit  in’s  Stocken  gerathenen 
Verhandlungen  über  die  Erbauung  eines  städtischen  Komödien¬ 
hauses  wieder  in  Fluss  zu  bringen. 

Aus  den  mannigfaltigsten  Gründen,  hauptsächlich  aber  wegen 
der  stets  erneuten  Fehden  gegen  die  Errichtung  von  Komödienhütten, 
wurde  die  Erbauung  einer  ständigen  Bühne  immer  mehr  eine 
dringende  Nothwendigkeit.  Andere  Städte  waren  hierin  voraus¬ 
gegangen,  Frankfurt  konnte  deshalb  nicht  mehr  Zurückbleiben;  das 
sahen  viele  bedeutende  Mitglieder  des  Käthes  wohl  ein,  als  sie 
mancher  engherzigen  Anschauung  freimüthig  entgegen  wirkten  und  für 
die  endliche  Errichtung  einer  der  dramatischen  Kunst  würdigen  Wohn¬ 
stätte  mit  wahrhaft  bewundernswerther  Festigkeit  in  die  Schranken 
traten. 

Der  Bienenthal’sche  Saal  im  Junghof  war,  wie  Kurz  sich  in 
einer  Eingabe  an  den  Rath  ausdrückte,  ein  »unzulängliches  Behält- 
nus,  dessen  Räume  dem  Besitzer  mit  schwerem  Geld  bezahlt  werden 
mussten«.  Die  hohen  Forderungen  Bienenthal’s,  der  sich  z.  B.  in 
der  Ostermesse  17G8  von  Kurz  500  fl.  Miethe  zahlen  liess,455  waren 
ein  weiterer  Grund,  das  Bedürfniss  eines  städtischen  Schauspiel¬ 
hauses  immer  dringender  hervortreten  zu  lassen. 

Nach  dem  Vorhandensein  der  verdienstvollen  Arbeit  des  Herrn 
Senators  Dr.  jur.  A.  H.  E.  v.  Oven  »Das  erste  städtische  Theater  zu 
Frankfurt  a.  M.«  kann  es  nicht  mehr  in  unserer  Absicht  liegen,  zur 
Entwicklungsgeschichte  der  äusseren  Gestaltung  des  hiesigen  Theaters 
einen  weiteren  Beitrag  zu  liefern.  Wir  erwähnen  deshalb  in  der 
Folge  die  jahrelangen  Verhandlungen  über  den  Bau  eines  städti¬ 
schen  Schauspielhauses,  welche  1778  endlich  durch  einen  Beschluss 
des  Reichshofraths  in  Wien  ihr  vorläufiges  Ende  finden  sollten,  nur 
da,  wo  es  durchaus  nöthig  erscheint  und  verweisen  im  übrigen  auf 
das  obengenannte  Werk,  in  welchem  in  mehreren  Abschnitten  die 
durch  das  Projekt  hervorgerufenen  Kämpfe  und  Einsprachen  der 
Geistlichkeit  in  ausführlicher  Weise  geschildert  werden. 

Ehe  Kurz  -  Bernardon  seine  Vorstellungen  in  der  Ostermesse 


302 


1768  beendete,  müssen  sein  Kunststandpunkt  und  besonders  die  von 
ihm  mit  grosser  Vorliebe  gepflegten  lustigen  Figuren  des  Hanswurst  und 
der  Colombine  der  Gegenstand  eines  öffentlichen  Angriffs  geworden 
sein.  Er  suchte  sich  nämlich  auf  einem  leider  nur  stückweise  er¬ 
haltenen  Theaterzettel  zu  vertheidigen,  aus  dessen  Fragmenten  sich 
noch  folgende  Rechtfertigung  zusammenstellen  lässt : 

»Nicht  dass  man  beim  Gebrauche  dieser  Figur«  -  er  meint  den 
Harlekin  —  »die  aufgeklärte  theatralische  Zeit  misshandeln  oder  ihn 
gar  zum  Trotz  wieder  ein  schmeicheln  will  —  nein !  bloss  aus  der 
Ursache  erscheinet  unser  Harlekin  in  dem  Charakteur  des  Hanswurst, 
weil  es  der  doppelte  Charakteur  und  die  Verwicklung  des  Lustspiels 
verlanget,  weil  man  die  Zuschauer  durch  die  alte  Tracht  auf  die 
alten  Zeiten  zurückführen  will  und  weil  Madame  von  Kurz  den 
Charakteur  der  Colombine  nach  Verlangen  des  Spiels  vorstellen 
wird.  Dies  ist  die  Ursache  sonst  keine,  —  sonst  soll  er  wieder  von 
unserem  Theater  samt  der  Colombine  verworfen  werden,  wie  er  von 
allen  reinen  Schaubühnen  verworfen  wird.« 

Man  merkt  dieser  Veröffentlichung  an,  dass  Vater  Bernardon 
die  Unhaltbarkeit  seiner  Lieblingsfiguren  auf  der  Bühne  wohl  durch¬ 
schaute,  aber,  wie  sein  späteres  Wirken  in  anderen  Städten  bezeugt, 
genügte  er  höheren  Ansprüchen  der  fortschreitenden  Schauspielkunst 
deshalb  doch  nur  in  geringer  Weise. 

Lediglich  aus  Erwerbsinteressen  hielt  er  auf  seiner  Schaubühne 
bis  an  das  Ziel  seiner  Thätigkeit  das  Regiment  der  lustigen  Gestalten 
aufrecht  und  amüsirte  das  Publikum  nach  wie  vor  mit  den  tollen 
Erzeugnissen  seiner  eigenen  Burleskenfabrik.  Die  von  Kurz  in  Frank¬ 
furt  ausgegebenen  Theaterzettel  gleichen  denn  auch  mehr  den  grossen 
Plakaten  der  Kunstreiter  unserer  Zeit;  ihr  Format  war  in  der  Regel 
Grossquerfolio. 

Auf  diesen  Ankündigungen  wurden  nicht  allein  die  darzu¬ 
stellenden  Stücke  angegeben,  sondern  auch  in  Absätze  eingetheilte 
Erläuterungen  und  anlockende,  von  Kurz  selbst  verfasste  Kritiken 
derselben  in  sehr  bombastischer  Weise  dem  Publikum  mitgetheilt. 
Mitunter  kamen  auf  den  Theaterzetteln  Kurz  -  Bernardons  in  den 
weitschweifigen  Beschreibungen  der  Stücke  ganz  sinnentstellende 
Bezeichnungen  vor.  So  ist  auf  dem  leider  noch  nicht  zur  Hälfte  er¬ 
haltenen  in  Beilage  XVII  angefügten  Zettel  anstatt  von  vier  Magiern 
in  für  das  gewöhnliche  Publikum  unverständlicher  Weise  von  vier 
Magen  die  Rede,  »die  einen  grossen  Mörser  herbeihohlen  und  den 
auf  der  Erde  hegenden  todten  Bernardon  hineinstürzen  sollen.«  Auf 
einem  anderen  nur  in  Bruchstücken  noch  vorhandenen  Programm 
wird  mehrmals  von  »denen  4  Kriegen«  (Griechen)  gesprochen,  »die 
dem  Feldherrn  ein  Compliment  schnitzen  und  nachher  zum  Ergötzen 
des  Publikums  auf  seiner  großen  nachgeahmten  Naße  herumtanzen 
wollen.« 


303 


Bevor  Kurz  nach  der  Ostermesse  1768  Frankfurt  wieder  ver- 
liess,  suchte  er  sich  —  trotzdem  er  diesmal  wegen  der  hohen  Ab¬ 
gabe  an  Bienenthal  und  der  Beschränktheit  des  Lokals  keine  guten 
Geschäfte,  vielmehr  Schulden  gemacht  hatte  —  doch  die  Erlaubniss 
für  die  Herbstmesse  zu  verschaffen.  Ungeachtet  einer  rückständigen 
Abgabe  von  60  fl.  wurde  ihm  dieselbe  ohne  jede  weitere  Einwen¬ 
dung  gewährt.456  Gleichzeitig  traf  der  Rath  eine  Verordnung 
wegen  der  von  den  jeweiligen  Direktoren  der  Frankfurter  Schau¬ 
bühne  abzugebenden  Freibillets,  deren  Missbrauch  auch  schon  damals 
zum  grossen  Nachtheil  der  Theaterkassen,  wie  Kurz  sich  ausdrückte, 
»von  jeher  mehr  als  flott  im  Gange  gewesen  war.«  Es  wurde  nämlich 
am  21.  April  1768  im  Senate  der  Beschluss  gefasst,  »dass  man  in 
Zukunft  bei  den  Schauspielen  alle  und  jede  dem  Civil-  und  Militär¬ 
stand  sonst  gewöhnlichermassen  abgegebenen  und  zum  grossen  Miss¬ 
brauch  gewordenen  Freibillets  auf  heben,  dagegen  löbliches  Reclmey- 
Amt  comraitiren  wolle ,  den  Bedacht  dahin  zu  nehmen ,  damit  das 
Aerarium  mehrere  Einkünfte  von  solch  ertheilender  Erlaubniss  haben 
möge.  Zu  welchem  Ende  alle  dergleichen  Supplikanten  zuvor,  ehe 
sie  die  öffentlichen  Spiele  anfangen,  an  wohl  gedachtes  Rechney- 
Amt  zur  Pflegung  der  Gebühr  zu  verweisen  seien.« 

Die  Folge  dieses  Beschlusses  war  eine  Erhöhung  des  messent- 
lichen  Standgeldes  von  75  auf  300  fl.  Diese  Abgabe  wurde  später, 
wie  noch  erwähnt  werden  wird,  auf  200  fl.  herabgesetzt,  mit  welcher 
Summe  ausser  Kurz  sich  die  meisten  später  hier  auftretenden  Wander- 
principale  —  und  das  ist  gewiss  ein  Zeichen  ihrer  wohlbegründeten 
Scheu  vor  der  Abgabe  von  Freibilletten  —  sofort  einverstanden 
erklärten. 

Von  Frankfurt  aus  begab  sich  Kurz  nach  Cöln,  wohin  er  seine 
grosse,  1767  in  Frankfurt  neuerbaute  Bude  den  Main  und  Rhein 
hinunterschiffen  und  dort  aufrichten  liess.  Die  grossen,  damit  ver¬ 
bundenen  Unkosten  standen  aber  in  keinem  Verhältniss  zu  der 
geringen  Einnahme.  Kurz,  der  alsbald  sein  Theater  in  Cöln  wieder 
geschlossen  haben  muss,  kehrte  nämlich  vor  der  Herbstmesse  1768 
überschuldet  nach  Frankfurt  zurück,  wo  er  sogleich  eine  Schrift 
wegen  Herabminderung  der  damals  noch  auf  300  fl.  festgesetzten 
Abgabe  einreichte.  Ohne  weitere  Entgegnungen  wurde  dieselbe 
denn  auch  von  300  auf  200  fl.  ermässigt,  aber  ihm  zugleich  er¬ 
öffnet,  dass  er  unfehlbar  bis  zum  Schluss  der  zweiten  Messwoche 
diesen  Betrag  und  auch  den  rückständigen  Rest  bezahlt  haben  müsse. 

Als  jedoch  Vater  Bernardon  seine  Unzufriedenheit  mit  dem 
ihm  immer  noch  zu  hohen  Standgeld  in  einer  weiteren  Supplikation 
zum  Ausdruck  brachte  und  trotz  der  Anweisung  des  Rathes  am 
27.  September  1768  seinen  Verpflichtungen  beim  Rechneiamt  noch 
nicht  nachgekommen  war,  erhielt  er  den  strengen  Bescheid,  dass, 
falls  er  innerhalb  24  Stunden  die  Abgabe  und  den  Rest  nicht  ent- 


304 


richtet  hätte,  seine  Schaubühne  im  Junghof  sofort  geschlossen  wer¬ 
den  solle.457 

Kurz,  welcher  sich  durch  seine  schlechten  Einnahmen  in  Cöln 
und  nicht  minder  durch  seine  grossartige  Lebensweise  vor  Schulden 
kaum  zu  bergen  wusste,  konnte  aber  dieses  Mal  »selbst  bei  denen 
redlichsten  Absichten«  das  Geld  nicht  innerhalb  der  festgesetzten  Zeit 
bezahlen.  Die  Schaubühne  im  Junghof  wurde  also  geschlossen  und 
ihm  im  Voraus  jedes  fernere  Bitten  betreffs  Wiedereröffnung  der¬ 
selben  streng  untersagt. 

Aber  die  Frankfurter  Kunstthätigkeit  des  Barons  von  Kurz 
sollte  trotzdem  keinen  so  tragischen  Abschluss  erhalten,  wie  einige 
Jahre  früher  die  Bestrebungen  Barizon’s.  Was  er  selbst  nicht  mehr 
erreichen  konnte,  gelang  jetzt  seiner  schönen  Frau,  welche  die  Prin- 
cipalschaft  übernahm  und  durch  persönliches  Bitten  die  Herzen 
einiger  Kathsherren  milder  für  sich  zu  stimmen  wusste.  Am  27.  Sep¬ 
tember,  gleich  nachdem  die  Schaubühne  im  Junghof  geschlossen 
worden  war,  reichte  Theresina  von  Kurz  ein  Bittgesuch  ein,  in 
welchem  sie  zuerst  zum  Ausdruck  bringt,  dass  sie  nicht  an  der 
Güte  des  Bathes  zweifle,  besonders  in  einer  Zeit  auf  dieselbe  ihre 
Hoffnung  setze,  in  welcher  ihre  veränderten  Umstände  solche  mehr 
als  je  nöthig  hätten.  »Mein  Ehemann«,  berichtet  sie  weiter,  »wird 
als  Entrepreneur  von  der  Bühne  zurücktreten  und  mir  das  Theater 
überlassen  und  unter  meiner  Direktion  gedenke  ich  dasselbe  dann 
noch  einige  Zeit  fortzuführen.  Ich  habe  seither  die  hiesige  Nachbar¬ 
schaft  am  Mayn-  und  Kheinüusse  kennen  lernen,  und  Frankfurt  ist 
unter  derselben  der  vorzüglichste  Gegenstand  meiner  Aufmerksam¬ 
keit  gewesen.  Wie  sehr  wünschte  ich  daher,  in  dieser  beglückten 
Stadt  meine  gereinigte  Schaubühne  fürder  aufführen  zu  dürfen« 
u.  s.  w. 458 

Dieser  Wunsch  sollte  denn  auch  alsbald  in  Erfüllung  gehen. 
Theresina  von  Kurz  erhielt  am  6.  October  1768  die  Erlaubniss  zur 
Fortsetzung  der  Komödie  und  zwar  mit  der  für  sie  günstigen  Be¬ 
dingung,  jede  Woche,  so  lange  ihr  zu  spielen  erlaubt  werde,  20  fl. 
Abgabe  an  die  Stadt  zu  entrichten.  Freilich  musste  sie,  ihrem  An¬ 
erbieten  gemäss,  auch  wieder  einige  Freibillets  abgeben,  da  einige 
berechtigte  Civil-  und  Militärpersonen  um  eine  Milderung  des  Senats¬ 
beschlusses  vom  21.  April  1768  eingekommen  waren. 

Wie  die  pünktliche  Führung  der  Geschäfte  bei  ihrem  mehr¬ 
maligen  Aufenthalt  in  Frankfurt  bezeugt,  besass  Frau  von  Kurz, 
deren  Mann  sie  bald  nach  dem  Abgeben  seiner  hiesigen  Principal- 
schaft  zum  Zwecke  der  Gründung  einer  neuen  Truppe  verlassen 
hatte,  ebensoviel  Energie  als  Umsicht  für  ein  derartiges  Unternehmen. 
Sie  schränkte  sofort  ihre  Ausgaben  ein,  bezahlte  dem  Rechneiamt 
nach  den  ersten  Vorstellungen  die  200  fl.  Standgeld  für  die  Herbst¬ 
messe  nebst  dem  noch  nicht  von  Kurz  entrichteten  Rest  von  60  fl. 


305 


lind  traf  auch  ausserdem  mit  den  Gläubigern  ihres  Mannes  ein  ihr 
günstiges  Abkommen. 

Als  an  einer  anderen  Stelle  dieses  Abschnittes  die  Leistungen 
der  hauptsächlichsten  Mitglieder  der  Truppe  Vater  Bernardon’s  ein¬ 
gehendere  Besprechung  fanden,  wurde  Frau  von  Kurz  nur  deshalb 
vorübergellend  erwähnt,  weil  ihrer  später  als  Principalin  noch  aus¬ 
führlicher  gedacht  werden  sollte.  Sie  besass  Talente,  von  denen 
Schröder  nie  ohne  die  grösste  Bewunderung  sprach.  Als  sie  der 
Kunst  Terpsichorens  entsagt  hatte  und  sich  zur  Sängerin  ausbildete, 
überwand  ihre  volle,  reine  und  angenehme  Sopranstimme  mit  einer 
angeborenen  Sicherheit  alle  Schwierigkeiten. 

Ihr  Gedächtniss  erregte  oft  das  grösste  Staunen.  Sie  konnte 
weder  geläufig  Deutsch  sprechen  noch  lesen,  so  dass  sie  alle  Rollen 
nur  durch  Vorlesen  lernte.  Dabei  entfiel  ihr  aber  kein  Wort  und 
sie  sprach  richtig  nach,  was  sie  gehört  hatte.  Hie  und  da  merkte 
man  zwar  an  ihrer  Sprache  die  Italienerin,  aber  ihr  ungekünsteltes 
Spiel  verheil  diesem  fremden  Anklang  eine  liebenswürdige  Eigen- 
thümlichkeit.  Das  Lustspiel  war  ihr  eigentliches  Feld,  besonders  die 
Goldoni’schen  Stücke,  in  denen  sie  mit  grosser  Vorhebe  auftrat.  In 
Sing-  und  Zwischenspielen  entfaltete  sich  ihr  Talent  begreiflicher¬ 
weise  in  ebenso  bezaubernder  Einfachheit.  »Me«,  sagt  der  Biograph 
Schröder’s,  Wilhelm  Mayer,  von  ihr,  »hatte  die  Sprache  ihres  Mutter¬ 
landes  und  der  Wohllaut  Pergolese’s  einen  hinreissenderen  Eindruck 
hervorgebracht,  als  wenn  diese  Gestalt,  diese  Augen,  dieses  Spiel  die 
Serva  Padrona  umgaukelten.  Dabei  war  sie  höchst  empfänglich  für 
Belehrung  und  fasste  die  Wahrheit  mit  überraschender  Schnelle.« 

Hach  so  vielem  Lob,  welches  er  der  Künstlerin  spendet,  ver¬ 
gisst  Mayer  aber  auch  nicht,  an  manchen  Stellen  seines  Buches  an¬ 
zudeuten,  dass  Theresina  von  Kurz  in  sittlicher  Beziehung  nicht  auf 
gleicher  Höhe  stand.  Sie  nahm  sich  nichts  übel,  fühlte  sich  auch 
als  Frau  ungebunden  und  hatte,  wie  ihr  Mann,  welcher  ebenfalls 
in  dieser  Beziehung  sehr  frei  dachte,  nach  der  Meinung  Dr.  Kölbele’s 
»manche  Liebeshistörchen  hinter  der  Scene«.  Noch  als  Frau  in  den 
Vierzigen  war  Theresina  von  Kurz  eine  ausgezeichnete  Schönheit. 
»Es  gab  keine  feurigeren  schwarzen  Augen  und  kein  weibliches 
Wesen,  welches  seine  Augen  so  zu  gebrauchen  wusste.« 

Frau  von  Kurz  spielte  bis  Mitte  November  im  Junghof,  dann 
iiberliess  sie  ihre  Bühne  Charles  Kirasqui,  dem  Direktor  der  fran¬ 
zösischen  Hofkomödianten  des  in  Hanau  lebenden  Erbprinzen  von 
Hessen-Cassel ,  welchem  nach  mehrmaligem  Suppliciren  vom  Rath 
die  Erlaubniss  zu  einigen  Vorstellungen  zu  Theil  geworden  war.  4r’9 
Am  8.  November  1768  veröffentlichte  Kirasqui  in  den  Frag-  und 
Anzeigungsnachrichten  folgende  Mittheilung:  »Denen  respectiven  Lieb¬ 
habern  der  französischen  Comödien  dienet  hiermit  zur  Nachricht, 
dass  allezeit  Tags  vorher  Logen-Zettel  in  denen  zwei  rothen  Schwer- 

20 


306 


tern  [ein  Gasthaus  am  Steinweg  Lit.  E.  Nr.  224]  bey  der  Haupt¬ 
wache  zu  haben  sind.« 

Als  diese  Aufführungen,  jedenfalls  unter  allgemeinem  Beifall,  statt¬ 
gefunden  hatten,  kam  die  Gattin  des  Direktors  der  französischen  Komö¬ 
dianten,  Therese  Kirasqui,  mehrmals  wegen  der  Abhaltung  von  zwei 
wöchentlichen  Vorstellungen  ein,  welche  Bitte  ihr  dreimal  abgeschla¬ 
gen  wurde,460  aber  endlich  doch  durch  mündliche  Zusage  gewährt 
worden  sein  muss.  Am  10.  Januar  1769  findet  sich  nämlich  in 
den  »Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten«  folgende  Anzeige : 

»Es  wird  einem  ehrsamen  Publico  hiermit  freundlich  avertirt, 
dass  anheute  die  französische  Comödie  wiederum  ihren  Anfang 
nimmt,  mit  einem  neuen  Stück,  genannt:  De  l’Homme  Singuliere;  und 
wöchentlich  zwey  Eepresentationes  aufgeführt  werden.  Es  continuiret 
bis  Fastnacht.« 

Auch  in  der  Ostermesse  spielte  die  Kirasqui’sche  Truppe  nach 
erlangter  Erlaub niss,  461  mit  der  Gesellschaft  der  Frau  von  Kurz  ab¬ 
wechselnd,  auf  der  Bühne  im  Junghof,  woraus  man  ebenfalls  schliessen 
dürfte,  dass  es  derselben  an  Beifall  nicht  gefehlt  hat. 

Der  Umstand,  dass  ein  gewisser  Bernaud,  der  jedenfalls  ein 
Compagnon  Kirasqui’s  war,  das  Auszahlen  von  Geldern,  überhaupt 
alle  geschäftlichen  Angelegenheiten  besorgte,  hat  vielfach  zu  dem 
Glauben  Veranlassung  gegeben,  er  sei  der  alleinige  Direktor  der  fran¬ 
zösischen  Komödianten  gewesen. 

Im  Ganzen  veranstaltete  diese  Truppe  im  December  1768  und 
im  Januar  und  Februar  1769  laut  Rechnungshauptbuch  dieser  Jahre 
elf  Vorstellungen,  für  welche  der  Stadt  36  fl.  40  kr.  Abgabe  ent¬ 
richtet  wurden.  Die  festgesetzten  200  fl.  Standgeld  für  die  Oster¬ 
messe  1769  zahlten  Madame  von  Kurz  und  Kirasqui  gemeinsam, 
weshalb  sich  nicht  feststellen  lässt,  wieviel  Aufführungen  auf  die 
deutschen  und  wieviel  auf  die  französischen  Komödianten  kommen. 
Von  der  Truppe  Kirasqui’s  wäre  nur  noch  zu  berichten,  dass  sie  sich 
nicht  ständig  in  Frankfurt  auf  hielt,  sondern  vor  jeder  Vorstellung  ent¬ 
weder  von  Hanau  oder  Wilhelmsbad  »in  allerhöchsten  Geschirren«, 
also  jedenfalls  in  Wagen  des  Erbprinzen,  nach  Frankfurt  kam. 

Da  nun  die  französischen  Komödianten  hier  keine  Proben  ab¬ 
hielten,  so  lässt  sich  annehmen,  dass  eben  dieselben  Lustspiele  und  Tra¬ 
gödien  der  damals  hervorragenden  französischen  Dramatiker,  welche 
sie  vor  ihrem  fürstlichen  Gönner  spielen  mussten,  auch  in  Frank¬ 
furt  aufgeführt  worden  sind.  Wie  aus  den  Rathsprotokollen  und 
Bürgermeisterbüchern  hervorgeht,  folgte  im  December  1768  und  im 
Januar  1769  auf  jedes  Stück  ein  Kunstfeuer,  welche  »garniture« 
ihrer  »Repräsentationes«  bei  den  Vorstellungen  in  der  Ostermesse 
vom  Rathe  verboten  wurden. 

Aus  einem  in  schwülstigem  Tone  abgefassten  Vorspiel  von  Johann 
Benjamin  Grünberg  »Der  Reiz  des  Frühlings  oder  die  an  dem  Ufer 


307 


des  Mavnstroms  opfernde  Schauspielkunst«,  welches  die  Kurz’sche 
Truppe  in  der  Magistratskomödie  der  Ostermesse  1769  aufführte,  sehen 
wir,  dass  die  hauptsächlichsten,  schon  früher  bei  Kurz  gewesenen 
Darsteller  und  Darstellerinnen  bei  seiner  Gattin  geblieben  waren. 
Auch  eine  neue  Aktrice  ist  als  Vertreterin  der  »Unschuld«  namhaft 
gemacht,  Demoiselle  Ingermännin,  die  in  einer  Ueberlieferung  sogar 
als  Sprössling  eines  hochgräflichen  Hauses  bezeichnet  wird. 

Fach  dem  Schluss  der  Ostermesse  1769  suchte  Theresina  von 
Kurz  vor  ihrer  Abreise  noch  um  die  Erlaubniss  nach,  in  der  Herbst¬ 
messe  wiederkommen  zu  dürfen.  Sie  berief  sich  in  ihrer  Bittschrift 
darauf,  dass  man  die  nach  den  Mustern  ihres  Mannes  hier  aufge¬ 
führten  Schauspiele  vor  allen  andern  gern  sähe,  dass  man  auch  in 
früheren  Jahren  Principale,  an  die  sich  das  hiesige  Publikum  zu 
seinem  Vortheil  gewöhnt  hätte,  wie  Wallerotty,  Ackermann  und  die 
sächsische  Gesellschaft  (Neuberin?),  mehrere  Messen  nacheinander  zu¬ 
gelassen  habe.  Dann  erinnert  sie  an  den  grossen,  noch  nicht  ganz  ver¬ 
wundenen  Schaden,  in  welchen  ihr  Mann  sie  durch  seine  weitläufigen 
und  kostspieligen  Unternehmungen  gestürzt  habe  und  gedenkt  schliess¬ 
lich  in  feiner  Weise  der  pünktlichen  Entrichtung  ihrer  Abgaben  an 
die  Stadt  und  der  für  ihren  Mann  geleisteten  Zahlungen.402 

So  viele  in  die  Augen  springende  Gründe  stimmten  den  Rath 
günstig  für  Theresina  von  Kurz,  sie  erhielt  sofort  die  begehrte  Er¬ 
laubniss,  »deren  Segen  sie  aber  wegen  eines  hohen  Rufes  nach 
München  nicht  mehr  geniessen  konnte«.463  Weder  Vater  Bernardon 
noch  seine  Gattin  sollten  jemals  wieder  einen  Einfluss  auf  die  Ent¬ 
wicklung  der  Frankfurter  Schaubühne  gewinnen.  Mit  dem  Ende  der 
sechziger  Jahre  war  auch  ihre  Kunstepoche  in  Frankfurt  vorüber, 
mussten  auch  sie  das  Schicksal  ihrer  hiesigen  Vorgänger  theilen  und 
neu  auftauchenden  Grössen  den  Schauplatz  räumen. 

Vater  Bernardon  soll  etwa  um  1784,  unterstützt  und  verehrt 
von  einer  grossen  Anzahl  Oesterreichischer  Schauspieler,  in  Wien 
gestorben  sein.  Er  vereinigte  sich  nie  wieder  mit  seiner  Gattin 
Theresina,  die  schon  im  Jahre  1770  ihre  Schauspielunternehmung  in 
Salzburg  mit  dem  Verlust  ihrer  besten  Habe  bezahlt  haben  und 
nach  dieser  bitteren  Erfahrung  zu  ihrer  Familie  nach  Italien  zurück¬ 
gekehrt  sein  soll. 

Als  Frau  von  Kurz  in  der  Herbstmesse  1769  ausblieb,  wurde 
der  Rath  nicht  wenig  von  den  aus  dem  Korden  und  Süden  Deutsch¬ 
lands  zahlreich  eintreffenden  Bittgesuchen  der  Wanderprincipale  ge¬ 
plagt.  Hier  sollen  nur  die  hauptsächlichsten  von  den  Suppli¬ 
kanten  namhaft  gemacht  werden:  Johann  Christian  Waeser,  der  aus 
Rostock  einen  langen  schmeichelhaften  Brief  an  den  Rath  schrieb; 
ein  gewisser,  vom  Grafen  von  Zech  in  Wetzlar  warm  empfohlener 
Johann  Tylli;  der  fürstlich  hessische  Hofkomödiant  Joly  aus  Cassel; 
der  Direktor  des  französischen  Theaters  in  Hanau,  Charles  Kirasqui; 

20* 


308 


der  früher  bei  Porscli  gewesene  Wanderprincipal  Johann  Georg 
Thumniel ;  die  Direktrice  der  dänischen  Hofkomödianten  Anna  Martin 
und  der  Direktor  der  Kurpfälzischen  Schaubühne,  Joseph  Sebastiani, 
dessen  Gesuch  ein  vom  Agenten  Luther  dem  Käthe  übergebenes 
Empfehlungsschreiben  des  Kurfürsten  von  der  Pfalz  begleitete. 

Keines  von  den  wiederholt  eingereichten  Gesuchen  der  eben¬ 
genannten  Bewerber  wurde  bewilligt,  selbst  auf  Sebastiani’s  von  so 
wichtiger  Fürsprache  unterstützte  Eingabe  erfolgte,  nachdem  er  ein 
Mal  zur  Geduld  verwiesen  worden  war,  schliesslich  doch  ein  ab¬ 
schlägiger  Bescheid. 464 

Diese  in  kurzem  Kanzleistyl  gehaltene  Abfertigung  seines  von 
ihm  aufs  Beste  empfohlenen  Hofkomödianten  beleidigte  den  Kur¬ 
fürsten  Karl  Theodor  derartig,  dass  er  den  darüber  empfundenen  Un- 
muth  in  einem  an  seinen  Bevollmächtigten  in  Frankfurt,  den  Agenten 
Luther,  gerichteten  Schreiben  zum  Ausdruck  brachte,  das  sich  in  den 
schärfsten  und  stärksten  Worten  gegen  die  Mitglieder  des  Frankfurter 
Rathes  bewegte. 

Um  den  erzürnten  hohen  Herrn  wieder  zu  versöhnen,  theilte 
man  dem  Agenten  Luther  alsbald  nach  Uebermittlung  des  oben  er¬ 
wähnten  Schreibens  mit,  dass  der  Rath  den  Beschluss  gefasst  habe, 
»Ikro  Ckurfürstl.  Durchl.  die  lebhafteste  Probe  des  tiefsten  Respekts 
an  den  Tag  zu  legen  und  höchstdero  Besinnen,  wo  sich  nur  eine 
Möglichkeit  eräussert,  in  Erfüllung  zu  setzen.  So  wolle  ferner  ein 
hochedler  und  hochweiser  Rath  dem  Gesuch  des  ersagten  Sebastiani 
in  Rücksicht  des  höchsten  Vorworts  willfahren,  ohngeachtet  sich  noch 
mehrere  andere  Gesellschaften  teutscher  und  französischer  Schau¬ 
spieler  angemeldet  hätten«.465 

Sebastiani,  dessen  künstlerische  Richtung  schon  früher  geschil¬ 
dert  worden  ist,  spielte  nun  in  der  Herbstmesse  1769  wieder  im 
Junghofe  und  entrichtete  der  Stadt  hierfür,  ohne  Abgabe  von  Frei- 
billets,  200  fl.  Standgeld.  Von  seiner  diesmaligen  Wirksamkeit 
in  Frankfurt  liess  sich  nur  ein  Zettel  und  zwar  der  von  der 
Vorstellung  am  16.  September  auffinden,  welcher  als  Beilage  Nr. 
XVIII  mitgetheilt  ist.  Wir  machen  auf  Sebastiani’s  Hinweis  darin 
wegen  der  Vereinfachung  der  Austheilungszettel  aufmerksam  und 
bemerken  noch,  dass  die  von  ihm  hauptsächlich  gepflegte  »Opera 
Buffa«  sich  auch  bei  seiner  letzten  Thätigkeit  in  Frankfurt  eines 
grossen  Zuspruchs  von  Messfremden  »uud  hiesigen  Liebhabern  solcher 
lustigen  Fürstellungen  aus  hohen  und  geringen  Ständen  reichlich 
erfreuten«. 

Von  den  hier  von  Sebastiani  zur  Darstellung  gebrachten  Ope¬ 
retten  können  wir  ausser  der  auf  dem  Theaterzettel  angezeigten 
Opera  Buffa  »Tom  Jones«  nur  noch  vier,  »Der  betrogene  Vormund«, 
»Der  adlicke  Kässtecher«,  »Das  Orakel«  und  »Hannchen  am  Hofe«  nam¬ 
haft  machen. 


309 


Seit  seiner  letzten  Abwesenheit  von  Frankfurt  scheint  Sebastian i 
noch  einige  tüchtige  Kräfte  für  seine  Truppe  gewonnen  zu  haben. 
Es  werden  nämlich  diesmal  in  den  anf  Sebastiani  bezüglichen  Akten 
neben  Marchand  auch  dessen  junge  Gattin,  geb.  Brochard;  ferner 
die  Herrn  Huck,  Schmitt,  Felser,  Pilotti,  eine  Mad.  Hohl  und  der 
Tanzmeister  Gartello  als  erste  Mitglieder  der  Gesellschaft  aufgezählt. 
Yon  den  meisten  derselben  wird  später  noch  ausführlicher  die  Rede  sein. 

Für  die  Ostermesse  1770  fand  die  Principalin  der  dänischen 
Hofkomödianten,  Madame  Anna  Martin,  Aufnahme,466  die  sich  mit 
dem  während  der  französischen  Besetzung  hier  gewesenen  Direktor 
Baptiste  Renaud  zu  gemeinsamem  Streben  verbunden  hatte.  Wie 
aus  einer  Supplikation  des  Letzteren,  welcher  mehrmals  mit  grossem 
Stolz  seine  frühere  Thätigkeit  in  Frankfurt  erwähnt,  hervorgeht, 
spielte  die  »vereinigte  französische  Gesellschaft«  wieder  im  Junghof, 
aber  dieses  Mal  nicht  mit  dem  früheren  Erfolg.  Der  Grund  hierfür 
ist  nicht  in  den  minder  guten  Leistungen  der  Truppe,  sondern  viel¬ 
mehr  in  der  herrschenden  ausserordentlich  hohen  Temparatur  zu 
suchen,  welche  im  April  und  Mai  1770  den  Besuch  des  engen 
Komödiensaales  im  Junghof  selbst  den  grössten  Gönnern  der  franzö¬ 
sischen  Schaubühne  als  »eine  lästige  und  unziemliche  Zumuthung« 
erscheinen  liess.467  In  Rücksicht  auf  ihren  unverschuldeten  Misser¬ 
folg  setzte  der  Rath  denn  auch  dem  um  Ermässigung  des  Stand¬ 
geldes  eingekommnen  Renaud  die  festgesetzte  Summe  von  200  fl.  auf 
113  fl.  herab.468 

Das  Fehlen  von  Theaterzetteln  und  sonstigen  gedruckten  Quellen 
macht  es  uns  unmöglich  festzustellen,  ob  »die  Kinder  der  Madame 
Derones«,  die  mittlerweile,  wie  Wolfgang  Goethe  selbst,  heran¬ 
gewachsen  sein  mussten,  auch  bei  dem  diesmaligen  Aufenthalt  ihres 
Yaters  in  Frankfurt  zur  Truppe  desselben  gehörten.  Da  aber  im 
Juni  oder  Juli  1770  ein  aus  Frankfurt  gekommenes  Geschwisterpaar 
in  Mannheim  pantomimische  Vorstellungen  gegeben,  da  ferner  die 
etwas  ältere  Schwester  des  jungen  »Acteurs«  wegen  ihrer  Schönheit 
das  grösste  Aufsehen  erregt  haben  soll,  so  könnte  man  einigermassen 
sicher  einen  abermaligen  hiesigen  Aufenthalt  des  von  Goethe  in 
Wahrheit  und  Dichtung  verewigten  Geschwisterpaares  vermuthen. 
Zu  der  Herbstmesse  1770  fand,  wie  bereits  früher  mitgetheilt  wurde, 
auf  hohe  Empfehlung  »der  kleine  Leppert«  Aufnahme,  der  sich  kurz 
vorher  mit  einem  gewissen  Ilgner  zusanunengethan  hatte ;  weshalb 
sich  jetzt  die  Truppe  »die  Löpper-Ilgnerische  Schauspieler-Gesellschaft« 
nannte.  Sie  war  durch  mehrere  neuhinzugekommne  Mitglieder  der 
früheren  Kurz’schen  Truppe  verstärkt,  und,  wie  der  kleine  Harlekin 
mit  Stolz  dem  Rathe  berichtete,  jetzt  im  Stande,  viel  Besseres  zu 
leisten  als  bei  ihrer  vorigen  hiesigen  Thätigkeit. 

Dieser  Ausspruch  darf  jedoch  nicht  zu  dem  Glauben  verleiten, 
dass  Löpper  seine  Kunstrichtung  inzwischen  veredelt  habe,  er  gab 


310  — 


auch  dieses  Mal  Possenspiele,  Harlekinaden  und  Parodien  ernster 
Stücke,  in  denen  er  wieder  das  Publikum  hauptsächlich  durch  seine 
komische  Erscheinung  belustigte.  Dem  Betrübtesten  sollen  vor  Lachen 
die  Thränen  in  die  Augen  getreten,  dem  Beschwertesten  das  Herz 
leicht  geworden  sein,  wenn  er  den  zwerghaften  Löpper  auf  der 
Bühne  »eine  Positur  als  Held  oder  Tyrann  annehmen  sah«.  Bei  dieser 
grossen  Gabe,  die  Zuschauer  in  die  heiterste  Stimmung  versetzen  zu 
können,  ist  es  begreiflich,  dass  der  mässig  grosse  Saal  im  Junghof 
bei  jeder  Vorstellung  des  kleinen  Principals  zum  Erdrücken  voll  war. 

Löpper  spielte  noch  drei  Wochen  nach  der  Messe  und  zahlte 
für  seine  hiesige  Thätigkeit  im  Ganzen  245  fl.  Abgaben  an  die  Stadt. 
Trotz  der  pünktlichen  Entrichtung  derselben  und  des  grossen,  seinen 
komischen  Leistungen  zu  Theil  gewordenen  Beifalls  wurde  Löpper’s 
Bittschrift  um  Ertheilung  der  Erlaubniss  für  die  Ostermesse  des  fol¬ 
genden  Jahres  mit  der  gewiss  beachtenswerthen  Bemerkung  ein  für 
allemal  zurückgewiesen,  dass  man  nun  auch  endlich  einer  »anderen 
Art«  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  »Platz  machen  müsse«.469 

Etwas  mehr  als  ein  Jahr  nach  der  Auflösung  des  ersten  deut¬ 
schen  National theaters  in  Hamburg,  mit  welcher  Lessing’s  schönster 
Traum  in  nichts  zerrinnen  sollte,  verschwand  der  buntschäckige  Har¬ 
lekin  für  immer  von  den  Brettern  der  Frankfurter  Schaubühne  und 
eine  neue  Entwicklungsphase  der  dramatischen  Kunst  wurde  auch 
hier  von  berufenen  Meistern  langsam,  aber  desto  sichrer  angebahnt. 


Theobald  Marchand’s  Wirken  in  Frankfurt. 

i. 

Der  Entwicklungsgang  der  Wissenschaft  und  Kunst  bestätigt, 
dass  keine  Blüthezeit  auf  den  verschiedenen  Gebieten  derselben  plötz¬ 
lich  und  ohne  jegliche  Vorbereitung  anbrechen  kann.  Wie  in  der 
Malerei  die  Schulen  des  Perugino,  des  Masaccio  der  Glanzepoche 
Leonardo  da  Vinci’s,  und  Raffael  Santi’s  vorangingen,  wie  die  Sturm¬ 
und  Drangperiode  unserer  Literatur  der  klassischen  Zeit  Goethe’s  und 
Schiller’s  gleichsam  den  Weg  bahnen  musste,  so  bedurfte  auch  die 
folgenwichtige  Umgestaltung,  welche  die  deutsche  Schauspielkunst  in 
den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  erfuhr,  des  Voran¬ 
tritts  einer  Neuberin,  eines  Ackermann  und  mancher  anderen  wackeren 
Kunstgenossen,  deren  Wirken  allmählich  in  sicherer  Weise  die  gross¬ 
artigen  Reformen  Lessing’s  vorzubereiten  hatte. 

Was  sich  im  Allgemeinen  von  dem  Fortschritt  der  Schauspiel¬ 
kunst  in  anderen  bedeutenden  Städten  Deutschlands  sagen  lässt,  das 
gilt  auch  von  Frankfurt,  wo  ein  Decennium  nach  dem  Abzug  Ber- 
nardon’s  und  Löpper’s  eine  gesunde  und  edle  Kunstrichtung  ihre 
ersten  Keimblätter  entfaltete.  Auch  hier  vermochte  der  im  Ganzen 
sehr  verdorbene  Geschmack  der  Menge  nicht  gleich  die  unter  der 
aufgehenden  Sonne  der  deutsch-dramatischen  Poesie  kaum  gereiften 
Früchte  mit  jenem  Verständniss  zu  geniessen,  welches  ihre  volle 
Werthschätzung  bedingte:  es  musste  erst  eine  Periode  des  Ueber- 
gangs  und  der  allmählichen  Vermittelung  kommen,  ehe  man  diesen 
literarischen  Erstlingen  einer  neuen  Zeit  auf  der  Frankfurter  Schau¬ 
bühne  ihren  gebührenden  Ehrenplatz  an  weisen  konnte. 

Der  Beginn  dieser  für  den  Entwicklungsgang  unserer  Theater¬ 
geschichte  hochbedeutenden  Epoche  wird  durch  eine  Gesellschaft  von 
Künstlern  eingeleitet,  deren  hauptsächlichste  Aufgabe  es  war,  die 
Erinnerungen  an  die  Zauberkomödien,  Burlesken  und  Hanswur- 
stiaden  Vater  Bernardon’s  durch  eine  heitere,  anmuthige  und  ein¬ 
schmeichelnde  Kunstgattung  nach  und  nach  zu  verwischen.  Es 
war  dies  die  Truppe  der  kurpfälzischen  Hofschauspieler  unter 
Direktion  Theobald  Marchand’s,  desselben  Künstlers,  den  wir  bereits 
früher  als  erstes  Mitglied  der  Sebastiani’schen  Gesellschaft  kennen 


312 


gelernt  haben.  Auf  Marchand  und  seine  Genossen,  die  sich  bald 
nach  ihrem  ersten  Auftreten  in  der  Ostermesse  1771  künstlerisches 
und  moralisches  Ansehen  in  Frankfurt  zu  erringen  wussten,  passt 
die  alte  Bezeichnung  »Komödiantenbande«  nicht  mehr.  Diese  Ver¬ 
einigung  von  meist  hervorragenden  Künstlern  und  Künstlerinnen, 
die  unter  einem  gemeinschaftlichen  Oberhaupt  nach  bestimmten  Ver¬ 
ordnungen  lebten  und  strebten,  hat  bei  näherer  Betrachtung  einen 
ganz  patriarchalischen  Anstrich. 

Theobald  Marchand  hatte  sich  auf  vielen  Reisen  eine  grosse 
Welt-  und  Menschenkenntniss  erworben  und  durch  eifriges  Studium 
einen  Reichthum  von  Wissen  angeeignet,  welcher  ihn  weit  über  die 
allgemeine  Bildung  seiner  Standesgenossen  erhob.  Neben  diesen 
geistigen  Vorzügen  besass  er  auch  einen  feinen  gesellschaftlichen 
Takt  und  jene  auf  persönlicher  Würde  gegründete  Sicherheit,  welche 
ihm  besonders  bei  den  Angehörigen  seiner  Truppe  das  Ansehen  eines 
unantastbaren  Oberhauptes  verschaffte.  Ob  es  Thatsache  ist,  was  hie 
und  da  in  Bühnenalmanachen  und  Abhandlungen  über  das  Theater 
aus  dem  vorigen  Jahrhundert  mitgetheilt  wird,  dass  Marchand  der 
Sohn  einer  hochangesehenen  Beamtenfamilie  gewesen,  gegen  den 
Willen  seiner  Eltern  zur  Kunst  gegangen  sei  und  bei  diesem  An¬ 
lass  seinen  Namen  Kaufmann  in  das  Französische  übersetzt  habe, 
muss  aus  Mangel  an  glaubwürdigen  Nachrichten  über  die  Jugend 
Marchand’s  dahingestellt  bleiben. 

Wie  die  Abhandlungen,  Almanache,  Chronologien  und  sonstigen 
Beiträge  zur  Literatur  der  Schauspielkunst  aus  jener  Zeit  bezeugen, 
bestand  auch  schon  damals  die  Sitte  oder  besser  gesagt  die  Unsitte, 
über  das  Leben  und  Streben  bedeutender  Direktoren  und  Bühnen¬ 
angehörigen  fesselnde  Märchen  zu  ersinnen.  Man  that  dies  um  die 
Betreffenden  interessant  zu  machen,  aber  man  vergass  darüber,  dass 
dadurch  zwischen  der  Wahrheit  eine  Menge  Irrthtimer  emporwucher¬ 
ten,  welche  dem  späteren  Forscher  eine  klare  Sichtung  ganz  unmög¬ 
lich  machen. 

Theobald  Marchand  entstammte  ganz  sicher  einer  angesehenen 
Familie,  aber  es  wäre  ein  höchst  merkwürdiges  Zusammentreffen,  wenn 
er  ganz  dasselbe  Schicksal  gehabt  haben  sollte  wie  sein  künstlerisches 
Vorbild,  Jean  Aufresne,  der  eigentlich  Reval  hiess  und  gegen  den 
Willen  seiner  Eltern  die  Bühnenlaufbahn  erwählt  hatte.  Bevor 
Marchand  der  Sebastiani’schen  Truppe  angehört,  soll  er  sich  längere 
Zeit  in  Paris  aufgehalten  haben,  wodurch  ihm  Gelegenheit  geboten 
worden,  sein  Talent  an  bedeutenden  französischen  Mustern  zu  bilden. 
Aufresne,  der  sich  grade  damals  als  höchste  Aufgabe  gestellt  hatte, 
das  falsche  Pathos  von  der  französichen  Büline  zu  verbannen  und 
eino  natürliche  Sprache  einzuführen,  gewann  in  Marchand  einen  be¬ 
geisterten  Schüler  und  bestimmte  durch  seine  reformatorische  Wirksam¬ 
keit  die  ganze  spätere  Kunstrichtung  des  jungen  Mannes. 


313 


Marchand's  gesammte  innere  Beanlagung,  besonders  sein  feuri¬ 
ges,  leidenschaftliches  Naturell,  liess  ihn  eigentlich  für  das  Helden¬ 
fach  am  geeignetsten  erscheinen ;  da  er  aber  grosse  Anlage  zur  Kor¬ 
pulenz  hatte,  trat  er  schon  in  seinen  jungen  Jahren  meistens  nur  in 
Väter-  und  Charakterrollen  auf.  Er  spielte  dieselben  mit  vielem 
Anstand  und,  wie  der  Theaterschriftsteller  Dyck  von  ihm  sagt,  mit 
jener  feinen  Charakteristik  und  Eleganz,  welche  ihm  die  besten  Ac- 
teurs  nicht  nachzuahmen  vermochten. 

Wie  viele  andere  Bühnen  schriftsteiler,  so  hält  auch  Dyck  den 
kurpfälzischen  Theaterdirektor  Marchand  für  einen  in  Paris  gebore¬ 
nen  Franzosen.  Diese  Ansicht  gründete  sich  jedenfalls  darauf,  dass 
er  ein  sehr  korrektes  Französisch  sprach  und  in  seiner  Kunstrichtung 
das  französische  Sing-  und  Lustspiel  besonders  begünstigte.  Aber 
Marchand  war  kein  Franzose;  das  beweist  allein  hinreichend  seine 
vollkommene  Beherrschung  der  deutschen  Sprache,  die  es  ihm  sogar 
möglich  machte,  Abhandlungen  zu  schreiben  und  französische  Opern¬ 
texte  in  gefälliger  Form  in’s  Deutsche  zu  übertragen. 

Gleich  nach  der  Uebernahme  der  Direktion  der  ehemaligen 
Sebastiani’schen  Gesellschaft  spielte  Marchand  im  Winter  1770  unter 
dem  grössten  Beifall  in  Mainz,  470  von  wo  er  sich  Anfangs  Januar 
1771  mit  seiner  Gesellschaft  nach  Wetzlar  begab.  Von  hier  aus 
richtete  er  am  Ende  desselben  Monats  sein  erstes  Bittgesuch  um 
Zulassung  für  die  kommende  Ostermesse  an  den  Frankfurter  Rath.471 

Nachdem  er  über  seinen  Kunststandpunkt  ausführliche  Mit¬ 
theilungen  gemacht,  versichert  Marchand,  dass  er  zum  Glück  so  viel 
Vermögen  besitze,  um  im  Nothfall  auch  bei  geringer  Einnahme 
seinen  Pflichten  nachkommen  und  ehrenhafter  handeln  zu  können, 
wie  Jjöpper  und  Ilgner,  welche  einen  Theil  ihrer  Leute  und  auch 
mehrere  sonstige  Gläubiger  trotz  guter  Einnahmen  nicht  befriedigt 
hatten.  Schliesslich  bezieht  er  sich  auf  das  Zeugniss  vieler  hoher 
Standespersonen,  hauptsächlich  aber  auf  den  Beifall  der  gesammten 
Bürgerschaft  zu  Mainz,  »die  nicht  allein  seinem  Theater  Applausus 
gegeben,  sondern  auch  ihn  und  seine  Leute  in  guter  Ansehung 
gehalten  habe.« 

Als  ihm  bald  nach  dieser  Eingabe  ein  günstiger  Bescheid  nach 
Wetzlar  gesandt  worden  war,  bewarb  sich  Marchand  auch  um  die 
Zulassung  für  die  Herbstmesse.  Er  gab  zu  bedenken,  dass  er  im 
Falle  der  Gewährung  seiner  Bitte  einen  viel  besseren  Ueberschlag 
über  Einnahmen  und  Ausgaben  machen  könne  und  auch  einiger- 
massen  entschädigt  werde  für  die  kostspieligen  Vorbereitungen  im 
Saale  zum  Junghof,  die  er  unmöglich  mit  dem  Verdienste  einer  Messe 
zu  decken  vermöge.  Dann  erhot  er  sich  noch  »zum  Erwecken  guter 
Ordnung«  in  den  Blättern  bekannt  machen  zu  lassen,  dass  Niemand 
einem  von  seinen  Leuten  Geld  vorstrecken  solle,  da  dieselben  ledig- 


314 


lieh  von  ihm  abhingen  »und  ihr  Betragen  daher  so  gerechtfertigt 
wie  das  seinige  sein  müsse«. 

Auf  dieses  Gesuch  wurde  Marchand  zur  Geduld  verwiesen,  als 
er  aber  nochmals  einkam  und  den  bereits  erwähnten  Gründen  noch 
das  Versprechen  hinzufügte,  das  Vertrauen  eines  hochedlen  Käthes 
nie  täuschen  zu  wollen,  bewilligten  die  Väter  der  Stadt  seine  Bitte 
ohne  weitere  Bedenken.  472 

Am  30.  März  1771  kündigte  Marchand  die  Dienstag  den  2.  April 
erfolgende  Eröffnung  seines  Theaters  im  Komödiensaal  zum  Junghof 
in  den  Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten  folgendermassen  an : 

»Die  von  einem  Hochedlen  und  Hochweisen  Rath  dahier  er¬ 
habne  Erlaubniß  der  Chur-Pfältzischen  Hof-Schauspieler,  unter  der 
Direction  des  Herrn  Marchand  ihre  Schaubühne  während  der  Messe 
eröfnen  zu  dörffen,  werden  kommenden  Dienstag  zum  ersten  mahl 
ihre  Bühne  eröfnen  und  sodann  mit  den  neuesten  Comödien,  besten 
Opern  und  schönsten  Ballets  täglich,  den  Sonntag  aber  ausgesetzt, 
continuiren.« 

In  derselben  Weise  machte  Marchand  bei  seiner  jedesmaligen 
Wiederkehr  den  Beginn  seiner  Vorstellungen  bekannt.  —  Im  Laufe 
der  Zeit,  besonders  in  den  letzten  Jahren,  war  auch  in  Frankfurt 
bei  den  auftretenden  Wandertruppen  immer  mehr  die  Sitte  in  Auf¬ 
nahme  gekommen,  die  Eröffnung  ihrer  Schaubühne  in  den  »Frag- 
und  Anzeigungs-Nachrichten«  anzukündigen.  Schon  seit  der  Wirk¬ 
samkeit  der  italienischen  Operisten  im  Jahre  1732  finden  sich  dann 
und  wann  von  den  Komödianten  in  dem  genannten  Blatt  Inserate, 
welche  stets  sehr  kurz  gehalten  und  meist  nicht  mit  den  Namen  der 
betreffenden  Direktoren  versehen  sind. 

Dieser  Mangel  hat  mehrfach  irrige  Annahmen  hinsichtlich  des 
Auftretens  der  verschiedenen  Truppen  verursacht.  Von  einer  regel¬ 
mässigen  Ankündigung  der  Vorstellungen  nach  heutigem  Gebrauch 
aber  war  auch  zur  Zeit  Marchand’s  und  seiner  unmittelbaren  Nach¬ 
folger  noch  keine  Rede.  Nur  die  Vorstellungen  derjenigen  Stücke 
wurden  damals  öffentlich  angezeigt,  welche  zum  Besten  der  milden 
Stiftungen  gegeben  werden  sollten.  Als  hauptsächlichstes  Mittel  für 
die  Bekanntmachung  der  Vorstellungen  galten  noch  immer  die  Theater¬ 
zettel  ,  welche  für  die  Beurtheilung  Marchand’s  und  seiner  Truppe 
um  so  grösseren  Werth  besitzen,  als  auf  ihnen  regelmässig  die  Ver¬ 
treter  der  einzelnen  Rollen  angegeben  sind.  Dieser  Gebrauch  war 
seit  dem  Ende  der  sechsziger  Jahre  bei  allen  besseren  Gesellschaften 
aufgekommen;  nur  untergeordnete  Wandertruppen  machten  eine  Aus¬ 
nahme  von  der  allgemeinen  Regel. 

Als  Marchand  in  der  Ostermesse  1771  im  Bienenthal’schen 
Saal  seine  ersten  Vorstellungen  gab,  war  seine  Lage  dem  Frank¬ 
furter  Publikum  gegenüber  eine  sehr  schwierige.  Dieses  hatte  immer 
noch  für  die  frisch  in  seinem  Gedächtniss  lebenden  Kurz’schen 


315 


Bernardoniaden  und  Löpper’schen  Harlekinaden  ein  lebhaftes  Inter¬ 
esse  und  zeigte  so  wenig  Theilnahme  an  den  graziösen  Singspielen, 
dass  die  schlechtesten  Einnahmen  zu  befürchten  waren. 

Im  Hinblick  auf  diesen  bisherigen  Misserfolg  suchten  einige 
Freunde  Marchand’s  die  befürchtete  Katastrophe  dadurch  zu  ver¬ 
hindern,  dass  sie  demselben  zur  Darstellung  von  Burlesken  und 
Zauberkomödien  im  Kurz’schen  Stile  riethen.  Aber  Marchand  meinte 
es  zu  ernst  mit  seiner  aus  Ueberzeugung  eingeschlagenen  Kunst¬ 
richtung,  um  einen  solchen  Rath  befolgen  zu  können.  Thatkräftig 
und  entschieden  wie  er  war,  nahm  er  sich  vor,  noch  eine  Zeit  lang 
ruhig  auszuharren  und  durch  die  weitere  Aufführung  von  Sing¬ 
spielen  muthig  der  verkehrten  theatralischen  Geschmacksrichtung 
eines  irregeleiteten  Publikums  zu  trotzen.  Diese  mannhafte  Festigkeit 
sollte  von  der  segensreichsten  Bedeutung  für  Marchand  selbst  und 
für  die  Fortentwickelung  der  dramatischen  Kunst  in  Frankfurt 
werden.  Nach  imd  nach  fühlten  sich  die  Frankfurter  und  die 
Messfremden  durch  das  treffliche  Zusammenspiel  der  Gesellschaft 
immer  mehr  angezogen,  Vater  Bernardon  und  Löpper  waren  bald 
ganz  vergessen  und  der  neue  Theaterdirektor  wusste  sich  so  in  der 
Gunst  der  Menge  festzusetzen,  dass  er  am  Schluss  der  Messe  noch 
um  die  ihm  sofort  gewährte  Erlaubniss,  fernere  zwei  Wochen  spielen 
zu  dürfen,  einkommen  konnte. 

Im  Mai  1771  verliess  Marchand  Frankfurt.  Gleich  nach  seiner 
Abreise  verschaffte  sich  der  Komödiant  Charles  Bernardy,  Direktor 
der  französischen  Schaubühne  in  Hanau,  unter  dem  Beistand  von 
hohen  Persönlichkeiten  die  Erlaubniss,  in  einem  hiesigen  Saal  sechs 
Repräsentationen  geben  zu  dürfen.473  Dieselben  wurden  im  Juni 
1771  wahrscheinlich  im  Bienenthal’schen  Lokal  abgehalten,  können 
aber  schon  deshalb  nicht  von  grosser  Bedeutung  gewesen  sein,  weil 
Bernardy  nur  eine  Abgabe  von  10  fl.  an  die  Stadt  dafür  zu  ent¬ 
richten  hatte. 

Zur  selben  Zeit,  als  Bernardy  um  die  Erlaubniss  für  die  ge¬ 
dachten  sechs  Vorstellungen  einkam,  suchten  noch  verschiedene 
Wanderprincipale,  unter  anderen  ein  gewisser  Georg  Schwager,  ver¬ 
geblich  die  Zulassung  für  die  Herbstmesse  zu  erlangen.  Schwager 
bewarb  sich  dann  später  von  Cöln  aus  um  die  Vergünstigung,  vom 
Beginn  des  Jahres  1772  bis  auf  Fastnacht  hier  spielen  zu  dürfen, 
erhielt  aber,  jedenfalls  aus  Rücksicht  für  Marchand,  wieder  einen  ab¬ 
schlägigen  Bescheid.474 

Von  Strassburg,  wo  er  von  Anfang  Juli  bis  Anfang  August 
1771  zu  spielen  gedacht  hatte,  kehrte  Marchand  nach  Frankfurt 
zurück  und  zwar  wahrscheinlich  kurz  vor  dem  Beginn  der  Herbstmesse. 
Er  gab  nach  dem  Schluss  derselben  noch  fünf  Wochen  hindurch 
Vorstellungen,  woraus  sich  mit  Sicherheit  der  Beifall  ermessen  lässt, 
welcher  den  meistens  von  ihm  selbst  nach  französischen  Originalen 


-  316  - 

in ’s  Deutsche  übertragenen  Operetten  und  Singspielen  schon  im  ersten 
Jahre  seines  hiesigen  Aufenthaltes  vom  Frankfurter  Publikum  zu 
Theil  wurde. 

Bei  seiner  Wiederkehr  im  nächsten  Jahre  wurden  Marchand’s 
Vorstellungen  in  beiden  Messen  so  stark  besucht,  dass  der  Bienen- 
thal’sche  Saal  nicht  mehr  alle  Zuschauer  zu  fassen  vermochte.  Das 
mag  jedenfalls  die  Veranlassung  gewesen  sein,  dass  Oberst  Bender 
von  Bienenthal  im  Januar  1773  eine  Vergrösserung  seines  ein¬ 
träglichen  Lokals  vornahm.  Er  that  dies  jedoch,  ohne  vorher  die 
Einwilligung  der  städtischen  Behörde  erlangt  zu  haben,  weshalb 
er  gleich  nach  dem  Beginne  der  Arbeiten  Bauarrest  erhielt.  Er  kam 
darauf  nachträglich  um  die  fehlende  Erlaubniss  ein,  welche  ihm 
denn  auch  nach  einer  unbedeutenden  Geldstrafe,  aber  mit  einschränken¬ 
den  Bedingungen,  gewährt  wurde. 

Diese  Angelegenheit  und  der  Umstand,  dass  Bienenthal  von 
seinem  Saal  für  die  in  demselben  abgehaltenen  theatralischen  Vor¬ 
stellungen  und  Koncerte  eine  jährliche  Miethe  von  ungefähr  1500 
bis  2000  fl.  zog,  regte  einige  Rathsmitglieder  an,  im  Winter  1774 
die  Frage  wegen  der  Erbauung  eines  städtischen  Komödienhauses 
wieder  mit  neuem  Eifer  aufzufassen.  Dass  das  evangelisch- 
lutherische  Predigerministerium  seine  gleich  nach  dem  Beginne 
der  Verhandlungen  eingereichte  Abmahnungsschrift  in  Bezug  auf 
die  moralische  Haltung  von  Wanderprincipalen  diesmal  in  bedeutend 
milderem  Tone  abfasste,  mag  wohl  auch  viel  seinen  Grund  in  dem 
ebenso  entschiedenen  als  feinen  Auftreten  Marchand’s  gehabt  haben, 
dessen  ganzes  Verhalten  den  Mann  von  gediegener  Bildung,  Charak¬ 
ter  und  sittlicher  Strenge  verrieth.  Auch  das  Leben  und  Streben 
seiner  Truppe,  die  einen  ganz  anderen  Eindruck  machte,  wie 
einige  Jahre  früher  Löpper’s  zigeunerhafte  Bande,  mag  wesentlich 
dazu  beigetragen  haben,  dass  man  —  trotzdem  das  Theater  mit 
Hülfe  eines  Citates  aus  dem  sonst  verpönten  Rousseau  als  etwas 
Verderbliches  hingestellt  wurde  —  mit  den  Komödianten  ziemlich 
glimpflich  verfuhr. 

Ein  ungenannter  Frankfurter  Verfasser  stellt  in  seiner  nur  aus 
einigen  Blättern  bestehenden  Abhandlung  »Beitrag  zur  deutschen 
Schaubühne«  im  Jahre  1774  der  Marchand’schen  Gesellschaft  ein 
Zeuginiss  aus,  dessen  Inhalt  gerade  das  Gegentheil  von  den  Mitthei¬ 
lungen  berichtet,  welche  Dr.  Johann  Balthasar  Kölbele  Ende  der 
sechziger  Jahre  über  die  Kurz’sche  Truppe  veröffentlichte.  »Der 
Direktor«,  heisst  es,  »hält  seine  Leute,  wie  ein  guter  Familienvater 
die  Zugehörigen  des  eignen  Hauses.  Da  ist  nichts  Freves,  nichts 
Despektirliches ,  wie  man  es  vor  noch  nicht  langen  Zeiten  hier  ge¬ 
sehen  haben  soll ;  cs  gehet  Alles  seinen  guten  Gang  und  Niemand 
merket  von  dom  losen  Wesen  des  Standes.  In  Sonderheit  sind  die 
Frauenzimmer  zu  loben,  die  zwar  auf  der  Schaubühne  die  Liebe 


317 


und  ihre  Finessen  recht  gut  vor  Augen  führen  können,  aber  in 
Würklichkeit  sehr  dousement  und  artig  auftreten.  Das  ist  aber 
keine  belle  vue  für  manche  Junkers,  die  seither  daran  gewöhnet 
waren,  die  Liebeshistörchen  nach  dem  Schluss  der  Schaubühne  mit 
denen  Actricen  fortzusetzen.  Madame  Marchand  ist  ein  herrlich 
schönes  Frauenzimmer,  desgleichen  auch  die  sehr  junge  Demoiselle 
Köllerin,  die  gewiss  einmal  eine  helle  Leuchte  in  ihrer  Kunst  wer¬ 
den  wird.  Es  ist  ein  wahres  Plaisir,  beide  im  »Deserteur«  miteinan¬ 
der  agiren  zu  sehen ;  sie  singen  auch  ebenso  gut,  als  sie  spielen, 
und  zeigen  eine  Anmuth,  weshalben  sie  die  Grazien  beneiden  könn¬ 
ten.  Auch  alle  anderen  Acteurs  und  Actricen,  auf  die  ich  später  zu 
sprechen  komme,  [Ist  aber  in  dieser  Abhandlung  nicht  mehr  ge¬ 
schehen]  sind  sehr  zu  rühmen;  man  merkt  ihnen  an,  dass  sie  auf 
allen  Sätteln  fest  sitzen  und  eine  gute  Leitung  haben.  Man  sollte 
denken,  dass  ein  so  trefflich  geschultes  Collegium  auch  unsere  neue¬ 
ren  teutschen  Stücke  ebenso  gut  darstellen  könnte,  wie  die  gewiss 
lieblichen,  aber  meist  von  unseren  französischen  Nachbarn  geborgten 
Singspiele  und  lustigen  Komödien.« 

Dieser  Meinung  waren  noch  mehr  gebildete  Leute  in  Frank¬ 
furt,  aber  man  darf  es  deshalb  Marchand  doch  nicht  zum  Vorwurf 
machen,  dass  er  ihren  vereinzelten  Mahnungen  kein  besonderes  Ge¬ 
hör  schenkte.  Das  Sing-  und  Lustspiel  war  eben  nicht  allein  die 
Stärke  seiner  Gesellschaft,  sondern  auch  die  einzige  Kunstgattung, 
welche  er  nach  Vater  Bernardon’s  tollen  Burlesken  und  Löpper’s 
Harlekinaden  dem  grossen  Publikum  bringen  konnte.  Lessing’s 
Werke  und  die  Stücke  der  durch  ihn  zu  dramatischem  Schaffen  an¬ 
geregten  deutschen  Schriftsteller  konnte  Marchand  noch  nicht  zum 
eigentlichen  Kernpunkt  seines  Repertoires  erheben,  er  hatte  vielmehr 
die  Schaubühne  in  Frankfurt  wie  eine  heitere  Unterhaltungsanstalt 
aufzufassen  und  leistete  innerhalb  dieses  gegebenen  Rahmens,  was  in 
künstlerischer  Beziehung  geleistet  werden  konnte. 

Das  Repertoire  Marchand’s  war  auch  lange  nicht  so  oberfläch¬ 
lich,  wie  es  oft  von  seinen  Gegnern  hingestellt  worden  ist.  Man 
vermag  sich  kaum  etwas  Anmuthigeres  und  Fesselnderes  vorzu¬ 
stellen,  als  das  seit  J.  J.  Rousseau’s  »devin  du  village«  etwa  um 
1750  immer  mehr  emporgekommene  französische  Singspiel.  Die 
reizenden  Libretti  von  Sedaine,  Favart,  Marmontel  und  Anderen, 
deren  Handlungen  fast  durchweg  ein  einfacher  idyllischer  Grundzug 
kennzeichnete,  wurden  durch  die  liebliche,  weder  zu  schwer  fass¬ 
liche,  noch  zu  seichte  Musik  dazu  von  Favart,  Gretry,  Monsigny, 
Desaides,  Philidor  und  sonstigen  Komponisten  noch  mehr  gehoben. 

Nichts  konnte  geeigneter  erscheinen,  heitere,  angeregte  Stunden 
zu  verschaffen,  freundlicher  und  belebender  auf  Geist  und  Gemütli 
zu  wirken,  als  diese  und  die  späteren  deutschen  Singspiele  von 
Hiller,  Neefe,  Andre,  Ben  da,  Wolf  und  Stegmann,  welche  im  Verein 


318 


mit  deutschen  und  aus  dem  Französischen  übersetzten  Komödien  und 
Schauspielen  den  hauptsächlichsten  Theil  des  Marchand’schen  Reper¬ 
toires  ausmachten. 

Eine  übersichtliche  Aufzeichnung  der  von  Marchand  —  soweit 
es  sich  feststellen  lässt  —  in  Frankfurt  zur  Darstellung  gebrachten 
Stücke  ist  in  Beilage  XIX  zu  finden.  Hier  werde  nur  darauf  auf¬ 
merksam  gemacht,  dass  sowohl  Monsigny’s  bestes  Werk,  die  Opera 
Bouflä  »Der  Deserteur«,  mit  Text  von  Sedaine,  als  auch  das  von 

Götter  für  die  deutsche  Bühne  bearbeitete  Schauspiel  Mercier’s  »Der 
Deserteur  aus  Kindesliebe«  in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jahr¬ 
hunderts  zu  den  Lieblingsstücken  des  Frankfurter  Publikums  zählten. 
Das  letztgenannte  Schauspiel,  welches  zu  der  Gattung  der  von 
Lessing  »weinerliche  Dramen«  genannten  Stücke  gehört,  fand  wohl 
hauptsächlich  deshalb  so  viel  Anklang,  weil  es  ganz  und  gar  den 

Ton  der  Empfindsamkeit  traf,  welchen  Goethe’s  »Werther’s  Leiden« 

wachgerufen  hatte,  und  welchen  eine  Menge  von  Romanen  fort¬ 

zunähren  suchte.  Man  lebte  die  dargestellten  rührenden  Kämpfe 
zwischen  Pflicht  und  Liebe  gleichsam  wie  in  Wirklichkeit  mit  durch, 
man  fand  die  Thränenergüsse  selbstverständlich  und  schwelgte  in 
einem  für  uns  grausigen  Entzücken  heim  Nachfühlen  des  furchtbaren 
Leidens  jener  erdichteten  Gestalten. 

Yon  der  Opera  Bouffa  »Der  Deserteur«  haben  sich  mehrere 
Theaterzettel  aus  verschiedenen  Jahren  erhalten.  Da  Herr  Senator 
von  Oven  in  seinem  Werk  »Das  erste  städtische  Theater  zu  Frankfurt 
a.  M.«  den  Zettel  vom  8.  April  1771  bereits  veröffentlichte,  so  lassen 
wir  in  der  Beilage  Nr.  XIX  den  Abdruck  desjenigen  von  der  am 
12.  September  1771  stattgefundenen  Vorstellung  folgen,  der  freilich 
dem  anderen  vollständig  gleich  ist  und  nur  anstatt  der  pantomimi¬ 
schen  Scene  »Das  Mayntzer  Markt-Schiff«  ein  anderes,  nicht  näher 
bezeiclmetes  Ballet  ankündigt. 

Yon  der  Aufführung  des  von  Götter  bearbeiteten  Stückes  »Der 
Deserteur  aus  Kindesliebe«  sind  aus  den  beiden  Messen  der  Jahre 
1775  und  1776,  sowie  aus  der  Ostermesse  des  folgenden  Jahres  nur 
zur  Hälfte  und  zum  vierten  Theil  erhaltene  Programme  vorhanden. 
Ueberhaupt  waren  wir  nur  im  Stande,  von  der  siebenjährigen  Thätig- 
keit  Marchand’s  in  Frankfurt  sechs  vollständig  unversehrte  Theater¬ 
zettel  ausfindig  zu  machen.  Fünf  davon  zeigen  Aufführungen  von 
der  komischen  Oper  »Der  Deserteur«  an,  die  ebenfalls  in  Beilage 
Nr.  XIX  veröffentlichte  Ankündigung  vom  24.  October  1774  eine 
Vorstellung  des  hier  sehr  gern  gesehenen,  aus  dem  Französischen 
übersetzten  Lustspiels:  »Die  verliebten  Thorheiten«.  Theils  aus  den 
Fragmenten,  theils  aus  den  in  der  Andreä’schen  Buchhandlung  er¬ 
schienenen  und  von  Marchand  hier  aufgeführten  Operetten,  Schau- 
und  Singspielen  475  ist  das  bereits  erwähnte  Repertoire,  das  selbst- 


319 


verständlich  keinen  Anspruch  auf  Vollständigkeit  machen  kann,  zu- 
sammengestellt  worden. 

Wenn  der  unbekannte  Verfasser  in  seiner  Abhandlung  »Bei¬ 
trag  zur  deutschen  Schaubühne«  den  Ausspruch  thun  konnte,  die 
Mitglieder  der  kurpfälzischen  Gesellschaft  passten  auf  jeden  Sattel, 
so  dachte  er  dabei  jedenfalls  an  die  Thatsache,  dass  die  jüngeren 
Darsteller  und  Darstellerinnen  nicht  allein  im  Spiel,  sondern  auch 
im  Gesang  und  Tanz  tüchtig  sein  mussten.  Marchand  war  in  Bezug 
auf  das  künstlerische  Emporkommen  aller  seiner  Mitglieder  ein  sehr 
strenger  Direktor.  Er  studirte  Anfängern  selbst  die  Rollen  ein, 
leitete  die  Proben  und  bestimmte  regelmässige  Lektionen  bei  dem 
Balletmeister,  von  denen  auch  die  älteren  Darsteller  nicht  aus¬ 
geschlossen  waren.  Der  Direktor  selbst  machte  alle  diese  Uebungen 
mit  und  theilte  auch  ausserdem  wie  ein  guter  Befehlshaber  mit  seiner 
Truppe  jede  Mühe  und  Anstrengung. 

Dass  eine  solche  Haltung  des  Oberhauptes  auf  die  künstleri¬ 
schen  und  sittlichen  Grundsätze  der  Mitglieder  nicht  ohne  segens¬ 
reichen  Einfluss  blieb,  bedarf  keiner  weiteren  Begründung.  In  den 
sieben  Jahren,  in  welchen  Marchand  in  beiden  Messen  hier  spielte, 
ist  auch  nicht  ein  einziger  Pall  bekannt  geworden,  der  die  alte 
Geringschätzung  gegen  den  Komödiantenstand  neu  gerechtfertigt 
hätte.  Da  er  mit  seiner  Truppe  ziemlich  abgeschlossen  lebte,  nahm 
Marchand  keine  so  hohe  gesellschaftliche  Stellung  in  Frankfurt  ein, 
wie  Anfangs  Baron  Joseph  von  Kurz,  aber  er  verkehrte  viel  mit 
Kunstverständigen,  hauptsächlich  mit  hiesigen  Tonkünstlern  und  er¬ 
freute  sich  auch  ohne  einflussreiche  Verbindungen  der  Achtung  aller 
gebildeten  Frankfurter. 

Ein  ehrendes  Zeugniss  für  die  kurpfälzische  Truppe  ist  es 
ferner,  dass  ihre  Mitglieder  nur  sehr  selten  ihre  Stellungen  wechsel¬ 
ten.  Die  meisten  Komödianten  der  früher  hier  gewesenen  Truppen 
waren  den  Wandervögeln  zu  vergleichen,  welche  nach  kurzer  Rast 
auf  einer  beliebigen  Haltestelle  ihren  Flug  in’s  Weite  wieder  be¬ 
ginnen  ,  »die  Zugehörigen  Marcliand’s«  hatten  mehr  den  Charakter 
von  den  gefiederten  Getreuen  des  deutschen  Waldes,  die  darin  über¬ 
wintern  und  nur  durch  sehr  wichtige  Gründe  zum  Verlassen  ihrer 
seitherigen  Heimstätte  bewogen  werden.  So  lange  Marchand  in  Frank¬ 
furt  spielte,  lassen  sich  mit  Gewissheit  nur  drei  Fälle  nachweisen, 
wo  Mitglieder  seine  Gesellschaft  verlassen  haben.  Zu  diesen  gehörte 
der  geschätzte  Sänger  Nouseuil,  der  im  Herbste  1774  einem  Ruf  des 
Kurfürsten  von  Bayern  nach  München  folgte. 

Da  bis  jetzt  nur  Marchand  selbst,  seine  schöne  Gattin  und  die 
jugendliche  Demoiselle  Köllerin  von  dem  Personal  Erwähnung  ge¬ 
funden  haben,  so  ist  es  nun  wohl  am  Platze,  auch  der  anderen  her¬ 
vorragenden  Mitglieder  und  ihrer  künstlerischen  Bedeutung  zu  ge¬ 
denken.  Herr  Hellmuth,  später  zur  Seyler’schen  Gesellschaft  gehörig, 


320 


war  der  erste  Bassbuffo  der  Truppe  und  that  sich  neben  den  die 
lyrischen  Tenorpartien  vortrefflich  durchführenden  Herren  Pilotti  und 
Huck,  deren  letzterer  auch  in  Chevaliersrollen  und  als  erster  Lieb¬ 
haber  vorzüglich  war,  hauptsächlich  in  dem  Singspiel  und  in  der 
Oper  hervor.  Ein  anderer  Bassbuffo  der  Gesellschaft  war  Herr 
Brandes,  welcher  eine  so  ausgezeichnete  Stimme  besass,  dass  er 
während  des  Aufenthaltes  der  Gesellschaft  in  Mainz  oft  am  Hofe 
singen  musste.476  Anstandsrollen  gab  Herr  Tietke  mit  vielem  Glück; 
Herr  Stierle  hatte  das  Fach  der  jugendlichen  Liebhaber  inne;  Ballet¬ 
meister  war  Herr  Brochard  der  Aeltere,  und  Direktor  des  Orchesters 
der  Kapellmeister  Bälden ecker.  Yon  den  übrigen  Darstellern  des 
männlichen  Personals  sind  noch  Herr  Wolffram  und  Herr  Mierk 
namhaft  zu  machen,  während  die  Namen  der  sonstigen  Mitglieder 
für  die  Theatergeschichte  keine  Bedeutung  haben.  Wolffram,  den 
wir  schon  1745  in  Frankfurt  bei  der  Neuberiu  getroffen,  war  in  der 
langen  Zwischenzeit  Mitglied  der  bedeutendsten  deutschen  Wander¬ 
truppen  gewesen  und  von  Marchand  vor  der  Ostermesse  1774  für 
das  Fach  der  komischen  Alten  engagirt  worden.  Herr  Mierk,  ein 
Freund  Eckhofs,  war  ebenfalls  an  der  Leitung  des  Ballets  betheiligt; 
er  besass  ein  ausserordentliches  Talent  zum  Erfinden  von  panto¬ 
mimischen  Darstellungen  und  trat  auch  im  Lustspiel,  besonders  in 
lustigen  Bedientenrollen,  mit  grossem  Erfolge  auf. 

Wegen  ihrer  gesanglichen  Begabung  und  Ausbildung  muss 
von  den  Damen  der  Truppe  in  erster  Linie  die  ausgezeichnete 
Sopranistin  Madame  Brochard  genannt  werden.4  77  Sie  hatte  die 
schwierigsten  Bollen  im  Singspiel  und  in  der  Operette  durchzuführen 
und  vereinigte  mit  ihrem  bedeutenden  musikalischen  Talent  eine 
graziöse  Darstellungsweise.  Zu  ihren  Glanzpartien  zählten :  »Das 
Kosenmädchen  von  Salency«,  »Zemire«,  »Coralli«  (Freundschaft  auf 
der  Probe)  und  »Louise«  im  Deserteur.  Auch  zärtliche  Bollen  im 
Schauspiel  gab  sie  mit  gleicher  Vortrefflichkeit.  Madame  Brochard 
soll  weniger  schön  gewesen  sein,  aber  sie  war  mit  ganzer  Seele 
Künstlerin  und  lebte  sich  so  in  ihre  Bollen  ein ,  dass  man  ihr 
Aeusseres  bald  ganz  darüber  vergass.  Im  Leben  gesellten  sich  naive 
Liebenswürdigkeit,  Geschick  und  grosser  Fleiss  noch  zu  ihren  schau¬ 
spielerischen  und  gesanglichen  Gaben. 

Dass  Madame  Marchand  ein  Gegenstand  der  allgemeinsten  Ver¬ 
ehrung  war,  ist  bereits  mitgetheilt  worden,  und  möge  hier  nur  noch 
über  sie  hinzugefügt  werden,  dass  sie  zwar  gesanglich  viel  weniger 
leisten  konnte,  wie  Madame  Brochard,  aber  in  der  Darstellung  von 
munteren,  naiven  und  graziösen  Bollen  dieselbe  bei  weitem  über¬ 
ragte.  Audi  Madame  Franziska  Hellmuth,  die  Gattin  des  älteren 
Hellmuth,  trat  als  Liebhaberin  im  Sing-  und  Schauspiel  auf.  Sie 
scheint  in  Frankfurt  nicht  regelmässig,  sondern  nur  dann  und  wann 
gespielt  und  hauptsächlich  ihre  unpässlichen  Kolleginnen  vertreten 


321 


zu  haben.  Es  wäre  nun  noch  Mierk’s  Gattin,  welche  im  Lustspiel 
jugendliche  Liebhaberinnen  gab,  die  Vertreterin  der  Mütterrollen : 
Madame  Urban,  und  noch  zwei  ältere  Darstellerinnen:  Madame 
Hartig  und  eine  Madame  Schrötter  zu  nennen,  von  denen  die  letztere 
hauptsächlich  im  Singspiel  mitgewirkt  haben  muss. 

Die  übrigen  weiblichen  Mitglieder  mögen  unter  Marchand’s 
Leitung  ebenfalls  ihr  Theil  zur  Herstellung  eines  trefflichen  En¬ 
sembles  beigetragen  haben,  aber  für  die  Geschichte  des  Frankfurter 
Theaters  sind  ihre  Namen  ohne  besondere  Bedeutung  geblieben. 

Im  Winter  1773  war  in  Weimar  die  von  Schweizer  homponirte 
Oper  »Alceste«  zum  ersten  Male  zur  Aufführung  gekommen,  deren 
Text  von  keinem  Geringeren  als  von  Wieland  verfasst  worden  war. 
Da  man  die  Oper  dort  mit  rauschendem  Beifall  aufgenommen  hatte, 
wurde  ihr  Erscheinen  zu  einem  grossen  Ereigniss  in  der  theatrali¬ 
schen  Welt.  Sie  machte  von  Weimar  aus  ihren  Weg  bald  über  die 
bedeutendsten  deutschen  Bühnen  und  wurde  von  Marchand  in  Frank¬ 
furt  schon  in  der  Ostermesse  1774  mit  Madame  Brochard  in  der 
Titelrolle  zur  Darstellung  gebracht.478  Mit  welchem  Erfolge,  lässt 
sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen,  obgleich  sich  in  den  »Frankfurter 
Gelehrten  Anzeigen«  vom  18.  November  1774  ein  Aufsatz  über  die 
»Alceste«  mit  der  für  die  kurpfälzische  Truppe  nicht  ganz  günstigen 
Bemerkung  findet:  »Jetzt  möchten  sie  vielleicht  Schweizern  gar  zu 
gerne  den  italienischen  Leisten  anpassen,  aber  siehe,  Lieber !  sie 
haben  nicht  Augen  und  Ohren;  denn  sie  guken  durch  venetianische 
Brillen  und  haben  ihr  Ohr  im  Marchand’schen  Komödienhause  ge¬ 
lassen.« 

Es  möchte  hier  der  Ort  sein,  noch  einmal  zu  erwähnen,  dass 
die  Tagesblätter  und  die  mit  dem  Beginne  der  siebziger  Jahre  wie¬ 
der  erscheinenden  »Frankfurter  Gelehrten  Anzeigen«  nur  insoweit 
von  dem  Theater  Notiz  nehmen,  als  sie  die  dramatische  Literatur 
nicht  gänzlich  übersehen  und  nur  den  neu  erschienenen  Stücken  eine 
kurze  Besprechung  widmen. 

Ab  und  zu  finden  sich  wohl  in  der  »Frankfurter  Oberpostamts- 
Zeitung«,  im  »Frankfurter  Journal«,  im  »Frankfurter  Staats-Ristretto« 
und  in  den  »Frag-  und  Anzeigungsnachrichten«  unter  den  sogenannten 
»Avertissements«  kleine  Bemerkungen  über  besonders  beliebte  Stücke 
oder  ganz  wichtige  Theaterereignisse,  aber  von  einer  regelmässigen 
Berichterstattung  über  die  Vorstellungen  oder  gar  von  einer  eigentlich 
kritischen  Beurtheilung  derselben  ist  auch  in  jener  Zeit  in  Frankfurt 
durchaus  noch  nicht  die  Rede. 

Das  Entstehen  der  Theaterkritik  in  den  öffentlichen  Blättern, 
welche  der  Schauspielkunst  für  immer  ihre  harmlose  Unbefangen¬ 
heit  rauben,  aber  auch  eine  grössere  Bedeutung  verleihen  sollte, 
fällt  hier,  wie  überall  in  Deutschland,  erst  in  eine  spätere  Zeit. 

2L 


322 


Sclimid  und  Dyck  erwähnen  es  in  ihrer  Chronologie  des  deut¬ 
schen  Theaters  als  etwas  ganz  besonders  Wichtiges,  dass  in  der  »Deut¬ 
schen  Bibliothek  der  schönen  Wissenschaften«  von  Klotz  die  Nach¬ 
richten  von  den  Leipziger  theatralischen  Vorstellungen  im  Jahre 
1769  ihren  Anfang  nehmen  sollten,  und  die  »Frankfurter  Gelehrten 
Anzeigen«  berichten  1775  mit  einem  deutlich  durchblickenden  Staunen, 
dass  Beichhard  in  Gotha  es  wirklich  unternehmen  wolle,  von  nun 
au  einen  allgemeinen  Theaterkalender  zu  schreiben.  —  In  manchen 
deutschen  Städten  waren  ja  wohl  schon  abgesonderte  Theater- 
beurtkeilungen  und  selbständige  Berichte  über  bedeutende  Truppen 
erschienen,  wie  z.  B.  im  Jahre  1755  die  »Schildereien  über  die 
Kochische  Bühne«  in  Leipzig,  ferner  die  »Weimarischen  Blätter«  von 
Peucer  1769,  die  Theaterzeitung  von  Bärstecher  in  Cleve  1770  und 
schliesslich  Lessing’s  Dramaturgie,  aber  dies  waren  im  grossen 
römischen  Reich  deutscher  Nation  doch  nur  sehr  vereinzelte  Er¬ 
scheinungen. 

Noch  im  Jahre  1782  bringen  die  »Frankfurter  Gelehrten  An¬ 
zeigen«  bei  Gelegenheit  einer  Besprechung  des  19.  Stückes  des 
Gothaer  Theaterjournals  vom  1.  October  1782  folgenden,  vielleicht 
auch  noch  für  unsere  Zeit  in  gewisser  Beziehung  passenden  Satz : 

»Hilft  gedruckte  Kritik  etwas  bei  dem  Schauspieler  oder  hilft 
sie  nichts,  wie  einige  unter  ihnen  behaupten  wollen,  und  an  wem 
liegt  die  Schuld:  an  der  Kritik  oder  an  dem  Schauspieler?  Diese 
Frage  war  schon  im  Theaterkalender  von  1779  aufgeworfen  worden 
und  bis  jetzo  unbeantwortet  geblieben.  Ich  würde  die  Frage  so  be¬ 
antworten  :  Den  Stümper  kann  keine  Kritik  bessern.  Hat  er  Ein¬ 
bildung  von  sich,  so  wird  er  verbittert,  hat  der  Ort,  wo  er  spielt, 
keinen  Geschmack,  oder  wusste  er  sich  durch  Kabalen  Anhang  zu 
verschaffen,  so  hilft  alles  Geschreibe  über  ihn  nichts.  Den  Schau¬ 
spieler  von  Talenten  in  einem  Stücke  zu  tadeln,  ist  darum  misslich: 
er  kann  nicht  wie  der  Autor  an’s  Publikum  appelliren,  weil  sein 
Kunstwerk  nicht  permanent,  sondern  transitorisch  ist,  und  weil  er 
nicht  allemal  die  Ursachen  erörtern  kann,  warum  er  sich  selbst  kein 
Genüge  that.« 

Wie  auch  aus  diesem  Ausspruch  hervorgeht,  hatte  Lessing 
auf  dem  Gebiete  der  belehrenden  Kritik  zu  wenig  würdige  Nachfolger, 
war  der  Antheil  an  den  theatralischen  Leistungen  in  gewissem  Sinne 
noch  ein  viel  zu  beschränkter,  um  das  Theater  in  Verbindung  mit 
dem  Fortschritt  und  den  höheren  Interessen  der  Nation  zu  bringen 
und  es  gleichsam  als  das  Barometer  der  geistigen  Zustände  Deutsch¬ 
lands  anzusehen. 

Aber  Lessing’s  Dramaturgie  sollte  doch  dem  Theater  nach  und 
nach  diesen  Ehrenplatz  erwerben  helfen.  Die  vielen  Zeitschriften, 
Theaterjournale,  Bühnenalmanache  und  dramaturgischen  Blätter,  welche 
am  Anfang  der  achtziger  Jahre  auf  dem  deutschen  Büchermarkt  er- 


323  — 


schienen,  liefern  einen  Beweis  für  das  besondere  Interesse,  welches 
der  Schauspielkunst  wenigstens  von  den  Gebildeten  unter  dem  Pu¬ 
blikum  gerade  damals  in  hohem  Grade  zugewandt  wurde. 

Es  ist  etwas  Erfreuliches,  feststellen  zu  können,  dass  Frankfurt 
in  dieser  Beziehung  vielen  anderen  deutschen  Städten  mit  rühm¬ 
lichem  Beispiel  voranging.  War  es  auch  noch  nicht  bei  der  Mar- 
chand’schen  Truppe,  so  wurde  doch  bei  der  ihr  unmittelbar  nach¬ 
folgenden  der  hiesigen  Schaubühne  von  Kennern  eine  Beachtung  und 
Beurtheilung  zu  Theil,  wie  sie  bisher  in  Frankfurt  nur  die  Malerei 
und  die  hervorragendsten  Zweige  der  Wissenschaften  und  sonstigen 
geistigen  Bestrebungen  erfahren  hatten. 

Die  Oper  »Alceste«  wurde  in  den  folgenden  Jahren  noch  mehr¬ 
mals  von  der  kurpfälzischen  Truppe  zur  Darstellung  gebracht,  aber 
»Götz  von  Berlichingen«,  der  geharnischte  Vorläufer  einer  grossen 
Dichterperiode,  kam  —  trotzdem  Frankfurt  die  Vaterstadt  des  genialen 
Verfassers  und  dieser  selbst  am  Anfang  der  siebziger  Jahre  oft 
und  ziemlich  lange  hier  anwesend  war  —  nicht  auf  die  Bretter  der 
hiesigen  Schaubühne. 

Ob  »Clavigo«,  dem  Schröder  schon  1774  in  Hamburg  die  Ehre 
der  ersten  Aufführung  erwies,  auch  alsbald  in  Frankfurt  gegeben  wurde, 
können  wir  wegen  Mangels  an  Theaterzetteln  und  sonstigen  gedruckten 
Quellen  nicht  entscheiden.  Jacob  Peth  berichtet  zwar  in  seiner  Ge¬ 
schichte  der  Musik  und  des  Theaters  zu  Mainz,  dass  dieses  Stück 
in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  von  der  Marchand’- 
schen  Gesellschaft  dort  aufgeführt  worden  sei,479  woraus  man,  da 
die  Frankfurter  und  Mainzer  Theatergeschichte  jener  Zeit  gerade 
viel  Uebereinstimmendes  in  den  stattgefundenen  Vorstellungen  haben, 
vielleicht  den  Schluss  ziehen  könnte,  dass  damals  schon  »Clavigo« 
auch  hier  gegeben  worden  sei;  da  aber  die  »Frankfurter  Gelehrten 
Anzeigen«,  die  aller  in  Verbindung  mit  Goethe  und  dessen  Werken 
stehenden  Ereignisse  immer  zu  gedenken  pflegen,  nichts  von  einer 
hiesigen  Aufführung  des  »Clavigo«  berichten,  da  auch  die  Frank¬ 
furter  Theaterschriftsteller  Wagner,  Rühl  und  Seyfried,  welche  in 
späteren  Kritiken  oft  auf  bedeutende  Vorstellungen  früherer  Jahre 
zurückkommen,  niemals  einer  solchen  von  »Clavigo«  Erwähnung  thun, 
und  Goethe  selbst  bei  Gelegenheit  einer  Beschreibung  des  Marchand’- 
schen  Theaters  in  »Wahrheit  und  Dichtung«  und  in  seinen  Briefen 
keine  Mittheilung  davon  macht:  so  wäre  ja  wohl  einestheils  die 
Möglichkeit  einer  zu  jener  Zeit  in  Frankfurt  unter  Marchand’s  Direk¬ 
tion  stattgefundenen  Vorstellung  dieses  Stückes  nicht  auszuschliessen, 
anderntheils  aber  auch  wieder  die  Berechtigung  zu  manchen  starken 
Zweifeln  gegeben. 

Marchand’s  Gegner  haben  ihm  das  Uebersehen  einiger  wichti¬ 
ger  Momente  in  dem  Fortschritt  der  deutsch-dramatischen  Literatur 
oft  zum  Vorwurf  gemacht,  aber  dies  ist  stets  nur  in  vollkommener 

21  * 


324 


Verkennung  seiner  künstlerischen  Aufgabe  geschehen.  Wenn  er 
auch  in  den  letzten  Messen  während  seines  Frankfurter  Aufenthaltes 
dann  und  wann  Schauspiele  deutscher  Autoren,  z.  B.  den  »Grafen 
von  Walltron«  von  Möller  zur  Aufführung  brachte,  so  hatten  doch 
derartige,  einen  ernsten  Gegenstand  behandelnde  dramatische  Werke 
eine  viel  zu  untergeordnete  Stellung  in  seinem  Repertoire,  als  dass  er 
ein  die  französischen  Regeln  so  kühn  verletzendes  Stück  wie  »Götz 
von  Berlichingen«,  das  ausserdem  in  anderen  Städten  nur  sehr  mäs- 
sige  Erfolge  erzielt  hatte,  aus  blosser  Rücksicht  für  den  Frankfurter 
Verfasser  hier  auf  seine  Bühne  gebracht  hätte.  Auch  darf  man  bei 
der  Beurtheilung  dieser,  Marchand  besonders  von  einem  später  noch 
mehr  gegen  seine  Bestrebungen  kämpfenden  Grafen  von  Nesselrode 
zum  Vorwurf  gemachten  Versäumniss  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass 
Goethe  trotz  seiner  bedeutenden  Schöpfungen  damals  noch  nicht  der 
Dichterheros  war,  zu  dem  wir  heute  bewundernd  aufblicken.  Er 
stand  noch  am  Beginne  seiner  poetischen  Laufbahn  und  erstaunte 
in  edler  Bescheidenheit  selbst  darüber,  dass  berühmte  Gesellschaften 
wie  die  Koch’sche  in  Berlin  schon  1773  seinem  »Götz  von  Berlichingen« 
und  die  Schröder’sche  in  Hamburg  1774  seinem  »Clavigo«  die  Ehre 
der  ersten  Aufführung  erwiesen. 

Marchand,  dessen  künstlerische  Richtung  von  dem  Einfluss 
französischer  Bühnengrössen  bestimmt  worden,  war  wenigstens  in 
Frankfurt  nicht  dazu  berufen,  in  dem  Kampfe,  welchen  die  deutsche 
Schauspielkunst  unter  Lessing’s  Führung  gegen  das  XJebergewicht 
des  französischen  Einflusses  auf  der  deutschen  Bühne  begann, 
eine  hervorragende  Aufgabe  durchzuführen.  Seine  Stellung  in  der 
Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  gleicht  der  Wieland’s  in  der 
deutschen  Literatur.  Dieser  Dichter  verschaffte  bekanntlich  durch 
seine  leichte,  der  französischen  Schreibweise  nachgebildete  Form  dem 
deutschen  Roman  Eingang  in  die  höheren  und  gebildeten  Gesell¬ 
schaftskreise  —  Marchand  erweckte  in  Frankfurt  durch  seine  ge¬ 
fälligen  und  einschmeichelnden  Darstellungen  nicht  allein  das  In¬ 
teresse  des  besseren  Publikums  für  die  Schaubühne ,  sondern 
auch  die  durch  die  Possenspiele  verloren  gegangne  Achtung  vor 
ihren  später  immer  mehr  die  fremde  Hülfe  abweisenden  Leistungen 
wieder. 

Wer  Marchand’s  Thätigkeit  in  Frankfurt  unterschätzt,  wer  seine 
Richtung  und  sein  Anlehnen  an  französische  Vorbilder  tadelt,  der  ur- 
theilt  ähnlich  wie  jener  Medicaeer,  der  einen  Bildhauer  früherer  Zeiten 
deshalb  einen  Stümper  nannte,  weil  er  nicht  so  Vortreffliches  leistete, 
wie  seine  durch  ganz  andere  Kunsteinflüsse  und  geistige  Förde¬ 
rungen  gebildeten  Nachfolger. 

Führte  aber  auch  Marchand  den  »Götz  von  Berlichingen«  und 
jedenfalls  auch  den  »Clavigo«  nicht  auf,  so  beugte  er  sich  doch  vor  der 
gewaltigen  Hcldenthat  der  eisernen  Hand  des  ersteren.  Es  ist  bekannt, 


325 


dass  Goethe’s  geharnischter  Erstling  nicht  allein  eine  grosse  Umgestal¬ 
tung  auf  dem  Gebiete  der  dramatischen  Poesie,  sondern  auch  auf  dem 
Felde  des  seither  conventioneilen  Kostüms  und  der  Dekoration  an¬ 
regte.  Mit  Recht  sagt  Devrient  in  seiner  Geschichte  der  deutschen 
Schauspielkunst:  »Den  Gebrauch,  alle  Stücke,  die  nicht  gerade  zu 
antik  oder  morgenländisch  waren,  in  französischer  Hoftracht  zu 
spielen,  stiess  Götzens  eiserne  Faust  über  den  Haufen.  Im  Staats¬ 
kleide  und  in  gepuderter  Frisur  konnten  diese  Gestalten  nicht  er¬ 
scheinen,  ihre  Fehden  waren  mit  dem  Galanteriedegen  nicht  auszu¬ 
fechten.« 

Auch  Marchand  passte  —  ohne  Zweifel  in  Folge  dieses  Um¬ 
schwungs  —  in  den  letzten  Jahren  seines  Hierseins  die  Kostüme, 
Dekorationen  und  Requisiten  mehr  dem  Charakter  der  Personen  und 
der  Zeit  des  Stückes  an.  Wir  erfahren  dies  durch  kleine  Beilagen 
zu  Theaterzetteln,  welche  kurz  vor  dem  Beginne  der  Vorstellung  im 
Bienenthal’schen  Saal  herumgereicht  wurden.  Oft  wird  durch  dieselben 
das  Publikum  darauf  aufmerksam  gemacht,  »dass  der  Direkteur  keine 
Kosten  gescheut  habe,  um  die  Dekorationen  imittiren  und  die  Kostüms 
und  sonstigen  Requisiten  genau  nach  der  Art  der  Handlung  anfer¬ 
tigen  zu  lassen.« 

Nach  der  Besprechung  des  indirekten  Einflusses,  welchen  Goethe’s 
gewaltiges  Werk  auf  die  Kunstbestrebungen  des  Direktors  Marchand 
ausübte,  gehen  wir  nun  näher  auf  die  Anregungen  ein,  welche  der 
junge  Dichter  in  dem  Theater  desselben  empfangen  haben  mochte. 

Obgleich  Goethe  erst  im  siebzehnten  Buch  seiner  Lebens¬ 
geschichte,  in  welchem  er  bekanntlich  Ereignisse  aus  dem  Jahre  1775 
schildert,  des  Marchand’schen  Theaters  zum  ersten  Mal  Erwähnung 
thut,  so  lässt  sich  doch  aus  manchen  seiner  am  Anfang  der  siebziger 
Jahre  geschriebenen  Briefe  genau  nachweisen,  dass  er  dasselbe 
während  des  in  jener  Zeit  mehrmals  vorgekommenen  Aufenthaltes  in 
seiner  Vaterstadt  dann  und  wann  besuchte.  Die  zeitliche  Verschiebung 
einiger  Eindrücke,  welche  er  durch  die  Marchand’schen  Vorstellungen 
empfing  und  viele  Jahre  später  bei  Abfassung  von  Wahrheit  und 
Dichtung  in  die  Zeit  der  französischen  Komödie  während  des  sieben¬ 
jährigen  Krieges  zurück  verlegte,  z.  B.  die  früher  schon  erwähnte 
Aufführung  von  »Röschen  und  Colas«,  giebt  dieser  Thatsache  eine 
weitere  Bekräftigung. 

»In  Frankfurt«,  erzählt  Goethe  an  der  oben  erwähnten  Stelle, 
»dirigirte  zur  Zeit  Marchand  das  Theater  und  suchte  durch  seine 
eigne  Person  das  Mögliche  zu  leisten.  Er  war  ein  schöner,  gross 
und  wohlgestalteter  Mann  in  den  besten  Jahren;  [Nach  Andern  war 
der  Besprochene  zu  jener  Zeit  schon  viel  zu  korpulent,  um  die  letzte 
Bezeichnung  zu  verdienen]  das  Behagliche,  Weichliche  erschien  bei 
ihm  vorwaltend;  seine  Gegenwart  auf  dem  Theater  war  daher  an¬ 
genehm  genug.  Er  mochte  so  viel  Stimme  haben,  als  man  damals 


326  — 


zur  Aufführung  musikalischer  Werke  wohl  allenfalls  bedurfte ;  des¬ 
halb  er  denn  die  kleineren  französischen  Opern  herüberzubequemen 
bemüht  war.« 

»Der  Vater  in  der  Gretry’schen  Oper  »Die  Schöne  bei  dem  Un¬ 
geheuer«,  gelang  ihm  besonders  wohl,  wo  er  sich  in  der  hinter  dem 
Flor  veranstalteten  Vision  gar  ausdrücklich  zu  geberden  wusste.« 

»Die  Schöne  bei  dem  Ungeheuer«  ist  ein  andrer  wenig  bekannter 
Titel  für  das  berühmte  Singspiel  Grotry’s  »Zemire  und  Azore«,  Text 
von  Marmontel,  welches  im  Dezember  1771  in  Fontainebleau  zuerst 
aufgeführt  worden  ist.  Die  von  Marchand  nach  Goethe’s  Ansicht  gut 
durchgeführte  Rolle  ist  die  des  persischen  Kaufmanns  Sander,  Vaters 
von  Zemire ,  Fatime  und  Lisbe.  Das  Ungeheuer  ist  der  spätere 
Geliebte  Zemire’s,  der  anfangs  in  einer  fürchterlichen  Gestalt  auf¬ 
tretende  persische  Prinz  Azor.  In  der  hinter  einem  Flor  veranstalteten, 
jedenfalls  theatralisch  sehr  wirksamen  Vision  werden  der  bei  Azor 
verweilenden  und  von  Sehnsucht  nach  den  Ihrigen  erfüllten  Zemire 
der  Vater  und  die  beiden  Schwestern  Fatime  und  Lisbe  vorgezaubert. 

In  dieser  Scene  —  es  ist  die  sechste  des  dritten  Aktes  —  kam 
es  ausserordentlich  viel  auf  das  Mienenspiel  der  betreffenden  Dar¬ 
steller  an.  Nach  dem  französischen  Text  hatte  der  Vater  während 
der  Vision  folgende  Worte  der  Zemire  mit  pantomimischen  Bewe¬ 
gungen  zu  begleiten: 

»Ach,  wie  traurig  er  ist!  —  Er  weint;  sein  Schmerz  kämpft 
gegen  die  Aufmerksamkeit,  durch  welche  ihn  ihre  Liebe  [die  ihrer 
beiden  Schwestern]  zu  trösten  bereit  ist,  —  Er  sucht  mich  mit  den 
Augen,  —  er  scheint  mit  mir  zu  sprechen,  seine  Arme  scheinen  sich 
gegen  mich  auszubreiten!  Ach  dass  ich  zu  dir  fliegen,  dass  du 
wenigstens  mich  hören  könntest!«480 

Aus  der  von  Madame  Brochard  vortrefflich  vorgetragenen  Arie 
der  Zemire  »Schönste  der  Rosen,  du  meine  Lust«  entnahm  wohl 
Goethe  die  Idee  zu  dem  in  »Erwin  und  Elvire«  mitgetheilten  Lied : 
»Ihr  verblühet,  süsse  Rosen«.  Dieses  hochpoetische  Gedicht  war 
jedenfalls  dasjenige  seiner  neuesten  Lieder,  welches  er  der  Gräfin 
Auguste  Stollberg  am  15.  April  1775  zuschickte.481 

Hatten  die  in  Goethe’s  Knabenjahren  in  der  französischen 
Komödie  aufgenommnen  Eindrücke  in  seinen  dramatischen  Jugend¬ 
arbeiten:  »Die  Mitschuldigen«,  »Die  Laune  des  Verliebten«  und  »Die 
Geschwister«  ihren  poetischen  Ausdruck  erhalten:  so  waren  seine 
thcils  in  jener  Epoche  entstandenen  Werke:  »Erwin  und  Elvire«, 
»Jery  und  Bätely«,  »Lila«,  »Scherz,  List  und  Rache«  gewiss  auch  mit 
die  Früchte  seiner  grossen  Vorliebe  für  das  einer  reichen  Erfindungs¬ 
kraft  keinen  Zügel  anlegende  Singspiel,  welche  ohne  Zweifel  durch 
seinen  öfteren  Besuch  des  Marchand’schen  Theaters  trotz  der  häufigen 
Aufführung  von  sogenannten  Handwerksoperetten  eine  bedeutende 
Kräftigung  erhalten  hatte. 


327 


Im  Anschluss  an  die  Besprechung  der  Leistungen  Marchand’s 
in  der  Gretry  'sehen  Oper  »Die  Schöne  bei  dem  Ungeheuer«  fügt 
Goethe  noch  hinzu,  dass  sich  dieselbe  einem  edlen  Styl  genähert 
habe,  und  ganz  geeignet  gewesen  sei,  die  zartesten  Gefühle  zu  er¬ 
wecken.  »Dagegen«,  fährt  er  fort,  »hatte  sich  ein  realistischer  Dämon 
des  Opern theaters  bemächtigt;  Zustands-  und  Handwerksopern  thaten 
sich  hervor.  »Die  Jäger«,  »Der  Fassbinder«,  und  ich  weiss  nicht  was 
Alles,  waren  vorausgegangen :  Andre  wählte  sich  den  Töpfer.  Er 
hatte  das  Gedicht  selbst  geschrieben  und  in  den  Text,  der  ihm  an¬ 
gehörte,  sein  ganzes  musikalisches  Talent  verwendet.« 

Das  eben  erwähnte  Singspiel  Andre’s,  in  dessen  Haus  Goethe 
in  Offenbach  »ein quartiert«  war  und  in  welchem  er  gemeinsam  mit 
Lilli  unter  lieben  Menschen  viele  glückliche  Stunden  verlebte,  wurde 
am  29.  Oktober  1773  zum  Besten  der  milden  Stiftungen  und  im  April 
1776  nochmals  von  Marchand  in  Frankfurt  zur  Darstellung  gebracht. 

Wie  Goethe  am  3.  November  1773  an  Betty  Jacobi  berichtet,  erlebte 
dieses  Stück  den  grössten  Beifall,  welcher  Erfolg  nicht  allein  dem 
Komponisten,  sondern  auch  den  darstellenden  Künstlern  zuzuschrei¬ 
ben  ist.  Besonders  mögen  die  Vertreter  der  Hauptrollen:  Madame 
Brochard,  Herr  Huck  und  Herr  Hellmuth  einen  grossen  Theil  zur 
freundlichen  Aufnahme  des  »schönen  Stückes«,  wie  es  in  den  Frag- 
und  Anzeigungsnachrichten  angemeldet  wurde,482  beigetragen  haben. 

Andre,  welcher  während  des  Aufenthaltes  Goethe’s  in  seinem 
Hause  »Erwin  und  ElVire«  komponirte,  hatte  die  Anregung  zu  seinem  /  77  t 

Werke  jedenfalls  im  Marchand’schen  Theater  empfangen.  Die  von 
Goethe  ausser  dem  »Töpfer«  erwähnten  Singspiele  »Der  Fassbinder« 

»Le  Tonnelier«  von  Audinot,  übersetzt  von  J.  H.  Faber  und  »die  Jäger« 

[die  Hiller- Weisse’sche  Operette,  später  wahrscheinlich  wegen  des 
Iffland’schen  Schauspiels  gleichen  Namens  »Die  Jagd«  genannt]  und 
ähnliche  Stücke  wie  »Der  lustige  Schuster«  und  »Der  Aerntdekranz« 
von  Weisse,  feiner  »Der  Holzhauer  und  die  drei  Wünsche«,  »Der  Huf¬ 
schmied«,  »Der  Kohlenbrenner«,  »Der  Schlosser«,  »Hans  der  Schuh¬ 
flicker«  gehörten  ja  zu  den  Zugstücken  des  Marchand’schen  Repertoires. 

In  der  Blüthezeit  dieser  Richtung  verfasste  Andre  seine  Operette, 
deren  Erfolg  in  Frankfurt  jedenfalls  viel  dazu  beigetragen  haben  mag, 
dass  er  dem  Kaufmannsstande  untreu  wurde  und  sich  ganz  der 
Musik  zu  widmen  gedachte.  Andre  ging  später  als  Kapellmeister 
der  Döbbelin’schen  Gesellschaft  nach  Berlin,  kehrte  aber  bald  nach 
Offenbach  zurück  und  gründete  dort  die  unter  seinem  Namen  be¬ 
rühmt  gewordene  Musikalien-Verlagshandlung.483 

Er  war  ein  Mann  von  angeborenem,  lebhaftem  Talent  aber  doch 
nicht  schöpferisch  genug,  um  sich  nicht  in  seinen  Kompositionen  viel 
zu  wiederholen.  »Er  schwebte«,  wie  Goethe  bezeichnend  sagt,  »zwischen 
dem  Kapellmeister  und  Dilettanten.«484 


328 


Aber  nicht  allein  in  Wahrheit  und  Dichtung  gedenkt  Goethe 
Marchand’s  Richtung,  er  thut  ihrer  auch  in  seinem  schon  1808  ge¬ 
schriebenen  Aufsatze  über  die  »Trennung  des  Schauspiels  von  der 
Oper«  Erwähnung.  Hauptsächlich  machte  er  auf  den  Uebergang  von 
der  französischen  Operette  zur  Handwerksoper  in  folgender  Darlegung 
aufmerksam : 

»Die  französischen  kleinen  Operetten,  das  Milchmädchen  und 
dergleichen  kamen  im  südlichen  Deutschland  zuerst  auf  die  Bühne 
durch  Marchand,  einen  Direktor,  der  selbst  leidlich  sang  und  sich 
mit  Versemachen  abgab.  Hier  hatte  die  Epoche  der  Handwerksopern 
ihren  Anfang :  die  Schmiede,  Böttcher  und  Töpfer  erschienen  hinter 
einander.« 

Von  Goethe’s  späterer  Beurtheilung  Marchand’s  und  seiner  Rich¬ 
tung  kehren  wir  nun  zu  diesem  selbst  zurück.  Durch  eine  Bittschrift 
wegen  Milderung  eines  Rathsbeschlusses  vom  28.  September  1773, 
welcher  ihm  messen tlich  ausser  der  städtischen  Abgabe  zwei  Vor¬ 
stellungen  für  die  hiesigen  milden  Stiftungen  auferlegte,  bekommen 
wir  einigermassen  Einblick  in  die  Ausgaben  Marchands. 

»Ich  kann  keine  zwei  Komödien  zum  besten  der  Armen  halten«, 
berichtet  er  dem  Rath,  »meine  Unkosten  sind  zu  gross.  Ich  bin  ge¬ 
zwungen  aus  Mangel  an  einem  anderen  schicklichen  Komödienhaus 
dem  Obristen  von  Bienenthal  allein  für  die  Messe  750  fl.  für  den 
Saal  zu  geben,  eine  Vorstellung  nachher  kostet  mich  15  fl.  Hierzu 
kommen  die  200  fl.  an  das  Rechneyamt  und  ungefähr  900  für  die 
Bezahlung  meiner  Leute  und  zwar  ebenfalls  nur  die  drey  Messwochen 
hindurch.  Ausserdem  machen  die  Lichter,  Musik  und  übrige  Noth- 
wendigkeiten  auch  noch  einen  considerabelen  Gegenstand  aus.« 

Hierauf  erbot  sich  Marchand  trotz  des  hohen  Standgeldes  eine 
Vorstellung  für  beide  milde  Stiftungen  geben  oder  wie  in  Mannheim, 
Mainz  und  Strassburg  den  Armen  von  jeder  Aufführung  einen  Reichs- 
thaler  abgeben  zu  wollen.485  Auf  diese  vom  28.  Oktober  datirte 
Bittschrift  ertheilte  der  Rath  einen  abschlägigen  Bescheid;  als  aber 
Marchand  am  15.  März  des  folgenden  Jahres  nochmals  um  Er- 
mässigung  einkam,  wurde  »in  Ansehung  der  triftigen  und  glaubhaften 
Gründe«  der  frühere  Beschluss  abgeändert  und  ihm  das  Veranstalten 
nur  einer  Vorstellung  zum  Besten  der  milden  Stiftungen  zur  Auf¬ 
lage  gemacht,  allerdings  unter  der  Bedingung,  dass  der  Rath  den 
Tag  derselben  selbst  bestimmen  könne.486 

TJm  zu  zeigen,  wie  gerechtfertigt  Marchand’s  Bittgesuch  war, 
und  zum  besseren  Ueberschauen  seiner  siebenjährigen  hiesigen  Kunst- 
thätigkcit,  soll  hier  ein;  kurze  Darstellung  der  von  ihm  geleisteten 
Abgaben  an  die  Stadt  und  an  den  Obristen  Bender  von  Bienenthal 
folgen : 


329 


An  die  Stadt.  An  Bienenthal. 


Für  die 

Ostermesse 

1771  und  2  Wochen  nachher  230  fl. 

930  fl. 

7> 

» 

Herbstmesse 

1771 

» 

5 

» 

» 

275  fl. 

1200 

fl. 

» 

Ostermesse 

1772 

200  fl. 

750 

fl. 

Herbstmesse 

1772 

» 

4 

» 

» 

260  fl. 

1110 

fl. 

» 

» 

Ostermesse 

1773 

» 

2 

» 

» 

230  fl. 

930 

fl. 

» 

» 

Herbstmesse 

1773 

» 

4 

» 

» 

260  fl. 

1110 

fl. 

» 

» 

Ostermesse 

1774 

» 

2 

» 

» 

230  fl. 

930 

fl. 

» 

» 

Herbstmesse 

1774 

» 

4 

» 

» 

260  fl. 

1110 

fl. 

» 

» 

Ostermesse 

1775 

» 

1 

» 

» 

215  fl. 

840 

fl. 

» 

» 

Herbstmesse 

1775 

» 

5 

» 

» 

275  fl. 

1200 

tl. 

» 

» 

Ostermesse 

1776 

» 

5 

» 

» 

275  fl. 

1220 

fl. 

» 

» 

Herbstmesse 

1776 

» 

3 

» 

» 

245  fl. 

1020 

fl. 

» 

» 

Ostermesse 

1777 

200  fl. 

750 

11. 

Summa  3155  fl.  13100  fl. 

Dass  es  dem  Direktor  Marchand  trotz  des  nicht  geringen  Ein¬ 
trittsgeldes  [siehe  die  abgedruckten  Theaterzettel  in  Beilage  Nr.  XIX] 
auf  die  Einnahme  einer  Vorstellung  ankommen  musste,  ist,  wenn 
man  solche  für  die  damalige  Zeit  sehr  bedeutende  Abgaben  und 
Unkosten  bedenkt,  ebenso  erklärlich,  wie  die  Gewinnsucht  Bienen- 
thal’s  vom  Standpunkte  seiner  hohen  gesellschaftlichen  Stellung 
aus  betrachtet  fast  unbegreiflich  erscheinen  möchte.  Er  behandelte 
Marchand  nicht  besser  als  früher  Barizon,  lieh  ihm  ebenfalls  »keinen 
Stuhl  umsonst  und  liess  ihm  keinen  Nagel  ohne  Vergütung  ein- 
schlagen«. 

Von  den  900  fl.,  welche  Marchand  messentlich  zur  Bezahlung 
seiner  25—30  Leute  ausgeben  musste,  erhielten  die  ersten  Kräfte  für 
die  Woche  20 — 24  fl.  Gage.  Alle  übrigen  Mitglieder,  die  es  erst  zu 
etwas  bringen  wollten,  waren  so  gestellt,  »dass  sie  anständig  auskom- 
men  konnten  und  kein  armselig  Leben  zu  fristen  brauchten«.  Für 
eine  besonders  anstrengende  Aufgabe,  z.  B.  bei  der  Aufführung  eines 
neuen  Stückes  erhielten  die  hauptsächlichsten  Rolleninhaber  eine 
Vergütung  von  1 — 2  fl.488 

Diese  Bezahlung  steht  freilich  nicht  in  dem  geringsten  Ver- 
hältniss  zu  den  enormen  Summen,  welche  die  Sänger  und  Schau¬ 
spieler  in  unserer  Zeit  für  ihre  Leistungen  erhalten,  aber  dennoch 
ist  sie  im  Vergleich  zu  den  Gagen  minder  bedeutender  damaliger 
Wandertruppen  wahrhaft  glänzend  zu  nennen.  Die  Mitglieder  der 
Marchand’schen  Gesellschaft  hatten  auch  noch  deshalb  eine  günstigere 
Stellung  als  ihre  meisten  Kollegen,  weil  der  Direktor  alle  Ueber- 
siedlungskosten  nach  seinen  anderen  Stationsplätzen  :  Mannheim, 
Mainz,  Strassburg,  Cöln  und  Wetzlar,  allein  trug  und  durch  den  fast 
stabilen  Charakter  seiner  Bühne  in  dem  »begüterten  Frankfurt« 
stets  in  der  Lage  war,  mit  der  grössten  Pünktlichkeit  bezahlen  zu 
können. 


330 


Wer  sich  aber  trotzdem  über  die  geringen  Gagen  erstaunen 
sollte,  möge  den  damals  viel  höheren  Werth  des  Geldes  in  Betracht 
ziehen.  Erwähnt  muss  jedoch  auch  werden,  dass  viele  Schauspieler 
und  Schauspielerinnen,  besonders  die  letzteren,  in  jener  Zeit  sich 
durch  irgend  eine  Kunstfertigkeit  noch  einen  kleinen  Nebenverdienst 
zu  erwerben  suchten.  »Madame  Hellmuth  und  Madame  Urban  waren 
geschickte  Goldstickerinnen ,  Mademoiselle  Köllerin  drehte  schöne 
Blumen  aus  Wachs  und  Papier,  und  Madame  Mierk  flocht  Ketten, 
Ringe  und  Spangen  aus  Haaren.«  Diese  Sitte  der  Doppelthätigkeit 
treffen  wir  noch  heutzutage  bei  den  weiblichen  Mitgliedern  der  mei¬ 
sten  besseren  Wandertruppen. 

Je  länger  Marchand  in  Frankfurt  weilte,  desto  mehr  wurde, 
besonders  bei  der  hiesigen  Jugend,  das  Interesse  an  theatralischen 
Vorstellungen  geweckt  und  genährt.  Einen  Beweis  hierfür  liefert 
die  Gründung  eines  Vereins  von  hiesigen  Bürgerssöhnen  und  Bürgers¬ 
töchtern,  dessen  Zweck  die  Förderung  der  deutschen  Literatur'  und 
Schaubühne  war.  Dieser  unter  Direktion  eines  gewissen  Johann 
Christoph  Richter  stehende  Verein  wollte  auch  zu  eigner  Bildung 
selbst  Stücke  von  den  besten  Autoren  aufführen  und  »eine  klare 
Probe  ablegen,  dass  auch  Leute,  die  von  der  Schauspielkunst  kein 
Gewerbe  machen,  der  deutschen  Bühne  Ehre  zu  machen  im  Stande 
sind«.  Als  die  Mitglieder  vier  moralische  Schauspiele  einstudirt  hat¬ 
ten,  kam  Johann  Christoph  Richter  den  3.  November  1774  beim 
Rath  um  die  Erlaubniss  ein,  dieselben  gegen  eine  geringe,  nur  die 
Ausgaben  deckende  Abgabe  zwischen  Neujahr  und  Fastnacht  in  einem 
Saal  öffentlich  aufführen  zu  dürfen.489 

Aber  so  weit  war  man  in  Frankfurt  denn  doch  noch  nicht, 
um  ein  derartiges  Unternehmen  von  hiesigen  Dilettanten  durch  die 
Gewährung  der  gedachten  Bitte  gleichsam  als  berechtigt  hinzu¬ 
stellen.  Der  Rath  ertheilte  den  Supplikanten  ein  für  allemal  einen 
abschlägigen  Bescheid  490  und  wies  darauf  hin,  dass  man  in  dem 
Marchand’schen  Theater  Komödien,  Operetten,  Singspiele  und  morali¬ 
sche  Stücke  auf  Verlangen  genug  sehen  könne,  mit  welcher  Behaup¬ 
tung  er  allerdings  nicht  Unrecht  haben  mochte. 

Einen  weiteren  Beweis  für  das  Interesse,  welches  die  Mar¬ 
chand’schen  Vorstellungen  beim  Frankfurter  Publikum  erregten,  giebt 
sicher  die  Tliatsache,  dass  die  AndrjFsche  Buchhandlung  Sammlungen 
von  Operetten  und  sonstigen  Stücken,  wie  sie  von  der  Kurpfälzischen 
Gesellschaft  hier  aufgeführt  worden  waren,  mit  der  dazu  gehörigen 
Musik  in  verschiedenen  Bänden  herausgab.  Auch  die  lebhafte  Be¬ 
theiligung  an  der  am  13.  April  1773  stattgefundenen  Ziehung  des 
»Mannheimer  Lotto«,  in  welcher  eine  Reihe  von  beliebten  Komödien 
zu  gewinnen  war,  dürfte  als  ein  Beleg  für  den  in  Frankfurt  immer 
stärker  werdenden  Antheil  an  den  theatralischen  Aufführungen 
gelten.491 


331 


Da  sowohl  die  von  der  Andrä'schen  Buchhandlung  angekündig¬ 
ten,  als  auch  die  von  dem  »Mannheimer  Lotto«  am  6.  April  1773 
in  den  »Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten«  veröffentlichten  Stücke, 
mit  Ausnahme  einiger,  in  dem  in  der  Beilage  Nr.  XIX  mitgetheilten 
Repertoire  Marchand’s  enthalten  sind,  dürfte  hier  eine  nochmalige  Auf¬ 
zählung  derselben  wohl  unterbleiben  können. 

Weder  von  den  allegorischen,  meistens  durch  gesangliche  Ein¬ 
lagen  bereicherten  V orspielen ,  welche  auch  Marchand ,  wie  auch 
seine  Vorgänger  gethan,  stets  beim  Beginne  und  am  Schluss  der 
Vorstellungen,  hauptsächlich  zu  Ehren  des  Raths,  aufzuführen  pflegte, 
noch  von  den  hier  von  ihm  gesprochenen  Abschiedsprologen  hat 
sich  ein  Exemplar  auffinden  lassen,  dagegen  wurde  festgestellt,  dass 
Marchand  den  Vorspielen  stets  ein  grossartiges  Ballet  mit  »Kunstfeuer¬ 
beleuchtung«  nachfolgen  liess.  Da  sein  Theater  ganz  nach  französi¬ 
schem  Muster  eingerichtet  war,  liess  er  überhaupt  keine  Vorstellung  ohne 
eine  pantomimische  Scene  oder  ein  Schlussballet  vorübergehen.  Nicht 
selten  diente  den  pantomimischen  Darstellungen  ein  lokaler  Stoff 
der  von  den  Balletmeistern  Brochard  und  Mierk  eigens  für  die 
Frankfurter  Schaubühne  bearbeitet  worden  war,  als  Grundlage.  Unter 
diesen  sind  besonders  »Das  Mayntzer  Marktschiff«,  »Die  Frankfurter 
Mess«,  »Seppel  auf  der  Maynbrück«,  »Der  Sachsenhäuser  im  Palast« 
und  »Der  betrunkene  Pfeiffer  am  Fahrthor«  hervorzuheben,  deren  Auf¬ 
führungen  so  gefielen,  dass  sie  mehrmals  wiederholt  werden  mussten. 

Ehe  die  Mittheilungen  über  die  Leistungsfähigkeit  der  Kur¬ 
pfälzischen  Truppe  hier  ihren  Abschluss  finden,  muss  noch  erwähnt 
werden,  dass  das  damalige  Frankfurter  Publikum  in  Hinsicht  auf  die 
gesanglichen  Leistungen,  mit  Ausnahme  derjenigen  der  ersten  Par- 
tieen,  noch  sehr  bescheidene  Anforderungen  stellte,  die  jeder  einiger- 
massen  stimmbegabte  Schauspieler  ohne  Schwierigkeit  erfüllen  konnte. 
In  den  Singspielen'  blieb  ja  die  Darstellung  noch  immer  die  Haupt¬ 
sache,  denn  die  eigentliche  dramatische  Handlung  wurde  noch  nicht 
gesungen.  Die  einzelnen,  graziös  mit  dem  Ganzen  verflochtenen 
Lieder  und  Arien  wurden  von  den  ersten  Sängern  und  Sängerinnen 
der  Gesellschaft  vorgetragen,  die  sonstigen  gesanglichen  Einlagen 
und  Chöre  aber  auch  bei  der  Kurpfälzischen  Truppe  gewöhnlich  von 
Schauspielern  oder  Schauspielerinnen  zur  grössten  Zufriedenheit  der 
Zuschauer  ausgeführt. 

Bei  aller  Achtung  vor  dem  unter  Marchand’s  Leitung  gewiss 
vortrefflichen  Ensemble  darf  man  daher  die  übertriebenen  Schilde¬ 
rungen  doch  nicht  ganz  wörtlich  auffassen,  welche  sich  —  Goethe’s 
ruhige  Beurtheilung  natürlich  ausgenommen  —  in  vielen  Theaterberich¬ 
ten  und  auch  hie  und  da  in  den  Memoiren  damaliger  hervorragen¬ 
der  Zeitgenossen  über  die  noch  nie  dagewesenen  gesanglichen  Lei¬ 
stungen  aller  Mitglieder  der  besonders  in  Frankfurt  beliebten  Kur¬ 
pfälzischen  Truppe  finden  lassen, 


332 


n. 

Wir  dürfen  Marehand  nicht  von  Frankfurt  scheiden  sehen,  ohne 
eines  Vorfalls  gedacht  zu  haben,  der  in  der  Ostermesse  1774  hier 
viel  Aufsehen  erregt  hat  und  aufs  Neue  zeigt,  wie  furchtlos  und 
streng  dieser  Mann  seinen  künstlerischen  Standpunkt  zu  wahren  wusste. 

Ein  Freiherr  von  Nesselrode,  welcher  durch  verwandtschaftliche 
Beziehungen  der  höchsten  Frankfurter  Gesellschaft  angehörte,  hatte 
drei  schlechte  Stücke  verfasst  und  an  Marehand  die  Forderung  gestellt, 
dieselben  in  der  Ostermesse  1774  aufzuführen.  Dieser  aber  weigerte 
sich  nach  genommener  Durchsicht  ganz  entschieden  weder  »Gross- 
muth  und  Tugend«,  noch  die  beiden  sehr  sentimentalen  Stücke  »Der 
adelige  Taglöhner«  und  »Der  Ahnenstolz  auf  dem  Lande«  auf  seine 
Bühne  zu  bringen.  Hieraus  entstand  ein  kleiner  Theaterkrieg,  welcher 
von  Seiten  des  Freiherrn  von  Nesselrode  gerade  nicht  mit  den  edel¬ 
sten  Waffen  geführt  wurde.492 

Gleich  nachdem  ihm  Marehand  die  Stücke  zurückgesandt  hatte, 
veröffentlichte  Nesselrode  eine  anonyme  Schmähschrift  unter  dem 
Titel  »Kritik  über  die  Marchandische  Schauspielergesellschaft«,  deren 
zwei  ganze  Bogen  umfassender  Inhalt  nur  zum  kleinsten  Theil  die 
Leistungen  derselben  besprach  und  hauptsächlich  durch  skandalöse 
Mittheilungen  sowohl  das  Ansehen  des  Direktors  als  auch  seiner 
Mitglieder  herabzusetzen  beabsichtigte.  Von  den  meisten  wurden 
zweifelhafte  Geschichten  erzählt,  hauptsächlich  aber  an  dem  Charakter 
Marchand’s  keine  reine  Stelle  gelassen.  Mit  wahrhaft  erfinderischer 
Bosheit  beutete  der  erbitterte  Verfasser  unter  der  Maske  der  Ano¬ 
nymität  einige  an  und  für  sich  ganz  harmlose  Vorfälle  im  Leben 
und  Streben  Marchand’s  zu  dessen  Verdächtigung  aus.  Ja,  selbst  den 
Zufall,  dass  einige  Mitglieder  seiner  Truppe  aus  geringem  Stande 
waren,  machte  er  in  ebenso  verletzender  Weise  zu  einem  Gegen¬ 
stände  seines  Angriffs,  wie  die  Vergangenheit  einiger  Schauspieler, 
die  früher  gerade  nicht  so  solid  gelebt  hatten,  wie  sie  dies  seit  ihrer 
Mitgliedschaft  bei  der  Marchand’schen  Gesellschaft  gethan.  In  keinem 
kritisirenden  Ausspruch  blieb  Nesselrode  streng  objektiv,  überall  ist 
eine  boshafte  persönliche  Anspielung  zugegeben,  der  er  um  so 
keckeren  Ausdruck  verlieh ,  als  er  sich  ganz  gewiss  unter  seiner 
Maske  ziemlich  sicher  fühlte  und  an  eine  spätere  Entlarvung  ohne 
Zweifel  nicht  im  entferntesten  dachte.  Die  ganze  Schmähschrift  von 
Anfang  bis  zu  Ende  ist  in  dem  Sinne  des  Horaz’schen  Ausspruchs 
abgefasst:  »Verläumde  nur  frech,  es  bleibt  immer  etwas  hängen.« 

Dem  unbefangenen  vorurtheilsfreien  Leser  musste  ein  solcher, 
mit  den  unlautersten  Mitteln  unternommener  Angriff  sofort  den  Ein¬ 
druck  eines  misslungenen  Racheaktes  machen,  aber,  »da  die  Welt« 
—  um  einen  Ausspruch  Marchand’s  anzuführen  —  »doch  meistens 
aus  solchen  Urtheilern  besteht,  deren  kurzsichtiger  Blick  in  Ermange- 


333 


lung  der  Beweise  sich  auf  Vermutlmngen  heftet«,  so  konnte  derselbe 
schon  aus  Rücksicht  auf  seine  angesehene  Stellung  in  Frankfurt  eine 
derartige  öffentliche  Herabwürdigung  nicht  stillschweigend  hinnehmen. 

Marchand  verfasste  deshalb  sofort  ein  Antwortschreiben  an  den 
anonymen  Kritiker,  welches  er  in  Form  einer  kleinen  Broschüre  am 
9.  Mai  1774  veröffentlichte.  Als  Motto  für  den  schriftlichen  Waffen¬ 
gang  zur  Yertheidigung  seiner  Ehre  erwählte  er  sich  den  Aus¬ 
spruch  Yoltaire’s: 

»Com man  de  ä  ta  raison  d’eviter  ces  querelies 
Des  tyrans  de  Fesprit  disputes  immortelles; 

Ferme  en  tes  sentiments  et  simple  en  ton  coeur, 

Aime  la  verite  et  pardonne  ä  l’erreur. 

Ce  mortel  qui  s’egare  est  un  homme  et  ton  fröre  .  .  . 

Sois  sage  pour  toi  seul,  compatissant  pour  lui, 

Fais  tun  bonheur  enfin  par  le  bonheur  d’autrui.« 

Den  ganzen  Inhalt  der  Marchand’schen  Schrift  hier  wiederzu¬ 
geben,  würde  zu  weit  führen,  allein  einige  wichtige  Stellen  aus 
derselben,  die  sowohl  Marchand’s  Charakter,  als  seine  durchgebildeten 
Ansichten  über  Kunst  und  Leben  am  klarsten  kennzeichnen,  sollen 
doch  Erwähnung  finden.  Vorausgeschickt  werde  noch,  dass  die  Bro¬ 
schüre  in  einem  ganz  anderen  Ton  gehalten  ist,  wie  Nessel  rode ’s 
Schmähschrift,  dass  sie  zwar  an  scharfen,  geistvollen  Entgegnungen 
keinen  Mangel  leidet,  aber  ebenso  wenig  der  objektiven  leidenschafts¬ 
losen  Ruhe  entbehrt,  welche  denselben  erst  ihre  volle  Bedeutung  zu 
verschaffen  vermag.  Von  ehrenrührigen  Anspielungen,  von  zwei¬ 
deutigen  Zusätzen  ist  hier  keine  Rede,  man  merkt,  es  handelt  sich 
nur  um  eine  offene,  ernste  und  ehrliche  Abwehr  böswilliger  Ver- 
läumdungen,  welche  ohne  Visir  oder  Maske  gewagt  wird. 

»Es  ist  eine  längst  gewöhnliche  Sache«,  schreibt  Marchand,  »Ab¬ 
handlungen  über  Schauspielergesellschaften  zu  lesen,  und  dies  muss 
sich  ein  jeder  Schauspieler  gefallen  lassen.  Er  ist  hierin  mit  dem 
Schriftsteller  im  nämlichen  Falle ,  er  tritt  öffentlich  auf,  und  der 
Zuschauer,  oder  der  Leser  erkauft  sich  für  sein  Geld  Sitz  und  Stimme 
in  der  Versammlung  der  Richter.  Allein  der  Schriftsteller  will  blos 
in  dem  Gesichtspunkt  als  Schriftsteller  und  der  Schauspieler  als 
Schauspieler  betrachtet  werden,  keiner  von  beiden  aber  als  Privat¬ 
person.  Man  muss  die  in  ihm  verbundnen  Personen  wohl  unter¬ 
scheiden,  die,  die  er  ist  und  die,  welche  er  spielt.  Wie  unglücklich 
wäre  ein  Schauspieler,  wenn  jeder  Zuschauer  bei  Vermischung  dieser 
verschiedenen  Begriffe  Richter  über  seine  häuslichen  Angelegenheiten, 
Gesellschafts  -  Einrichtungen ,  kurz  über  Alles  das,  was  ausser  der 
Bühne  vorgehet,  sein  sollte!  —  Nein,  mit  dem  gefallenen  Vorhang 
fallen  diese  Fesseln  ab.« 

Nach  diesem  vielleicht  auch  noch  für  manchen  Kritiker  unserer 
Zeit  beherzigenswerthen  Winke  erklärt  Marchand,  dass  er  den  Vor- 


334 


wnrf,  seine  Gesellschaft  gehöre  nur  zu  den  mittelmässigen  Deutsch¬ 
lands,  ebensowenig  einer  richtigen  Beurtheilung  unterziehen  könne 
wie  eine  Person  ihr  eignes  Portrait.  Da  Niemand  Richter  und  Partei 
in  einer  Person  zu  sein  vermag,  unterlässt  er  es  auch  auf  den  Ab¬ 
fall  von  Lob  einzugehen,  welches  der  vermummte  Kritiker,  jedenfalls 
um  andere  Schimpfereien  desto  glaubhafter  scheinen  zu  lassen,  einigen 
seiner  Singspiele  und  Operetten  zu  Theil  werden  liess  und  sagt 
sodann  wörtlich: 

»Ich  erscheine  als  Yertheidiger  meiner  Ehre,  nicht  als  Kunst¬ 
lichter.  Nur  zum  Ende  derselbigen  kommt  die  Ursache,  warum  Sie 
die  Schilderung  der  moralischen  Charaktere  meiner  Gesellschaft  über¬ 
nommen  haben.  —  Hier  lassen  Sie  mich  ein  wenig  verweilen. 
Sie  fordern,  dass  ein  guter  Schauspieler  auch  ausser  der  Bühne,  so 
wie  ein  guter  Prediger  auch  ausser  der  Kanzel,  ein  rechtschaffner 
Mann  sein  müsse.  Eine  unläugbare  Wahrheit!  Sie  sind  Mitglieder 
eines  Staates,  sie  sind  Menschen,  welche  kein  Beruf,  er  mag  so  er¬ 
haben  oder  gering  geschätzt  sein  als  er  will,  von  ihren  natürlichen 
Pflichten  befreiet.  Ihr  Beispiel  wird  den  Eindruck  ihrer  Lehren  ver¬ 
stärken. 

Ich  hoffe  dieses  Beispiel  meiner  Gesellschaft  jederzeit  gegeben 
und  auf  die  Nachahmung  desselbigen  mit  wachsamem  Eifer  gedrungen 
zu  haben.  Stellen  Sie  mir  einen  Ort  vor,  wo  ich  jemals  die  Bühne 
betreten  habe,  der  mir  nicht  von  freien  Stücken  dieses  Zeugniss  er- 
theilen  wird.  Noch  mehr.  Mein  Stolz  geht  hierin  so  weit,  dass  er 
Sie,  Herr  Kritikenschreiber!  auffordert,  mir  eine  Schauspieler-Gesell¬ 
schaft  zum  Muster  vorzulegen,  von  welcher  ich,  was  Ordnung,  Sitten 
und  Wohlstand  anbetrift,  noch  etwas  lernen  könnte!  Hat  vielleicht 
eben  diese  Ordnung  Sie  zum  Zorne  gegen  mich  gereizt?...« 

Marchand  durfte  kühn  diesen  Ausspruch  thun ;  denn  er  war 
keine  leere  Ausrede,  keine  eitle  Selbstverherrlichung.  Ganz  abgesehen 
von  der  Auszeichnung,  welche  ihm  der  Rath  durch  die  immer  wieder 
gewährte  Erlaubniss  zu  Theil  werden  liess,  sagen  auch  alle  Schau¬ 
spieldirektoren,  welche  sich  am  Anfang  der  achtziger  Jahre  um  die 
Erlaubniss  zum  Spielen  bewarben,  stets  in  ihren  Bittgesuchen,  dass 
sie  sich  wie  Marchand  in  Frankfurt  aufführen,  wie  er,  ihre  Gesell¬ 
schaft  nach  den  Regeln  der  Tugend  und  Ordnung  leiten  wollen.  In 
seinem  verletzten  Eigendünkel  rächte  sich  also  Nesselrode  in  der 
That  auf  die  unedelste  Weise.  Wie  hier,  so  wurde  er  auch  an  einer 
anderen  Stelle  seiner  Schmähschrift,  wo  er  von  dem  gemeinen  Her¬ 
kommen  und  dem  früheren  leichtsinnigen  Wandel  einiger  Mitglieder 
der  kurpfälzischen  Truppe  spricht,  von  Marchand  ebenso  schlagend 
als  geistreich  widerlegt. 

»Warum,»  fragt  er,  »sollte  der  Sohn  des  Handwerkers,  das  aus 
dem  niedrigsten  Pöbel  gezogene  Kind,  edler  Handlungen  unfähig 
und  zur  Bühne  untauglich  sein?  Lekain,  der  erste  tragische  und 


335 


Preville,  der  erste  komische  Schauspieler  auf  dem  Pariser  Theater, 
was  waren  die  zuvor?  Jener  war  ein  Goldarbeiter,  und  dieser  — 
es  ist  mir  leid  für  Sie,  Herr  Briefsteller!  es  wird  Ihnen  freilich 
wehe  tliun,  aber  die  Wahrheit  sagt:  er  war  —  was  Sie  gerade  am 
wenigsten  leiden  können  —  ein  Friseur!  —  Bindet  sich  die  Stärke 
des  Geistes,  bindet  sich  die  Grösse  der  Seele,  bindet  sich  die  Güte 
des  Herzens  an  die  Rangordnungen,  die  das  Glück  den  Sterblichen 
ertheilet,  noch  ehe  ihre  Fähigkeiten  entwickelt  sind  ?  —  gewiss  nicht. 

Haben  Ausschweifungen,  haben  Mangel  an  Brod  manchen  zum 
Schauspieler  gemacht,  ist  es  deswegen  unmöglich,  dass  er  in  diesem 
Stand  das  Fach  für  sein  Talent  und  die  Mittel  zur  Verbesserung 
seiner  Sitten  finde?  oder  sprechen  Sie  ihm  solches  vielleicht  aus  der 
Parallele  ab,  weil  mancher,  den  Müssigang  und  die  Liederlichkeit 
zum  Schauspiel-Dichter  gemacht  haben,  weder  Talent  noch  Sitten¬ 
besserung  gezeigt  hat?« 

Auf  diese  Frage,  welche  den  villeicht  moralisch  nicht  tadellosen 
Dichterling  keineswegs  angenehm  berührt  haben  mochte,  spricht  sich 
Marchand  nach  der  entschieden  aufgestellten  Behauptung,  dass  das 
Ansehen  der  Schauspieler  bei  Gebildeten  jetzt  bedeutend  gestiegen 
sei,  ausführlich  über  die  hässliche  Art  und  Weise  aus,  in  welcher 
die  ganze  Schmähschrift  abgefasst  sei.  »Eine  solche  beleidigende 
Sprache,  die  in  jedem  Zug  Hass  und  Groll  zum  Ausdruck  bringt, 
kann  nimmer  den  Glauben  eines  wahren  Menschenkenners  gewinnen.« 

»Ein  patriotischer  Weltbürger,«  fügt  Marchand  hinzu,  »der  aus 
verehrungswürdigem  Eifer  und  mit  quäkerischer  Begeisterung  sich 
für  berufen  hält,  seinen  Mitbürgern  Strafpredigten  zu  halten,  verfährt 
ganz  anders.  Er  sucht  sie  zu  bessern  ohne  der  ganzen  Welt  zuzu¬ 
rufen  :  Sehet  hier  diesen  bessere  ich !  Gesetzt  auch,  er  mache  öffent¬ 
liche  Vorwürfe;  so  würzet  er  sie  gewiss  nicht  mit  giftigem  Witze 
oder  gar  mit  pöpelhaften  Schimpfwörtern.  Dies  ist  die  Stimme  der 
Redlichkeit  nicht;  es  ist  der  verdumpfte  Ton,  der  aus  einer  Maske  fährt.« 

Das  Urtheil  Nesselrode’s  über  seine  Fehler  als  Schauspieler  über¬ 
geht  Marchand  mit  Stillschweigen;  doch  gestellt  er,  dass  es  ihm  lie¬ 
ber  sei,  von  ihm  »der  grösste  und  berühmteste  Weiner  aller  Bühnen 
Deutschlands«  als  der  unverschämteste  Lacher  genannt  zu  werden. 
Nachdem  sich  Marchand  gegen  den  Vorwurf  vertheidigt,  dass  er  das 
schlechteste  französische  Stück  dem  besten  deutschen  Werk  vorziehe, 
beklagt  er  sich  über  die  Stösse  elender  Scharteken,  welche  ihm  zur 
Qual  von  einem  Haufen  zudringlicher  Schauspiel-Dichter  theils  zu¬ 
geschickt,  theils  auch  überbracht  würden. 

»Führe  ich  solches  Zeug  auf«,  erklärt  Marchand,  »so  leidet  meine 
Ehre  sowohl  als  mein  Vortheil  darunter:  führe  ich  sie  nicht  auf,  dann 
ist  die  Rache  wider  mich  los.  Ich  bin  jetzt  in  dem  nämlichen  Falle, 
welchen  ich  bei  dieser  Gelegenheit  erwähnen  muss.  —  Sie  kennen, 
mein  Herr!  den  Herrn  von  Nesselrode  und  ich  auch.  Dieser  ist 


336 


wider  mich  aufgebracht,  dass  ich  seinen  »Ahnenstolz«  nicht  aufgeführet 
habe.  Warum  drängt  er  denn  einer  so  schlechten  Gesellschaft  sein 
Stück  auf  und  ist  böse,  dass  sie  es  nicht  spielt?  Welch  ein  Wider¬ 
spruch!  —  Ist  seine  »Grossmuth  und  Tugend«  zu  Wien  aufgeführt 
worden :  macht  dieses  einen  Beweis  von  der  Güte  des  Stückes  aus  ?« 

So  gross  auch  Marchand’s  Achtung  vor  der  Wiener  Schaubühne 
ist,  so  glaubt  er  doch  nicht,  dass  dieselbe  das  Becht  beanspruche, 
die  durch  sie  zur  Aufführung  gebrachten  Stücke  gleichsam  mit  dem 
Beweis  der  Güte  zu  stempeln.  Als  Beleg  hierfür  nennt  er  die 
jämmerlichen  Machwerke  »Eva  Kathel«  und  »Schnudi«,  deren  Inhalt 
auch  nicht  im  entferntesten  mit  den  auf  der  Bühne  im  Junghof  zur 
Darstellung  gekommenen  und  von  Nesselrode  scharf  getadelten  Lust¬ 
spielen  »Die  Berliner  Landkutsche«  und  »Herzog  Michel«  zu  ver¬ 
gleichen  war.  Dann  gibt  er  dem  Kritikschreiber  zu  bedenken,  dass 
die  berühmten  Schauspieler  Eckhof  und  Koch  es  nicht  unter  ihrer 
Würde  gehalten  hätten,  die  Bolle  des  Herzogs  Michel  zu  spielen  und 
fährt  fort: 

»Wenn  doch  der  Herr  von  Nesselrode  nur  eine  gewisse  Ge¬ 
schichte  des  Theaters  gelernt  hätte,  so  würde  er  sich  manche  Be¬ 
schämung  ersparen.  »Die  Berliner  Landkutsche«  ist  die  Uebersetzung 
des  Stückes  »La  carosse  d’Orleans«,  davon  der  grosse  Bacine  der 
Verfasser  ist.  Wer  kennt  nicht  im  Herzog  Michel  die  Züge  eines 
Geliert  und  Krüger?  Kommt  also,  Bacine,  Geliert  und  Krüger,  und 
demüthiget  euch  unter  die  gewaltige  Hand  des  Herrn  von  Nesselrode, 
damit  er  euch  erhöhe  zu  seiner  Zeit.« 

Nachdem  er  einige  dreiste  Angriffe  auf  seine  Ehre  scharf 
zurückgewiesen  hat,  gedenkt  Marchand  seines  von  Nesselrode  in  der 
ehrenrührigsten  Weise  ausgebe  uteten  Bechtsstreites  mit  dem  späteren 
Intendanten  des  Münchener  Hoftheaters,  Grafen  von  Seau,  der  übri¬ 
gens  ein  Jahr  später  zu  seinen  Gunsten  entschieden  wurde,  folgender- 
massen  : 

»Ich  habe,  heisst  es,  den  Grafen  von  Seau  in  Bayern  betrogen 
und  angeführt.  Es  ist  bekannt,  dass  ich  mit  diesem  Herrn  in  einem 
Bechtshandel  stehe.  Seine  Excellenz  der  Herr  Graf  von  Seau  sind 
es  allein,  mit  welchen  ich  zu  thun  habe;  dieselben  sind  den  geraden 
Weg  der  Bechte  gegangen,  aber  der  Herr  Briefsteller,  den  die  ganze 
Sache  gar  nicht  angehet,  macht  einen  kürzeren,  obgleich  krümmeren 
Weg  und  suchet  das  Becht  durch  Schimpfen  zu  behaupten.  Ich 
bin  versichert,  dass  Seine  Excellenz  der  Herr  Graf  von  Seau  selbst 
darüber  ungehalten  sein  werden,  dass  dero  Name  auf  eine  pöpelhafte 
Art  in  eine  schändliche  Pasquille  eingeflochten  worden  ist.« 

Durch  einfache  Thatsachen  widerlegt  hierauf  Marchand  die 
lächerlichen  Verläumdungen,  dass  er  nicht  mehr  kurpfälzischer  Hof¬ 
schauspieler  sei  und  dass  er  seine  Schauspieler  undankbar  und 
schlecht  behandle.  »Nur  unruhige  Köpfe,  deren  Aufführung  und 


Gesinnungen  fähig  sind,  eine  gesittete  Gesellschaft  anzustecken«  oder  ihr 
bürgerliches  Ansehen  herabzusetzen,  haben  von  ihm  stets  einer 
strengen  und  kurzen  Behandlung  gewärtig  sein  müssen. 

Als  er  dann  noch  zu  seiner  Rechtfertigung  erwähnt  hat,  es  sei 
ein  schon  oft  bethätigter  Grundsatz  von  ihm,  keines  seiner  Mit¬ 
glieder  im  Falle  von  Leistungsunfähigkeit  darben  oder  in  Noth  ge- 
ratlien  zu  lassen,  endigt  er  seine  Entgegnung  mit  folgendem 
Schlusswort : 

»Sie  drohen  mit  einer  zweiten  Kritik,  die  noch  deutlicher 
sprechen  und  empfindlicher  sein  soll.  Finden  Sie  einen  Kitzel  in 
Sich,  Ihre  Blosse  noch  mehr  aufzudecken  ?  Thun  Sie  es,  wehren 
kann  ich  es  Ihnen  nicht.  Was  ich  gesagt  habe,  das  musste  ich 
Ihnen,  besonders  aber  dem  Publico,  sagen.  Dieses  weiss  jetzt,  was 
es  von  mir  wissen  soll.  Zu  ferneren  Schmierereien  bin  ich  weder 
aufgelegt,  noch  müssig  genug.  Sie  haben  hierinn  einen  Vorzug  vor 
mir.  Gemessen  Sie  ihn  in  aller  Ruhe,  und  leben  Sie  wohl ! 

Frankfurt,  den  9.  Mai  1774. 

Marchand.« 

Kesselrode,  der  gewiss  nicht  an  ein  Entlarven,  aber  am  aller¬ 
wenigsten  an  eine  solche  öffentliche  Zurechtweisung  gedacht  hatte, 
unterliess  die  in  Aussicht  gestellte  zweite  Schmähschrift.  Er  hatte 
sich  durch  sein  Auftreten  gegen  Marchand  derartig  in  der  öffent¬ 
lichen  Meinung  geschadet,  dass  er  Frankfurt  auf  einige  Zeit  ver¬ 
lassen  musste.  Marchand  hingegen  fand  nach  wie  vor  hier  freund¬ 
liche  Aufnahme ;  durch  Nesselrode’s  Schmähschrift  hatte  ebensowenig 
sein  Ansehen  wie  der  Besuch  seines  Theaters  gelitten,  dessen  Räume 
allabendlich  bis  auf  den  letzten  Platz  besetzt  waren. 

Kurz  nach  seinem  Streit  mit  Marchand  wandte  sich  Nesselrode 
dem  epischen  Gebiet  und  zwar  der  durch  Goethe’s  »Werther«  her¬ 
vorgerufenen  Gattung  des  sentimentalen  Romans  zu.  Er  schrieb 
»Die  Leiden  der  jungen  Fanny,  eine  Geschichte  in  Briefen«,  welche 
von  seinen  hiesigen  Verehrern  ihrem  Goethe’schen  Vorbilde  voll¬ 
ständig  gleichgestellt  wurden. 

Bei  Gelegenheit  einer  Besprechung  dieses  Romans  in  dem 
»Journal  von  und  für  Deutschland«  vom  Jahre  1785  tritt  aber  ein 
geistvoller  Kritiker  dieser  unverdienten  Gleichstellung  mit  grosser 
Entschiedenheit  entgegen.  Er  nennt  Nesselrode  mit  anderen  Worten 
einen  unglücklichen  Nachahmer  und  schliesst  seine  Besprechung  über 
»Die  Leiden  der  jungen  Fanny«  mit  den  Worten:  »Die  Schilderung 
selbst  aber,  oder  die  Art  zu  schildern,  da  bewahren  mich  aber  auch 
alle  neun  Musen  davor,  dass  ich  Goethe  und  Nesselrode  in  eine 
Parallele  setzen  sollte.« 

Dass  Marchand  Grund  genug  hatte,  die  schlechten  Machwerke 
Nesselrode’s  durch  eine  energische  Abweisung  von  seiner  Bühne 
fernzuhalten,  möchte  diese  Beurtheilung  seines  Romans  aufs  Neue 


338 


bestätigen.  Aber  wenn  er  auch  aus  dem  Streit  mit  einer  gesellschaft¬ 
lich  viel  höher  als  er  selbst  stehenden  Persönlichkeit  siegreich  her¬ 
vorgegangen  war :  Marchand  hatte  sich  unter  den  Anhängern  Nessel  - 
rode’s  durch  seine  Entschiedenheit  doch  einige  Feinde  geschaffen, 
deren  Vorhaben  es  gewesen  sein  muss,  ihn  bei  jeder  Gelegenheit 
dafür  büssen  zu  lassen. 

So  wurde  Anfangs  August  1775,  als  Marchand  unter  verschie¬ 
denen  anderen  Bittstellern  den  Rath  um  die  Erlaubniss  für  die  bei¬ 
den  Messen  des  folgenden  Jahres  anging,  nicht  allein  hier,  sondern 
auch  in  Mainz  und  in  Mannheim  das  Gerücht  verbreitet,  der  Direk¬ 
tor  der  Kurpfälzischen  Truppe  sei  am  Ende  des  vorigen  Monats  in 
Cöln  gestorben.  Hiervon  ist  jedenfalls  Marchand  durch  seine  Freunde 
in  Kenntniss  gesetzt  worden,  denn  er  scheint  den  Sergeant  Sprenckel, 
welcher  ihm  hier  die  Ausgabe  der  Abonnements  und  verschiedene 
sonstige  Angelegenheiten  besorgte,  zu  folgender,  am  8.  August  1775 
in  den  Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten  veröffentlichten  Annonce 
veranlasst  zu  haben: 

Da  Endes  benannter  sich  genöthiget  siehet,  wegen  der  vielen 
Nachfrage,  den  Tod  des  Herrn  Marchand,  Direktem’  einer  deutschen 
Schauspieler-Gesellschaft  betreffend:  diesem  grundfalschen  Gericht  zu 
wiedersprechen,  welches  in  hiesiger  Stadt  und  auch  auswärts  ohne 
Zweifel  von  niederträchtigen  Leuten  unter  das  Publikum  ausgestreuet 
worden.  Zuderne  ein  Brief  vom  3.  August  datirt,  welchen  Unter¬ 
zeichneter  von  Herrn  Marchand  aus  Cölln  erhalten,  besaget,  dass 
dieser  seyn  sollende  Todte  noch  schreiben  kan. 

Sprenckel,  Sergeant.493 

Auch  in  der  folgenden  Ostermesse  hatte  Marchand  viel  durch 
gegen  ihn  gesponnene  Intriguen,  besonders- aber  dadurch  zu  leiden, 
dass  hie  und  da  Bestellungen  auf  seinen  Namen  gemacht  und 
anderswo,  wenn  auch  nur  Kleinigkeiten,  auf  denselben  geborgt  wur¬ 
den.  Da  in  jener  Messe  noch  ein  Entrepreneur  Marchand  sich  hier 
aufhielt,  der  ein  kleines,  in  verschiedenen  Kunstfertigkeiten  geübtes 
Männchen  sehen  liess,  aber  trotz  der  besten  Geschäfte  nicht  pünkt¬ 
lich  im  Bezahlen  war,  sah  sich  der  Direktor  der  Kurpfälzischen  Hof¬ 
schauspieler  genöthigt,  am  22.  April  1776  eine  öffentliche  Warnung 
in  den  Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten  zu  erlassen.494 

Am  tiefsten  wurde  aber  Marchand  durch  einen  jedenfalls  als 
letzte  Revanche  von  Nesselrode’s  hiesigen  Verehrern  hervorgerufenen 
Theaterskandal  gekränkt,  der  leider  schliesslich  noch  einen  trüben 
Schatten  auf  den  ihm  und  seiner  Gesellschaft  sonst  in  jeder  Be¬ 
ziehung  lieb  gewesenen  Frankfurter  Aufenthalt  werfen  sollte. 

Für  die  Abschiedsvorstellung  in  der  Ostermesse  1777  hatte 
Marchand  zu  Ehren  des  Rathes  den  »Grafen  von  Walltron«'  von 
Möller  und  ein  Vorspiel  angezeigt,  welches  er  »Die  dankbare  Schau¬ 
spielkunst«  betitelte.  In  dem  erstgenannten  Stück  sollte  die  Frau 


339 


des  Direktors  wieder  als  Gräfin  Walltron  auftreten,  welche  Rolle  sie 
schon  mehrmals  unter  dem  grössten  Beifall  des  hiesigen  Publikums 
gespielt  hatte. 

Madame  Marchand  wurde  aber  plötzlich  so  unwohl,  dass  die 
angekündigte  Vorstellung  nicht  aufgeführt  werden  konnte.  Der  Direk¬ 
tor  setzte  deshalb  für  den  »Grafen  von  Walltron«  sofort  ein  anderes 
Stück  an  und  meldete  am  Eingang  zum  Schauspielhaus  »auf  grossen 
Blättern«,  dass  wegen  des  plötzlichen  Unwohlseins  seiner  Gattin 
nothgedrungen  diese  heutige  Veränderung  im  Repertoire  vorgenom¬ 
men  werden  müsse. 

Dessenungeachtet  wurde  das  Theater,  wahrscheinlich  wegen  des 
Festspiels  zu  Ehren  des  Ratlies,  sehr  stark  besucht  und  das  von 
Marchand  verfasste  Stückchen  selbst  mit  dein  grössten  Beifall  auf- 
genoiumen.  Als  sich  aber  nach  Beendigung  desselben  der  Vorhang 
wieder  erhob  und  ein  Schauspieler  mit  der  Erklärung  vor  die  Rampe 
trat,  dass  Madame  Marchand  inzwischen  nicht  wohler  geworden  sei 
und  unter  keinen  Umständen  auftreten  könne,  begann  eine  Anzahl 
junger  Herren  derartig  zu  klopfen,  zu  zischen  und  zu  pfeifen,  dass 
der  Schauspieler  mitten  in  seiner  Erklärung  innezuhalten  sich  ge- 
nöthigt  sah.  Das  Lärmen  und  Pfeifen  steigerte  sich  mit  jedem  Augen¬ 
blick  und  hörte  dann  noch  nicht  auf,  als  selbst  die  vollständig  heisere 
Madame  Marchand  an  der  Hand  ihres  Gatten  erschien  und  durch 
»vielsagende  Gesten«  zum  Stillesein  aufforderte. 

Es  währte  sehr  lange,  ehe  die  Ruhe  mit  Hülfe  der  Polizei  wie¬ 
der  hergestellt  und  das  Ersatzstück  gegeben  werden  konnte.  Das  un¬ 
gebührliche  Betragen  der  jungen  Herren  blieb  jedoch  nicht  ungerügt. 
Einige  Tage  später  wurden  die  meistens  sehr  angesehenen  Frank¬ 
furter  Familien  angehörigen  Urheber  vom  Rathe  vorgeladen  und  von 
dem  jüngeren  Bürgermeister  Jacob  Heinrich  Rühle  von  Lilienstern 
wegen  des  im  Komödiensaale  angestifteten  Tumultes  vernommen.  In 
diesem  Verhör  benahmen  sich  die  Vorgeladenen  ebenso  kühn  und 
herausfordernd,  wie  einige  Tage  früher  im  Marclmnd’schen  Theater. 
Sie  erklärten  in  den  kecksten  Antworten  ihr  Betragen  für  durchaus 
gerechtfertigt  und  wussten  auf  alle  mögliche  Weise  den  unangeneh¬ 
men  Auftritt  zu  ihren  Gunsten  darzustellen.  Der  Rath  war  jedoch 
vollständig  anderer  Ansicht.  In  Folge  eines  Beschlusses  vom  3.  Mai 
1777  wurde  den  Herren  trotz  ihrer  vornehmen  Herkunft  das  obrig¬ 
keitliche  Missfallen  mit  der  Ermahnung  zu  erkennen  gegeben,  dass 
sie  sich  in  Zukunft  viel  gesitteter  betragen  sollten. 

Dem  scheidenden  Marchand  und  seiner  Gattin  bereitete  diese 
in  höchst  brutaler  Art  in  Scene  gesetzte  Kabale  eine  tiefe  Kränkung. 
Er  verzichtete  jedenfalls  mit  in  Folge  dieses  Auftritts  auf  die 
ihm  bereits  für  die  Herbstmesse  1777  ertheilte  Spiel erlaubniss  und 
kam  sogar  beim  Rath  um  Uebertragung  dieser  Vergünstigung  an 

22* 


340 


seinen  Nachfolger  Abel  Seyler,  den  Direktor  der  Kurcölnischen  Hof¬ 
schauspieler,  ein. 

Als  Marchand  Frankfurt  verliess,  ging  er  bald  darauf  mit  seiner 
Truppe  einer  neuen  grossen  Kunstaufgabe  entgegen.  Der  Kurfürst 
Karl  Theodor  von  der  Pfalz,  den  er  schon  früher  zu  dem  Entschluss 
angeregt  hatte,  in  Mannheim  ein  Nationaltheater  nach  dem  Wiener 
Vorbilde  Joseph’s  II.  zu  errichten,  war  inzwischen  auch  Herr 
von  Bayern  geworden  und  nahm  ihn  als  Direktor  seiner  Hofbühne 
mit  nach  München. 

Hatte  Schuch  das  Projekt  zur  Erbauung  eines  städtischen 
Schauspielhauses  zuerst  in  Anregung  gebracht,  hatte  Vater  Bernar- 
don  demselben  einen  neuen  Anstoss  gegeben,  so  war  Marchand  durch 
seinen  siebenjährigen  Aufenthalt  in  Frankfurt,  durch  seine  tadellose 
geschäftliche  und  moralische  Führung  dazu  berufen,  der  endlichen 
Ausführung  eines  beinahe  dreissig  Jahre  alten  Planes  die  letzten 
Steine  des  Anstosses  aus  dem  Wege  zu  räumen. 

Was  Marchand  durch  die  besondere  Pflege  der  anmuthigen 
französischen  Singspiele  und  der  allgemein  beliebten  Handwerksopern 
für  die  Entwicklung  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  gethan,  ist 
deshalb  nicht  hoch  genug  anzuschlagen.  Als  er  das  Feld  vorbereitet 
und  zur  Verfeinerung  des  Geschmacks  sein  Möglichstes  beigetragen 
hatte,  konnte  auch  hier  eine  ernstere  und  tiefere  Richtung  Raum  ge¬ 
winnen,  konnte  das  W ort  Schiller’s  auch  auf  der  Frankfurter  Bühne 
seine  Bewahrheitung  finden: 

Einheim’scher  Kunst  ist  dieser  Schauplatz  eigen, 

Hier  wird  nicht  fremden  Götzen  mehr  gedient; 

Wir  können  muthig  einen  Lorbeer  zeigen, 

Der  auf  dem  deutschen  Pindus  selbst  gegrünt. 

Selbst  in  der  Künste  Heiligthum  zu  steigen, 

Hat  sich  der  deutsche  Genius  erkühnt, 

Und  auf  der  Spur  des  Griechen  und  des  Britten 
Ist  er  dem  bessern  Ruhme  nachgeschritten. 


Die  Seyler’sclie  Gesellschaft  und  die  ersten 
Frankfurter  Theaterkritiken. 

i. 

Der  bedeutende  geistige  Einfluss,  den  der  junge  Goethe  während 
seines  zeitweisen  Aufenthaltes  in  der  ersten  Hälfte  der  siebziger  Jahre 
hier  in  Frankfurt  auf  einige  gesellige  Kreise  ausübte,  ist  einer  der 
hauptsächlichsten  Hebel  gewesen,  mit  dessen  Hülfe  man  allmählich 
den  Bann  des  fremdländischen  Zaubers  brechen  und  der  deutschen 
dramatischen  Poesie  auch  auf  der  Frankfurter  Schaubühne  ihren  ge¬ 
bührenden  Ehrenplatz  anweisen  konnte. 

Wie  schon  früher  erwähnt,  waren  bereits  am  Anfang  des 
Jahres  1773  aus  dem  hiesigen  Freundeskreise  Goethe’s  einige  Stim¬ 
men  laut  geworden,  welche  von  Marchand  höhere  Bestrebungen  und 
vor  allem  die  Pflege  der  deutschen  dramatischen  Literatur  verlangten. 
So  wohlgemeint  und  in  gewisser  Beziehung  gerechtfertigt  diese 
Wünsche  auch  erschienen,  so  muss  man  es  heute  doch  als  einen 
glücklichen  Umstand  betrachten,  dass  Marchand  dieselben  überhörte 
und  seinem  künstlerischen  Standpunkt  nicht  um  Haaresbreite  untreu 
wurde.  Ein  Befolgen  jener  Mahnrufe  wäre  damals  eine  thörichte 
Uebereilung  gewesen;  denn  das  Verständniss  des  Frankfurter  Publi¬ 
kums  war  noch  lange  nicht  so  weit  gediehen,  dass  höhere  und 
idealere  dramatische  Bestrebungen  hier  die  nöthige  Unterstützung  ge¬ 
funden  hätten. 

Mit  Marchand’s  Scheiden  war  die  Zeit  des  Uebergaugs  vorbei; 
das  hiesige  Theater  rückte  von  einer  Anstalt  für  angenehme  Unter¬ 
haltung  zur  geistigen  Bildungsstätte  empor  und  Lessing’s  und  Goethe’s 
dramatische  Werke  führten  ihm  auch  in  Frankfurt  am  Ende  der 
siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  immer  mehr  das  Interesse 
der  Gebildeten  zu.  Stand  Marchand  in  dem  Morgenroth  einer  für 
die  Frankfurter  Theatergeschichte  neuen  Zeit,  so  fielen  auf  seinen 
Nachfolger  Abel  Seyler  schon  die  ersten  Strahlen  der  Sonne,  welche 
über  der  literarischen  Welt  Deutschlands  und  auch  über  der  hie¬ 
sigen  Bühne  endlich  aufgegangen  war.  Ihm  wurde  die  Aufgabe, 
den  von  Marchand  wachgerufenen  edleren  Geschmack  des  Frank¬ 
furter  Publikums  auf  die  neuesten  Erzeugnisse  der  deutschen  Lite- 


342 


ratur  hinüberzuleiten  und,  wenn  auch  unter  grossen  Opfern  und 
Enttäuschungen ,  in  Frankfurt  der  eigentliche  Begründer  der  neuen 
Aera  der  Schauspielkunst  zu  werden. 

Im  Januar  1777  kam  der  für  seinen  Direktor  Seyler  ver¬ 
schiedene  Angelegenheiten  in  Mainz  ordnende  Schauspieler  Gross¬ 
mann  von  dort  aus  beim  Rat  he  Frankfurts  um  Zulassung  der  Sey- 
ler’schen  Gesellschaft  für  die  nächste  Ostermesse  ein.495  Er  berich¬ 
tete  in  seinem  Schreiben,  dass  dieselbe  in  Leipzig  und  Dresden  mit 
dem  grössten  Beifall  gespielt  habe  und  auch  in  Frankfurt  nicht  zu¬ 
rückstehen  würde,  da  sie  nicht  allein  ein  viel  grösseres  Personal 
besässe  als  die  nicht  minder  lobenswerthe  Truppe  des  Herrn  Mar- 
chand,  sondern  auch  im  Stande  sei,  ausser  kleinen  Operetten  die 
besten  Trauer-,  Schau-  und  Lustspiele  sowie  grosse  Singestücke  mit 
Hülfe  der  feinsten  Dekorationen,  grosser  Maschinen  und  schneller 
Veränderungen  des  Theaters  aufs  Beste  darstellen  zu  können.  Gross- 
mann  hob  auch  die  tadellose  moralische  Haltung  der  Truppe  hervor, 
erwähnte,  dass  er  auch  in  Mainz  für  seinen  Direktor  die  Erlaubniss 
zum  Spielen  erwirkt  habe  und  wies  schliesslich  auf  ein  bereits  ein¬ 
gereichtes  Gutachten  über  die  Leistungen  der  Seyler’schen  Gesell¬ 
schaft  von  dem  Vicedom  Baron  von  Ritter  in  Mainz  und  auf  ein 
Empfehlungsschreiben  eines  geheimen  Raths  von  Bentzel  hin,  welche 
beiden  einflussreichen  Herren  sich  auch  noch  zu  persönlicher  Für¬ 
sprache  bereit  erklärt  hatten. 

Trotz  dieser  wichtigen  Unterstützung  erhielt  aber  Grossmann, 
jedenfalls  Marchand’s  wegen,  keinen  günstigen  Bescheid.496  Auch 
spätere  Empfehlungsschreiben  der  beiden  genannten  Herren  blieben 
anfangs  erfolglos,  bewirkten  aber  schliesslich  doch,  dass  die  Seyler’- 
sclie  Gesellschaft  gleich  nach  Marchand’s  Abgang  am  Schluss  der 
Ostermesse  1777  auf  ihrer  Durchreise  von  Leipzig  nach  Mainz  im 
Bienenenthafschen  Saale  einen  Cyklus  von  achtzehn  Vorstellungen 
eröffnen  durfte. 

Der  besonders  durch  Marchand’s  langjährige  Kunstthätigkeit  in 
Frankfurt  aufgekommene  Gebrauch,  die  Fortsetzung  der  theatralischen 
Vorstellungen  noch  mehrere  Wochen  nach  dem  Schluss  der  Messen 
und  auch  ausserhalb  dieser  Zeit  zu  gestatten,  war  eines  der  sichersten 
Anzeichen,  dass  das  Theater  in  Frankfurt  nicht  mehr  zu  den  soge¬ 
nannten  »Messvergnügungen«  gehörte,  dass  es  mittlerweile  immer 
mehr  ein  Gegenstand  des  allgemeinsten  Interesses,  und  deshalb  die 
Errichtung  einer  ständigen  Bühne  zum  unabweislichen  Bedürfnis 
geworden  war. 

Die  Seyler’sche  Gesellschaft,  welche  nun  Eingang  in  Frankfurt 
fand,  war  unstreitig  die  bedeutendste  deutsche  Wandertruppe  in  jener 
Zeit.  Der  Direktor  Abel  Seyler,  ehemaliger  Hamburger  Kaufmann 
und  einer  der  drei  Mitbegründer  des  gescheiterten  Hamburger  Na¬ 
tionaltheaters,  bcsass  zwar  kein  so  hervorragendes  allseitiges  Direk- 


343 


tionstalent  wie  Theobald  Märchand,  aber  auch  er  war  ein  Mann  von 
dnrehbildetem  Geschmack,  sicherem  Urtheil  und  von  jener  muthigen 
Entschiedenheit,  welche  er  für  die  Durchführung  seiner  schweren 
Aufgabe  unumgänglich  bedurfte. 

Madame  Sevler,  die  geschiedene  Gattin  des  Komikers  Hensel, 
deren  Kabalen  ungefähr  zehn  Jahre  früher  dem  grossen  Lessing  so 
traurige  Enttäuschungen  bereitet  hatten,  war  im  Fache  der  Heroinen 
gewiss  die  bedeutendste  Darstellerin  ihrer  Zeit.  Seitdem  sie  als  sehr 
junge  Künstlerin  Mitglied  der  Ackermann’schen  Gesellschaft  gewesen 
war,  hatte  sich  ihr  Spiel  noch  derartig  vervollkommnet,  dass  Lessing 
im  zwanzigsten  Stück  der  Hamburgisehen  Dramaturgie  bei  Gelegen¬ 
heit  einer  Beurtheilung  der  »Genie«  über  die  damals  noch  nicht  von 
ihrem  ersten  Gatten  geschiedene  Künstlerin  schreiben  konnte:  »Cenie 
ist  Madame  Hensel.  Kein  Wort  fällt  aus  ihrem  Munde  auf  die  Erde. 
Was  sie  sagt,  hat  sie  nicht  gelernt;  es  kömmt  aus  ihrem  eignen 
Kopf,  aus  ihrem  eignen  Herzen.  Sie  mag  sprechen,  oder  sie  mag 
nicht  sprechen,  ihr  Spiel  geht  ununterbrochen  fort.  Ich  wüsste  nur 
einen  einzigen  Fehler;  aber  es  ist  ein  sehr  seltener  Fehler;  ein  sehr 
beneidens würdiger  Fehler.  Die  Aktrice  ist  für  die  Rolle  zu  gross. 
Midi  dünkt  einen  Riesen  zu  sehen,  der  mit  dem  Gewehr  eines 
Cadets  exercirt.  Ich  möchte  nicht  alles  machen,  was  ich  vortrefflich 
machen  könnte.« 

Diese  höchst  ehrenvolle,  aber  auf  die  feinste  Art  ihre  Rollen¬ 
sucht  tadelnde  Beurtheilung  versetzte  die  damals  mächtige  Madame 
Hensel  in  solchen  Zorn,  dass  sie  Lessing  die  Freundschaft  auf  kün¬ 
digte  und  es  durch  ihre  Intriguen  soweit  brachte,  dass  derselbe  die 
Kritik  über  die  Schauspieler  des  Nationaltheaters  gänzlich  aufgab  und 
sich  nur  auf  die  Besprechung  der  aufgeführten  Stücke  beschränkte. 

So  wenig  aber  auch  ihr  Verhalten  Lessing  gegenüber  zu  rüh¬ 
men  ist,  als  Darstellerin  wird  ihr  künstlerischer  Ruf  stets  unbestritten 
bleiben.  Am  glücklichsten  war  Madame  Seyler  in  solchen  Rollen, 
welche  geistiges  Durchdringen,  eine  gewisse  majestätische  Würde  und 
einen  hohen  edlen  Styl  der  Darstellung  verlangen.  Ihre  Merope, 
Medea,  Cleopatra,  Lady  Macbeth,  Orsina  und  ihre  Königin  Anna  in 
Richard  III.  sollen  unübertreffliche  Leistungen  gewesen  sein.  Auch 
als  Schriftstellerin  erwarb  sich  Madame  Seyler  einen  geachteten  Namen. 
Sie  schrieb  ein  Lustspiel  »Die  Entführung  oder  die  zärtliche  Mutter«, 
übersetzte  das  Schauspiel  »Melau ide«  aus  dem  Französischen  und  be¬ 
arbeitete  nach  Wieland’s  »Oberon«  ein  Singspiel  »Hüon  und  Amande«, 
welches  später  den  Titel  »Oberon,  König  der  Elfen«  erhielt. 

Als  die  Gesellschaft  ihres  zweiten  Gatten  im  Mai  1777  nach 
Frankfurt  kam,  stand  Madame  Seyler  gerade  im  Zenith  ihres  Ruhmes. 
Sie  hatte  in  den  grössten  deutschen  Städten,  selbst  in  Wien,  das  ver¬ 
wöhnte  Publikum  zur  Bewunderung  hingerissen  und  wurde  mit  um 
so  grösserer  Spannung  in  Frankfurt  erwartet,  als  es  hier  noch  viele 


344 


Theaterliebhaber  gab,  welche  sie  beinahe  zwanzig  Jahre  früher  auf 
der  Ackermann 'sehen  Bühne  als  Miss  Sarah  Sampson  bewundert  und 
ihr  stets  eine  grosse  Verehrung  bewahrt  hatten. 

Neben  der  Gattin  des  Direktors  war  die  Seyler’sche  Gesell¬ 
schaft  auch  während  ihrer  späteren  mehrjährigen  messent.lichen  Thä- 
tigkeit  in  Frankfurt  noch  reich  an  hervorragenden  Talenten.  Von 
den  weiblichen  Mitgliedern  muss  hier  zuerst  die  sehr  jugendliche 
Madame  Fiala  genannt  werden,  deren  anmuthige  Erscheinung  ein 
sympathisches  und  von  edler  Auffassung  zeugendes  Spiel  aufs  vor- 
theilhafteste  unterstützte.  Sie  gefiel  besonders  als  Emilia  Galotti,  als 
Ophelia  in  »Hamlet«,  als  Julia  in  »Romeo  und  Julia«,  als  Marianne  in 
der  Gotter’schen  »Ariadne«  und  als  Rosswina  in  »Hanno,  Fürst  im 
Norden«,  in  welcher  letzteren  Rolle  ihr  vielseitiges  Talent  am  meisten 
zur  Geltung  gekommen  sein  soll. 

Eine  gute  Sängerin  jugendlicher  Partieen  war  Demoiselle  Zink, 
die  in  Frankfurt  als  Alceste  ihre  ersten  künstlerischen  Erfolge  errang. 
Ein  Kritiker  sagt  über  ihre  Darstellung  dieser  Rolle  :  »Sie  hat  von 
der  Natur  alles  erhalten,  was  ich  in  Alcesten  mir  versprach;  ein 
hübscher  Wuchs,  ein  majestätischer  Gang,  eine  sanfte  liebevolle  Miene 
kleidete  sie  als  Königin  und  Admets  Gattin  sehr  gut.  Mit  dem 
nöthigen  Feuer  verbindet  sie  ein  richtiges  Gefühl,  deklamirt  und 
singt  recht  gut,  doch  scheint  mir  ihre  Hauptstärke  im  Adagio  zu 
stecken  und  das  ist  meines  Erachtens  sehr  viel.«497 

Ausser  dieser  jungen  Künstlerin  sang  auch  die  früher  zur  Mar- 
chand’schen  Truppe  gehörende  Madame  Hellmuth  die  jüngere  jugend¬ 
liche  dramatische  Partieen.  Der  auch  ihre  ebengenannte  Kollegin 
beurtheilende  Kritiker  kann  ihre  wohlgeschulte  silberhelle  Stimme 
nicht  genug  rühmen.  »Madame  Hellmuth«,  sagt  er  von  ihr,  »übertrifft 
als  Parthenia  (in  der  Alceste)  alles,  was  man  sich  von  ihr  vorstellen 
kann.  Eine  so  reine,  so  volle  Intonation  ist  fast  mehr  als  Menschen¬ 
stimme  hervorbringen  kann.  In  Höhen  wohin  ihr  nur  eine  Danzy 
nachzufliegen  sich  wagt,  zaubert  sie  uns  mit  ihrem  wirbelnden  Sing¬ 
sang  in  schmelzendes  Entzücken  hin  und  steigt  gleich  darauf,  eben 
wo  wir  fürchten  sie  ganz  aus  dem  Gesichte  zu  verlieren,  wieder  zu 
uns  in  die  Tiefe  hinab,  um  durch  neue,  ganz  unerwartete  Modula¬ 
tionen  uns  zum  zweytenmal  zur  Bewunderung  hinzureissen.«498 

Dieses  in  etwas  schwülstiger  Weise  zum  Ausdruck  gebrachte 
Urtheil  war  aber  keineswegs  übertrieben.  Madame  Josepha  Hellmuth, 
welche  auch  oft  als  Koncertsängerin  in  Frankfurt  auftrat,  besass  eine 
Stimme,  welche  alle  Musikkenner  entzückte  und  ihr  in  Frankfurt 
einen  grossen  Kreis  von  Verehrern  verschaffte.  Audi  hier  rühmten 
die  öffentlichen  Kritiken  den  staunenswerthen  Umfang  ihres  Organs, 
ihren  korrekten  Vortrag  und  besonders  die  weise  Vorsicht,  welche 
sie  jeden  Ton  im  Geiste  des  Komponisten  vortragen  und  mit  ihren 
grossen  Stimmmitteln  nur  an  der  rechten  Stelle  freigebig  sein  liess. 


345 


Erste  dramatische  Partieen  sang  vom  Jahre  1778  an  Madame  Benda, 
die  Gattin  des  zweiten  Kapellmeisters  und  ersten  Geigers.  Sie  be- 
sass  ebenfalls  eine  umfangreiche  sympathische  Stimme  und  war  haupt¬ 
sächlich  in  grösseren  Opern  an  ihrem  Platz. 

Weniger  gesanglich  beanlagt  als  ihre  obengenannte  Schwägerin 
war  Madame  Franziska  Hellmuth,  die  ältere  genannt,  welche  zwar 
auch  kleinere  Partieen  in  Operetten  sang,  aber  hauptsächlich  im 
Schauspiel  als  Darstellerin  von  Anstandsdamen  Gutes  leistete.  Für 
das  Fach  der  naiven  und  kecken  Rollen  besass  die  Sevler’sche  Ge¬ 
sellschaft  mehrere  Vertreterin  neu  :  Madame  Pöschel;  Madame  Borchers 
[ehemalige  Frank,  geb.  Spaz]  und  die  noch  in  sehr  jugendlichem 
Alter  stehende  Demoiselle  Kirchhöfer,  welche  mit  einer  noch  einige 
Jahre  jüngeren  Anna  Courte  Kinderrollen  inne  hatte.  Beide  spielten 
sehr  ergreifend  die  Kinder  in  der  Gotter’schen  Medea,  und  bildeten 
sich  unter  der  Leitung  der  Madame  Seyler  schon  früh  zu  tüchtigen 
Schauspielerinnen  aus. 

Mit  der  schönen  Madame  Fiala  rivalisirte  in  gewissem  Sinne 
Madame  Toskani,  welche  mit  Vorliebe  in  sanften,  zärtlichen  und  senti¬ 
mentalen  Charakteren  auftrat.  Aber  dieser  Künstlerin  erging  es  nach 
dem  Urtheil  gebildeter  Zeitgenossen  wie  mancher  ihrer  Kolleginnen 
unsrer  Tage;  denn  sie  war  über  ihr  eigentliches  Talent  vollständig 
im  Unklaren.  Gerade  sentimentale  Rollen  gelangen  ihr  am  wenigsten, 
sie  machte  stets  Fiasko  in  denselben  und  leistete  nur  in  der  Dar¬ 
stellung  von  koketten,  launigen  und  abenteuerlichen  Charakteren 
wirklich  Gutes. 

Die  Frauen  Grossmann,  Dauer,  Kirsch  und  Kirchhöfer,  deren 
Spiel  weniger  durch  hervorragende  Einzelleistungen  als  durch  tüch¬ 
tiges  Mitwirken  im  Ensemble  nennenswerth  ist,  vertraten  minder  be¬ 
deutende  und  ältere  Partieen  und  kamen  in  Hinsicht  auf  Talent  und 
Leistung  nach  den  vor  ihnen  besprochenen  Künstlerinnen  erst  in 
zweiter  Linie.  Noch  sind  von  den  weiblichen  Mitgliedern  der  Sey¬ 
ler 'sehen  Gesellschaft  die  Tänzerinnen  Demoiselle  Meyerfeld  und  De¬ 
moiselle  Verdun  zu  erwähnen,  von  denen  besonders  die  erstere  wegen 
ihrer  Grazie  und  Schönheit  viele  Bewunderer  in  Frankfurt  hatte. 

Von  dem  männlichen  Personal  der  Truppe  waren  drei  Schau¬ 
spieler,  nämlich  Grossmann,  Schletter  und  Möller,  zugleich  dramatische 
Autoren.  Der  Letztere  schrieb  das  damals  hochberühmte,  heute  gänz¬ 
lich  vergessene  Schauspiel:  »Der  Graf  von  Walltron  oder  die  Sub¬ 
ordination«;  während  die  beiden  Ersterwähnten,  besonders  Grossmann, 
sich  als  Verfasser  von  Lustspielen  einen  Namen  machten.  Ein  Werk 
Grossmann’s,  das  in  Hamburg  preisgekrönte  Lustspiel  »Henriette  oder 
sie  ist  schon  verheirathet«,  gehörte  am  Ende  der  siebziger  und  am 
Anfang  der  achtziger  Jahre  zu  den  Lieblingsstücken  des  Frankfurter 
Publikums. 

Mit  Ausnahme  Grossmann’s  leisteten  die  drei  Genannten  aber 


346 


besseres  als  Schauspieler  denn  als  dramatische  Dichter.  Möller  war 
vorzüglich  als  Heldenvater  und  in  älteren  Charakterrollen,  z.  B.  als 
Christ  vom  Bembrock  in  seinem  Stück  »Der  Graf  von  Walltron«; 
Schietter  zeigte  seine  Künstlerschaft  am  hauptsächlichsten  in  stark 
chargirten  Partieen.  Als  Schauspieler  gehörte  Grossmann  gerade 
nicht  zu  den  Koryphäen,  aber  immerhin  zu  den  besseren,  wenn  auch 
nur  ein  kleines  Feld  beherrschenden  Darstellern.  Reichhardt,  der 
Herausgeber  des  Gothaischen  Theaterkalenders,  sagt  von  ihm:  »Einen 
Lord  Trinker,  einen  Riccaut  de  la  Marliniere  und  alle  Cavalierrollen 
spielte  er  mit  aller  diesen  Geschöpfen  eignen  Etourderie  und  Imper- 
tinence ;  Marinelli  aber  ist  sein  höchster  Triumph,  den  ihm  keiner 
nachmachen  wird.  Er  spielt  auch  Juden,  Zigeuner  und  französische 
Bedienten  vortreftl ich.« 4  9  9 

Als  Bühnendichter  hatte  Grossmann  unbestrittene  Verdienste 
für  die  damalige  Zeit.  Seine  Stücke  fanden  nächst  den  Bretzner’schen 
und  Schröder’schen  Lustspielen  den  grössten  Beifall;  besonders  rühm¬ 
ten  die  Theaterkenner  die  in  denselben  in  launiger  und  witziger 
Weise  zum  Ausdruck  gebrachte  Welt-  und  Menschenkenntniss.  Von 
seinen  zahlreichen  dramatischen  Leistungen  galten  ausser  dem  oben 
erwähnten  Lustspiel  »Nicht  mehr  als  sechs  Schüsseln«,  Familienge- 
mälde  in  fünf  Aufzügen,  »Der  Barbier  von  Sevilla«,  Lustspiel  in  fünf 
Aufzügen  (nach  Beaumarchais),  »Adelheid  von  Veltheim«,  Schauspiel 
mit  Gesang  und  »Die  Ehestandskandidaten«,  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen, 
für  die  besten. 

Der  genialste  Darsteller  der  Seyler’schen  Gesellschaft  war  aber 
unstreitig  David  Borchers,  welcher  sein  grosses  Talent  unter  Anlei¬ 
tung  Eckhofs  ausgebildet  hatte.  Derselbe  war  ebenso  bedeutend  als 
Charakter-  wie  als  Helden-  und  Tyrannendarsteller  und  spielte  mit 
gleicher  Gewandtheit  gesetzte  Liebhaber,  Ca,valiers  und  Raisonneurs, 
wie  man  damals  das  Fach  der  retlektirenden  Charaktere  zu  nennen 
ptlegte.  Er  lernte  seine  meisten  Rollen  sehr  schlecht,  aber  merk¬ 
würdig  war  die  Art  und  Weise,  durch  welche  ihn  sein  Genie  mit 
Hülfe  einer  glücklichen  Erfindungsgabe  oft  aus  den  peinlichsten  Ver¬ 
legenheiten  riss. 

Borchers  war  der  ächte  Typus  eines  wilden  Theatergenies.  Auch 
in  Frankfurt  trieb  er  sich  nach  den  Vorstellungen  nächtelang  in  den 
Kneipen  umher  und  huldigte  der  grenzenlosesten  Spielwuth.  Wegen 
seiner  ausgezeichneten  gesellschaftlichen  Talente  und  seines  immer 
sprudelnden  Witzes  wurde  er  aber  trotz  vieler  tollen  Streiche  in  die 
beste  Gesellschaft  gezogen.  In  Frankfurt  erwarb  sich  Borchers  bald 
ebensoviel  persönliche  Freunde  als  Verehrer  seiner  Kunst.  Er  ver- 
heirathete  sich  am  10.  Juni  1777  hierselbst  mit  der  jungen  schönen 
Wittwe  Karoline  Nanette  Frank,  welche  am  9.  Juni  zum  ersten  Male 
als  Rosaura  in  Goldoni’s  »Verstelltem  Kranken«  auf  der  Seyler’schen 
Bühne  im  Junghof  auftrat. 


347 


Das  gerade  Gegentheil  von  Borchers  war  in  gewissem  Sinne 
Herr  Hellmuth  der  zweite  oder  jüngere,  der,  gleich  seinem  älteren 
Bruder,  für  das  Muster  eines  einfachen  gewissenhaften  Familienvaters 
gelten  konnte.  Hellmuth,  dessen  volltönende  schöne  Baritonstimme 
von  dem  bedeutendsten  Darstellungstalent  und  einer  imposanten  Ge¬ 
stalt  unterstützt  wurde,  gefiel  in  Frankfurt  besonders  als  »Admed«  T 
in  der  Schweizerischen  Oper  »Alceste«  und  wirkte,  gleich  seiner  Gattin, 
oft  in  hiesigen  Koncerten  mit.  Herr  Hellmuth  der  ältere  gab  mei¬ 
stens  Väter-  und  komische  Charakterrollen  und  unterstützte  den 
Direktor  Seyler  bei  der  Leitung  der  Bühnengeschäfte.  Er  besass 
nämlich  ein  ausgezeichnetes  Direktions-  und  Anordnungstalent  und 
einen  grossen  Sinn  für  geschäftliche  Ordnung,  und  half  dem  in 
mancher  Beziehung  wenig  gewandten  und  unpraktischen  Seyler  häufig 
aus  Verlegenheiten. 

Der  jüngste,  aber  nicht  der  geringste  unter  seinen  Kollegen, 
war  Christian  Wilhelm  Opitz,  welcher  19  Jahre  alt,  die  Seyler’sche 
Bühne  in  Leipzig  zum  ersten  Male  betreten  hatte.  Er  war  ein  schöner 
schlank  gewachsener  Jüngling,  der  für  Liebhaber,  Bonvivants  und 
jugendliche  Helden  wie  geschaffen  schien.  Besass  er  auch  keine  so 
tiefe  künstlerische  Innerlichkeit  wie  Borchers,  so  war  er  doch,  wie 
der  Frankfurter  Theaterkritiker  Seyfried  sagt,  mit  einer  Grazie  des 
Geistes  und  Körpers  begabt,  welche  diesen  Mangel  auf  die  liebens¬ 
würdigste  Weise  verdeckte. 

Herr  Fiala,  der  Gatte  der  gefeierten  jugendlichen  Liebhaberin, 
gehörte  nur  bei  ihrem  ersten  Aufenthalt  in  Frankfurt  zu  dem  aus¬ 
erwählten  Künstlercollegium  der  Seyler’schen  Gesellschaft.  Er  war, 
wie  Borchers,  im  Leben  ein  wüster  Geselle,  besass  jedoch  nicht  dessen 
siegendes  Talent.  Fiala  spielte  mit  einer  gewissen  Gewandtheit 
zweite  Liebhaber-  und  Charakterrollen,  erfreute  sich  aber  trotzdem 
keiner  grossen  Beliebtheit,  wohl  hauptsächlich  deshalb,  weil  allgemein 
bekannt  war,  dass  er  seine  junge  reizende  Frau  oft  auf  das  Rück¬ 
sichtsloseste  behandelte. 

Herr  Pöschel  und  der  Bassist  Toskani  wirkten  besonders  in 
den  Opern  und  Singspielen  mit,  der  letztere  rivalisirte  hauptsächlich 
mit  dem  ausgezeichneten  Sänger  und  Komiker  Günther,  welcher 
wahrscheinlich  in  Folge  dessen  1777  (nach  anderen  1778)  die  Sey¬ 
ler’sche  Gesellschaft  vor  ihrer  Abreise  nach  Frankfurt  verliess  und 
in  die  Bondini’sche  Gesellschaft  in  Leipzig  eintrat. 

Herr  Hensel,  der  erste  Gatte  der  Madame  Seyler,  mit  welchem 
dieselbe  nach  der  1773  erfolgten  Scheidung  wieder  auf  ganz  freund¬ 
schaftlichem  Fusse  stand,  war  ganz  vortrefflich  als  komischer  Alter 
und  in  Bedientenrollen.  Obgleich  er  jedoch  ausserordentlich  auf  die 
Lachmuskeln  zu  wirken  verstand,  besass  Hensel  doch  auch  die  glück¬ 
liche  Gabe,  Mass  zu  halten.  Er  übertrieb  nie,  und  namentlich  sein 
Just  in  »Minna  von  Barnhelm«  soll  ein  Meisterstück  der  Darstellung^- 


348 


kunst  gewesen  sein.  Im  Leben  ein  ernster,  in  sich  gekehrter  Bie¬ 
dermann,  lagen  auf  der  Bühne  ernstere  Charaktere  ganz  ausserhalb 
der  Sphäre  seiner  Leistungsfähigkeit.  Auch  Hensel  gehörte  —  um 
einen  Ausspruch  Ludwig  Rellstah’s  zu  gebrauchen  —  zu  jenen 
Komikern,  die  auf  dem  Theater  einen  ganz  anderen  Menschen  an- 
ziehen  und  der  ernsten,  fast  schwermüthigen  Physiognomie  ihres 
Wesens  eine  heitere  Maske  aufdrücken. 

In  dem  Singspiel  und  in  der  Oper  wirkten  ausser  den  Genann¬ 
ten  die  Tenoristen  Dauer  und  Demmler,  sowie  der  Bassist  Müller 
mit;  als  Schauspieler  sind  noch  die  Herren  Kirchhöfer  und  Berner 
namhaft  zu  machen,  welche  unbedeutendere  Partieen  inne  hatten, 
aber  schon  deshalb  keine  untergeordnete  Stelle  in  dem  Personal  ein- 
n ahmen,  weil  Seyler  stets  auf  eine  möglichst  gute  Besetzung  selbst 
der  kleinsten  Rolle  bedacht  war.  Schliesslich  ist  noch  der  Ballet¬ 
meister  und  erste  Tänzer  Schulz,  welcher  besonders  im  Komponiren 
von  pantomimischen  Scenen  gross  gewesen  sein  soll  und  ein  Herr 
Zuccarini  zu  erwähnen,  welcher  Letztere  erst  1778  für  den  abgehen¬ 
den  Fiala  zur  Seyler’schen  Gesellschaft  kam  und,  wie  sein  Vorgänger, 
zweite  Liebhaberrollen  spielte. 

Seyler,  welcher,  wenigstens  in  Frankfurt,  nicht  als  Schauspieler 
thätig  war,  legte  als  verständiger  Regisseur  den  grössten  Werth  auf 
ein  gutes  Zusammenspiel.  Er  brachte  es  in  dieser  Beziehung  durch 
anhaltenden  Fleiss  und  feines  Kunstverständniss  auch  so  weit,  dass 
Frankfurter  Bühnenkenner  seine  Vorstellungen  der  damals  modernen 
Trauer-,  Schau-  und  Lustspiele  in  sich  abgeschlossene,  bis  in  die 
kleinsten  Theile  vollendete  Kunstwerke  zu  nennen  pflegten.  Auch 
dem  Beiwerk  liess  der  feingebildete  Direktor  die  grösste  Beachtung 
zu  Theil  werden.  Die  Dekorationen,  Requisiten  waren  dem  Inhalt 
der  Stücke  entsprechend  und  unterstützten  den  Gesammteindruck 
derselben  auf  das  Vortheilhafteste.  Alles,  was  die  fortschreitende 
Technik  und  Maschinerie  an  Hülfsmitteln  darbot,  wurde  von  Seyler 
zur  Vervollkommnung  seines  Theaters  verwendet.  Er  hielt  einen  be¬ 
sonderen  französischen  Maschinenmeister  und  beschäftigte  stets  zwei 
Dekorationsmaler,  von  welchen  Appiani  und  Balthasar  namhaft  ge¬ 
macht  werden  können. 

Ehe  die  Gesellschaft  nach  Frankfurt  reiste,  hatte  ein  junger 
Leipziger,  der  ein  Schüler  Oeser’s  gewesen  sein  soll,  einen  neuen 
Vorhang  für  deren  Bühne  gemalt.  Auf  demselben  war  eine  alle¬ 
gorische  weibliche  Figur  dargestellt,  die  schützend  ihre  Rechte  über 
den  von  Musen  und  Genien  umgebenen  Altar  der  dramatischen 
Kunst  hielt.  Oben  am  Vorhang  in  einem  gemalten  verschlungenen 
Band  stand  mit. grossen  Lettern  das  Motto:  Ridendo  castigat  mores.500 

Das  grosse  Ansehen,  welches  die  Seyler’sche  Gesellschaft  bei 
allen  Kunstverständigen  in  Frankfurt  genoss,  war  auch  gewiss  zum 
Theil  in  der  ausgezeichneten  Zusammenstellung  des  Orchesters  be- 


349 


gründet,  in  welchem  verschiedene  bedeutende  deutsche  Musiker  mit¬ 
wirkten.  Kapellmeister  war  Christian  Gottlob  Neefe,  ein  Schüler 
Hiller’s  und  Komponist  der  an  lieblichen  Melodien  reichen  Operetten : 
»Die  Apotheke«,  »Amors  Guckkasten«,  »Adelstan  und  Röschen«,  »Hein¬ 
rich  und  Lyde«,  »Die  neuen  Gutsherrn«,  sowie  der  eingelegten  Ge¬ 
sänge  und  Arien  zu  dem  Grossmann’schen  Stück  »Adelheid  von 
Veltheim«  und  der  Musik  zu  der  von  Möller  verfassten  Farce  »Der 
Zigeuner«. 

Als  erster  und  zweiter  Geiger  zeichneten  sich  oft  in  vortreff¬ 
lichem  Solospiel  während  der  Zwischenakte  die  beiden  Söhne  des 
Kapellmeisters  Georg  Benda  in  Gotha  (Komponist  des  Duodrama 
»Ariadne  auf  Naxos«)  aus.  Besonders  der  ältere,  Friedrich  Ludwig 
Benda,  galt  bei  den  Musikverständigen  Frankfurts  wegen  seines  zum 
Herzen  dringenden  Vortrags  für  ein  ungewöhnliches  Talent.  Er 
komponirte  späterhin  auch  die  Operetten  »Der  Barbier  von  Sevilla«, 
»Die  Verlobung«  und  »Luuise  und  Mariechen«,  welche  heute  freilich 
zu  den  völlig  vergessenen  Stücken  jener  Kunstepoche  gehören. 

Ripienist  bei  der  zweiten  Geige  war  ein  Sohn  des  Koncert- 
meisters  Hattasch  aus  Gotha,  Fagottist  ein  Herr  Pfeiffer,  der  seinem 
Meister,  dem  berühmten  Reinert  in  München,  viel  Ehre  gemacht 
haben  soll.  Hervorragende  Mitglieder  des  Seyler’schen  Orchesters 
waren  ausser  den  Genannten  noch  der  geschickte  Flötist  Meyer,  die 
Oboisten  Gebrüder  Kiittel  aus  Mainz,  der  Cornist  Schmidt,  ebenfalls 
aus  dieser  Stadt  gebürtig,  ein  Schüler  des  berühmten  Ponto,  und 
der  noch  sehr  junge  Violoncellist  Busck,  der  damals  freilich  noch 
kein  vollendeter  Künstler  war,  aber  bereits  Vortreffliches  leistete. 
Die  Stelle  eines  Theaterdichters  und  Sekretärs  bekleidete  seit  1770 
der  in  Frankfurt  geborene  Friedrich  Maximilian  Klinger.  Dieser 
dichtete  für  die  Seyler’sche  Gesellschaft  sein  wunderliches  Drama 
»Sturm  und  Drang«,  nach  dessen  Titel  eine  neu  anbrechende  Literatur¬ 
periode  den  Namen  erhalten  sollte.  Seyler  eröffnete  in  Leipzig  wäh¬ 
rend  der  Ostermesse  1777  sein  Theater  mit  diesem  Schauspiel,  welches 
bei  der  ersten  Aufführung  den  grössten  Erfolg  erzielte.  Durch  jene 
beifällige  Aufnahme  ermuthigt,  gab  er  »Sturm  und  Drang«  auch  am 
31.  Mai  desselben  Jahres  in  Frankfurt,  aber  zum  Schrecken  der 
hiesigen  Freunde  und  Verehrer  Klinger’s  vor  leerem  Hause. 

Die  geringe  Theilnahme,  welche  die  Frankfurter  im  Sommer  und 
in  der  Herbstmesse  1777  für  die  ernsteren  Stücke  an  den  Tag  legten, 
ist  keineswegs  als  eine  Geringschätzung  der  Bestrebungen  Seyler’s, 
sondern  einzig  als  die  Folge  der  ausserordentlichen  Gunst  zu  be¬ 
trachten,  deren  sich  das  Singspiel  noch  immer  bei  dem  grössten 
Theil  des  hiesigen  Publikums  erfreute. 

In  den  Kreisen  der  Kunstverständigen  war  dies  freilich  nicht 
mehr  der  Fall;  dort  hatte  die  Erkenntniss  von  der  Bedeutung  des 
deutschen  Theaters  schon  insoweit  Wirkung  gehabt,  dass  man  bereits 


-  350 


mit  Wort  und  Schrift  an  der  bedenklichen  Herrschaft  des  Singspiels 
über  die  höheren  dramatischen  Gattungen  zu  rütteln  begann  und 
der  Thätigkeit  Seyler’s  die  vollste  Beachtung  und  Würdigung  zu 
Theil  werden  liess.  Er  behauptete  aber  auch  den  von  ihm  für 
einzig  richtig  anerkannten  Kunststandpunkt  ebenso  streng,  wie  früher 
Marchand  den  seinigen.  Trotzdem  ihm  das  Singspiel  und  die  Operette 
stets  volle  Häuser  machte,  gönnte  er  ihnen  doch  nur  eine  sekundäre 
Stelle  in  seinem  Repertoire. 

Der  erste  Aufenthalt  der  Seyler’schen  Gesellschaft  in  Frank¬ 
furt  fällt  in  die  Zeit  vom  14.  Mai  bis  14.  Juni  1777.  Die  Bühne 
wurde  mit  »Emilia  Galotti«  und  einem  von  Heinrich  Leopold  Wagner 
verfassten  und  von  Frau  Seyler  gesprochenen  Prolog  Donnerstag, 
14.  Mai  1777  eröffnet,  worauf  die  anderen  Stücke  in  folgender  chrono¬ 
logischer  Aufeinanderfolge  zur  Darstellung  kamen : 

»Alceste«,  Oper  von  Schweizer,  Text  von  Wieland 

Donnerstag,  15.  Mai. 

»Henriette  oder  Sie  ist  schon  verheyrathet«,  Lustspiel 
in  fünf  Aufzügen,  und  »Die  Fischer  oder  der  be¬ 
trogene  Ehemann«,  pantomimisches  Ballet  von 
Schulz . Freitag,  16.  Mai. 

»Sie  lässt  sich  herab,  um  zu  siegen,  oder  die  Irrthümer 
einer  Nacht«,  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen  von 
Goldsmith,  übersetzt  von  Wittenberg,  und  »Die 
Fuhrleute«,  pantomimisches  Ballet  von  Schulz 

Mittwoch,  21.  Mai. 

»Die  junge  Indianerin«,  Lustspiel,  ungedruckte  Bear¬ 
beitung  von  Eckhof,  und  »Der  Jahrmarkt«,  komi¬ 
sche  Oper,  Text  von  Götter,  Musik  von  Georg 
Benda . Donnerstag,  22.  Mai. 

»Die  eifersüchtige  Ehefrau«,  aus  dem  Englischen  für 
die  deutsche  Bühne  vollständig  umgearbeitet  von 
Bode,  und  »Die  Wilden«,  pantomimisches  Ballet 
von  Schulz . Freitag,  23.  Mai. 

Wiederholung  der  »Alceste« . Montag,  26.  Mai. 

»Merope«,  Trauerspiel,  nach  Yoltaire’s  gleichnamiger 

Tragödie  frei  bearbeitet  von  Götter  .  .  Dienstag,  27.  Mai. 

»Der  dankbare  Sohn«,  Lustspiel  von  Engel,  und  »Wälder«, 

Operette,  Text  von  Götter,  Musik  von  Georg 

Benda . Donnerstag,  29.  Mai. 

»Der  glückliche  Geburtstag«,  Lustspiel  in  drei  Aufzügen 
von  Schietter,  und  »Medea«,  Melodrama  von 
Georg  Benda,  Text  von  Götter  .  .  .  Samstag,  31.  Mai. 

(In  diesem  Stück  war  Frau  Seyler  besonders  in  dem  Recitative  gross.) 

»Sturm  und  Drang«,  Schauspiel  in  fünf  Aufzügen  von 

F.  M.  Klinger,  und  ein  pantomim.  Ballet  .  Montag,  2.  Juni. 


351 


»Das  Duell«,  Lustspiel  in  einem  Aufzuge,  und  »Romeo 
und  Julia«,  eine  ernsthafte  Oper  mit  gesproche¬ 
nem  Dialog  von  Götter,  und  Kompositionen  von 
Georg  Benda . Dienstag,  3.  Juni. 

»Die  Frevmaurer«,  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen,  nach 
einem  ungedruckten  deutschen  Original  bearbeitet 
von  Hensel,  und  ein  pantomimisches  Ballet  »Das 
Fest  der  Freymaurer«  von  Schulz  .  Donnerstag,  5.  Juni. 

»Der  Graf  von  Walltron  oder  die  Subordination«,  Schau¬ 
spiel  in  fünf  Aufzügen  von  Möller  .  .  Samstag,  7.  Juni. 

»Die  verstellte  Kranke«  von  Goldoni  und  »Die  Wilden«, 

pantomimisches  Ballet  von  Schulz  .  .  Montag,  9.  Juni. 

»Piramus  und  Thisbe«,  Singspiel  in  drei  Aufzügen,  und 

ein  pantomimisches  Ballet . Dienstag,  lü.  Juni. 

»Die  Irrungen«,  Farce  in  fünf  Aufzügen  von  Gross¬ 
mann,  nach  Shakespeare’s  Komödie  der  Irrungen 

Donnerstag,  12.  Juni. 

»Robert  und  Kalliste  oder  der  Triumph  der  Treue«, 

Singspiel  von  Guglielmi,  übersetzt  von  Eschen¬ 
burg  ;  hierauf  schloss  Frau  Seyler  die  Bühne  mit 
einer  von  einem  unbekannten  Autor  verfassten 
poetischen  Dankrede . Samstag,  14.  Juni. 

Welch  grosses  Interesse  diesen  Vorstellungen  von  Kennern  ent¬ 
gegengebracht  wurde,  geht  daraus  hervor,  dass  der  in  Frankfurt 
lebende  Schriftsteller  Heinrich  Leopold  Wagner,  Goethe’s  Studien¬ 
genosse  von  Strassburg  her,  kritische  Abhandlungen  in  Briefform 
über  dieselben  herausgab.  Diese  Besprechungen,  welche  unter  dem 
Titel  »Briefe,  die  Seyler’sche  Schauspielergesellschaft  und  ihre  Vor¬ 
stellungen  in  Frankfurt  am  Mayn  betreffend«,  im  August  1777  bei 
den  Eichen berg’schen  Erben  erschienen,501  bilden  deshalb  für  die 
Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  einen  so  denkwürdigen  Merk- 
steiu,  weil  sie  sich  als  das  erste  kritische  Unternehmen  solcher  Art 
darstellen.  Von  nun  an  trat  auch  hier  der  Recensent  zwischen  Dar¬ 
steller  und  Zuschauer,  die  Ergebnisse  der  schauspielerischen  Leistun¬ 
gen  gingen  durch  seine  Hand  und  die  Zeiten  kindlicher  Unbefangen¬ 
heit  waren  auch  für  die  jeweilige  Frankfurter  Bühne  und  ihre  Mit¬ 
glieder  für  immer  dahin. 

Die  Kritiken  H.  L.  Wagner’s  verbitterten  freilich  den  Schau¬ 
spielern  der  Seyler’schen  Gesellschaft  keineswegs  das  Leben.  Sie 
sind  fast  sämmtlich  sehr  zu  ihren  Gunsten  gehalten  und  verrathen 
merklich,  dass  der  Verfasser  in  näheren  Beziehungen  zu  dem  Direk¬ 
tor  und  seiner  mächtigen  Gattin  stand.  Man  darf  also  die  Abhand¬ 
lungen  für  nichts  weniger  als  für  eine  Dramaturgie  im  Sinne 
Lessing’s  halten  oder  eine  Uebung  der  freien  Urtheilskraft  zur  För¬ 
derung  der  Erkenntniss  des  Guten  und  Schönen  in  ihnen  suchen. 


352 


Wagner  spricht  sich  über  den  eigentlichen  Werth  der  auf¬ 
geführten  Stücke  nur  sehr  spärlich  aus,  bringt  aber  lange  Inhalts¬ 
angaben  und  lobt  dann  die  in  denselben  auftretenden  Schauspieler 
der  Reihe  nach  durch.  Am  besten  kommen  hierbei  stets  die  geniale 
Madame  Seyler,  die  anmuthige  Fiala  und  der  unvergleichliche  Bor- 
chers  weg. 

Wenn  aber  auch  diese  Recensionen  nicht  objektiv  und  ent¬ 
schieden  genug  gehalten  sind,  so  finden  sich  in  ihnen  doch  hie  und 
da  Bemerkungen,  welche  auf  die  damalige  Stimmung  des  Frankfurter 
Publikums,  sowie  auf  das  künstlerische  Ansehen  der  Seyler’schen 
Gesellschaft  ein  interessantes  Licht  werfen.  Ferner  lässt  sich  aus 
einigen  Bemerkungen  klar  erkennen,  dass  Wagner  die  Bedeutung 
der  Schaubühne  vollkommen  erfasst  hatte  und  ihre  ernstere  Richtung 
durch  alle  ihm  zu  Gebote  stehenden  Mittel  zu  fördern  suchte. 

In  der  Kritik  über  die  am  14.  Mai  1777  zum  ersten  Male  hier 
in  Frankfurt  aufgeführte  »Emilia  Galotti«  berichtete  Wagner  mit  einem 
gewissen  Stolz ,  dass  dies  Meisterwerk  Lessing’s  in  Frankfurt  mehr 
Sensation  erweckt  habe,  wie  in  den  Gegenden,  welche  sich  seit  langen 
Jahren  das  Monopol  in  Sachen  des  guten  Geschmacks  angeeignet 
hätten.  Hauptsächlich  schreibt  er  diesen  grossen  Erfolg  den  Leistungen 
der  Hamen  Seyler  und  Fiala.  zu,  deren  Spiele  als  Orsina  und  Emilia 
Galotti  folgende  lobende  Beurtheilung  zu  Tlieil  wurde : 

»Emilia  Galotti  (Madame  Fiala)  ganz  zu  dieser  Rolle  gemacht! 
vollkommen  des  Lobes  werth,  das  Conti  ihr  beilegt!  Ihrentwegen 
verzeiht  man  dem  Prinzen  gerne  die  traurigen  Folgen  seiner  un¬ 
zeitigen  Leidenschaft.  Ihr  Blick  so  zärtlich  und  doch  wieder  so  ent¬ 
schlossen,  wo  er  es  sein  soll !  Bald  naiv,  wie  die  Unschuld  selbst,  bald 
gross  wie  Heldinnen  der  Vorwelt.  Man  würde  den  Grafen  beneiden, 
wenn  er  nicht  auf  seiner  Seite  ihrer  so  würdig  wäre.  —  ....  Und 
Orsina!  doch  ehe  ich  Ihnen  sage,  wie  dieser  Charakter  sich  auszeich¬ 
nete,  muss  ich  Sie  erst  versichern,  was  mich  ein  paar  junge  gereiste 
Herrn,  die  lang  in  Paris  waren,  und  also  im  Besitz  des  guten  Ge¬ 
schmacks  nothwendig  sein  müssen,  gleichfalls  versichert  haben,  dass 
Orsina  eine  sehr  schwere  Rolle  ist:  Madam  Seyler  spielte  sie  zwar 
mit  so  viel  Wahrheit,  mit  so  viel  Natur,  dass  man  hätte  schwören 
sollen,  sie  wär  ihr  ganz  eigen;  aber  darin  besteht  gewiss,  wie  mich 
eben  diese  Kenner  belehrten,  die  grösste  Kunst.  Scherz  bei  Seite; 
Madam  Seyler  fand,  so  wie  sie  auftrat,  noch  so  viel  alte  Freunde, 
denen  das  Andenken  der  Henselin  schätzbar  war,  dass  sie  mit  vollem 
Händeklatschen  empfangen,  und  eben  dadurch  bis  zu  Thränen  ge¬ 
rührt  wurde.  Der  Zusammenfluss  von  Fremden,  die  sich  hier  auf¬ 
halten,  die  vielen  hiesigen  Liebhaber  der  Bühne,  die  sie  schon  sonstwo 
spielen  gesehn  haben,  mochten  nicht  wenig  hierzu  beitragen;  wenn 
sie  also  durch  dieses  Kompliment,  dass  ich  es  so  nenne,  überrascht 
worden,  so  schreib  ich’s  ganz  allein  ihrer  Bescheidenheit  zu ,  die 


353 


jederzeit  nach  Maasgab  der  Talenten  wächst  oder  abnimmt.  Auch  war 
ihr  Spiel  von  Anfang  bis  zu  Ende  einstimmig  bewundert;  sogar  die 
in  jedem  andern  Munde  kalten  uninteressanten  Stellen  dieser  Personage 
wusste  sie  so  meisterhaft  zu  heben,  dass  sie  bei  den  Meisten  für 
Schönheiten  mitpassirten.  Ziehen  Sie  hieraus  nun  selbst  den  Schluss, 
wie  unnachahmlich  ihr  erst  die  wahren  Schönheiten  geglückt  sind. 
Doch  Sie  kennen  sie  ja,  wissen  wie  stolz  wir  Teutsche  auf  diese 
Schauspielerin  sein  können,  dürft  ich  noch  von  allen  hinzusetzen,  sind!« 

Wie  aus  der  weiteren  Besprechung  der  »Emilia  Galotti«  hervor¬ 
geht,  waren  die  anderen  Rollen  folgendermassen  besetzt:  Der  Prinz: 
Herr  Hellmuth  der  jüngere;  Appiani :  Herr  Opitz;  Odoardo  Galotti: 
Herr  Borchers;  Claudia  Galotti:  Demoiselle  Zink  [dieselbe  war  erst 
ein  halbes  Jahr  bei  der  Bühne  und  hatte  diese  ältere  Rolle  nur 
übernommen,  um  sich  mehr  Gewandtheit  im  Spielen  zu  erwerben]; 
Maler  Conti:  Herr  Fiala;  Marinelli:  Herr  Grossmann;  Camillo  Rota: 
Herr  Kirchhöfer;  Angelo,  Bandit:  Herr  Möller  und  Pirro:  Herr 
Schietter. 

In  der  Recension  über  das  von  Lt.  Wittenberg  steif  übersetzte 
Stück  »Sie  lässt  sich  herab,  um  zu  siegen,  oder  die  Irrthümer  einer 
Nacht«  findet  sich  das  folgende,  von  einem  anderen  Frankfurter 
Kritiker  in  ähnlicher  Weise  ausgesprochene  Urtheil :  »Ueberhaupt 
muss  ich  noch  der  Gesellschaft  zur  Ehre  und  zum  Steuer  der  Wahr¬ 
heit  bemerken,  dass  sie  den  wahren,  natürlichen  Conversationston 
vollkommen  in  ihrer  Gewalt  hat.  Jedes  spricht,  wie  es,  wenn  es 
wirklich  auf  der  Bühne  der  Welt  das  wäre,  was  es  hier  auf  einige 
Stunden  vorstellt,  sprechen  würde  und  müsste.« 

Die  bereits  mehrfach  betonte  einseitige  Geschmacksrichtung  des 
Frankfurter  Publikums,  welche  nur  Gefallen  an  dem  modischen  Sing¬ 
spiel  fand,  ist  Wagner  ein  Greuel.  Er  zieht  bei  jeder  Gelegenheit 
gegen  dieselbe  zu  Felde  und  kann  auch  die  Aufführung  des  damals 
sehr  beliebten  Singspiels  »Der  Jahrmarkt«  von  Benda  (Text  von 
Götter)  nicht  vorübergehen  lassen,  ohne  wieder  gegen  die  gefähr¬ 
liche  Bevorzugung  in  folgenden  Auslassungen  geeifert  zu  haben : 

»Der  Jahrmarkt,  eine  komische  Oper  von  Herrn  Götter  in 
zween  Aufzügen,  wurde  —  weil  zumal  das  hiesige  Publikum  schon 
längst  an  Singspiele  allerlei  Kalibers  verwöhnt  ist,  und  bei  dem 
faux  pli,  den  es  einmal  genommen,  mehr  auf  Musik  und  Spektakel, 
als  auf  Interesse  und  Theilnehmung  erpicht  ist  —  mit  unbeschreib¬ 
licher  Freude  aufgenommen.  Ich  würde  diese  Anmerkung  hier  nicht 
machen,  wenn  ich  nicht  in  prophetischem  Geiste  voraus  säh,  man 
würde  in  kurzem  über  den  Singspielen  alle  anderen  Gattungen  von 
Schauspielen  vergessen.  Den  Enthusiasmus,  mit  dem  man  jene  be¬ 
sucht,  will  ich  gerne  loben,  wenn  diese  nur  nicht  eben  dadurch  zu 
weit  zurückgestellt  und  vernachlässigt  werden.  Sonst  sollte  es  mir 
sehr  leid  für  das  Publikum  am  Mayn-  und  Rheinstrom,  ebenso  leid 

23 


354 


aber  auch  für  Herrn  Seyler  thun.  Jenes  könnte  dadurch  gar  leicht 
in  den  Verdacht  eines  falschen,  tändelnden  Modegeschmacks  kommen, 
dieser  aber  gar  bald  seiner  besten  Acteurs,  wenn  sie  ohne  Aufmun¬ 
terung  sich  abmartern  müssten,  beraubt  werden.  Alles  zu  seiner 
Zeit!  und  so  sei  auch  dies  Wörtchen  —  übrigens  ganz  harmlos  — 
gesprochen !« 

Ein  anderes  Mal  schüttet  Wagner  seinen  Aerger  gegen  das 
von  Götter  in  eine  ernsthafte  Oper  mit  gesprochenem  Dialog  um¬ 
gewandelte  Shakespeare’sche  Trauerspiel  »Romeo  und  Julie«  aus. 
Götter,  welcher  sich  sonst  eng  an  Weisse  [der  ebenfalls  eine  Tragödie 
gleichen  Namens  nach  dem  Shakespeare’schen  Original  bearbeitet  hat] 
anschlösse,  habe  auch  noch  einen  lustigen  Ausgang  zu  »Romeo  und 
Julie«  geschrieben  und  sich  dem  sinkenden  Geschmack  zuhebe  an 
Shakespeare  frevelhaft  vergriffen.  Dem  Kapellmeister  Benda  mache 
seine  Komposition  alle  Ehre ;  ob  es  aber  für  den  Geschmack  des 
Publikums  ein  gutes  Zeichen  sei,  dass  man  den  Geist  Shakespeare’s, 
um  ihm  denselben  beizubringen,  erst  mit  neunzehn  Zwanzigstel 
Wasser  versetzen,  ein  Trauerspiel  zur  Operette,  und  seinen  herrlichen 
Geburten  —  wie  jüngst  Tit.  pl.  Herr  Orang  Outang  dem  Werther 
tliat  502  —  einen  andern  Kopf  anpassen  müsse,  möge  dem  Urtheil 
aller  wahren  Theaterfreunde  überlassen  bleiben.  Bei  Weisse  sei  doch 
trotz  aller  grossen  Freiheiten,  die  er  sich  erlaubt  habe,  hier  und  da 
noch  etwas  vom  englischen  Dichter  zurückgeblieben,  in  der  Gotter’- 
schen  Bearbeitung  wäre  aber  auch  nicht  die  geringste  Spur  mehr 
von  ihm  zu  entdecken. 

Im  Anschluss  an  diese  Kritik  muss  noch  eine  Stelle  aus  der 
Recension  über  Goldoni’s  »Verstellte  Kranke«  hier  Aufnahme  finden, 
in  welcher  Wagner  einen  ähnlichen  Gedanken  zum  Ausdruck  bringt. 
»Wir  haben«,  schreibt  er,  »in  kurzer  Zeit  Riesenschritte  gethan ;  kaum 
noch  hat  es  angefangen  bei  uns  zu  tagen,  (und  wie  viel  Hundert 
haben  sich  den  Morgenschlaf  noch  nicht  aus  den  Augen  gerieben  !) 
so  sind  wir  schon  wieder  im  Begriff  einzupacken  und  Feierabend 
zu  machen.  Eh’  unsre  Nachbarn  recht  wissen  werden,  dass  wir  da 
sind  und  ein  Theater  für  uns  haben,  werden  wir  schon  Greise  wie 
sie  selbst  sein.  In  einem  Zeitraum  von  fünfzehn  Jahren,  damit  ich 
ihn  nicht  zu  hoch  ansetze !  haben  wir  eine  Bahn  durchlaufen,  auf 
der  sich  andere  ganze  Jahrhunderte  abgearbeitet  haben;  und  ehe 
noch  fünfzehn  Jahre  herum  sind,  werden  die  Meisterstücke  eines  L. 
[Lessing]  und  eines  G.  [Goethe]  ebensogut  Kabinetstücke  sein,  als 
die  Werke  eines  Euripides,  Sophokles,  Aristophanes,  Plautus  und 
Terenz  es  heutzutage  sind.  Und  desto  besser  alsdann  für  sie !  Für 
den  grossen  Haufen  haben  sie  ja  so  nicht  geschrieben;  dies  kann 
nur  der  thun,  der  selbst  dazu  gehört.  —  Bis  zur  komischen  Oper  hat 
sich  unser  Geschmack  ohnehin  schon  herabgelassen,  nur  in  dieser 
lebt,  webt  und  vegetirt  er  noch :  Ihn  adoptirt  der  Dichter,  ihm 


355 


huldigt  der  neuangehende  Schauspieler;  jener  macht  Nachspiele,  mit 
Gesäugen  vermischt,  dieser  lernt  singen  oder  wenigstens  krähen :  und 
beide  thun,  insofern  sie  die  Absicht  haben,  gefallen  zu  wollen,  wohl 
daran.  Wo  es  die  Etiquette  erfordert,  muss  sich  auch  der  vernünf¬ 
tigste  Mann  bequemen,  schwarze  Schuhe  mit  rothen  Absätzen  zu 
tragen.  Noch  eh’  wir  es  uns  versehen,  wird  auch  der  letzte  Schritt 
gethan  sein,  werden  Possenspiele,  Paraden  und  andre  dergleichen 
Farcen  unsre  Lunge  und  unser  Zwergfell  zu  erschüttern  auftreten 
müssen;  und  dann  gute  Nacht  Theater  und  Geschmack  in  Deutsch¬ 
land!  — « 

Wenn  man  nun  ein  solches,  auf  ästhetischen  Principien  beruhen¬ 
des  Urtheil  liest,  sollte  man  es  nicht  glauben,  dass  sich  Wagner  zum 
Loben  eines  Schauspiels  wie  »Der  Graf  von  Walltron«  von  Möller, 
welches  Schiller  später  mit  Recht  ein  elendes  und  abgeschmacktes 
Stück  nannte,  hätte  herbeilassen  können.  Dieses  Urtheil  und  noch 
manche  andere  Lobpreisungen  höchst  unbedeutender  dramatischer 
Werke  lassen  sich  nur  aus  den  nahen  Beziehungen  Wagner’s  zu 
Seyler  erklären,  dessen  literarischer  Dolmetscher  und  Anwalt  er 
sicher  in  diesen  Briefen  dem  Publikum  gegenüber  gewesen  ist. 
Für  Seyler’s  Bestrebungen  kann  diese  Annahme  um  so  weniger  un¬ 
günstig  aufgefasst  werden,  als  sie  auf’s  Neue  Zeugniss  ablegt,  dass 
er  ein  Bühnenleiter  war,  der  selbst  die  unbedeutendsten  Leistungen 
deutscher  Dichter  den  bereits  vorhandenen  und  damals  aufkommen¬ 
den  Stücken  französischer  Autoren  vorzog. 

Unter  den  achtzehn  Vorstellungen,  welche  Seyler  bei  seinem 
ersten  Aufenthalt  in  Frankfurt  im  Bieneuthal’schen  Saal  zum  Jung¬ 
hof  gab,  findet  sich  nur  eine  den  ganzen  Abend  ausfüllende  Dar¬ 
stellung  eines  französischen  Trauerspiels.  Es  war  dies  »Merope«  von 
Voltaire,  eine  Tragödie,  welche  der  schon  mehrfach  genannte  Friedrich 
Wilhelm  Götter  für  che  deutsche  Bühne  übersetzt  und  bearbeitet 
hatte.  Weniger  gegen  den  Uebersetzer  und  Umarbeiter,  als  gegen 
Voltaire  und  die  Liebhaberei  des  Frankfurter  Publikums  für  antike 
Stoffe  versucht  Wagner  in  seiner  Kritik  über  »Merope«  Lessing’sche 
Polemik. 

»Mehr  denn  einmal«,  berichtet  er,  »wischte  mir  die  hochbeinigte, 
einförmige  Göttin,  Langeweile,  mit  ihren  Fittigen  von  Spinneweben, 
die  Augen  aus,  und  wollte  mir  Sperrhölzercher  in  den  Mund  stecken, 
wenn  ich  das  seltene  Antiquitätenstück  in  seinen  einzelnen  Theilen 
so  vor  mir  selbst  vorbei  passiren  liess.  Ich  schleiche  so  gar  gern, 
wie  du  wohl  weisst,  unter  meinen  Zeitgenossen  umher,  lern  ihre 
Tugenden  und  Schwächen  kennen,  das  kann  mir  doch  noch  was 
nutzen.  Bei  den  modernisirten  Helden  und  Staatsaktionen  des  Alter¬ 
thums  fühl  ich  gar  nichts;  wenn  ich  mich  auch  mit  dem  besten 
Willen  von  der  Welt  auf  alle  Seiten  gedreht,  in  alle  möglichen 
Standpunkte  gesetzt  habe,  so  sehe  ich  immer  bei  all  diesen  Elektren, 

23* 


356 


Phädren,  Meropen,  Oedipen  u.  s.  w.  nichts  mehr  und  nichts  weniger 
als  ein  altes  Weib  in  junger  Tracht.  Zu  ihrer  Zeit  mögen  sie  ganz 
schöne  Gesichter  gehabt  haben;  auch  werden  die  Originalportraite, 
die  damals  von  ihnen  gemacht  worden,  immer  gefallen,  aber  die 
durch  die  siebente  Hand,  davon  die  folgende  jedesmal  einem  grösse¬ 
ren  Stiimper  angehörte,  denn  die  erstere,  verhunzte  Kopieen  mögen 
meinetwegen  alle  zum  Henker  gehen.« 

Dann  tadelt  Wagner  »das  französische  bouillon,  die  geschmack¬ 
lose  Brühe  des  grossen  Versificateur  Monsieur  de  Vol¬ 
taire,  Meister  Arouet  genannt«.  Er  citirt  Verse  aus  »Merope« 
und  stellt  darauf  die  Frage :  »Ist  das  die  Sprache  der  Leidenschaft  ? 
Und  dennoch  giebt’s  Leute,  die  das  Pariser  Theater,  das  solchen  Mist 
als  feines  Gold  bewahrt,  solchen  Unsinn  vergöttert,  uns  Teutschen 
als  Muster  anpreisen  wollen !  die  im  Stande  sind,  an  Emilia  Galotti 
als  Fehler  zu  tadeln,  dass  kein  Lehnstuhl  bereit  steht,  in  dem  sie 
mit  Anstand  sterben  kann,  weil  es  in  Paris  nicht  anginge,  sie  quer 
über  das  Theater  zu  legen !  0  der  schaalen  Köpfe !«  — 

Literarisch  interessant  und  sehr  bezeichnend  für  die  Stimmung 
der  damaligen  jungen  Dramatiker  ist  die  Besprechung  von  Klinger’s 
Schauspiel  »Sturm  und  Drang«,  welcher  Wagner  die  meisten  Blätter 
in  seinen  Briefen  über  die  Seyler’sche  Gesellschaft  zu  Theil  werden 
lässt.  Obgleich  er  nicht  ganz  offen  mit  der  Sprache  herausrückt, 
macht  Wagner  doch  schon  im  Eingang  zu  dieser  Becension  den 
Frankfurtern  mit  andern  Worten  heftige  Vorwürfe  darüber,  dass  sie 
einem  Ereigniss,  wie  der  Aufführung  von  »Sturm  und  Drang«,  nicht 
mehr  Theilnahme  entgegengebracht  hätten. 

Bevor  auf  diese  wichtige  Kritik  näher  eingegangen  wird,  soll 
hier  nach  derselben  die  damalige  Besetzung  der  einzelnen  Rollen  des 
wunderlichen  Stückes  angegeben  werden. 

Personen: 


Wild . Herr  Opitz. 

La  Feu  . . Herr  Grossmann. 

Blasius . Herr  Hellmuth  der  ältere. 

Lord  Berkley . Herr  Borchers. 

Jenny  Caroline,  seine  Tochter  .  .  Mad.  Toskani. 

Lady  Katharina,  die  Tante  .  .  .  Mad.  Seyler. 

Luise,  Nichte . Mad.  Fiala. 

Schiffscapitain  Boy  er . Herr  Möller. 

Lord  Bushy . Herr  Kirchhöfer. 

Ein  junger  Mohr . Demoiselle  Kirchhöfer. 

Der  Wirth . Herr  Dauer. 

Betty . Mad.  Kirsch. 

Nachdem  Wagner  den  jungen  Dichter  gelobt  hat,  dass  er  für 
sein  Stück  einen  einfachen,  keine  Seele  täuschenden  Titel  gewählt 
habe,  fährt  er  kampfeslustig  fort:  »Wer  fühlt  oder  auch  nur  ahndet, 


357 


was  Sturm  und  Drang  sein  mag,  für  den  ist  er  geschrieben ;  wessen 
Nerven  aber  zu  abgespannt,  zu  erschlafft  sind,  vielleicht  von  je  her 
keinen  rechten  Ton  gehabt  haben;  wer  die  drei  Worte  anstaunt,  als 
wären  sie  chinesisch  oder  malabarisch,  der  hat  hier  nichts  zu  erwar¬ 
ten,  mag  immerhin  ein  alltägliches  Gericht  sich  auftischen  lassen.  — 

Dass  sein  Stück,  bei  der  ersten  Vorstellung  wenigstens,  an 
keinem  Ort  —  es  müsste  denn  allenfalls  Hamburg  sein  —  diejenige 
Wirkung  thun  würde,  die  jedes  andre  mit  mehr  Spektakel,  Sentenzen, 
Exklamationen  und  Theaterstreichen  angefüllte  Marionettenspiel  gewiss 
thun  muss,  konnte  der  Verfasser,  wenn  er  das  hörende  und  richtende 
Publikum  nur  halb  weg  kennt,  schon  zum  Voraus  an  den  Fingern 
abzählen.  Wer  heisst  ihn  aber  auch  den  Piquekönig  ohne  die  Harfe 
vorstellen,  und  dem  Herzmonarchen  den  Reichsapfel  in  die  linke 
Hand  geben,  da  er  ihn  doch  seit  undenklichen  Zeiten,  vermöge  des 
hergebrachten  Kartenkostüms,  in  der  rechten  Hand  trug.  Wer  ge¬ 
sehen  und  bewundert  werden  will,  muss  hübsch  auf  ebnem  gebahn¬ 
tem  Weg  gehn,  wo  ihm  recht  viele  Leute  begegnen,  verlässt  er  ihn 
—  eine  sich  ihm  auf  der  Seite  darstellende  Felsenhöhe  zu  erklettern  — 
so  wird  er  diesen  ein  Sonderling,  jenen  ein  Waghals,  allen  aber 
(wenn  er  dem  Gipfel  sich  nähert)  ein  Zwerg  scheinen.  —  —  Sind 
denn  aber  die  Figuren  dieses  Stückes  wieder  so  in  ihrer  kolossali- 
schen  Grösse  hinkrokirt,  wie  in  der  neuen  Arria  und  dem  Sim- 
sone  Grisaldo?« 

Nun  folgt  eine  sehr  enthusiastisch  abgefasste  Inhaltsangabe  des 
Dramas,  in  welcher  Wagner  unter  anderen  hochtönenden  Bezeich¬ 
nungen  die  Nachtscenen  zwischen  Wild  und  Karoline  »eine  petrar- 
chische  Phantasie«  nennt,  der  »nur  Reim  und  Sylbenmaas  fehlen«.  Das 
spärlich  anwesende  Publikum  theilte  Wagner ’s  Begeisterung  keines¬ 
wegs,  demselben  missfiel  besonders  die  in  der  Kritik  sehr  gelobte 
Kartenhausscene  zwischen  Lord  Berkley  und  seiner  Tochter  Karoline. 
Am  Schlüsse  der  Recension  macht  Wagner,  weil  manche  Zuschauer 
gerade  die  eben  angegebene  Scene  sehr  unnatürlich  gefunden  hatten, 
deshalb  noch  die  Bemerkung:  Wenn  ich  nicht  irre,  so  geht  alles 
drin  [in  »Sturm  und  Drang«]  ganz  natürlich,  aber  freilich  nicht  all¬ 
täglich  zu;  und  dies  ist  immer  ein  grosser  Fehler  von  einem  dra¬ 
matischen  Schriftsteller,  der  für  ein  unsichtbares  Publikum  [?!]  ar¬ 
beitet;  ist  er  aber  mit  dem  Beifall  weniger,  an  hundert  verschiedenen 
Orten  zerstreut  lebender  feinerer  Seelen,  zufrieden,  will  er  nur  einem 
unsichtbaren  Häuflein  gefallen,  dann  wird  vielleicht  das  zur  Schön¬ 
heit,  was  jenen  zum  Aerger  war.  — « 

Ueber  die  Darstellung  spricht  sich  Wagner  nur  im  Allgemeinen 
günstig  aus.  Er  rühmt  hauptsächlich  Herrn  Opitz  [Wild],  der  all 
das  glühende  Jugendfeuer  besässe,  welches  diese  Rolle  von  Anfang 
bis  zu  Ende  erfordere  und  nennt  Herrn  Borchers  als  Lord  Berkley 


358 


wieder  einmal  unnachahmlich  in  der  Durchführung  seiner  schwierigen 
Aufgabe. 

Madame  Toskani,  welcher  sanfte  und  zärtliche  Charaktere  nie 
so  gut  geriethen  als  wilde  und  kokette,  war  ebenso  wenig  als  Jenny 
Karoline  JBerkley  an  ihrem  Platz  als  Madame  Fiala,  welche  die  necki¬ 
sche  Louise  spielte.  Beide  Künstlerinnen,  meint  Wagner,  thäten 
besser  bei  Gelegenheit  ihre  Rollen  umzutauschen.  Wagner  erkennt 
dann  noch  an,  dass  eine  so  grosse  Künstlerin  wie  Madame  Seyler  die 
unbedeutende  Rolle  der  Lady  Katharina  übernommen  habe  und  rühmt 
schliesslich  die  jugendliche  Demoiselle  Kirchhöfer,  welche  den  Mohren¬ 
jungen  mit  vieler  Wahrheit  vorstellte. 

Diese  Kritik  Wagner’s  über  »Sturm  und  Drang«  kennzeichnet 
merklich  die  Eigenthümlichk eiten  der  Uebergangsperiode,  in  welche 
die  deutsche  Literatur  und  alle  andern  Gebiete  der  Kunst  und  Wissen¬ 
schaft  gleich  nach  dem  Beginne  der  siebziger  Jahre  des  vorigen 
Jahrhunderts  eintraten.  Das  Bestreben,  den  freien  Flug  des  Geistes 
durch  keinen  Regelzwang  zu  hindern  und  hauptsächlich  im  Bereiche 
der  dramatischen  Poesie  solche  Gestalten  zu  schaffen,  die  in  unge¬ 
beugter  Naturwüchsigkeit  und  oft  abenteuerlicher  Kühnheit  gegen 
sociale  Zustände  und  gesetzliche  Ordnungen  ankämpften,  war  das 
Hauptziel  jener  »literarischen  Stürmer«,  welche  wie  Wagner  in  den 
Ausgeburten  einer  zügellosen,  noch  nicht  von  ruhigem  Schönheits¬ 
gefühl  in  den  Schranken  gehaltnen  Phantasie  die  wunderbarsten  Er¬ 
zeugnisse  des  Genius  zu  erblicken  glaubten. 

So  kam  es,  dass  Wagner,  welcher  selbst  in  der  ersten  Reihe 
jener  kühnen  Yorkämpfer  der  klassischen  Literaturperiode  stand,  sich 
für  Klinger’s  »Sturm  und  Drang«  begeisterte  und  die  darin  geschil¬ 
derten  sehr  abenteuerlichen  Erlebnisse  zweier  schottischer  Familien, 
welche  sich  tödtlich  hassen  und  verfolgen,  schliesslich  aber  durch 
Wechselheirathon  versöhnt  werden,  für  eine  geniale,  weit  über  ge¬ 
wöhnliche  Anschauungen  sich  erhebende  Dichtung  ansah. 

Und  in  der  That,  wenn  man  dies  Stück  einem  andern  nach 
den  französischen  Regeln  und  Gesetzen  abgefassten  Drama  aus  jener 
Zeit  gegenüber  stellt,  so  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  im  Yergleich 
zu  den  meist  schablonenhaften  Figuren  diese  Gestalten  voll  Leiden¬ 
schaft  und  frisch  pulsirenden  Lebens  besonders  auf  jüngere  empfäng¬ 
liche  Gemiither  einen  tiefen  Eindruck  machen  mussten.  Auf  Wunsch 
Klinger’s  kam  »Sturm  und  Drang«  später  nicht  wieder  in  Frankfurt 
zur  Aufführung.  Es  unterblieb  auch  die  bereits  projektirte  Vorstel¬ 
lung  seines  Erstlingswerkes  »Die  Zwillinge«,  welches  Stück  in  der 
von  Schröder  ausgeschriebenen  Preiskonkurrenz  den  Sieg  über  »Julius 
von  Tarent«  von  Leisewitz  davon  getragen  hatte. 

Um  einer  leicht  möglichen  Verwechslung  mit  einem  andern 
Dr.  H.  L.  Wagner,  dem  Verfasser  einiger  Frankfurter  Musenalma¬ 
nache  und  verschiedener  dramaturgischen  Schriften  vorzubeugen,  der 


359 


zufällig  auch  im  Strassburger  und  Frankfurter  Freundeskreise  Goethe’s 
bekannt  war,  muss  wohl  hier  noch  ausdrücklich  bemerkt  werden, 
dass  der  Kritiker  der  Sevler’schen  Gesellschaft  derselbe  H.  L.  Wagner 
ist,  welcher  in  der  von  ihm  verfassten  Satire  »Prometheus  Deukalion 
und  seine  Recensenten«  die  theils  scharf  polemischen,  theils  von 
frommem  Zorn  erfüllten  Recensionen  und  karrikirenden  Verspottungen 
gegen  Goethe’s  »Werthers  Leiden«  in  witziger  und  kecker  Weise  zu 
befehden  suchte.  Es  ist  bekannt,  dass  Goethe  selbst  wegen  des  lebhaften 
dramatischen  Ganges  dieser  Farce  und  seiner  früher  gegen  Wieland  und 
Leuchsenring  abgefassten  Parodien  »Götter,  Helden  und  Wieland«  und 
»Pater  Brey«  längere  Zeit  sogar  von  seinen  besten  Freunden  für  den 
Verfasser  der  oben  genannten  Schrift  gehalten  wurde.  Da  ihm  aber 
dieser  Verdacht  bei  seinen  damals  erst  kürzlich  zu  dem  Prinzen  von 
Weimar  angeknüpften  Beziehungen  sehr  lästig  war,  und  er  ausser¬ 
dem  nichts  weniger  wünschte ,  als  in  neue  literarische  Fehden  ver¬ 
wickelt  zu  werden,  so  erliess  Goethe  unter  dem  9.  April  1775  in  den 
»Frankfurter  Gelehrten  Anzeigen«  vom  21.  desselben  Monats  eine  öffent¬ 
liche  Verwahrung,  in  welcher  er  aufs  entschiedenste  H.  L.  Wagner 
als  den  Autor  der  Farce  »Prometheus,  Deukalion  und  seine  Recen¬ 
senten«  bezeichnete. 

Trotzdem  nun  Wagner  und  seine  Freunde  auf  alle  mögliche 
Weise  für  die  Seyler’sche  Gesellschaft  in  Frankfurt  zu  wirken  suchten, 
so  war  während  dieses  ersten  Aufenthaltes  doch  die  Theilnahme  des 
Publikums  an  ihren  vortrefflichen  Vorstellungen  im  Allgemeinen 
eine  verhältnissmässig  sehr  geringe.  Wie  fest  man  sich  an  Marchand 
und  seine  heitere  Richtung  angeschlossen  hatte,  das  zeigte  am  besten 
die  Thatsache,  dass  das  Theater  bei  ernsteren  Stücken  leer  blieb, 
bei  Operetten  oder  Singspielen  dagegen  bis  auf  den  letzten  Raum  ge¬ 
füllt  war. 

Ganz  im  Gegensatz  zu  Seyler’s  idealer  Richtung  steht  der  rea¬ 
listische,  sein  Repertoire  mit  einer  reichbesetzten  Tafel  vergleichende 
Epilog,  in  welchem  seine  Gattin  nach  dem  damals  üblichen  Gebrauch 
in  der  letzten  Vorstellung  am  14.  Juni  1777  —  dieses  Mal  gewiss 
nicht  mit  so  ganz  aufrichtigem  Herzen  —  dem  Publikum  Dank 
für  den  geschenkten  Beifall  abstattete.  »Madam  Sevler«,  berichtet 
Wagner  »schloss  die  Bühne  mit  folgender  Abschiedsrede,  die  in  ihrem 
Munde  unendlich  gewann : 

Wann  Abends  nach  froh  geendigtem  Schmaus 
Die  Gäste  sich  heimlich  auseinander  stehlen, 

Dann  ist  es  für  den  Wirth  und  die  Wirthin  vom  Haus 
Pflicht,  sich  und  es  zu  fernerer  Gunst  zu  empfehlen ; 

Zu  bitten,  man  möchte,  was  etwa  aus  Menschlichkeit 
Versehn  worden,  gütigst  verzeihn; 

Zu  versprechen  in  Zukunft,  mit  noch  weit  mehr  Behutsamkeit 
Der  Bedienung  der  Herrn  und  Damen  sich  zu  weihn  — 


360 


Kurz  mit  Worten,  Bücklingen  und  Höflichkeit 
Beym  Abschied  weder  sparsam  noch  geizig  zu  sein. 

Der  Pflicht  nun  glaub  auch  ich,  bevor  wir  unser  Haus  verschliessen, 
Mich  dankbarst  unterziehn  zu  müssen. 

Wir  setzten  Eurer  Seele,  Eurem  Ohr 
Nach  Land ’sgeb rauch  der  Speisen  allerhand  — 

Für  diesmal  nur  zur  Probe !  —  vor ; 

Und  schmeicheln  uns,  dass  Jeder  zum  mind’sten  Eine  fand, 

Die  seinem  Gaumen,  so  lecker  er  auch  sein  mag,  nicht  widerstand.  — 
An  einer  Tafel,  wo  so  viele  Hundert  speissen, 

Kann  Mannigfaltigkeit  gewiss  kein  Fehler  heissen : 

Was  der  nicht  will,  lässt  jener  sich  ganz  trefflich  schmecken, 

Und  Klugheit  heischt  von  uns  für  alle  und  jede  zu  decken. 

Trift  hie  und  da  ein  halber  Fasttag  ein?  Je  nun! 

Bisweilen  wünscht  der  beste  Magen  auszuruhn; 

Fällt  Tags  darauf  um  so  viel  gieriger 

Auf  Rosbeef  und  teutsche  Hausmannskost  her; 

Kann  einer  auch  dann  noch  sie  nicht  mehr  verdauen  ? 

Für  den  sind  Cremes  und  Hacliis  da;  darf  gar  nicht  lang  dran 

kauen.  —  — 

Jedoch  wozu  Allegorie? 

So  passend  sie  auch  ist,  so  leicht  ermüdet  sie. 

Dank!  Dank  nach  Standsgebühr  Geehrteste, 

Uns  allen  auf  die  spät’sten  Zeiten  Wertheste! 

Dank  für  den  Beifall,  den  Ihr  uns  verliehen ! 

So  viel  wir  unsrer  sind,  so  viele  Herzen  glühen, 

Ton  Eurer  Huld  gerührt,  für  Euch!  so  viele  ziehen 
Mit  schwerem,  sehnsuchtsvollem  Blick  aus  dieser  Stadt, 

Wo  Jeder  mehr  noch  fand,  als  er  erwartet  hat.  —  — 

Was  fandt  denn  Ihr?  —  Wart  Ihr  mit  uns  zufrieden? 

Die  Frage  bleibt  noch  unentschieden ! 

Bei  unsrer  Rückkunft,  der  wir  froh  entgegen  sehn, 

Wird  dieses  Räthsel  sich  erklären : 

Ob  für  ?  ob  wider  uns  ?  wird  ein  Bescheid  ergehn, 

Wird  Euer  öfterer  Besuch  alsdann  uns  schon  belehren. 


Wir  dörfen  auf  die  Mess  doch  wiederkehren?« 

Von  hier  aus  begab  sich  die  Gesellschaft  nach  Mainz,  in  welcher 
Stadt  ebenfalls  unter  Seyler’s  Direktion  eine  Glanzepoche  der  dra¬ 
matischen  Kunst  anbrechen  sollte. 

II. 

Das  keineswegs  aufmunternde  Ergebniss  seiner  ersten  Kunst- 
thätigkeit  in  Frankfurt  hielt  aber  Seyler  nicht  ab,  wiederholt 
beim  Rathe  um  Erlaubniss  für  die  nächste  Herbstmesse  einzukommen. 


361 


Durch  seine  hiesigen  Freunde  mochte  er  wohl  davon  unterrichtet 
worden  sein,  dass  auch  früher  Marchand  anfangs  nicht  ohne  Kämpfe 
und  Opfer  der  von  ihm  vertretenen  Kunstrichtung  Bahn  gebrochen 
hatte,  welche  Mittheilung  ihn  sicher  zu  noch  grösserer  Beharrlichkeit 
angespornt  haben  wird. 

Verschiedene  einflussreiche  Fürsprachen  verschafften  denn  auch 
dem  Direktor  Seyler  kurz  vor  seiner  Abreise  nach  Mainz  nicht  allein 
die  Zulassung  für  die  kommende  Herbstmesse,  sondern  auch  die 
weitere  Vergünstigung,  schon  acht  Tage  vor  dem  Anfang  derselben 
mit  semen  Vorstellungen  beginnen  zu  dürfen.503  Seyler  kehrte  des¬ 
halb  schon  Mitte  August  1777  mit  seiner  Gesellschaft  nach  Frank¬ 
furt  zurück  und  kündigte  bereits  am  5.  August  in  den  Frag-  und 
Anzeigungsnachrichten  die  Eröffnung  seiner  Schaubühne  an,  welche 
dann  auch  am  26.  August  1777  erfolgte.  Von  dieser  Zeit  seiner 
hiesigen,  ungefähr  bis  zum  10.  November  dauernden  Wirksamkeit 
sind  wir  im  Stande  in  Beilage  Nr.  XX,  wenn  auch  leider  nicht  sein 
vollständiges  Repertoire,  so  doch  einen  Auszug  aus  demselben  mit¬ 
theilen  zu  können. 

Im  folgenden  Jahre  erschienen  im  Gothaer  Theaterjournal  5. — 7. 
Stück  unter  dem  Titel  »Theatralische  Nachrichten  die  Seyler’sche  Ge¬ 
sellschaft  zu  Frankfurt  am  Mayn  betreffend«  von  einem  Ungenannten 
eine  Reihe  ausführlicher  Beurtheilungen,  welche  gleichsam  als  eine 
Fortsetzung  der  von  Wagner  geschriebenen  Kritiken  zu  betrachten 
sind.  Dr.  Erich  Schmidt  spricht  sich  in  seiner  Monographie  über 
Wagner  ganz  entschieden  dahin  aus,  dass  dieselben  auf  keinen  Fall 
von  diesem  selbst  herrühren,  welche  Behauptung  uns  zu  dem  Glau¬ 
ben  veranlasst,  einer  der  späteren  Herausgeber  der  »Frankfurter  Bei¬ 
träge  zur  Ausbreitung  nützlicher  Künste  und  Wissenschaften«:  Philipp 
Jacob  Rühl  oder  Heinrich  Wilhelm  Seyfried  sei  der  Verfasser  der¬ 
selben.  Wenigstens  stimmt  der  polemische  Ton,  in  welchem  diese 
Beurtheilungen  gehalten  sind,  genau  mit  der  Schreibweise  der  eben¬ 
genannten  Schriftsteller  in  deren  späteren,  Kritiken  überein.  Beide 
kämpfen  gleich  Wagner  für  die  Rechte  der  höheren  dramatischen 
Gattungen  auf  der  Frankfurter  Schaubühne  und  beide  sagen  dem 
hiesigen  Publikum  ebenfalls  bei  jeder  Gelegenheit  bittere  Wahrheiten 
über  seine  einseitige  Bevorzugung  des  Singspiels  und  der  Operette. 
Als  weiterer  Beleg  für  die  obige  Annahme  dürfte  die  Thatsache 
gelten,  dass  sowohl  Seyfried  als  Rühl  den  Kunststandpunkt  Seyler’s 
als  den  einzig  richtigen  bezeichneten  und  seinen  Vorstellungen  noch 
in  späteren  Kritiken  die  grösste  Anerkennung  zollten. 

Aus  den  in  dem  Gothaer  Theaterjournal  veröffentlichten  Beur¬ 
theilungen  mag  hier  nur  ein  kurzer  Auszug  folgen.  In  der  Be¬ 
sprechung  über  den  geadelten  Kaufmann  (am  26.  August  1777)  wird 
mitgetheilt,  dass  das  Publikum  in  den  ersten  zwei  Akten  die  herr¬ 
lichste  Langweile  empfunden  und  nicht  mehr  gewusst  habe,  auf 


362 


welchem  Fuss  es  eigentlich  stehen  solle.  Dessenungeachtet  habe  aber 
der  Fehler  nicht  an  der  Darstellung,  sondern  an  dem  Frankfurter 
Publikum  selbst  und  an  dem  Verfasser  gelegen.  Ueber  diese  beiden 
Faktoren  lässt  sich  der  Kritiker  folgendermassen  aus : 

»Jenes  ein  nach  Standesgebühr  geehrtes  Publikum,  wie  es  fast 
in  allen  Prologen  und  Epilogen  gescholten  wird,  weiss  eigentlich 
selbst  noch  nicht  recht,  was  es  im  Schauspielhaus  erwarten  soll  oder 
will.  Dem  Einen  ists  zu  gekünstelt,  dem  Andern  zu  simpel,  diesem 
ist  der  Witz  zu  glatt  und  jenem  zu  fein ;  in  der  Loge  zur  Hechten 
wird  von  den  Schönen  ein  Einfall  ä  gorge  deploiee  (den  Doppelsinn 
kann  ich  teutsch  nicht  ausdrücken)  belacht,  der  den  andern  Schönen 
gegenüber  das  jungfräuliche  Blut  bis  in  die  Stirne  jagt,  und  ihren 
Fächer,  sollte  auch  ein  nackender  Kupido  darauf  gemalt  sein,  zur 
unentbehrlichen  Meuble  macht;  im  Parket  urtheilt  man  anders  als 
im  Parterre  und  aus  der  Gallerie  kommt  wieder  ein  verschiedenes 
Plebiscitum  zum  Vorschein:  kurz  keiner  weiss  was  er  will;  jeder 
läuft  ins  Schauspielhaus  wie  in  die  Kirche  :  eher  wollte  ichs  auf  mich 
nehmen  zwei  ähnliche  Gesichter  unter  der  Versammlung  aufzutreiben 
als  zwei  Köpfe,  die  vollkommen  einerlei  Meinung  wären.  Wem  ists 
unter  solchen  Umständen  möglich  sie  zu  befriedigen  ?  Feenmärchen 
und  unwahrscheinliche  Romane  taliter  qualiter  dramatisirt,  thaten  vor 
wenig  Jahren  noch  die  herrlichste  Wirkung  und  noch  heut  zu  Tag  sieht 
man  die  Pilgrimmschaft  nach  Mekka  hier  und  da  weit  lieber 
als  Emilia  Galotti.  — Wünscht  auch  einer  oder  der  andere  der  Bühne 
den  Adel,  dessen  sie  fähig  wäre,  sehnt  er  sich  nach  getroffenen  Ge¬ 
mälden  der  Sitten  und  des  menschlichen  Lebens  unseres  Zeitalters, 
so  wird  er  von  hundert  anderen  überstimmt.  Da  hält  der  ein  solches 
Stück  für  ein  Pasquill,  weil  es  Wahrheiten  sagt,  jener,  weil  er  mit 
den  Ränken,  die  es  auspeitscht  oder  wenigstens  lächerlich  macht, 
schon  bekannt  ist,  für  etwas  langweiliges :  er  sieht  nur  was  er  alle 
Tage  selbst  treibt,  was  er  vielleicht  auf  ein  paar  Stunden  vergessen 
möchte,  und  da  ärgerts  ihn  sein  eigen  Portrait  zu  finden.  Mit  einem 
Wort,  es  gibt  der  Ursachen  so  viele,  warum  wir  sobald  noch  keine 
Natur  auf  der  Bühne  haben  können,  dass  ich  sie  gar  nicht  herzählen 
mag.  Nur  eine  kann  ich  unmöglich  mit  Stillschweigen  übergehen; 
weil  ihr  vielleicht,  wenn  sie  meine  Herren  Collegen  in  der  drama¬ 
tischen  Schriftstellerei  beherzigen  wollen,  am  leichtesten  abzuhelfen  ist. 

Die  Herrn  Autoren  sind  selbst  daran  Schuld,  dass  diese  an  sich 
so  schätzbare  Kunst,  schon  abgespielte  menschliche  Scenen  auf’s 
neue  zu  beleben,  in  keiner  besseren  Achtung  steht.  Sie  malen  zu¬ 
viel,  oder  alles  vielmehr  bis  auf  einen  Mückenschwanz,  oder  Floh- 
riisscl ;  sind  nicht  sorgfältig  genug  in  ihrer  Auswahl,  und  diese  muss 
doch  von  ihnen  so  gut  als  von  den  Malern  getroffen  werden;  nicht 
jede  Landschaft,  nicht  jede  historische  Handlung  ist  diesen  gut  genug; 
sie  lesen  sich  solche  aus,  die  nicht  zu  leer,  auch  nicht  zu  überladen, 


363 


dennoch  einen  schönen  Prospekt  vorstellen,  dem  Auge  des  Kenners 
etwas  anbieten,  worauf  es  forschend  verweilen  kann.  So  müssen  es 
jene  auch  machen  und  thun  sie  es  nicht,  so  mögen  sie  sich  die 
Schuld  beimessen,  wenn  ihr  Meisterstück  ausgegänt  wird,  und  nicht 
dem  Publikum.  Es  ist  nicht  hinreichend,  dass  die  Kopie  treu  und 
korrekt  gezeichnet  ist ;  wann  wir  länger  als  einen  Augenblick  ver¬ 
weilen  sollen,  muss  sie  unseren  Geist  durch  Neuheit  oder  sonst 
eine  tiefer  verborgene,  nicht  gleich  in  die  Augen  springende  Schön¬ 
heit  unterhalten.« 

Sehr  scharf  geht  der  Verfasser  jener  Kritiken  gegen  das  Frank¬ 
furter  Publikum  in  der  Beurtheilung  der  »Melanide«  vor.  »Leider 
war  gestern  und  heute  das  Haus  sehr  leer«;  berichtet  er,  »selbst  die 
gegenwärtigen  Zuschauer  bedauerten  es.  Was  denkt  aber  Herr  Seyler 
auch  mit  lauter  hier,  sogar  dem  Namen  nach,  unbekannten,  noch 
nie  hier  aufgeführten  Stücken  zu  debutiren  ?  kennt  er  denn  die 
hiesige  Landsart  und  Sitte  noch  nicht?  Bei  seinem  vorigen  Aufent¬ 
halt  hier  hätte  er,  dächt  ich,  doch  Zeit  und  Gelegenheit  genug  gehabt, 
sie  sich  zu  abstrahiren !  Hier  traut  man  keinem  Fremden,  keinem 
den  man  nicht  von  Jugend  auf  hat  heran  wachsen  sehen,  Verdienste 
zu,  bis  er  sie  durch  ein  Dutzend  Rekommendationsschreiben,  oder  durch 
seinen  Aufwand  bewiesen  hat,  und  selbst  dann  hälts  noch  schwer 
bei  denen  in  ihrer  eignen  Selbstgenügsamkeit  lebenden  Reichsbürgern 
Zutritt  zu  finden.  Die  Präsumtion  ist  allemal  gegen  den  Fremden. 
—  So  gehts  auch  mit  den  Stücken,  die  sie  hier  sehen  wollen;  ander¬ 
wärts  ists  genug  jeden  Liebhaber  ins  Schauspielhaus  zu  treiben,  wenn 
der  Zettel  ein  hier  noch  nicht  aufgeführtes  Lust-  oder  Trauerspiel 
ankündigt;  die  Leute  sind  albern  genug  sehn  zu  wollen,  eh  sie  ur- 
theilen :  —  Hier  ist  man  geschwinder  fertig :  das  Stück  ist  mir  ganz 
unbekannt,  heisst  es,  ich  habe  mein  Lebtag  den  Namen  davon  nicht 
einmal  gehört;  was  kann  wohl  gutes  dran  sein?  nichts  oder  sehr 
wenig!  Wird  nicht  bald  ein  Operettchen  gegeben?« 

Anfangs  mochten  die  mit  einem  starken  Zusatz  von  Entrüstung 
gewürzten  Klagen  über  den  äusserst  mässigen  Besuch  der  Seyler’- 
schen  Vorstellungen  während  der  Herbstmesse  1777  gewiss  berech¬ 
tigt  und  ganz  an  ihrem  Platze  sein,  allein  allmählich  wuchs  die  Zahl 
der  Zuschauer  immer  mehr,  wenn  auch  lange  noch  nicht  genug,  um 
Seyler’s  Einnahme  der  seines  Vorgängers  Marchand  vollständig  gleich 
zu  stellen. 

An  den  Abenden,  an  welchen  keine  theatralischen  Vorstellungen 
stattfanden,  gaben  in  der  Herbstmesse  1777  einige  Mitglieder  der 
Seyler’schen  Gesellschaft  mehrmals  Vocal-  und  Instrumental-Koncerte 
in  dem  Komödiensaal  zum  Junghof.  Besonders  waren  es  Madame  Hellmuth 
die  jüngere  und  die  Gebrüder  Benda,  welche  im  Verein  mit  hiesigen 
Künstlern  die  sogenannten  »Musikabende«  veranstalteten.  Besser  als 
die  trefflichsten  Vorstellungen  wurden  nach  der  Mittheilung  Seyfried’s 


364 


diese  Koncerte  besucht,  deren  musikalische  Bedeutung  durch  das  Mit¬ 
wirken  von  solchen  Kräften  allerdings  eine  sehr  hohe  war.  Madame 
Hellmuth  entzückte  die  Freunde  der  Musik  als  Koncertsängerin  fast 
noch  mehr  denn  als  dramatische  Sängerin.  Sie  wurde  in  Gedichten 
gefeiert,  als  Vorbild  aller  aufstrebenden  Talente  hingestellt  und  sogar 
von  hiesigen  Kennern  in  mancher  Beziehung  der  berühmten  Mara 
vorgezogen. 

Wie  sehr  man  ihre  Kunst  in  Frankfurt  schätzte,  mag  eine 
Kritik  bezeugen,  welche  freilich  nur  ihren  Gesang  im  Freitagskoncert 
am  7.  Januar  1780  beurtheilte,  aber  auch  ihre  früheren  Leistungen 
zutreffend  kennzeichnen  möchte.  »Madam  Hellmuth  sang  eine  Arie 
von  Anfossi.  Ihre  Kunst,  ausserordentliche  Höhe,  fast  unnachahm¬ 
licher  Ausdruck,  Geschwindigkeit,  Gefühl,  Abwechslung  des  Starken 
und  Schwachen.  —  Werde  verdammt  eine  lange  Winternacht  hin¬ 
durch  Katzengeheul  zu  hören,  du,  der  du  kalt  da  stehen  und  ihren 
Gesang  beurtheilen  kannst  —  nicht  vergissest,  dass  du  da  stehst  und 
hörest  !«504 

An  einer  andern  Stelle  gedenkt  der  Kritiker,  nachdem  er  die 
übrigen  mitwirkenden  Künstler  besprochen  hat,  nochmals  der  Madame 
Hellmuth  mit  dem  begeisterten  Ausruf:  »0  Weib!  welch  einen 
Zauber  verbreitet  dein  Hauch  rund  um  dich  her!«  — 

In  den  »Frankfurter  Beyträgen  zur  Ausbreitung  nützlicher 
Künste  und  Wissenschaften«  [erschienen  1780],  welche  regelmässige 
Berichte  über  hier  abgehaltene  Koncerte  brachten,  finden  sich  noch 
mehrere  Beurtheilungen  über  Madame  Hellmuth  und  einige  sonstige 
musikalische  Mitglieder  der  Seyler’schen  Gesellschaft.  Sie  sind,  wie 
die  oben  mitgetheilte  Kritik,  fast  sämmtlich  in  einem  für  unsere 
heutigen  Anschauungen  zu  schwärmerischen,  aber  der  allgemeinen 
Stimmung  in  der  Werther-Periode  vollständig  entsprechenden  Ton 
gehalten. 

Das  Eintrittsgeld  für  die  1777,  1778  und  1779  im  Komödien¬ 
saal  zum  Junghof  abgehaltenen  Vokal-  und  Instrumentalkoncerte 
war  dem  zu  den  theatralischen  Vorstellungen  vollständig  gleich.  Wie 
die  in  Beilage  Nr.  XX  veröffentlichten  Theaterzettel  der  Seyler’schen 
Gesellschaft  angeben,  waren  die  Preise  der  Plätze  während  des  mehr¬ 
maligen  hiesigen  Aufenthaltes  derselben  ebenso  festgesetzt  wie  bei  Mar- 
chand.  Eine  ganze  Loge  kostete  8  fl.,  die  Person  zahlte  in  den 
Logen  und  im  Parquet  1  fl.,  das  Parterre  kostete  10  Batzen,  die 
Gallerie  20  kr.  und  der  letzte  Platz  12  kr. 

Für  die  letzte,  entweder  am  9.  oder  10.  November  1777  ab- 
gehalteno  Vorstellung  der  Seyler’schen  Gesellschaft  dichtete  H.  L.  Wag¬ 
ner  ein  allegorisches  Festspiel  »Apoll’s  Abschied  von  den  Musen«, 
zu  welchem  der  Kapellmeister  Neefe  die  Musik  schrieb.  Aus 
diesem  Stückchen,  welches  im  Verlag  der  Eichenberg’schen  Erben 
dahier  erschien,  geht  hervor,  dass  das  Personal  der  Gesellschaft  sich 


365 


seit  dem  Sommer  um  einige  weibliche  Mitglieder  vergrössert  haben 
musste.  Es  werden  nämlich  unter  den  Mitwirkenden  auch  che  Frauen 
Möller,  Molzheim  und  Opitz  genannt,  deren  Namen  früher  keine  Er¬ 
wähnung  fanden. 

Was  den  poetischen  Werth  des  von  Wagner  verfassten  ah  ego¬ 
rischen  Festspiels  anbetrifft,  so  überragt  derselbe  keineswegs  die  von 
Üblich  für  Schuch  abgefassten  Vorspiele  und  andere  ähnliche,  von 
hiesigen  Wandertruppen  zur  Darstellung  gebrachte  Stücke.  Der 
Kunstsinn  und  die  Theilnahme  der  Stadt  werden  in  schmeichelhaften, 
aber  sehr  trocknen  Versen  gepriesen  und  durch  die  Musen  und  ihr 
Gefolge  um  ein  huldreiches  Andenken  und  um  fernere  günstige  Auf¬ 
nahme  gebeten.  Dem  uns  vorliegenden  Text  des  von  Seyler  allem 
Anschein  nach  sehr  prächtig  ausgestatteten  Festspiels  sind  die  Namen 
der  auftretenden  Personen  und  ihrer  Darsteller,  sowie  Angaben  für 
die  Regie  und  Inscenirung  vorgedruckt,  welche  zur  besseren  Er¬ 
läuterung  des  Inhaltes  hier  Aufnahme  finden  mögen. 

Personen: 

Apollo,  Beschützer  der  Musen  .  .  .  Hr.  Hellmuth. 

Er  wird  als  ein  unbärtiger  Jüngling,  mit  blonden  lockig- 
ten  Haaren ,  einem  Diadem  um  das  Haupt ,  vorgestellt. 
Er  hat  goldne  Schuhe  an;  sein  Mantel  ist  rosenfarb.  Der 
goldne  Köcher  hängt  ihm  auf  dem  Rücken.  In  der  linken 
Hand  hat  er  die  elfenbeinerne  Leyer,  in  der  rechten  den 
silbernen  Bogen,  den  er,  wenn  er  auf  jener  spielt,  neben 
sich  legt. 

M  e  1  p  o  m  e  n  e ,  Muse  des  Trauerspiels  .  Mad.  Seyler, 

als  Medea  gekleidet.  In  ihrem  Gefolge  erscheinen  Herr 
Borchers,  als  Antiochus;  Herr  Opitz,  als  Seleukus  aus  der 
Merope;  Herr  Fiala  als  Stanley;  Herr  Grossmann,  als  Ka- 
tesby,  aus  dem  Richard ;  Monsieur  Fiala  und  Mselle.  Kirch- 
höfer,  die  jüngste  [zwei  Kinder  von  ungefähr  5  und  6  Jahren]. 

Thalia,  Muse  des  Lustspiels  ....  Mad.  Fiala, 

mit  Epheu  bekränzt,  eine  Hirtenpfeife  in  der  linken,  eine 
komische  Larve  in  der  rechten  Hand  tragend.  In  ihrem  Gefolge 
treten  auf:  Herr  Hensel,  als  D.  Balanzoni;  Mad.  Hellmuth 
A.  als  Kolombine,  aus  dem  Lügner.  Mselle.  Courte,  als  Karl; 
Mselle.  Flittner  [Stieftochter  Grossmann’s,  die  später  berühmte 
Bethmann-Unzelmann]  als  Sophie,  aus  dem  gerechten  Fürst. 
Herr  Pöschel,  als  Stockmeister;  Mad.  Kirsch,  als  seine  Frau, 
aus  eben  demselben.  Herr  Schulz  und  Mad.  Kirchhöfer,  Herr 
Kirchhöfer  und  Mad.  Opitz,  als  Tänzer. 

Euterpe,  Muse  der  Tonkunst  .  .  .  Mad.  Hellmuth 

mit  einer  Laute  in  der  Hand.  In  ihrem  Gefolge  sieht  man: 
Herrn  Hemmer,  als  Herkules ;  Mselle.  Zink,  als  Alceste,  aus 
dem  Singspiele  dieses  Namens.  Herrn  Dauer  als  Lisuart; 


366 


Mselle.  Kirchköfer,  als  Leonore,  aus  Lisuart  und  Dariolette. 
Herrn  Müller,  als  Toffel ;  Mad.  Pöschel,  als  Röschen,  aus  der 
Jagd.  Herrn  Hellmuth  A.  als  Graf  Adelstan,  aus  Robert  und 
Kalliste.  Herrn  Hellmuth,  Jüngst,  als  Bertram,  aus  dem  De¬ 
serteur.  Mselle.  Frank. 

Urania,  Muse  der  Sternkunde  .  .  .  Mad.  Moeller. 

Sie  hat  eine  Strahlenkrone  auf  dem  Haupt,  oder  kann  auch 
allenfalls  ä  la  Zodiaque  aufgesetzt  sein.  In  der  rechten  Hand 
hält  sie  einen  Massstab,  in  der  linken  einen  Globus. 
Polyhymnia,  Muse  des  Gedächtnisses  und  der  Ode,  Mselle  Mombauer. 
Sie  ist  mit  Perlen  und  Edelsteinen  geschmückt,  hat  eine 
Papierrolle  in  der  linken,  eine  Trompete  in  der  rechten  Hand. 
T  er  p  sic  ho  re,  Muse  des  Tanzes  .  .  Mselle.  Meyerfeld, 

mit  einer  Harfe  in  der  Hand. 

Klio,  Muse  der  Geschichte . Mad.  Borchers, 

ein  zusammengerolltes  Buch  unter  dem  Arm,  eine  Pfeife  in 
der  Hand. 

Erato,  Muse  der  Lieder . Mselle.  Verdun, 

mit  einer  Flöte  in  der  Hand. 

Kalliope,  Muse  der  Harmonie  und  der  Rhetorik,  Mad.  Molzheim, 
mit  fliegendem  Haar;  in  der  rechten  Hand  hat  sie  einen 
Taktstab,  in  der  linken  ein  Notenblatt;  ihr  Kleid  ist  gestirnt.« 

Nachdem  die  Art  des  Auftretens  der  in  dem  Festspiel  »Apoll’s 
Abschied  von  den  Musen«  mitwirkenden  Mitglieder  der  Seyler’schen 
Gesellschaft  geschildert  ist,  dürfte  es  nicht  uninteressant  erschei¬ 
nen,  auch  die  Sprache  kennen  zu  lernen,  in  welcher  Wagner  die 
Göttinnen  alles  Schönen  und  Grossen  ihre  Wünsche  zum  Ausdruck 
bringen  lässt. 

Apollo  verschwindet  in  einer  Wolke  von  wohlriechendem  Rauch. 
»Melpomene,  Thalia  und  Euterpe,  durch  seinen  plötzlichen  Abschied 
bestürzt,  scheinen  mit  einander  Abrede  zu  nehmen:  endlich  tritt, 
nachdem  sie  ihn  ganz  aus  den  Augen  verloren  haben,  Melpomene 
[Mad.  Seylerj  vornen  auf  die  Bühne. 

Melpomene: 

Mit  schwerem,  pochendem  Herzen  erschein  ich  hier 
ln  unser  aller  Namen  bei  Euch,  Ihr  Gönner,  anzufragen, 

Ob’s  nicht  zu  frevelhaft  ist,  wenn  wir 

Mit  der  schmeichlerischen  Hoffnung  uns  tragen, 

Als  hielt  Ihr ’s  der  Mühe  werth,  unsre  Beschützer  zu  sein? 
Bisher  zwar  seid  I  h  r  ’s  ungebeten  gewesen, 

Mit  wärmstem  Dank  erkennen  wir’s!  —  allein 

Wie  nun?  —  Darf  ich  getrost  in  Euren  Mienen  lesen? 

Zerstreut  kein  kalter,  missvergnügter  Blick 
Den  süssen  Wahn,  das  schon  geträumte  Glück? 


367 


Kann  ich  mit  Eurer  fernem  Huld  mir  schmeicheln?  — 

Wer  schweigt,  bejaht!  —  und  heucheln 

Ist  Eure  Sache  ja  nicht!  —  Nehmt  Ihr  Apoll’s  Vermächtniss  an? 
0  so  lest  in  dieser  Freuden thräne, 

Was  die  durch  Euren  Schutz  beglückte  Melpomene 
Nur  fühlen,  nicht  beschreiben  kann ! 

(Sie  geht  mit  ihrem  Gefolge  ab.)« 

Dass  Madame  Seyler  ihre  ganze  Kunst  aufbieten  musste,  um 
wenigstens  diesen  trockenen  Versen  einigermassen  Klang  und  Schwung 
zu  verleihen,  dürfte  aus  der  obigen  Probe  hinreichend  hervorgehen. 
Ueberhaupt  ist  der  grosse  Erfolg,  welchen  dieser  allegorische  Prolog 
in  Frankfurt  erlebte,  hauptsächlich  den  Darstellern  zuzuschreiben, 
die,  um  mit  Lessing’s  berühmten  Worten  zu  reden,  »für  den  Dichter 
dachten,  wo  ihm  etwas  Menschliches  widerfahren  war«. 

Es  ist  ein  eigentümliches  Merkmal  für  das  immer  noch  sehr 
von  der  Gnade  der  Bevölkerung  abhängige  Ansehen  der  Schauspiel¬ 
kunst,  dass  eine  künstlerisch  und  gesellschaftlich  hochgeachtete  Truppe 
wie  die  Seyler’sche  von  der  damals  feststehenden  Sitte  der  poetischen 
»Ankunfts-  und  Abgangs-Bittgesuche«  nicht  abweichen  durfte.  Wie 
sehr  aber  das  »nach  Standes-Gebühr  geehrte  Publikum  Frankfurts« 
an  solche  Huldigungen  gewöhnt  war,  möchte  noch  eine  Stelle  aus 
Wagner ’s  Festspiel  hinreichend  beweisen. 

Der  scheidende  Apollo  hat  den  Musen  erklärt,  dass  ein  andrer 
Weltteil  seine  Gegenwart  erfordere,  dass  er  dorthin  eilen  müsse, 
um  durch  die  Zaubertöne  seiner  Flöte  die  aufgeregten  Gemüter  zu 
besänftigen.  Bevor  er  nun  den  Musen  den  Tempel  zeigt,  der  ihre 
spätere  Heimstätte  sein  soll  und  dessen  Hauptsäulen  mit  dem  Wappen 
Frankfurts  und  mit  der  leuchtenden  Inschrift  geziert  sind :  Senatus 
Populusque  Frankofurtensis,  Musarum  Patroni,  fragt  Melpomene  ihren 
Führer : 

»Ein  Wort,  Apoll!  eh  den  geweihten 
Säulen  wir  uns  nahn ;  — 

Wo  sind  die  Grazien  dann, 

Die  dich  sonst  immer  begleiten? 

Apolio : 

Wo  die  Grazien  sind?  (nimmt  sie  bei  der  Hand  und  führt  sie 
ganz  vornen  auf  die  Bühne)  Sieh  hier !  —  uns  einen  Scherz  zu 
bereiten,  haben  sie  sich  unter  die  Zuschauer  versteckt :  wenn  ich  ihre 
Bescheidenheit  nicht  schonte,  könnte  ich  dir  jede  mit  Fingern  weisen. 

Melpomene  (gegen  die  Zuschauerinnen) : 

Verzeiht  der  übereilten  Frage;  zur  Unzeit  tliat  ich  sie: 

Ich  fühl’s,  gesteh’s,  bereu’  es  ohne  Müh’.« 

Solcher  schmeichelhaften  Anspielungen,  deren  beifällige  Auf¬ 
nahme  heute  unbegreiflich  erscheint,  finden  sich  noch  mehrere  in  dem 


368 


Festspiel  »Apoll’s  Abschied  von  den  Musen«.  Der  etwas  bettelhafte 
Anstrich,  welchen  dasselbe  hierdurch  erhielt,  wird  einigermassen 
durch  den  vorgeschriebenen  Prunk  der  Ausstattung  gemildert,  worin 
allerdings  das  für  die  damalige  Zeit  Denkbarste  geleistet  worden  sein 
muss.  Seyler  soll  kein  grosser  Freund  von  diesen  gereimten  Bitt¬ 
gesuchen  gewesen  sein  und  dem  für  ihn  drückenden  Gebrauch 
wenigstens  dadurch  den  Schein  einer  in  Verse  gebrachten  Supplika¬ 
tion  genommen  haben,  dass  er  den  grössten  Tlieil  des  Erlöses  seiner 
jedesmaligen  letzten  Vorstellungen  den  Armen  der  betreffenden  Stadt 
zu  gute  kommen  liess. 

Da  der  Besuch  der  Vorstellungen  wenigstens  in  den  letzten 
Wochen  seines  hiesigen  Aufenthaltes  im  Jahre  1777  sich  einiger- 
massen  gesteigert  hatte,  suchte  sich  Seyler  auch  die  Zulassung  für 
die  beiden  Messen  des  folgenden  Jahres  zu  verschaffen,  die  ihm  der 
Rath  auch  sofort  gewährte.  Kurz  vor  dem  Beginne  der  Ostermesse 
1778  kehrte  er  deshalb  mit  seiner  Truppe  nach  Frankfurt  zurück, 
wo  man  ihn  jetzt  schon  mit  ganz  anderem  Interesse  erwartete,  wie 
bei  seiner  vorigen  Ankunft.  Er  spielte  noch  zwei  Wochen  nach 
dem  Schluss  der  Ostermesse,505  eröffnete  sein  Theater  schon  wieder 
14  Tage  vor  dem  Anfang  der  Herbstmesse  und  kam  um  die  Er¬ 
laub  niss  zur  Fortsetzung  seiner  Vorstellungen  bis  Martini  ein. 
Der  ihm  wohlgesinnte  Rath  bewilligte  nicht  allein  dieses  Gesuch, 
sondern  erfüllte  auch  die  weitere  Bitte  Seyler ’s,  dass  er  in  den  bei¬ 
den  Messen  des  folgenden  Jahres  wieder  im  Junghof  seine  Schau¬ 
bühne  eröffnen  dürfe.506 

In  der  Herbstmesse  1778  scheint  aber  Seyler’s  Einnahme 
keineswegs  der  gehofften  Erwartung  entsprochen  zu  haben.  Vielleicht 
war  hieran  das  wenige  Auftreten  seiner  Gattin  schuld,  welche  nach 
einer  schweren  in  Cöln  überstandenen  Krankheit  in  Frankfurt  einen 
leichten  Rückfall  bekommen  hatte  und  deshalb  nur  selten  auftreten 
konnte,  vielleicht  sind  aber  auch  die  damals  stattgehabten  Koncerte 
der  berühmten  und  auch  hier  allgemein  gefeierten  Sängerin  Mara 
die  Ursache  des  verminderten  Theaterbesuchs.  Die  Leistungen  dieser 
grossen  Künstlerin,  deren  Anwesenheit  in  Frankfurt  besonders  für 
die  vornehmen  Kreise  ein  wichtiges  Ereigniss  gewesen  zu  sein 
scheint,  entzog  dem  Theater  ohne  Zweifel  einen  grossen  Theil  von 
dem  Interesse  der  Gebildeten,  dessen  es  in  seinem  derzeitigen 
Stadium  gerade  am  wenigsten  entbehren  konnte. 

Ein  für  den  Besuch  des  Theaters  und  deshalb  auch  für  den 
financiellen  Erfolg  der  jeweiligen  Direktoren  nachtheiliger  Umstand 
war  die  obrigkeitliche  Anordnung,  dass  an  Sonntagen  nicht  gespielt 
werden  dürfe.  Schon  Marchand  hatte  mehrmals  eine  Abänderung 
zu  erreichen  versucht,  aber  es  war  ihm  trotz  einflussreicher  Für¬ 
sprache  nicht  gelungen.  Der  Umstand,  dass  im  August  und  Sep¬ 
tember  1778  oft  die  ersten  Plätze  unbesetzt  blieben,  lenkte  Seyler’s 


369 


Aufmerksamkeit  mehr  auf  dasjenige  Publikum,  welches  durch  die 
Schliessung  des  Theaters  am  Sonntage  gleichsam  von  dem  Besuch 
desselben  ferngehalten  wurde.  Um  nun  diesem  mehr  Gelegenheit  zu 
geben,  den  Vorstellungen  beiwohnen  zu  können,  ersuchte  Seyler  den 
Rath  um  die  Erlaubniss,  an  den  Mess-Sonntagen  spielen  zu  dürfen, 
welche  Bitte  ihm  in  Rücksicht  auf  seine  vielen  Ausgaben  und  ge¬ 
ringen  Einnahmen  sofort  bewilligt  wurde.507  Was  Seyler’s  Abgabe 
an  die  Stadt  betrifft,  so  war  dieselbe  der  seines  Vorgängers  Marchand 
vollständig  gleich.  Er  zahlte  für  die  Messzeit  200  fl.,  für  eine 
Woche  vor  dem  Beginne  der  Messen  20  fl.  und  für  jede  nach  Schluss 
derselben  15  fl.,  eine  Abgabe,  die  er  begreiflicherweise  schwerer 
zu  leisten  vermochte  als  sein  vom  Publikum  viel  mehr  begünstigter 
Vorgänger.  Auch  aus  diesem  Grunde  war  wohl  das  obenerwähnte 
Gesuch  jedenfalls  so  dringend  gehalten,  dass  die  Väter  der  Stadt 
an  eine  Abweisung  gar  nicht  denken  konnten.  »Dass  ich«,  schrieb 
er,  »um  mich  des  hiesigen  Beifalls  würdig  zu  zeigen,  mir  öfters 
durch  allzu  grosse  Kosten  statt  der  gehofften  Belohnung  den  grössten 
Schaden  zugefügt  habe,  werden  Alle,  die  mich  kennen,  mir  das 
Zeugniss  geben.  Ich  that,  wenn  ich  das  von  mir  selbst  sagen  darf, 
viel  für  die  Kunst  und  wenig  für  mich,  alles  aber  in  der  schmeichel¬ 
haftesten  Hoffnung,  Frankfurt,  das  blühende  Frankfurt,  würde  mich 
thätiger  als  es  bisher  nicht  immer  geschehen  ist,  in  meinen  Be¬ 
mühungen  unterstützen.« 

Dann  spricht  auch  Seyler  die  alte  Klage  wieder  aus,  dass  er 
einen  zu  beträchtlichen  Zins  abgeben  und  deshalb  alle  Mittel  an¬ 
wenden  müsse,  um  wenigstens  seine  wöchentlichen  Ausgaben  heraus¬ 
zubekommen.  Nachdem  er  darauf  die  angegebene  Bitte  zum  Ausdruck 
gebracht  hat,  erinnert  er  daran,  dass  es  überall  in  Deutschland,  auch 
in  Leipzig  Sitte  sei,  an  den  Messsonntagen  zu  spielen,  dass  die  Schau¬ 
bühne  bei  ihrem  gegenwärtig  gereinigten  Zustande  die  Feier  des 
Tages  nicht  mehr  beflecken  könne.  Seyler  versicherte  —  »da  es 
glücklicherweise  jetzt  an  trefflichen  dramatischen  Werken  den  Deut¬ 
schen  nicht  mehr  mangle«  —  nur  ein  gutes,  moralisches  Stück  geben 
zu  wollen  und  erklärte  sich  ferner  bereit,  eine  der  erbetenen  Vor¬ 
stellungen  zum  Besten  der  milden  Stiftungen  zu  geben. 

Seyler  hatte  sich  nicht  verrechnet;  das  Theater  wurde  an  den 
zwei  betreffenden  Messsonntagen  so  stark  besucht,  dass  er  den  ge¬ 
habten  Schaden  wieder  vollständig  decken  konnte.  An  den  übrigen 
freien  Sonntagen  seines  hiesigen  Aufenthaltes  gab  er  in  Mannheim 
Vorstellungen,  wo  damals  unter  dem  Schutze  des  Kurfürsten  Karl 
Theodor  von  der  Pfalz  die  dramatische  Kunst  einer  neuen  Glanz¬ 
epoche  entgegenging. 

Da  Seyler,  dem  bestehenden  Gebrauch  entsprechend,  in  den  Frag- 
und  Anzeigungs-Nachrichten  nur  diejenigen  Stücke  ankündigte,  welche 
er  zum  Besten  der  milden  Stiftungen  und  bei  ganz  besonderen 

24 


370 


Anlässen  gab,  ausserdem,  ungeachtet  des  gründlichsten  Nachforschens, 
nur  einige  vollständige  und  mehrere  unvollständige  Theaterzettel  von 
seiner  Thätigkeit  in  und  nach  den  beiden  Messen  1778  und  1779  aus¬ 
findig  zu  machen  waren,  so  kann  aus  dieser  Zeit  in  Beilage  Nr.  XX 
nur  ein  verhältnissmässig  kleiner  Theil  seines  Repertoires  mitgetheilt 
werden. 

In  diesem  befanden  sich  aber,  was  für  uns  am  wichtigsten 
ist,  Goethe’s  »Götz  von  Berlichingen«  und  »Clavigo«,  welche  beiden 
Stücke  in  Frankfurt  mit  ganz  neuen  Dekorationen  und  Kostümen  in 
Scene  gegangen  sein  sollen.  Die  Hauptpartieen  waren  vortrefflich 
besetzt,  Borchers  spielte  den  Gfötz;  Opitz  den  WeisHngen;  Gross- 
mann  den  Liebetraut;  Zuccarini  den  Franz,  Weislingens  Bube;  Ma¬ 
dame  Seyler  die  Adelheid  von  Walldorf;  Madame  Fiala  die  Marie 
und  Madame  Neefe  die  Elisabeth.  Auch  alle  anderen  Rollen  wurden 
von  den  besten  Yertretern  gegeben.  Nach  einer  Ueberlieferung  er¬ 
regte  aber  Götz  lange  nicht  das  Aufsehen,  wie  es  die  hiesigen  Ver¬ 
ehrer  des  Dichters  erwartet  hatten.  Das  Skizzenhafte  der  reichen 
bunten  Handlung,  die  Kürze  der  meisten  Scenen,  die  wuchtige  Zeich¬ 
nung  der  markigen,  von  allen  anderen  Bühnenfiguren  abweichenden 
Gestalten,  Hessen  jedenfalls  auch  hier  die  bisher  doch  meist  an  regel¬ 
mässige  Stücke  gewöhnten  Zuschauer  nicht  zum  ruhigen  Gemessen 
der  Darstellung  kommen.  Vielleicht  war  aber  auch  an  der  wenig 
freundHchen  Aufnahme  die  beschränkte  Bühne  im  Junghof  schuld, 
in  deren  engen  Rahmen  ein  so  grossartiges  dramatisches  Gemälde 
durchaus  nicht  passen  konnte. 

Einen  bei  weitem  grösseren  Eifolg  als  Götz  von  BerHchingen 
erlebte  Clavigo,  welches  Trauerspiel  Goethe  bekanntlich  im  Sommer 
1774  in  seiner  Vaterstadt  in  einem  Zeitraum  von  acht  Tagen  ver¬ 
fasst  hatte.  Die  knappe  einfache  Fabel,  der  rasche  spannende  Ver¬ 
lauf  der  Handlung  und  die  leidenschafthche  kräftige  Sprache  dieses 
Stückes  erregten  die  grösste  Bewunderung  und  machten  eine  mehr¬ 
malige  Aufführung  desselben  nöthig.  Die  Besetzung  der  HauptroHen 
war  ebenso  vortrefflich  wie  die  des  Götz.  Opitz  spielte  den  Clavigo, 
Grossmann  den  Carlos,  Borchers  den  Beaumarchais,  Madame  Fiala 
die  Marie,  und  Madame  Seyler  die  Sophie  Guilbert,  geb.  Beaumarchais. 

Die  Aufführung  von  Shakespeare’s  Macbeth  in  der  Bearbeitung 
von  H.  L.  Wagner,  welcher  sich  um  den  Fortschritt  des  hiesigen 
Theaters  nicht  geringe  Verdienste  erworben  hat,  und  die  ebenfaHs 
feststehende  Darstellung  eines  Trauerspiels  desselben  »Evchen  Hum- 
brecht  oder  ihr  Mütter  merkt’s  euch«,  sind  nächst  den  Aufführungen 
von  Goethe’s  oben  genannten  dramatischen  Werken  für  die  Frank¬ 
furter  Theatergeschichte  zwei  zu  wichtige  Ereignisse,  als  dass  sie 
nicht  eine  eingehende  Besprechung  finden  soUten. 

Im  Frühjahr  1777  machte  H.  L.  Wagner  bei  Friedrich  Müller, 
dem  sogenannten  Maler  Müller,  seinem  Unmuth  über  die  verständ- 


371 


nisslose  Bearbeitung  Luft,  durch  welche  ein  Theaterschriftsteller  in 
Wien,  der  jüngere  Stephanie,  Shakespeare’s  Macbeth  in  ein  wahres 
Zerrbild  umgewandelt  habe.508  Wagner  fasste  deshalb  den  Entschluss, 
diesem  auf  die  Schaulust  des  Wiener  Publikums  berechneten  Spe- 
takelstück  eine  dem  Original  so  gut  als  möglich  entsprechende  Be¬ 
arbeitung  der  englischen  Tragödie  gegenüber  zu  stellen.  Er  that 
dies  mit  Zugrundelegung  einer  Uebersetzung  des  Stückes  von  Eschen¬ 
burg  und  lieferte  der  Seyler’schen  Gesellschaft  einen  Macbeth,  welcher 
freilich  seinem  Original  nicht  im  entferntesten  gleich  kam,  aber  doch 
im  Allgemeinen  die  Züge  desselben  an  sich  trug  und  bei  welchem 
jegliche  »groteske  Yerz errungen«  vermieden  worden  waren.  Obgleich 
Schiller  diese  Bearbeitung  Wagner’s  in  einem  Briefe  an  Dalberg  vom 
15.  Juli  1782  mit  harten  Worten  tadelte,  so  bleibt  sie  doch  ein 
grosses  literarisches  Yerdienst.  Wagner  bereicherte  dadurch  das 
Seyler’sche  Repertoire  mit  einem  werthvollen  Stück  und  machte,  was 
für  uns  vor  allem  von  Bedeutung  ist,  das  Publikum  seiner  Vater¬ 
stadt  mit  einem  der  grössten  Meisterwerke  des  englischen  Genius 
bekannt. 

Wagner’s  Bearbeitung,  1779  im  Druck  erschienen,  wurde  nach 
einer  Ankündigung  in  den  »Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten« 
am  16.  und  24.  April  desselben  Jahres  sehr  prächtig  und  unter 
Trompeten-  und  Paukenschall  von  der  Seyler’schen  Gesellschaft  in 
Frankfurt  vorgestellt.  An  einem  Sonntag  im  April  und  am  22.  Juni 
1779  fanden  weitere  Aufführungen  der  Tragödie  in  Mannheim  statt. 
In  beiden  Städten  spielte  Borchers  die  Titelrolle,  Madame  Seyler 
die  Lady  Macbeth,  Opitz  den  Macduff  und  Madame  Fiala  die  Lady 
Macduff. 

Wäre  H.  L.  Wagner  nicht  schon  kurz  vor  der  Aufführung 
seines  letzten  Bühnenwerkes  in  Frankfurt  gestorben,  so  würde  er  bei 
seinem  lebhaften  Interesse  für  das  deutsche  Theater  und  besonders 
für  die  Bühne  seiner  Vaterstadt  sicher  noch  näheres  über  diese 
wichtige  Vorstellung  und  manche  andere  Theaterereignisse  veröffent¬ 
licht  haben.  Wegen  Wagner’s  frühem  Tode  —  er  starb  6.  März  1779, 
also  im  33.  Lebensjahre  —  sind  aus  den  Jahren  1778  und  1779 
so  spärliche  Mittheilungen  über  die  Wirksamkeit  der  Seyler’schen 
Gesellschaft  in  Frankfurt  vorhanden,  dass  man  hie  und  da  gezwun¬ 
gen  ist,  die  Quellennachrichten  der  Theatergeschichte  anderer  Städte 
als  Ergänzung  dienen  zu  lassen.  Auch  in  Hinsicht  auf  die  Auffüh¬ 
rung  des  Macbeth  in  Frankfurt,  deren,  mit  Ausnahme  der  oben  er¬ 
wähnten  Anzeige,  weder  in  einem  hiesigen  Tagesblatt  noch  in  den 
Frankfurter  Gelehrten- Anzeigen  Erwähnung  geschieht,  müssen  wir 
die  Mannheimer  Theaternachrichten  zu  Hülfe  nehmen. 

Ueber  die  dortigen  Darstellungen  des  Macbeth  bemerken  die¬ 
selben:  »Madame  Seyler  erhielt  grossen  Beifall  in  der  Scene,  wo  sie 
im  Traume  das  Blut  von  den  Händen  wischen  will.  Herr  Borchers 

24* 


372 


als  Macbeth  zeigte  heute,  dass  er  ein  schlechter  Fechter  ist.«  Diese 
gerade  nicht  freundliche  Bemerkung,  mit  welcher  einzig  der  Leistung 
des  grossen  Künstlers  gedacht  wird,  dürfte  einigermassen  durch  einen 
Ausspruch  Seyfried’s  gemildert  werden,  der  in  einer  späteren  Beur- 
theilung  Borchers  den  Macbeth  »trotz  der  schlechten  Fechterei«  als 
eine  seiner  grossartigsten  und  tiefergreifendstgn  Leistungen  hinstellte. 

Im  Uebrigen  mag  das,  was  von  den  Mannheimer  Vorstellungen 
bekannt  ist,  auch  für  die  Frankfurter  Aufführung  zutreffend  sein. 
Die  Tragödie,  welche  dort  reichen  Beifall  erndtete,  wird  in  der  Vater¬ 
stadt  ihres  kaum  verstorbenen  Bearbeiters  bei  so  vortrefflicher  Be¬ 
setzung  der  Hauptrollen  sicher  einen  eben  so  grossen  Erfolg  errungen 
haben.  Schon  die  bald  nach  der  ersten  Darstellung  des  Macbeth 
erfolgte  Wiederholung  dürfte  einen  einigermassen  sicheren  Beweis 
für  die  beifällige  Aufnahme  der  Wagner’schen  Bearbeitung  geben. 

Das  andere  hier  aufgeführte  Stück  Wagner’s  »Evchen  Hum- 
brecht  oder  ihr  Mütter  merkt’s  euch«  ist  unstreitig  unter  seinen 
eignen  Schöpfungen  das  bedeutendste  Werk.  Der  Inhalt  dieses  das 
Thema  des  Kindesmordes  behandelnden  Trauerspiels  mag  hier  in 
kurzen  Umrissen  skizzirt  werden.  Eva  Humbrecht,  die  schöne  un¬ 
schuldige  Tochter  des  Metzgermeisters  Humbrecht  in  Strassburg  wird 
auf  eine  teuflische  Weise  von  dem  bei  ihren  Eltern  zur  Miethe  woh¬ 
nenden  Lieutenant  von  Gröningseck  verführt.  Bald  darauf  empfindet 
derselbe  redliche  Reue  über  seine  schandbare  Tkat,  er  spricht  sich 
gegen  seinen  Freund  von  Hasenpoth  offen  darüber  aus,  welcher  aber 
als  böser  Genius  des  Ersteren  diese  heftigen  Gewissensbisse  mit 
frivolem  Spott  und  verdächtigenden  Anspielungen  zu  bekämpfen 
sucht.  Kurz  nach  dem  Gespräch  mit  Hasenpoth  tritt  Gröningseck 
eine  Reise  an,  vor  welcher  er  der  von  tausend  Qualen  gefolterten 
Eva  höchst  liebevoll  die  Mittheilung  macht,  dass  er  nur  den  Urlaub 
benutzen  wolle,  um  seine  Angelegenheiten  zu  ordnen  und  die  Hei- 
ratli  mit  ihr  so  viel  als  möglich  zu  beschleunigen.  —  Während  der 
zweimonatlichen  Abwesenheit  Gröningseck’s  bringt  aber  Hasenpoth 
Evchen  durch  einen  gefälschten,  scheinbar  von  ihrem  Geliebten  her¬ 
rührenden  Brief,  in  welchem  sie  derselbe  auffordert,  Hasenpoth’s 
Maitresse  zu  werden,  in  eine  solche  Verzweiflung,  dass  sie  —  die 
ihre  Schande  nicht  länger  verbergen  kann  —  heimlich  das  Vater¬ 
haus  verlässt  und  in  ihrer  Noth  bei  einer  Wäscherin,  Frau  Marthan, 
Unterkunft  sucht. 

Inzwischen  sind  aber  die  Eltern  der  Entflohenen  durch  einen 
ebenfalls  gefälschten,  an  einen  jungen  Verwandten,  den  Magister 
Humbrecht,  gerichteten  Brief  über  den  Zustand  der  Tochter  unter¬ 
richtet  worden.  In  der  ersten  Wuth  über  die  niederschmetternde 
Kunde  stösst  Humbrecht,  welcher  als  ein  Bürger  von  altem  Schrot 
und  Korn  geschildert  ist,  die  fürchterlichsten  Drohungen  gegen  seine 


373 


Tochter  aus,  deren  Verwirklichung  aber  durch  die  bereits  erfolgte 
Flucht  derselben  unmöglich  geworden  ist. 

Bei  der  geschwätzigen  Frau  Marthan,  die  gar  nicht  weiss,  wer 
eigentlich  unter  ihrem  Dache  Schutz  gesucht  hat,  giebt  Evchen  einem 
Knaben  das  Leben.  Als  sie  bald  darauf  Säugamme  bei  einem  Kunde 
der  »Frau  Funfzehnerin«  werden  soll,  wird  sie  vorher  gefragt,  bei 
wem  sie  bisher  in  Dienst  gestanden  habe.  Stotternd  bringt  sie  her¬ 
vor  :  beim  Metzger  Hiunbrecht,  auf  welchen  Ausspruch  ihr  Frau 
Marthan  ausführlich  erzählt,  was  sie  von  der  Tochter  desselben  beim 
Waschen  gehört  habe.  Nachdem  die  geschwätzige  Frau  dem  vor  der 
öffentlichen  Schande  bangenden  unglücklichen  Mädchen  noch  mit- 
getheilt  hat,  dass  sie  des  Humbrechts  Tochter  gestern  aus  dem  Wasser 
gezogen  und  ausserdem  die  Erinnerung  an  den  Tod  der  vor  Kummer 
gestorbenen  Mutter  und  die  Erzählung  eines  anderen  Schicksals  ihr 
zerrüttetes  Gemüth  noch  mehr  erschüttern  mussten,  gesteht  Evclien 
der  Marthan,  dass  sie  des  Humbrecht  Tochter  sei  und  fordert  jene 
zugleich  auf,  sich  die  von  demselben  für  eine  Nachricht  von  ihr 
ausgesetzten  100  Thlr.  zu  verdienen. 

Kaum  ist  ihre  Kostgeberin  gegangen,  als  Eva  in  wildem  Schmerz, 
bald  zärtlich,  bald  fluchend  das  Söhnchen  des  vermeintlichen  falschen 
Verführers  an  sich  presst  und  ihm  schliesslich  in  halbem  Wahnsinn 
eine  Nadel  in  seine  Schläfe  drückt. 

Noch  wimmert  das  sterbende  Kind,  da  erschallen  eilige  Schritte 
auf  dem  Gang  und  der  alte,  noch  zwischen  Zorn  und  Vaterliebe 
schwankende,  aber  doch  zur  Verzeihung  geneigte  Humbrecht  stürzt 
in’s  Zimmer.  Ihm  folgt  der  Magister,  welcher  der  Unglücklichen  die 
Freudenbotschaft  bringt,  die  Briefe  seien  gefälscht  und  Gröningseck 
nur  durch  eine  schwere  Krankheit  so  lange  fern  gehalten  worden. 
Aber  für  Evchen  giebt  es  jetzt  kein  Glück  mehr ;  sie  deutet  auf  den 
verdeckten  Leichnam  ihres  Söhnchens  und  antwortet  in  starrer  Ver¬ 
zweiflung  :  »Mein  Kind  ist  todt,  todt  durch  mich«. 

Der  sofort  auf  die  Anmeldung  des  Magisters  herbeigeeilte 
Gröningseck,  welcher  gerade  zeitig  genug  kam,  um  das  furchtbare 
Geständniss  seiner  Geliebten  mitanhören  zu  können,  ist  ebenso  rath¬ 
los  wie  der  Magister  und  der  gebeugte  Humbrecht,  dem  »plötzlich 
die  ganze  Welt  zu  enge  wird«. 

Mittlerweile  hat  aber  Frau  Marthan,  die  ebenfalls  das  Bekennt¬ 
nis  Evchens  vernommen  und  ihres  guten  Rufes  wegen  grosse  Angst 
vor  der  Polizei  hat,  die  betreffenden  Beamten  herbeigeholt,  worauf 
die  Kindesmörderin  sofort  dem  Gericht  überantwortet  wird.509 

So  wenig  Gemeinsames  auch  das  schlichte,  nur  von  einem  sen¬ 
timentalen  Hauche  angewehte  Evchen  Humbrecht  mit  der  poetischen 
Gestalt  Gretchen’s  im  Faust  haben  mag,  so  lässt  sich  doch  eine  ge¬ 
wisse  äussere  Familienähnlichkeit  zwischen  beiden  nicht  verkennen. 
Auch  zeigt  das  Schicksal  dieser  zwei  verführten  Mädchen  hie  und  da, 


374 


besonders  aber  in  den  letzten  Akten  eine  so  auffallende  Ueberein- 
stimmung,  dass  der  Gedanke :  Goethe  und  Wagner  hätten  einen  und 
denselben  Stoff  je  nach  ihrer  dichterischen  Kraft  verschiedenartig 
aufgefasst  und  bearbeitet,  unmöglich  fern  bleiben  kann.  Und  diese 
Annahme  ist  keine  trügerische  Vermuthung;  Goethe  selbst  giebt  im 
14.  Buche  von  Wahrheit  und  Dichtung  Aufschluss  über  die  Ursache 
der  äusserlichen  Aehnlichkeit  seines  Faust  mit  der  Kindermörderin,  wie 
Wagner  die  Tragödie  »Evchen  Humbrecht«  etc.  anfangs  betitelt  hatte. 

Nachdem  er  sich  über  Lenz  ausgesprochen  hat,  fährt  nämlich 
Goethe  in  dem  eben  erwähnten  Buche  fort:  »Vorübergehend  will  ich, 
nur  der  Folge  wegen,  noch  eines  guten  Gesellen  gedenken,  der,  obgleich 
von  keinen  ausserordentlichen  Gaben,  doch  mitzählte.  Er  hiess  Wag¬ 
ner,  erst  ein  Glied  der  Strassburger,  dann  der  Frankfurter  Gesellschaft, 
nicht  ohne  Geist,  Talent  und  Unterricht.  Er  zeigte  sich  als  ein 
Strebender,  und  so  war  er  willkommen.  Auch  hielt  er  treulich  an 
mir,  und  weil  ich  aus  allem,  was  ich  vorhatte,  kein  Geheim niss  machte, 
so  erzählte  ich  ihm  wie  andern,  meine  Absicht  mit  Faust,  besonders 
die  Katastrophe  mit  Gretchen.  Er  fasste  das  Sujet  auf  und  benutzte  es 
für  ein  Trauerspiel:  die  Kindsmörderin.  Es  war  das  erstemal,  dass 
mir  jemand  etwas  von  meinen  Vorsätzen  wegschnappte;  es  verdross 
mich,  ohne  dass  ich’s  ihm  nachgetragen  hätte.« 

Inwieweit  Goethe,  der  diesen  Vorwurf  beinahe  ein  Menschen¬ 
alter  nach  dem  Erscheinen  der  Kindermörderin  aussprach,  trotz  der 
gewiss  nicht  zu  rechtfertigenden  Benutzung  der  Katastrophe  aus  Faust, 
Kecht  haben  mochte,  kann  hier  nicht  entschieden  werden,  aber  so 
viel  steht  fest,  dass  Wagner  kein  gewöhnlicher  literarischer  Dieb  ge¬ 
nannt  werden  darf.  Da  es  ihm  an  eigener  Gestaltungsgabe  gebrach, 
ahmte  er  nach,  aber  er  gab  dem  von  Goethe  entlehnten  Stoff  manche 
originelle  Züge,  er  folgte  bei  dem  streng  bühnengerechten  Aufbau 
des  Stückes  so  ausschliesslich  seinem  eigenen  dramatischen  Gefühl, 
dass  man  —  ganz  abgesehen  von  der  unendlich  edleren  Schöpfung 
Goethe’s  —  ungeachtet  einer  hie  und  da  auffallenden  äusserlichen 
Aehnlichkeit  keine  tieferen,  vollständig  übereinstimmenden  Geisteszüge 
in  beiden  Werken  nachzuweisen  vermag. 

Ebenso  wenig,  wie  Eva  Humbrecht  den  poetischen  Zauber  des 
Goethe’schen  Gretchen ’s  besitzt,  kann  man  den  titanisch  angelegten 
Faust  mit  Gröningseck  vergleichen,  dessen  Charakter  viel  mehr  Ge¬ 
meinsames  mit'Clavigo,  Mellefont,  dem  Prinzen  in  Emilia  Galotti  und 
mit  Weislingen  hat.  Auch  Hasenpoth  ist  kein  Mephisto;  viel  mehr 
als  dieser  geistesmächtige  Teufel  mögen  Marinelli  in  Emilia  Galotti 
und  Carlos  in  Clavigo  Modelle  für  seine  Gestalt  gewesen  sein.  Die 
natürlichste  und  kräftigste  Figur  in  Wagner’s  Trauerspiel  ist  der 
Metzger  Humbrecht,  für  welchen  im  Faust  nur  Gretchen’s  Bruder 
Valentin  als  Gegenstück  gelten  könnte.  Er  ist  ein  Odoardo  Galotti 
im  Bürgerkleide,  dessen  leicht  überfluthendes  Temperament  einen 


375 


tiefen  edlen  Kern  verbirgt.  Auch  besitzt  er  bei  aller  Strenge  und 
Derbheit  jenen  spottlustigen  Humor,  welcher  meistens  urwüchsigen, 
acht  volksthümlichen  Persönlichkeiten  auch  im  Unglück  nicht  aus¬ 
zugehen  pflegt. 

Schiller  hat  jedenfalls  nach  dem  Verbilde  des  Metzger  Hum- 
brecht  eine  seiner  wirksamsten  und  lebenswahrsten  Gestalten,  den 
Musikus  Müller,  in  »Kabale  und  Liebe«  geschaffen. 

Zur  selben  Zeit,  in  welcher  Wagner  die  Briefe  über  die  Sevler’sche 
Gesellschaft  schrieb,  muss  er  ohne  Zweifel  die  von  ihm  geforderte 
Umarbeitung  seiner  Tragödie  »die  Kindermörderin«  vorgenommen 
haben.  Er  scheint  sich  nämlich  in  der  Kritik  vom  31.  Mai  1777 
in  einer  von  ihm  selbst  »einen  Seitensprung  vom  eigentlichen  Thema« 
genannten  Stelle  gleichsam  gegen  den  ihm  oft  gemachten  Vorwurf 
zu  verwahren,  dass  sein  Stück  anstössig  und  »nicht  vor  ehrlichen 
Leuten  vorstellbar  sei.« 

In  dieser  neuen  Fassung  kam  das  Trauerspiel  unter  dem  bereits 
erwähnten  Titel  im  September  1778  und,  wenn  wir  einer  Ueberlieferung 
glauben  dürfen,  auch  in  der  Oster-  und  Herbstmesse  1779  in  Frank¬ 
furt  durch  die  Seyler’sche  Gesellschaft  zur  Aufführung.  ^ 

Wie  das  hiesige  Publikum  das  Stück  aufnahm,  lässt  sich  leider 
nicht  sagen,  da  es  aber  mehrere  höchst  wirksame  Scenen  besitzt, 
und  die  beliebte  Madame  Fiala  die  Titelrolle,  Opitz  den  Gröningseck, 
Möller  den  Metzger  Humbrecht,  Borchers  den  Hasenpot.h  und  Zucca- 
rini  den  Magister  spielte,  so  möchte  man  kaum  bezweifeln,  dass  es 
nicht  einen  bedeutenderen  Eindruck  gemacht  haben  sollte ,  denn 
manches  andere,  damals  auf  die  Frankfurter  Bühne  gekommene  viel 
schwächere  dramatische  Erzeugniss. 

Vielleicht  gab  die  gelungene  Aufführung  der  sechsaktigen 
Tragödie  mit  die  Anregung  zu  den  vielen  Abhandlungen  über  das 
Thema  des  Kindesmordes,  welche  1778  und  79  theils  in  Form  von 
Zwiegesprächen,  theils  in  Romanen  und  anderen  Fassungen  von  meist 
ungenannten  Autoren  hier  am  Orte  erschienen.  Auch  in  den  schon 
oft  erwähnten  Frankfurter  Beiträgen  findet  sich  in  dem  42.  -44.  Stück 
eine  Abhandlung  über  die  Verminderung  des  Kindesmordes,  welche 
in  ihrem  Verlauf  hauptsächlich  bürgerlichen  Mädchen  Warnungen 
zu  Theil  werden  lässt. 

Ob  am  Ende  der  siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts,  wie 
mehrmals  berichtet  worden,  auch  die  »Reue  nach  der  That«,  ein  an¬ 
deres  sechsaktiges  Trauerspiel  von  Wagner,  hier  aufgeführt  wurde, 
wagen  wir  nicht  zu  entscheiden.  Grossmann  bearbeitete  dieses 
Stück,  dessen  Tendenz  von  Schiller  in  Kabale  und  Liebe  viel  poetischer 
behandelt  ist,  1777  für  die  Seyler’sche  Gesellschaft  und  gab  ihm 
den  Titel  »Der  Familienstolz  oder  die  Reue  nach  der  That«.  In  dieser 
Bearbeitung  ist  Wagner’s  Werk  auch  in  den  ersten  Jahren  nach  der 


37(5 


Eröffnung  des  neuen  Schauspielhauses  einige  Mal  zur  Darstellung 
gekommen. 

Seyler  hatte  Recht,  als  er  in  einem  Bittgesuch  an  den  Frank¬ 
furter  Rath  die  Behauptung  aufstellte,  an  Stücken  sei  jetzt  glück¬ 
licherweise  kein  Mangel  mehr.  Waren  auch  die  meisten  nach  unseren 
heutigen  Begriffen  nicht  so  vortrefflich  als  er  damals  annahm,  so  boten 
sie  der  darstellenden  Kunst  doch  unendlich  höhere  Aufgaben  als  die 
dramatischen  Erzeugnisse  früherer  Epochen.  Ein  neuer  Frühling 
war  über  die  deutsche  Nationalliteratur  auf  dem  ihr  von  Lessing 
eroberten  Boden  hereingebrochen.  Es  sprosste  und  grünte  an  allen 
Enden,  und  wenn  auch  manche  Eintagsblume,  manch’  taube  Bliithe 
dazwischen  emporwuchs :  die  Fülle  der  Erscheinungen  erweckte  des¬ 
halb  doch  den  Glauben  an  Erlösung  aus  winterlichen  Banden,  an 
eine  durch  die  mannigfaltigsten  Vorboten  verkündete  bessere  Zukunft. 

Die  Originalgenies  der  Sturm-  und  Drangperiode  erwählten  sich 
zwar  die  Bühne  zum  Vermittler  ihrer  regellosen  abenteuerlichen 
Phantasie-Gebilde ,  aber  ihre  Macht  war  doch  nur  vorübergehend, 
bald  kamen  grössere  Meister,  die  sie  aus  dem  Tempel  der  drama¬ 
tischen  Kunst  vertrieben  und  ihnen  durch  ihre  Thaten  zuriefen :  »Nicht 
alle,  die  den  Thyrsos  schwingen,  sind  wahrhaft  auch  des  Gottes 
voll«.  Aber  nicht  allein  das  deutsche  Drama  trat  in  den  siebziger 
Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  in  eine  bedeutungsvolle  Entwick¬ 
lungsphase,  auch  die  Oper  erlebte  durch  Gluck’s  epochemachende 
Thätigkeit  einen  neuen  Aufschwung,  welcher  durch  ähnliche  Ent¬ 
wicklungskämpfe  angebahnt,  von  ähnlichen  Grundgedanken  aus 
durchgeführt  wurde. 

Bald  nachdem  Seyler  in  der  Herbstmesse  1779  zu  spielen  be¬ 
gonnen  hatte,  müssen  ihn  entweder  schlechte  Geschäfte  oder  sonstige 
Umstände  zahlungsunfähig  gemacht  und  zum  Niederlegen  seiner 
Direktion  gezwungen  haben.  Im  Rechnungshauptbuch  der  Stadt  findet 
sich  keine  geleistete  Zahlung  von  ihm,  statt  dessen  aber  eine  Abgabe 
von  42  Gulden  40  Kreuzer  eingetragen,  die  eine  vereinigte  Truppe 
der  Stadt  für  die  Darstellung  von  acht  verschiedenen  Schauspielen 
entrichtete.  Dies  war  ohne  Zweifel  Seyler’s  Gesellschaft,  welche  die 
Vorstellungen  auf  eigene  Kosten  fortgesetzt  haben  wird.  Um  so  mehr 
erscheint  diese  Ansicht  begründet,  als  am  1.  Oktober  1779  die  ver¬ 
einte  Gesellschaft  in  den  »Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten«  eine 
Aufführung  des  beliebten  Lustspiels  »Die  Holländer«  von  Bock  und 
für  den  folgenden  Tag  eine  Darstellung  des  von  demselben  Verfasser 
für  die  deutsche  Bühne  bearbeiteten  Meisterwerks  »König  Lear«  an- 
küjidigte.  »Die  Erhabenheit  des  Stückes,  die  Kraft  des  Dialogs,  be¬ 
sonders  aber  die  ausserordentliche  Stärke  der  abwechselnden  Leiden¬ 
schaften  und  die  Verschiedenheit  der  seltenen  Charaktere«  werden  sehr 
angepriesen  und  schliesslich  noch  die  Mittheilung  hinzugefügt,  dass 
die  Gesellschaft  —  »trotz  ihrer  verworrenen  Situation«  —  zum  Be- 


weis  der  Hochachtung  und  des  Dankes  für  das  hiesige  Publikum 
das  Stück  erst  diese  Woche  ganz  neu  einstudirt  habe. 

Seyler  hatte  viel  für  die  Veredlung  des  Geschmackes  und  für 
den  Fortschritt  der  dramatischen  Kunst  in  Frankfurt  gethan;  er  war 
in  der  That,  was  er  mit  berechtigtem  Stolze  von  sich  selbst 
sagte:  ein  Direktor,  welcher  auch  unter  den  misslichsten  Verhält¬ 
nissen  zuerst  an  die  Kunst  und  zuletzt  an  sich  selbst  dachte.  Als 
er  die  mit  den  achtziger  Jahren  beginnende  Glanzepoche  des  Frank¬ 
furter  Theaters  würdig  eingeleitet,  als  er  kaum  die  ersten  künst¬ 
lerischen  Erfolge  seines  redlichen  Strebens  errungen  hatte,  ging  seine 
Aufgabe  auf  die  ehemaligen  Mitglieder  seiner  Truppe:  Grossmann 
und  Hellmuth  den  älteren  über,  die  schon  Ende  des  Jahres 
1778  abgegangen  waren  und  1779  im  Aufträge  des  Kurfürsten 
Maximilian  von  Cöln,  gleich  nach  der  Auflösung  der  Seyler’schen 
Gesellschaft,  eine  eigene  Truppe  gegründet  hatten.  Einige  der  Schau¬ 
spieler  und  Schauspielerinnen  traten  in  den  neuen  Verband,  ein  klei¬ 
nerer  Theil,  darunter  Seyler’s  Gattin  und  das  Ehepaar  Toskani,  wurde 
Mitglieder  des  unter  der  Intendantur  des  Freiherrn  von  Dalberg  neu 
errichteten  Mannheimer  National theaters  und  der  grösste  Theil  suchte 
sich  anderswo  eine  günstige  Stellung. 

Die  Schilderung  der  Kunstthätigkeit  Seyler’s  in  Frankfurt  soll 
nicht  ohne  die  Mittheilung  beendigt  werden,  dass  Seyler,  wie  früher 
Marchand,  durch  eine  strenge  Oberaufsicht  und  durch  sein  feines 
Auftreten  für  seine  Truppe  auch  bürgerliches  Ansehen  zu  erwerben 
wusste.  Das  Verhältniss  der  Seyler’schen  Künstler  und  Künstlerin¬ 
nen  zur  Frankfurter  Gesellschaft  muss  ein  in  jeder  Beziehung  gutes 
gewesen  sein.  Man  lud  die  ersten  Mitglieder  nicht  allein  in  die 
öffentlichen  Cirkel,  sie  traten  auch  in  den  engeren  Kreis  des  Fa¬ 
milienlebens  ein  und  wurden  von  dem  grössten  Theil  der  Gebildeten 
ganz  besonders  ausgezeichnet.  So  waren  Grossmann  und  seine  Frau 
mit  der  Frau  Rath  Goethe  auf  das  herzlichste  befreundet,  und  auch 
die  Ehepaare  Seyler,  Borchers,  Hellmuth  und  Opitz  in  verschiedenen 
der  angesehensten  Frankfurter  Familien  eingeführt.  Eine  solche,  das 
alte  Vorurtheil  gegen  den  Schauspielerstand  hintansetzende  Aus¬ 
zeichnung  war  gewiss  nicht  hoch  genug  anzuschlagen  in  einem 
Augenblick,  in  welchem  die  letzten  Angriffe  gegen  den  in  verschie¬ 
denen  Verhandlungen  der  städtischen  Behörden  ernstlich  erwogenen 
Bau  eines  ständigen  Komödienhauses  unternommen  wurden. 

Neben  Seyler  spielten  ausser  der  Messzeit  noch  verschiedene, 
weniger  beedeutende  Wanderprincipale  am  Ende  der  siebziger 
Jahre  in  Frankfurt.  Zuerst  der  Königlich  Preussische  Tänzer 
Blache,  welcher  wegen  des  ausgebrochenen  Krieges  (Bayerischer 
Erbfolgekrieg  1778 — 1779)  trotz  seiner  28jährigen  Thätigkeit  aus 
Berlin  vertrieben  worden  war  und  am  22.  October  1778  vom  Rathe 
die  Erlaubniss  erhalten  hatte,  mit  seinen  vier  Kindern  an  Tagen,  wo 


378 


keine  Komödie  abgehalten  würde,  zwei  pantomimische  Vorstellungen 
geben  zu  dürfen.510  Das  älteste  der  vier  Kinder,  ein  noch  nicht 
13  Jahre  altes  Mädchen,  trug  selbst  die  Programme  zu  der  Vor¬ 
stellung  umher,  was  wohl  sehr  viel  zu  ihrem  zahlreichen  Besuch 
beigetragen  haben  mag.  Dieselben  waren  französisch  abgefasst  und 
mit  der  gross  gedruckten  Einladung  versehen: 

»Nous  ne  sommes  qne  des  Enfans, 

Nos  timides  efForts  en  sont  un  temoignage; 

Mais  ni  l’esprit  ne  croit  qu’avec  le  temps, 

Le  coeur  est  le  meme  ä  tout  äge; 

Pour  meriter  les  applaudissements, 

Dont  nous  comble  votre  indulgence, 

Nous  aurons  quelque  jour  un  peu  plus  de  talens, 

Mais  nous  n’aurons  jamais  plus  de  reconnaissance !« 

Blache  hatte  mit  seinen  Kindern  Frankfurt  noch  nicht  wieder 
verlassen,  als  ein  anderer  W an  derprin cipal,  Felix  Berner,  mit  einer 
aus  sehr  jungen  Leuten  und  Kindern  bestehenden  Truppe  den  Rath 
ebenfalls  um  die  sofort  gewährte  Erlaubniss  anging,  auf  der  Durch¬ 
reise  einige  Vorstellungen  geben  zu  dürfen.511  Berner  wurde  bei 
seinem  Unternehmen  von  dem  Gedanken  geleitet,  dass  eine  bereits 
in  frühester  Jugend  ausgeübte  Thätigkeit  in  dem  späteren  Beruf 
eines  Menschen  mehr  als  ein  gut  Theil  Genie  ausmache  und  beson¬ 
ders  die  Laufbahn  eines  zukünftigen  Schauspielers  und  Sängers 
ausserordentlich  erleichtern  könne.  Er  gründete  deshalb  eine  Pflanz¬ 
schule  für  solche  Kinder,  welche  später  diesen  Beruf  erwählen  woll¬ 
ten,  reiste  mit  seinen  Zöglingen  hauptsächlich  in  Süddeutschland,  in 
der  Schweiz  und  in  Ungarn  umher  und  erntete  überall  durch  das 
sichere  Auftreten  seiner  Schüler  den  grössten  Beifall. 

Am  27.  October  1778  veröffentlichte  Berner  in  den  »Frag-  und 
Anzeigungs-Nachrichten«  folgende  Anzeige: 

»Mit  gnädigster  Erlaubniss  Eines  Hochedlen  und  Hochweisen 
Magistrats,  wird  die  Deutsche  Gesellschaft  j  unger  Schau¬ 
spieler,  unter  der  Direction  des  Herrn  Berners,  bei  ihrer  Durch¬ 
reise  die  Ehre  haben,  Freitags  den  29ten  dieses  ihren  Schauplatz 
[wo,  unbekannt]  zum  erstenmale  zu  eröffnen  und  während  ihres 
kurzen  Aufenthaltes  sich  beeifern,  Gönner  und  Freunde  der  Bühne 
auf  eine  Art  zu  vergnügen  suchen,  die  um  so  lebhafter  sein  wird, 
je  unerwarteter  und  neu  sie  ist.  Stücke  von  der  besten  Gattung ; 
Operetten,  die  sowohl  Ohr  als  Herz  hinreissen ;  Musik  von  den 
grössten  Tonkünstlern;  Ballets,  welche  auch  auf  den  berühmtesten 
Theaters  ohne  Nachtheil  aufgeführt  werden  könnten;  Decorationen 
und  Auszierungen  sollen  dieses  Vergnügen  wiircken.  Ueberhaupt 
wird  diese  Gesellschaft  keine  Mühe  sparen,  den  Beifall,  womit  sie 
überall  aufgenommen  worden,  auch  hier  zu  verdienen.« 


379 


So  weit  es  sich  feststellen  lässt,  gab  Berner  folgende,  in  den 
»Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten«  angekündigte  Hauptstücke,  denen 
meistens  ein  pantomimisches  Ballet  vorausging  und  auch  nach¬ 
folgte  : 

»Der  Deserteur«,  eine  Oper  aus  dem  Französischen  des  Herrn 
Sedaine,  die  Musik  ist  von  Herrn  Gretrv. 

Ein  ganz  neues  Singspiel  mit  deutscher  Musik,  genannt  »Die 
z weymal  geschlossene  Verbindung«. 

»Der  blinde  Lärm  oder  das  Gespenst  auf  dem  Lande«,  eine 
komische  Oper  mit  deutscher  Musik. 

Dass  die  künstlerischen  und  finanziellen  Erfolge  der  Berner’- 
schen  Kindertruppe  in  Frankfurt  nicht  geringer  gewesen  sein  kön¬ 
nen,  als  in  vielen  süddeutschen  Städten,  dürfte  einestheils  die  ziem¬ 
lich  hohe  Abgabe  von  15  fl.  bestätigen,  welche  der  Direktor  am 
Schluss  der  Vorstellungen  ohne  den  geringsten  Widerspruch  ent¬ 
richtete,  anderntheils  aus  folgender,  am  13.  November  1778  in  den 
»Frag-  und  Anzeigungs-Nachrichten«  veröffentlichten  Annonce  hervor¬ 
gehen  : 

»Zur  schuldigen  Dankbarkeit  vor  die  genossene  Huld  und  Gnade 
wird  heute  Freitags  den  13ten  November,  unter  Trompeten-  und 
Paukenschall :  Die  zum  Danke  aufgemunderte  kleine  Thalia,  in  einer 
Vorrede  in  Versen,  und  einem  neuen  Ballete:  Die  geprüfte  Treue, 
welchem  anbei  gegeben :  Eine  grosse  wohl  angebrachte  Illumination, 
von  300  Lampen.  Einem  Hochedlen  und  Hochweisen  Magistrat,  und 
einem  gesammten,  nach  Standes- Gebühr  geehrten  Publico  der  Kaiser¬ 
lich  Freien  Reichs-,  Wahl-  und  Handels-Stadt  Frankfurt  am  Mayn, 
in  schuldigster  Ehrfurcht  dargebracht  von  der  Berner’schen  jungen 
Schauspieler-Gesellschaft.  Hierauf  folget  ein  Schauspiel  in  Versen 
und  einem  Aufzuge,  genannt:  Der  Einsame  von  Stand.  Dann  aber: 
Die  Jugend  im  Bauernhause,  ein  Singspiel  in  einem  Aufzuge.  Den 
Beschluss  macht  ein  grosses  pantomimisches  Ballet:  Themire  und 
Thyrsis,  oder :  die  singende  Treue.  Morgen  wird  also  die  Bühne  ge¬ 
schlossen  :  mit  wohl  ausgearbeiteten  Stücken  und  einem  neu  dahier 
verfertigten  grossen  Ballet:  bei  dieser  letzten  Vorstellung  wird  der 
Directeur  den  Gönnern  der  Schaubühne  zwei  silberne  Denkmünzen, 
eine  von  6xj2  Loth,  die  andere  von  3  \  Loth  schwer,  nebst  einem 
Lamme  zum  Abschiede  Preiss  geben.  Es  wird  nemlich  einem  jeden 
bei  dem  Eingang  ein  Numro  gegeben,  und  so  viele  Nummern  als 
Zuschauer  zugegen,  kommen  in  ein  Gefäss;  am  Ende  des  Lustspiels 
und  Ballets  werden  von  unserer  kleinen  Tänzerin  drei  Nummern  aus 
dem  Gefäss  gezogen.  Wer  nun  das  erste  Numero  hat,  bekommt  das 
erste  Schaustück,  das  zweite  das  andere  Schaustück,  das  dritte  Numero 
das  Lamm.« 

Die  Sitte,  gleichzeitig  mit  den  Vorstellungen  eine  Lotterie  zu 
veranstalten  und  eine  schöne  Schauspielerin  die  Fortuna  spielen  zu 


380 


lassen,  war  bei  vielen,  allerdings  nicht  gerade  den  bedeutenderen 
Wandertruppen  in  jener  Zeit  ein  stehender  Gebrauch,  durch  welchen 
man  dem  Publikum  das  Theater  doppelt  anziehend  zu  machen  suchte. 

Im  December  1778  wurde  auch  der  Neuhaus-Hartmann’schon 
Truppe,  welche  damals  in  der  Nähe,  jedenfalls  in  Hanau,  spielte, 
vom  Käthe  gestattet,  in  der  Zwischenzeit  von  Neujahr  bis  Fastnacht 
1779  wöchentlich  zwei,  zusammen  acht  Vorstellungen  geben  zu 
dürfen.512  Am  29.  December  1778  machten  die  Direktoren  die 
ihnen  gewordene  Erlaubniss  in  den  »Frag-  und  Anzeigungs-Nachrich¬ 
ten«  öffentlich  bekannt  und  offerirten  für  die  acht  abzuhaltenden 
Repräsentationen  ein  beliebiges  Abonnement  für  einen  alten  halben 
Louisd’or.  Alles  Weitere  konnte  man  bei  dem  Herrn  Sergeanten 
Sprenckel,  wohnhaft  auf  der  kleinen  Gallengasse,  erfahren.  Derselbe 
hat  beinahe  zwanzig  Jahre  lang  für  fast  alle  der  hier  auftretenden 
Wanderprincipale  die  verschiedensten  Geschäfte  besorgt. 

Die  Neuhaus-Hartmann’sche  Schauspieler-Gesellschaft  benutzte 
zum  ersten  Mal  den  Koncertsaal  des  Rothen  Hauses,  eines  grossen 
Gasthofes,  welcher  auf  der  Stelle  der  heutigen  Hauptpost  stand,  zu 
ihren  Vorstellungen.  Sie  führte  in  der  angegebenen  Zeit  folgende 
Trauer-,  Schau-,  Lust-  und  Singspiele  auf: 

»Ines  de  Castro«  aus  dem  Französischen  des  de  la  Motte. 

»Hamlet«  (mit  der  Todtengräberscene). 

»Rache  für  Rache«,  Lustspiel  in  vier  Aufzügen  von  Doktor 
Wetzel  aus  Hamburg. 

»Die  Nebenbuhler«,  Hamburgisches  Preis-Lustspiel. 

»Der  Jurist  und  der  Bauer«,  Lustspiel  von  Rautenstrauch. 

»Das  Milchmädchen  und  die  beyden  Jäger«]  komische  Operette. 

»Der  Fassbinder«,  komische  Operette. 

Die  Neuhaus-Hartmann’sche  Gesellschaft  hatte  aber  in  Frank¬ 
furt  lange  nicht  den  Beifall  wie  die  Berner’sche  Kindertruppe.  Wegen 
schwacher  Betheiligung  von  Seiten  des  Publikums  konnte  die  letzte 
der  acht  projektirten  Aufführungen  gar  nicht  stattfinden,  und  die  Direk¬ 
toren  vermochten  nicht  die  angesetzten  15  fl.  Abgabe  für  jeden  Spiel¬ 
abend,  sondern  nur  5  fl.  an  das  Rechneiamt  zu  entrichten.  Von 
dem  Personal  dieser  Gesellschaft,  deren  künstlerische  Bedeutung 
allerdings  nicht  im  entferntesten  derjenigen  der  Seyler’schen  gleich¬ 
kam,  werde  hier  nur  die  Gattin  des  Direktors  Hartmann,  Elisabeth 
Clara,  geborene  Pilotti,  namhaft  gemacht,  welche  sowohl  im  Schau¬ 
spiel  als  auch  in  den  Operetten  die  ersten  Rollen  mit  gleicher 
Tüchtigkeit  spielte  und  sang.  Die  Direktoren  Neuhaus  und  Hart¬ 
mann  überreichten  mit  ihrer  Bittschrift  dem  Rath  ein  gedrucktes 
Repertoire  der  von  ihnen  in  Hanau,  Wetzlar  und  in  anderen  Städten 
bereits  gegebenen  Stücke,  welches  wir  als  Beilage  Nr.  XXI  haupt¬ 
sächlich  deshalb  anfügen,  weil  es  nicht  allein  genügende  Auskunft 


381 


über  die  damals  gern  gesehenen  Trauer-,  Schau-  und  Lustspiele, 
sondern  auch  über  die  beliebtesten  Operetten  und  Singstücke  giebt. 

In  diesem  Abschnitt  der  Frankfurter  Theatergeschichte  wäre 
nun  noch  schliesslich  die  am  12.  Juli  1779  im  Komödiensaal  zum 
Junghof  aufgeführte  italienische  Opera  Buffa :  II  matrimonio  per- 
intresse  (die  eigenützige  Liebe)  zu  erwähnen,  welche  ihr  Komponist, 
der  Kapellmeister  Ferety  aus  Rom,  zum  ersten  Male  in  Frankfurt 
zur  Darstellung  brachte.  Die  Preise  waren  dieselben  wie  bei  den 
Seyler’schen  Vorstellungen  (Siehe  die  Theaterzettel  unter  Beilage 
Kr.  XX) ;  Ferety 's  Abgabe  an  die  Stadt  betrug  nur  2  fl.  43  kr. 

Wenn  man  die  theatralischen  Ereignisse  in  Frankfurt  während 
der  letzten  zehn  Jahre  überblickt,  so  bemerkt  man  an  den  der  Schau¬ 
spielkunst  gemachten  Zugeständnissen  einen  sichtlichen  Fortschritt  in 
der  Erkenntniss  von  ihrer  Bedeutung  und  ihrem  mächtigen  Einfluss 
auf  die  Gemüther.  Jene  Epoche  war  längst  überwunden,  in  welcher 
die  Geistlichkeit  mit  Recht  vor  den  für  sinnreiche  Witze  gehaltenen 
sittenverderbenden  Zoten  und  Possen  warnen  musste ;  unter  der  Lei¬ 
tung  einsichtsvoller  Führer  war  auch  die  hiesige  Schaubühne  mitt¬ 
lerweile  eine  Stätte  geworden,  wo  die  Gebildeten  ebensoviel  geistige 
Anregung  als  erhebenden  Genuss  zu  suchen  pflegten.  Aber  Avie  in 
der  allgemeinen  deutschen  Theatergeschichte  jeder  grosse  Fortschritt 
von  solchen  Führern  angebahnt  wurde,  welche  die  Verwirklichung 
ihrer  besseren  künstlerischen  Ideen  oft  mit  dem  Scheitern  des  eignen 
Glückes  bezahlen  mussten,  so  ist  auch  das  von  der  dramatischen 
Kunst  in  Frankfurt  in  den  siebziger  Jahren  des  vorigen  Säkulums 
errungene  Resultat  hauptsächlich  dem  Wirken  Seyler’s  zu  verdanken, 
Avelcher  —  es  muss  am  Schluss  dieses  Abschnittes  nochmals  aner¬ 
kannt  werden  —  mit  Hintansetzung  seiner  eignen  Wohlfahrt  gegen 
die  herrschende  Geschmacksrichtung  tapfer  zu  Felde  zog  und  der 
deutschen  Dichtkunst  dadurch  auch  auf  der  hiesigen  Bühne  den  ihr 
gebührenden  Ehrenplatz  anwies. 


Die  letzten  Wanderjalire  der  Bühne  in  Frankfurt. 


»Es  kann  nicht  anders  sein,  von  nun  an  wird  Frankfurt,  wie 
die  nordische  Republik  Hamburg,  immer  mehr  eine  Warte  der  Kunst 
werden ;  stolz  wird  sie  heute  und  in  künftigen  Tagen  ausschaun  in’s 
weite  Reich  und  allen  Hütern  zu  Ehr  und  Ruhm  verhelfen,  welche 
eine  Zeit  lang  mit  ihren  Genossen  nach  guter  deutscher  Art  die 
Wacht  darin  halten  und  auch  ein  Scherflein  zur  Verherrlichung  ihres 
Hamens  beitragen  durften.«  Mit  diesem  prophetischen  Ausspruch, 
welchen  der  Direktor  Grossmann  in  einer  Bittschrift  an  den  Rath 
Frankfurts  that,  als  er  sich  um  die  Ehre  bewarb,  das  neu  erbaute 
Komödienhaus  mit  seiner  Truppe  eröffnen  zu  dürfen:  mit  ihm  be¬ 
ginnen  wir  die  Epoche  der  Frankfurter  Theatergeschichte,  welche 
durch  die  endliche  Errichtung  einer  ständigen  Bühne  ihren  rühm¬ 
lichen  Abschluss  finden  sollte. 

Unter  den  vielen  um  Zulassung  für  die  Ostermesse  1780  ein¬ 
kommenden  Schauspieler-Truppen  hatte  die  Kurpfälzische  Gesell¬ 
schaft  auf  besondere  Empfehlung  verschiedener  einflussreicher  Per¬ 
sönlichkeiten  den  Vorzug  erhalten.  Im  Februar  1780  machte 
der  Intendant  des  Mannheimer  Nationaltheaters,  Freiherr  von  Dalberg 
jedoch  dem  älteren  Bürgermeister  von  Frankfurt  die  Mittheilung, 
dass  die  Kurpfälzische  Gesellschaft  verhindert  sei,  zur  Ostermesse 
kommen  zu  können,  aber  statt  dessen  um  die  Erlaubniss  bitte,  ihre 
Bühne  während  der  Herbstmesse  hier  eröffnen  zu  dürfen.513  Der 
Rath  nahm  die  angegebenen  Entschuldigungsgründe  an,  behielt  sich 
aber  in  einem  Antwortschreiben  vor,  seine  Erklärung  wegen  der 
Erlaubniss  für  die  Herbstmesse  zu  gelegnerer  Zeit  abzugeben  und 
bewilligte  in  derselben  Senatssitzung  das  Gesuch  der  Direktoren  der 
Kurcölnischen  Gesellschaft,  Grossmann  und  Hellmuth,  welche  sich 
nochmals  um  die  Zulassung  für  die  Ostermesse  1780  beworben 
hatten.514 

Schon  an  einer  früheren  Stelle  wurde  erwähnt,  dass  viele  Mit¬ 
glieder  der  Seyler’schen  Truppe  in  den  Verband  der  1779  gegrün¬ 
deten  Kurcölnischen  Gesellschaft  übergegangen  waren,  weshalb  hier 
nur  die  neu  hinzugekommnen  Künstler  und  Künstlerinnen  besprochen 


383 


werden  sollen.  Hierbei  folgen  wir  den  Mittheilungen  einer  Ab¬ 
handlung  in  den  »Frankfurter  Beiträgen  zur  Ausbreitung  nützlicher 
Künste  und  Wissenschaften«,  deren  ebenso  verständnisvoller  als  ge¬ 
rechter  Verfasser  jedenfalls  nach  eigenem  Anschauen  die  Mitglieder 
der  oben  genannten  Truppe  richtiger  beurtheilt  hat,  als  es  ein  Nach¬ 
lebender  mit  Hülfe  der  besten  späteren  Aufzeichnungen  zu  tliun 
vermöchte.515 

Von  Madame  Neefe,  der  Gattin  des  Kapellmeisters,  welche  nur 
dann  und  wann  einmal  als  Gast  der  Seyler’schen  Gesellschaft  in 
Frankfurt,  besonders  aber  in  den  siebziger  Jahren  viel  in  hiesigen 
Koncerten  aufgetreten  war,  schreibt  der  Kritiker  Folgendes :  »Sie  be¬ 
sitzt  eine  volltönende  Stimme,  ihr  Vortrag  ist  sicher  und  ausdrückend; 
das  Cantabile  gelingt  ihr  besser  als  das  Allegro.  Sie  hat  viele  Ein¬ 
sichten  in  die  Musik,  trifft  meistentheils  alles  vom  Blatt  weg,  spielt 
das  Klavier,  und  das  mit  nicht  geringer  Fertigkeit.  Sie  widmet  sich 
jetzt  mehr  den  zärtlichen  Mütterrollen  im  Schauspiel,  als  den  Singer¬ 
rollen  in  den  Operetten.  Auffallend  war  es  uns,  als  wir  einmal  irgend¬ 
wo  lasen,  dass  sie  eine  steife  Figur  auf  dem  Theater  vorstelle :  freilich 
sind  junge  zärtliche  Mädchen  ihr  Fach  nicht,  aber  doch  mehr  zärtliche 
Mütter.  Wer  sieht  sie  nicht  mit  Beifall  als  Frau  von  Capeilet ,  als 
Aebtissin,  als  Marquise  in  der  Julie?  Als  Königin  sehen  wir  sie 
nicht  gerne.« 

Madame  Fiala,  deren  grosses  Talent  für  Rollen  wie  Ariadne, 
Ophelia  [Hamlet],  Blanka  | Julius  von  Tarent]  und  Marie  [ClavigoJ 
auch  der  Verfasser  der  genannten  Abhandlung  anerkannte,  war  noch 
immer  im  Besitz  ihres  alten  Faches.  Als  zweite  Liebhaberin  war 
nicht  lange  vor  der  Abreise  der  Gesellschaft  von  Bonn  nach  Frank¬ 
furt  die  jugendliche  Madame  Gensike  engagirt  worden,  auf  welche 
die  hiesigen  Theaterfreunde  durch  die  äusserst  günstigen  Mittheilungen 
über  ihr  grosses  Talent  in  den  »Bonner  dramaturgischen  Nachrichten« 
und  ihr  ebenfalls  im  zweiten  Stück  dieser  Zeitschrift  aus  dem  Jahre 
1780  erschienenes  Porträt  sehr  gespannt  waren.  Wie  wenig  aber 
(he  verhältnissmässig  erst  sehr  kurze  Zeit  bei  der  Bühne  thätige  junge, 
schöne  Frau  das  ihr  in  Bonn  so  reichlich  zu  Theil  gewordene  Lob  ihrer 
Verehrer  verdiente,  dürfte  folgende  ruhig  gehaltene  Beurtheilung  des 
Frankfurter  Kritikers  hinreichend  bezeugen: 

»Für  diese  Schauspielerin  [Madame  Gensike]  waren  wir  im 
Voraus  sehr  eingenommen;  die  Bonner  dramaturgischen 
Nachrichten  sagten  so  viel  Gutes  von  ihr ,  dass  wir  kaum  die 
Zeit  erwarten  konnten,  sie  auf  der  Bühne  zu  sehen.  Wir  sahen  sie, 
und  —  wurden  in  unserer  Erwartung  sehr  betrogen.  Unmöglich  können 
wir  ihr  das  Lob  beilegen ,  welches  ihr  die  dramaturgischen 
Nachrichten  beigelegt  haben.  Die  meisten  Rollen  spielte  sie  kaum 
mittelmässig ,  und  jede  andere,  die  sie  sich  hätte  wählen  können, 
würde  sie  nicht  besser  gespielt  haben.  Bei  der  Rolle  des  Grafen 


384 


von  Kronenburg  im  Grafen  von  Walltron  bemerkten  wir  erst,  dass 
sie  sieb  in  eine  Lage  hineindenken  kann.  Ihr  Anstand  ist  zu  ge¬ 
zwungen,  ihre  Miene  affektirt,  ihre  Deklamation  sehr  oft  unrichtig, 
ihre  Gestus  zu  einfach,  immer  die  Arme  verschränkt.  Manchmal  war 
es  ä  propos,  aber  der  Schauspieler  muss  sich  keine  Gestus  angewöh¬ 
nen,  er  muss  auch  erfinderisch  und  unterhaltend  sein,  wenn  der  Zu¬ 
schauer  nicht  gähnen  soll.  In  zärtlichen  Rollen  Avird  sie  nie  etwas 
leisten,  wohl  aber  in  ernsthaften,  erhabenen  Rollen,  wenn  sie  sich 
in  dieselben  hineindenken  lernt;  zudem  hat  sie  durch  ihre  Person, 
die  auf  der  Bühne  viel  verspricht,  vor  manchen  anderen  schon  vieles 
voraus.« 

Madame  Gensike  scheint  aber  die  an  ihrem  Spiel  gemachten 
Ausstellungen  nicht  übersehen  zu  haben,  vielmehr  ernstlich  bemüht 
gewesen  zu  sein,  ihre  Fehler  abzulegen.  Wenigstens  berichten  spätere 
Kritiken,  dass  sie  im  Verhältnis  zu  ihren  früheren  Leistungen  grosse 
Fortschritte  gemacht  und  sich  bestrebt  habe,  allen  wohlgemeinten 
Winken  pünktlich  Folge  zu  leisten.  Besonders  gelangen  ihr  solche 
Rollen,  in  welchen  Hoheit,  edler  Stolz  und  kühne  Entschlossenheit 
zum  Ausdruck  gebracht  werden  mussten. 

Für  die  nicht  aus  der  Seyler’schen  Gesellschaft  in  den  Verband 
der  Kurcölnischen  Gesellschaft  eingetretene  Madame  Josepha  Hell¬ 
muth  waren  die  Frauen  Huber  und  Brand  engagirt,  welche  freilich 
der  ersteren  in  ihren  Leistungen  nicht  im  entferntesten  gleich  kamen. 
Madame  Huber  hatte  eine  reine,  klangvolle,  aber  ungeschulte  Stimme, 
sie  sang  und  spielte  deshalb  die  Bauern-  und  Kammermädchen  in 
den  Operetten  und  Lustspielen  ganz  vortrefflich,  während  ihr  für  ein 
höheres  Genre  jedes  Talent  abging.  In  gewissem  Sinne  rivalisirte 
mit  ihrer  Kollegin  Huber  Madame  Brand,  welche  zur  naiven  Lieb¬ 
haberin  wie  geschaffen  war.  Sie  besass  eine  angenehme  Stimme, 
spielte  ebenfalls  junge  Bäuerinnen  und  Kammermädchen  und  wurde 
zuweilen  auch  in  dem  Trauerspiel  verwendet,  in  Avelchem  sie  aber 
die  ernsteste  Rolle  »so  heiter  und  aufgeräumt  durchführte,  dass  kein 
Mensch  an  die  Gewalt  eines  unerbittlichen  Schicksals  denken  konnte.« 
Franziska  in  »Minna  von  Barnhelm«  und  Laurette  in  »Wissenschaft 
geht  vor  Schönheit«,  [Lustspiel  von  Bock  nach  Goldoni]  sollen  ihre 
Glanzrollen  gewesen  sein. 

Mademoiselle  Josephi,  ein  kaum  sechzehnjähriges,  schönes  und 
sehr  begabtes  Mädchen ,  spielte  alle  ersten  Liebhaberinnen  in  der 
Operette,  aber,  wie  die  Kritik  wohl  mit  Recht  meinte,  etwas  sehr 
schülerhaft  und  gezwungen.  Es  fehlte  ihr  auch  damals  noch  jene 
Sicherheit  im  Auftreten,  welche  fünf  Jahre  später,  als  sich  ihr  Talent 
in  schönster  Weise  entfaltet  hatte,  von  den  strengsten  Recensenten 
rühmlichst  hervorgehoben  wurde. 

Noch  eine  angehende  Künstlerin  befand  sich  bei  der  Kur¬ 
cölnischen  Gesellschaft:  Demoiselle  Hartmann,  die  Schwester  des 


385 


früher  einmal  erwähnten  Wanderprincipals.  Sie  theilte  sich  mit  Friede¬ 
rike  Flittner,  der  Stieftochter  Grossmann’s,  in  ganz  jugendliche  oder 
Knabenrollen,  welche  aber  auch  dann  und  wann  schon  die  noch  im 
Kindesalter  stehende  älteste  Tochter  des  Direktors  Hellmuth  übernahm. 

Einen  Beweis  für  den  vollständig  freien  und  unabhängigen 
Standpunkt  des  Verfassers  der  Abhandlung  über  die  Kurcölnische 
oder  Grossmann-Hellmuth ’sche  Schauspieler-Gesellschaft  liefert  folgende 
Kritik,  welche  derselbe  über  die  Gattin  des  Direktors  Grossmann 
schrieb :  »Gemeiniglich  geben  die  Direkteurs  die  glänzendsten  Rollen 
ihren  Weibern,  ob  sie  diesen  gewachsen  sind  oder  nicht,  macht 
ihnen  weiter  keine  Sorge.  Grossmann  denkt  anders :  Er  weiss,  was 
seine  Frau  leisten  kann,  und  dass  sie  nicht  den  grössten  Beifall  er¬ 
hält.  Es  ist  schade,  dass  eine  solche  Frau,  die  durch  ihren  Wuchs 
und  Anstand  jeden  Zuschauer  zu  ihrem  Vortheil  einnehmen  könnte, 
durch  ihre  Stimme  so  getäuscht  wird.  Dies  weiss  sie  und  betritt 
aus  dieser  Ursache  die  Bühne  sehr  wenig.  Hier  trat  sie  nur  in 
Pygmalion  und  als  Wilhelmine  in  den  sechs  Schüsseln  auf.« 

Von  dem  männlichen  Personal  wären  besonders  in  der  Operette 
einige  neue  Mitglieder  zu  erwähnen.  Erstens  der  ausgezeichnete 
Tenorist  Brand,  welcher  die  ersten  Liebhaberrollen  spielte  und  be¬ 
sonders  als  »Alexis«  im  »Deserteur«  gefiel,  sodann  der  Bassist  Josephi, 
dessen  starke  metallische  Stimme  vom  tiefen  bis  zum  eingestriche¬ 
nen  f  reichte,  und  schliesslich  der  hauptsächlich  in  komischen  Rollen 
beliebte  Tenorist  Grose.  »Martin«  in  der  Operette  »Julie«,  »Bertram« 
im  »Deserteur«  und  »Pips«  in  »Trau,  Schau,  Wem  ?«  waren  seine 
Forcerollen. 

»Herr  Grose  würde  einer  der  besten  Schauspieler  im  Fach  der 
komischen  Alten  sein«,  berichtet  die  gedachte  Kritik,  »wenn  er  mehr 
Fleiss  anwendete,  seine  Rollen  zu  studiren,  wozu  ihm  der  Kopf 
nicht  fehlet.  Allein  da  er  dieses  unterlässt,  so  werden  seine  Be¬ 
dienten  zu  einfach,  sind  alle  über  einen  Schlag.  Hier  übertrifft  ihn 
Hellmuth  [Direktor]  sehr  weit;  denn  dieser  ist  immer  neu  in  seinem 
Spiel.  Im  Trauerspiel  sehen  wir  Herrn  Grose  gar  nicht  gern.« 

Das  Fach  des  Herrn  Opitz,  welcher  seit  1780  nicht  mehr  jugend¬ 
liche,  sondern  erste  Liebhaber  und  Helden,  auch  mitunter  für  den 
abgegangenen  Borchers  Charakterrollen  gab,  hatte  Herr  Steiger,  ein 
junger,  talentvoller  Mann  von  stattlicher  Aeusserlichkeit,  übernom¬ 
men.  Er  spielte  meistens  zu  rasch  und  feurig;  wenn  er  sich  aber 
einigermassen  beherrschte,  hatte  sein  Spiel  etwas  sehr  Sympathisches 
und  Fesselndes. 

An  Stelle  der  nicht  in  die  Kurcölnische  Gesellschaft  eingetre¬ 
tenen  ehemals  Sevler’schen  Schauspieler:  Möller,  Schietter,  Hensel, 
Dauer  und  Denner  waren  die  Herren  Diezel,  Fendler,  Ehrhard,  Huber 
und  Zink  getreten.  Die  ebenfalls  erst  neu  hinzugekommenen  Sänger 
und  Schauspieler  Santorini  und  Steinmann  scheinen  für  die  bald  nach 


386 


der  Gründung  der  Gesellschaft  mit  ihren  Frauen  ausgetretenen  Herren 
Pöschel  und  Kirchhöfer  engagirt  gewesen  zu  sein. 

Tanzende  Mitglieder  scheinen  Grossmann  und  Hellmuth  nicht 
in  dem  Verbände  ihrer  Truppe  gehabt  zu  haben,  wenigstens  wurden 
solche  in  Frankfurt  nicht  beschäftigt.  Hie  und  da  findet  man  wohl 
eine  Pantomime  zum  Schluss  einer  Vorstellung  angezeigt,  die  aber 
stets  von  Kindern  dargestellt  und  von  dem  Schauspieler  Huber,  welcher 
auch  die  Stelle  eines  Theatermeisters  inne  hatte,  im  Scene  gesetzt 
worden  ist.  Als  Nachspiel  gaben  die  Direktoren  meistens  ein  ein¬ 
aktiges  Stückchen  oder  eine  kleine  Operette,  deren  Bestimmung 
offenbar  gewesen  zu  sein  scheint,  die  Ballette  oder  pantomimischen 
Tänze  zu  ersetzen.  Hiernach  wäre  gerade  keine  haltlose  Ver- 
muthung,  was  in  Theateralmanachen  und  sonstigen  dramaturgischen 
Blättern  dann  und  wann  ausgesprochen  wurde :  Grossmann,  der  sonst 
mehr  ein  Mann  von  praktischen  als  idealen  Principien  war,  habe  das 
Ballet  als  eine  nur  den  Sinnenreiz  und  die  Schaulust  erregende, 
aber  den  guten  Geschmack  verderbende  Zuthat  wenigstens  in  den 
ersten  Jahren  seiner  Direktion  vom  Repertoire  ausgeschlossen.  Gross¬ 
mann  und  Hellmuth  leiteten  die  Regie  ganz  nach  denselben  Grund¬ 
sätzen  wie  ihr  früherer  Principal  Abel  Seyler.  Sie  berücksichtigten 
zwar  die  Vorliebe  der  Frankfurter  für  französische  Operetten  etwas 
mehr  als  der  Letztere,  aber  die  deutschen  Trauer-,  Schau-  und  Lustspiele 
hatten  deshalb  doch  in  ihrem  Repertoire  den  ersten  Platz  inne. 

Am  28.  März  1780  eröffnete  die  Kurcölnische  Hof-Schauspieler- 
gesellschaft  im  Komödiensaal  zum  Junghof  ihre  Vorstellungen  mit 
einem  allegorisch  -  musikalischen  Vorspiel  »Die  Ankunft«  und  dem 
nachfolgenden  Trauerspiel  »Julius  von  Tarent«  von  Leisewitz,  welches 
berühmte  Stück  zum  ersten  Mal  auf  die  Frankfurter  Schaubühne  kam. 
ln  den  schon  oft  erwähnten  Frankfurter  Beiträgen  zur  Ausbreitung- 
nützlicher  Künste  und  Wissenschaften  finden  sich  über  die  in  der 
Ostermesse  1780  stattgefundenen  Vorstellungen  fortlaufende  Kritiken, 
welche  uns  in  den  Stand  setzen,  wenigstens  von  dieser  Kunstthätig- 
keit  der  genannten  Gesellschaft  in  Beilage  Nummer  XXII  ein  voll¬ 
ständiges  Repertoire  mittheilen  zu  können. 

Leider  erlebten  die  Frankfurter  Beiträge,  das  erste  hiesige  Blatt, 
in  welchem  die  theatralischen  Vorstellungen  einer  kritischen  Be- 
urtheilung  unterzogen  wurden,  trotz  ihrer  Rücksichtnahme  auf  viele 
Frankfurter  Angelegenheiten  und  wissenschaftliche  und  künstlerische 
Leistungen,  das  Ende  des  Jahres  1780  nicht. 

Auch  eine  andere  Zeitschrift,  welche  am  26.  September  1780 
in  den  »Frag-  und  Anzeige-Nachrichten«  von  ihrem  Herausgeber 
Kämpfe  unter  dem  Titel  »Frankfurter  Dramaturgie«  angekündigt  wurde, 
kam  allem  Anschein  nach  nicht  über  die  ersten  Bogen  hinaus.  Frei¬ 
lich  war  der  Verfasser,  welcher  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatte, 
»jede  Vorstellung  der  Grossmann’schen  und  Hellmuth 'sehen  Schau- 


387 


spieler-Gesellschaft  nach  seinem  Gefühl  und  ohnpartheiisch  zu  be¬ 
rühren«,  an  diesem  baldigen  Scheitern  seines  Unternehmens  selbst 
schuld.  Man  wies  ihm  nämlich  nicht  allein  die  grössten  Unrichtig¬ 
keiten  im  Styl,  sondern  auch  grobe  Schreibfehler  und  sonstige  Irr- 
thümer  nach,  welche  gleich  zur  Genüge  darthaten,  dass  Kämpfe  nicht 
die  geringste  Befähigung  für  sein  Unternehmen  mitbrachte. 

Die  in  den  Frankfurter  Beiträgen  enthaltenen  Urtheile  über 
die  aufgeführten  Stücke  und  die  Leistungen  der  Schauspieler  zeichnen 
sich  vor  den  an  den  meisten  Stellen  schwülstigen  Briefen  Wagner’s 
über  die  Seyler’sche  Gesellschaft  durch  Bestimmtheit  und  Kürze 
höchst  vortheilhaft  aus.  Es  wird  in  den  einzelnen  Kritiken  weder 
in  übertriebener  Weise  gelobt,  noch  absprechend  oder  gar  gehässig 
getadelt.  Jede  Leistung  erhielt  eine  ruhige  objektive  Beurtheilung, 
welche  um  so  mehr  den  Eindruck  der  Wahrheit  macht,  als  sie  sich 
auf  bestimmte  dramaturgische  Principien  gründet  und  auch  nicht  die 
geringste  Beimischung  individueller  Vorliebe  oder  Abneigung  auf¬ 
zuweisen  hat.  —  Die  Kritiken  sind  T — n  unterzeichnet,  wurden  aber 
ohne  Zweifel  von  den  theaterkundigen  Herausgebern  der  Frankfurter 
Beiträge :  Philipp  Jakob  Rühl  und  Heinrich  Wilhelm  Seyfried  selbst 
verfasst. 

Als  eine  Probe  der  besprochenen  Recensionen  möge  hier  die 
Kritik  über  die  Eröffnungsvorstellung  der  Kurcölnischen  Gesellschaft 
folgen ,  welche  ohnehin  als  die  erste  in  einem  hiesigen  Blatt  er¬ 
schienene  Theaterbeurtheilung  für  die  Entwicklungsgeschichte  der 
dramatischen  Kunst  in  Frankfurt  von  ganz  besonderer  Bedeutung  ist. 

»Dienstags  den  28.  März  eröffnete  zum  ersten  Mal  die  C  h  u  r- 
Cölnische  Hof-Schauspieler-Gesellschaft  unter  der 
Direktion  der  Herren  Grossmann  und  Hellmuth  mit  Julius 
von  Tarent  die  hiesige  Schaubühne.  V or  diesem  Trauerspiel  wurde 
statt  des  Prologs  ein  artiges  allegorisches  Vorspiel  in  einem  Aufzug, 
die  Ankunft  betitelt,  mit  Arien  und  Chören  gegeben.  Die  Personen 
waren  Apoll,  Herr  Opitz;  Melpomene,  Madame  Fiala;  Thalia, 
Madame  Grossmann;  Euterpe  Madame  G e n s i k e ;  der  Schutzgeist 
Frankfurts  Mamselle  Courta;  Sänger  und  Sängerinnen.  Ohngeachtet 
die  Idee  nicht  ganz  neu  war,  so  nahm  sich  dieses  Vorspiel  besonders 
durch  die  Dekorationen  sehr  gut  aus.  Die  ganze  Schauspielergesell¬ 
schaft  erschien  auf  dem  Theater  und  empfahl  sich.  Herr  Brand 
und  Madame  Neefe  sangen  zum  Willkommen  eine  Arie.  Mamselle 
Flittner  und  Mamselle  Hellmuth,  die  erstere  von  12  und  die 
andere  von  7  Jahren,  sangen  ein  Duett,  für  ihr  Alter  allerliebst.  Die 
Musik  zu  den  Arien  hatte  Neefe,  völlig  dem  Gegenstand  angemessen, 
gesetzt.  Die  Chöre  fielen  fürtrefflich  in ’s  Gehör. 

Nach  diesem  Vorspiel  folgte  Julius  von  Tarent.  Herr 
Gross  mann  machte  den  Fürsten  recht  brav,  natürlich,  ohne  Zwang, 
und  nicht  überspannt.  Nur  war  hauptsächlich  in  dem  dritten  Auf- 

25* 


388 


zug  in  der  ersten  Scene,  sein  Affekt  zu  jugendlich,  und  er  selbst 
schien  viel  jünger  als  sein  Bruder. 

Herr  Opitz  machte  den  Julius.  Wären  mehrere  Kenner 
des  Theaters  dagewesen,  so  würde  weniger  gelacht  und  sein  Spiel 
mehr  bewundert  worden  sein.  Die  Scene  mit  der  Aebtissin  und  Blanka 
gerieth  ihm  ohnstreitig  am  besten.  Nur  war  anfänglich  sein  Feuer 
etwas  zu  stark,  und  der  Monolog  im  vierten  Aufzug  zu  ruhig. 

Herr  Steiger  den  Gr  u  i  d  o.  Gegen  das  Ende  spielte  er  seine 
Rolle  besser  als  im  Anfang,  wo  er  seine  Stimme  zu  stark  angriff. 

Herr  Hellmuth  den  Erzbischof  von  Tarent.  Wir  finden 
hier  gar  nichts  zu  erinnern,  ausser  was  wir  schon  oben  angeführt 
haben,  nämlich,  dass  er  älter  als  sein  Bruder  schien. 

Madame  G  e  n  s  i  k  e  die  Gräfin  C  ä  c  i  1  i  a.  Sie  dachte  sich  sehr 
gut  in  ihre  Rolle,  und  die  Stelle,  im  zweiten  Aufzug,  sechsten  Auf¬ 
tritt:  Ihr  Vater  hat  uns  für  einander  bestimmt,  gerieth 
ihr  ohnstreitig  am  besten. 

Madame  Fiala  die  Blanka.  Ganz  fürtrefflich,  immer  gleich, 
unschuldig  und  zärtlich.  Den  vierten  Auftritt  im  fünften  Aufzug 
machte  sie  meisterhaft.  Nur  war  Blanka  zu  schön,  sie  sollte  blässer 
sein,  die  abzehrende  Schwermuth  mehr  im  Gesicht  haben. 

Herr  D  i  e  ze  1  den  Graf  Aspermonte.  Mehr  gut  als  schlecht. 
Die  Freundschaft  drückte  er  etwas  zu  kalt  aus.  Die  Stelle  im  vierten 
Aufzug,  sechsten  Auftritt:  Behalte  deine  Flüche  für  dich, 
ich  will  mir  selber  schon  fluchen,  glückte  ihm  vorzüglich. 
Aergerlich  war  es,  als  Aspermonte  sich  auf  Julius  Leichnam  warf, 
und  zu  Guido  oberwähnte  Worte  sprach,  dass  das  Publikum  in 
ein  lautes  Lachen  ausbrach.  Dieser  Mangel  an  Fühlbarkeit  verdiente 
stärker  hervorgezogen  und  gerügt  zu  werden,  wenn  er  sich  nicht 
damit  entschuldigen  liesse,  dass  die  meisten  nicht  wussten,  warum 
sie  lachten. 

Madame  Neefe  die  Abtissin.  Diese  Rolle  spielte  sie  sehr 
gut ;  hauptsächlich  den  ersten  Auftritt  im  zweiten  Aufzug. 

Herr  Gr  ose  machte  den  alten  Bauer  mit  vieler  Natur  und 
Gefühl.«516 

Gegen  die  Zuschauer,  welche  bei  ernsten  Stellen  lachen  konn¬ 
ten,  geht  der  Kritiker  übrigens  noch  mehrmals  tadelnd  vor.  Auch 
verurtheilt  er  den  Geschmack  an  französischen  Operetten,  »den«,  wie 
es  in  der  Recension  über  die  am  30.  März  1780  aufgeführte  schöne 
Arsene  heisst,  »Marchand  leider !  unserm  Publikum  beibrachte,  Seyler 
mit  seinem  Schaden  zu  vertreiben  suchte,  und  Grossmann  befriedigen 
muss,  wenn  er  nicht  das  Schauspielhaus  leer  sehen  will«. 

An  die  Aufführung  von  Julius  von  Tarent  schliesst  sich  nun 
noch  eine  Verhandlung  an,  deren  Verlauf  in  drastischer  Weise  dar- 
thut,  wie  abhängig  das  Theater  damals  noch  von  den  individuellen 
Ansichten  einflussreicher  Persönlichkeiten  war  und  wie  viel  mehr  man 


38(J 


die  dramatische  Kunst  in  Hinsicht  auf  die  Darstellung  einzuengen 
beabsichtigte,  als  ihre  freiwaltenden  Schwestern,  die  Plastik  und  die 
Malerei.  Die  Vorstellung  von  Julius  von  Tarent  wurde  von  dem 
kaiserlichen  Gesandten  von  Roethlein  besucht,  welcher  aber,  weil  der 
in  dem  Stücke  auftretende  Bischof  und  die  übrigen  Geistlichen  in 
vollem  Kirchenornat  auf  der  Bühne  erschienen,  ein  solches  Aerger- 
niss  an  der  Aufführung  nahm,  dass  er  zuerst  dem  älteren  Bürger¬ 
meister  Fleischbein  von  Kleeberg  seine  Entrüstung  mündlich  aus¬ 
drückte  und  um  die  Einstellung  der  Komödie  im  Junghof  bat.  Als 
aber  der  Bürgermeister  den  Direktoren  nur  eine  schriftliche  Recht¬ 
fertigung  auferlegte  und  die  Bitten  Roethlein ’s  nicht  weiter  berück¬ 
sichtigte,  reichte  dieser  beim  Rath  eine  lange  Beschwerdeschrift  gegen 
Grossmann  und  Hellmuth  ein.  Roethlein  gab  in  derselben  zu  be¬ 
denken,  dass  »ein  Bischof  oder  Ertz-Bischof,  ein  in  Hirarchiä  Eccle- 
siasticä  respektabler  Prälat  nicht  ohne  öffentliche  ärgernus  in  einem 
Chor-Rock  oder  Stola  mit  einem  Glass  Wein  in  der  Hand  auf  der 
Schaubühne  vorgestellet  werden,  noch  weniger  in  seinem  Ceremo- 
niellen  Kirchen-Omat  als  mit  Staab,  Inful  und  Pluvial  auf  dem 
Theater  gleich  in  einem  Vauxhall  herum  spatzieren  und  damit  lächer¬ 
lich  gemacht  werden  könne.«  Und  ebensowenig,  meint  Roethlein, 
liesse  es  sich  mit  dem  Respekt  vor  dem  Heiligen  und  mit  den  Regeln 
der  Ehrbarkeit  vereinen,  »dass  man  Nonnen  in  ihrem  Ordenskleid  vor 
schändlicher  Liebe  rasend  auftreten  lasse  und  mit  Küssen,  ärger¬ 
lichen  Umarmungen  und  andere  dergleichen  schändliche  Frechheiten 
entehrt«  vorstelle.  Roethlein,  welcher  die  Aufführung  als  eine  Be¬ 
leidigung  der  katholischen  Kirche  auffasste,  berief  sich  sogar  auf  eine 
Klausel  des  westphälischen  Friedensschlusses,  wonach  keine  Konfes¬ 
sion  dulden  dürfe,  dass  einer  anderen  tolerirten  Religion  Unbill 
widerfahre  und  erinnerte  daran,  dass  man  höheren  Orts  nach  vor¬ 
genommener  Meldung  einen  solchen  Vorfall  sehr  übel  nehmen  und 
eine  schwache  Ahndung  desselben  als  eine  weitere  Beschimpfung 
des  katholischen  Glaubens  auffassen  werde.517 

Bevor  nun  von  dem  weiteren  Betreiben  der  Angelegenheit 
durch  Roethlein  die  Rede  ist,  soll  erst  angeführt  werden,  was  die 
Direktoren  der  Kurcölnischen  Gesellschaft  in  der  von  Grossmann 
verfassten  Rechtfertigungsschrift  zu  ihrer  Verteidigung  vorbrachten. 

Grossmann  berichtete  unter  anderem  Folgendes  über  die  Gründe 
zur  Aufführung  von  Julius  von  Tarent.  Er  habe  das  Trauerspiel 
nur  gegeben,  »weil  solches  an  sich  selbst  ein  vortreffliches  Stück  ist, 
das  Teutschland  und  dem  Verfasser  Ehre  macht.  Weil  unseres 
Wissens  und  Gewissens  nichts  Anstössiges  wider  Religion  und  Sitten, 
welche  uns  als  Christen  und  als  Menschen  heilig  sind,  darin  ent¬ 
halten  ist.  Weil  dieses  Stück  schon  seit  vier  Jahren  gedruckt  ist, 
öffentlich  verkauft  wird,  und,  so  viel  uns  bekannt,  an  keinem  Ort 
der  Welt  verboten  ist.  Weil  es  an  andern  Orten,  als  Hamburg, 


390 


Berlin,  Gotha  u.  s.  w.  ebenfalls  aufgeführet  wird.  Weil  Stücke  ähn¬ 
lichen  Inhalts  und  worinen  geistliche  Personen  Vorkommen,  als  der 
Galeerensclave,  der  Bischof  von  Lisieux,  die  Eroberung  von  Magde¬ 
burg,  der  Freigeist,  Elfriede,  Marianne  und  andere,  welche  in  Frank¬ 
reich  und  in  ganz  Teutschland  aufgeführet  worden.  Weil  wir  der 
Meinung  sind,  dass  ein  Bischof  so  gut  aufs  Theater  gebracht  werden 
könne,  als  Kaiser,  Könige  und  Fürsten,  und  alsdann  nur  Aergerniss 
gegeben  wird,  wenn  der  Geistliche  in  ein  schlechtes  Licht  gestellt 
ist.  Dieses  aber  ist  hier  nicht  der  Fall,  sondern  er  erscheint  als 
rechtschaffner  Geistlicher,  als  ehrlicher  Mann  und  als  liebevoller 
Bruder.  Weil  endlich  das  Theater  (oder  es  müsste  ein  uns  unbe¬ 
kanntes  Verbot  existiren)  jeden  Stand,  den  frömmsten  und  den  recht¬ 
schaffensten  Mann,  so  wie  den  abgefeimtesten  Spitzbuben  und  den 
grössten  Schurken  vorstellen  darf,  jenen  zum  Beispiel  und  zur  Nach¬ 
ahmung,  diesen  zum  Schrecken  und  zur  Warnung«  u.  s.  w.518 

Diese  Erklärung  Grossmann’s  wurde  dem  kaiserlichen  Gesandten 
von  Roethlein  in  Abschrift  zugeschickt,  welcher  aber  durchaus  nicht 
mit  der  darin  enthaltenen  Rechtfertigung  zufrieden  war  und  sie  sogar 
»ein  erbärmliches  Komödiantengewäsche«  nannte.  Als  auch  auf  seine 
ausführliche  Beschwerdeschrift  nur  den  Direktoren  mit  einer  Rüge 
die  fernere  Auffiihrug  des  Stückes  untersagt  wurde,  machte  Roeth¬ 
lein,  welcher  eine  bessere  Genugthuung  für  die  beleidigte  katholische 
Religion  erwartet  hatte,  in  Wien  von  dem  Vorfall  ausführliche  An¬ 
zeige.  Diese  für  den  Rath  höchst  unangenehme  Betreibung  der 
Sache  hatte  zur  Folge,  dass  die  Direktoren  Grossmann  und  Hellmuth 
nochmals  wegen  ihres  Vergehens  gegen  die  katholische  Religion  ver¬ 
warnt  und  bei  ihrer  Rückkehr  in  der  Herbstmesse  sehr  ernstlich 
ermahnt  wurden,  sich  der  Aufführung  anstössiger  und  unschicklicher 
Schauspiele  zu  enthalten.  —  So  kam  es,  dass  Julius  von  Tarent, 
jenes  vortreffliche  Trauerspiel,  welches  Lessing  sogar  bei  seinem  Er¬ 
scheinen  für  ein  Werk  Goethe’s  gehalten  hatte,  seit  jener  ersten  Auf¬ 
führung  bis  zum  Jahre  1786  nicht  mehr  auf  der  Frankfurter  Bühne 
zur  Darstellung  gelangte.  Als  das  Stück  in  diesem  Jahre  wieder 
gegeben  werden  sollte,  forderte  der  kaiserliche  Gesandte  von  Roeth¬ 
lein  entweder  dessen  Verbot  oder  dessen  Reinigung  von  den  nach 
seiner  Ansicht  die  katholische  Religion  verletzenden  Stellen.  Aus 
Rücksicht  für  den  Kaiser  musste  dem  letzteren  Verlangen  entsprochen 
werden. 

Dass  aber  der  Rath  schon  im  Jahre  1780  die  Ansichten  Roeth- 
lein’s  über  Julius  von  Tarent  keineswegs  getheilt  und  den  verklagten 
Direktoren  trotz  den  der  Aufführuug  nachfolgenden  Unanehmlich- 
keiten  seine  volle  Gunst  erhalten  hatte,  beweist  die  gleichzeitig  mit 
der  ersten  Rüge  für  die  Herbstmesse  1780  ertheilte  Erlaubniss.519 
Auch  unter  den  vielen  Direktoren,  welche  sich  um  die  Zulas¬ 
sung  für  die  Ostermesse  1781  bewarben,  erhielten  Grossmann  und 


391 


Hellmuth  aufs  Neue  den  Vorzug.  Wie  in  den  beiden  vorigen  Messen 
spielten  sie  auch  jetzt  wieder  im  Komödiensaal  zum  Junghof  und 
zwar  nach  einer  Mittheilung  des  »Frankfurter  Staats-Ristretto«  unter 
solchem  Beifall,  dass  man  es  deutlich  merkte,  das  hiesige  Publikum 
war  mittlerweile  doch  von  dem  leichten  Getändel  abgeleitet  und  dem 
guten  Geschmack  an  den  Werken  der  deutschen  Dichter  und  musi¬ 
kalischen  Meister  mehr  und  mehr  zugeführt  worden. 

Da  von  der  Wirksamkeit  der  Kurcölnischen  Gesellschaft  nur 
der  einzige  in  Beilage  XXII  veröffentlichte  Theaterzettel  aufzufinden 
war  und  die  Frankfurter  Beiträge,  wie  schon  früher  erwähnt,  im  Jahre 
1781  nicht  fortgetetzt  wurden,  so  können  nur  einige  Vorstellungen 
im  Anschluss  an  das  vollständige  Repertoire  aus  der  Ostermesse  1780 
und  zwar  ebenfalls  in  Beilage  Nr.  XXI  namhaft  gemacht  werden,  welche 
zum  Besten  der  milden  Stiftungen  gegeben  oder  in  den  hiesigen 
Blättern  theils  angezeigt,  theils  besprochen  worden  sind.  Dass  die 
beiden  Direktoren  Grossmann  und  Hellmuth  jedoch  ihren  bereits 
früher  geschilderten  Kunststandpunkt  nicht  verlassen  und  um  des 
Erwerbes  willen  die  deutsche  Dicht-  und  Tonkunst  keineswegs  stief¬ 
mütterlich  behandelt  haben,  dürfte  aus  der  oben  erwähnten  Mitthei¬ 
lung  des  »Frankfurter  Staats-Ristretto«  und  noch  aus  manchen  andern 
ebenfalls  in  hiesigen  Zeitungen  enthaltenen  Bemerkungen  über  das 
Wirken  der  Kurcölnischen  Gesellschaft  hinreichend  hervorgehen.  So 
findet  sich  z.  B.  unterm  31.  August  1780  in  dem  Staats-Ristretto 
eine  kurze  Kritik,  welche  ihren  Leistungen  in  der  Herbstmesse  des¬ 
selben  Jahres  die  grösste  Anerkennung  zu  Theil  werden  lässt. 

Was  den  Direktoren  Grossmann  und  Hellmuth  ebenfalls  hoch 
angerechnet  werden  muss,  ist  die  Rücksicht,  welche  sie  auf  die 
Charakteristik  der  scenischen  Bezeichnung  und  auf  die  Ueberein- 
stimmung  der  Dekorationen  mit  den  Requisiten  nahmen.  Grobe 
Verstösse,  wie  sie  auch  auf  der  Frankfurter  Bühne  noch  kaum 
ein  Decennium  früher  an  der  Tagesordnung  waren,  indem  man  ge¬ 
malte  Eichen  und  Tannen  noch  für  Palmen-  oder  Orangebäume 
und  eine  mit  groben  Pinselstrichen  hergestellte  deutsche  Burgruine 
für  das  römische  Capitol  ausgab,  kamen  bei  Grossmann  und  Hell¬ 
muth  und  auch  bei  ihrem  hiesigen  Vorgänger  Seyler  nicht  mehr  vor. 

Weniger  Günstiges  lässt  sich  über  die  Kostüme  der  Kurcölni¬ 
schen  Gesellschaft  sagen,  in  welchen  das  Princip  des  Charaktjastischen 
noch  nicht  gewahrt  und  eine  Vermischung  der  antiken  und  mittelalter¬ 
lichen  Tracht  mit  der  modernen  Kleidung  noch  nicht  ausgeschlossen  war. 
So  erschien  Julie  in  »Romeo  und  Julie«  von  Weisse  nach  einer  Kritik  in 
den  Frankfurter  Beiträgen  anstatt  in  leichtem  passendem  Morgengewande 
in  vollem  Staat  und  Frau  von  Capeilet  anstatt  in  einem  ihrem  Alter  und 
der  Zeit  des  Stückes  angemessenen  Trauerkleide  ebenfalls  in  modernem 
prächtigem  Aufputz.  Romeo,  Capeilet,  Benvoglio  traten  in  spanischer 
Tracht  auf,  der  erstere  sogar  mit  wallenden  Federn  auf  dem  Hut, 


392 


während  es  nach  der  Ansicht  des  Kritikers  doch  viel  richtiger  ge¬ 
wesen  wäre,  wenn  er,  wie  früher  auf  dem  Gothaischen  Theater  unter 
Eckhofs  Leitung  und  wie  kürzlich  auf  der  Mannheimer  Bühne  reise- 
mässig  und  mit  einem  runden  Hut,  Oberrock  und  Hirschfänger 
darüber  dargestellt  worden  wäre.  Auch  wollte  es  dem  Kritiker  nicht 
in  den  Sinn,  dass  Romeo  gar  zu  sauber  nach  einer  anstrengenden 
Fussreise  zu  Julie  in  die  Gruft  trat,  es  erschien  ihm  natürlicher, 
dass  sein  Anzug,  wie  in  Gotha  und  Mannheim,  etwas  weniger  glatt, 
dass  seine  Stiefel  mit  Schmutz  bespritzt  seien.520 

Derartige  feine  Winke,  die  auch  noch  in  unserer  Zeit  der  Be¬ 
herzigung  werth  sind,  scheinen  von  Grossmann  und  Hellmuth  weniger 
berücksichtigt  worden  zu  sein.  Aber  man  wird  ihnen  dies  Vergehen 
gegen  die  Kostümtreue  nicht  so  hoch  anrechnen,  wenn  man  bedenkt, 
dass  überhaupt  erst  am  Ende  des  achtzehnten  Jahrhunderts,  seit 
Talma’s  Kostümreformen  in  Paris ,  auch  auf  den  deutschen  Theatern 
die  treue  Herstellung  der  verschiedenen  Trachten  in  Schnitt  und 
Stoff  allgemein  Sitte  wurde. 

Um  auf  der  engen  Bühne  im  Komödiensaal  zum  Junghof 
leichter  grössere  und  kleinere  Räume  darstellen  zu  können,  war  auch 
noch  zu  jener  Zeit  die  aufrollbare  Mittelwand  gebräuchlich.  Die 
besonders  im  letzten  Decennium  gemachten  Fortschritte  in  der  Bühnen¬ 
einrichtung,  welche  in  den  Opern-  und  Schauspielhäusern  so  viel 
zur  Vervollkommnung  der  Darstellung  beitrugen,  konnten  in  dem 
beschränkten  Lokal  zum  Junghof  noch  keine  Anwendung  finden. 
Auch  in  dieser  Hinsicht  war  also  die  Gründung  einer  behaglichen 
Wohnstätte  für  die  dramatische  Kunst  in  Frankfurt  immer  mehr  zur 
unerlässlichen  Lebensbedingung  geworden. 

Wie  der  in  Beilage  No.  XXII  mitgetheilte  Theaterzettel  dar- 
thut,  waren  die  Preise  für  die  Plätze  und  die  Anfangszeit  des  Theaters 
sich  in  den  letzten  zehn  Jahren,  wenigstens  bei  den  besseren  der 
hier  aufgetretenen  Gesellschaften,  vollständig  gleich  geblieben.  Das 
gleiche  war  mit  dem  sogenannten  Standgeld  der  Fall,  welches  noch 
immer  200  fl.  für  die  Messzeit,  20  fl.  für  eine  Spielwoche  vor  der¬ 
selben  und  15  fl.  für  jede  solche  nachher  betrug. 

Viel  weniger  Künstler  als  Grossmann  und  Hellmuth  war  der 
Direktor  Johannes  Böhm,  welcher  sich  seit  der  Ostermesse  1779 
mehrmals  vergeblich  um  die  Zulassung  beworben  und  endlich  auf 
besondere  Fürbitte  des  Kaiserlichen  Gesandten,  Grafen  von  Metternich, 
vom  Rath  die  Erlaubniss  erhalten  hatte,  ebenfalls  in  der  Herbstmesse 
1780  seine  Schaubühne  hier  eröffnen  zu  dürfen. 521  Böhm,  welcher 
sich  den  Deobald’schen  Saal  auf  der  grossen  Bockenheimergasse 
[spätere  Harmonie]  als  Lokal  erwählte,  scheint  aber  erst  in  der  letzten 
Messwoche  mit  seinen  Vorstellungen  begonnen  zu  haben,  wenigstens 
liess  sich  keine  frühere  Ankündigung  eines  Stückes  als  vom  18. 
September  1780  von  ihm  auffinden.  Er  ist  der  erste  hier  auftretende 


393 


Schauspieldirektor,  welcher  in  einer  hiesigen  bedeutenden  Zeitung, 
in  dem  »Frankfurter  Staats-Ristretto«,  regelmässige  Anzeige  von  seinen 
Vorstellungen  machte,  weshalb  es  möglich  ist,  in  Beilage  No.  XXIII 
ein  vollständiges  Repertoire  von  seiner  hiesigen  Thätigkeit  im  Sep¬ 
tember,  Oktober  und  November  1780  als  Beleg  für  seine  künst¬ 
lerische  Wirksamkeit  geben  zu  können.  Theaterzettel  von  Böhm 
waren  nicht  ausfindig  zu  machen,  was  aber  nach  Vorstehendem  nicht 
in  Betracht  kommen  dürfte. 

Die  Hauptkraft  des  Direktors  Johann  Heinrich  Böhm  bestand 
in  der  Aufführung  von  Sing-  und  Lustspielen  mit  nachfolgenden 
Balletten.  Die  Pflege  der  ernsteren  Stücke  lag  ihm  in  Frank¬ 
furt  weit  weniger  am  Herzen ;  einestheils  weil  sie  nicht  so  viel 
Zuschauer  wie  die  Operette  verschaffte,  anderntheils  aber  auch,  weil 
seine  47  Personen  zählende  Truppe  für  die  letztere  mehr  geeignete 
Kräfte  aufzuweisen  hatte.  Hier  sollen  nur  die  hervorragendsten  Mit¬ 
glieder  derselben  erwähnt  werden.  Die  erste  Sängerin,  welche  die 
Partieen  der  Luise  im  »Deserteur«  und  die  der  Zemire  in  »Zemire 
und  Azor«  gab,  war  Mamsell  Jonasson,  deren  Organ  weniger  Um¬ 
fang  als  einen  sympatischen  Klang  besass.  Als  zweite  Liebhaberin 
und  erste  Soubrette  ist  Madame  Müller  zu  nennen ,  welche  Rollen 
wie  Suschen  im  »Dorf barbier«,  Lottchen  in  »Lottchen  am  Hofe«  und 
Lieschen  in  »Hänschen  und  Lieschen«  ganz  vortrefflich  durchgeführt 
haben  soll.  Im  Singspiel  und  in  der  Oper  wirkten  noch  Madame 
Diestel  und  Madame  Engst  mit,  deren  Partieen  jedoch  wegen  der 
mangelnden  Theaterzettel  nicht  genauer  bestimmt  werden  können. 
Einer  Kritik  im  »Frankfurter  Staats-Ristretto«  zufolge  muss  die  Letz¬ 
tere  ältere  Rollen  im  Singspiel,  z.  B.  Mütter,  Bäuerinnen  und  Hand¬ 
werkerfrauen,  mit  eigenartigem  komischem  Talent  gegeben  haben. 
Als  erster  Liebhaber  in  der  Operette  und  Oper  glänzte  Herr  Grün¬ 
berg,  der  eiue  ebenso  vortreffliche  Tenorstimme  als  schöne  Aeusser- 
lichkeit  besass.  Der  erste  Bassbuffo  war  Herr  Stierle ;  ein  anderer 
Sänger,  Herr  Brandt,  scheint  ebenfalls  in  diesem  Fach  thätig  gewesen 
zu  sein. 

Im  Lustspiel  that  sich  besonders  die  Tochter  des  Direktors, 
Demoiselle  Nanette  Böhm,  in  naiven  und  zärtlichen  Rollen,  und 
dessen  Gattin,  Madame  Böhm,  in  jungen  Wittwen-  und  Mütterrollen 
hervor.  Eine  Madame  Gallo  hatte  das  Fach  der  sentimentalen  Lieb¬ 
haberinnen  und  eine  Madame  Christel  spielte  mit  mehr  Glück  zweite 
Liebhaberinnen  und  Anstandsdamen  als  es  Madame  Gensike  unter 
der  Direktion  von  Grossmann  that. 

Der  erste  Held  und  Liebhaber  der  Böhm’schen  Gesellschaft 
war  Karl  v.  Trottberg,  genannt  Bielau,  welcher  aus  dem  Grunde 
für  die  Geschichte  des  Frankfurter  Theaters  eine  besondere  Bedeu¬ 
tung  hat,  weil  er  später,  am  19.  November  1782,  in  der  ersten 
Aufführung  von  Schiller’s  Räubern  im  neu  erbauten  Komödienhause 


394 


den  Karl  Moor  mit  hinreissendem  Feuer  und  erschütternder  Wahrheit 
dargestellt  hat.  Charakter-  und  Chevaliersrollen  spielte  Herr  Gallo ; 
die  Herren  Müller  und  Schmitt  waren  im  Lustspiel  und  in  der 
Operette  als  zweite  Liebhaber  thatig  und  ein  Herr  Rothe  gab  nach 
dem  Ausspruch  eines  Kritikers  Heldenväter  und  ältere  Charakter¬ 
rollen  »bei  weitem  fürtrefflicher  als  mancher  weit  und  breit  be¬ 
rühmte  Akteur  es  jemals  zu  thun  vermochte.«  Das  Ballet  stand  im 
Jahre  1780  unter  Leitung  eines  Herrn  Vogt;  später  scheint  der 
Italiener  Amor  an  dessen  Stelle  getreten  zu  sein.  —  Es  wäre  jetzt 
nur  noch  eine  Demoiselle  Ninette  namhaft  zu  machen,  welche  jeden¬ 
falls  die  erste  Tänzerin  der  Gesellschaft  und  ohne  Zweifel  dasjenige 
Mitglied  derselben  war,  welches  nach  Böhm’s  eigenen  Worten  »nicht 
allein  denen  Liebhabern  der  Tanzkunst,  sondern  auch  denen  Lieb¬ 
habern  schöner  Gestaltungen  nach  jeder  Form  genug  zu  thun  ver¬ 
mochte.« 

Die  Gesellschaft  gefiel  schon  bei  ihrem  ersten  Auftreten  derartig 
in  Frankfurt,  dass  sie  bis  Ende  November  1780  spielen  durfte  und 
gerne  bis  zum  Jahresschluss  Vorstellungen  gegeben  hätte,  wenn  ihrem 
Direktor  auf  sein  deshalb  eingereichtes  Gesuch  ein  günstiger  Bescheid 
zu  Theil  geworden  wäre.  Auch  in  der  Herbstmesse  1781  und  in  der 
Ostermesse  des  folgenden  Jahres  wusste  er  sich  besonders  durch  die 
Fürsprache  des  einflussreichen  Grafen  von  Metternich  noch  eine 
mehrwöchentliche  Verlängerung  der  ihm  anfangs  bewilligten  Spielzeit 
zu  verschaffen.  Da  die  Kurcölnische  Gesellschaft  in  der  Herbstmesse 
1781  und  in  der  folgenden  Ostermesse  nicht  in  Frankfurt  spielte, 
gab  Böhm  seine  Vorstellungen  im  Komödiensaal  zum  Junghof,  dessen 
Plätze  für  den  ausserordentlichen  Zuspruch,  welcher  denselben  auch 
jetzt  wieder  vom  Frankfurter  Publikum  zu  Theil  wurde,  meistens 
nicht  ausreichten. 

Viel  besser  als  Grossmann  und  Hellmuth  es  verstanden  hatten, 
wusste  aber  auch  Böhm  das  öffentliche  Interesse  auf  die  Leistungen 
seiner  Gesellschaft  hinzulenken.  Er  zeigte  nicht  allein  seine  Vor¬ 
stellungen  in  einer  hiesigen  Zeitung  an ,  sondern  veranlasste  auch 
dann  und  wann  rühmende  Kritiken  über  dieselben  und  wagte  es 
sogar,  in  Zusätzen  zu  den  Ankündigungen  der  Vorstellungen  seine 
Dekorationen  und  Arrangements  als  etwas  ganz  Unübertreffliches 
hinzustellen.  In  dem  »Frankfurter  Staats-Ristretto«  vom  2.  November 
1781  findet  sich  eine  jedenfalls  von  Böhm  selbst  ausgegangene  Kritik, 
welche  seine  Ballette  über  alles  bisher  in  Frankfurt  Gesehene  erhebt, 
und  die  Behauptung  aufstellt,  Frankfurt  habe  nie  ein  unterhalten¬ 
deres  Schauspiel  als  das  seine  gehabt.  Schliesslich  wird  noch  sein 
Fleiss  und  die  grosse  Sorgfalt  hervorgehoben,  mit  welcher  er  sich 
bestrebe,  den  Geschmack  des  Frankfurter  Publikums  in  jeder  Weise 
zu  befriedigen. 

Johannes  Böhm  mag  nicht  ohne  Verdienst  gewesen  sein,  aber  er  war 


305 


ohne  Zweifel,  was  man  nach  heutigem  Sprachgebrauch  einen  Reklamen¬ 
helden  nennt.  Auch  sein  Auftreten  dem  Rathe  Frankfurts  gegenüber’ 
gibt  von  seiner  ersten  bis  zur  seiner  letzten  Bittschrift  zu  einer 
solchen  Bezeichnung  die  grösste  Berechtigung.  Bald  erwähnt  er  seine 
über  20,000  fl.  kostende  Garderobe,  bald  erinnert  er  daran,  dass  er 
sogar  wegen  seiner  »fürtrefflichen  Leistungen«  nach  einer  sieben¬ 
jährigen  Thätigkeit  in  Brünn  zu  Seiner  Kaiserlichen  Majestät  nach 
Wien  berufen  worden  sei,  bald  macht  er  auf  Zeugnisse  des  Freiherrn 
von  Kienmayer  in  Wien  und  des  Bürgermeisters  Metzger  in  Salz¬ 
burg  aufmerksam,  welche  allerdings  sowohl  seiner  künstlerischen 
Thätigkeit  als  moralischen  Führung  das  grösste  Lob  hatten  zu  Theil 
werden  lassen.522 

Böhm,  der  viel  Unternehmungsgeist  besessen  zu  haben  scheint, 
erklärte  später  auch ,  das  neu  erbaute  Komödien  haus  gegen  eine 
jährliche  Abgabe  von  3000  fl.  pachten  zu  wollen,  wenn  die  Stadt 
die  Maschinen  und  Dekorationen  selbst  stelle.  Für  den  Fall ,  dass 
ihm  alle  Anschaffungen  überlassen  würden,  wollte  er  6000  fl.  für 
dieselben  anwenden ,  zehn  Jahre  lang  2400  fl.  Abgabe  leisten  und 
nach  dieser  kontraktlich  festzusetzenden  Pachtzeit  die  Dekorationen 
und  Maschinen  der  Stadt  als  Eigenthum  überlassen.  Böhm  war 
schon  beinahe  der  Annahme  seines  Antrags  sicher,  als  ihm  schliesslich 
doch  die  noch  mehr  Garantie  bietende  Offerte  des  hiesigen  Bürgers 
und  Waldeckischen  Hofraths  Tabor  vorgezogen  wurde. 

Ton  Januar  bis  auf  Fastnacht  1781  wurde  einem  gewissen 
Direktor  Fischer,  welcher  sich  vergeblich  um  Zulassung  für  die  Herbst¬ 
messe  des  vorigen  Jahres  und  die  kommende  Ostermesse  beworben 
hatte,  die  Erlaubniss  zum  Spielen  zu  Theil.  Fischer  hatte  zwar  eine 
kleine  gute  Gesellschaft,  aber  die  Aufführung  seiner  Operetten  und 
sonstigen  Stücke  streifte  doch  nicht  im  entferntesten  an  die  von  den 
Direktoren  der  Kurcölnischen  Gesellschaft  und  von  Böhm  veran¬ 
stalteten  Vorstellungen;  weshalb  er  auch  für  die  Geschichte  des 
Frankfurter  Theaters  ohne  besondere  Bedeutung  geblieben  ist. 

Im  Spätjahre  1781  wurden  alle  Gesuche  wegen  der  Spiel- 
erlaubniss  für  die  beiden  folgenden  Messen  entweder  abschlägig  oder 
unbestimmt  beschieden,  weil  der  Rath  für  die  Zeit  der  Fertigstellung 
des  Schauspielhauses  vorerst  sich  durch  keine  Zusage  binden  wollte. 
Als  man  allmählich  einsah,  dass  der  Theaterbau  im  Frühjahr  1782 
noch  immer  nicht  vollendet  sein  werde,  wurde  Böhm,  wie  schon 
früher  erwähnt  worden  ist,  für  die  Ostermesse  angenommen,  die  Kur- 
cölnische  Gesellschaft  aber  unter  vielen  namhaften  Mitbewerbern  zur 
Eröffnung  der  neuen  ständigen  Frankfurter  Bühne  in  der  Herbst¬ 
messe  1782  ausgewählt.  523 

Nach  langen  Verhandlungen  zwischen  dem  Rath  und  den 
bürgerlichen  Kollegien  konnte  endlich,  am  20.  Juli  1782,  der  bereits 
oben  erwähnte  Pachtvertrag  mit  Hofrath  Tabor,  welcher  auch  schon 


396 


ein  Jahr  früher  mehrmals,  aber  vergeblich  den  Vorschlag  gemacht 
hatte,  für  Frankfurt  eine  eigene  Schauspielergesellschaft  zu  gründen,524 
unter  folgenden  wesentlichen  Bedingungen  abgeschlossen  werden. 

Gegen  eine  jährliche  von  Messe  zu  Messe  zur  Hälfte  voraus 
zu  bezahlende  Summe  von  3000  fl.  pachtete  Tabor  das  neue  Komö¬ 
dienhaus  auf  10  Jahre  und  zwar  vom  1.  September  1782  bis  zum 
1.  September  1792.  Bei  der  Unterzeichnung  des  Vertrags  musste  der 
Pächter  1000  fl.  Beitrag  zu  den  Dekorationen  entrichten  und  sich 
ausserdem  zur  Erfüllung  folgender  wichtiger  Punkte  verpflichten. 
Mit  Ausnahme  der  Sonn-  und  Feiertage,  der  Advent-  und  Fastenzeit 
durfte  Tabor  zwar  das  neue  Komödienhaus  das  ganze  Jahr  über  zu 
theatralischen  Vorstellungen  benutzen,  aber  ohne  obrigkeitliche  Er¬ 
laubnis  keine  Bälle,  Koncerte  oder  »Gastereien«  in  demselben  ab¬ 
halten  lassen.  Dann  musste  er  in  jeder  ersten  Messwoche  eine  Vor¬ 
stellung  zum  Besten  der  milden  Stiftungen  geben  und  sich  hinsichtlich 
des  darzustellenden  Stückes  und  des  Tages  der  Aufführung  nach  den 
Bestimmungen  der  betreffenden  Stiftsdeputirten  richten. 

Frankfurter  Staatsunterthanen,  Handlungsdiener,  Gesellen,  Sol¬ 
daten  und  fremde  Minderjährige  durfte  Tabor  nicht  als  Schauspieler 
annehmen,  ferner  musste  er  das  Publikum  wegen  Kreditgebens  an 
die  Mitglieder  der  von  ihm  engagirten  Truppe  durch  eine  auf  den 
Theaterzetteln  ständig  angebrachte  Bemerkung  warnen.  Nach  Ablauf 
der  zehnjährigen  Pachtzeit  hatte  er  sowohl  das  Haus  als  auch  die 
Maschinen  und  Dekorationen  in  gutem  Zustand  an  die  Stadt  zurück 
zu  geben. 

Dagegen  verpflichtete  sich  der  Rath  zur  ausschliesslichen  Kon- 
cessionsertheilung  an  die  von  Tabor  angenommenen  Gesellschaften 
und  zur  vollständigen  Herstellung  des  Komödienhauses  im  Innern 
und  im  Aeussern  bis  zum  September  1782. 

Wegen  mannigfaltiger  Hindernisse  konnte  freilich  die  letztere 
Verbindlichkeit  trotz  des  grössten  Fleisses  der  an  dem  Bau  selbst 
und  an  den  inneren  Einrichtungen  und  Dekorationen  beschäftigten 
Arbeiter  nicht  ganz  erfüllt  werden,  aber  man  kam  bis  zu  dem  fest¬ 
gesetzten  Termin  doch  wenigstens  so  weit,  dass  die  Eröffnung  des 
Komödienhauses  nicht  mehr  verschoben  zu  werden  brauchte. 

Die  Skizze  zum  ersten  Vorhang  der  neuen  Bühne,  welche  von 
Johann  Georg  Schütz  entworfen  und  in  Gemeinschaft  mit  seinem 
Vater  Christian  Georg  Schütz  ausgeführt  wurde,  ist  diesem  Buche 
nach  der  Originalzeichnung  in  Lichtdruck  beigegeben.  Der  Vorhang  war 
danach  in  demselben  Styl  gehalten  wie  die  damals  beliebten  allegori¬ 
schen  Vorspiele  und  soll  einem  Ausspruch  Hüsgen’s  in  seinem  Buch 
»Artistisches  Magazin«  zufolge,  ganz  meisterhaft  gemalt  gewesen  sein. 

Unter  den  vom  Architekten  Hofrath  Quaglio  in  Mannheim  ge¬ 
lieferten,  für  die  damalige  Zeit  höchst  prächtigen  Dekorationen  befand 
sich  auch  ein  altertümlicher  Saal,  ein  schönes  Burgzimmer,  ein 


397 


schauervolles  Gefängniss  und  eine  Waldpartie,  vortrefflich  gelungene 
Stücke,  die  von  dem  Direktor  Grossmann  wo  möglich  in  der 
Eröffnungsvorstellung  gezeigt  werden  sollten.  Jedenfalls  in  Rück¬ 
sicht  auf  diesen  Wunsch  wählte  derselbe  das  dreiaktige  Schauspiel 
»Hanno,  Fürst  im  Norden«  von  Bock,  in  welchem  die  angegebenen 
Dekorationen  Verwendung  finden  konnten  und  zugleich  den  besten 
Mitgliedern  seiner  Gesellschaft  Gelegenheit  geboten  wurde,  in  höchst 
wirksamen  und  wie  für  sie  geschaffenen  Rollen  ihr  Talent  von  der 
vortheilhaftesten  Seite  zu  zeigen. 

»Hanno,  Fürst  im  Norden«,  ist  eines  der  besseren  dramatischen 
Werke  von  Johann  Christian  Bock,  welcher  zuerst  Theaterdichter  bei 
der  Ackermann 'sehen  Gesellschaft  in  Hamburg  und  dann  in  gleicher 
Eigenschaft  bei  der  Bondiui’schen  in  Dresden  thatig  war.  Bock  hat 
sich  hauptsächlich  als  Uebersetzer  ausländischer  Werke  und  als  Be¬ 
arbeiter  solcher  tragischer  und  heiterer  Stoffe  hervorgethan,  in  welchen 
weniger  der  Aufbau  einer  aus  wichtigen  Motiven  hervorgehenden 
grossartigen  Handlung  als  die  packende  Zeichnung  bühnenwirksamer 
Charaktere  die  Hauptsache  bildet. 

Auch  das  Eröffnungsstück  des  Frankfurter  Schauspielhauses  be¬ 
sitzt  diese  Eigenschaften;  es  gehört  zu  jener  reichhaltigen  Gattung 
von  Ritter-  und  Heldenstücken,  welche  von  einer  grossen  Anzahl 
deutscher  Bühnenschriftsteller  bald  nach  dem  Erscheinen  von  Goethe’s 
»Götz  von  Berlichingen«  verfasst  worden  sind.  Die  Fabel  des  Dramas 
spielt  in  einer  Zeit,  in  welcher  die  beleidigten  Götter  noch  durch 
den  Opfertod  einer  reinen  Jungfrau  versöhnt  wurden  und  die  Unter- 
thanen  sich  blindlings  dem  Machtspruch  der  Gebieter  fügen  mussten. 
Hanno  kann  nicht  als  der  eigentliche  Held  des  Schauspieles  bezeichnet 
werden,  sein  ältester  tapferer  Sohn  Esthwold  und  dessen  heimliche 
Gattin  Rosswina  nehmen  durch  das  über  ihnen  schwebende  Ver¬ 
hängnis  die  grösste  Theilnahme  für  sich  in  Anspruch.  Rosswina 
hat  das  Loos  getroffen,  als  Sühnopfer  zu  fallen;  hieraus  entstehen 
alle  Konflikte,  welche  noch  dadurch  eine  Verschärfung  erfahren,  dass 
ihr  heftiger  Vater  Hiaskal  sich  gegen  Hanno ’s  grausamen  Befehl 
empört  und  dass  der  kaum  aus  dem  Kriege  heimgekehrte  Esthwold 
mit  der  reichen  Prinzessin  Ornithe  vermählt  werden  soll.  Schliess¬ 
lich  erhalten  alle  Verwicklungen  durch  zwei  bisher  verborgene  Doku¬ 
mente,  auf  denen  Rosswina  als  Tochter  Hanno’s  und  Esthwold  als 
ein  Sohn  Hiaskal’s  bezeichnet  wird,  einen  befriedigenden  Abschluss. 
Die  dem  Erben  des  Thron’s  bestimmte  Ornithe  reicht  nunmehr  dem 
einzigen  Sohne  Hanno’s,  dem  von  ihr  geliebten  Selgar,  die  Hand,  und 
der  tapfere  Kriegsheld  Esthwold  tritt  mit  Freuden  alle  seine  seit¬ 
herigen  Rechte  an  den  wirklichen  Erben  des  Reiches  ab. 

Das  Schauspiel  hat  besonders  im  zweiten  Akt  höchst  wirksame 
Scenen,  aber  auch  manchen  harten  Verstoss  gegen  die  Wahrschein¬ 
lichkeit  aufzuweisen.  Der  Dialog  ist  in  vielen  Scenen  zu  breit,  zu 


398 


sehr  mit  Reflexionen  und  Schilderungen  gesättigt,  wenn  man  ihm 
an  anderen  Stellen  auch  dramatischen  Fluss  und  —  die  damals  ge¬ 
bräuchlichen  Kraftausdrücke  selbstverständlich  ausgenommen  —  einen 
gewissen  poetischen  Schwung  nicht  absprechen  kann.  Für  unsere 
Zeit  ist  das  Schauspiel  schon  deshalb  veraltet,  weil  in  ihm  auf  histori¬ 
sche  Treue  nicht  die  geringste  Rücksicht  genommen  und  die  senti¬ 
mentale  Gefühlsschwelgerei  der  Werth er-Periode  mit  den  grausamen 
Sitten  und  Anschauungen  der  heidnischen  Yorzeit  zu  einem  wunder¬ 
lichen  Ganzen  zusammengeschmolzen  sind. 

Am  Ende  der  siebziger  und  am  Anfänge  der  achtziger  Jahre 
des  vorigen  Säkulums  gehörten  die  Partieen  des  Esthwold  und 
der  Rosswina  zu  den  Bravourrollen  vieler  hervorragender  Helden¬ 
darsteller  und  sentimentaler  Liebhaberinnen.  Eine  gute  Darstellung 
des  Stückes  »Hanno,  Fürst  im  Horden«  hing  aber  auch  hauptsächlich 
von  der  glücklichen  Durchführung  dieser  Aufgaben  ab ,  deren 
Wirkung  der  theaterkundige  Dichter  durch  die  von  ihm  gebotene 
Gelegenheit  zu  den  mannigfaltigsten  Bühneneffekten  ausserordentlich 
zu  verstärken  gewusst  hatte. 

Für  Montag  den  2.  September  1782  war  die  Eröffnung  des 
neuen  Komödienhauses  festgesetzt,  als  aber  die  nöthigsten  Arbeiten 
bis  dahin  noch  nicht  ganz  vollendet  waren,  wurde  sie  bis  zum 
3.  September  verschoben.525  An  diesem  Tage  fand  vor  vollständig  be¬ 
setztem  Hause  und  unter  anhaltendem  Jubel  der  Zuschauer  die  Ein¬ 
weihung  der  neuen  Bühne  mit  »Hanno,  Fürst  im  Norden«  und  einem 
nachfolgenden  Epilog  statt,  welcher,  wie  ein  Augenzeuge  jener  Vor¬ 
stellung,  Heinrich  Sebastian  Hüsgen,  berichtet,  wohl  ausgedacht,  durch 
Gesang  verschönt  und  mit  verstärkter  Musik  unter  schmetterndem 
Trompeten-  und  Pauken  schall  aufgeführt  wurde. 

Mit  Ausnahme  der  klassischen  Dramen  sind  die  meisten  drama¬ 
turgischen  Erzeugnisse,  welche  am  Anfang  der  achtziger  Jahre  des 
vorigen  Jahrhunderts  in  so  grosser  Gunst  bei  dem  damaligen  Publi¬ 
kum  standen,  von  dem  ewig  wechselnden  Geschmack  bei  Seite  ge¬ 
worfen  und  zu  literarischen  Antiquitäten  gestempelt  worden.  Bei  der 
bevorstehenden  Gedenkfeier  des  hundertjährigen  Bestehens  der  hiesi¬ 
gen  Bühne  soll  aber  das  verschollene  Schauspiel  »Hanno,  Fürst  im 
Norden«,  wenn  es  auch  an  innerem  Gehalt  viele  andere  Stücke  seiner 
Zeit  nicht  überragt,  als  Zeuge  des  wichtigsten  Tages  in  der  Frank¬ 
furter  Theatergeschichte  der  Vergessenheit  entzogen  und  wieder  auf 
jene  Bretter  gebracht  werden,  welche  es  vor  einem  Säkulum  zu 
einem  hohen  Dienste  eiuweihen  durfte.  Wie  am  3.  September  1782, 
so  werden  auch  an  dem  hundertjährigen  Gedenktage  die  einzelnen 
Rollen  von  hervorragenden  Kräften  gegeben  werden;  wie  einst,  wird 
der  Erfolg  des  Stückes  auch  diesmal  wieder  hauptsächlich  von  den 
darstellenden  Künstlern  abhängeu. 


399 


Zur  bleibenden  Erinnerung  an  diese  beiden  denkwürdigen  Vor¬ 
stellungen  möge  hier  die  Besetzung  der  bedeutendsten  Rollen  in 
den  Jahren  1782  und  1882  sowie  die  Namen  der  jeweiligen  Bühnen¬ 
leiter  Aufnahme  finden.526 

1782  Direktoren:  Gustav  Friedrich  Wilhelm  Grossmann  und 
Friedrich  Hellmuth  d.  A. 


1882  Intendant:  Emil  Claar. 

Personenverzeichniss  des  Schauspiels  »Hanno,  Fürst  im  Norden.« 


1782 

1882 

Hanno . 

Herr  Grossmann 

Herr  Zademack. 

Selgar  ,  Hanno’s  vermeynter  jüng¬ 
ster  Sohn . 

Herr  Steiger 

Herr  Hoff  mann. 

Esthwold,  Ilanno’s  vermeynter 
ältester  Sohn . 

Herr  Opitz 

Herr  Salomon. 

Rosswina,  Esthwold’s  geheime 
Gemahlin . 

Madame  Fiala 

Erl.  Gündel. 

Hilderich,  ihr  zweijähriger  Sohn 
Ornithe,  die  Prinzessin  eines  be¬ 
nachbarten  Fürsten  .... 

Madame  Gensike 

Frl.  Weisse. 

Hiaskal,  ein  Grosser  bey  Hofe  und 
Kosswina’s  vermeynter  Vater 

Herr  Hellmuth 

Herr  Schneider. 

Balderich,  Oberster  der  Leibwache 
und  Hanno’s  Favorit  .... 

Herr  Diezel 

Herr  A.  Müller. 

Kiorban,  Esthwold’s  Vertrauter 

Herr  Santorini 

Herr  Strohecker. 

Ein  sprechender  Soldat  von 
Hanno’s  Leib  wacht  .  .  . 

Herr  Huber 

Herr  Diegelmann. 

Opferpriester, 

Soldaten,  Gefolge. 

Mit  dieser  Vorstellung  war  die  Existenz  der  Schauspielkunst 
in  Frankfurt  nach  dreissigj übrigem  Kampfe  für  alle  Zeiten  gesichert 
und  der  Grundstein  zu  ihrer  künftigen  Grösse  und  Bedeutung  gelegt. 
In  einem  wichtigen  Augenblick,  bald  nach  der  ersten  Aufführung 
von  Schiller ’s  Räubern  in  Mannheim,  zog  die  dramatische  Muse  in 
ihr  eigenes  Heim,  dessen  sie  so  sehr  bedurfte,  um  dem  neuen  Auf¬ 
schwung  der  Literatur  mit  ganzer  Hingebung  dienen  und  eine  wür¬ 
dige  Trägerin  des  Edelsten  sein  zu  können,  was  jemals  der  Geist 
unseres  Volkes  durch  die  drei  Heroen,  Lessing,  Goethe  und  Schiller 
geschaffen.  Und  die  Schauspielkunst  in  Frankfurt  hat  auch  während 
des  letzten  Jahrhunderts  ihre  Aufgabe  treulich  erfüllt,  sie  hat  in  fried¬ 
lichem  Wettstreit  mit  der  Dichtkunst  um  einen  Lorbeer  gerungen 
und  die  hiesige  Bühne  wie  in  den  alten  Zeiten  zu  einer  der  ersten 
Deutschlands  erhoben. 


Schluss. 


Hundert  Jahre  sind  seit  der  Einweihung  der  ersten  ständigen 
Bühne  in  Frankfurt  entschwunden :  das  neue  Komödienhaus  ist  in¬ 
zwischen  zum  alten  Schauspielhaus  geworden  und  in  eine  zweite 
Heimstätte,  wie  sie  prächtiger  kaum  gedacht  werden  kann,  hat  die 
dramatische  Muse  ihren  Einzug  gehalten. 

Zur  Feier  des  hundertjährigen  Jubiläums  der  Frankfurter  Bühne 
soll  auch  dort  das  grösste  dichterische  Meisterwerk  der  Deutschen : 
Goethe’s  Faust,  zur  Darstellung  kommen.  —  In  dieser  Stunde  ge¬ 
denken  wir  noch  einmal  aller  hervorragenden  Förderer  der  dramati¬ 
schen  Kunst,  welche  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  um  deren  Ent¬ 
wicklungsgang  in  Frankfurt  besondere  Verdienste  erworben  haben. 

Gleich  den  Erscheinungen  der  Ahnherren  in  der  Sage  vom  ver¬ 
borgenen  Schatz  lassen  wir  ihre  Gestalten  hervortreten  und  vergegen¬ 
wärtigen  wir  uns  ihre  Gedanken  über  den  jetzigen  Zustand  des 
Theaters  in  Frankfurt. 

Da  treten  zuerst  ernst  und  würdevoll  aus  dem  Hintergründe 
einer  fernen  Zeit  die  Canonici  und  Vikare  des  Bartholomäus-  und 
Liebfrauenstiftes,  welche  die  ersten  geistlichen  Spiele  veranstaltet; 
sie  schütteln  bedenklich  das  Haupt  und  begreifen  es  nicht,  dass 
diese  Kunst  nicht  mehr  im  Dienste  der  Kirche  steht  und  ein  ganz 
weltliches  Wesen  angenommen  hat. 

Dann  kommen  die  wackeren  Frankfurter  Bürger  aus  dem  Zeit¬ 
alter  der  Reformation.  Ihre  Führer  Mathis  Reuter  und  Ott  Regen¬ 
bogen  erstaunen  über  das  prächtige  Bühnengerüst  und  bedauern  zu¬ 
gleich,  dass  sie  mit  ihrer  Freude  am  Komödienspielen  dreihundert 
Jahre  zu  früh  gelebt. 

Auf  ihren  »Rüstwäglin«  erscheinen  dann  die  ersten  englischen 
Komödianten  mit  Robertus  Browne  und  Thomas  Sackeville  an  der 
Spitze.  Wie  gebannt  halten  sie  vor  dem  neuen  Musen tempel  und 
vergleichen  ihn  mit  dem  ärmlichen  Ballenhaus  zum  Krachbein  und 
mit  »Herrn  Martin  Bauer’s  seligen  Behausung  draussen  auf  der  Zeilen«. 
Dann  treten  sie  auch  in  das  Innere,  beschauen  die  prächtigen  De¬ 
korationen,  bewundern  die  Darsteller  in  ihren  goldgestickten  Kostü¬ 
men  und  beobachten  gespannt  eine  Verwandlung  der  Scene.  Kaum 
vermögen  sie  es  jetzt  noch  zu  begreifen,  wie  ihre  Zuschauer  einstmals 


401 


die  einfachen  »Wämslin«  für  kostbare  Prachtgewänder  und  sechs 
Ellen  ausgespanntes  blaues  »Getüch«  für  den  Hammel  halten  konnten. 

Kein  Ende  aber  findet  ihr  Staunen,  als  sie  vernehmen,  dass 
heute  auch  ein  »Faust«,  aber  nicht  der  ihres  Landsmannes  Marlowe, 
sondern  das  bedeutendste  Werk  eines  in  Frankfurt  geborenen  Dich¬ 
ters  zur  Darstellung  gelangen  wird. 

Auf  die  englischen  Komödianten  folgen  Joris  Jollifous,  Hans 
Ernst  Hoffmann  und  Peter  Schwarz.  Auch  sie  stehen  bewundernd 
vor  der  grossartigen  neuen  Bühne,  beschauen  das  Spiel  und  das 
Publikum  und  denken:  welche  Erfolge  würden  wir  erst  erzielen, 
wenn  wir  hier  eine  unserer  erschrecklichen  Blut-  und  Bachetragödien 
mit  dem  Pickelhäring  aufführen  könnten !  Jollifous  thut  sich  nicht 
wenig  darauf  zu  gut,  dass  er  zuerst  darstellende  Frauen  auf  der 
Frankfurter  Schaubühne  einführte,  und  Peter  Schwarz  freut  sich 
hauptsächlich  darüber,  dass  diese  Komödianten  wegen  der  Spiel¬ 
erlaub  niss  sicher  nicht  mehr  nötliig  gehabt  haben,  den  Bath  Frank¬ 
furts  zum  »Taufzeugen  von  zween  gesunden  Sonntagssöhnlein«  zu 
bitten. 

Nachdem  einige  schattenartige  Gebilde  vorübergezogen,  tritt 
eine  hohe  Erscheinung  aus  dem  Dunkel:  der  Magister  Johann  Vel- 
then.  Er  wundert  sich  freilich  über  die  leisen  Zurufe  des  Souffleurs, 
aber  er  sieht  seine  kühnsten  Träume  mehr  als  verwirklicht  und  ist 
hochbeglückt,  dass  seine  hiesige  Wirksamkeit  zu  einem  so  denk¬ 
würdigen  Merkstein  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  dramatischen 
Kunst  in  Frankfurt  geworden  ist.  An  Velthen’s  Seite  steht  eine 
würdige  Frau,  welche  einst  hier  viel  Bitteres  erlebte,  aber  jetzt  nicht 
mehr  mit  Groll  daran  zurückdenkt.  Versöhnlich  blickt  sie  beim 
Entschwinden  auf  ein  verführerisch  schönes  Weib,  welches  jetzt, 
gleich  einer  Siegesgöttin,  in  einer  »Wolkenmaschine«  vorüberschwebt 
und  sich  scheinbar  mit  innerem  Behagen  an  das  Krönungsjahr 
Kaiser  Karl’s  VI.  erinnert,  in  welchem  ein  Wort  von  ihr  mehr  aus- 
richten  konnte,  als  alle  Bittschriften  des  evangelisch-lutherischen 
Predigerministeriums. 

Eine  Weile  huschen  nur  abenteuerliche  Erscheinungen  flüchtig 
vorüber,  dann  aber  naht  eine  hehre  Frauengestalt :  es  ist  die  Neuberin. 
Sie  steht  gedankenvoll  da  und  kann  es  nicht  begreifen,  dass  dies 
dasselbe  Frankfurt  ist,  wo  man  sie  einst  so  erbarmungslos  behandelte. 
Trotz  des  lebhaftesten  Dankgefühles  gegen  ihre  damaligen  Helfer 
aus  der  Noth  kann  die  Neuberin  anfangs  eine  bittere  Empfindung 
nicht  unterdrücken ;  aber  bald  wird  dieselbe  besiegt  durch  die 
Freude  an  dem  Fortschritt  der  Schauspielkunst  und  sie  scheidet 
mit  dem  von  ihr  in  einer  Tragödie  so  oft  gesprochenen  Worte  der 
sterbenden  Heldin : 

»Und  ob  es  hart  auch  war,  ich  will  es  gern  ertragen, 

Seh’  ich  es  doch  im  Ost  durch  trübe  Wolken  tagen, 

2G 


402 


Umsonsten  war’s  ja  nicht,  ich  seh’s  und  scheid’  in  Frieden, 
Und  lasse  keinen  Groll,  nur  Segen  euch  hienieden.« 

Wallerotty,  Schuch  und  Vater  Bernardon  treten  jetzt  an  die 
Stelle  der  entschwundenen  Neuberin  und  theilen  die  Bewunderung 
aller  ihrer  Vorgänger.  Der  Erstere  findet  jedoch  die  heutigen  Stücke 
nicht  so  wirksam  wie  seine  »mit  italienischen  Arien  garnirten  Haupt- 
und  Staatsaktionen«  und  die  beiden  Letzteren  vermissen  nicht  ohne 
ernste  Bedenken  den  buntscheckigen  Hanswurst  oder  Harlekin.  Als 
sich  Schuch  und  Vater  Bernardon  jedoch  alsbald  überzeugt  haben, 
dass  die  lustige  Figur  auch  jetzt  noch,  nur  in  anderer  Gestalt,  auf 
die  hiesige  Bühne  kommt,  scheiden  sie  mit  der  festen  Ueberzeugung, 
dass  sie  auch  noch  heute  beim  hiesigen  Publikum  bei  weitem  mehr 
Beifall  mit  ihren  komischen  Leistungen  ernten  würden,  als  der  beste 
Darsteller  eines  sterbenden  Helden. 

Nun  erscheint  Marchand;  er  sieht  mit  freudiger  Genugthuung, 
dass  die  Opern  und  Singspiele  auch  in  der  Jetztzeit  so  grossen  An¬ 
klang  in  Frankfurt  finden  und  möchte  gerne  noch  einmal  zurück¬ 
kehren,  um  mit  seiner  Truppe  in  dem  neuen  prächtigen  Opernhaus 
eine  Aufführung  von  »Zemire  und  Azore«  zu  veranstalten. 

Abel  Seyler,  der  jetzt  langsam  und  ernst  aus  dämmerndem  Zwie¬ 
licht  näherschreitet,  erkennt  mit  Stolz,  dass  sein  Ringen  nicht  um¬ 
sonst  gewesen,  dass  es  den  eigentlichen  Schlusstein  zum  Grundbau 
einer  neuen  Kunstaera  Frankfurts  werden  sollte. 

Grossmann  und  Hellmuth  endlich  schliessen  den  Reigen.  Sie 
freuen  sich  vor  allem  über  die  Aufführung  von  »Hanno,  Fürst  im 
Norden«  am  hundertjährigen  Gedenktage  der  von  ihrer  Truppe  ein- 
geweihten  Bühne,  und  der  erstere  besonders  sieht  mit  hoher  Be¬ 
friedigung  seinen  einstigen  prophetischen  Ausspruch  erfüllt,  dass 
Frankfurt  immer  mehr  eine  Warte  der  Kunst  werden  und  in  künf¬ 
tigen  Tagen  stolz  in ’s  weite  Reich  hinausschauen  solle. 

Die  ältesten  Ahnherren  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  sind 
vorübergeschwebt,  ein  neuer  Reigen  beginnt,  der  nicht  minder  glänzende 
Gestalten,  nicht  weniger  muthige  Kämpfer  aufzuweisen  hat.  Auch 
ihrer  werde  heute  rühmend  gedacht  und  mit  der  Hoffnung  geschlos¬ 
sen,  dass  Frankfurts  Bühnen,  ihrer  glorreichen  Vergangenheit  ein¬ 
gedenk,  auch  in  künftigen  Zeiten  stets  eine  sichere  Heimstätte  des 
Wahren,  Schönen,  Guten  und  ein  starkes  Bollwerk  deutscher  Kunst 
bleiben  mögen. 


Anmerkungen. 

B.  B.  =  Bürgenneisterbuch.  R.  P.  =  Raths-Protokolle.  R.  S.  —  Raths-Supplikationen. 


1.  Siehe  von  Oven  »Das  erste  städtische  Theater  zu  Frankfurt«,  Neujahrs¬ 
blatt  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  für  das  Jahr  1872.  Kriegk 
»Deutsches  Bürgerthum«  im  Mittelalter  S.  435  ff.  Kirchner  »Geschichte  von 
Frankfurt«  B.  I  S.  564  und  »Thaliens  Schicksale  in  Frankfurt«  in  Kirchner  »An¬ 
sichten  von  Frankfurt.«  B.  I  S.  356  ff.  Fichard,  »Frankfurter  Archiv«  B.  UI 
S.  131  ff.  Devrient,  »Geschichte  der  deutschen  Schauspielkunst  B.  I  S.  46  ff. 

2.  Ein  näheres  Eingehen  hierauf  ist  schon  deshalb  nicht  angezeigt,  weil 
bei  der  bevorstehenden  Herausgabe  des  Frankfurter  Passionsspiels  von  1493  ein 
spezielles  Behandeln  dieses  Stoffes  beabsichtigt  ist. 

3.  B.  B.  1455  f.  68. 

4.  B.  B.  1462  f.  69. 

5.  Siehe  Kriegk,  »Deutsches  Bürgerthum  im  Mittelalter«  S.  454. 

6.  R.  P.  und  B.  B.  vom  17.  Juni  1591. 

7.  R.  P.  und  B.  B.  vom  15.  Juni  1592. 

8.  R.  P.  und  B.  B.  vom  23.  Juli  1545. 

9.  »Es  ist  zu  der  selbichten  zeyt  in  der  Hälfft  der  vierziger  jarn  (1595) 
vff  dem  Romerberg  von  einem  Schulmeister  seinen  knaben  vnd  den  gesellen  die 
History  Susanna  von  Paulum  Perdicem  (Rebhuhn)  gar  feinlich  exhibiret  worden, 
so  dass  noch  lange  darvon  mit  Ruhm  gelautet.  Es  waren  auch  gesänge  darbey, 
die  fürnemblich  allhierr  stark  belobet  wurden.«  (Allerhand  neve  und  schöne 
Historien  so  in  vorigen  Zeyten  allhiero  würklich  passiret  sind.  Frankfurt  1615). 

10.  Siehe  Paul  Rebhun’s  Dramen ,  herausgegeben  von  Hermann  Palm. 
(Bibliothek  des  literarischen  Vereins  in  Stuttgart  B.  XLIX  S.  180). 

11.  Siehe  ebenda  S.  60. 

12.  Siehe  ebenda  S.  60  u.  61. 

13.  B.  B.  und  R.  P.  4.  August  1545. 

14.  Siehe  ebenda  und  B.  30.  Juli  1545. 

15.  B.  B.  und  R.  P.  1546. 

16.  B.  B.  und  R.  P.  vom  6.  April  1546. 

17.  B.  B.  12.  April  1546. 

18.  B.  B.  und  R.  P.  31.  Januar  1549. 

19.  B.  B.  15.  Januar  1549. 

20.  B.  B.  29.  Januar  1549. 

21.  B.  B.  Januar  1549. 

22.  R.  P.  und  B.  B.  13.  Januar  1551. 

23.  R.  P.  16.  Februar  1563. 

24.  B.  B.  vom  selben  Tage. 

25.  Was  die  in  der  Folge  im  Text  erwähnten  Pestjahre  und  die  Anzahl 
der  in  denselben  in  Frankfurt  verstorbenen  Personen  betrifft,  so  sei  hiermit 
auf  »Pestjahre  in  Frankfurt«  im  Feuilleton  der  »Frankfurter  Zeitung«  vom  2.  und 

26* 


404 


3.  März  1879  von  Heinrich  Pallmann  und  Stricker  »Geschichte  der  Heilkunde  in 
Frankfurt«  verwiesen. 

26.  R.  P.  und  B.  B.  9.  Januar  1565. 

27.  R.  P.  und  B.  B.  13.  Februar  1565. 

28.  R.  P.  und  B.  B.  2.  Januar  1567. 

29.  R.  P.  1571  Folio  72. 

30.  R.  P.  und  B.  B.  17.  Januar  und  vom  14.  Februar  1572. 

31.  R  P.  und  B.  B.  1578. 

32.  R.  P.  und  B.  B.  26.  Februar  und  12.  März  1579. 

33.  Siehe  Goedeke  »Grundriss  zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung«  B. 
I  S.  325. 

34.  Die  geduldig  und  gehorsam  marggräfin  Griselda,  ein  comedi  mit  13 
Personen  hat  5  aktus.  (Hans  Sachs,  herausgegeben  von  Adalbert  von  Keller, 
Bibliothek  des  literarischen  Vereins  in  Stuttgart  103te  Publikation  II.  Band). 

35.  Siehe  ebenda. 

36.  R.  P.  und  B.  B.  9.  Januar  1581. 

37.  R.  P.  und  B.  B.  14.  Juni  1582. 

38.  Nach  Acten  des  Stadtarchivs. 

39.  R.  P.  und  B.  B.  19.  Februar  1583. 

40.  R.  P.  31.  März  1584. 

41.  B.  B.  vom  selben  Tage. 

42.  R.  P.  23.  März  1585. 

43.  B.  B.  vom  selben  Tage. 

44.  R.  P.  und  B.  B.  16.  März  1591. 

45.  R.  P.  und  B.  B.  28.  März  1586. 

46.  R.  P.  und  B.  B.  27.  Dezember  1593. 

47.  Siehe  »Siegmund  Feyerabend,  sein  Leben  und  seine  geschäftlichen 
Verbindungen.«  Nach  archivalischen  Quellen  bearbeitet  von  Heinrich  Pallmann. 
S.  72  ff.  (Archiv  für  Frankfurter  Geschichte  und  Kunst,  neue  Folge  7.  Band). 

48.  R.  P.  und  B.  B.  22.  Januar  1594. 

49.  Siehe  Shakespeare  in  Germany  by  Albert  Cohn  XXVHI. 

50.  R.  P.  und  B.  B.  30.  August  1592. 

51.  R.  P.  und  B.  B.  28.  August  1593. 

52.  R.  P.  und  B.  B.  30.  August  1593. 

53.  Ebenda. 

54.  R.  P.  u.  B.  B.  4.  September  1593. 

55.  R.  P.  und  B.  B.  30.  August  1597. 

56.  Siehe  Pfaff,  »Geschichte  der  Stadt  Stuttgart«  B.  I  S.  116. 

57.  Kurtze  vnd  Wahrhaffte  /  Beschreibung  der  Badenfahrt:  /  Welche  der  / 
Dvrehleuchtig  /  Hochgeborn  Fürst  vnd  Herr  /  Herr  Friderich  Hertzog  zu  Würt¬ 
temberg  /  vnnd  Teckh,  Grave  zu  Mümppelgart,  HErr  zu  /  Heidenheim,  Ritter 
der  beeden  Vhralten  Königlichen  /  Orden,  in  Frankreich  S.  Michaels,  vnnd 
Hosen-  /  bands  in  Engelland,  etc.  In  negst  abgeloffe-  /  nem  1592.  Jahr,  /  Von 
Mümppelgart  auß,  In  das  weitbe  /  rümbte  Königreich  Engelland,  hernach  im 
zu-  /  rück  /  ziehen  durch  die  Niderland,  biß  widerumb  gehn  Mümppelgart,  ver-  / 
richtet  hat.  /  Auß  J.  F.  G.  gnedigem  Bevelch,  von  dero  Mit-  /  raisendem 
Cammer-Sektrotarien  [Jacob  Rathgeb]  auffs  kürzist,  von  tag  zu  tag  verzeichnet. 
(Tübingen  bey  Erhardo  Cellio;  Anno  1602). 

58.  Max  Mangold  »Markschiffs  Nachen,  darinn  nachgeführet  wirdt,  was  in 
dem  nächst  abgefahrnen  Marckschiff  außgeblieben  etc.  M.  DXCVH.«  Siehe  sechs 
Gedichte  über  die  Frankfurter  Messe,  gesammelt  von  Dr.  phil.  Ernst  Kelchner, 
veröffentlicht  in  den  Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthums¬ 
kunde  in  Frankfurt  a.  M.  B.  VI,  zweites  Heft. 

59.  Die  Schauspiele  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braunschweig  nach 
alten  Drucken  und  Handschriften  herausgegeben  von  Dr.  Wilhelm  Ludwig  Holland. 


405 


»Tragoedia  Hibaldeha  von  einer  Ehebrecherin«  (Bibliothek  des  literarischen  Vereins 
in  Stuttgart.  B.  XXXVI). 

60.  Siehe  ebenda  »Comoedia  Hidbelepihal  von  Vincentio  Ladislao«  etc. 

61.  R.  P.  und  B.  B.  27.  September  1597. 

62.  Ebenda. 

63.  R.  P.  und  B.  B.  29.  September  1597. 

64.  Siehe  Rommel,  »Neuere  Geschichte  von  Hessen«,  Band  H.  S.  390. 

65.  R.  P.  und  B.  B.  27.  März  1593. 

66.  Ebenda. 

67.  R.  P.  und  B.  B.  11.  März  1595. 

68.  R.  P.  und  B.  B.  4.  März  1600. 

69.  Siehe  Rommel  S.  444  ff. 

70.  R.  P.  und  B.  B.  26.  März  1601.  R.  S.  März  1601. 

71.  Siehe  Rommel  S.  399. 

72.  Zu  finden  in  verschiedenen  R.  S.  von  1601,  1602,  1603  u.  s.  w. 

73.  B.  B.  4.  September  1600. 

74.  R.  S.  1601. 

75.  B.  B.  12.  und  17.  März  1601. 

76.  B.  B.  März  1601,  R.  S.  März  1601. 

77.  B.  B.  24.  März  1601,  R.  S.  März  1601. 

78.  Siehe  Rommel  S.  390  ff.  Siehe  über  Robert  Browne  in  »Shakespeare 
in  Gennany«  von  Albert  Cohn. 

79.  R.  S.  März  1601. 

80.  B.  B.  1.  September  1601.  R.  S.  September  1601. 

81.  Siehe  Rommel  »Neuere  Geschichte  von  Hessen«,  2.  Band  S.  400. 

82.  Siehe  Albert  Cohn  »Shakespeare  in  Germany«  S.  CXV  ff. 

83.  B.  B.  1.  September  1601. 

84.  B.  B.  2.  März  1602,  R.  S.  März  1602. 

85.  B.  B.  4.  März  1602. 

86.  R.  S.  März  1602. 

87.  B.  B.  und  R.  P.  18.  März  1602,  R.  S.  März  1602. 

88.  R.  S.  September  1602. 

89.  R.  P.  und  B.  B.  7.  September  1602. 

90.  B.  B.  7.  April,  R.  S.  April  1603. 

91.  B.  B.  31.  März,  R.  S.  März  1603. 

92.  Ebenda  und  B.  B.  7.  April. 

93.  B.  B.  13.  September,  R.  S.  September  1603. 

94.  »Muse«,  Blätter  für  ernste  und  heitere  Unterhaltung,  herausgegeben 
von  Hräxler-Manfred.  B.  I  S.  156.  (Enthalten  in  der  Abhandlung :  »Geschichte 
der  Musik  und  des  Theaters  am  Hofe  zu  Darmstadt.  Aus  Urkunden  dargestellt 
von  Emst  Pasque). 

95.  R.  S.  März  und  September  1604. 

96.  B.  B.  und  R.  P.  4.  September,  R.  S.  September  1604. 

97.  R.  S.  März  und  September,  B.  B.  12.  März  1605. 

98.  R.  S.  März  1605. 

99.  B.  B.,  R.  P.  5.  und  7.  September  1605. 

100.  R.  S.  August  1606. 

101.  B.  B.  26.  August  1606. 

102.  B.  B.  17.  März,  R.  S.  März  1607. 

103.  B.  B.  24.  März,  R.  S.  März  1607. 

104.  Siehe  K.  Weiss  »Die  Wiener  Haupt-  und  Staatsaktionen«  S.  37. 
(Wien  1854). 

105.  Siehe  Rommel  »Neuere  Geschichte  von  Hessen«  2.  Band  S.  401. 

106.  Siehe  »Engelische  Comedien  vnd  /  Tragedien  /  Das  ist:  /  Sehr  Schöne,/ 
herrliche  vnd  außerlesene,  /  geist-  vnd  weltliche  Comedi  vnd  /  Tragedi  Spiel,  / 


406 


Sampt  dem  /  Pickelhering,  /  welche  wegen  jhrer  artigen  /  Inventionen,  kurtzweilige 
auch  theils  /  warhafftigen  Geschieht  halber,  von  den  Engelländern  /  in  Deutschland 
an  Königlichen,  Chur-  vnd  Fürst-  /  liehen  Höfen,  auch  in  vornehmen  Reichs- 
See-  vnd  /  Handel  Städten  seynd  agiret  vnd  gehalten  /  worden,  vnd  zuvor  nie  im 
Druck  auß-  /  gangen.  /  An  jetzo,  /  Allen  der  Comedi  vnd  Tragedi  lieh-  /  habern, 
vnd  Andern  zu  lieb  vnd  gefallen ,  der  Gestalt  /  in  offenen  Druck  gegeben,  dass 
sie  gar  leicht  daraus  /  Spielweiß  widerumb  angerichtet,  vnd  zur  Ergetzlichkeit 
vnd  /  Erquickung  des  Gemüths  gehalten  wer-  /  den  können.  Gedruckt  im  Jahr 
M.DC.XX. 

107.  B.  B.  3.  März,  R.  S.  März  1608,  auch  B.  B.  8.  September  und  R.  S. 
September  1608,  ferner  B.  B.  30.  März,  R.  S.  März  1609  und  B.  B.  7.  September, 
R.  S.  September  1609. 

108.  B.  B.  8.  März,  R.  S.  März  1608. 

109.  K.  M.  Plümike  »Entwurf  einer  Theatergeschichte  von  Berlin.«  S.  36 — 37. 
(Berlin  1781). 

110.  R.  S.  August  und  September,  B.  B.  30.  August  1610. 

111.  R.  S.  August  1610. 

112.  B.  B.  März  1607  und  September  1610. 

113.  B.  B.  30.  August  1610. 

114.  R.  S.  September,  B.  B.  11.  September  1610. 

115.  R.  S.  März  1611. 

116.  Ebenda. 

117.  Ueber  die  unter  John  Spencers  Leitung  stehende  Compagnie  siehe 
Albert  Cohn  »Shakespeare  in  Germany«. 

118.  B.  B.  7.  März,  R.  S.  März  1611. 

119.  R.  S.  September  1612. 

120.  R.  P.  und  B.  B.  5.  September  1612. 

121.  Siehe  Siebenkäs  »Materialien  zur  Nürnbergischen  Geschichte  nach 
handschriftlichen  Chroniken«  B.  LH  S.  52. 

122.  Siehe  Albert  Cohn  »Shakespeare  in  Germany«  S.  LXXXV. 

123.  R.  S.  März  1614,  siehe  auch  K.  M.  Plümike,  Entwurf  einer  Theater¬ 
geschichte  von  Berlin  S.  34.  (Berlin  1781). 

124.  Siehe  Schlager  »Ueber  das  alte  Wiener  Hoftheater«,  in  Wiener 
Skizzen  B.  HI. 

125.  R.  S.  September  1618. 

126.  B.  B.  3.  September  1618. 

127.  R.  S.  März  1620. 

128.  Ebenda. 

129.  R.  S.  April  1622. 

130.  R.  P.,  B.  B.  und  R.  S.  März  und  April  1626. 

131.  Siehe  Albert  Cohn  »Shakespeare  in  Germany«. 

132.  R.  S.  August  1627. 

133.  R.  S.  März  1628. 

134.  Siehe  Albert  Cohn  »Shakespeare  in  Germany«  PI.  H. 

135.  R.  S.  August  1628. 

136.  R.  P.,  B.  B.  15.  und  17.  März,  R.  S.  März  1631. 

137.  R.  P.,  B.  B.  1.  März,  R.  S.  März  1649. 

138.  Siehe  R.  Genee  »Lehr-  und  Wanderjahre  des  deutschen  Schauspiels«  S.  298. 

139.  B.  B.  28.  Februar,  6.  März  1649. 

140.  Ebenda. 

141.  R.  P.  und  B.  B.  11.  September  1649. 

142.  B.  B.  13.  September,  R.  S.  September  1649. 

143.  R.  S.  März  1650,  Sept.  1650,  März  1651,  August  1651. 

144.  Siehe  H.  Hettner  »Geschichte  der  deutschen  Literatur  im  achtzehnten 
Jahrhundert.«  B.  I.  S.  190. 


407 


145.  B.  B.  9.  Sept.  1651.  R.  S.  Sept.  1651. 

146.  Extracte  aus  den  Ratksprotokollen  Tom.  II  Nr.  XVII  Lit.  S. 

147.  R.  S.  August  1652. 

148.  Siehe  ebenda. 

149.  B.  B.  8.  Juni  1652. 

150.  B.  B.  17.  August  1652. 

151.  Rhein.  Comödiantenbanden  im  vorigen  und  diesen  Jahrh.  (Cöln  1775). 

152.  Archiv  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  des  Obermainkreises 
B.  1.  Bayreuth  1831.  Aus  einer  Chronik  der  Stadt  Windsheim. 

153.  B.  B.  8.  Sept.  1653,  R.  S.  Sept.  1653. 

154.  Siehe  ebenda. 

155.  K.  Weiss  »Die  Wiener  Haupt-  und  Staatsaktionen«  S.  36. 

156.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.  1855  S.  231.  (Enthalten 
in  einem  Artikel  von  Meyer  von  Knonau). 

157.  R.  S.  August  1654. 

158.  B.  B.  8.  August  und  15.  August  1654.  Siehe  auch  Extracte  aus  den 
R.  P.  Tom.  H  Nr.  XVH  Lit.  S. 

159.  B.  B.  15.  August. 

160.  Siehe  ebenda. 

161.  R.  S.  März  1655. 

162.  Ebenda  Sept.  1655. 

163.  B.  B.  25.  März,  R.  S.  März,  April  1656. 

164.  R.  P.  und  B.  B.  11.  September  1656. 

165.  Bairische  Geschichten,  B.  IH  S.  353. 

166.  Siehe  E.  J.  Lipowsky  »Karl  Ludwig,  Churfürst  von  der  Pfalz  und 
Maria  Susanna  Louise,  Rauhgrälin  v.  Degenfeld  etc.«  S.  79  (Sulzbach  1824). 

167.  R.  S.  März  1657. 

168.  Ebenda,  Sept.  1657. 

169.  Siehe  Battonn  »Oertliche  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  am  Main« 
B.  VI,  S.  277. 

170.  R.  S.  Sept.  1657. 

171.  Liebeskampff,  oder  Ander  Theil  der  Engelischen  Comödien  vnd  Tra¬ 
gödien,  in  welchen  sehr  schöne  auserlesene  Comödien  vnd  Tragödien  zu  befinden 
vnd  zuvor  nie  in  Druck  außgegangen.  Gedruckt  im  Jahre  1630  (Inhalt)  1.  Comocdia 
von  Macht  des  kleinen  Knaben  Cupidinis.  2.  Comoedia  von  Aminta  und  Silvia. 
3.  Comoedia  von  Prob  getrewer  Lieb.  4.  Comoedia  von  Koenig  Mantalor’s  vn- 
rechtmässigen  Liebe  vnd  derselben  Straff.  5.  Singe  Comoedie.  6.  Singe  Comoedie. 
7.  Tragi  Comedia.  8.  Tragoedi  vnzeitiger  Vorwitz. 

172.  Andreas  Gryphius  Freuden  und  Trauerspiele  auch  Oden  und  Sonette. 
In  Breslau  zu  finden  bey  Veit  Jacob  Treschern,  Buchhändler.  Leipzig,  gedruckt 
bey  Johann  Erich  Hahn  im  Jahr  1663. 

173.  Extracte  aus  den  R.  P.  Tom  II  Nr.  XVIH  Lit.  S. 

174.  Ebenda. 

175.  R.  S.  August,  September  und  October  1657. 

176.  B.  B.  29.  September  1657,  R.  S.  1657.  Extracte. 

177.  R.  S.  October  1657. 

178.  B.  B.  October  1657. 

179.  R.  S.  Oct.  1657. 

180.  B.  B.  15.  October  1657. 

181.  R.  S.  Juni  1658. 

182.  Schlager  »Wiener  Skizzen  aus  dem  Mittelalter.«  Neue  Folge  8°  S.  252. 
(Wien  1839). 

183.  Extracte  aus  den  R.  P.  Tom  II.  B.  B.  21.  März  1661. 

184.  Siehe  Keller’s  Ausgabe  von  Grimmelshausens  »Simplicissimus«  (Bib¬ 
liothek  des  literarischen  Vereins,  Stuttgart  1862.  B.  IV.  S.  654.) 


408 


185.  R.  S.  September  1661. 

186.  Extracte  aus  den  R.  P.  Tom.  II.  B.  B.  13.  März  1662. 

187.  R.  S.  Februar  1664.  B.  B.  11.  Februar  1664. 

188.  Ebenda  9.  u.  14.  März  1665. 

189.  R.  S.  März  1666. 

190.  B.  B.  1666. 

191.  B.  B.  September  1667.  R.  S.  September  1667. 

192.  R.  S.  Januar  1668. 

193.  Siebe  ebenda. 

194.  Eingebettet  in  die  R.  S.  Januar  1668. 

195.  R.  S.  August  1668. 

196.  B.  B.  6.  und  15.  October  1668. 

197.  B.  B.  9.  Februar  1671.  R.  S.  Februar  1670. 

198.  Ebenda  9.  März  1671. 

199.  B.  B.  10.  August  1671. 

200.  R.  S.  Juli  1679.  B.  B.  17.  Juli. 

201 .  Siebe  Devrient  »Geschichte  der  deutschen  Schauspielkunst«,  B.  I 
S.  230;  auch  Fürstenau  »Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters  am  Hofe 
zu  Dresden.« 

202.  R.  S.  Sept.  B.  B.  9.  und  25.  September  1679. 

203.  Ebenda  October  1679. 

204.  B.  B.  8.  October  1679. 

205.  Aus  einer  Sammlung  von  Lust-  und  Trauerspielen.  VELL  Stück. 
(Frankfurt  am  Main  bey  Lorenz  Telpiisch  1750). 

206.  R.  S.  October  1679. 

207.  Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  in 
Frankfurt  a.  M.  III.  B.  S.  84. 

208.  B.  B.  5.  Februar,  11.  und  30.  März  1680. 

209.  B.  B.  August  1680. 

210.  Siehe  Karl  Christian  Becker  »Beiträge  zu  der  Kirchengeschichte  der 
evangelisch-lutherischen  Gemeinde  zu  Frankfurt  am  Main  etc.«  S.  163. 

211.  B.  B.  20.  April  1682. 

212.  Extracte  aus  den  R.  P.  Tom.  II  Nr.  XVIII  Lit.  S. 

213.  R.  S.  September  1682. 

214.  B.  B.  21.  September  1682. 

215.  Siehe  Devrient  »Geschichte  der  deutschen  Schauspielkunst«  B.  I.  S.  227. 

216.  R.  S.  September  1684.  B.  B.  14.  August,  4.  und  9.  September  1684. 

217.  Extracte  aus  den  R.  P.  Tom.  II  Nr.  XVII  Lit.  S.  B.  B.  14.  Sep¬ 
tember  1686. 

218.  Siehe  Devrient,  »Geschichte  der  deutschen  Schauspielkunst«  S.  260  ff. 
Auch  R.  Prölss,  »Geschichte  des  Iloftheaters  zu  Dresden«  etc.  (Dresden  1878). 

219.  Siehe  ebenda. 

220.  R.  S.  September  1686. 

221.  Siehe  Devrient  »Geschichte  der  der  deutschen  Schauspielkunst«  S.  263. 

222.  Siehe  Cohn  »Shakespeare  in  Germany«  Part.  II  263  ff. 

223.  R..  P.,  B.  B.  und  R.  S.  vom  März  und  September  1687. 

224.  B.  B.  13.  Juni  1695,  R.  S.  1695. 

225.  R.  P.,  B.  B.  27.  August  1695. 

226.  B.  B.  4.  December  1696. 

227.  R.  S.  December  1696. 

228.  Siehe  Becker  »Beiträge  zu  der  Kirchengeschichte  der  evangelisch 
lutherischen  Gemeinde  zu  Frankfurt  a.  M.«  S-  163.  B.  B.  13.  Januar  und  11.  Mai  1698. 

229.  B.  B.  16.  April  1698. 

230.  R.  S.  April  1698, 

231.  Ebenda, 


409  - 


232.  Siehe  Becker  »Beiträge  zur  Kirchengeschichte«  etc.  S.  163. 

233.  R.  S.  April  und  August,  B.  B.  16.  August  1698. 

234.  Siehe  »Chronologie  des  deutschen  Theaters  von  H.  Schmid  und  Dyck«, 
Leipzig  1775,  S.  39. 

235.  R.  S.  August  1698. 

236.  Ebenda  Juli  1698. 

237.  R.  S.  August  1700. 

238.  B.  B.  3.  August  1700. 

239.  Rheinische  Comödienbanden  im  vorigen  und  diesen  Jahrhundert 
(Cöln  1775),  R.  S.  August  1700. 

240.  R.  S.  September  1700. 

241.  Ebenda. 

242.  B.  B.  9.  August  1701,  R.  S.  August  1701. 

243.  R.  S.  September  1705  und  B.  B.  3.  September  1705. 

244.  R.  S.  und  B.  B.  12.  August  1706. 

245.  Ebenda  28.  und  13.  September  1708. 

246.  Ueber  die  Elenson  und  ihre  Truppe  siehe  »Chronologie  des  deutschen 
Theaters«  (Leipzig  1775),  Devrient  »Beschichte  der  Schauspielkunst«,  B.  I.  »All¬ 
gemeines  Theater-Lexikon«  von  Blum,  Herlossohn  und  Marggraf,  »Rheinische 
Comödienbanden  im  vorigen  und  diesen  Jahrhundert«,  Kirchner,  »Ansichten  von 
Frankfurt«,  I.  Theil  (Abschnitt  »Thaliens  Schicksale  in  Frankfurt«),  v.  Reden-Esbeck 
»Biihnen-Lexikon«  und  »Caroline  Neuber  und  ihre  Zeitgenossen«  u.  s.  w. 

247.  Siehe  »Chronologie  des  deutschen  Theaters«,  Leipzig  1775,  S.  34 — 35. 

248.  B.  B.  und  R.  P.  September  1710,  auch  R.  S.  und  B.  B.  März  1711. 

249.  B.  B.  18.  Juni  1711,  R„  S.  Juni  1711. 

250.  R.  P.  und  B.  B.  30.  Juli  1711. 

251.  R.  S.  August  1711. 

252.  R.  S.  October  1711. 

253.  R.  S.  December  1711,  B.  B.  1.  December  1711. 

254.  B.  B.  und  R.  P.  8.  December  1711. 

255.  Siehe  Kirchner  »Ansichten  von  Frankfurt  a.  M.«  B.  I.  S.  360. 

256.  R.  P.  und  B.  B.  23.  Juli  und  1.  August  1715. 

257.  Ebenda  28.  Januar  1716. 

258.  R.  S.  Januar  1716. 

259.  Ebenda  März  und  August  1717.  B.  B.  5.  August  1717. 

260.  B.  B.  20.  und  29.  August  1720,  R.  S.  August  1720. 

261.  B.  B.  und  R.  P.  28.  August  1725. 

262.  R.  S.  Juni  1725,  B.  B.  28.  August  1725  und  11.  April  1726. 

263.  Siehe  Rechnungshauptbuch  der  Freien  Stadt  Frankfurt  von  1727. 

264.  B.  B.  vom  20.  Juli  und  17.  August  1728. 

265.  B.  B.  10.  und  17.  März  1729  und  7.  März  1730. 

266.  Siehe  »Chronologie  des  deutschen  Theaters«.  Leipzig  1775.  S.  56. 

267.  R.  S.  März,  B.  B.  6.  März  1731. 

268.  B.  B.  15.  März  1731. 

269.  Abhandlung  »Ueber  die  teutsche  Schaubühne,«  Quartheftchen  von  8 
Blättern,  Frankfurt  a.  M.  1756.  Siehe  auch  Devrient  »Geschichte  der  deutschen 
Schauspielkunst«  B.  I.  S.  354. 

270.  R.  S.  April  1731,  B.  B.  19.  April  1731. 

271.  R.  S.  Juli  1731,  B.  B.  19.  Juli  1731. 

272.  R.  S.  August  1731. 

273.  R.  S.  August  1731,  B.  B.  7.  und  16.  August  1731. 

274.  Siehe  Battonn  »Oertliche  Beschreibung  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.« 
B.  H.  S.  290. 

275.  R.  S.  März  1733. 


410 


276.  Rechnungshauptbuch  (Herbstmesse  1735).  Ueber  Karl  von  Eckenberg 
Näheres  in  der  Monographie  L.  Schneider’s  über  den  »starken  Mann«  Berlin  1848. 

277.  R.  S.  September  1735. 

278.  Ebenda  Februar  1736. 

279.  Eingeheftet  in  die  R.  S.  Februar  1736. 

280.  R.  S.  Februar,  B.  B.  28.  Februar  1736. 

281.  Ebenda. 

282.  R.  S.  Februar,  B.  B.  28.  Februar  1736. 

283.  R.  S.  Juni  B.  B.  12.  Juni  1736. 

284.  Ebenda. 

285.  B.  B.  31.  Juli  1736. 

286.  Ueber  die  Mitglieder  der  Neuber’schen  Gesellschaft  siehe  v.  Reden- 
Esbeck  »Caroline  Neuber  und  ihre  Zeitgenossen«.  Ferner  Devrient  »Geschichte 
der  deutschen  Schauspielkunst«,  »Chronologie  des  deutschen  Theaters«  (Leipzig 
1775),  »Abhandlung  über  die  teutsche  Schaubühne«  u.  s.  w. 

287.  Siehe  v.  Reden-Esbeck  »Caroline  Neuber«  etc.  S.  185. 

288.  Ebenda  107  ff. 

289.  Ebenda  S.  234. 

290.  Schütze  »Hamburger  Theater-Geschichte«  S.  286. 

291.  »Die  deutsche  Schaubühne  in  Wien«  Y.  Theil.  1754.  S.  3  ff. 

292.  Siehe  ebenda  »Britannicus«  S.  20  ff. 

293.  R.  S.  März  1737. 

294.  Siehe  v.  Reden-Esbeck  »Caroline  Neuber  und  ihre  Zeitgenossen« 
S.  200—201. 

295.  Rechnungshauptbuch  1737.  R.  P.  und  R.  S.  April  und  Mai  1737. 

296.  R.  S.  Januar  1738. 

297.  R.  S.  Januar  und  Februar  1738.  B.  B.  9.  Januar  u.  4.  Februar  1738. 

298.  R.  S.  Februar  ohne  Datum,  Rechnungshauptbuch  Ostermesse  1738. 

299.  R.  S.  Juni  1738. 

300.  B.  B.  10.  Juni  1738. 

301.  R.  S.  Juli,  B.  B.  7.  Juli  1739. 

302.  Siehe  Devrient  »Geschichte  der  deutschen  Schauspielkunst.«  B.  I.  S.  447. 

303.  R.  S.  Januar  1741,  B.  B.  17.  Januar  1741. 

304.  Ebenda  31.  Januar  1741. 

305.  R.  S.  Mai  1741. 

306.  Ebenda. 

307.  Johann  Michael  v.  Loen  »Kleine  Schriften«  H.  Theil,  VI.  Brief. 

308.  R.  S.  Juni  1741. 

309.  R.  S.  (ohne  Datum)  1742. 

310.  B.  B.  2.  Januar  1742. 

311.  Fragment  einer  Brochure,  in  welcher  Ereignisse  während  der  Wahl 
und  Krönung  Karls  VH.  erzählt  sind. 

312.  Actenstiicko  aus  Kriegk’s  Nachlass,  veröffentlicht  in  »Frankfurter 
Hausblätter  aus  der  Vergangenheit  und  Gegenwart«,  herausgegeben  von  Franz 
Rittweger  in  Nr.  1.  und  2.  der  neuen  Folge  II.  Theil  (8.  u.  15.  April  1882). 

313.  B.  B.  22.  März  1742.  R.  S.  März  1742. 

314.  Siehe  ebenfalls  »Frankfurter  Hausblätter«  herausgegeben  von  Franz 
Rittweger  (15.  April  1882). 

315.  Siehe  Rudolph  Genee  »Lehr-  und  Wanderjahre  des  deutschen  Schau¬ 
spiels  S.  349. 

316.  Siehe  ebenda  S.  351. 

317.  R.  S.  1741  (ohne  Datum). 

318.  Fragment  einer  Brochure,  in  welcher  Ereignisse  während  der  Wahl 
und  Krönung  Karls  VII.  erzählt  sind. 

319.  B.  B.  7.  und  23.  Nov.  1741. 


411 


320.  R.  S.  April  1742,  B.  B.  24.  April  1742. 

321.  R.  S.  März  und  Mai,  B.  B.  8.  März  und  17.  Mai  1742. 

322.  Fragment  einer  Brochüre  u.  s.  w. 

323.  Siehe  v.  Reden-Esbeck  »Caroline  Neuber  und  ihre  Zeitgenossen« 
S.  276  ff. 

324.  B.  B,  13.  Mai  1745. 

325.  B.  B.  21.  September  1745,  R.  S.  September  1745. 

326.  Siehe  v.  Reden-Esbeck  »Caroline  Neuber«  etc.  S.  297 — 298. 

327.  B.  B.  13.  Sept.  1745. 

328.  R.  S.  December  1745. 

329.  B.  B.  2.  November  1745,  R.  S.  November  1745. 

330.  R.  S.  December  1745. 

331.  B.  B.  2.  December  1745. 

332.  R.  S.  December  1745. 

333.  B.  B.  7.  December  1745. 

334.  R.  S.  Januar  1746. 

335.  B.  B.  6.  Januar  1746. 

336.  B.  B.  14.  März  1748,  R,  S.  März  1748. 

337.  Ueber  Franziskus  Schuch  siehe  Flögel  »Geschichte  des  Grotesk- 
Komischen«,  »Allgemeines  Theater-Lexikon«,  von  R.  Blum,  K.  Herlosssohn  und 
Marggraff,  VI.  Band.  »Joh.  Christian  Brandes  Lebensgeschichte«  Berlin  1799 — 1800. 
Eduard  Devrient  »Geschichte  der  deutschen  Schauspielkunst«.  Danzel  »Gottsched 
und  seine  Zeit«.  »Chronologie  des  deutschen  Theaters«  von  Dyck  und  Schmid, 
Leipzig  1775.  »Lose  dramaturgische  Blätter«,  Frankfurt  1780  (einige  Anekdoten 
über  Schuch’s  hiesige  Thätigkeit  enthaltend). 

338.  »Chronologie  des  deutschen  Theaters«  S.  144. 

339.  Siehe  ebenda  S.  135. 

340.  B.  B.  14.  Januar  unn  16.  März  1749,  R.  S.  Januar  und  März  1749. 

341.  R.  S.  März  1749. 

342.  B.  B.  10.  Juli  1749. 

343.  R.  S.  Juli  1749. 

344.  B.  B.  15.  und  24.  Juli  1749. 

345.  R.  S.  August  1749,  B.  B.  12.  August  1749. 

346.  B.  B.  15.  Januar  1750. 

347.  Näheres  über  dieses  Stück  in  Dr.  Wilhelm  Creizenach’s  »Zur  Ent¬ 
wickelungsgeschichte  des  neueren  deutschen  Lustspiels«.  (Halle  1879).  S.  30  ff. 

348.  R.  S.  April  1750. 

349.  Ebenda  September  1750. 

350.  B.  B.  12.  Januar  1751.  R.  S.  Januar  1751. 

351.  B.  B.  11.  und  18.  Mai  1751. 

352.  Acta  ecclesiastica  Tom.  VT  TT. 

353.  Schuch’s  in  Frankfurt  aufgefühlte  und  von  Uhlich  verfasste  Vor¬ 
spiele.  Nr.  3. 

354.  R.  S.  Januar  1752. 

355.  R.  S.  März  1756,  B.  B.  2.  März  1756. 

356.  R.  S.  September  1758.  B.  B.  5.  September  1758. 

357.  B.  B.  3.  und  10.  April  1753. 

358.  R.  S.  April  1753. 

359.  Denkwürdigkeiten  des  Jacob  Casanova  von  Seingalt.  B.  VIII.  C.  H. 

360.  B.  B.  29.  August  1754,  R.  S.  1754. 

361.  B.  B.  8.  October  1754. 

362.  R.  S.  October  1754. 

363.  Ebenda  März  1755. 

364.  B.  B.  11.  März  1755. 

365.  B.  B.  20.  März  1755. 


412 


366.  Ebenda  1.  Mai  1755.  R.  S.  April,  Mai. 

367.  Dramaturgische  Blätter,  Frankfurt  1780. 

368.  R.  S.  Juli,  B.  B.  31.  Juli  1755. 

369.  R.  S.  Juli,  August  1755. 

370.  B.  B.  1.  September  1756. 

371.  R.  S.  Oktober,  B.  B.  7.  Oktober  1756. 

372.  B.  B.  13.  Juli  1756. 

373.  B.  B.  8.  März  1757. 

374.  Siehe  F.  L.  W.  Meyer,  »Friedrich  Ludwig  Schröder«  I.  Theil  S.  71. 

375.  Siehe  ebenda. 

376.  »Der  poetische  Dorfjunker,«  übersetzt  von  L.  A.  V.  Gottsched,  ent¬ 
halten  in  der  Wiener  Schaubühne,  X.  Theil. 

377.  Siehe  F.  L.  W.  Mayer  »Friedrich  Ludwig  Schröder«  I.  Theil  S.  33  ff. 

378.  Eine  Abbildung  des  Komödiensaales  im  Junghof  enthalten  in:  von 
Oven  »Das  erste  städtische  Theater  zu  Frankfurt  a.  M.«  (Neujahrsblatt  des  Ver¬ 
eins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  für  das  Jahr  1872.) 

379.  Lectum  in  Senatu  3.  April  1759. 

380.  Lectum  in  Senatu  3.  April  1759. 

381.  Aus  den  Surprise- Acten  F.  644. 

382.  B.  B.  9.  April,  R.  S.  April  1759. 

383.  Lectum  in  Senatu  9.  April  1759. 

384.  B.  B.  10.  April  1759,  R.  S.  April  1759. 

385.  Lectum  in  Senatu  20.  April  1759.  (Aus  den  Surprise- Akten.) 

386.  Siehe  »Goethe’s  Werke,  nach  den  vorzüglichsten  Quellen  revidirte 
Ausgabe,«  Berlin,  Gustav  Hempel.  XX.  Theil  »Dichtung  und  Wahrheit«  mit  Ein¬ 
leitung  und  Anmerkungen  von  G.  v.  Loeper  S.  306. 

387.  Siehe  ebenda.  Die  Operette  »Annette  et  Lubin«  enthalten  in  Favarts 
Theätre  choisi  Tom.  I.  S.  205 — 267. 

388.  Goethe’s  »Wahrheit  und  Dichtung«,  drittes  Buch. 

389.  Lessing’s  Uebersetzung  dieses  Stückes  in  »Das  Theater  des  Herrn 
Diderot  H.«,  ausserdem  ist  dasselbe  auch  zu  finden  in  der  »Wiener  Schaubühne«, 
Xn.  Theil. 

390.  Goethe’s  Werke  nach  den  vorzüglichsten  Quellen  revidirte  Ausgabe 
(Berlin,  Gustav  Hempel)  XXXI.  Theil.  »Rameau’s  Neffe,«  herausgegeben  und 
mit  Anmerkungen  begleitet  von  Fr.  Strehlke  S.  126  ff. 

391.  »Die  Philosophen«  von  Palissot  enthalten  in  »Theätre  et  Oeuvres  diverses 
de  M.  Palissot  de  Montenoy.  Londres,  1763.  Tome  II.  Vergleiche  auch  das  86.  Stück 
von  Lessing’s  Dramaturgie  und  Loeper’s  Anmerkungen  zu  »Dichtung  und  Wahrheit« 
in  der  Ilempel’schen  Ausgabe  von  Goethe’s  AVerken  (XX.  Theil,  S.  306  und  307). 

392.  Siehe  Goethe  »Dichtung  und  Wahrheit«  (Drittes  Buch). 

393.  B.  B.  20.  Juni  und  R.  S.  Juni  1759. 

394.  R.  S.  Januar  und  B.  B.  10.  Januar  1760. 

395.  Protocolle  der  Audienzen  des  jüngeren  Bürgermeisters.  1759  S.  1701. 

396.  Lectum  in  Senatu  6.  Dezember  1760. 

397.  Lectum  in  Senatu  6.  Dezember  1760.  Aus  den  Surprise-Acten. 

398.  Ebenda.  Lectum  in  Senatu  9.  Dezember  1760. 

399.  B.  B.  10.  Dezember  1760. 

400.  R  S.  Dezember  1762,  B.  B.  6.  Januar  1763. 

401.  R.  S.  Dezember  1762. 

402.  R.  S.  Juni  1759. 

403.  Denkwürdigkeiten  von  Jacob  Casanova  von  Seingalt  VIH.  Theil,  erstes 
Kapitel. 

404.  Lectum  in  Senatu  18.  Februar  1762. 

405.  R.  S.  Mai  und  B.  B.  11.  und  13.  Mai  1762. 

406.  Siolio  F.  L.  Meyer  »Friedrich  Ludwig  Schröder«  I.  Theil,  S.  108. 


-  413 


407.  Siehe  über  beide  Vorfälle  ebenda  S.  109  f.  f. 

408.  Historisches  Taschenbuch  von  Riehl  (Brockhaus  1873).  Aus  dem 
Komödiantenleben  des  vorigen  Jahrhunderts  8.  390. 

409.  B.  B.  6.  Januar  1763. 

410.  B.  B.  'und  R.  S.  Januar  1764. 

411.  Aud.  cons.  jun.  16.  März  1764. 

412.  Ebenda. 

413.  Nach  einer  Anzeige  in  der  »Frankfurter  Oberpostamts-Zeitung«. 

414.  B.  B.  22.  Dezember,  R.  S.  Dezember  1763. 

415.  R.  S.  April  1764. 

416.  R.  S.  März  1764. 

417.  B.  B.  24.  April,  R.  S.  April  1764. 

418.  Siehe  »Frankfurter  Concert-Chronik«  von  1713 — 1780,  zusammen¬ 
gestellt  von  Carl  Israel.  S.  43  ff.  (Neujalirsbiatt  des  Vereins  für  Geschichte 
und  Alterthumskunde  zu  Frankfurt  am  Main  für  das  Jahr  1876.) 

419.  Siehe  ebenda  S  44;  auch  R.  S.  März  1763. 

420.  R.  S.  April  1764. 

421.  R.  S.  April  1764. 

422.  B.  B.  19.  April  1764. 

423.  Ebenda,  24.  April  1764. 

424.  R.  S.  August  und  September,  ferner  B.  B.  vom  30.  August,  6.  und 
11.  September  1764. 

425.  R.  S.  Mai,  B.  B.  1.  Mai  1764. 

426.  Barizon’sche  Akten  (Kriegk’s  Nachlass  No.  XI ) 

427.  Aud.  cons.  jun.  19.  Mai  1764. 

428.  Barizon’sche  Akten  (Kriegk’s  Nachlass  No.  XI.) 

429.  Ebenda. 

430.  R.  S.  Mai,  B.  B.  29.  Mai  1764. 

431.  R.  S.  September,  B.  B.  September  1764.  B.  B.  12.  Februar,  R.  S. 
Februar  1765. 

432.  B.  B.  7.  Mai,  R.  S.  Mai  1765. 

433.  B.  B.  19.  September  1765. 

434.  »Chronologie  des  deutschen  Theaters«  von  Ch.  II.  Schmied  und  Dyck. 
S.  214,  231,  314. 

435.  R.  S.  April  und  Juni,  und  B.  B.  24.  April  und  17.  Juli  1766. 

436.  R.  S.  August,  B.  B.  7.  August  1766. 

437.  R.  S.  Oktober,  B.  B.  9.  Oktober  1766. 

438.  R.  S.  Oktober,  B.  B.  7.  Oktober  1766. 

439.  Kurz-Richter’scho  Akten,  die  Errichtung  einer  Komödienhütte  betreffend. 

440.  Ebenda. 

441.  B.  B.  11.  März  1767. 

442.  B.  B.  22.  September,  R.  S.  September  1767. 

443.  Theater-Journal  für  Deutschland  (Gotha  1782)  19.  Stück. 

444.  Siehe  F.  L.  "W.  Mayer  »Friedrich  Ludwig  Schröder«  etc.  I.  B.  S.  162  ff. 

445.  Siehe  ebenda,  H.  B.  S.  144  und  145. 

446.  Siehe  ebenda,  I.  B.  S.  163. 

447.  Acta  ecclesiastica,  Tom.  Vm. 

448.  Ebenda. 

449.  R.  S.  Dezember,  B.  B.  3.  und  10.  Dezember  1767. 

450.  R.  S.  Mai,  B.  B.  26.  Mai  1768. 

451.  Siehe  F.  L.  W.  Mayer  »Friedrich  Ludwig  Schröder«  etc.  I.  B.  S.  171. 

452.  Acta  ecclesiastica,  Tom.  VIH, 

453.  Kurz’sche  Akten  wegen  Erbauung  einer  Komödienhütte. 

454.  »Pflichten  des  Christlichen  Dichters  in  dem  Dramatischen  und  Beur- 
theilung  der  Jungfer  Mayem,  Pnilippine  Damien  und  des  Marmonteli sehen  Belisaire« 


414 


S.  23  f.  f.  von  Dr.  Johann  Balthasar  Kölbele.  (Frankfurt  am  Mayn  1769  in  der 
Andreä’schen  Buchhandlung.) 

455.  R.  S.  April  1768. 

456.  R.  S.  April,  B.  B.  21.  April  1768. 

457.  B.  B.  27.  September  1768. 

458.  R.  S.  September  1768,  B.  B.  6.  Oktober  1768. 

459.  R.  S.  November,  Dezember  1768  und  Januar  1769.  B.  B.  15.  November, 
29.  Dezember  1768  und  3.  Januar  1769. 

460.  B.  B.  7.,  9.  und  14.  März  1769. 

461.  R.  S.  April  1769. 

462.  Ebenda. 

463.  B.  B.  11.  April,  R.  S.  August  1769. 

464.  Akten,  den  Principal  Joseph  Sebastiani  betreffend. 

465.  Ebenda. 

466.  B.  B.  31.  August  1769. 

467.  R.  S.  Mai  1769. 

468.  B.  B.  21.  Mai  1770. 

469.  Supplikation  mit  Rathsbeschluss  November  1770. 

470.  R.  S.  Januar  1771.  Siehe  auch  Jacob  Petli  »Geschichte  des  Theaters 
und  der  Musik  zu  Mainz«  S.  45  ff. 

471.  R.  S.  Januar  1771. 

472.  B.  B.  14.  März,  11.  April,  R.  S.  März,  April  1771. 

473.  R.  S.  Mai,  B.  B.  28.  Mai  1771. 

474.  R.  S.  Dezember,  B.  B.  19.  Dezember  1771. 

475.  Ein  Theil  dieser  in  der  Andreä’schen  Buchhandlung  erschienenen  Stücke 
ist  im  VI.  Band  der  von  Marie  Belli,  geb.  Gontard  unter  dem  Titel  »Leben 
in  Frankfurt  am  Main«  zusammengestellten  Auszüge  aus  den  Frag-  und  Anzeigungs- 
Nachrichten  S.  5  und  6  zu  fmden. 

476.  Siehe  Jacob  Peth  »Geschichte  des  Theaters  und  der  Musik  zu  Mainz«  S.  49 

477.  Siehe  »Chronologie  des  deutschen  Theaters«  von  Schmid  und  Dyck 
S.  348.  (Leipzig  1775.) 

478.  Siehe  ebenda. 

479.  Siehe  Jacob  Peth  »Geschichte  des  Theaters  und  der  Musik  zu  Mainz«  S.  48. 

480.  Siehe  »Goethe’s  Werke  nach  den  vorzüglichsten  Quellen  revidirte  Aus¬ 
gabe«,  herausgegeben  von  Gustav  Hempel,  Berlin.  XXIII.  Theil  »Dichtung  und 
Wahrheit«  mit  Einleitung  und  Anmerkungen  von  G.  v.  Loeper.  Anmerkung  No.  642 
zum  XVII.  Buch  gehörig. 

481.  Siehe  ebenda,  auch  »Urania«  S.  92. 

482.  Marie  Belli  geb.  Gontard  »Leben  in  Frankfurt«  etc.  VI.  S.  38. 

483.  Siehe  Goethe’s  Werke  etc.  XXIII.  Theil.  Anmerkung  643,  zum  XVII. 
Buche  von  »Dichtung  und  Wahrheit«  gehörig. 

484.  Siehe  Goethe’s  »Wahrheit  und  Dichtung«,  XVII.  Buch. 

485.  R.  S.  Oktober  1773. 

486.  B.  B.  28.  Oktober  1773  und  15.  März  1774. 

487.  Nach  den  Einzeichnungen  in  das  Rechnungshauptbuch  der  Stadt  Frank¬ 
furt;  und  nach  den  Bürgermeisterbeschlüssen  und  verschiedenen  Bittschriften 
Marchand’s  zusammengestellt. 

488.  Nacli  Angaben  Marchand’s  in  mehreren  seiner  Bittschriften  aus  den 
Jahren  1771—1777. 

489.  R.  S.  November  1774. 

490.  B.  B.  3.  November  1774. 

491.  Die  Ziehung  des  »Manheimer  Lotto«  ist  in  den  »Frag-  und  An¬ 
zeigungs-Nachrichten«  am  6.  April  1773  gemeldet  und  sämmtliche  Stücke  dabei 
angeführt.  Siehe  auch  Marie  Belli  geb.  Gontard,  »Leben  in  Frankfurt«  etc. 
VI.  ß.  S.  30. 


415 


492.  "Heber  Marchand’s  Streit  mit  dem  Grafen  von  Nesselrode  siehe 
»Chronologie  des  deutschen  Theaters«,  Leipzig  1775.  Alles  Weitere  ist  den  beiden 
Broschüren  »Kritik  über  die  Marchandisclie  Schauspielergesellschaft«  und  »An  den 
Verfasser  der  Schmähschrift  unter  dem  Titel  »Kritik  über  die  Marchandisclie  Schau¬ 
spielergesellschaft«  entnommen. 

493.  Auch  veröffentlicht  in  Marie  Belli  geh.  Gontard  »Leben  in  Frankfurt«  etc. 
VI.  B.  S.  75. 

494.  Veröffentlicht  ebenda,  S.  93  und  94. 

495.  ß.  S.  Januar  1777. 

496.  B.  B.  16.  Januar  1777. 

497.  Briefe  die  Seylerische  Schauspielergesellschaft  und  ihre  Vorstellungen 
zu  Frankfurt  am  Mayn  betreffend  von  H.  L.  Wagner  S.  91.  (Frankfurt  am  Mayn 
bei  den  Eichenbergischen  Erben  1777). 

498.  Ebenda  S.  25. 

499.  Siehe  »Allgemeines  Theater-Lexikon  etc.«  herausgegeben  von  R.  Blum, 
K.  Herlosssohn,  H.  Marggraff.  IV.  B.  u.  v.  Reden-Esbeck,  Deutsches  Bühnen -Lexikon. 

500.  Das  Motto  des  Vorhangs  Ridendo  castigat  mores  (Lachend  bessert  sie 
die  Sitten)  ist  auch  in  Wagner’s  Briefen  über  die  Seyler’sche  Gesellschaft  S.  41 
erwähnt. 

501.  Alle  kritischen  Auszüge  in  diesem  Abschnitt  sind  dem  aus  achtzehn 
Briefen  bestehenden  Werke  H.  L.  Wagner’s  über  die  Seyler’sche  Gesellschaft 
entnommen. 

502.  Orang-Outang  ist  der  bekannte  Buckhändler  Nicolai  in  Berlin,  welcher 
nach  dem  Erscheinen  von  Goethe’s  »Werther’s  Leiden«  1774  eine  Art  Parodie  auf 
dieses  Werk  »Freuden  des  jungen  Werther’s,  Leiden  und  Freuden  Werther’s  des 
Mannes«  geschrieben  hatte.  Hierfür  wurde  er  in  der  von  H.  L.  Wagner  verfassten 
Satyre  »Prometheus,  Deukalion  und  seine  Recensenten«  hart  mitgenommen.  Wie 
alle  in  derselben  auftretenden  Personen,  so  erschien  auch  Nicolai  unter  einer  Thiermaske 
und  zwar  als  grässlicher  Orang-Outang  vor  welchem  die  göttlichen  entsetzt  fliehen. 

503.  B.  B.  19.  August  1777. 

504.  Siehe  Frankfurter  Beiträge  zur  Ausbreitung  nützlicher  Künste  und 
Wissenschaften  I.  B.  IV.  Stück  (vom  27.  Januar  1780). 

505.  B.  B.  7.  Mai  1778. 

506.  R.  S.  September,  B.  B.  22.  September  1778. 

507.  R.  S.  September,  B.  B.  17.  September  1778. 

508.  Siehe  Dr.  Erich  Schmidt  »Heinrich  Leopold  Wagner,  Goethe’s  Jugend- 
genösse«  S.  22  und  23  (Jena,  Verlag  von  E.  Froman,  1875). 

509.  Näheres  über  »Evchen  Humbrecht«  etc.  und  die  Beziehungen  dieses 
Stückes  zu  anderen  dramatischen  Erzeugnissen  jener  Zeit  findet  sich  in  der 
ebengenannten  Monographie  Dr.  Erich  Schmidt’s  in  dem  Abschnitt  »Die  Kinder- 
mörderinn,  ein  Trauerspiel«. 

510.  B.  B.  22.  Oktober,  R.  S.  Oktober  1778. 

511.  R.  S.  Oktober,  B.  B.  20.  Oktober  1778. 

512.  Ebenda  Dezember  1778. 

513.  R.  S.  Februar  1780. 

514.  B.  B.  17.  Februar  1780. 

515.  Die  kritische  Abhandlung  über  die  Grossmann  und  Hellmuth’sche 
oder  Kurcölnische  Schauspieler-Gesellschaft,  enthalten  in  dem  XXXH.,  XXXIV. 
und  XXXVI.  Stück  des  H.  Bandes  der  Frankfurter  Beiträge  zur  Ausbreitung 
nützlicher  Künste  und  Wissenschaften  vom  10.  und  24.  August  und  7.  Sep¬ 
tember  1780. 

516.  Die  Kritik  über  »Julius  von  Tarent«  von  Leisewitz  findet  sich  in  dem 
XIV.  Stück  des  I.  Bandes  der  »Frankfurter  Beiträge«  etc. 

517.  Akten,  die  am  28.  Mai  1780  stattgefundene  Aufführung  von  Julius 
von  Tarent  betreffend. 


# 


416 


518.  Ebenda,  wie  anch  alle  anderen  auf  die  Verhandlungen  über  das 
genannte  Trauerspiel  bezüglichen  Mittheilungen. 

519.  B.  B.  18.  April  1780. 

520.  Kritik  über  die  am  7.  April  1780  gegebene  Vorstellung  des  Weisse’schen 
Trauerspiels  »Romeo  und  Julie«,  enthalten  im  XVI.  Stück  des  I.  Bandes  der 
»Frankfurter  Beiträge«. 

521.  Aud.  cons.  jun.  Weitere  auf  den  Direktor  Böhm  bezügliche  Senats¬ 
beschlüsse:  B.  B.  den  22.  Februar,  15.  März,  1.  Mai,  18.  September  1781. 

522.  R.  S.  September  1779.  April  und  Mai  1780.  Februar,  März,  Mai  und 
September  1781.  März,  April  und  Mai  1782. 

523.  B  B.  0.  November  1781. 

524.  R  S.  November  und  Dezember  1780  und  März  1781.  B.  B.  28.  No¬ 
vember,  28.  Dezember  1780  und  13.  März  1781. 

525.  Anzeige  im  »Frankfurter  Staats-Ristretto«  vom  2.  September  1782. 
»Die  im  neu  erbauten  Stadt-Komödienhause  auf  heute  angesetzte  Vorstellung, 
kann  wegen  einiger  im  Bauwesen  vorgefallenen  Hindernisse  erst  Morgen,  Dienstags 
den  3.  September,  gegeben  werden,  welches  hiermit  schuldigst  anzeigen  wollen 

Grossman  n.« 

[Der  »Frankfurter  Staats-Ristretto«  ist  das  bedeutendste  hiesige  Blatt  der 
80er  Jahre  des  vorigen  Jalu'himderts,  es  enthält  wichtige  Theaternachrichten  und 
bringt  die  ersten  regelmässigen  Anzeigen  der  abzuhaltenden  Vorstellungen.] 

526.  Die  Besetzung  des  Stückes  Hanno,  Fürst  im  Norden,  ist  nach  dem 
Personalbestand  der  Kurcölnisehen  Gesellschaft  im  Jahre  1782  und  genau  nach 
der  damaligen  Vertheilung  der  verschiedenen  Rollenfächer  festgestellt  worden. 


Beilagen. 


I. 

Einladungsschrift  von  L.  A.  Denner  zur  Magistratskomödie,  Herbstmesse  1731. 

Denen  Hoch-Edel-Gebohrnen,  Gestrengen,  Hoch-Edlen,  Yest- 
und  Hoch-gelahrten,  Wohlfürsichtigen,  und  Hochweisen,  Ehren-Yesten 
und  Wohlweisen  Herrn,  Herrn  Schultheiss,  Bürgermeistern,  Schöffen 
und  Rath  der  löbl.  Freyen-  Reichs-  Wahl-  Crönungs-  und  Handel-Stadt 
Frankfurt  am  Main, 

Meinen  Gnädigen  und  Hochgebiethenden  Herrn  Wolte  Folgende 
Haupt-Aktion  nebst  vorhergehenden  Musicalischen  Prologo,  von  vier 
Th  eilen  der  Welt  genannt 
LE  CID 

Oder  Streit  zwischen  Ehre  und  Liebe, 

In  der  Person  Roderichs  und  Chimene. 

Als  ein  Zeichen  seiner  unterthänigen  Pflicht  und  Schuldigkeit, 
gehorsamst  aufführen  und  verbundenst  dediciren, 
deroselben  unterthäniger  Diener 
Leonhard  Andreas  Denner. 

Der  Königl.  Gross.  Britt.  und  Churfürstl.  Braunschw.  Lüneburg 
Hof-Akteurs  Prinzipal. 

Lasst  Eurer  Gnade  uns  Gedächtnüss-Säulen  setzen, 

Dieweil  dieselbe  Wir  vor  Wunder- Werke  schätzen; 

Ihr  Häupter  dieser  Stadt,  ihr  Yäter  voller  Macht, 

Die  ihr  vor  Karols  Thron  als  muntre  Adler  Wacht. 

Wer  ehrt  die  Weisheit  nicht  mit  tausend  Lorbeer-Zweigen? 

Yor  welcher  jedermann  zur  Erde  sich  muss  neigen, 

Wer  schauet  nicht  gebückt  den  Thron  der  Hoheit  an 
Der  mit  dem  Sieges-Krantz  und  Palmen  angethan. 

Wie  sollten  wir  auch  nicht  uns  dankbar  heut  erzeigen, 

Und  vor  den  Bäumen  uns  und  dessen  Blättern  neigen, 

Die  ihren  Schatten  uns  vergönnt  in  sichrer  Ruh, 

Drumb  wollen  wir  uns  jetzt  vollkommen  nahenzu 
Auf  Euren  Gnaden-Blick  die  Hoffnung  heut  zu  gründen, 

Wir  bitten,  lasset  Euch  bey  unserem  Schauplatz  finden. 

Entzieht  dem  hohen  Ambt  den  angeflammten  Geist, 

Der  sonst  für  Land  und  Leuth  Euch  allzeit  sorgen  heisst, 

21 


418 


Ihr  seid  die  Sonnen  ja,  wir  nur  die  Sonnen-Wende 
Wir  neigen  uns  vor  Euch,  umfangen  Knie  und  Hände; 

Dann  unser  Schatten-Werk  folgt  Eurem  Lorbeer  nach, 

Wann  Ihr  uns  stets  beschützt  trifft  uns  kein  Ungemach. 

Es  ist  der  Götter-Arth,  dass  sie  niemals  verschmähen 

Des  Weyrauchs  schlechten  Dampff,  wann  sie  von  Tempeln  gehen. 

Das  Perlen-reiche  Meer  nimmt  kleine  Bächlein  auf, 

Die  Wasser  zinsen  nur  mit  ihrem  schnellen  Lauff. 

So  zweifeln  wir  auch  nicht,  ihr  Häupter  vieler  Glieder, 

Dass  sich  die  Hoheit  wird  zur  Demuth  lassen  nieder. 

Der  Abriss  ist  gemacht,  der  Pinsel  sich  verführt, 

Wann  Eurer  Sonnen-Gold  uns  nur  zu  rechte  führt. 

Es  werde  Euer  Ruhm  mit  mehr  dann  tausend  Zungen 
Anjetzo  wie  zuvor  in  aller  Welt  besungen. 

Wo  Lieb  und  Einigkeit  die  Stadt  noch  fester  macht, 

Als  würden  hundert  Wäll’  und  Graben  drum  gebracht. 

Der  Himmel  lasse  stets  Euch  weise  Väter  grünen, 

Dass  sie  noch  ferner  fort  dem  Regimente  dienen, 

So  weislich,  als  sie  thun,  und  vormahls  schon  gethan, 

Es  reiche  diss  Ihr  Lob  bis  zu  der  Sternen  Bahn. 

Es  blühe  immerdar,  es  müsse  nie  vergehen, 

Ein  solches  Regiment,  so  durch  sie  kan  bestehen. 

Noch  dieses  wünschen  wir,  ach  blühet,  blühet  fort, 

Nehmt  uns  in  Eure  Gnad,  habt  Dank  mit  einem  Wort. 

In  dem  Theatro  sind  folgende  Emblemata  zu  sehen: 

I.  Ein  Herz,  so  von  allen  4  Haupt-Winden  angeblasen  wird,  cum 

lemmate : 

Stat  immotum,  Cor  devotum. 

II.  Zwey  aus  denen  Wolken  gehende  Hände,  so  ein  Herz  umfassen 

mit  der  Ueberschrift : 

Corda  cuncta,  Sic  sint  juncta, 

III.  Ein  Herz  an  einen  Felsen  geschmiedet  mit  denen  Worten : 

Ante  Scutum  Cor  flat  tutum. 

IV.  Ein  unter  einem  Palmen-Baume  ruhender  Wanders-Mann,  mit 

der  Umschrift: 

Sub  hac  Palma  Quies  Alma. 


Actiones  in  Prologo. 

Asia,  America,  Africa  Europa. 

Hierbei  folgt  ein  Musikalischer  Prologus,  von  vier  Theilen 
der  Welt. 


Asia. 

Pegu  Adern  gläntzen, 

In  der  Türken  Gräntzen, 

Darum  bleibt  der  Vorzug  mein, 


419 


Kann  auch  von  Bornäens  Steinen, 

Ein  berühmter  Jaspis  scheinen, 

Und  nicht  ganz  verächtlich  seyn  ?  da  Capo 
A  f  r  i  c.  a. 

Und  mein  was  soll  das  Streiten  ? 

Ich  weiss  was  zu  bedeuten 
Hat  meiner  Mohren  Macht: 

Wenn  ich  mit  Pfeil  und  Bogen 
Komm  einmahl  aufgezogen, 

So  muss  dein  Glantz  erbleichen 
Und  vor  mir  Segel  streichen,  da  Capo 
America. 

Wo  bleib  dann  ich, 

Dass  Ihr  nicht  mein  gedenkt 
Und  meine  Ehre  kränkt. 

Es  bleibt  dabey  ja,  ja, 

Ich  bin  Herr  hier  und  da. 

Mein  Säbel  soll  Euch  weisen, 

Wie  meine  Macht  zu  preisen, 

Darum  vereinet  mich!  da  Capo 
E  uro  p  a. 

Ach  schweigt  mit  eignen  Loben 
Und  lasst  vielmehr  die  Proben 
Von  Eurer  Demuth  spüren, 

Und  was  Euch  will  gebühren. 

Weil  heut  so  viele  Sonnen, 

Des  Frankfurts  Zierd  und  Wonnen, 

Sich  zeigen  hell  und  klar. 

Drum  theuerste  Väter  lebet! 

In  höchsten  Freuden  schwebet 
Unzehlig  lange  Jahr! 

Chorus. 

Auf  Ihr  Helden  und  thut  Euch  bereiten 
Mit  Europa  in  vollen  Freuden, 

Ja  lasset  da  Vivat  uns  gar  nicht  verhehlen: 

Dieser  Stadt  Väter  sollen  Nestors  Jahr  zehlen ! 

Kurze  Content a. 

Es  Hesse  sich  der  König  von  Arragonien  gefallen,  den  alten 
Don  Diego,  als  des  Roderichs  Vater  wegen  seiner  treu  geleisteten 
Dienste,  zu  einem  Ober-Hofmeister  seines  Prinzen  zu  erkiesen,  diese 
Ehre  missgönnet  ihm  Don  Gormas,  der  Chimene  Vater,  und  da  sie 
beyde  in  einen  Wortstreit  gerathen,  griffen  sie  letzlich  zu  den  Waffen; 
und  wird  der  alte  Don  Diego  von  dem  Graf  Gormas  disarmirt.  Und 
da  Don  Diego  sich  aufs  höchste  beschimpft  siehet,  übergibt  er  die 
Rache  seinem  Sohn  Don  Roderich,  welcher  auch  in  einem  Duell 

21* 


420 


den  Don  Gormas  erleget.  Und  da  Ehr  und  Liebe  sowohl  in  Rode- 
richs  als  Chimenes  Brust  einen  starken  Wett-Streit  halten,  behält 
doch  die  Ehre  die  Oberhand.  Letztlich  fasst  der  König  auf  Chimene 
vielfältiges  Anhalten  den  Schluss,  dass  Don  Sanche  ihr  Recht  durch 
einen  Zwey-Kampf  vertheidigen  soll,  wer  nun  überwinden  würde,  der 
sollte  mit  Chimene  vermählt  werden,  da  es  dann  Roderich  glücket, 
dass  er  Sanche  ebener  massen  überwindet,  und  übergiebt  ihm  der 
König  Chimene  zu  einer  Gemahlin  mit  der  Bedingung,  dass  nach 
Vollendung  des  Trauer- Jahres  Roderich  mit  Chimene  soll  vermählet 
werden. 

Hierbey  folgen  die  Arien  so  in  der  Comoedie  gesungen  werden. 
Aria  der  Chimene. 

Ach  ihr  unglückseelge  Augen, 

Werdet  doch  zum  Thränen-Fluss, 

Weint  ach!  weint  mit  herben  Schmertzen, 

Weil  doch  eurem  treuen  Herzen 

Aller  Trost  verschwinden  muss.  Da  Capo. 

Aria  der  Infantin. 

Wann  du  deinen  Schatz  wirst  küssen, 

Küss  ihn  auch  einmahl  vor  mich. 

Dann  ich  hab  ihn  auch  geliebet, 

Doch  da  er  sich  dir  ergiebet, 

Will  ich  meine  Liebe  schliessen, 

Nur  noch  darum  bitt  ich  dich.  Da  Capo. 

Aria  der  Elvire. 

Seyd  einst  gütig  schönste  Augen, 

Martert  doch  mein  Herz  nicht  mehr; 

Lasst  aus  eurem  holden  Wesen 
Mich  ein  süsses  Trost- Wort  lesen, 

Quälet  mich  doch  nicht  so  sehr.  Da  Capo. 

Aria  der  Chimene. 

Geliebter  Roderich,  ich  will  gar  gerne  sterben, 

Und  durch  den  Tod  verderben, 

Vergiss  nur  meiner  Treue  nicht, 

Wann  mir  der  blasse  Tod  das  matte  Herze  bricht. 

Der  güt’ge  Himmel  lasse  dich,  nach  meinem  Tod 
Noch  viel  verjüngte  Jahre  zehlen. 

Er  wolle  dir  dieselben  gönnen,  die  ich  noch  hätte  leben  können. 
Ich  aber  geh’  mich  mit  dem  Tode  zu  vermählen. 

Sobald  mein  mattes  Herze  bricht,  so  soll  mein  Geist  noch  raffen. 
Mein  Roderich  ach!  vergiss  Chimene  nicht. 

Aria. 

Wann  mich  mein  Roderich  noch  liebet, 

So  geh’  ich  willig  in  den  Tod, 


421 


Mein  Seuffzen,  meine  Thränen, 
Die  sollen  dich  versöhnen, 

Man  läutet  mir  zum  Grabe, 

Ich  sterbe  ohne  Noth.  Da  Capo. 


n. 

Einladung-sschrift  der  Neuberin  zur  Magistratskomödie  Herbstmesses  1736. 

(  Titelblatt.) 

Einem  Hoch-Edlen  und  Hochweisen  MAGISTRAT  des  Heil.  Reichs 
freyen  Stadt  Frankfurt  am  Mayn  zu  Ehren  und  schuldigsten 
Dankkbarkeit  wird  heute  ein  deutsches  Schauspiel,  genannt: 

DIE  HORATIER 

Oder:  Die  vor  ihre  Vaterstadt  treu  gesinnten  Patrioten, 

Hebst  einem  neu  dazu  verfertigtem  Vorspiele,  genannt: 

Die  Herbstfreude, 

Zugeeignet  und  vorgestellt  von  den  Königl.  Pohln.  Churfürstl. 
Sächsischen,  imgleichen  Hoch-Fürstl.  Braunschw.  Lüneb.  Wolffenb., 
Nunmehro  auch  Hoch-Fürstl.  Schleswig-Holsteinischen 
Hof-Comödianten. 

Freitag,  den  2.  November  1736. 

(Zweites  Blatt.) 

Ihr  Väter  dieser  Stadt! 

Die  Frankfurts  Wohl  vermehren, 

Wir  müssen  Euch  mit  Dank  und  wahrer  Demuth  ehren, 

Dass  Eure  Güt  und  Huld  uns  hier  geschützet  hat. 

Es  fehlt  an  Kräften  zwar,  doch  findt  der  Wille  statt, 

Wenn  er  sich  dankbar  zeigt;  denn  Hoheit,  Pracht  und  Gaben, 

Die  können  in  der  Welt  nicht  alle  Leute  haben. 

Wir  sorgen  nur  dafür,  dass  unsere  Schuldigkeit 
Das  Danken  nicht  vergisst.  Wir  sind  dazu  bereit. 

Die  Zuflucht  müssen  wir  zu  Eurer  Weisheit  nehmen, 

Wenn  diese  für  uns  spricht,  so  kann  uns  nichts  beschämen, 

Wenn  die  uns  schützen  hilft,  so  trift  die  Hofnung  ein: 

Es  wird  Euch  unser  Dank,  das  Spiel,  gefällig  seyn. 

Zumahl  wenn  unser  Fleis  dadurch  ein  Zeugnis  giebet,, 

Wie  man  die  Bessrung  sucht,  wie  sich  ein  jeder  übet, 

Derselben  nachzugehn.  Wenn  die  Erfahrung  spricht: 

Es  fehlet  fast  itzund  an  keinem  Umstand  nicht, 

Es  ist  zum  wenigsten  der  grösste  Theil  gehoben, 

Es  giebt  uns  Frankfurt  nun  die  allerbesten  Proben. 

Wie  sittsam  höret  man  nicht  einem  Schauspiel  zu? 

Was  zeigt  man  für  Verstand,  wie  liebt  man  Zucht  und  Ruh? 

Es  hat  sich  der  Geschmack,  was  Gutes  anzusehen, 

Jetzund  weit  mehr  erhöht,  als  es  vordem  geschehen. 


422 


Die  Menge  fehlt  zwar  noch;  allein  der  Anfang  zeigt, 

Dass  immer  nach  und  nach  das  Gute  höher  steigt. 

Ihr  Yäter  dieser  Stadt!  Die  Menge  guter  Gaben, 

Die  müssen  Euch  zum  Grund,  zu  ihrer  Yorschrift  haben: 
Denn  Eure  Weisheit  gönnt  der  Tugend  ihren  Platz, 

Die  giebt  Euch  und  erhält  dadurch  den  grösten  Schatz, 

Denn  Eurer  Bürger  Ruhm,  der  muss  auch  Euch  erfreuen, 

Yon  Ihrer  Tugend  kömmt  der  Seegen,  das  Gedeyen, 

Ihr  Ansehn  bringt  Euch  Ruh,  dass  Euch  die  gantze  Welt 
Bey  Eurem  Regiment  durch  sie  geseegnet  hält. 

Erlaubt  uns,  dass  auch  wir  das  Gute  recht  erkennen, 

Das  Euer  Frankfurt  ziert,  und  lasset  uns  nicht  trennen 
Yon  Eurer  Gütigkeit.  Nehmt  unsre  Demuth  an, 

Und  bleibt  uns  künftig  auch  mit  Güte  zugethan! 

Der  Himmel  seegne  Euch  in  allem  Thun  und  Lassen, 

Dass  Euch  so  gar  kein  Feind  vermögend  ist  zu  hassen, 

Dass  jeder  gute  Theil  sich  immer  besser  zeigt, 

Dass  Euer  Glück  und  Ruhm  noch  immer  höher  steigt ! 

Was  die  Gelehrsamkeit  ergründet,  forscht  und  siehet, 

Was  durch  die  Kauffmannschaft  vor  reicher  Seegen  blühet, 
Was  jedem  Bürger  nützt,  was  jeder  Fremde  bringt, 

Was  List  und  Schaden  dämpft,  was  Neid  und  Feind  bezwingt, 
Was  Friede  macht,  was  schützt,  was  Euren  Ruhm  vermehret, 
Was  Eure  liebe  Stadt  in  jedem  Stand  ernähret, 

Yergnügt  und  glücklich  macht,  das  werde  täglich  neu! 

Dass  unser  Wunsch  erfüllt,  der  Dank  geseegnet  sey. 


(Drittes  Blatt.)  Das  Yorspiel  wird  genannt: 

Die  Herbst  - Freu  de. 
Personen : 


Der 

Die 

Der 

Die 

Die 

Die 

Die 

Die 

Der 

Der 

Der 

Der 

Der 

Der 

Der 

Der 

Der 


Herbst. 

Mässigkeit,  als  eine  Schäferin. 

Genuss,  als  ein  Schäfer. 

Yernunft,  als  eine  Heldin. 

Freude,  als  ein  Yorsteher  des  Tempels  der  Yernunft. 
Thorheit,  | 


Frechheit, 

Y  erschwendung, 
Uebermuth, 
Undank, 
Müssiggang, 
Ernst, 

Fleiss, 

Gehorsam, 
Handel, 

W  ohlstand, 
Nutzen, 


als  Bäuerinnen. 


als  Bauern. 


als  Schäfer-Knaben. 


423 


Die  Wahrheit, 
Die  Frömmigkeit, 
Die  Arbeit, 

Die  Hofnung, 

Die  Liebe, 

Das  Vergnügen, 
Ein  Schutz-Geist. 


>  als  Schäfer-Mädchen. 


Die  Schaubühne  stellet  eine  Allee  von  fruchtbaren  Bäumen 
vor.  In  der  Mitte  stehet  eine  mit  Weintrauben  und  dergl.  Herbst- 
Früchten  geschmückte  Hütte.  Vor  der  Hütte  stehet  auf  der  einen 
Seiten  ein  Tisch  mit  goldenen  Körben,  in  welchen  Trauben  und 
andere  Früchte  Kegen.  Auf  der  andern  Seiten  ein  Tisch  mit  ein¬ 
geschenkten  Glässern  und  vollen  Wein-Flaschen.  Am  Theater  siehet 
man  auf  der  einen  Seiten  das  Bild  der  Tugend  als  ein  junges 
Frauenzimmer.  Auf  der  andern  Seiten  das  Bild  der  Grosmuth,  als 
ein  Frauenzimmer  mit  einer  Krone.  Ueber  dem  Theater  zwey 
fliegende  Kinder,  welche  das  Franckfurter  Wappen  halten.  In  der 
Hütte  sitzet  der  Herbst  und  bev  ihm  die  Mässigkeit  und  der 
Genuss.  Zu  ihnen  kommen  der  Uebermuth,  die  Thor  heit, 
der  Undank,  die  Frechheit,  der  Müssiggang  und  die  Ver¬ 
schwendung.  Die  sind  empfindlich  darüber,  dass  sie  nicht  auch 
zu  diesem  Feste  gebethen  worden.  Es  öfnet  sich  die  hintere  Wand 
an  der  Hütte,  alwo  man  im  Prospecte  auf  beyden  Seiten  Weingärten, 
in  der  Mitten  aber  den  Tempel  der  Vernunft  siehet,  welcher  durch 
eine  Sonne  beleuchtet  wird.  Es  treten  auf:  Die  Vernunft  als 
eine  Heldin,  die  Freude  als  Vorsteher  aus  dem  Tempel  der  Ver¬ 
nunft;  für  ihnen  her  gehen:  Die  Arbeit,  die  Wahrheit,  die 
Frömmigkeit  als  die  Töchter  der  Tugend,  die  Hofnung,  die 
Liebe,  das  Vergnügen,  als  die  Töchter  der  Unschuld. 

Es  geseUen  sich  zusammen : 

Die  Wahrheit  und  der  Ernst 

Die  Frömmigkeit  und  der  Fleiss. 

Die  Arbeit  und  der  Gehorsam. 

Die  Hofnung  und  der  Handel. 

Die  Liebe  und  der  Wohlstand. 

Das  Vergnügen  und  der  Nutzen. 


Das  übrige  wird  angenehmer  zu  sehen  und  zu  hören  als  zu 
lesen  seyn. 

Dieses  Vorspiel  ist  verfertigt  von  Friederica  Carolina 
Neuberin. 

Hierauf  folgt  das  Schauspiel,  genannt: 


424 


tt 


DIE  HORATIER 

Oder:  Die  vor  ihre  Yater-Stadt  treu  gesinnten  Patrioten. 

Personen: 

Horatius,  der  Vater,  ein  Römischer  von  Adel  [Herr  Kohlhardt.] 

Horatius,  der  Sohn . [Herr  Schönemann.] 

Curiatius,  ein  Albaner,  der  Camilla  Bräutigam  [Herr  Suppig.] 

Camilla,  des  alten  Horatius  Tochter,  und  Cu¬ 
riatius  versprochene  Braut . [Madm.  Schönemann.] 

Clelia,  des  jungen  Horatius  Tochter  .  .  .  [Jgfr.  Philippine  Turnier.] 

Taraninius,  des  jungen  Horatius  vertrauter 

Freund,  in  die  Clelia  verliebt  ....  [Herr  Koch.] 

Valerius,  ein  römischer  Bürger,  und  Be¬ 
kannter  des  Horatius . [Herr  Türpe.] 

Ein  römischer  Soldat. 

[4.  Blatt.]  Kurzer  Yorbericht. 

Rom  hatte  den  Albanern  die  Geburt  des  ersten  Stifters  Ein¬ 
hundert  und  sieben,  dem  sorgsamen  Romulus  aber  die  glückliche 
Erbauung  ein  und  achtzig  Jahre  zu  danken ,  als  Tullus  Hostilius 
durch  gemeine  Wahl  und  Bestätigung  der  Yäter,  Haupt  und  König 
wurde.  Ein  kleiner  Missverstand,  der  sich  zwischen  den  Albanern 
und  Römern  auf  dem  Lande  ereignete,  gab  ihm  vollkommene  Ge¬ 
legenheit,  die  Liebe  zum  Kriege  unter  dem  Mantel  Landsväterliche 
Vorsorge  zu  verbergen.  Metius  Suffetius,  der  nach  des  Clecilius  Tode 
zum  Könige  in  Alba  ernennet  worden,  flöhe  hingegen  den  Krieg,  so 
sehr,  als  ihn  jener  suchte.  Desswegen  bewegte  er  den  Römischen 
König  dahin,  dass  die  harte  Schlacht,  zu  welcher  man  sich  schon 
auf  beyden  Theilen  schickte,  eingestellt,  und  auf  jeder  Seite  drey 
tapfere  Kämpfer  ausgesucht  wurden,  welche  miteinander  um  die  Ober¬ 
herrschaft  fechten  sollten.  Römischer  Seiten  fiel  das  Loos  auf  drey 
Brüder  des  Geschlechts  der  Horatier,  und  die  Albaner  begehrten 
gleichfals  drey  Brüder  aus  dem  Hause  der  Curiatier.  Alle  sechse 
verehrten  den  verstorbenen  Sequinius ,  einen  vornehmen  Albaner, 
als  ihren  Gross-Yater.  Selbiger  hatte  zwo  Töchter,  die  Zwillinge  waren. 
Eine  davon  vermählte  er  an  den  Yater  der  Horatier,  die  andere  aber 
an  den  Yater  der  Curiatier.  Beyde  hielten  an  einem  Tage  Hochzeit, 
und  nach  einem  Jahre  gebahr  jede  drey  Söhne,  nehmlich  diese  sechs 
Kämpfer,  welche  nun  miteinander  streiten  solten.  Ein  Curiatius 
richtete  seine  Augen  wieder  auf  die  Schwester  der  Horatier  und  ver¬ 
liebte  sich  in  die  Camilla.  Er  erhielte  auch  das  Jawort,  doch  war 
die  Hochzeit  wegen  des  entstandenen  Krieges  aufgeschoben  worden, 
denn  das  gemeine  Wohl  ging  hier  dem  eignem  vor.  Der  dreyzehende 
Brachmonaths-Tag  des  3284.  Jahres  nach  Erschaffung  der  Welt,  und 
des  sechs  und  achtzigsten  nach  Erbauung  der  Stadt  Rom,  machte 
Natur  und  Liebe  zu  Sclaven  der  Ehre.  Die  Wahlstadt  Yeigte  schon 
zwene  tode  Horatier,  kein  Curiatius  aber  war  gefallen,  ob  sie  schon 


425 


alle  drey  verwundet  waren.  Und  da  sich  der  noch  lebende  Horatius 
dreyen  zu  wiederstehen  zu  schwach  befand,  nahm  er  die  List  zu 
Hülfe,  und  erhielte  also  dasjenige,  warum  seine  Brüder  das  Leben 
eingebüsset.  Camilla  war  ganz  ausser  sich  selbst  kommen,  weil  ihr 
Liebster  getödtet  worden.  Sie  stiess  wieder  ihren  Bruder  die  em¬ 
pfindlichsten  Schmäh-Worte  aus,  und  folgte,  aus  übermässiger  Raserey 
angetrieben,  ihrem  geliebten  Curiatius  im  Tode  nach.  So  erfreut  der 
alte  Vater  Horatius  ist  über  den  Sieg  seines  Sohnes,  so  sehr  betrübt 
er  sich  hingegen  über  die  Unart  seiner  Tochter  Camilla. 

Den  Beschluss  macht  ein  Nachspiel. 

Die  Bedienten  können  ohne  Bezahlung  nicht,  eingelassen  werden. 

Wer  sich  bevm  Eingänge  nicht  lange  auf  halten  will,  kan  des 
Morgens  von  8  bis  10  Uhr  Billets  bezahlen  und  abholen  lassen.  Die 
Person  giebt  auf  den  Logen  4  Kopfstück,  anf  dem  ersten  Platze  2 
Kopfstück  oder  10  Batzen,  auf  dem  zwevten  Platze  6  Batzen,  und 
auf  dem  dritten  Platze  4  Batzen.  Gold  kann  nicht  angenommen  und 
gewechselt  werden. 

Der  Anfang  ist  um  5  Uhr,  auf  dem  Liebfrauenberge  in  Frank¬ 
furt  am  Mayn, 

Frey  tags,  den  2.  November  1736. 

Johann  Ne  über. 


III. 


Einladungssehrift  der  Neüberin  zu  der  Vorstellung  am  9.  November  1736. 


Allen  Zuschauern  zu  Ehren  und  schuldigster  Dankbarkeit  wird  heute 
ein  Deutsches  Vorspiel  zugeeignet  und  aufgefiihret,  dabey  auch  ein 
Deutsches  Schauspiel  vorgestellet  werden  von  den  Königl.  Pohln. 
Churftirstl.  Sächsischen  imgleichen  Hochftirstl.  Braunschw.  Lünb. 
nunmehro  auch  Hoch-Fürstl.  Schleswig-Holsteinischen 
Hof-Comödianten. 

Frankfurt  am  Mayn,  den  9.  November  1736. 


Das  Vorspiel  wird  genannt: 

Die  Umstände  der  Schauspielkunst  in 
allen  vier  Jahres-Zeiten. 
Personen : 


Der  Frühling.  Mercurius. 

Der  Sommer.  Die  Hochachtung. 

Der  Herbst.  Melpomene,  oder: 

Der  Winter.  Die  Schauspielkunst. 

Die  Schaubühne  stellet  vor:  Die  Wohnung  des  Frühlings,  des 
Sommers,  des  Herbsts  und  des  Winters, 


426 


Hierauf  folget  das  Schauspiel,  genannt : 
BRITANNICUS. 

Ist  aus  dem  Französischen  des  Herrn  Racine  in  Hamburg  über- 
sezt  und  in  Niedersächsischen  Nachrichten  von  gelehrten  neuen  Sachen 
Nr.  XCIII  p.  805  den  28.  November  1735  bekannt  gemacht  worden. 

Personen : 

Nero  ein  Sohn  Domitii  Enobarbi,  und  Agrippinä.  [Herr  Suppig.] 
Britannicus,  Kaysers  Claudius  Sohn,  den  Nero 
aus  Liebe  zur  Junia,  und  Furcht  vor  Ver- 
liehrung  seines  Throns  mit  Gift  hinrichtete.  [Herr  Koch.] 
Agrippinä,  die  Mutter  des  Nero,  und  seines  Va¬ 
ters,  des  Domitius  Enobarbus  Wittwe.  Her¬ 
nach  von  ihrer  andern  Ehe,  des  Kaysers 
Claudius  Wittwe  und  des  Britannicus 

Stief-Mutter . 

Junia,  des  Britannicus  Liebste  .  .  . 

Burrhus,  des  Nero  Hofmeister  .  .  . 

Narcissus,  des  Britannicus  Hofmeister 
Albina,  der  Agrippinä  Vertraute  .  . 

Hierauf  folget  anstatt  des  Nach-Spiels: 

Le  galant  coureur 
ou  L’ouvrage  d’un  moment. 

Comedie  en  un  Acte,  par  Mr.  le  Grand 
Der  Lauffer. 

Lucinde,  die  Präsidentin,  \  .  ^  ^  w.Hnrm  [Frau  Neuber.] 

[Frau  Gründler.] 
[Herr  Koch.] 
[Herr  Suppig.] 
[Jgfr.  Ehlich?] 
[Herr  Fabrizius.] 


[Frau  Neuber.] 
[Frau  Koch.] 

[Herr  Lorenz.] 

[Herr  Steinbrecher.] 
[Jgfr.  Ehlich?] 


.  j.  n  ,  hinge  Wittwen  .  .  . 

Donmene,  die  Grahn  ]  J  ° 

Marquis  de  Floribel,  des  Chevaliers  Freund  .  . 

Chevalier,  der  Lucinde  Liebhaber . 

Marton,  der  Lucinde  Mädchen . 

Rustaut,  des  Chevaliers  Kutscher,  in  Marton  verliebt 

Champagne,  des  Chevaliers  Diener . [Herr  Lorenz.] 

Criquet,  der  Präsidentin  Diener . [Herr  Schröter.] 

Die  Bedienten  können  ohne  Bezahlung  nicht  eingelassen  werden. 


Wer  sich  beym  Eingänge  nicht  lang  aufhalten  will,  kan  des 
Morgens  von  8  bis  10  Uhr  Billets  bezahlen  und  abholen  lassen.  Die 
Person  giebt  auf  den  Logen  4  Kopfstück,  auf  dem  ersten  Platz  2 
Kopfstück  oder  10  Batzen,  auf  dem  zweyten  Platze  6  Batzen,  und 
auf  dem  dritten  Platze  4  Batzen.  Gold  kann  nicht  angenommen  und 
gewechselt  werden. 

Der  Anfang  ist  um  5  Uhr  auf  dem  Liebfrauenberge  in 
Frankfurt  am  Mayn. 

Die  2  dabey  gedruckten  Bogen  sind  vor  2  Batzen  zu  bekommen. 

Johann  Neuber. 


427 


IV. 


Eiiiladungssclu’ift  Eckenbergs,  des  sogenannten  starken  Mannes,  zur 
Magistratskomödie,  Herbstmesse  1738. 


Das  aus  danckbaren  Hertzen  stammende  Lust-  und  Freuden-Opfer, 
vorgestellet  in  einem  gebundenen 
PROLOGO. 

Frankfurt,  den  2.  Octobris  1738. 

Zu  hoher  Ehr-  und  Danck-Bezeigung  Denen  Wohlgebohrnen, 
Hoch-  Wohl-  Edel-Gebohrnen,  Hoch-Edlen,  Gestrengen,  Edel vesten, 
Wohl  Ehren  vesten,  Fürsichtigen,  Hoch-  und  Wohlweisen  Herren 
Bürgermeistern  und  Rathen  allhier,  Unseren  Gnädig,  Hochgebietend, 
Grossgünstig-  und  Hochgeehrtesten  Herren. 

Durch  des  von  Eckenbergs,  oder  so  genannten  Starken  Manns, 
Königl.  Preus.  privilegirten  Comoedianten-Bande  in  schuldigst 
geziemender  Submission  und  gehorsamster  Beflissenheit  aufgeführt, 
und  nebst  einer  besonders  ausgesuchten  historischen  Staats-Action, 

betitult : 

Der  mit  weiser  Gerechtsame  eher  Sterben-  als  Laster  billigende 
Römische  Rechts-Gelehrte, 

AEMILIUS  PAULUS  PAPINIANUS, 
wobey,  zu  abwechslender  Gemüths-Ergötzung,  ein  kluger  Phantast 
und  verrückt-  doch  wahrhaffter  Calendermacher  erscheinen  wird. 

In  tieffester  Veneration  dediciret. 

Vereintes  Väter  Zwey  und  Ihr  berühmte  Stützen, 

Da  Euer  wachend  Aug  auf  Frankfurts  Wohlfahrt  sieht, 

Die  Ruhm-verdiente  Sorg,  dieselbe  zu  beschützen, 

Ist  recht  verwunderlich,  so  Tags  als  Nachts  bemüht. 

Es  muss  die  gantze  Welt  die  schöne  Eintracht  preisen, 

Und  sich  die  Burgerschafft  mit  Dank  gehorsam  weisen. 
Vergönnet,  Gnädige,  uns  auch  anheut  zu  zeigen, 

Wie  Pflicht  und  Schuldigkeit  von  unserm  Fleiss  begehrt; 

Vor  Eurer  Güte  will  die  Danckbarkeit  sich  neigen, 

Da  Euer  hoher  Ruhm  durch  Eintracht  wird  geehrt. 

Papinianus  hat  in  Rom  das  Beyspiel  geben, 

In  Frankfurt  wolt  Ihr  stets  Papinianisch  leben. 

Das  Theatrum  ist  eine  angenehme  Gegend  am  Mayn-Strohm, 
allwo  obige  Personen  erscheinen. 

Sc.  1. 

Ehren-Ruf. 

Ehren.  Was  vor  ein  unverhoffter  Tag 

Will  alles  heut  in  Freude  setzen? 


428 


Man  hört  von  nichtes,  als  Ergötzen, 

Yon  Jauchzen,  Schertzen,  Lust, 

So  in  der  treuen  Brust 
Dankbarer  sich  lässt  finden. 

Drum  will  ich  mich  auch  ebenfalls  bequemen, 
Den  Thon  der  Freuden  anzunehmen. 


Aria. 

Frohlocket  und  jauchzet  mit  fröhlichem  Hertzen, 

Es  blüh  der  Rath  von  Frankfurt  mit  Seegen  becrönt, 
Lasst  jetzo  aus  Freuden  die  Sayten-Spiel  schertzen, 

Bis  Himmel  und  Erde  von  Freuden  erthönt.  Da  Capo. 

Sc.  II.  D anckb arkeit. 

Danck.  Woher  entstehet  solche  Lust? 

Ich  kann  es  nicht  ergründen, 

Warum  in  deiner  Brust 

Sich  nichts,  als  Fröhlichkeit  lässt  finden. 

Ehren.  Yernimm,  diss  sind  die  offt  verlangten  Stunden, 
So  sich,  zu  unserm  Glück,  heut  eingefunden; 

Diss  ist  der  Tag, 

An  dem  die  Stützen  dieser  Stadt 
Yor  unserm  Schauplatz  sind  erschienen, 

Und  darum  fordert  unsre  Pflicht, 

Dass  wir  nach  Möglichkeit  Dieselbige  bedienen. 

Danck.  Dein  Will  erinnert  mich  an  meine  Schuldigkeit, 
So  ich  den  Yätern  dieser  Stadt 
Danckbarlichst  muss  erzeigen. 

So  bin  ich  ebenfalls  mit  Dir  bereit 
Zur  Danckbarkeit. 


Aria. 

Frankfurt,  dein  Glücke 
Geh  nie  zurücke, 

Dein  Wohl  besteh. 
Des  Himmels  Seegen 
Geh  dir  entgegen 
Und  dich  erhöh. 

Sc.  in.  M  e  r  c  u  r  i  u  s. 
Mcrcur.  Wie  find  ich  euch  allhier, 

Ich  glaube  sicherlich, 

Dass  ihr  auch,  gleich  wie  ich, 

An  diesen  Ort  seyd  gekommen, 


429 


Damit  ihr  eure  Schuldigkeit 
Den  werthen  Vätern  dieser  Zeit 
Durch  eure  Wünsche  könt  beweisen, 
Wie  auch  Ihr  Gnädigseyn 
Mit  Danck  und  Opfern  preisen. 


Aria. 

Durch  Euch  blühen  die  Gesetze, 

Und  die  wahren  Gnaden-Schätze 
Müssen  jedem  offen  stehn. 

Allhier  kan  man  sicher  leben 
Und  den  Ruhm  der  Ordnung  geben, 

Auch  den  schönsten  Frieden  sehn.  Da  Capo 
Ehren.  So  lasst  uns  dann,  die  Freuden  zu  vermehren, 

Uns  noch  mit  diesen  Wünschen  hören: 

Lebt  Nestors  Jahr,  Ihr  treuen  Väter  dieser  Stadt, 

Eu’r  klug  und  gutes  Regiment 
Nehm  nie  ein  End. 

Euer  grosser  Namen  schwinge  sich 
Bis  zu  dem  Sternen-Pol; 

Des  Höchsten  Gnaden  reiche  Weissheits-Stralen, 

Die  müssen  stets  auf  Eure  Häupter  fallen. 

Chorus. 

Lebt  und  steigt  zu  allen  Zeiten 
Als  ein  Bild  der  Seltenheiten 
In  der  grössten  Pracht  empor. 

Selbst  das  gütige  Geschicke 
Gönne  Euch  vergnügte  Blicke, 

Dieses  wünschet  unser  Chor. 


Y. 

Repertoire  dar  französischen  Komödianten  1741—1742. 

PAR  PERMISSION  DU  VENERABLE  MAGISTRAT 
LES  COMEDIENS  FERONT  L’ OUVERTÜRE  DE  LEUR  THEATRE 

DKVIAIN 

SAMEDI  17.  JUIN  1741. 

PAE 

LE  COMTE  D’ESSEX,  TRAGEDIE  DE  MR.  CORNEILLE, 

StTTVIE  DU 

GALANT-COUREUR, 

COMEDIE  FRANOISE  EN  UN  ACTE  ORNEE  DE  CHANTS  ET  DE  DANSES, 

On  prendra  au  Theatre,  Premieres  Loges  &  Orchestre  deux 
florins,  ä  FAmphitheatre  quatre  Kopstück,  aux  secondes  Loges  un 
florin,  au  Parterre  &  au  Paradis  un  denn  florin. 


430 


Le  Theatre  est  ä  la  Rue  du  Tous  les  saints  dite  ALLER- 
HEYLI GEN-GASSE  dans  maison  nommee  le  Lange-Gang. 

On  commancera  ä  cinq  heures  precises. 

Se  n’est  point  permis  aux  Gens  de  Livree  d’entrer,  meme  en  payant. 

Mit  gnädiger  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
MAGISTRATS, 

Werden  Morgen  als  Sonnabend,  den  17.  Juni  1741. 

Die  Französische  Comedianten  Ihro  Schau-Bühne  zum  erstenmahl 
eröffnen  mit  folgendem  Stück: 

DER  GRAF  VON  ESSEX, 

Trauer-Spiel  des  Herrn  Corneille, 

Worauf  folgen  wird  ein  französisches  Lustspiel,  genannt 
LE  GALANT  -  COUREUR. 

Wobey  getantzt  und  gesungen  wird. 

Man  zahlt  auf  dem  Theatro,  in  der  ersten  Loge  und  Orchestre 
zwey  Gulden,  auf  dem  Amplii-Theatro  vier  Kopffstück,  in  der  zweyten 
Loge  einen  Gulden,  auf  dem  Parterre  und  Paradiess  30  kr. 

Der  Schausplatz  ist  auf  der  Allerheiligen-Gassen  in  dem  Langen- 
gang.  Der  Anfang  wird  mit  dem  Schlag  5.  Uhr  gemachet. 

Livree-Bediente  werden  nicht  eingelassen,  auch  nicht  vor  Zahlung. 


19.  Junii.  LES  MENECHMES  oder  die  Zwillingsbrüder,  Lustspiel  des  Herrn  Regnard, 
ein  französisches  Nachspiel  genannt  L'4pveuve  reciproque.  Nach  welchem 
ein  Jalousie  en  pas  de  trois  getantzt  wird,  und  wird  der  Ballet-Meister 
Mr.  Gherardi  zwischen  denen  beyden  Comedien  die  Sabotiere  tantzen. 

21.  Junii.  Ein  Italiänisches  Lustspiel  TIMON  LE  MISANTROPE,  in  drey  Auftritt. 

Zwischen  jedem  Auftritt  wird  ein  Intermezzo  gespielet  und  getantzet  werden, 
der  Prologus  aber  vorangellen,  worauff  zum  Nachspiel  folgen  wird  Arlequin 
Bulla  mit  Musique  und  Tantzen  ausgezieret,  zuletzt  wird  getantzet  werden 
eine  Chaconne  de  Charactere ,  worinnen  Mr.  Gherardi,  Sohn,  tantzen  wird 
den  Scaramuuche.  Mad.  Baudau  wird  eine  Italiänische  Arie  singen. 

22.  Junii.  L’ECÖLE  DES  MARIS  oder  die  Schule  der  Männer,  Lustspiel  in  drey 

Auftritt  von  dem  Herrn  Moliere,  worauf  folgen  wird  ein  Frantzösisches 
Nachspiel  von  dem  Herrn  Regnard  Die  verliebte  Thorheiten  in  drey  Auf¬ 
tritt  und  zum  Schluss  wird  die  Niaise  en  pas  de  deux  getantzet  werden. 

24.  Junii.  TARTUFFE  oder  der  Betrüger,  Lustspiel  in  fünff  Auftritt  von  dem  Herrn 
Moliere.  Sodann  ein  frantzösisches  Nachspiel  von  dem  Herrn  Dancourt 
L'iti  des  Coquettes  oder  Der  Sommer  des  Galanten  Frauenzimmers. 

26.  Junii.  LE  DISTRAIT,  oder  der  Verworrene,  Lustspiel  in  fünff  Aufftritt  von 
Herrn  Regnard,  worauf  folgen  wird  ein  Frantzösisches  Lustspiel  von  Deut¬ 
lichem  Verfasser,  genannt  Attendez  moy  sous  Vor  me ,  wobey  getantzt  und 
gesungen  wird. 

28.  Junii.  Lustspiel  auf  dem  Theatro  Italien,  LA  SURPRISE  DE  L’AMOUR,  oder 
ARLEQÜ1N  und  LELIO  auf  dem  Lande  in  drey  Auftritt  mit  Lustbarkeiten 
ausgezieret,  worauf  zum  Nachspiel  eine  lustige  Opera ,  die  Liebes- Intriguen 
von  nanterre  in  einem  Auftritt  folgen  wird. 


431 


29.  Junii.  Der  verliebte  DEMOCRITUS  Lustspiel  in  fünff  Auftritt  von  dem  Herrn 
Regnard,  worauf  folgen  wird  ein  Frantzösisches  Nachspiel  Der  Geist  des 
Widersprechens.  Zum  Beschluss  werden  einige  Täntze  aufgeführt,  wobey 
Mi-.  Gherardi  Sohn  ein  Pas  de  deux  mit  Tiirckischen  Trommeln  tantzen  wird. 

3.  Julii.  DAS  SPIEL  DER  LIEBE  UND  DES  ZUFALLS,  oder  Arlequin  Herr 
und  Knecht.  Italiänisches  Lustspiel  in  drey  Auftritt  aus  dem  Herrn 
de  marivaux,  worauf  folgen  wird  ein  frantzösisches  Nachspiel,  genant 
der  durch  die  Liebe  höflich  gemachte  Arlequin  in  einem  Aufftritt  aus 
eben  demselbigen  Verfasser  mit  zwei  Intermediis  von  Music  und  Däntzen 
gezieret,  Mr.  Gherardi  wird  den  Polichinel  dantzen  und  damit  den  Beschluss 
machen. 

ß.  Julii.  DER  SPIELER,  Lustspiel  in  fünff  Auftritt  von  dem  Herrn  Regnard, 
worauf  eine  Jalousie  en  pas  de  trois  getantzt  werden  wird,  ln  Erwartung 
Der  Alzire,  Trauer-Spiel  aus  dem  Herrn  Voltaire. 

10.  Julii.  DER  WILDE  ARLEQUIN,  Italiänisches  Lustspiel  in  drey  Auftritt  mit 
Music  und  Täntzen  begleitet,  worauf  zum  Nachspiel  folgen  wird  Der  von 
der  Liebe  wohlgezogene  Arlequin  in  einem  Auftritt,  gleichfals  mit  Music 
und  Täntzen  begleitet.  Eine  Haupt-Täntzerin ,  welche  erst  von  Hannover 
angekommen,  wird  zwischen  beiden  Stücken  Les  Caracteres  de  la  danse  tantzen. 

13.  Julii.  PHEDRA,  Trauerspiel  aus  dem  Herrn  racine, worauf  folgen  wird  ein  Frantzö¬ 

sisches  Lust-Spiel,  genannt  ARLEQUIN  in  der  Insul  derer  Sclaven  in 
einem  Aufftritt  aus  dem  Herrn  von  marivaux,  durch  und  durch  mit 
Täntzen  gezieret. 

14.  Julii.  DER  HAUPT-ERBE,  Lustspiel  in  fünff  Aufftritt  aus  dem  Herrn  Regnard, 

worauf  folgen  wird  ein  Frantzösisches  Nachspiel,  genannt  Der  Kenner  des 
Galanten  Frauenzimmers  in  einem  Aufftritt.  Zu  Ende  derselben  wird  unsere 
neue  Täntzerin  mit  Tantzung  einer  Pohlnischen  Dragone  den  Beschluss  machen. 

15.  Julii.  DER  GRAFF  VON  ESSEX  aus  dem  Herrn  Corneille,  worauf  ein  kleines 

Frantzösisches  Nachspiel  in  einem  Aufftritt,  Der  Scharffsehende  Blinde 
betitult,  folgen  wird.  Am  Ende  desselben  wird  man  ein  Ballet  geben,  in 
welchem  die  Dem.  Baudau  und  der  Sr.  Gherardi  ein  Entree  de  Niais  &  de 
Niaise  dantzen  werden. 

19.  Julii.  DIE  DOPPELTE  UNBESTÄNDIGKEIT,  oder  die  Liehe  des  Arlequins 
und  der  Silvia,  Italiänisches  Lustspiel  in  drey  Aufftritt,  wobey  gedantzt 
und  gesungen  wird.  Zum  Nachspiel  folget  Arlequin  allzeit  Arlequin  in 
einem  Aufftritt  mit  Music  und  Däntzen  gezieret. 

24.  Julii.  Lustspiel  DIE  COMEDIANTEN  ALS  SCLAVEN,  solches  enthält  drey 
Stück  in  sich,  ein  Verzeychniss  derer  Sclaven,  ein  Trauerspiel  unter  dem 
Titul  Argagambis,  und  eine  lustige  Opera  betitult  Arlequin  der  irrende 
Ritter,  oder  Die  Zauberin,  das  dumme  Peterle.  Diese  Stücke  sind  durchaus 
mit  Music  und  Täntzen  gezieret.  Mr.  Gherardi  der  ältere  wird  in  der 
Lustigen  Opera  die  Rolle  eines  Poetens  vorstellen,  wie  er  es  in  Paris 
bereits  gethan  hat. 

26.  Julii.  DIE  VERLIEBTE  THORHEITEN,  Frantzösisches  Lustspiel  in  drey 
Auftritt,  worauf  folgen  wird  Eine  Piece  en  Vaudeville,  betitult  Arlequin 
und  der  dumme  Peterle  in  der  umgekehrten  Welt,  mit  Täntzen  gezieret. 

29.  Julii.  Frantzösisches  Lustspiel  DER  VERHEU RATHETE  WELTWEISE  in 
fünff  Auftritt  aus  dem  Herrn  Nericault  Destouches,  in  welcher  Herr  le 
Coq  den  Weltweisen  vorstellen  wird,  worauff  folgen  wird  Ein  Tantz  von 
Caractbres  und  wird  der  jüngere  Herr  Gherardi  den  Scaramouche  und  die 
Demoiselle  Delisle  die  Arlequine  tantzen  und  in  einem  Zwischen- Auftritt 
die  Niaise. 

31.  Julii.  Frantzösisches  Lustspiel  DIE  SCHULE  DER  WEIBER  in  fünff  Auftritt 
aus  dem  Herrn  Moliere  ,  worauff  ein  kleines  Nachspiel  folgt ,  betitult : 
Der  scharffsehende  Blinde ,  in  einem  Auftritt.  Sodann  wird  ein  Ballet  ge¬ 
macht  werden,  worinnen  die  Herren  Gherardi  und  Grand-Champs  einen 
pas  de  deux  als  Zwerge  tanzen  werden. 


432 


2,  Augusti.  Trauer-Spiel  RADAMISTTIE  und  ZENOBIA,  aus  dem  Herrn  von 
Crebillon,  worauf  folgen  wird  ein  klein  Italiänisches  Lust-Spiel,  betitult 
Ich  weiss  nicht  was,  in  einem  Auftritt  mit  Music  und  Täntzen  gezieret, 
nebst  einer  Musik-Scene,  welche  eine  Critique  über  den  Sing-  und  Tanz- 
Meister  derer  Yenetiani’ sehen  Feyertägen  in  sich  enthält. 

5.  Augusti.  Italiänisches  Lustspiel  DIE  BESCHWERDE  DERER  REICHTHÜMER 
oder  Die  Liebe  zwischen  Arlequin  und  Chloe  in  drey  Aufftritt  mit  Music 
und  Tänzen  geziert,  worauff  eine  Englische  Pantomime  mit  allen  Zugehören, 
und  am  Ende  derselben  ein  Contre-Tantz  folgen  wird.  In  Erwartung  des 
Vorurtheils  nach  der  Mode  oder  Der  Sieg  derer  Frauenzimmer. 

9.  Augusti.  LE  MISANTROPE,  chef  d’oeuvre  de  Mr.  de  Moliere,  Comedie  en 
cinq  Actes,  suivie  de  la  Pantomime  Angloise,  en  Attendant  Le  Ballet  des  Ages , 
precedee  d’un  Prologue,  et  au  premier  jour  on  |donnera  Gustave  Vaza. 
Tragedie  de  Mr.  Piron. 

12.  Augusti.  Italiänisches  Lust-Spiel  DER  FALCK,  und  die  Gänse  aus  dem 
Boccace  in  drei  Abhandlungen,  in  welchem  Arlequin  alle  Weiber  vor  Gänsse 
ansieht.  Es  verdienet  solches  eine  kleine  Opera  genannt  zu  werden,  wegen 
denen  Annehmlichkeiten,  so  mit  jeder  Abhandlung  verknüpfet  sind.  Der 
junge  Herr  Gherardi  und  die  Dem.  Delisle  werden  mit  einem  Pas  de  deux 
mit  Türckischen  Trommeln  aufwarten.  Hemachmaklen  folget  ein  kleines 
Nachspiel  betitult:  Der  Franzos  in  London  in  einer  Abhandlung.  Nächster 
Tagen  wird  Gustav  Vaza ,  Befreyer  des  Königreichs  Schweden  gespielt  werden. 
In  Erwartung  Des  Alters  in  einem  Ballet,  mit  einem  Prologo  und  dazu 
gehörigen  Auszierungen. 

14.  Augusti.  Trauerspiel  ALZIRE,  aus  dem  Herrn  von  Voltaire,  welche  uns 
wieder  szu  Spielen  befohlen  worden.  Ein  Französisches  Nachspiel  Die 
Procurator- Ferien  in  einer  Abhandlung  und  wird  dabei  getantzt  und  gesungen 
werden.  Nächster  Tagen  wird  Gustav  Vaza ,  Befreyer  des  Königreichs  Schweden 
gespielet  werden.  In  Erwartung  Des  Alters  in  einem  Ballet  mit  einem 
Prologo  und  dazu  gehörigen  Auszierungen. 

19.  Augusti.  Trauer-Spiel  GUSTAV  VAZA  aus  dem  Herrn  von  Piron,  worauf 
folgen  wird  Der  Plauderer ,  kleines  Lustspiel  in  einer  Abhandlung  und 
wird  zwischen  diesen  beyden  Stücken  Eine  Jalousie  en  pas  de  Trois  ge- 
tantzet  werden. 

25.  Augusti.  Auf  hohen  Befehl  Ihro  Excellence  des  Herrn  Marechal  von  Be  1  le¬ 
is  le  Französisches  Lust-Spiel  DER  GALANTE  LÄUFER,  in  einer  Abhand¬ 
lung  mit  Lustbarkeiten  gezieret,  worauf  folgen  wird  Arlequin  allezeit 
Arlequin ,  kleines  Italiänisches  Lustspiel  in  einer  Abhandlung,  welches  gleich¬ 
falls  mit  Lustbarkeiten  gezieret  ist.  Hernach  wird  man  vorstellen  Die  Liehe 
zwischen  Arlequin  und  Colombine,  eine  Englische  Pantomime,  worauf  ein 
Oontre-Tanz  den  Beschluss  nehmen  wird.  Es  wird  jedermann  Umsonst 
und  Ohnentgeltlich  eingelassen  werden;  und  wird  man  alsdann  precis 
um  3  Uhr  anfangen. 

28.  Augusti.  Heroisches  Lust-Spiel  ESOPUS  BEI  HOF,  in  fünff  Abhandlungen 
von  Herrn  De  Bourseault,  worauf  ein  Lust-Spiel  in  einer  Abhandlung 
folgen  wird  genant  Die  Nacht-Music  und  nächster  Tage  wird  Das  Alter  in 
einem  Ballet  Pantomime  mit  allen  seinen  Auszierungen  aufgeführet  werden. 

30.  Augusti.  Italienisches  Lust-Spiel  DIE  BESCHWERLICHKEIT  DES  REICH¬ 

THUMS,  oder  die  Liebe  zwischen  Arlequin  und  Chloe,  in  drey  Abhandlungen 
mit  Musik  und  Täntzen  gezieret  darauf  Ballet-Pantomime  genant,  Das  Alter. 
Morgen  wird  folgen  Alzire  und  die  Insel  der  Sclaven  wobei  Ihre  Excellence 
die  Frau  Marechallin  von  Belle-Isle  sich  einfinden  wird. 

31.  Augusti.  Trauerspiel  von  Herrn  von  Voltaire,  genant  ALZIRE,  und  nachher 

ein  Italiänisches  Lust-Spiel  in  einer  Abhandlung  mit  Täntzen  ausgezieret, 
Die  Insel  der  Sclaven ,  zwischen  diesen  beiden  Vorstellungen  wird  die  Dem. 
de  L’Isle  die  Charaotor  vom  Tantz  täntzen. 


8.  September.  Italienisches  Lust-Spiel  TIMON  der  MENS  CHEN-FEIND  in  drey 

Abhandlungen  mit  Intermediis  von  Musie  und  Täntzen  mit  vorhergehendem 
Prologo  darauf  wird  folgen  Arlequin  Hulla  mit  Täntzen  den  Beschluss 
wird  ein  Tantz  von  Caraderes  machen  in  welchem  der  jüngere  Herr 
Gherardi  den  Scaramouche  und  die  Dem.  L’Isle  die  Arlequine  vorstellen  wird. 

9.  September.  Frantzösisches  Lust-Spiel  Der  VOBUBTHEIL  nach  der  MODE 

oder  Der  Sieg  des  Frauenzimmers  in  fünff  Abhandlungen  worauf  folgen 
wird  ein  Französisches  Nachspiel  genannt  L'Epreuve  Reciproque  nach 
welchem  der  Herr  Gherardi  die  Sabotiere  und  die  Dem.  de  l’Isle  einen 
Tantz  von  Caraderes  tanzen  wird. 

12.  September.  Lustspiel  DAS  SPIEL  DER  LIEBE  UND  DES  ZUFALLS,  oder 

Arlequin,  Herr  und  Knecht  zugleich,  in  drey  Abhandlungen.  Zum  Beschluss 
erfolget  der  durch  Liebe  wohlgezogene  Arlequin  in  einer  Abhandlung  mit 
Music  und  Täntzen  ausgezieret. 

13.  September.  Trauer-Spiel  des  Herrn  Corneille,  genannt  DER  CID,  worauf 

folgen  wird  Der  Geist  des  Wiedersprechens  in  einem  Lust-Spiel  von  einer 
Abhandlung. 

14.  September.  Lust-Spiel  von  Herrn  Moliere  DIE  SCHULE  DER  WEIBER, 

in  fünff  Abhandlungen,  worauf  zum  Nachspiel  folgen  werden  Die  vernünf¬ 
tigen  Thiere,  ein  kleines  Stück  en  Vaudeville  mit  Täntzen  geziert.  Morgen 
als  Freitag  soll  aufgeführt  werden  Der  wilde  Arlequin  und  Sonnabends 
Der  Simson.  In  Erwartung  der  Ines  von  Castro  und  der  Agnes  von  Chaillot. 

15.  September.  GEORG  DANDIN,  ein  aus  dreyen  Abhandlungen  bestehendes 

Lust-Spiel  aus  dem  Herrn  Moliere  vor  welchem  wird  aufgeführt  werden : 
Der  Listige  Advocat ,  ein  gleichfalls  aus  drey  Abhandlungen  bestehendes 
Lust-Spiel.  Die  Jungfer  Delisle  und  der  Herr  Grandchamp  werden  zwischen 
beiden  Stücken  als  Bauer  und  Bäuerin  täntzen. 

18.  September.  Lust-Spiel  DER  PRAHLER,  in  fünf  Abhandlungen  von  dem 

Herrn  Des  Touches  worauf  zum  Nachspiel  erfolgen  wird :  Der  Franzos  in 
London.  Nächster  Tagen  wird  aufgeführt  werden  Ines  von  Castro  und 
Agnes  von  Chaillot. 

19.  September.  Französisches  Lust-Spiel  DER  SPIELER  in  fünff  Abhandlungen 

von  dem  Herrn  Regnard,  worauf  eine  kleine  Piece  en  Vaudeville  erfolgen 
wird,  genannt  Die  Liebesgeschichte  von  Nanterre,  mit  Täntzen. 

20.  September.  Italienisches  Lust-Spiel  DER  UEBERFALL  DER  LIEBE,  oder 

Arlequin  und  Lelio  auf  dem  Lande,  in  dreyen  Abhandlungen  mit  Music 
und  Täntzen.  Zum  Nachspiel  würd  darauf  folgen  Arlequin ,  Fürst  und  Bauer 
zugleich,  mit  Täntzen.  Auf  den  Samstag  wird  abermahl  vorgestellet  werden 
Der  Simson  und  künfftig  Arlequin,  als  eine  Statua,  als  ein  Kind,  als  ein 
Lehn-Stuhl  und  als  ein  Papagey. 

21.  September.  Frantzösisches  Trauer-Spiel  GUSTAV  WASA,  Befreyer  des  König¬ 

reichs  Schweden  von  dem  Herrn  Piron.  Zum  Nach-Spiel  folget  Der 
Sommer  des  galanten  Frauenzimmers. 

22.  September.  Frantzösisches  Lust-Spiel  DER  VERLIEBTE  DEMOCRITUS,  oder 

die  Fürstin  als  eine  eingebildete  Bäuerin  in  fünf  Abhandlungen  des  Herrn 
Regnard.  Zum  Nachspiel  erfolget  Der  Mangel  der  Procurateur,  mit  Music 
und  Täntzen. 

23.  September.  DER  SEMSON,  ein  mit  verschiedenen  Lustbarkeiten  vermischtes 

Trauer-Spiel  und  prächtigen  Auszierungen  der  Schaubühne,  wie  auch  die 
Zerstörung  des  Tempels. 

25.  September.  Italiänisches  Lust-Spiel  ARLEQUIN,  als  ein  Bild,  Kind,  Lehn-Stuhl, 
Papagey,  Sterndeuter,  Schornsteinfeger,  Todten-Gerüppe  u.  d.  g.  in  fünff 
Abhandlungen  mit  Täntzen.  Die  Dem.  de  L’Isle  wird  in  denen  zwischen 
Handlungen  den  sogenanten  Tantz  Des  Caraderes  täntzen,  und  nach  ge¬ 
endigter  Comedie  wird  die  Chaconne  der  Caraderes  getantzt  werden  darinnen 
der  junge  Herr  Gherardi  den  Scaramouche  und  die  Dem.  de  l’Isle  die 
Arlequine  vorstellen  werden. 


28 


434 


'26.  September.  Französisches  Lust-Spiel  DIE  VERLIEBTEN  THORHEITEN  in 
drei  Abhandlungen.  Nach  diesen  erfolget  Der  auf  allerlei  Räncke  denkende 
Jurist ,  zwischen  beiden  Lust-Spielen  wird  der  junge  Herr  Gherardi  und 
die  Dem.  de  L’Isle  deu  Tambourins  mit  Trommeln  tantzen. 

27.  September.  DER  BEWEIBTE  WELTWEISE,  ein  aus  5  Abhandlungen  be¬ 

stehendes  Lust-Spiel  des  Herrn  Nericault  Destouches,  nach  welchem 
folgen  wird  Das  Werk  in  einem  Augenblick,  ein  aus  einer  Abhandlung  be¬ 
stehendes  Lust-Spiel.  Künfftigen  Sonnabend  soll  Agnes  von  Castro,  ein 
Trauer-Spiel  vom  Herrn  de  La  Motte  nebst  der  darauf  gerichteten  Parodi, 
Agnes  de  Chaillot  betitult,  vorgestellt  werden. 

30.  September.  INES  VON  CASTRO,  Trauer-Spiel  des  Herrn  De  La  Motte,  worauf 
die  Parodie  dieses  Trauer-Spiels,  Agnes  von  Chaillot  mit  Täntzen  erfolget. 
Nächster  Tagen  wird  vorgestellet  werden  Arlequin  der  Doctor  Faust,  eine 
Pantomime  mit  verschiedenen  Auszierungen  und  Täntzen. 

2.  October.  ARLEQUIN  DOCTOR  FAUST  in  einer  Englischen  Pantomime  mit 
Auszierungen  und  Maschinen  von  Flug-Werk  und  Däntzen,  so  allhier  nocli 
niemahl  zum  Vorschein  gekommen,  vorher  aber  wird  vorgestellet  werden 
Die  Ausschiveiffende  Familie ,  ein  Französisches  Lust-Spiel  von  einer  Ab¬ 
handlung.  Nächster  Tagen  soll  das  Lust-Spiel  das  Vormunds-Kind  genannt 
auffgeführt  werden. 

14.  October.  GEORG  DANDIN,  ein  aus  dreyen  Abtheilungen  bestehendes  Lust- 
Spiel  aus  dem  Herrn  von  Moliere,  vor  welchem  wird  aufgeführet  werden 
Der  Listige  Advocat ,  ein  gleichfalls  aus  drey  Abhandlungen  bestehendes 
Lust-Spiel.  Die  Jungfer  de  l’Isle  und  der  Herr  Grandchamp  werden  zwischen 
beyden  Stücken  als  Bauer  und  Bäuerin  tantzen. 

16.  October.  DER  HAUPT-ERBE,  ein  aus  fünff  Abhandlungen  bestehendes  Lust¬ 
spiel  des  Herrn  Regnard,  in  welchem  ein  Neu- Angekommener  die  Person 
des  Crispins  vorstellen,  und  ein  allgemeines  Wohlgefallen  zu  erhalten  sein 
mögliches  anwenden  wird.  Ein  Tantz  von  der  Erfindung  des  Herrn 
Grandchamps  wird  sodann  den  Beschluss  machen. 

18.  October.  TARTÜFFE,  oder  der  Scheinheilige  von  fünff  Abhandlungen  aus 
dem  Herrn  von  Moliere.  Darauf  Der  Wuchernde  Edelmann ,  ein  Lust-Spiel 
aus  einer  Abhandlung.  Nächstens  wird  man  mit  Vorstellung  des  Lügners 
aus  dem  Herrn  von  Corneille  aufwarten. 

20.  October.  DER  LÜGNER,  ein  aus  fünff  Abhandlungen  bestehendes  Lust-Spiel 

des  Herrn  von  Corneille,  auf  welches  so  dann  folgen  wird  Der  scharfsich¬ 
tige  Blinde ,  ein  Lustspiel  in  einer  einigen  Abhandlung.  Zwischen  beiden 
Stücken  wird  ein  Tantz  von  2  Personen  getantzt  werden. 

21.  October.  DER  ZERSTREUTE,  oder  In  Gedanken  Vertiefte,  ein  aus  fünff  Ab¬ 

handlungen  bestehendes  Lust- Spiel  des  Herrn  von  Regnard.  Darauf  folgen 
wird  Das  Vormunds  Kind.  Die  Jungfer  de  l'Isle  wird  zwischen  beiden 
Spielen  als  eine  Dame  Gigogne  tantzen. 

23.  October.  DER  GRAF  VON  ESSEX,  ein  Trauer-Spiel  aus  dem  Herrn  Corneille, 

worauf  folgen  wird  Der  Teuffel  bey  der  Liebe ,  Ein  Lust-Spiel  von  dem 
Herrn  Le  Grand  mit  Gesängen. 

24.  October.  DIE  SCHULE  DER  WEIBER,  ein  Lust-Spiel  aus  dem  Herrn  von 

Moliere,  worauf  folgen  wird  Der  Wuchernde  Edelmann.  Ein  Lust-Spiel  mit 
Gesängen  und  Täntzen. 

25.  October.  DER  VERLIEBTE  DEMOCRITUS.  Ein  aus  dem  Herrn  Regnard 

aus  fünff  Abhandlungen  bestehendes  Lust-Spiel,  darauf  folgen  wird  Die 
Ausschweifende  Familie ,  ein  Französisches  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung. 

26.  October.  AGNES  VON  CASTRO,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  de  la  Motte, 

worauf  folgen  wird ,  Die  beyderseits  angestellte  Probe ,  ein  kleines  Lust- 
Spiel  in  einer  Abhandlung.  Die  Jungfer  De  L’Isle  und  der  Jüngere  Herr 
Gherardi  werden  zwischen  beyden  Stücken  mit  Drommeln  Tantzen. 

28.  October.  DAS  VORURTIIEn.  NACH  DER  MODE.  Ein  aus  fünff  Abhand¬ 

lungen  bestehendes  Lust-Spiel  des  Herrn  Nericault  Destouches.  Darauf 
Der  Sicilianer  oder  der  zum  Mahler  gewordene  Liebhaber.  Ein  aus  einer 
Abhandlung  bestehendes  Lust-Spiel  des  Herrn  Moliere. 


435 


30.  October.  DER  FALCKE  oder  die  Gänse  des  Bocace.  Ein  aus  drey  Abhand¬ 

lungen  bestehendes  Lust-Spiel  aus  dem  sogenannten  Theatre  Italien,  in 
welchem  Arle  quin  das  Frauenzimmer  für  Gänse  ansiehet.  Zwischen  beyden 
Abhandlungen  wird  gesungen  und  getantzt  und  nachher  vorgestellet  werden 
Arlequin  Hulla ,  ein  Lust-Spiel  aus  einer  Abhandlung  aus  dem  nehmlichen 
Theatre  Italien,  nach  welchem  eine  Chaconne,  darinnen  die  Jungfer  de  l’Isle 
eine  Arlequine  und  der  Junge  Herr  Glierardi  als  Scaramouche  tantzet,  den 
Bescliluss  machen  wird.  Nächster  Tage  soll  IPHIGENIA,  ein  Trauer-Spiel 
des  Herrn  Racine  aufgeführet  werden. 

31.  October.  IPHIGENIA,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  Racine,  auf  welches  folgen 

wird  Der  zugleich  Schiedsrichter-Stelle  vertrettende  Procurator.  Ein  aus 
einer  Abhandlung  bestehendes  Lust-Spiel.  Zwischen  beyden  Stücken  wird 
ein  Bauern-Tantz  von  drey  Personen  aufgeführet  werden. 

2.  November.  DAS  TODTEN-GASTMAHL,  oder  der  Bestraffte  Ruchlose.  Ein  aus 
fünff  Abhandlungen  bestehendes  Frantzösisehes  Lust-Spiel  mit  Täntzen. 

4.  November.  Die  GRÄFIN  von  ORGUEIL  oder  Der  MARQUIS  von  LORGNAC, 
ein  aus  fünff  Abhandlungen  bestehendes  Lust-Spiel,  worauf  folgen  wird 
Das  Vormunds-Kind ,  ein  aus  einer  Abhandlung  bestehendes  Lust-Spiel 
mit  Gesängen. 

G.  November.  TIMON  der  MENSCHEN  FEIND,  ein  aus  drey  Abhandlungen 
bestehendes  Italiänisches  Lust-Spiel.  Darauf  Der  von  der  Liebe  geäffete 
Weltweise,  ein  neues  Italiänisches  Lust-Spiel,  welches  mit  Täntzen,  darunter 
auch  ein  Chaconne,  in  welcher  die  Jungfer  de  l’Isle  als  eine  Dame  Gigogne 
und  der  Junge  Herr  Gherardi  als  ein  Polichinel  täntzen  wird. 

11.  November.  RODOGUNE,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  von  Corneille,  darauf 
folgen  wird  Der  zugleich  Schiedsrichter  seyende  Procurator.  Es  wird  ein 
Ballet  von  Zwergen  getantzet  werden. 

13.  November.  DIE  ZWILLINGE,  ein  Lust-Spiel  aus  dem  Herrn  Regnard.  Darauf 
folgen  wird  Der  Teuffel  bei  der  Liebe ,  ein  Frantzösisch  Lust-Spiel  von 
einer  Abhandlung.  Zwischen  beyden  Stücken  wird  von  drey  Personen  ein 
Bauern-Tantz  und  auf  das  Nach-Spiel  die  Chaconne  des  caracteres  auf¬ 
geführet  werden,  in  welcher  der  Herr  Gherhardi  als  Polichinel  und  die 
Jungfer  de  l’Isle  als  Dame  gigogne  täntzen  wird. 

15.  November.  DER  SPIELER,  ein  frantzösisehes  Lust-Spiel  aus  dem  Herrn 

REGNARn  von  5  Abtheilungen.  Darauf  Das  Oraculum ,  eine  neue  Frantzö- 
sische  Comedie  mit  Gesängen  und  Täntzen.  Erstei'  Tagen  soll  vorgestellt 
werden  Belphegor  oder  Arlequin  in  der  Hülle. 

16.  November.  ALZIRE,  oder  die  Amerikaner,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  von 

Voltaire,  welches  man  zu  sehen  verlanget'  hat,  und  worauf  folget  Der 
Franzoß  in  London ,  ein  Frantzösisehes  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung. 
Nächster  Tagen  wird  Belphegor  oder  Arlequin  in  der  Hölle  vorgestellet 
werden.  Ja  man  versichert  auch  mit  einem  Die  Lustbarkeiten  zu  Frankfurt 
genannt  ehestens  aufzuwarten. 

17.  November.  BELPHEGOR,  oder  Arlequin  in  der  Hölle,  ein  Italiänisches  Lust- 

Spiel  von  drey  Abhandlungen  mit  Zwischen-Spielen  und  Täntzen  nach 
jedweder  Abhandlung.  Darauf  folgen  wird  Der  von  der  Liebe  geäffte  Welt¬ 
weise ,  ein  Italiänisches  Lust-Spiel,  welches  mit  Täntzen  und  Gesängen 
wird  beschlossen  werden.  Dabey  der  junge  Herr  Gherhardi  und  die  Jungfer 
de  l’Isle  mit  der  Trummei  täntzen.  Nächstens  Die  Lustbarkeiten  in  Frankfurt. 

18.  November.  Der  durch  die  Liebe  höfflich  gemachte  ARLEQUIN,  ein  Italiä¬ 

nisches  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung  mit  Gesängen  und  Täntzen,  vor 
welchem  hergehen  wird  Die  Ausschweif f ende  Familie ,  ein  Frantzösisehes 
Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung.  Darauf  wird  folgen  Die  Liebe  ein 
Mahler,  oder  der  Sicilianer,  gleichfalls  ein  Frantzösisehes  Lustspiel  von 
einer  Abhandlung  mit  Täntzen. 


28* 


436 


20.  November.  DIE  SCHULE  DER  MÄNNER,  ein  Lust-Spiel  von  einer  Ab¬ 

handlung  aus  dem  Herrn  Moliere.  Darauf  Die  Ankunft  der  Lustbarkeiten 
in  Frankfurt,  ein  neues  Lust-Spiel  mit  Gesängen  und  Täntzen,  sodann 
Die  Liebes-Begebenheiten  des  Gros- Sultans  oder  Die  Verliebte  Türckey ,  eine 
lustige  Opera  von  einer  gantz  neuen  Einrichtung. 

21.  November.  Auf  Verlangen  verschiedener  Standespersonen,  DAS  ORACULUM, 

Ein  neues  Frantzösisches  Lust-Spiel  mit  Täntzen,  vor  welchen  hergehen 
wird  Die  Liebe  des  Arlequins  und  seiner  Gloe  oder  Die  Unruhe  bey 
dem  Reichthum,  ein  neues  Italiänisches  Lust-Spiel  von  drey  Abhandlungen 
mit  Gesängen  und  Täntzen. 

24.  November.  DIE  UNBESTÄNDIGKEIT  DES  ARLEQUINS  und  der  SILVIA, 

Ein  Italiänisches  Lust-Spiel  von  3  Abhandlungen  mit  Täntzen.  Darauf 
folgen  wird  Arlequin  ich  weiss  nicht  was,  ein  Lust-Spiel  von  einer  Ab¬ 
handlung,  welche  einen  musicalisch-  und  critischcn  Auftritt  eines  Musique- 
und  Tanz-Meisters  aus  der  Opera  Die  Venetianische  Lustbarkeiten  genannt, 
dabey  auch  getantzt  wird. 

25.  November.  DIE  SCHULE  DES  WEIBES,  ein  Lust-Spiel  von  fünff  Abhand¬ 

lungen  aus  dem  Herrn  Moliere.  Darauf  Die  Serenade ,  Ein  Frantzösisches 
Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung. 

2.  December.  OEDLPUS,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  von  Voltaire,  worauf  folgen 
wird  Der  u-uchernde  Edelmann ,  ein  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung. 
Nächstens  wird  aufgeführet  werden  Die  wieder  Vereinigte  Verliebte,  ein 
Lust-Spiel  aus  dem  Theatre  Italien. 

4.  December.  DER  ZÄNCKER,  ein  aus  drey  Abhandlungen  bestehendes  Lust- 
Spiel.  Darauf  folgen  wird  Arlequin ,  der  Poltergeist,  eine  neue  Pantomime. 

7.  December.  DER  STOLTZE,  ein  aus  fünff  Abhandlungen  bestehendes  Lust- 

Spiel  des  Herrn  Nericault  Destouciies,  welches  wieder  aufzuführen  ver¬ 
langet  worden,  darauf  folgen  wird  Arlequin,  Herr  und  Diener,  oder  Die 
Insul  der  Sclaven,  ein  Frantzösisches  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung 
mit  Täntzen.  Zwischen  beyden  Stücken  wird  ein  Ballet  getanzt.  Nächstens 
aber  wird  vorgestellet  werden  die  wiederVereinigte Verliebte,  ein  Italiänisches 
Lust-Spiel  von  drey  Abhandlungen. 

8.  December.  ARLEQUIN  IN  DER  HÖLLE,  ein  Italiänisches  Lust-Spiel  in  drey 

Abhandlungen  mit  Music  und  Täntzen.  Darauf  folgen  wird  Arlequin  als 
Fürst  und  Bauer.  Ein  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung.  Nächster  Tagen 
wird  vorgestellet  werden:  Die  wieder  Vereinigte  Verliebte. 

9.  December.  DIE  WIEDER  VEREINIGTE  VERLIEBTE,  ein  Italiänisches  Lust- 

Spiel  in  drey  Abhandlungen  mit  Täntzen,  darauf  folgen  wird  Die  Gelegenheit , 
ein  kleines  Lust-Spiel  en  Vaudeville  in  einer  Abhandlung  mit  Täntzen. 

11.  December.  AGNES  VON  CASTRO,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  De  La  Motte, 

worauf  folgen  wird  Agnes  von  Chaillot,  eine  critische  Parodie  dieses  Trauer- 
Spiels,  in  welcher  Arlequin  die  Person  des  Land-Richters  vorstellt  und  der 
Beschluss  davon  wird  mit  einem  Tantz  gemacht.  Nächstens  soll  ein  neues 
Lust-Spiel  aufgeführt  werden,  welches  betitult  wird  Der  für  Närrisch  an¬ 
gesehene  Democritus. 

12.  December.  Der  für  närrisch  gehaltene  DEMOCRITUS,  ein  Lust-Spiel  aus  dem 

Theatre  Italien,  welches  noch  niemahl  ist  aufgeführt  worden,  darauf  wird 
folgen  Die  Liebes-Begebenheiten  von  Nanterre ,  eine  kurtzweilige  Opera 
von  einer  Abhandlung. 

23.  December.  AMPHITRION,  ein  emsthafftes  Lust-Spiel  des  Herrn  von  Moliere 
mit  allen  gehörigen  Veränderungen  und  Auszierungen  der  Schaubühne, 
worauf  folgen  wird  Der  Sicilianer,  ein  Frantzösisches  Lust-Spiel  von  einer 
Abhandlung  mit  Täntzen  und  Gesängen. 

27.  December.  In  höchster  Gegenwart  Sr.  Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln 
DER  LÜGNER,  ein  frantzösisches  Lust-Spiel  von  fünff  Abhandlungen  des 
Herrn  von  Corneille,  worauf  folgen  wird  Der  Franzoß  zu  London,  ein 
Frantzösisches  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung.  Nächster  Tagen  soll  der 
Krancke  in  der  Einbildung  aufgeführet  werden. 


437 


30.  Deeember.  DER  BEWEIBTE  WELTWEISE,  oder:  Der  Ehemann,  der  sich 
schämet  es  zu  seyn,  ein  Frantzösisches  Lust-Spiel  von  fünff  Abhandlungen, 
worauf  folgen  wird  Der  wuchernde  Edelmann.  Nächster  Tagen  wird  vor¬ 
gestellt  werden  Der  verlohme  Sohn  aus  dem  Herrn  von  Voltaire. 

1742. 

1.  Jannari.  DER  VERLOHRNE  SOHN,  ein  Neues  Lust-Spiel  aus  dem  Herrn 

von  Voltaire,  welches  allhier  noch  niemahlen  ist  vorgestellet  worden, 
welchem  folgen  wird  Die  ausschweifende  Haushaltung ,  ein  Lust-Spiel  von 
einer  Abhandlung  mit  Täntzen. 

16.  Januari.  TARTHFFE.  oder  Der  Betrüger ,  ein  Lust-Spiel  in  ftinff  Abhand¬ 

lungen  des  Herrn  von  Moliere,  worauf  folgen  wird  Die  Pr ocurator- Ferien, 
ein  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung  mit  Täntzen.  Nächster  Tagen  wird 
vorgestellet  werden :  Zayre. 

18.  Januari.  ZAYRE  Ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  von  Voltaire,  welches  allhier 
noch  niemahls  auffgeführet  worden.  Zum  Beschluss  erfolget  Der  Plauderer, 
ein  kleines  Lust-Spiel  von  einem  Aufzug. 

20.  Januari.  DER  GALANTE  MARKURIUS,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Bursault, 
welches  hier  noch  niemahls  auffgeführet  worden.  Den  Beschluss  wird  ein 
Lust-Spiel  machen  betittult  Crispin  der  Nebenbuhler  seines  Herrn. 

26.  Januari.  DER  PRAHLER,  ein  Frantzösisches  Lust-Spiel  von  fünff  Abhand¬ 
lungen,  darauf  wird  folgen  Das  Orakul ,  ein  neues  Lust-Spiel  von  einer 
Abhandlung  mit  untermengten  Lustbarkeiten. 

30.  Januari.  DER  SPIELER,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Regnard  in  fünff  Aufzxigen. 
Zum  Beschluss  erfolget  Erwarte  mich  unter  dem  Ulmen-Baum,  ein  Frant¬ 
zösisches  Lust-Spiel  von  einem  Aufzuge.  Nächster  Tagen  wird  der  Sirnson 
vorgestellet  werden. 

3.  Februari.  DIE  VERLIEBTEN  THORHEITEN,  ein  Lust-Spiel  von  drey  Ab¬ 
handlungen  des  Herrn  Regnard,  worauf  die  Pantomime  erfolget  Der  Eifer¬ 
süchtige  Kranke.  Um  das  Ansehen  dieser  Schauspiele  prächtiger  und  leb¬ 
hafter  zu  machen,  wird  man  diese  drey  Tage  des  Carnevals  in  Verkleidungen 
eintreten.  Und  um  den  Aufwand  deshalb  zu  erleichtern  wird  auf  dem 
Theatre,  Orchestre  und  in  den  ersten  Logen  einen  Ducaten,  in  der  zweiten 
Loge  zwey  Gulden  auf  dem  Parterre  und  auf  dem  Paradiess  aber  wie 
gewöhnlich  bezahlt  werden.  Auf  Montag  (5  Febr.)  wird  Zaire  und  das 
Vormunds-Kind  vorgestellet. 

17.  Februari.  In  höchster  Gegenwart  Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln 

DER  SLMSON,  ein  mit  Lustbarkeiten  abwechsehides  Trauer-Spiel  nebst 
der  Zerstörung  des  Tempels.  Nach  diesen  wird  die  Dem.  Lyonnais  täntzen. 
20.  Februari.  In  höchster  Gegenwart  Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von 
Cölln  DER  GRAF  VON  ESSEX,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  Corneille,  wo¬ 
rauf  Der  Wuchernde  Edelmann  erfolget,  ein  Lust-Spiel  mit  Gesang  und 
Täntzen.  Künfftig  wird  vorgestellet,  Der  Bürgerliche  Edelmann. 

22.  Februari.  In  höchster  Gegenwart  Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von 

Cölln  DER  ZÄNCKER,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Polapprat,  darauf  wird 
folgen  Die  Gelegenheit,  ein  kleines  Musikalisches  Lust-Spiel  mit  Täntzen. 
Künfftig  wird  vorgestellet  Der  Bürgerliche  Edelmann. 

23.  Februari.  In  höchster  Gegenwart  Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln 

DAS  VORURTHEIL  NACH  DER  MODE,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Niaule 
De  la  Chausse.  Zum  Nachspiel  erfolget  Der  Geist  des  Widersprechens, 
’  wobey  getantzt  wird. 

24.  Februari.  In  höchster  Gegenwart  Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln 

PHEDRA  UND  HYPOLITIS,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  Racine,  worauf 
Die  beyderseitige  Probe  erfolgen  wird. 

29.  Februari.  In  höchster  Gegenwart  Seiner  Churfiirstliclien  Durchlaucht  von  Cölln 
DER  VERHEIRATHETE  WELTWEISE,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Nericault 
Destouches,  worauf  ein  Ballet  erfolgen  wird. 

2.  März.  TARTÜFFE,  i  oder  die  Scheinheiligen,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  von 

Moliere,  worauf  ein  Ballet  von  Polichinello  und  Gigogne  erfolgen  wird. 


438 


3.  März.  DIE  ZWLLLINGSBRÜPER,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Regnard,  worauf 
Die  Nacht-Musik,  ein  kleines  Lust-Spiel  erfolget. 

5.  März.  Das  Spiel  der  LIEBE  und  des  GLÜCKS,  ein  Lust-Spiel  von  dreyen 
Abhandlungen  aus  dem  neuen  Theatre  Italien,  worauf  folgen  wird  Arlequin 
Hulla,  ein  Lust-Spiel  von  einer  Abhandlung  aus  dem  nämlichen  Theatre 
Italien  mit  Gesängen  und  Täntzen.  Ein  Comediant  von  einem  fremden 
Hof  wird  in  beiden  Lust-Spielen  die  Person  des  Arlequins  vorstellen. 

9.  Mertz.  In  Höchster  Gegenwart  Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln 

DER  BÜRGERLICHE  EDELMANN,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  von  Moliere 
mit  mancherlei  Lustbarkeiten  von  Musik  und  Täntzen.  Künftig  wird  Sylphide 
vorgestellet  werden. 

10.  Mertz.  In  höchster  Gegenwart  Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln 

DIE  SCHULE  DER  WEIBER,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Moliere.  Darauf 
Der  durch  die  Liebe  höflich  gemachte  Arlequin,  ein  Lust-Spiel  aus  dem  nouveau 
Theatre  Italien  von  Music  und  Täntzen.  Der  neue  Acteur  wird  den  Arlequin 
und  in  dem  Vorspiel  den  Arnulphum  vorstellen. 

14.  Mertz.  Die  Erantzösischen  Comedianten  werden  in  höchster  Gegenwart 
Seiner  Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln  und  insonderheit  Der  neue 
Arlequin  auf  ihrer  Schaubühne  vorstellen :  ARLEQUIN  ein  Sterndeuter, 
Schwätzer,  Kind,  Statua,  Mohr,  Todten- Gerippe  und  Pappegay,  ein  Italie¬ 
nisches  Lust-Spiel,  in  welchem  die  Dem.  Le  Cocq  den  Pierrot  vorstellen  wird. 

17.  Mertz.  Werden  die  Erantzösischen  Comedianten  in  höchster  Gegenwart  Seiner 
Churfürstlichen  Durchlaucht  von  Cölln  bei  dermaligem  Beschluss  ihrer 
Schaubühne  zum  letztenmahl  vorstellen :  DEN  FLUSS  DER  VERGESSEN¬ 
HEIT,  ein  italiänisches  Lust-Spiel  aus  dem  nouveau  Theatre,  welches  hier 
noch  niemals  aufgefiihret  worden,  vor  welchem  hergehen  wird  Die  Beschwerde 
des  Reichthums ,  ein  Italienisches  Lust-Spiel  mit  Music  und  Täntzen.  Der 
neue  Arlequin  wird  in  beyden  Stücken  seine  Rollen  spielen. 

7.  April.  DER  VERLIEBTE  DEMOCRITUS,  ein  Lust-Spiel  von  Herrn  Regnard, 
darauf  die  drey  Eiff  er  sichtige  Brüder ,  ein  Lust-Spiel  von  Herrn  la  Font, 
welches  noch  nicht  aufgeführet  worden.  Ein  Acteur,  welcher  noch  nicht 
auf  der  Schaubühne  allhier  gewesen,  wird  in  diesen  beyden  Stücken  die 
lustige  Person  vorstellen. 

12.  April.  CRISPINI  DER  ARZT,  ein  Lust-Spiel,  welches  hier  noch  niemahls 
aufgeführet  worden,  worauf  der  listige  Advocat  und  nächster  Tagen  der 
Mann  von  gutem  Glück  erfolgen  wird. 

17.  April.  ANDROMAGUE,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  Racine,  welchem  ein 
Lust-Spiel  Die  drey  eiff  er  süchtigen  Brüder  und  künfftig  Das  Leben  ist  ein 
Traum  erfolgen  wird. 

19.  April.  DER  ARZT  WIDER  SEINEN  WILLEN,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn 

von  Moliere,  welches  hier  noch  niemahls  aufgeführt  worden.  Darauf  er¬ 
folget  Die  Nacht  Musik  und  nächster  Tagen  Das  Leben  ist  ein  Traum. 

20.  April.  Auf  Befehl  Ihro  Hochfürstlichen  Durchlaucht  Prinz  Wilhelms  DAS 

ORACLE  und  Crispin  der  Arzt.  Nächster  Tagen  wird  vorgestellet  werden 
Das  Leben  ist  wie  ein  Traum. 

23.  April.  DER  ZERSTREUTE,  ein  Lust-Spiel  von  dem  Herrn  Regnard,  worauf 

Die  unvermuthete  Wiederkunft ,  von  eben  diesem  Verfasser,  erfolgen  wird. 
Nächster  Tagen  wird  Die  Frau  als  Richter  und  Parthey  aufgeführt  werden. 

24.  April.  DER  MENSCH  VON  GUTEM  GLÜCKE,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn 

Baron,  welches  besonders  ist  verlanget  worden,  darauf  wird  Die  Provenciale 
erfolgen. 

26.  April.  DIE  FRAU  ALS  RICHTER  UND  PARTIE,  ein  Lustspiel  des  Herrn 
von  Mont  Fleury,  welches  hier  noch  niemahls  aufgeführet  worden.  Darauf 
wird  folgen  Der  tvuchemde  Edelmann ,  ein  Lustspiel  des  Herrn  le  Grand 
mit  Music.  Nächster  Tagen  Die  Sucherin  des  Verstandes. 

28.  April.  DER  SPIELER,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Regnard,  welchem  Der  Geist 
des  Wiedersprechens ,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  du  Presny  folgen  wird. 


439 


30.  April.  DAS  LEBEN  EIN  TRAUM ,  ein  Italiänisches  Lust-Spiel,  welches 
abermahls  ausdrücklich  verlanget  worden.  Zum  Nachspiel  erfolget  Der 
wieder  gefundene  Ehemann ,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Dancotirt  mit 
Music  und  Täntzen,  welches  allhier  noch  niemahls  gesehen  worden.  Nächster 
Tagen  wird  Britannicus  aufgeführet  werden. 

4.  Mai.  HERODES  UND  MARIANNE,  ein  Trauer-Spiel  von  Herrn  von  Voltaire 
worauf  Die  beiderseitige  Probe,  ein  Lust-Spiel  von  dem  Herrn  Alain, 
nächster  Tagen  Das  Suchen  des  Verstandes  erfolgen  wird. 

7.  Mai.  Auf  Befehl  des  Herrn  Herzogs  von  Gesures  DIE  SUCHERIN  DES 
VERSTANDES,  vor  welchem  der  von  der  Eifersucht  befreyte  Mann  auf¬ 
geführet  werden  wird,  ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Champitron,  ist  noch 
niemahl  vorgestellet  worden.  Ein  neu  angekommenes  Frauenzimmer  ist 
die  Person  der  Sucherin  des  Verstandes. 

11.  Mai.  ATHALIE,  ein  Trauer-Spiel  des  Hefrn  Racine,  welches  er  aus  der 
Bibel  gezogen ,  worauf  Das  den  Verstand  suchende  Frauenzimmer  zum 
Beschluss  erfolgen  wird. 

15.  Mai.  DIE  WIEDER  VEREINIGTEN  VERLIEBTE,  ein  Lust-Spiel  aus  dem 
Nouveau  Theatre  Italien.  Zum  Nachspiel  Crispin  der  Neben-Buhler  seines 
Herrn.  Ein  Lust-Spiel  von  Herrn  Le  Sage.  Nächster  Tagen  wird  Bri¬ 
tannicus  aufgeführet  werden. 

17.  Mai.  DER  HAUPT-ERBE,  ein  Lust-Spiel  von  Herrn  Regnard,  worauf  Der 
Fluss  der  Vergessenheit ,  ein  Lust-Spiel  von  Herrn  Le  Grand  und  kiinfftig 
Britannicus  erfolgen  wird. 

19.  Mai.  Die  ZWLLLINGSBRÜDER,  ein  Lust-Spiel  von  Herrn  Regnard,  sodann 
das  Vormunds- Kind ,  ein  Frantzösisches  Lust-Spiel.  Nächster  Tagen  er¬ 
folget  Britannicus  und  der  Tumme. 

23.  Mai.  BRITANNICUS,  ein  Trauer-Spiel  des  Herrn  Racine,  so  noch  niemahlen 
allhier  ist  aufgeführet  worden.  Zum  Nachspiel  erfolget  der  ohne  Vermuthen 
sich  wieder  gefundene  Ehemann. 

25.  Mai.  DER  TUMME,  oder  das  wiederwärtige  Schicksal,  ein  Lustspiel  des 
Herrn  von  Moliere,  worauf  ein  Tantz  von  zweien  Personen  erfolgen  wird. 


YI. 

Repertoire  (1er  deutschen  Komödianten  1741—1742. 

Mit  gnädiger  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
MAGISTRATS  werden  die  allhier  substistirende  Hoch-Toutsche 

Comödianten 

Heute  Mittwochs  [30.  August  1741] 

Eine  gewiss  galante,  mit  vielen  Täntzen,  Arien  und  unterschiedlichen 
Auszierungen  möglichst  decorirte  recht  charmante  und  intrigante 
Piece  vorstellen,  betitult: 

DER  RACHGIERIGE,  DOCH  ZULETZT  BETROGENE  JUDE 
VON  VENEDIG 

Oder:  Der  Weibliche  Rechts-Gelehrte. 

Und:  Die  Intrigante  aber  übel  ausgeschlagene  Verrätherey, 
Mit  Hannss-Wurst  einem  unglückseeligen  Schiff-Knecht,  von  Schulden 
gequälten  Herren-Diener,  und  endlich  beglückten  Amanten  einer 
italienischen  Servetta. 


440 


Avertissement. 

Das  heutige  Werk  ist  etwas  ausserordentliches,  und  wird  unter 
andern  Merkwürdigkeiten  auch  ein  ordentlicher  masquirter  Ball  vor- 
gestellet,  in  welchem  nebst  unterschiedlichen  Masquen,  auch  unter¬ 
schiedliche  Täntze  zum  Vorschein  kommen;  insonderheit  aber  werden 
unsere  Täntzer  und  Täntzerinnen  mit  3  charmanten  Ballets  ihre 
Geschicklichkeit  zeigen. 

NB.  Man  versichert,  dass  ein  gnädig-  und  sämtlich  geneigtes 
Auditorium  alle  Satisfaction  finden  werde.  Die  Lustbarkeit  des  Hannss- 
Wursts,  die  zum  Vorschein  kommende  theils  gescheide,  theils  närri¬ 
schen  Masquen,  die  Verkleidungen  und  Arien  unserer  Sängerin  wer¬ 
den  ein  merckliches  zu  jedermanns  Vergnügen  beitragen. 

Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

NB.  Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  Parterre  nur  6  Batzen, 
auf  dem  andern  Platz  4  Batzen  und  auf  dem  letzten  Platz  2  Batzen 
bezahlt  wird. 

Die  Stunde  wird  gesetzt  um  4  Uhr,  mit  Versicherung,  dass 
puncto  5  Uhr  der  Anfang,  und  längstens  um  8  Uhr  der  Schluss  ge¬ 
macht  werden  soll. 

Der  Schau-Platz  ist  in  der  grossen  neu-erbauten  Hütte  auf  der 
Bockenheimer-Gass. 

NB.  Es  sind  auch  Logen  monatlich,  wöchentlich,  oder  täglich 
zu  verleimen.  [Ein  Logenplatz  kostete  1  fl.,  eine  ganze  Loge  4  und 
8  fl.,  je  mit  5  und  9  Plätzen.]  Und  ist  allerzeit  bey  jeder  Loge  ein 
Bedienter  frey. 


Dieselben  werden  heute  Donnerstag  [26.  October  1741] 

Eine  mit  vielen  neuen  extra  lustigen  Arien,  besonders  inventirten, 
und  mit  vielen  Unkosten  verfertigten  Theatralischen  Auszierungen 
und  Flug-Werken  besonders  versehenen  Piece-Comique  vorstellen, 

Betitult : 

SICH  SELBST  UBERWINDEN  IST  DER  GRÖSSTE  SIEG. 
Oder  Die  merkwürdige  Lebens-  und  Liebes-Begebenheiten 
der  Printzessin  LODISSE,  und  des  Printzen  PYRANDRO. 

NB.  Dieses  ist  der  Titul  der  serieusen  Materie,  es  dienet  auch 
zur  Nachricht,  dass  in  der  gantzen  Comödie  nur  4  serieuse  Scenen 
sind,  die  übrigen  alle  lustig,  welche  den  Titul  führet: 

DIE  EGIPTISCHE  ZAUBERIN  ZORINDE 
Oder  Der  Präcedonz  Streit  zwischen  denen  Herrn 
Studenten  und  Herrn  Soldaten. 

Mit  Hannss-Wurst  und  Scapin,  zweyen  eyfersüchtigen  Liebhabern. 


441 


Personen  in  der  serieusen  Materie. 

1.  Sarmante,  König  in  Creta,  und  Liebhaber  der 

2.  Lodissa,  Printzessin  aus  Ithaca,  einer  versprochenen  Braut  des 

3.  Pyrandro,  eines  Printzen  aus  Ithaca,  und  Gefangenen  des  Sar¬ 
mante. 

4.  Eurimene,  Tochter  des  Königs  Sarmante,  und  Liebhaberin  des 
Pyrandro. 

5.  Argeste,  des  Königs  getreuer  Rath. 

Personen  in* der  lustigen  Materie  oder  Intermediis. 

1.  Zorinde,  eine  gebohrne  Egypterin,  in  der  Magischen  Kunst  er¬ 
fahren,  Liebhaberin  derer  Herrn  Studenten. 

2.  Colombina,  eine  Dienerin  der  Printzessin  Eurimene,  Liebhaberin 
derer  Herrn  Soldaten. 

3.  Scapin,  welcher  bald  als  Hannss-Wurst,  bald  als  Scapin  agiret. 
Bräutigam  der  Zorinde. 

4.  Hannss-Wurst,  ungetreuer  Liebhaber  der  Zorinde,  und  Bräutigam 
der  Colombina. 

Besondere  Auszierungen. 

1.  Es  kommt  eine  kleine  Wolcke,  diese  zertheilet  sich  über  das 
Theatrum,  in  mitten  der  Wolcke  sitzet  Printz  Pyrandro  schlaffend, 
dieser  erwacht,  steiget  heraus,  die  Wolcke  aber  verschwindet. 

2.  Ein  Canape,  auf  welchem  Scapin  schiäffet,  verwandelt  sich  in 
schröck ende  Furien,  Scapin  aber  verwandelt  sich  öffentlich  in 
den  Hannss-Wurst. 

3.  Ein  Stock,  in  welchem  Hannss-Wurst  als  ein  Gefangener  ein¬ 
gesperrt  ist,  verwandelt  sich  in  einen  Hunds-Stall,  dieser  aber 
in  einen  gedeckten  Tisch. 

4.  Cupido,  kommt  aus  der  Lufft  auf  die  Erde  geflogen,  in  der  einen 
Hand  eine  Schüssel  mit  Speisen,  in  der  andern  Hand  aber  eine 
Bouteille  Wein  haltend. 

5.  Der  Geist  der  Lodisse  kommt  aus  der  Erde,  erscheinet  dem  Py¬ 
randro,  und  verschwindet  wieder  in  die  Erde. 

6.  Hanss-Wurst  hat  einen  Flaschen-Keller  auf  dem  Kopf,  welcher 
sich  öffentlich  in  einen  Gefängniss-Thurm  verwandelt. 

7.  Hanss-Wurst  will  den  Scapin  erstechen,  Scapin  aber  flieget  durch 
die  Luft  davon. 

8.  Eine  Machine,  welche  bald  den  Scapin,  bald  aber  einen  Advo¬ 
katen  vorstellet. 

Ueber  dieses  alles  werden  8  neue  extra  lustige  teutsche  Arien 
gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  8  kr.  verkauffet  werden 

Man  versichert  anbey,  dass  auf  hiesigem  Theatro  niemahls  eine 
solche  Action  gesehen  worden. 

Nebst  einem  Tantz  wird  auch  mit  einem  Ballet  und.  einer 
Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

Anfang  praecise  6  Uhr. 


442 


Dieselben  werden  [am  10.  Mai  1741]  aufführen  eine  unvergleichliche, 
und  wegen  ihrer  ausnehmenden  Vollkommenheiten  sehenswürdige 
Haupt-  und  Staats- Aktion,  Betitult: 

MARS  IN  DER  TIEFSTEN  TRAUER, 

Bey  denen  blutigen  Cypressen  der  Schwedisch-Carolinischen  Leiche 
Das  ist:  Der  unglückseelige  Todes-Fall  des  Allerdurch¬ 
lauchtigsten  Grossmächtigsten 
CAROLI  XII. 

Der  Schweden  Gothen  und  Wenden  Königs,  glorwürdigster  Gedächt- 
niiss,  welcher  in  den  Aprochen  vor  Friedrichs-Hall,  in  der  Nacht 

zwischen  dem  11.  und  12.  December  Anno  1718  seinen 
Heldenmüthigen  Geist  aufgegeben. 

Av  ertissement. 

Was  ist  die  Welt  anders,  als  ein  grosses  Theatrum,  auf  welchem 
die  Sterbliche  die  Acteurs,  und  unser  Lebens-Lauf  bald  diese,  bald 
jene  Piece  präsentiret.  Vergönne  unparteyisches  Europa!  dass  man 
sich  eines  Heldens  erinnere,  welchen  die  Hand  der  Himmlischen 
Providenz  zu  aller  Menschen  Verwunderung  auf  diessem  grossen 
Schau-Platz  aufgestellet.  Carl  XII.  der  Schweden,  Gothen  und  Wenden 
König,  Glorwürdigsten  Andenckens  ist  es,  auf  welchen  ich  allhier  ziele, 
und  gleichwie  der  gantze  Lebens-Lauf  dieses  Welt-berühmten  Heldens 
eine  vollkommene  Martis-Schule  gewesen,  also  bezeuget  auch  die  Er¬ 
fahrung,  dass  derselbe  sich  schon  in  seiner  ersten  Wiege,  diese  Worte 
zu  seinem  Svmbolo  erwählet: 

Et  genus  et  proavos  et  quae  non  fecimus  ipsi, 

Vix  ea  nostra  puto. 

Den  Stamm  der  Ahnen  Reih,  und  was  wir  nicht  gethan, 

Kann  ich  als  unser  Thun  und  Werk  kaum  führen  an. 

Gantz  Europa  weiss ,  wer  diesser  Held  gewesen ,  das  weit-ent¬ 
legene  Orient  hat  denselben  zu  Bender  gesehen,  und  gantz  Schweden 
muss  bekennen,  dass  der  gantze  Lebens-Lauf  dieses  Königes,  wie 
glorieux  als  auch  voller  Fatalitaeten  gefunden  werde.  Was  nun, 
curieuser  Leser,  das  schwedische  Verhängnüss  auf  dem  grossen  Theatro 
der  Welt  in  der  Person  des  XII.  Carls  heute  praesentiret ,  davon 
sollst  du  auf  unserm,  obgleich  kleinen  Schau-Platz,  eine  vollständige 
Vorstellung  sehen.  In  dem  ersten  Aktu  wird  der  Schwedische  Marsch 
auf  Norwegen  beschlossen;  in  dem  andern  gehet  derselbe  glücklich 
vor  sich,  und  in  dem  dritten  verliehret  dieser  Nordische  Held  sein 
Leben.  In  dem  Epilogo  sollst  du  sehen,  den  König  auf  seinem  Parade- 
Bette,  bey  welchem  die  Fama  in  tieffster  Trauer  den  Tod  dieses  Königs 
mit  einer  lamentablen  Aria  beklaget,  Bellona  die  Nichtigkeit  der  Welt 
entwirfft,  Mars  in  einer  gebundenen  Rede  seine  traurige  Gedancken 
über  den  Verlust  seines  heldenmüthigen  Sohnes  zusammenfasset  und 
endlich  Bellona  bey  dieser  Königlichen  Leiche  einen  solennen  Pane- 
gyricum  halten  wird. 


-  443 


Gönne  demnach,  geneigter  Leser!  unserer  Schau-Bühne  heute 
deine  Gegenwart,  und  siehe  einen  Heiden  sterben,  dessen  Siege  du 
gerne  gelesen.  Wir  geben  dir  die  Versicherung,  dass,  was  die  Historie 
betrifft,  nichts  soll  vergessen  werden. 

Wir  versichern  hiermit,  dass  nicht  nur  allein  diese  Piece  an 
sich  selbsten,  sondern  auch  die  Dokorationes  und  Auszierungen  des 
Theatri,  absonderlich  das  Feuerwerck  und  Bombardement  der  Stadt 
und  Festung  Friederichs-Hall  an  heute  mit  sonderbarem  Aestim  zu 
admiriren  sein  wird.  Hebst  einigen  guten  Arien  und  2  Ballets  wird 
auch  das  Castrum  Doloris  dieses  glor würdigsten  Helden  vorgestellt 
werden. 


Dieselben  werden  wiederum  heute  Montag  [5.  März  1742]  eine  gewiss 
vortreffliche  intrigante  und  extra  lustige  Haupt-  und  Staats-Aktion 

vorstellen,  betitult: 

Die  Höchst-Löbliche  Regierung  der  Gr ossmüthigen 

BIANCA 

Königin  von  Tyro  und  Phoenicien, 

Oder: 

Der  zu  gleicher  Zeit  geliebte  und  verfolgte  Feind. 
Kurzer  Inhalt: 

Sychaeo,  König  von  Phoenicien,  ermordete  hinterlistiger  Weise 
den  Sysimetro,  König  von  Tyro,  Cratero  aber  ein  getreuer  Vasal  des 
ermordeten  Königs  Sysimetri  nähme  dessen  noch  in  Windeln  liegenden 
Cron-Printzen  Torismeno  zu  sich,  erdichtete  allenthalben  seinen  Tod, 
zöge  ihn  aber  unter  dem  Nahmen  Clearco  als  seinen  Sohn  gantz  sorg¬ 
fältig  auf.  Nach  dem  Tode  des  Sychaei  schwunge  sich  dessen  Tochter 
Bianca  mit  Gewalt  sowohl  auf  den  Thron  von  Tyro,  als  Phoenicien, 
Torismeno  aber  unter  dem  Nahmen  Clearco  wurde  zu  ihrem  Feld- 
Herrn  ervvehlet,  und  da  die  Königin  sich  in  Clearco  verliebet,  hörte 
sie  auch,  dass  Torismeno  der  würkliche  Rron-Erbe  noch  solte  am 
Leben  seyn,  welcher  kommen  würde,  sie  von  dem  Throne  zu  stossen, 
hat  sie  sich  demjenigen  zur  Gemahlin  versprochen,  welcher  ihr  den 
Torismeno  tod  oder  lebendig  lieffern  würde,  und  weilen  Torismeno 
unter  dem  Nahmen  ihres  Bräutigams  Clearco  verborgen  wäre,  hat  sie 
folglich  ihren  Feind  zu  gleicher  Zeit  geliebet  und  gehasset,  welches 
zu  den  angenehmsten  Intriquen  Anlass  giebet,  welches  alles  nebst 
der  Treue  des  Cratero  mit  besonderm  Gusto  auf  dem  Theatro  zum 
Vorschein  kommen. 

Es  wird  auch  mit  einigen  guten  Italiänischen  Arien  aufgewartet 
werden. 

Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet. 

Den  Beschluss  machet  eine  modeste,  Nach-Comödie. 


444 


1741. 

4.  April.  Eine  neue,  historische  und  moralische  Haupt- Action,  betitult:  Die  mit 

Tugend  vereinbahrte  Tapferkeit,  oder  IIANIBAL  IN  CAPUA.  Hanss-Wurst, 
Finette  und  Scapin  werden  mit  modester  Lustbarkeit  eine  angenehme  Ver¬ 
änderung  machen.  Nach  der  Action  folget  ein  Ballet  von  6  Personen,  den 
völligen  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

5.  April.  Eine  gewiss  vortreffliche,  intrigante  und  extra  lustige  Haupt-  und  Staats- 

Action,  betitult  :  DIE  HÖCHST-LÖBLICHE  REGIERUNG  DER  GROSS- 
MÜTBHGEN  BIANCA,  Königin  von  Tyro  und  Phoenicien ,  oder  der  zu  gleicher 
Zeit  geliebte  und  verfolgte  Feind.  Hanss-Wurst  wird  sich  heute  beson¬ 
ders  lustig  erzeigen.  Es  wird  auch  mit  einigen  guten  Italiäuischen  Arien 
aufgewartet  werden.  Nach  der  Action  folget  ein  Ballet  und  eine  lustige 
Nach-Comödie. 

6.  April.  Eine  gewiss  vortreffliche  intrigante  und  extra  lustige  Haupt-  und  Staats- 

Action,  betitult:  CHI  NON  SA  FINGERE,  NON  SA  VJYERE  oder  Wer  in 
der  heut’gen  W eit  zu  leben  ist  beflissen ,  muss  als  Politicus  sich  zu  ver¬ 
stellen  wissen.  Oder  aber:  DER  GALANTE  UND  GETREUE  VAS  AL. 
Mit  Hanss-AVurst,  einem  einfältigen  Kuppler  und  liederlichen  Sohn  einer 
dem  Trunck  ergebenen  Branntwein-Lutzel.  Unsere  Sängerin  wird  mit  ga¬ 
lanten  Arien  ihre  Schuldigkeit  bezeigen.  Nach  der  Action  folget  ein  Ballet 
und  eine  lustige  Nach-Comödie. 

7.  April.  Eine  neue,  charmante  Action,  betitult:  DIE  TYRANNISIRENDE  LIEBE, 

in  der  Persohn  einer  lasterhafften,  verrätherischen  und  ungetreuen  Frauen, 
oder  DER,  DURCHLÄUCIITIGE  STERN-SEHER,  mit  Hanss-AVurst,  einem 
uugliickseeligen  AVandersmann  und  Ertz-Feind  der  bösen  AVeiber.  Com- 
ponirt  von  Franz  Anton  Nuth.  Nach  der  Aktion  folget  ein  Ballet.  Statt 
einer  Nach-Comödie  wird  heute  ein  Operette-  Comique  oder  Musicalisches 
Lustspiel  aufgeführet,  welches  aber  durchaus  zum  Lachen  eingerichtet  ist. 
Genannt :  Das  lustige  Elend  zwischen  zwey  versoffenen  Eheleuten.  NB.  In 
dieser  Operette-Comique  werden  9  Teutsche  lustige  und  1  Italienische 
Aria  gesungen,  welche  bey  dem  Eingang  in  gedruckten  Büchlein  vor  2 
Batzen  zu  bekommen  sind. 

9.  April.  Eine  historische  Tragöedia,  betitult:  II  Figlio  Creduto  nemico  della  sua 

Madre  das  ist:  der  von  seiner  Mutter  vor  den  grössten  Feind  gehaltene 
Sohn,  oder  DIE  GESTÜRTZTE  REGIER-SU CHT.  Hanss-AArurst  stellet  vor 
einen  im  Gehirn  verrückten  Advocaten.  Componirt  von  Franz  Anton  Nuth. 
Nebst  guten  Arien  wird  auch  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie 
von  Hanss-AVurst  und  Pantalon  aufgewartet  werden. 

10.  April.  Eine  gantz  neue,  folglich  noch  niemahls  gesehene  Haupt- Action,  be¬ 

titult:  DER  STUMME  REDNER,  oder  DIE  UNBESTÄNDIGKEIT  DES 
GLÜCKES  dargestellet  in  dem  erstaunenswürdigen  Fall  des  reichen  CROESI. 
Hanss-AVurst  als  ein  lustiger  Brüllen- Krämer  wird  heute  mit  besonderer 
Lustbarkeit  aufwarten.  Unsere  Sängerin  wird  sich  in  guten  Arien  bestens 
signalisiren.  Den  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  eine  lustige  Nach- 
Comödie. 

12.  April.  Eine  neue  intrigante  und  gewiss  extra-ordinaire  lustige  Musicalische 
Action,  betitult :  COLOMBINA  P0L1TA,  oder:  Die  listige,  durchtriebene,  und 
Super-kluge  KAMMER- JUNGFRAU.  Oder:  AVenn  auch  ein  alter  Greiss, 
der  an  dem  Stecken  geht,  nnd  mit  dem  einen  Fuss  schon  in  dem  Grabe 
steht,  sich  suchet  eine  Braut,  und  will  noch  Hochzeit  machen,  so  kann  die 
junge  AVelt  darüber  billich  lachen.  Hanss-AVurst  stellet  vor  einen  durch 
den  Korb  gefallenen  Amanten.  Den  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  eine 
lustige  Nach-Comödie. 

14.  April.  Eine  unvergleichliche  sinnreiche  Haupt-  und  Staats-Action,  betitult: 
Der  aus  Liebe  entsetzlich  tyrannisirende,  und  endlich  in  seinem  eigenen 
Blut  erstickende  TAKTARISCIIE  AVÜTERICH.  Oder :  die  mit  Amors  Pfeilen 
verwundete,  listig  überwindende,  und  die  Tyranney  besiegende  PERSIA- 
NISCIIE  AMAZONIN.  Mit  Hanss-AVurst  einem  unglückseeligen  und  zu 
vielerlei  Marter  verdammten  Sclaven,  verzagten  Soldaten  und  von  vielerley 
Furien  entsetzlich  geplagten  Aufseher  vor  das  verliebte  F rauenzimmer.  Com¬ 
ponirt  von  Franz  Anton  Nutii.  Nach  der  Action  folget  ein  Ballet,  statt 


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einer  Nach-Comödie  aber  wird  eine  Operette-Comiqne  oder  musicalisch.es 
Lust-Spiel  aufgeführet,  betitult :  Der  in  die  Länder  reisende  dumme  Peterl , 
mit  dem  Hanss-Wurst  dem  neu- einfältigen  Hoffmeister.  NB.  Es  werden 
10  Teutsche  lustige  Arien  gesungen. 

15.  April.  Eine  moralische  doch  aber  mit  erlaubter-  Lustbarkeit  durchaus  unter¬ 
mengte  historische  Haupt- Action,  betitult :  IL  TRADITORE  DI  SE  STESSO, 
das  ist:  Der  sich  selbst  verrathende  Verrätlrer,  oder:  Wer  eine  Grube  gräbt, 
dem  andern  zum  Verderben,  der  fallet  selbst  hinein,  und  muss  mit  Schande 
sterben.  Hanss-Wurst  stellet  vor  einen  unglückseeligen  Bedienten  eines 
verliebten  Herrn.  NB.  Unsere  Sängerin  agiret  die  Haupt-Person  und  wird 
mit  guten  Arien  aufwarten.  Es  kommen  auch  besonders  gute  theatralische 
Auszierungen  zum  Vorschein.  Den  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  eine 
lustige  Nach-Comödie. 

17.  April.  Eine  recht-auserlesene,  intrigante,  aus  einer  wahrhafftigen  Historie 

gezogene  Haupt- Action,  betitult :  Montaldo  Furioso ,  das  ist :  DER  RASENDE 
MOND  ALDO,  oder:  Die  unglückseeligen  Früchte  des  weiblichen  Vorwitzes, 
und  der  von  übermässiger  Liebe  zur  Verzweiflung  gebrachte  Götzen-Diener. 
Mit  Hanss-Wurst  einem  neu  inventirten  Doctor  Die  Narren  gescheid  zu 
machen.  Componirt  von  Franz  Anton  Nuth.  Nebst  guten  Arien  wird 
auch  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

18.  April.  Eine  allhier  erst  Neu-Componirte,  aus  einer  wahrhafften  Historie  ge¬ 

zogene  Haupt-Piece  betitult:  DER  DURCHLAUCHTIGE  HIRTE,  oder: 
DIE  AUS  EINEM  TRAUM  ENTSTANDENE  TYRANEY.  [Jugendge¬ 
schichte  des  Cyrus]  Componirt  von  Franz  Anton  Nutii.  In  der  Action 
sind  5  extra  lustige  Intermedia  unter  dem  Titul  Der  verliebte  Maussfallen- 
Kr'ämer.  Es  werden  6  Teutsche  und  2  Italiänisehe  lustige  Arien  ge¬ 
sungen.  Den  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  so  es  die  Zeit,  leydet  eine 
lustige  Nach-Comödie. 

19.  pril.  Eine  allererst  allhier  neu-verfertigte,  mit  unterschiedlichen  merckwür- 

digen  Auszierungen  des  Theatri  und  vielen  lustigen  Musicalischen  Arien 
decorirte  extra  ordinair  lustige  Action,  betitult:  WER  DAS  GLÜCK  HAT 
BEKOMMT  DIE  BRAUT  und  GLEICH  UND  GLEICH  GESELLT  SICH 
GERN,  oder:  der  durch  viele  lächerliche,  gescheide  närrische  und  traurige 
Zauberey  sich  selbst  beglückende  SCAPIN.  Wann  die  Vergnügungssonn 
im  Ehstand  soll  erscheinen,  muss  Gleich  mit  Gleichem  sich  in  selbigem 
vereinen;  dann  Kalt  und  Warm  beysammen,  thut  wahrlich  selten  gut, 
Wie  die  Erfahrung  uns  fast  täglich  lehren  thut.  Hanss-Wurst  stellet  vor  einen 
durch  vielerley  Fatalitaeten  fast  zur  Verzweiflung  gebrachten  Wochen- Laquey. 
Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  heute  viele  neu-componirte  lustige  Arien,  so 
wohl  von  Manns-  als  Weibs-Personen  gesungen  werden.  Den  völligen  Be¬ 
schluss  aber  machet  em  Tantz  mit  recht  lustiger  Nach-Comödie. 

20.  April.  Eine  neue  historische  recht  vortreffliche  Haupt- Action,  betitult:  IL 

FIGLIO  DI  SUOI  GESTI,  das  ist:  Der  Sohn  seiner  eignen  Thaten,  oder: 
der  Durchlauchtige  Waldmann.  Mit  Hanss-Wurst  Einem  lustigen  Schäfer- 
Knecht.  Nebst  guten  Arien  wird  mit  einem  Ballet  und  recht  lustiger  Nach- 
Comödie  aufgewartet  werden. 

21.  April.  Eine  allererst  neu-componirte,  folglich  noch  niemahlen  gesehene  mit 

vielen  Auszierungen  des  Theatri,  Flugwerken,  und  besonders  durchgehende 
Lustbarkeiten  angefüllte  Piece,  betitult:  der  durch  Betrug,  Zauberey  und 
Meichelmord  sich  auf  den  Persischen  Thron  schwingende  SERASTE,  oder 
die  Bewundernswürdige  Zufälle  zwischen  Belsiro  Cron-Printzen  von  Persien, 
und  Fridoro,  einem  wegen  Verrätherey  durch  den  Strang  hingerichteten, 
durch  Zauberey  wieder  belebten  Sclaven.  Mit  Hanss- Wurst  einem  unglück¬ 
seeligen  Bedienten  eines  aus  Liebe  rasenden  Herrn.  Nach  einem  Ballet 
wird,  statt  einer  Nach-Comödie  ein  Operette-Comique  aufgeführt,  betitult : 
Die  Charmante  Schäfferey.  In  dieser  werden  10  lustige  teutsche  Arien 
gesungen. 


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22.  April.  Eine  neu-componirte,  wegen  des  lustigen  Inhalts,  vielen  vorkommenden 
Decorationen,  insonderheit  aber  wegen  charmanter  Vocal  UDd  Instrumental 
Musique  hörens  und  sehenswürdige  Capital-Piece,  betitult :  LA  STRIGARIA 
CAUSATA  PER  AMORE,  OYERO:  AURELIA  PER  AMORE  FATA  1N- 
CANTATRICE,  das  ist :  Die  aus  Liebe  zur  Zauberin  gewordene  AURELIA. 
Mit  Hanss-Wurst  und  Scapin  zweyen  unglückseeligen  und  von  Gespenstern 
auf  vielerley  Arth  geplagten  und  verfolgten  Bedienten.  NB.  Dieses  ist 
eine  besondere  Fatique  unsrer  Primier- Agentin ,  welche  heute  die  Aurelia 
vorstellen  und  durch  viele  geschwinde  Verkleidungen  sowohl  als  auch  in 
vielen  Italiänischen  und  Teutschen  Arien  ein  Meister-Stück  erweisen  wird. 
Den  völligen  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  eine  Nach-Comödie. 

25.  April.  Eine  allhier  erst  componirte,  mit  neuen  Arien  sowolil  als  verschie¬ 
denen  Auszierungen  des  Theatri  decorirte,  auserlesene  intrigante  und  extra- 
ordinair  lustige  Piece  Comique  betitult:  DIE  VERLIEBTE  ZAUBERIN, 
oder:  DAS  COLLEGIUM  VERLIEBTER  STUDENTEN.  Heute  werden 
zwey  Hanss-Würste  das  Theatrum  betretten  und  beyde  mit  Lustbarkeit  also 
aufwarten,  dass  ein  jeder  sich  bemühen  wird,  wie  er  dem  andern  den  Rang 
könne  streitig  machen.  Ein  zahlreiches  Auditorium  richte  sich  heute  nur 
zum  Lachen,  dann  dazu  wird  es  gewiss  Gelegenheit  haben,  dieses  ver¬ 
sichert  der  Compositeur  der  heutigen  Actiou,  Franz  Anton  Nuth.  Der  An¬ 
fang  dieser  Bourlesque  wird  mit  einem  Ballet  von  Hexen  gemacht.  Den 
völligen  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

20.  April.  Eine  zwar  kurtze,  doch  durch  und  durch  extra  lustige  Bourlesque, 
betitult:  HANS-WURST  DER  DUMME  KNECHT,  oder :  Bernardon  der  ein¬ 
fältige  Schlosser- Jung,  und  Pantalon  der  betrogene  Schwieger- Vatter.  Wei¬ 
len  aber  die  Action  so  kurtz  ist,  so  wird  statt  einer  Nach-Comödie  mit 
einer  recht  lustigen  Operette-Comique  oder  Musicalischen  Lust-Spiel  auf¬ 
gewartet  werden,  betitult:  Die  lustige  Jägerey.  Mit  Hanss- Wurst  einem 
verliebten  Forst-Knecht,  ln  dieser  Operette-Comique  werden  10  Teutsche 
recht  lustige  Arien  gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  2  Batzen 
zu  bekommen  sind. 

27.  April.  Eine  noch  niemahlen  gesehene,  mit  vielen,  besonders  inventirten  Aus¬ 

zierungen,  Flug-' Werken  und  Machinen  auf  das  beste  decorirte,  recht 
lustige  Piece,  Betitult:  Die  Ertz-Zauberin  Circe,  oder:  Der  von  dem  Thra- 
cischen  Helden  SORGESTRO  erlegte  MINOTAURUS.  Mit  Hanss-Wurst 
einem  verzauberten  Esel,  und  unglückseeligen  Liebhaber.  Nebst  guten 
Arien  wird  auch  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödien  aufgewartet 
werden. 

28.  April.  Eine  neue,  aus  dem  Spanischen  Helden- Cabinet  gezogene,  unvergleich¬ 

liche,  und  allen  beruffenen  Martis-Söhnen  zu  beliebiger  Ergötzung  zusam¬ 
men  geetragene  Haupt-Piece,  betitult :  Der  grosse,  wegen  seiner  unbegreif¬ 
lichen  Leibes-Stärke  billich  genannte  andere  HERCULES.  In  Person  des 
unüberwindlichen  teutschen  Helden  ROLAND,  oder:  Die  gleiche  Waag- 
Scliaale  recht-gebohrner  Kinder  der  Kriegerischen  Belonae,  zwischen  Man- 
ducoeur,  einem  Französischen  Helden,  und  zwischen  Roland  einem  Vetter 
Caroli  Magni.  Oder  aber:  Das  in  dem  achten  Jahrhundert  der  Welt  er- 
öffnete  Kriegs-  und  Liebes-Theatrum,  auf  welchen  der  von  Amor  gestürtzte 
Mavors  doch  über  die  Liebe  den  Triumpf  erhaltet.  Mit  Hanss-Wurst  einem 
durchgegangenen  Soldaten,  von  seinem  Vater  aus  dem  Hause  gejagten 
Sohn,  sehr  strapitzirten  Stall-Knecht  bey  des  Roland  seinem  Pferd,  von 
einem  Berg  geworffenen  unglückseeligen  Bedienten  und  von  seinem  närri¬ 
schen  Herrn  sehr  geplagten  Post-Klepper.  Den  Beschluss  machet  ein 
Reuter-Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

29.  April.  Eine  gewiss  charmante,  historische,  lustige  und  extra  bizarre  Piece, 

betitult:  DER  SCHAU-PLATZ  DER  UNGLÜCKSEELIG  VERLIEBTEN 
oder:  Die  Würkung  einer  unmenschlichen  Zauberey  und  der  wider  seine 
eigene  Tochter  tyrannisirende  Vatter.  Mit  Hanss- Wurst  einem  interessir- 
ten  Ambassadeur,  lächerlichen  Courier,  und  endlich  imschuldig  gehenkten 
Intriquanten.  Unter  der  Action  wird  ein  Tantz  gemacht,  nach  der  Action 
folget  dasjenige  Ballet,  in  welchem  Arlequin  durch  das  Fenster  springet, 
und  eine  extra  lustige  Nach-Comödie. 


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1.  Mai,  Eine  besonders  intrigante,  aus  einer  wahrhafftigen  Historie  gezogene 

Piece,  betitidt:  PER  LEBENBIG-BEGRABENE  STELLAPORO,  oder:  Per 
von  Verrätherey  stark  angefochtene,  von  der  Treue  hingegen  unterstützte 
Thron  von  Castilien.  NB.  Hanss-Wurst  wird  heute  besonders  mit  lustigen 
Zwischen-Scenen  aufwarten.  Pen  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  lustige 
Nach-Comödie. 

2.  Mai.  Eine  extra- ordinair  lustige,  intriquante,  und  mit  den  lächerlichsten  Pas¬ 

sagen  angefüllte  Bourlesque,  betitult:  LA  PRECAITTION  INUT1LE,  das 
ist:  die  vergeblichste  Vorsichtigkeit  ist:  Verliebte  von  ihrer  Meynung  ab¬ 
zuhalten,  wobey  Pantalon  als  ein  eigensinniger,  und  doch  zuletzt  betrogener 
Kauffmann,  und  Vatter  der  Isabella  agiren  wird.  Pen  Beschluss  machet  ein 
Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

4.  Mai.  Eine,  obwolilen  schon  bekannte,  doch  nicht  weniger  beliebte  Tragoedie, 
betitult:  EX  BOCTRINA  INTERITUS,.  oder:  Pie  unglückseelige  Beiehr¬ 
samkeit,  dargestellet  in  dem  Leben  und  verzweiffelten  Tode  PR.  JOANNIS 
FAUSTI.  Mit  Hanss-Wurst  einem  von  vielerley  Gespenstern  verfolgten 
Famulo.  Pen  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 
Besondere  Vorstellungen,  welche  produciret  werden. 

1.  Bluto  erscheint  auf  einem  Brachen  durch  die  Lufft  fahrend. 

2.  Hanss-Wurst  kommt  in  Fausti  Zauber-Creyss  und  wird  von  denen 
Geistern  verfolget. 

3.  Mephistophiles  kommt  durch  die  Luft  in  Fausti  Zimmer  gepflogen. 

4.  Stellet  Faustus  dem  Herzog  von  Parma  folgendes  vor  Augen :  Pie  Plagen 
Tantali :  item  des  Tity  Geyer :  item  des  Sisiphy-Stein  item  Pompey-Tod. 

5.  Ein  Weibs-Bild  wird  öffentlich  in  eine  Furie  verwandelt. 

0.  Wird  Faust  unter  einem  Geister-Ballet  von  denen  Furien  zerrissen. 

9.  Mai.  Eine  neue  recht  intrigante,  und  durchaus  lustige  Piece,  betitult:  PIE 
POLITISCHE  PAME,  oder :  Schön,  Politisch,  Klug  und  Reich,  ist  ein  In¬ 
disch  Himmel-Reich.  Mit  Hanss- Wurst,  einem  lächerlichen  Katzen-Praecep- 
tor,  das  ist:  Hanss- Wui-st,  der  um  alles  das  Seinige  listig  betrogene,  und 
endlich  in  das  Toll-Hauss  gebrachte  Handelsmann.  NB.  Nach  der  Action 
folget  ein  Ballet,  statt  einer  Nach-Comödie  aber  wird  mit  einer  Musica 
Bernesca  oder  Operette-Comique  aufgewartet  werden,  welche  an  Lustbar¬ 
keit  wenig  ihres  gleichen  hat,  betitult:  La  Lucretia  Romana ,  die  Römische 
Lucretia  oder:  Scapin  der  einfältige  König  der  Latiner,  und  Hanss-Wurst 
dessen  rebellischer  Feld-Herr  Brutus.  In  dieser  extra  lustigen  Bernesca 
werden  17  Arien  gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  2  Batzen 
zu  bekommen  sind. 

12.  Mai.  Eine  gewiss  besonders  intrigante,  aus  einer  wahrhafften  Historie  gezo¬ 

gene  Haupt-Piece,  betitult:  Per  Weibliche  Printz  MANPANE,  oder  die 
Wahrheit  in  den  Lügen,  mit  Hanss-Wurst  einem  unglückseeligen  König 
in  der  Einbildung.  NB.  Unsere  Primier-Agentin,  stellet  diesen  Weiblichen 
Printzen  vor,  welche  sich  heute  besonders  signalisiren  wird.  Unter  der 
Action  wird  ein  Tantz  gemacht,  nach  der  Action  folget  ein  Ballet,  den 
völligen  Beschluss  aber  machet,  eine  extra  lustige  Operette-Comique,  be¬ 
titult:  Das  lustige  Soldaten- Leben,  mit  Hanss- Wurst  einem  unglückseeligen 
Musquetier.  In  dieser  Operette  Comique  werden  10  Teutsehe  Arien  ge¬ 
sungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  6  Kr.  zu  bekommen  sind. 

13.  Mai.  Eine  aus  dem  Frantzösischen  in  das  Teutsehe  übersetzte  Capital-Tra- 

goedie,  betitult:  LE  CIT,  oder:  Per  Streit  zwischen  Ehre  und  Liebe,  dar¬ 
gestellet  zwischen  Roderich  und  Chimene.  NB.  Pie  Chimene  agiret  unsere 
Sängerin,  und  wird  sich  in  einigen  Arien  besonders  signalisiren.  Nach  der 
Action  folget  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

15.  Mai.  Eine  gewiss  charmante  Haupt-Piece,  welche  mit  extra  guter  Lustbar¬ 
keit  untermenget  ist,  betitult :  Pie  wunderbarsten  Glück-  und  Unglücks- 
Fälle  keuscher  und  getreuer  Liebe,  dargestellet  in  ATALO  und  ARSINOE 
mit  Hanss-Wurst  einem  lächerlichen  Bräutigam  eines  affectirten  Cammer- 
Mädels.  Unsere  Primier  Agentin  wird  sowohl  in  Vorstellung  der  Arsinoe 
als  auch  im  Singen  einer  Italiänisch-  und  Teutschen-Aria  sich  bestens 
recommandiren.  Nach  der  Action  folget  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie, 


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16.  Mai.  Eine  extra  lustige,  aus  dem  Italienischen  in  das  Teutsche  übersetzte 

Bourlesque,  betitult:  L’OGGETTO  ODIATO,  oder  DIE  VERHASSTE  BRAUT. 
Mit  Hanss-Wurst  einem  unglückseeligen,  und  durch  unterschiedliche  Fata¬ 
litäten  schier  zur  Verzweiflung  gebrachten  Diener  eines  treulosen  Herrn. 
Ueber  dieses  werden  unsere  Tantz-Meister  mit  2  guten  Ballets  aufwarten. 
Den  völligen  Beschluss  aber  machet  eine  lustige  Nach-Comödie.  NB.  Auf 
gnädiges,  hohes  und  vielfältiges  Begehren,  wird  sich  heute  der  dumme 
Schlosser-Jung  wiederum  praesentiren. 

17.  Mai.  Eine  mit  sehr  vieler  Lustbarkeit  untermengte  Piece-Comique,  betitult: 

DIE  VERKEHRTE  WELT,  oder:  Wer  will  die  Thorheit  nicht  der  jetz’gen 
Welt  belachen,  da  sie  aus  Narren  will  gescheide  Leute  machen.  Gleich 
wie  das  gute  Geld  man  kennet  an  dem  Klang,  die  Freunde  in  der  Noth, 
den  Vogel  am  Gesang,  auf  gleiche  Weiss  kennt  man  den  Adel  am  Ge- 
bliite,  der  Tugendreiche  Geist  beseelet  das  Gemüthe.  Hanss- Wurst  stellet 
vor:  1.  Einen  einfältigen  Bauren-Sohn.  2.  Einen  durch  Missverstand  er¬ 
klärten  Printzen.  3.  Einen  von  einem  Philosopho  gequälten,  von  einem 
Sprachmeister  exercirten,  von  einem  Fechtmeister  strapizirten  von  einem 
Dantzmeister  und  Bereither  fast  zum  Narren  gemachten  Scholaren.  Nach 
der  Action  folget  ein  Ballet,  statt  einer  Nach-Comödie  aber  wird  auf  hohes 
und  vielseitiges  Begehren  eine  neue  extra  lustige  Operette-Comique  auf- 
gefiihret  werden,  betitult:  Der  verliebte  Mauss-Fallen- Krämer.  In  dieser 
extra  lustigen  Operette  werden  6  Teutsche  und  2  Italiänische  Arien  ge¬ 
sungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  6  Kr.  zu  bekommen  sind. 

18.  Mai.  Eine  extra  lustige,  und  intrigante  Bourlesque,  betitult:  IL  PADRE 

AVARO,  IL  FIEGLIO  PRODIGO  oder:  Je  geitziger  der  Vater,  Je  lustiger 
der  Sohn.  Pantalon,  Hanss- Wurst  und  Scapin  werden  durch  unterschied¬ 
liche  lustige  Passagen  zeigen,  dass  diese  Bourleske  eine  derer  besten  seye. 
Unsere  Primier- Agentin  wird  als  ein  lustiges  Mädel  in  guten  Arien  Dach¬ 
ten,  ein  gnädiges  Auditorium  bester  Massen  zu  contentiren.  Den  Beschluss 
machet  nebst  einem  Ballet  von  7  Personen  auch  eine  lustige  Nach-Comödie. 

23.  Mai.  Eine  aus  denen  merkwürdigsten  Römischen  Begebenheiten  gezogene 

Haupt- Action,  betitult:  Der  grossmüthig-sterbende  Rechts-Gelehrte,  EMI- 
LIUS  PAULUS  PAPINIANUS.  Welcher  unter  der  Regierung  Passiani 
des  Römischen  Kaysers,  öffentlich  ist  enthauptet  worden.  Hanss- Wurst 
stellet  vor  einen  im  Gehirn  verrückten  Stemseher.  Den  Beschluss  machet 
ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

24.  Mai.  Eine  aus  dem  Italiänisch  gezogene  extra  lustige  Bourlesque,  Betitult : 

LA  VENDETTA  PUNITA,  oder  Harlechino  ein  Zaubrer  aus  Rache,  und 
Hanß  Wurst  einem  durch  die  Banditen  ausgeraubten  Passagier.  NB.  Die 
heutige  Bourlesque  ist  aus  vielen  andern  erwehlet  worden,  um  unserm 
neuen  Harlechin  Gelegenheit  zu  geben,  seine  Force  zu  zeigen,  -welcher  nebst 
Pantalon,  Hanß-Wurst  und  Colombina  sich  besonders  bemühen  wird,  mit 
extra  guter  Lustbarkeit  ein  gnädiges  Auditorium  zu  contentiren,  ingleichen 
werden  unterschiedliche  Theatralische  Auszierungen  zum  Vorschein  kommen. 
Unsere  Täntzer  werden  mit  2  Ballets  aufwarten,  den  Beschluss  macht 
eine  lustig  Nach-Comödie. 

25.  Mai.  Eine  charmante  mit  gewissem  Fleiß  componirte  Action,  Betitult: 

IL  TRIOMPIIO  DELLA  CONSTANZA  TjFEDELTA,  oder:  Der  Triumpf 
der  Beständigkeit  und  Treue  In  Zwey'vest  und  keusch  verbundenen 
Hertzen.  Mit  Hanß-Wurst  einer  von  Geistern  erschrökten  Schildwacht,  ver¬ 
zagten  Duellanten  und  lächerlichen  Scharfrichter.  Den  Beschluss  machet 
ein  Ballet,  statt  einer  Nach-Comödie  aber,  wird  eine  neue  Operette-Comique 
oder  Teutsch-Musicalisches  Lust-Spiel  produciret,  Betitult:  » Das  lustige 
Elend  zwischen  zwey  versoffenen  Eheleuten. «  In  dieser  Operette  werden  10 
Teutsche  extra  lustige  Arien  gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein 
vor  6  Kr.  verkaufft  werden. 

2G.  Mai.  Eine  recht  sehens-wiirdige  durch  und  durch  lustige  Action,  Betitult: 
DAS  GESPRÄCH  IM  REICH  DER  TODTEN,  durch  Betrug  mitten  Im 
Reich  derer  Lebendigen.  Zu  mehrerer  Gemüths- Vergnügung  wird  ein  Ballet 
gemacht,  den  völligen  Beschluss  aber  macht  eine  extra  lustige  Nach-Comödie. 


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29.  Mai.  Eine  gantz  neue  sinn-reiche  mit  einem  guten  Moral  sowohl,  als  ge¬ 
ziemenden  Lustbarkeiten ,  wie  nicht  weniger  verschiedenen  wohlgesetzten 
Arien,  durchaus  vermischte  Hof-,  Liebes-  und  Staats-Action,  Betitult : 
DER  DURCHLAUCHT I G TE  GÄRTNER.  Oder:  Die  auf  den  Thron  erho¬ 
bene  Weisheit  und  Tugend.  Mit  Hanß  Wurst  einem  von  Hunger  und 
Liebes  -  Grillen  geplagten  philosophischen  Famulo.  NB.  Dieses  ist  ein 
Meister-Stück  einer  Teutschen-Comödie ,  und  flattrrt  sich  unser  Theatrum 
heute  besonders  Ehre  einzulegen.  In  der  Action  werden  unsre  Tantz- 
meister  mit  2  neuen  Ballets  aufwarten,  den  völligen  Beschluss  aber  macht 
Arlequin  und  Pantalon  mit  einer  extra  lustigen  Nach-Comödie. 

31.  Mai.  Eine  der  galantesten,  neuen,  wohl  ausgearbeiteten  Haupt-  und  Staats- 
Actionen,  betitult  DER  PROBIERSTEIN  UNGLAUBLICHER  GEDULD, 
Oder:  Die  unüberwindliche  Großmuth  einer  tugendhaften  Seele,  in  der 
getreuen  und  beständigen  Griselda,  die  von  Qualtero,  König  in  Sicilien, 
zur  Gemahlin  erhobene ,  hernach  wegen  Aufruhr  derer,  dessentwegen 
widersinnigen  Land  -  Stände,  zum  Schein  verstossene  ,  und  wieder  auf’s 
neue  durch  eine  (Eire  mehr  als  adeliche  Tugend  zu  bestättigen)  sonder¬ 
bahr  merckwiirdige  Erfindung  erklärte  Königin  von  Sicilien,  Mit  Hanß 
Wurst  einem  interessirten  Hof-Narren.  NB.  Diese  merckwürdige ,  wahr¬ 
hafte  Historie  hat  Anlass  gegeben  eine  der  allerbesten  Comödien  daraus 
zu  machen,  und  wird  sonderlich  unsere  Primier- Agentin  sowohl  in  Vor¬ 
stellung  der  Griselda  als  auch  in  guten  Arien  sich  bestens  recomman- 
diren.  Nebst  2  Ballets  wird  unser  Arlequin  auf  vieles  und  hohes  Begehren 
mit  einer  lustigen  Nach-Comödie  aufwarten,  Betitult :  Arlequin  die  ver¬ 
soffne  Sybilla. 

13.  Juni.  Eine  aus  dem  Frantzösischen  in  das  Teutsche  übersetzte  Haupt- 

Tragoedie,  Betitult:  LE  COMTE  D’ESSECK,  Oder:  Der  unverhoffte  ge¬ 
waltsame  Tod  des  Welt-berühmten  Engelländischen  Generals  ,  Grafen  von 
Esseck,  wobey  Hanß  Wurst,  und  ein  im  Hirn  verrückter  Kapitain  mit 
lustigen  Zwischen-Scenen  aufwarten  werden.  Die  ersten  2  Actus  werden 
jeder  mit  einem  Tantz  beschlossen,  nach  der  Action  folget  ein  Masquen- 
Ballet  von  7  Personen,  statt  einer  Nach-Comödie  wird  mit  einer  gleichfalls 
hegehrten  Operette  -  Comique,  oder  Musicalisches  Lust  -  Spiel  aufgewartet 
werden.  Betitult :  Die  Charmante  Schuf ferey ,  mit  Scapin  einem  alla- 
modischen  Prahl-Hansen.  Es  werden  10  Teutsche  lustige  Arien  gesungen 
welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  6  Kr.  zu  bekommen  sind. 

14.  Juni.  Eine  neue,  recht  lustige,  mit  vielen  Intriguen  bestens  versehene  Bour- 

lesque,  betitult:  L’AMORE  VUOL  POLITICA :  Verstand  muß  bey  der  Liebe 
seyn,  Sonst  fällt  man  in  den  Korb  hinein.  Oder  aber :  Das  verliebte 
Nacht-Gespenst,  Mit  Hanß  Wurst  einem  durch  vielerley  Fatalitäten  endlich 
beglückten  Bräutigam.  NB.  Diese  ist  eine  _ extra  lustige,  und  durchaus 
Intriguante  Bourlesque,  welche  aus  wahrhaften  Begebenheiten  von  einer 
Saty rischen  Feder  zusammen  gezogen  worden,  diese  nun  noch  aggreabler 
zu  machen,  wird  in  dem  ersten  Actu  mit  einem  Tantz,  und  in  dem  letzten 
mit  einem  neuen  und  noch  niemahlen  gesehenen  Ballet  aufgewartet  werden. 
Den  Beschluss  machet  eine  extra  lustige  Nach-Comödie. 

16.  Juni.  Eine  unvergleichliche  ,  neue,  aus  einer  wahrhaften  Historie  gezogene 
Haupt-Piece,  Betitult :  Die  wundersame  Lebens  und  Liebes-Geschiehte 
der  verwittibten  Königin  ARTEMISIA,  Oder :  Der  zu  gleicher  Zeit  geliebte 
und  biß  auf  den  Tod  verfolgte  Bräutigam,  W obey  Hanß  W urst  mit  lustigen 
Zwischen-Scenen  aufwarten  wird.  [Nachher  Ballet  und  Nachkomödie]. 

21.  Juni.  Eine,  mit  vielen  neuen  extra  lustigen  Arien,  besonders  inventirteu 
Theatralischen  Auszierungen  versehene  Piece-Coniique  (Auf  hohes  und  viel¬ 
fältiges  Begehren.)  Betitult:  SICH  SELBST  ÜBERWINDEN  IST  DER 
GRÖSSTE  SIEG,  Oder:  Die  merckwürdige  Lebens-  und  Liebes-Begeben- 
heit  der  Prinzeßin  Lodisse ,  Und  des  Printzen  Pyrandro.  NB.  Dieser  ist 
der  Titul  der  serieusen  Materie,  es  dienet  auch  zur  Nachricht,  dass  in  der 
gantzen  Comüdie  nur  G  serieuse  Scenen  seynd,  die  übrigen  «alle  lustig 

29 


450 


welche  lustige  Materie  folgenden  Titul  führet:  Die  Egyptische  Zauberin 
Zorinde.  Mit  Hanß  Wurst  und  Scapin  zweyen  eyfersüchtigen  Liebhabern, 
lieber  dies  alles  werden  6  neue  extra  lustige  teutsche  Allen  gesungen; 
welche  bey  dem  Eingang  in  gedruckten  Büchlein  verkauft  werden. 

22.  Juni.  Eine  extra  lustige,  aus  dem '  Frantzösischen  gezogene  Piece-Comique 

betitult:  L’ETOURDI,  Oder:  Der  dumme  Herr  und  kluge  Knecht. 
NB.  Diese  Piece  wird  auch  sonsten  betitult:  Was  der  eine  gut  macht, 
verdirbt  der  andere.  Unter  der  Action  wird  ein  Tantz  gemacht,  nach  der 
Action  folget  ein  Ballet,  und  zuletzt  eine  lustige  Nach-Comödie. 

23.  Juni.  Eine  gewiss  charmante,  recht  bewegliche,  historische  Haupt- Action,  be¬ 

titult:  DIE  BEWUNDRRNS- WÜRDIGE  GEDÜLT  UND  BESTÄNDIGKEIT 
GETREUER  EHE-LEUTHE,  dargestellet  in  Aleran  einem  Teutschen 
Fürsten  und  Adelheid  einer  Prinzessin  Kaysers  Ottonis  Magni,  Oder :  Der 
durchlauchtige  Kohlen-Brenner,  Mit  Hanß  Wurst  einem  lustigen  Kohlen- 
Händler.  Es  würd  mit  Arien,  einem  Tantz,  einem  Ballet  und  einer  lustigen 
Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

26.  Juni.  Eine  gantz  neue  Moralische  recht  vollkommene  aus  einer  wahrhafftig 

geschehenen  Historie  gezogene  Haupt-  und  Staats-Action,  Betitult:  LA 
FORZA  DEL  HONORE  NEL  CORE  D’UNA  —  DONNA  NOBILE,  Das 
ist :  Die  Wirkung  der  Ehre  In  dem  Hertzen  Einer  edlen  Dame.  Oder  Der 
vor  den  grössten  Feind  gehaltene  wahre  Freund.  Den  Beschluss  machet 
ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

27.  Juni.  Eine  intrigante,  und  extra  lustige  Bourlesque,  Betitult:  MÄNNER 

LIST  IST  BEHEND,  WEIBER  LIST  HAT  KEIN  END.  Oder:  Die 
lächerlichen  Wind-Machereyen  eines  affectirten  Teutschen  Frantzosen.  In 
der  Persohn  des  Neuen  Baron  Zwickels,  Hanß  Wurst  stellet  vor  einen 
ungliickseeligen  Bedienten  einer  intriganten  Marquisin,  Harlechino  aber  einen 
lächerlichen  Edelmann  alla  mode,  und  einfältigen  Advocaten.  NB.  Dieses 
ist  eine  derer  lustigsten  Bourlesquen,  so  noch  auf  unserm  Theatro  auf- 
geführet  worden,  und  wird  sowohl  mit  guten  Arien  als  auch  mit  einem 
Tantz,  zuletzt  aber  mit  einem  Ballet  und  extra  lustigen  Nach-Comödie 
aufgewartet  werden. 

28.  Juni.  Eine  aus  denen  alten  Historien  gezogene  Piece,  Betitult :  Der  mit  zwey 

und  fünffzig  Cronen  prangende  Thracische  Hirt  TARTARKAM  TAMERLAM, 
Oder:  Der  in  einem  verächtlichen  Yogel-Hauß  sterbende  Baizet.  Wobey 
Hanß  Wurst  als  Diener  der  Printzessin  Maecha,  welche  sich  in  schlechte 
Bauern  Kleider  verhüllet  und  sich  vor  des  Hanß  Wursts  Sohn  ausgiebet,  mit 
unterschiedlichen  lustigen  Zwischen-Scenen  aufwarten  wird.  NB.  Unter  der 
Action  wird  mit  einem  Tantz,  zuletzt  aber  mit  einem  Ballet  und  extra 
lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden.  Betitult:  Die  neueste  Mode 
Schulden  zu  bezahlen,  Oder:  Der  intereßirte  Advocat. 

29.  Juni.  Eine  vortreffliche  Haupt- Aktion,  Betitult:  DAS  LEBEN  UND  TOD 

Des  Ertz-Zauberers  Hanß  Wurst.  NB.  Man  versichert,  daß  heute  niemand, 
der  eine  rechtschaffene  Comödie  liebet,  sich  beklagen  solle,  sein  Geld  oder 
die  Zeit  verschwendet  zu  haben  ,  weil  diese  Piece  so  sehens-würdig  ist, 
als  vielleicht  sechs  andere  zusammen,  derer  allerbeste  Stücke  nicht  sind: 
absonderlich  wird  Colombine  und  Lavinia  in  einigen  Dialogues  oder  Unter¬ 
redungen,  so  aus  der  berühmten  Frantzösischen  Action :  La  Fille  Scavante 
genannt,  zum  Theil  gezogen,  sich  zum  allgemeinen  Vergnügen  derjenigen, 
so  gerne  etwas  galantes  und  recht  schönes  hören,  signalisiren.  Den  Be¬ 
schluss  machet  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

30.  Juni.  Eine  Bourlesque,  welche  an  Lustbarkeit  wenig  ihres  Gleichen  hat, 

Betitult:  JE  NÄRRISCHER,  JE  BESSER,  Oder:  Hans  Wourst  Le  Mar- 
chand  Ruine.  Das  ist:  Hanß  Wurst  der  durch  seine  Gutheit  um  alles  das 
Seinige  listig  betrogene,  und  endlich  in  das  Toll-Hauß  gebrachte  Handels- 
Mann  Oder  aber:  Hanß  Wurst  der  lächerlich  betrogene  Bräutigam  ohne 
Braut.  In  der  heutigen  Bourlesque  wird  unser  Hanß  Wurst  von  Anfang 
biß  zu  Ende  sich  bestens  bemühen,  ein  respective  allerseits  Hochansehn¬ 
liches  Auditorium  zu  contentiren,  mit  einem  Wort,  wer  Lust  zu  lachen 
hat  und  eine  honette  Lustbarkeit  liebet,  der  wird  alle  Satisfaction  finden. 


451 


NB.  Der  Wienerische  Bernardon  wird  mit  einer  lustigen  Scene  und  einer 
lustigen  Aria  aufwarten,  den  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  extra  lustige 
Nach-Comödie,  Betitult  Die  neueste  Mode  alte  Weiber  jung  zu  machen. 

3.  July.  Eine  neue,  durchaus  lustige  und  besonders  Intrigante  Piece-Comique, 

Betitult:  Die  Tartarische  Zauberin  ASTBONILDA,  oder:  Der  in  seinem 
eigenen  Blut  erstickende  Türkische  Wiitterich.  Mit  Hanß-Wurst  einem 
unglückseeligen  Schulmeister  in  der  Türkey.  Den  Beschluss  machet  ein 
Ballet  und  lustige  Nach-Comödie,  Betitult:  Hanss  Wurst  der  gezwungene  Doctor. 

4.  .Tuly  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene,  mit  HanJß  Wurst  und  Arlequins 

Lustigkeit  durchaus  versehene  Piece-Comique,  Betitult:  PANDOLEO 
IMBROGLIATO  CON,  AEICHIENO  MEDICO  YOLANTE  ET  HANS 
WÖLBST  SPIA  EEDEL  DEL  SUO  PADBONE  oder:  ABLEQUIN, 
der  listig  betrügerische  Medicus,  und  HANSS  WURST,  der  getreue 
Spion  seines  Herrn.  Statt  einer  Nach-Comödie  wird  auf  vielfältiges  Be¬ 
gehren  eine  Operette-Comique  gemacht,  betitult:  Geld  regirt  die  Welt.  Es 
werden  10  teutsche  lustige  Arien  gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein 
vor  6  Kreutzer  zu  bekommen  sind. 

5.  July.  Auf  hohen  Befehl  und  vielfältiges  Begehren  eine  recht  galante  Haupt- 

Piece,  Betitult:  Die  in  XIMINDO  untergehende,  und  in  BALACIN  wieder 
aufgehende  Reichs-Sonne  von  PEGU  oder:  Die  Asiatische  BANISE.  Nebst 
guter  Lustbarkeit  wird  auch  mit  3  Ballets  aufgewartet  werden.  Statt  einer 
Nach-Comödie  aber  wird  mit  einer  gleichfalls  begehrten  Operette-Comique 
der  völlige  Beschluss  gemacht  werden.  In  dieser  Operette-Comique  werden 
10  extra  lustige  teutsche  Arien  gesungen. 

G.  July.  Eine  hier  noch  niemahlen  producirte,  extra  lustige,  und  intrigante 
Comique-Piece,  Betitult:  HANSS  WURST  ROBINSON,  oder:  Hanss  der 
lächerliche  König  auf  der  Insul  Lumbonibaz  und  Isabella  die  verliebte 
Götzen-Dienerin.  Es  wird  auch  mit  2  Täntzen  und  einer  lustigen  Nach- 
Comödie  aufgewaftet  werden. 

7.  July.  Eine  extra- ordinair  Fatique  unserer  Primier- Agentin,  Betitult:  COLOM- 
BENA  MAGA  oder :  Die  besonders  seltsame  Liebes-  und  Lebens-Geschichte 
der  Printzessin  Dorisbe,  wobei  Hanss  Wurst  und  Scapin  mit  besonderer 
Lustbarkeit  aufwarten  werden.  NB.  Nebst  guten  Arien  wird  auch  mit 
einem  Tantz,  Ballet  und  einer  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

11.  July.  Eine  neue,  mit  besondem  Intriguen  und  durchaus  gehender  Lustbar¬ 
keit  angefüllte  Piece-Comique,  Betitult :  DER  WEIBLICHE  GRENADIER¬ 
HAUPTMANN,  und  Arlequin  der  politische  und  beglückte,  Hanss  Wurst 
aber  der  einfälltige  und  betrogene  Liebhaber.  In  dieser  extra  lustigen  Action 
werden  9  Teutsche,  aus  einer  allhier  erst  componirten  Operette,  gezogene 
Aiden  gesungen.  Es  werden  heute  3  Ballets  gemacht  unter  dem  Titul: 
Die  lustige  Bauern- Hochzeit.  Den  völligen  Beschluss  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie.  Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  eine  neu  angelangte  Agentin 
sich  heute  das  erste  mahl  zeigen  werde,  und  weilen  zur  heutigen  Piece 
man  besondere  Mühe  und  Unkosten  angewendet ,  hat,  zweiffelt  m^u  um 
desto  weniger  an  einer  zahlreichen  Frequenz.  Die  Arien  seynd  beym  Eingang 
zu  bekommen. 

13.  Jnly.  Ein  aus  dem  Theatre  Italien  des  Mr.  Gerardi,  übersetzte  Bourlesque, 
Betitult:  LA  PRECAUTIO  INUTILE  oder:  Die  vergeblichste  Vorsichtig¬ 
keit  ist  Verliebte  von  ihrer  Neigung  abzuhalten.  Welches  Hanss  Wurst 
durch  viele  listige  Vorstell-  und  Verkleidungen  auf  eine  lächerliche  Art 
an  dem  eigensinnigen  Gofiochon  genugsam  beweiset.  Es  wird  nebst  lustigen 
Arien  auch  mit  3  Täntzen  und  einer  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet 
werden. 

15  July.  Eine  extra-ordinair  lustige  Comique-Piece,  Betitult  DER  DRESSNER 
FRAUEN-SCHLENDRIAN,  mit  Hanss  Arlequin  einer  rechts  und  gelehrten 
Frauen  und  Hanss  Wurst  dieser  gelehrten  Frauen  lustiger  Diener.  Diese 
Piece  ist  allhier  noch  niemahlen,  ausser  einmahl  von  der  Frau  Neuberin, 
und  zwar  mit  grösstem  Applausu  produciret  worden.  Ingleichen  wird  eine 
neu-angekommene  Täntzerin  sich  das  erste  mahl  in  einem  Solo  zeigen. 

29* 


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Den  völligen  Beschluss  dieses  vollkommenen  Werks  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie,  Betitult :  Das  bezauberte  Bistoleste. 

18.  July.  Eine  historische  mit  durchgehender  Lustbarkeit  untermengte  Comödie, 
Betitult :  DER  REISENDE  IM  SCHLAFF  oder :  W o  die  Gefahr  am  grössten, 
dort  ist  die  Hülff  am  nächsten.  NB.  In  dieser  Action  wird  sowohl  mit  an¬ 
genehmen  Arien  als  auch  guter  Lustbarkeit  des  Hanss-Wursts  aufgewartet 
werden.  Unter  der  Action  wird  eine  in  3  Ballets  bestehende  Bantomime 
gemacht,  unter  dem  Titul :  Der  bezauberte  Garten.  Den  völligen  Beschluss 
machet  Arlequin  mit  einer  lustigen  Nach-Comödie. 

20.  July.  Eine  aus  denen  merkwürdigsten  Historien  gezogene  Haupt- Action,  Be¬ 

titult  :  DER  WETTSTREIT  ZWISCHEN  EHRE  UND  LIEBE  oder  Gerechtig¬ 
keit  erhaltet  Cron  und  Scepter,  dargestellet :  In  dem  jungen  Keyser  Ardemio. 
Diese  serieuse  Materie  wird  mit  guten  und  lustigen  Zwischen-Scenen  und 
Arien  untermischt  werden.  Unsere  Tanzmeister  werden  zu  mehrerer  Ge- 
müthsbelustigung  mit  zwei  Täntzen  aufwarten.  Den  Beschluss  machet  eine 
extra  lustige  Nachkomödie. 

21.  July.  Eine  extra  lustige  Intrigante  Piece-Comique,  Betitult :  DIE  UNBESTÄN¬ 

DIGKEIT  DER  LIEBHABER,  Bestraffet  durch  Arlequin  einem  politischen 
Ehemann,  und  listigen  Unterhändler  seiner  eignen  Frauen  mit  dem  durch 
seinen  eigenen  Betrug  selbst  betrogenen  Frantzosen  Monsieur  D’Appetit. 
NB.  Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  dasjenige  Pantomimme  mit  3  Ballets 
repetiret,  welches  verwichenen  Dienstag  das  erste  mahl  ist  produciret 
werden,  in  welchem  unsere  Tantzmeister  sich  besonders  recommandiren 
werden.  Nebst  guten  Arien  wird  auch  mit  extra  lustigen  Nach-Comödie 
aufgewartet  werden. 

27.  July.  Eine  nach  der  vollkommenen  Theatralischen  Regul  mit  besonderer 

Mühe  componirte  Piece-Comique,  betitult:  JEAN  DE  FRANCE,  oder:  Der 
Teutsche  Franzose,  wobey  Arlequin  unter  dem  Nahmen  Pierre  des  Jean 
de  France  Diener,  ingleichem  Hanss- Wurst  als  ein  Hauss-Knecht,  nicht 
weniger  Martha  eine  Dienst-Magd,  welche  sich  bey  dem  Jean  vor  eine 
Frantzösische  Dame  ausgiebt,  mit  besonderer  Lustbarkeit  aufwarten  werden. 
Unsere  Sängerin  wird  mit  einer  Aria,  unsere  Täntzer  aber  mit  3  Täntzen 
aufwarten.  Den  völligen  Beschluss  machet  eine  extra  lustige  Nach-Comödie, 
Betitult  Arlequin  die  böse  Gretha. 

28.  July.  Eine  neu  componirte,  lustige,  doch  kurtze  Piece-Comique,  Betitult: 

DIE  YERMÄHLUNG  DER  VIER  JAHRESZEITN,  wobey  Arlequin  und 
Hanss  Wurst  mit  durchgehender  Lustbarkeit  aufwarten  werden.  Ingleichen 
werden  auch  6  lustige  Arien  gesungen.  NB.  Unsere  Tantzmeister  werden 
mit  4  Ballets  aufwarten,  unter  dem  Titul:  Die  abwechselnde  Lustbarkeit 
der  vier  Jahres- Zeiten.  Die  Ballets  sind  componirt  worden  von  Monsieur 
le  Breun.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

I.  August.  Eine  mit  vielen  Intriguen,  und  durchgehender  Lustbarkeit  des  Hanss 

Wursts  und  Arlequins  untermengte  Piece-Comique,  Betitult:  ARLEQUIN 
DIE  AFFECTIRTE  GRÄFIN  VON  MARLET,  UND  HANSS  WURST  DER 
LUSTIGE  DRAGONER-HAUPTMANN.  [Ballet  wie  am  28.  July.] 

3.  August.  Eine  Moralische,  aus  der  Bibel  gezogene  Tragödie,  welche  eine  voll¬ 
kommene  Haupt-  und  Staatsaction  vorstellen  kann ,  Betitult :  DAVIDS 
V  ATTER  -  THRÄNEN  über  den  unglückseligen  Untergang  ABSALONS 
oder:  Die  Straffe  ungehorsamer  Kinder,  und  die  Rettung  frommer  Eltern 
aus  dem  durch  übel  ertheilten  Rath  erfolgten  Unglück.  Bey  Vorstellung 
dessen  wird  unser  Theatrum  nichts  versäumen,  sowohl  in  guter  Elaboration 
der  Piece,  als  auch  in  der  Schrifftgemässen  Decorationen.  Letztlich  wird 
Davids  Klag-Rede,  jn  Versen,  über  den  frühzeitigen  Untergang  des  Absa¬ 
lons  dem  Auditorio  ein  vollkommenes  Vergnügen  erwecken.  Nebst  guten 
Arien  wird  auch  mit  2  Täntzen  und  einer  extra  lustigen  Nach-Comödie 
aufgewartet  werden. 

II.  August.  Eine  neue,  aus  dem  Italiänischen  in  das  Teutsche  übersetzte  Piece- 

Comique,  Betitult:  LA  POLITICA  DELLE  DONNE,  oder:  Männer- List 
ist  behend,  Weibor-List  ist  ohne  End.  Mit  Arlequin  und  Hanss-Wurst 


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z weyen  eigennützigen  Intriganten.  Wobey  Pantalon,  Anselm  o  und  Geronte 
drey  mit  ihrem  besonderen  Nutzen  betrogene  Ehemänner.  Nebst  2  Täntzen 
wird  auf  vielseitiges  Begehren  mit  einer  Operette-Comique  aufgewartet  werden 
unter  dem  Titul :  das  lustige  Elend.  In  dieser  werden  10  lustige  Arien  ge¬ 
sungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  zu  bekommen  sind. 

15.  August.  Eine  gantz  neu  componirte,  folglich  noch  auf  keinem  Theatro  ge¬ 
sehene,  galante,  intrigante,  mit  vielen  sonderlich  inventieusen  Auszierungen 
und  guter  Lustbarkeit  des  Hanswursts  decorirte  Haupt- Action,  Betitult : 
Die  verliebte  regiersüchtige  und  rachgierige  EGYPTERlN.  Oder  die  ge¬ 
stürzte  lasterhafte  HOF-POLITIC.  Wann  eüi  Politicus  auf  sein  Interesse 
tracht  und  auf  den  Untergang  des  Yolkes  ist  bedacht,  so  wird  das  Pub¬ 
licum  in  seinem  Herzen  sagen :  das  Unglück  solle  dich  du  schlauer  Schelm 
erschlagen.  Hit  Hanss-Wurst  einem  durch  viele  Zaubereyen  fast  rasend 
gemachten  Intriganten,  unglückseeligem  Diener  eines  lasterhaften  Hof¬ 
schmeichlers.  Unter  der  Aktion  wird  ein  Tantz  gemacht,  statt  einer  Nach- 
Comödie  wird  aber  eine  neue  Operette-Comique  aufgeführet  unter  dem 
Titul:  Die  lustige  Juden- Hochzeit,  wobey  alle  gewöhnliche  Copulations-Cere- 
monien  zum  Vorschein  kommen.  Diese  Operette  wird  mit  einem  neuen 
Juden-Ballet  geendigt. 

17.  August.  Eine  gantz  neue,  folglich  allhier  noch  niemahls  gesehene  Haupt- 

Aktion,  Betitult:  SIVAX  und  VIRIATE,  oder  die  über  Neyd,  Missgunst 
und  Rache  triumphirende  Unschuld,  Dargestellet  in  der  Person  der  gross- 
miithigen  Viriate,  Prinzessin  von  Numidiern  Mit  Arlequin  einem  lustigen 
Hof-Diener  und  kurtzweiligen  Amanten  einer  abgelebten  alten  Frauen. 
NB.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie,  betitult:  Hanss- 
Wurst  der  Hollen-bestürmende  Hercules. 

18.  August.  Eine  unvergleichliche,  mit  denen  Sinnreichesten  Intriguen  und  recht 

guter  Lustbarkeit  angefüllte  Haupt-  und  Staats- Action,  Betitult;  DER 
STREIT  ZWISCHEN  RACHE  UND  LIEBE,  sonnsten  auch  genannt:  Die 
politische  Dame.  Mit  Hanss-Wurst  einem  verzagten  Soldaten  und  affec- 
tii'ten  Windmacher  nach  der  heutigen  Mode.  Unsere  Sängerin  agiret,  die 
Haupt-Parthie,  und  wird  sowohl  im  Singen  als  Agiren  ihre  Force  zeigen. 
Statt  einer  Nach-Comödie  wird  gemacht:  Arlequins  gesungener  Hochzeit- 
Schmaus. 

23.  August.  Eine  Bourlesque,  welche  an  Lustbarkeit  wenig  ihres  gleichen  hat, 

Betitult:  JE  NÄRRISCHER.  JE  BESSER,  oder:  Le  Marchand  Ruine,  das 
ist:  Arlequin  der  listig  betrogene,  und  endlich  in  das  Toll-Haus  gebrachte 
Handels-Mann  oder  aber:  Arlequin  der  lächerlich  betrogene  Bräutigam 
ohne  Braut.  In  der  heutigen,  Bourlesque  wird  unser  Arlequin  von  An¬ 
fang  biss  zu  Ende  sich  bestens  bemühen,  ein  respective  allerseits  Hoch¬ 
ansehnliches  Auditorium  zu  contentiren,  mit  einem  Wort,  wer  Lust  zu 
lachen  hat  und  eine  honette  Lustbarkeit  liebet,  der  wird  alle  Satisfaction 
finden.  Unter  dem  Actus  wird  ein  Tantz  gemacht,  statt  einer  Nach-Co¬ 
mödie  wird  eine  Operette-Comique  aufgeführet,  Betitult:  Die  lustige  Juden- 
Hochzeit,  welche  mit  einem  Juden-Ballet  beschlossen  wird. 

24.  August.  Eine  wohl  elaborirte  sehens-würdige  lustige  Action  Betitult:  DIE 

ZWEY  CRONEN-STREITENDE  SCHWESTERN  AURORA  UND  STELLA, 
oder:  Die  triumphirende  Unschuld.  Mit  Arlequins  Lustbarkeit  durch  und 
durch  untermischt.  In  dieser  Action  werden  die  3  neu-eomponirte  Ballets 
wieder  vorgestellet  werden,  den  völligen  Beschluss  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie. 

29.  August.  Eine  gantz  neue,  recht  charmante  Historische  Action,  Betitult:  DIE 
IN  DER  TREUE  GEGALUBT  UNTREUE,  oder:  Der  Durchlauchtige 
Mahler  Orimantes  und  Die  Majestätische  Schäfferin  Anagilde.  Mit  Hanss- 
Wurst  einem  einfältigen  Jäger,  und  närrischen  Mahler- Jung.  Unter  der 
Action  wird  ein  Tantz  gemacht,  nach  der  Action  folget  ein  Ballet  von 
6  Personen,  statt  einer  Nach-Comödie  folget  eine  Operette  Comique,  Beti¬ 
tult:  Les  Prescieus  Ridicules,  oder:  Die  affectirte  Welt.  Mit  Arlequin  und 
Scapin  zweyen  lächerlichen  und  angebrennten  Edelleuthen.  In  dieser 
Operette  werden  9.  lustige  Arien  gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein 
vor  6  Kr.  zu  bekommen  sind. 


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1.  September.  Eine  gewiss  galante  und  lustige,  Haupt-  und  Staats-Action,  Beti- 

tult:  DER  UNSTERBLICHE  RUHM  EINES  HOCHGEBOHRNEN  ADELS, 
oder:  Der  durch  die  Treue  gestürzte,  und  von  eben  derselben  wieder  er- 
liöhete  Minister.  In  der  Person  eines  galanten  Staats-Manns  und  politischen 
Cavaliers.  Mit  unserer  lustigen  Person  verwirrten  Hof-Streichen,  und  ein¬ 
fältigen  Sohn  seiner  Mutter  Pasquella.  NB.  Unter  der  Action  folget  ein 
Tantz,  den  Beschluss  aber  machet  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

2.  September.  Eine  extra  lustige,  intrigante  gantz  neue,  folglich  hier  noch  nie- 

mahls  gesehene,  mit  vielen  Arien  und  besonderen  Theatralischen  Auszie¬ 
rungen  auf  das  möglichste  angefüllte  Comique-Piece,  Betitult:  Hj  GANI- 
MEDE  NELL’  AMORE  FORTUNADO,  das  ist:  Der  Liebe  strenge  Macht 
schaut  keine  Hoheit  an,  da  sie  die  Götter  selbst  zu  Sclaven  machen  kann. 
Oder :  Die  vergötterte  Kauffmanns  Tochter.  Mit  Lisette,  als  der  Quint- 
Essentz  einer  verschmitzten  und  galanten  Dienst-Magd.  Unter  der  Action 
wird  ein  Tantz  gemacht,  von  Götter  und  Göttin,  zuletzt  folget  ein  Ballet, 
den  völligen  Beschluss  aber  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

5.  September.  Eine  gewiss  so  charmante  als  intrigante  Haupt- Action,  Betitult : 
LA  V1RTU  NELL  SANGUE  das  ist:  Die  Tugend  in  dem  Gebliite.  Mit 
Hanss-Wurst  einem  verzagten  Meuchel-Mörder.  Nebst  guten  Arien  wird 
mit  2  Täntzen  und  einer  Nach-Comödie  von  Arlequin  aufgewartet  werden. 

9.  September.  Eine  aus  dem  Frantzösischen  übersetzte,  ungemein  bizarre  und 
veritable  Hof-  und  Haupt-Piece,  Betitult:  LES  FRERES  CONFONDUS, 
Die  verwirrten  Brüder.  Oder:  (Das  abgehandelte  Sujet  deutlicher  auszu¬ 
drücken)  Die  wegen  wundersamer  Gleichheit  und  Aohnlichkeit  ihrer 
Leibes-Gestalt,  Gebärden  und  Aussprache,  durch  theils  lächerliche,  theils 
gefährliche  Zufälle,  in  die  äusserste  Verwirrung  und  Bestürzung  gebrachte 
Zwilling- Brüder.  Hanss-Wurst  dem  hey  vorfallender  Erbschafft  eigen¬ 
nützigen  Unterhändler,  und  partheyischen  Schied-Richter,  hiemächst  in 
der  moralischen  Frauenzimmer- Anatomie  wohlerfahrene  Practico.  Nebst 
2  Ballets  wird  auch  statt  einer  Nach-Comödie  mit  einer  extra  lustigen 
Operette-Comique  aufgewartet  werden,  unter  dem  Titul :  Der  verliebte 
Schneider.  In  dieser  Operette  werden  10  lustige  teutsche  Arien  gesungen, 
welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  8  Kr.  zu  bekommsn  sind. 

13.  September.  Eine  charmante  und  gewiss  sehenswürdige,  moralische,  mit  er¬ 
laubter  Lustbarkeit  vermengte  Action,  Betitult :  DIE  TYRANNISIRENDE 
LIEBE.  In  der  Person  einer  laste rhafften,  verrätherischen  und  ungetreuen 
Frauen,  oder:  Der  Durchläugtige  Stern-Seher.  Mit  Hanss-Wurst,  einem 
unglückseeligen  Wandersmann,  und  Ertz-Feind  der  bösen  Weiber.  Ein 
gnädiges  uditorium  wird  uns  Beyfall  geben,  dass  dieses  eine  der  besten 
Comödien  seye,  so  jemahls  hier  gesehen  worden.  Statt  einer  Nach-Comödie 
wird  heute  eine  Operette-Comique  oder  Musicalisches  Lust-Spiel  aufgeführet, 
welches  aber  durchaus  zum  Lachen  eingerichtet  ist,  es  führet  den  Titul : 
Die  lustige  Jägerey.  Mit  Scapin  einem  lächerlichen  Prahl-Hanss.  In  diesem 
Musicalischen  Lust-Spiel  werden  10  lustige  Teutsche  Arien  gesungen, 
welche  in  gedruckten  Büchlein  bey  dem  Eingang  verkaufft  werden. 

18.  September  Eine  Historische,  und  gewiss  recht  charmante  Action,  Betitult: 

DER  IJNGLÜ CKSEELICHE  REICHTHUM,  oder:  Der  stumm-gebohrne 
Redner.  Mit  Hanss-Wurst  einem  lächerlichen  Dollmetsclier.  Nebst  guten 
Arien  werden  in  dieser  Action  3  neucomponirte  Ballets  vorgestellet  werden. 
Diese  Ballets  sind  componirt  worden  von  Monsieur  Kurz.  Den  Beschluss 
machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

19.  September.  Eine  allhier  erst  neu  componirte,  aus  einer  wahrhafften  Historie 

gezogene  Haupt-Piece,  Betitult:  DER  DURCHLAUCHTIGE  HIRTE,  oder: 
Die  aus  einem  Traum  entstandene  Tyrannay.  NB.  Zwischen  denen  seri- 
eusen  Scenen  werden  5  lustige  Intermedia  gemacht,  unter  dem  Titul :  Der 
verliebte  Maussfallen- Krämer.  In  diesen  Indermediis  werden  8  lustige  Arien 
gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  zu  bekommen  sind.  Unter  der 
Action  wird  ein  Tantz  gemacht,  nach  der  Action  folget  ein  neues  von 
Monsieur  Mecur  componirtes  Ballet  von  2  Zwergen,  Arlequin  und  Arle- 
quinin  4  Bauern  und  Bäuerinnen  Den  Beschluss  machet  eine  Nach-Comö- 


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die.  NB.  Derjenige  übel-riechende  Wasserfluss,  welcher  sonsten  durch 
die  Hütte  gelaufen,  ist  nunmehro  abgegraben,  dass  also  niemand  mehr 
damit  wird  incommodiret  werden. 

20.  September.  Eine  sehens-würdige  Haupt-  und  Staats- Action,  Betitult:  DAS 

AMAZONISCHE  CORSICA  und  ALLARMIRTE  GENUA,  das  ist:  Das 
wider  sich  selbst  rebellirende  Vaterland,  in  der  Person:  Theodor  des  ersten 
Königs  von  Corsica,  sonsten  auch  genannt :  Baron  von  Neuhof.  Mit  Arle¬ 
quin,  einem  curieusen  Luft-Tracteur  und  Hanss- Wurst  einem  eyfersüch- 
tigen  Venus-Calefactor.  Dieses  ist  eine  neue,  folglich  hier  noch  niemahlen 
gesehene  Action,  in  welcher  unterschiedliche,  gantz  besondere  Decorationes 
zum  Vorschein  kommen.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der  Comö- 
die  folget  ein  Ballet  von  6  Personen,  statt  einer  Nach-Comödie  wird  eine 
extra  lustige  Operette- Comique  gemacht,  Betitult:  Geld  regiert  die  Welt. 
Es  werden  10  lustige  Teutsche  Arien  gesungen. 

21.  Septemper.  Eine  extra  lustige,  neue  ohnlängst  von  Wien  erhaltene  Piece 

Comique,  betitult:  ARLEQUIN  DESERTEUR,  oder:  Arlequin  der  wegen 
vielfältigen  Fatalitäten  durchgegangene  Soldat  und  listige  Kupier.  NB.  Auf 
vielfältiges  Begehren  werden  4  Ballets,  die  4  Jahrs-Zeiten,  vorstellend, 
repetiret.  Unter  dem  Titul:  Die  abwechselte  Lustbarkeit  der  vier  Jahrs- 
Zeiten.  Diese  Ballets  sind  componirt  worden  von  Monsieur  Le  Breun.  Den 
Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

22.  September.  Eine  intrigante,  auserlesene,  aus  der  Römischen  Historie  gezogene 

Haupt-  und  Staats- Action,  Betitult:  GLI  SPONSALI  PER  L’IMPERO,  das 
■  ist:  Die  aus  Staats-Interesse  geschlossene  Vermählung,  oder:  Der  intri¬ 
gante,  den  Römischen  Hof,  in  die  grösste  Verwirrung  setzende  Politicus. 
Mit  Hanss-Wurst  einem  Ertz-Feind  eines  alten  verliebten  Weibes.  Unsere 
Sängerin  wird  sich  in  dieser  vollkommenen  Piece  besonders  signalisiren. 
Den  völligen  Beschluss  machet  ein  Tantz,  Ballet  und  recht  lustige  Nach- 
Comödie. 

23.  September.  Eine  neue,  intrigante,  mit  Täntzen,  Arien  und  vielen  Verklei¬ 

dungen  unserer  Primier- Actrice  ausgezierte  Comique-Piece,  Betitult:  DIE 
PHILOSOPHISCHE  BRAUT,  Oder  Der  weibliche,  verliebte  und  durch 
List  sich  selbst  beglückende  Student,  Mit  Hanß  Wurst  und  Arlequin 
zweyen  lustigen  Bedienten  bey  denen  verliebten  Studenten.  NB.  Es  ist 
eine  gantz  besondere  Fatique,  womit  man  auch  gewiß  versichert  ist ,  alle 
Satisfaction  zu  geben,  deswegen  man  auch  an  einem  vollkommenen  Andi- 
torio  nicht  zweifelt.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  der  Beschluss  aber 
wird  gemacht  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie. 

26.  September.  Eine  intrigante,  und  wegen  sonderbahren  Intriguen  gewiss  sehens¬ 

würdige  Haupt- Action,  Betitult :  IL  VERO  AMORE  NON  VU <  )L  POLITICA, 
Das  ist  Wahre  Liebe  leydet  keine  Verstell  urig,  Oder:  Der  erstlich  be¬ 
grabene,  hernach  vermählte  König.  Arlequin  stellet  vor  einen  einfältigen 
Erb-Printzen,  unter  dem  Nahmen  Don  Salame.  Unter  der  Action  wird 
ein  Tantz  gemacht,  zum  Beschluß  folget  ein  Ballet  und  lustige  Nach- 
Comödie. 

27.  September.  Auf  hohen  und  specielen  Befehl:  Ein  Heroisches  und  sehr  be¬ 

liebtes  Schauspiel,  welches  mit  Einmischung  so  wohl  Welschen  als  Teutschen 
Arien,  auch  andern  vorkommenden  Auszierungen  des  Schau-Platzes  decorirt 
ist,  Betitult :  Der  Sieg  Tugendhafter  und  wahrer  Liebe,  In  dem  herrlichen 
Beyspiel  der  Asiatischen  B  ANISE,  Oder:  Die  in  Xemindo  untergehende, 
und  in  Balacin  wieder  aufsteigende  Reichs-Sonne  von  Pegu.  Mit  Hanß 
Wurst,  dem  in  der  Irre  herum  vagirenden  Ritter.  In  dieser  Action  werden 
die  3  neu-componirte  Ballets  wiederum  vorgestellet ,  den  Beschluss  macht 
eine  lustige  Nach-Comödie. 

28.  September.  Eine  allererst  neu-componirte  extra  lustige  Piece-Comique,  Be¬ 

titult:  DER  SCHMAROTZER,  oder  die  unnöthige  Höflichkeit  und  die 
lustige  Spazier-Eahrt  nach  dem  Sau-Steg,  mit  Arlequin  einem  lustigen 
Lieder-Sänger,  und  lächerlichen  Taschen-Spieler.  Nebst  2  Ballets  wird 
auch  mit  einer  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 


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29.  September.  Eine  neue  charmante  Haupt- Action ,  Betitult:  Der  durch  Ver- 

rätherey  sich  auf  den  Thron  schwingende,  zuletzt  aber  wieder  gestürtzte 
rebellische  Hirt  A RHENI  ONE  oder  die  triumphirende  Römische  Großmütig 
mit  Hanß  Wurst  einem  furchtsamen  Soldaten  und  unglückseeligen  Ge- 
fangen-Meister.  NB.  Nebst  2  Täntzen  wird  auf  Hohes  und  vieles  Begehren 
statt  einer  Nach-Comödie  mit  einer  Operette-Comique  aufgewartet  werden, 
unter  dem  Titul :  Die  lustige  Jägerey. 

30.  September.  Eine  extra  lustige  Piece ,  welche  an  Lustbarkeit  wenig  ihres 

Gleichen  hat,  Betitult:  DER  FLÜCHTIGE  YIRENUS,  oder:  Hanß  Wurst 
der  König  im  Traum.  NB.  Heute  werden  die  4  Ballets,  die  4  Jahrs-Zeiten 
vorstellend,  noch  einmahl  und  zwar  zum  letzten  mahl  vorgestellet  werden, 
Betitult  die  abwechslende  Lustbarkeit  der  vier  Jahrs-Zeiten.  Die  Ballets 
sind  componirt  worden  von  Monsieur'  Le  Breun.  Ein  gnädiges  Audi¬ 
torium  vollkommen  zu  contentiren,  wird  mit  einer  Operette-Comique  der 
Beschluss  gemacht  werden,  Betitult:  Der  dumme  Peterl,  mit  Hanß  Wurst 
dessen  einfältigen  Hof-Meister.  In  dieser  Piece  werden  10  lustige  Arien 
gesungen. 

3.  Oetober.  Eine  derer  allerbesten  Italienischen  Bourlesquen,  Betitult  ARLEQUlN 

DER*  DURCH  ZAUBERET  SICH  SELBST  BEGLÜCKENDE  LIEBHABER, 
und  Hanß  Wurst  Neben-Buhler  seines  eigenen  Herrn.  Unter  der  Action 
wird  ein  Tantz  gemacht,  nach  der  Action  folget  das  Zwergen-Ballet,  den 
Beschluß  aber  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

4.  Oetober.  Eine  gewis  charmante  Haupt- Piece,  welche  mit  extra  guter  Lust¬ 

barkeit  untermenget  ist,  Betitult :  DIE  WUNDERBARSTEN  GLÜCK-  UND 
UNGLÜCKS-FÄLLE  KEUSCHER  UND  GETREUER  LIEBE,  oder:  Der 
tugendhaffte  Betrug,  mit  Hanß  Wurst  einem  lächerlichen  Bräutigam  eines 
affectirten  Cammer-Mädels.  Nach  der  Action  folget  ein  Ballet  und  lustige 
Nach-Comödie. 

5.  Oetober.  Eine  gewiss  intrigante,  mit  vielen  neuen  Musicalisehen  Arien  deeo- 

rirte,  und  'mit  sonderbaren  Auszierungen  des  Theatri  wTohl  versehene  extra 
ordinaire  Fatique,  Betitult :  DIE  GENAUE  UNTERSUCHUNG  wegen  Hand- 
habring  der  Gerechtigkeit  in  der  untern  Welt ,  oder :  Der  intrigante  Geist. 
Vor  der  Action  wird  ein  poetischer  Prologus  gemacht,  in  der  Action  Selbsten 
werden  7  neue  Arien  gesungen,  ingleichem  auch  ein  neuer  Tantz,  von 
einem  Schwäbischen  Bauern  und  Bäuerin.  Den  völligen  Beschluss  machet 
ein  Ballet  und  eine  lustige  Nach-Comödie. 

6.  Oetober.  Eine  Moralische,  doch  aber  mit  erlaubter  Lustbarkeit  durchaus 

untermengte  Historische  Haupt- Action,  Betitult:  Die  unschuldig  verfolgte, 
zuletzt  aber  getreu  befundene  Kayserin  ENGELBERTA,  Gemahlin  Ludovici 
des  H.  römischen  Kaysers,  oder:  Wer  eine  Grube  gräbt,  dem  andern  zum 
Verderben,  der  fället  selbst  hinein  und  muss  mit  Schande  sterben. 
Aiiequin  stellet  vor 

1.  Einen  listigen  hintergangenen  Schulden-Cassirer. 

2.  Einen  übel  belohnten  Kuppler. 

3.  Einen  von  seinem  eigenen  Geist  verfolgten  Nachtschwärmer. 

4.  Einen  samt  seinem  Bette  durch  die  Lufft  reisenden  Passagier. 

5.  Einen  Secundanten  der  verliebten  Cammer-Jungfem. 

6.  Einen  durch  viele  Fatalitäten  beglückten  Bräutigam. 

Hanß  Wurst  stellet  vor  einen  unglückseeligen  Bedienten  eines  verliebten 
Herrn.  Unsere  Sängerin  agiret  die  Haupt-Person,  und  wird  mit  guten 
Arien  aufwarten.  Es  kommen  auch  besonders  gute  theatralische  Aus¬ 
zierungen  zum  Vorschein.  Unter  der  Action  wird  ein  Tantz  gemacht,  den 
völligen  Beschluss  aber  macht  eine  lustige  Nach-Comödie. 

9.  Oetober.  Eine  gemäß  denen  theatralischen  Regeln  mit  besonderm  Fleiß  ein¬ 
gerichtete  lustige  und  dabey  intrigante  Piece-Comique,  Betitult:  DAS 
GESPENST  MIT  DER  TRUMMEL,  oder:  Der  seiner  Gemahlin  wahrsagende 
Ehe-Gemahl  mit  Aiiequin  und  Hanß  Wurst  zweyen  lustigen,  und  von 
dem  Gespenst  mit  der  Trummei  auf  vielerley  Art  geplagten  Bedienten. 
Diese  ist  eine  der  berühmtesten  englischen  Comödien,  welche  wregen  ihrer 
Trefflichkeit  von  dem  welt-bekannten  Hrn,  Professor  Gottsched  in  Leipzig 


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nach  denen  wahren  theatralischen  Regien  in  teutscher  Sprache  heraus¬ 
gegeben  worden,  wie  nun  dieses  Werck  von  diesem  so  berühmten  Mann 
uns  vorgeschrieben  worden,  wird  selbiges  von  Wort  zu  Wort  von  uns 
produciret  werden.  Unter  der  Action  wird  mit  einem  Tantz,  nach  der 
Action  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

11.  Oetober.  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene  recht  galante  und  intrigante 

Bourlesque,  betitult:  DER  BETROGENE  ERTZ-FEIND  DES  FRAUEN¬ 
ZIMMERS,  oder:  Die  bezauberte  Trinck-Schaale,  mit  Arlequin  und  Hanß 
Wurst  zweyen  lustigen  Bedienten.  NB.  Unter  der  Action  wird  mit  einem 
Tantz,  nach  der  Action  aber  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie 
aufgewartet  werden. 

12.  Oetober.  Eine  remarquable  historische  Piece,  betitult :  Der  sich  selbst  auf 

den  Thron  schwingende  und  wieder  gestürtzte  Gothische  PHAETON  oder : 
Der  durch  verstellte  Thorheit  sich  beglückende  Schäffer.  Hanß  Wurst  als 
ein  lustiges  Quodlibet  wird  mit  einem  verliebten  und  dabey  affectirten 
Mädel  mit  verschiedenen  recht  aggreablen  Zwischen-Scenen  aufwarten. 
Unter  der  Action  wird  ein  Tantz  gemacht  von  einem  schwäbischen  Bauern 
und  Bäuerin.  Nach  der  Action  wird  auf  hohes  Begehren  dasjenige  Ballet 
gemacht,  in  welchem  Arlequin  durch  den  Spiegel  springet,  und  endlich 
aus  einem  Stück  in  die  Luft  geschossen  wird.  Den  völligen  Beschluss 
machet  statt  einer  Nach-Comödie  eine  lustige  Operette-Comique,  in  welcher 
10  lustige  teutsche  Arien  gesungen  werden. 

13.  Oetober.  Eine  der  berühmtesten ,  von  Monsieur  Moliere  entlehnte,  aus  dem 

Erantzösischen  übersetzte,  durchaus  lustige  Action,  betitult:  GENTIL 
HOME  POURGEOIS,  oder :  Der  bürgerliche  Edelmann,  wobey  Hanß  Wurst, 
Arlequin,  ein  Capell-  Tantz-  und  Fechtmeister,  ingleichen  auch  ein 
Schneider,  mit  vier  Gesellen  mit  durch-gehender  Lustbarkeit  aufwarten 
werden.  Der  Inhalt  dieser  Piece  wird  aus  dem  Erantzösischen  genugsam 
bekannt  seyn,  deswegen  hat  man  selbigen  hierbey  zu  setzen  nicht  vor 
nöthig  befunden.  In  der  Action  sind  3  Täntze,  ein  Schneider-Tantz,  ein 
Koch-Tantz  und  ein  türkischer  Tantz.  Den  Beschluß  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie. 

16.  Oetober.  Eine  derer  besten  und  intrigantesten  Piecen,  so  auf  einer  teutschen 

Schau-Bühne  vorgestellet  worden,  betitult:  DER  ZU  GLEICHER  ZEIT 
GELIEBTE  UND  VERFOLGTE  FEIND  oder  Bewunderungs-volle  Helden- 
und  Liebes-Geschichte  der  groß-müthigen  Bianca,  Königin  von  Tyro  und 
Phönicien,  wobey  Hanß  Wurst  und  Rosette  ein  lustiges  Mädel  mit  ver¬ 
schiedenen  lächerlichen  Zwischen-Scenen  aufwarten  werden.  Nebst  einem 
Tantz  wird  auch  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet 
werden. 

17.  Oetober.  Eine  neue,  folglich  noch  nie  mahl  hier  gesehene  Piece  -  Comique, 

betitult:  DIE  DURCHLAUCHTIGSTE  BÄUERIN,  oder :  Die  erfindungs-volle 
Macht  einer  aufrichtigen  Liebe,  wobey  Hanß  Wurst,  Arlequin  und  ein 
lustiges  Müller-Mädel  mit  durchgehender  Lustbarkeit  aufwarten  werden. 
NB.  Bemardon  wird  als  ein  einfältiger  Schreiner  mit  einer  besonders 
lustigen  Seena  und  einer  Aria  sich  bestens  recommendiren.  Unter  der 
Action  wird  ein  Tantz  gemacht,  nach  der  Action  folget  ein  Ballet  von 
Arlequin  und  Arlequinin,  Scaramuz  und  Scaramuzin,  Pirot  und  Pirotin, 
in  welchem  Arlequin  einen  Affen  und  Scaramuz  einen  Mahler  vorstellet. 
Den  völligen  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

18.  Oetober.  Eine  extra-ordinair-intrigante,  recht  vollkommene  Haupt-  und  Staats- 

Action,  betitult:  ALLA  GELOSIA  IL  VENTO  STESSO  E  SOSPETOSO, 
overo :  La  Gelosia  Fortunata.  Es  ist  die  Eifersucht  ein  Kind  der  wahren 
Liebe,  Doch  giebt  sie  dem  Gemüth  viel  schmertzens-volle  Triebe,  Dieweil 
sogar  der  Wind  ihr  offt  verdächtig  ist,  Und  deme,  der  sie  nährt,  Hertz, 
ja  die  Seele  frist.  Sonsten  wird  diese  Piece  auch  betitult :  Amore  Masque- 
rado  oder:  Das  Methamorphosirte  Frauenzimmer  mit  Hanß  Wurst  einem 
intereßirten  Hof-Spion.  NB.  Die  heutige  Piece  ist  eine  besondere  Fatique 


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vor  unsere  Premier- Agentin,  welche  sowohl  in  Agiren,  als  guten  Arien 
sich  bestens  signalisiren  wird.  Unter  der  Action  wird  ein  Tantz  gemacht, 
nach  der  Action  folget  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

,21.  Ociobor.  Eine  aus  dem  Italiänischen  übersetzte  Haupt- Action ,  betitult:  LA 
ÜERITA  NELL  INGANNO  oder:  Die  Wahrheit  in  dem  Betrug  zwischen 
Atalus  und  Arsinoe,  wobey  Ha  riß  Wurst  ein  politischer  Gefangenmeister 
und  embarasirter  Amant  einer  affectirten  Cammer-Jungfer.  Unsere  Sängerin 
wird  sich  besonders  mit  einer  NB.  italiänischen  und  teutschen  rasenden 
Aria  bestens  zu  signalisiren  suchen.  Den  völligen  Beschluss  machet  ein 
Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

23.  Ootober.  Eine  extra  galante  und  lustige  Haupt- Action,  betitult :  Der  tyran¬ 
nische,  doch  mißverstandene  BRUDER-MORD,  oder  Der  gerechte  Vatter 
und  strenge  Richter  mit  dem  Denk-Spruch :  Lieber  die  Krone  frey willig 
verschenken,  Als  die  Gerechtigkeit  wissentlich  kränken.  Mit  Hanß  Wurst 
dem  lustigen  Schadenfroh  und  Narr  in  allen  Gassen.  Nebst  einem  Tantz 
wird  auch  mit  einem  Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

'27.  Öcitober.  Eine  gantz  besondere,  mit  durchgehender  Lustbarkeit  angefüllte 
Piece-Comujue,  betitult :  THIMON  LE  MISANTHROPE  oder :  Der  von 
undankbaren  Freunden  verleitete,  von  dem  Himmel  aber  auf  bessere  Ge¬ 
danken  gebrachte  Menschen-Feind.  Mit  Arlequin  einem  ehrlichen  Dieb, 
curieusen  Einkauffer  auf  dem  politischen  Tandel-Marckt,  und  unparthey- 
ischen  Critico  der  menschlichen  Schwachheiten.  Diese  Piece  ist  aus  der 
Frantzösischen  Action  des  Herrn  de  L’Isle,  so  in  dem  5.  Theil  des  neuen 
Theatro  Italien  befindlich,  von  einer  geschickten  Feder  übersetzet  worden. 
Unter  der  Action  ist  ein  Tantz ,  nach  der  Action  wird  mit  einem  Ballet 
und  lustigen  Nach-Comödie  der  völlige  Beschluss  gemacht  werden. 

28.  Ootober.  Eine  durchaus  lustige,  und  intrigante  Piece- Gomique,  betitult: 
DAS  GECRÖNTE  SCHAFFER, -PA AR..  Oder:  Die  verlohrne  und  wieder 
gefundene  Fürsten-Kinder.  Mit  Arlequin  einem  lustigen  Zigeuner.  Heute 
werden  4  Ballets,  die  vier  Jahreszeiten  vorgestellet  werden.  Die  Ballets 
sind  componirt  worden  von  Monsieur  le  Breun. 

1.  November.  Eine  aus  dem  Gherardischen  Theatre  Italien  gezogene  Piece- 
Comique,  betitult:  LA  FIELE  SAVANTE,  das  gelehrte  Frauenzimmer, 
oder:  Die  galante  Kriegs-  und  Liebes-Schule  des  schönen  Geschlechts. 
Hanß  Wurst  stellet  vor: 

1.  Einen  lustigen  Apotheker. 

2.  Eine  wohl  erfahrne  Cammer-Jungfer. 

3.  Einen  wohl  ausstudirten  Liebes-Professeur. 

4.  Einen  poßirlichen  Baron  von  Fontessec. 

Unsere  Sängerin  wird  in  Vorstellung  eines  lustigen  Grenadier-Hauptmann’s 
ingleichen  in  guten  Arien  sich  bestens  zu  signalisiren  trachten.  Unter 
der  Action  ist  ein  Tantz,  den  Beschluß  machet  ein  Ballet  und  lustige 
Nach-Comödie. 

3.  November.  Eine  gantz  neue,  folglich  noch  niemahl  producirte  Historische 
Haupt- Action,  betitult:  DER  UNERSCHROCKENE  JAGER,  oder:  Die 
Helden- müthige  Lebens-Geschichte  Maximiliani,  Statthalters  in  Hispanien. 
AVobey  Hanß  AVurst  und  Arlequin  mit  durchgehender  Lustbarkeit  auf¬ 
warten  werden.  NB.  In  dieser  Action  werden  die  3  neu  componirte 
Ballets  wiederum  vorgestellet.  Diese  Ballets  sind  componirt  worden  von 
Monsieur  kurtz.  Den  Beschluß  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

<j.  November.  Eine  allhier  erst  neu  componirte  Piece,  welche  aus  einer  walir- 
h afften  Historie  gezogen  worden,  betitult :  Die  wunderbahren  Glücks-  und 
Unglücks-Fälle  der  verstossenen  Königin  ERMELINDA.  Diese  gantze 
serieuse  Action  spielet  nicht  länger  als  eine  Stunde,  deß wegen  sind  unter 
der  Action  5  extra  lustige  Intermedia,  unter  dem  Titul :  Der  im  Reich  der 
Toden  betrogene  Ansehno,  Bernardon  der  verliebte  Schneider.  In  einem  jeden 
Actu  werden  3  Arien  gesungen,  welche  vor  8  Kr.  zu  bekommen  sind. 
Den  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 


450 


7.  November.  Eine  aHhier  noch  nie  gesehene,  von  dem  Italiänischen  Theatro 
entlehnte  und  durchaus  wohl  intriguirte  Haupt  -  Action,  betitult:  Da¬ 
zwischen  zweyen  Gleich- Verliebten  ZWEIFELHAFFTE  LIEBHABER,  oder 
Liebes-Wahl  macht  Hertzens-Quaal,  mit  Arlequin  einem  von  zweyen  Ehe¬ 
weibern  sehr  gequälten  und  von  seinen  eigenen  Freunden  listig  betrogenen 
Ehemann.  Unter  der  Äction  ist  ein  Tantz,  den  Beschluss  machet  ein 
grosses  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

9.  November.  Eine  aus  einer  wahrhaften  Historie  gezogene  Haupt-Piece,  betitult : 

Der  durch  Tugend  und  Tapferkeit  Italien  besiegende  Held  HANNIBAL  IN 
CAPUA  oder :  Die  ruhmreiche  Eigenschafft  des  Gemüths  besieget  die 
Neigung  des  Hertzens.  Hanß  "Wurst  wird  vermittelst  der  affectirt.en 
Finette  mit  etlichen  lustigen  Zwischen-Scenen  aufwarten.  Den  Beschluss 
machet  ein  Tantz,  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

10.  November.  Eine  allererst  neu-componirte,  folglich  noch  niemahlen  gesehene, 

mit  vielen  Auszierungen  des  Theatri,  Flugwerken,  und  besonders  durch¬ 
gehender  Lustbarkeit  ungefüllte  Piece,  betitult :  LA  STRIGARIA  CAUSATA 
PER  AMORE,  OVERO :  AURELIA  PER  AMORE  FATA  IN C ANT ATRICE 
das  ist:  Die  aus  liebe  zur  Zauberin  gewordene  AURELIA.  Mit  Hanss- 
Wurst  und  Scapin  zweyen  unglückseeligen,  von  Gespenstern  auf  vielerley 
Art  geplagten  und  verfolgten  Bedienten.  Den  Beschluss  machet  ein  Ballet 
und  lustige  Nach-Comödie. 

11.  November.  Eine  intrigante,  wahrhaffte,  und  extra  ordinaire  gute  Haupt-Piece 

welche  aller  Orten  admiriret  worden,  betitult:  DIE  IN  DER  GEGLAUB¬ 
TEN  YERRATHEREY  BESTÄTIGTE  TREUE,  oder:  Die  in  dem  Glück 
aufrichtige,  in  dem  Unglück  aber  wanckelbahre  Frauen-Liebe,  mit  Hanss- 
Wurst  einem  dem  Spielen  ergebenen  Liebes-Unterhändler.  In  dieser 
remarquablen  Haupt-Piece  sind  3  Täntze,  unter  welchen  der  letzte  Arle- 
quins  Spiegel-Sprung  seyn  wird,  da  dann  Arlequin  endlicli  aus  einem  Stück 
in  die  Luft  geschossen  wird.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach- 
Comödie. 

16.  November.  Eine  extra  lustige,  aus  dem  Italiänischen  gezogene  Bourlesque, 

betitult:  IL  FINTO  PRENCIPE,  oder:  Der  durch  Zauberey  in  die  grösste 
Verwirung  gebrachte  Hof  von  Belvideur,  mit  HanssWurst,  einem  lächer¬ 
lichen  Fürsten,  und  Colombine  einer  einfältig  verliebten  Gärtnerin.  Diese 
heutige  Comique-Piece  ist  durchaus  mit  Lustbarkeit  angefiillet,  und  wird 
sich  in  selbiger  besonders  Hanss-Wurst,  Pantalon,  Anselmo  und  Colombine 
lustig  erzeigen.  Der  Wienerische  Bernardon  aber  wird  als  ein  Tischler 
mit  einer  lustigen  Aria  aufwarten.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach 
der  Aktion  folget  ein  Ballet,  statt  einer  Nach-Comödie  aber  wird  mit  einer 
extra  lustigen  Operette-Comique  der  völlige  Beschluss  gemacht  werden, 
betitult:  Les  Precieus  Ridicnlease ,  oder:  Das  aff'ectirte  Frauenzimmer,  mit 
Arlequin  und  Scapin  zweyen  angebrandten  von  Adel.  In  dieser  werden 
10  lustige  Arien  gesungen,  welche  in  gedruckten  Büchlein  vor  8  Kr.  zu 
bekommen  sind. 

17.  November.  Eine  auserlesene,  moralische  und  recht  galante  Tragödie,  betitult : 

DIE  WAAGSCHALE  ENGLISCHER  GERECHTIGKEIT,  oder:  Der  wegen 
Behauptung  der  Gerechtigkeit  enthauptete  Thomas  Morus,  Reichs-Cantzler 
in  Engelland.  NB.  Auf  Befehl  Ihro  Excel!  des  Herrn  Grafen  von  Montijo, 
wird  bey  Gelegenheit  des  einfallenden  höchsten  Nahmens-Festes  Ihro  Maje¬ 
stät  der  Königin  in  Hispanien,  Morgen  eine  Frey-Comödie  aufgeführet 
werden.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der  Äction  folget  ein  Ballet, 
den  Beschluss  aber  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

18.  November.  Auf  hohen  und  gnädigen  Befehl,  Seiner  Excellentz  des  Hoch- 

Gebohmen  Herrn,  Herrn  Grafen  von  Montijo,  Ausserordentlichen  und 
bevollmächtigten  Bottschaffter  Sr.  König!  Cathol.  Majestät  in  Hispanien, 
wird  heute  den  18.  November  als  an  dem  Vor-Abend  des  höchst-erfreu¬ 
lichen  Nahmens-Festes  der  glorwiirdigst- regierenden  Königin  Eli  sab etha, 
ein  Poetischer  Prologus  bey  vollständiger  Illumination  und  Decoration  des 
Theatri,  unter  dem  Titul:  DIE  FROHLOCKENDE  SPANISCHE  TREUE, 
nebst  einer  auserlesenen  Historischen  Haupt- Action,  genannt :  Die  gecrönte 


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Grossmuth.  Mit  Untermengung  3  Ballets  und  einigen  Arien,  unter  Trom¬ 
peten  und  Paucken  auf  dem  Teutschen  Theatro  gratis,  oder  frey  aufgeführet. 
Der  Anfang  ist  puncto  3  Uhr. 

22.  November.  Auf  gnädigen  Befehl  einer  hohen  Noblesse,  eine  extra  lustige, 
intrigante,  und  mit  vielen  neuen  Arien  versehene  Comique-Piece,  betitult: 
DIE  NEUE  MODE  DES  EHESTANDES,  oder  Bernardon  der  affectirte  Herr 
von  Pappendeckel,  mit  Arlequin  einem  lustigen  Stallmeister.  NB.  Unter 
der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der  Action  folget  ein  Ballet,  den  Beschluss 
aber  machet  eine  lustige  Nach-Comödie.  Auf  Befehl  einer  hohen  und 
gnädigen  Noblesse  wird  künftig  jederzeit  puncto  5  Uhr  angefangen  werden. 

24.  November.  Eine  durchaus  lustige,  mit  besonderen  Intriquen  versehene,  aus 

dem  Italiänischen  gezogene  Piece-Comique  betitult:  DER  UNDANKBARE 
GAST,  oder :  Der  Rachgierige  Bettler  und  verliebte  Dienst-Magd.  Hanss- 
Wurst  wird  sich  heute  durchaus  besonders  bemühen,  mit  durchgehender 
Lustbarkeit  jedermänniglich  bestermassen  zu  contentiren.  Unter  der  Ac¬ 
tion  ist  ein  Tantz,  nach  der  Action  ein  Ballet,  den  Beschluss  aber  machet 
statt  einer  Nach-Comödie  eine  lustige  Operette-Comique,  betitult:  Der  in 
die  Länder  reisende  dumme  Peterl.  Mit  Hanss- Wurst  dessen  einfältigen 
Hofmeister.  Es  werden  10  Teutsche  lustige  Arien  gesungen,  welche  vor 
8  Kr.  zu  bekommen  sind.  NB.  Auf  Befehl  einer  hohen  und  gnädigen 
Noblesse  wird  kiinfftig  jederzeit  puncto  5  Uhr  angefangen. 

25.  November.  Demjenigen  Prologus,  welcher  verwichen  Samstag  zu  höchsten 

Ehren  Iliro  Königl.  Cathol.  Maj.  in  Hispanien,  produciret  worden,  auf 
hohes  und  vielfältiges,  Begehren  mit  vollständiger  Illumination  und  Deco- 
ration  repetiren,  nach  diesem  folget  eine  auserlesene  Römische  Haupt- 
Action,  betitult .-  DIE  GENAUE  HANDHABUNG  DER  GERECHTIGKEIT, 
Dargestellet  in  dem  römischen  Bürgermeister  Tito  Manlio.  NB.  Weilen 
wegen  dem  allzu  grossen  Zulauff  derer  gemeinen  Leuthe  viele  hohe  Stan- 
des-Personen  den  Prologum  nicht  haben  sehen  können  und  denselben  doch 
Zusehen  begehret  haben,  hat  man  allen  unterthänigen  Respect  zu  bezeigen, 
heute  denselben  zu  repetiren  vor  gut  befunden.  Unter  der  Action  sind 
2  Täntze  nach  der  Action  folget  ein  Ballet,  den  Beschluss  aber  machet 
eine  lustige  Nach-Comödie. 

27.  November.  Eine  durchaus  lustige,  neue  Piece-Comique,  betitult:  LE  GLO- 

RIEUX  oder:  Le  Petit  Maitre  de  Paris,  das  ist:  Der  Prahler  von  Paris 
oder  das  wegen  Schulden  flüchtig  gewordene,  und  zuletzt  doch  beglückte 
kluge  Frauenzimmer.  Hanss- Wurst  stellet  vor,  einen  lustigen  Bedienten 
des  flüchtigen  Frauenzimmers,  Arlequin  aber  einen  affectirten  Laquay  des 
Prahlers  vor.  Auf  gnädigen  und  hohen  Befehl  werden  die  4  Ballets,  die 
4  Jahres- Zeiten  vorstellend,  nebst  untermischten  Arien  vorgestellet.  Den 
völligen  Beschluss  aber  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

28.  November.  Ein  Meister-Stück  eines  Trauer-Spiels,  betitult:  DER  STERBENDE 

CATO.  Dieses  Trauer-Spiel  ist  in  5  Abhandlungen  in  Versen  herausge¬ 
geben  worden  von  dem  berühmten  Joh.  Christ.  Gottsched,  Professor  der 
Poesiae  in  Leipzig.  NB.  Zwischen  diesem  Trauer- Spiel  ist  ein  Tantz,  den 
Beschluss  aber  machet  ein  Ballet  und  recht  lustige  Nach-Comödie. 

2.  December.  Eine  gantz  neue,  folglich  noch  nieniahls  gesehene  Historische 
Haupt- Action,  betitult:  Die  Grossmuths-volle  Helden- Geschichte  zwischen 
CLEOPATRA  und  FIGRANE  König  von  Armenien  und  der  in  seinem 
Braut-Stand  aufgehenckte,  durch  ein  lächerliches  Verhängniss  aber  wieder 
erledigte  Arlequin.  Nebst  guten  Arien,  wird  auch  mit  einem  Tantz,  Ballet 
und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

4.  December.  Eine  wohl  elaborirte  sehens- würdige  luftige  Action,  betitult:  DIE 
ZWEY  CRONEN -STREITENDE  SCHWESTERN,  oder:  Die  triumphirende 
Unschuld.  Mit  Arlequins  Lustbarkeit  durch  und  durch  untermischt.  In 
dieser  Action  werden  die  3  Ballets  vorgestellet  werden,  welche  zuletzt  mit 
einem  Combatement  sich  endigen.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie, 


461 


6.  December.  Eine  neue  intrigante,  durch  und  durch  mit  Lustbarkeit  angefüllte 

Piece,  betitult:  DIE  LISTIGE  DAME,  oder:  Schön,  Politisch,  Klug  und 
Eeich,  ist  ein  Irrdisch  Himmelreich.  Mit  Hanss-Wurst  einem  dummen 
Musicant  en.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  aber  ein  be¬ 
sonders  charmantes  Ballet.  Weilen  diese  Piece  aber  sehr  kurtz  ist,  so  wird 
statt  einer  Nach-Comödie  die  mit  einer  in  5  Abhandlungen  bestehenden 
Musica  Bernesca  aufgewartet  werden,  unter  dem  Titul :  La  Lucretia  Romana , 
das  ist:  Die  Komische  Lucretia.  Dieses  AVerk  in  Versen  und  mit  16 
lustigen  Arien  versehen. 

7.  December.  Eine  mit  neuen  Arien  sowohl,  als  verschiedenen  Auszierungen  des 

Theatri  decorirte,  auserlesene,  intrigante  und  extra-ordinair  lustige  Piece- 
Comique,  betitult:  DIE  VERLIEBTE  ZAUBERIN,  oder:  Das  Collegium 
verliebter  Studenten.  Heute  werden  zwey  Hanss-Würste  das  Theatrum 
betreten  und  beyde  mit  Lustbarkeit  also  aufwarten,  dass  ein  jeder  sich 
bemühen  wird,  wie  er  dem  andern  den  Rang  könne  streitig  machen.  Unsere 
Sängerin  aber  wird  die  Primier  Person,  und  sowohl  in  neuen  Arien  als 
guter  Action  sich  bestens  signalisiren.  NB.  Unsere  zwey  Hanss-Würste 
aber,  da  einer  vom  andern  nichts  weiss,  stellen  solche  Verwirrung  an, 
dass  man  es  mit  Verwunderung  ansehen  wird.  Der  Anfang  dieser  Bour- 
lesque  wird  mit  einem  Ballet  von  Hexen  gemacht,  den  Beschluss  aber 
machet  ein  Ballet  und  lustige  Nach-Comödie. 

8.  December.  Eine  neue,  aus  einer  wahrhafften  Historie  gezogene  remarquable 

Piece,  betitult:  DES  MENSCHEN  LEBEN  IST  EIN  TRAUM,  oder:  Die 
Bewunderungs-würdige  Lebens-Geschichte  Sigismundi,  Cron-Printzen  aus 
Pohlen.  Nach  dieser  Tragico-Comoedia  wird  ein  figurirtes  Pohlnisclies 
Ballet  gemacht,  in  welchem  ein  Polack  seinen  Bären  tantzen  läßet,  den 
völligen  Beschluss  aber  machet :  Arlequin's  gesungener  Hochzeit- Schmauß. 

11.  December.  Eine  aus  denen  Persischen  Geschichten  gezogene,  intrigante  dabey 

aber  durchaus  lustige  Action,  betitult :  DIE  MISSVERSTANDENE  LIEBE, 
oder :  Die  mit  vielen  Bewunderungs-würdigen  Zufällen  vermischte  Lebens- 
Geschichte  der  durchlauchtigen  Griechin  Anagilde.  Mit  Hans  AVurst  einem 
einfältigen  Gefangenmeister.  NB.  Es  werden  heute  2  besonders  gute  Ballets 
representiret,  in  welchem  unsere  Tantzmeister  sich  besonders  signalisiren 
werden.  AV eilen  die  Action  kurtz  ist,  so  wird  auf  gnädig  und  hohes  Be¬ 
gehren  eine  Operette-Comique  gemacht,  betitult:  Die  lustige  Jägerey.  Es 
werden  12  teutsche  lustige  Arien  gesungen. 

12.  December.  Eine  durch  und  durch  extra  lustige  Bourlesque,  betitult :  HANS 

WURST  DER  DUMME,  UND  ARLEQUIN  DER  KLUGE  KNECHT,  oder: 
AVas  der  eine  gut  macht,  verderbt  der  andere,  und  Pantalon  der  betrogene 
Schwieger- Vater.  NB.  Den  Beschluss  machet  ein  Ballet  und  lustige 
Nach-Comödie. 

13.  December.  Eine  extra  ordinair  intrigante  Historische  und  dabey  durchaus 

lustige  heroische  Haupt-Piece,  betitult:  L’AMORE  VUOE  POLITICA,  das 
ist:  Bey  der  Liebe  muss  Verstellung  seyn,  oder:  Die  aus  AVeiblichem 
Vorwitz  entstandene,  und  durch  die  Liebe  unterstützte  Raserey.  Nachspiel: 
Der  verliebte  Musicant  und  der  Studenten  Feind. 

16.  December.  Eine  charmante  aus  einer  Italiänischen  Opera  gezogene  Tragico- 
Comoediam,  betitult:  IL  TADITORE  TRADITO  overö:  L’INNOCENZA 
TRIOMEANTE,  das  ist:  Der  verrathene  Verräther,  oder:  Die  siegende  Un¬ 
schuld.  Die  Haupt-Person  in  dieser  remarquablen  Piece  stellet  Monsieur 
de  Wallerotty  vor.  Unsere  Sängerin  aber  wird  sowohl  in  charmanten  Ita¬ 
liänischen  Arien  als  guter  Action  zeigen.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz, 
nach  derselben  aber  ein  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine  aus  Monsieur 
Moliere  gezogene  Nach-Comödie,  betitult:  Georg  Dandein ,  oder:  der  arme 
George.  AVegen  der  Kälte  ist  nichts  ferner  zu  besorgen,  weilen  in  6 
Machinen  beständig  eingeheitzet  wird. 


462 


19.  December.  Eine  durchaus  lustige,  aus  dem  Italiänischen  gezogene  Bourlesque, 

betitult:  LE  DONNE  POLITE,  das  ist:  Männer- List  ist  behend,  Weiber- 
List  bat  kein  End.  Oder:  Hanss-Wurst  der  lustige  Stemseher,  verstellte 
Wein-Wirth,  überstudirter  Medicus,  und  brutale  Soldat  und  Arlequin  die 
tleissige  Köchin,  interessirten  Apotheker,  lächerlicher  Hauss-Knecht,  und 
Trommelschläger  in  der  Einbildung.  Diese  Bourlesque  ist  von  einem  be¬ 
rühmten  Compositor,  Nahmens  Zagonini  herausgegeben,  in  Wien  aber  in 
das  Teutsche  übersetzet  worden,  aus  dem  Titul  kan  man  die  Lustbarkeiten 
genugsam  erkennen,  ein  mehreres  aber  wird  mit  besonderm  Gusto  in  der 
Action  selbsten  zu  sehen  seyn.  Nebst  einem  Tantz  wird  auch  mit  einem 
Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden.  NB.  Wegen  der 
Kälte  ist  nichts  ferner  zu  besorgen,  weilen  in  6  Machinen  beständig  ein- 
geheitzet  wird. 

20.  December.  Eine  als  zwar  bekannte  doch  nicht  weniger  sehr  beliebte  historische 

Tragico-Comödiam,  betitult:  Der  mit  zwey  und  fünfzig  Cronen  prangende 
HIRT  TARTARKAM  TAMERLAM,  oder:  Der  in  einem  verächtlichen  Vogel- 
Hauss  sein  Leben  jämmerlich  beschliessende  türkische  Kayser  Bajazetli 
und  der  doppelte  Hanss-Wurst.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der¬ 
selben  aber  ein  grosses  türkisches  Ballet,  den  Beschluss  aber  machet  eine 
lustige  Nach-Comödie,  in  welcher  sonderlich  unser  Arlequin  sich  bemühen 
wird,  sich  bestens  zu  insinuiren. 

22.  December.  Eine  neue,  sowohl  intrigante  als  lustige  Haupt- Action,  betitult: 
DER  WEIBLICHE  STRASSEN-RÄUBER  oder  Die  Rache  in  der  beleidigten 
Ehre  und  die  wundersame  Liebes-  und  Lebens-Geschichte  der  verkehrten 
und  wieder  bekehrten  ISABELLA  mit  Hanss- Wurst  einem  von  Gespenstern 
und  Strassen-Räubern  sehr  geängstigten  Nacht-Schwermer.  Dieses  ist  eine 
besondere  Fatique  unserer  Sängerin,  welche  sowohl  als  unser  Principal 
sich  heute  alle  Mühe  geben  werden,  ein  gnädiges  Auditorium  möglichst 
zu  contentiren.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der  Action  aber  ein 
Ballet,  den  Beschluss  macheteine  lustige  Nach-Comödie,  betitult:  Lo  Sposo 
Senza  Sposa.  Das  ist:  Der  Bräutigam  ohne  Braut  oder  die  2  im  Gehirn 
verrückten  Rechts-Gelehrten. 

24.  December.  Eine  remarquable  aus  deren  Spanischen  Historien  gezogene  Tragödie, 
betitult:  LE  CID,  oder:  Der  Streit  zwischen  Ehre  und  Liebe,  dargestellet 
zwischen  Roderich  und  Chimena.  Diese  Piece  ist  nach  denen  wahren 
Theatralischen  Reguln  in  Versen  herausgegeben  worden,  von  dem  berühmten 
Herrn  Professor  Gottsched.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der 
Action  aber  ein  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine  Nach-Comödie.  Wegen 
der  Kälte  ist  nichts  ferner  zu  besorgen  weilen  in  6  Machinen  beständig 
eingeheitzet  wird. 

28.  December.  Eine  gantz  neue,  noch  niemahls  producirte  extra  Piece-Comique, 
betitult :  DER  LUSTIGE  WEIBER-KRIEG,  mit  Hanss  Wurst  und  Arlequin 
zweyen  unglückseeligen  Schwägern.  NB.  In  der  heutigen  extra  lustigen 
Piece  werden  11  agirende  Frauenzimmer  das  Theatrum  betreten  und  wird 
sich  des  Herrn  Principals  kleinste  Tochter  Sophia,  sowohl  im  agiren  als 
singen  bestens  recommandiren.  In  dem  ersten  Actu  ist  ein  Tantz,  in  dem 
zweyten  Actu  praesentiret  das  Theatrum  ein  von  denen  Amazoninen  be¬ 
wohntes  und  mit  Stücken  versehenes  Schloss ,  welches  endlich  durch 
Feuer  von  denen  Männern  erobert  wird,  der  dritte  Actu  wird  beschlossen 
mit  einem  neu  componirten  Ballet,  betitult:  Die  um  die  Hosen  streitende 
Weiber.  NB.  Es  werden  8  neu  componirte  lustige  Arien  gesungen.  Es 
dienet  zur  schuldigen  Nachricht,  dass  den  1.  Januarii  in  dem  teutschen 
Comödien-Hauss  die  Ball  en  Masque  puncto  11  Uhr  den  Anfang  nehmen 
wird.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie.  [Dieser  Zettel  wurde 
erst  nach  dem  bereits  erfolgten  Druck  des  Textes  aufgefunden.] 

30.  December.  Eine  noch  niemahls  producirte,  durchaus  sowohl  mit  Arlequins 
als  Hanss  Wursts  Lustbarkeit  angefüllte  Piece-Comique,  betitult:  Arlequin 
der  lustige  Baron  ZWICKEL,  und  Hanss  Wurst  der  intressirte  Richter 
mit  Bernardon  dem  verliebten  Schneider  unter  dem  Nahmen  Fingerhut. 
Dieses  ist  eine  extra  lusige  Piece,  solche  nun  noch  aggreabler  zu  machen, 
sind  8  Teutsche  Arien  eingemischet  worden.  Zu  Ende  des  ersten  Actu  ist 


463 


ein  Tantz,  nach,  der  Piece  folget  ein  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine 
lustige  Nach-Comödie.  Es  dienet  zur  schuldigen  Nachricht,  das  den  1. 
Januarii  in  dem  teutschen  Comödienhauss  die  lustigte  Zusammenkünften 
puncto  11  Uhr  den  Anfang  nehmen  werden.  Weilen  das  Amphi-Theatre 
ummehro  gantz  bequem,  und  denen  Logen  gleich  eingerichtet  worden,  so 
zahlet  die  Person  auf  selbiges  2  Kopfstück. 

1742. 

3.  Januar.  Eine  extra  ordinair  galante  Piece-Comique,  betitult:  DER  WEIBLICHE 
JURIST,  oder:  Colombina  die  lustige  Zigeunerin ,  wobey  Hanss-Wurst  und 
Arlequin  mit  durchgehender  Lustigkeit  aufwarten  werden.  NB.  Diese 
heutige  Piece  ist  eine  besondere  Fatique  unserer  Primier- Agentin ,  welche 
sowohl  in  vielen  Verkleidungen,  als  auch  theils  Italiänischen,  theils  Teutschen 
Arien  sich  gantz  besonders  bemühen  wird,  ein  gnädiges  Auditorium  bester- 
inassen  zu  contentiren.  Unter  der  Action  ist  Tantz,  nach  der  Action  folget 
ein  Ballet.  Den  völligen  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 
Auf  dem  Amphi-Theater  bezahlet  man  6  Batzen,  wie  auch  auf  Parterre. 
Wegen  der  Kälte  ist  nichts  ferner  zu  besorgen,  weil  in  6  Machinen  be¬ 
ständig  eingeheitzet  wird. 

5.  Januar.  Eine  extra  lustige,  aus  dem  Frantzösischen  übersetzte  Piece  Comique, 
betitult:  DER  POETISCHE  DORF-JUNKER,  ein  Lust-Spiel  in  fünft'  Acten. 
Aus  dem  Frantzösischen  des  Herrn  Destouches,  übersetzt  von  dem  be¬ 
rühmten  Herrn  Professor  Joh.  Christ.  Gottscheden.  Unter  der  Action  ist 
ein  Tantz,  nach  der  Action  folget  ein  Ballet,  den  völligen  Beschluss  machet 
eine  lustige  Nach-Comödie.  Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  heute,  ingleichen  auch 
an  allen  anderen  Tagen,  da  lustige  Zusammenkunft  gehalten  wird,  die  Comödie 
puncto  5  Uhr  angefangen  und  längstens  um  8  Uhr  geendiget  werde,  damit 
man  desto  bessere  Gelegenheit  habe,  zu  dem  Ball  alles  nöthige  zu  präpariren. 

9.  Januar.  Eine  aus  dem  Italienischen  entlehnte  durchaus  lustige  Bourlesque, 

betitult:  IL  PAGA  DEBITI  ALLA  MODA,  das  ist  die  neueste  Mode 
Schulden  zu  bezahlen,  mit  Arlequin  einem  ehrlichen  Betrüger.  Den  Be¬ 
schluss  machet  eine  Nach-Comödie. 

10.  Januar.  Eine  aus  einer  wahrhaften  Historie  gezogene  Tragico-Comödiam,  be¬ 

titult:  Der  gegen  seine  Tochter  unmenschlich  TYRANNISIRENDE  V ATTER, 
oder:  Die  ungliickseeligen  Früchte  einer  aus  Verzweiflung  ergriffenen 
Zauberey,  wobey  Hanss- Wurst  einen  lustigen  Hof-Schmarotzer  vorstellet. 
NB.  In  dieser  Tragico-Comödiam  kommen  unterschiedliche  gantz  besondere 
Decorationes  zum  Vorschein.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz  und  nach 
der  Action  wird  mit  einem  Ballet  aufgewartet  werden  unter  dem  Titul: 
Die  Eule.  Den  völligen  Beschluss  aber  machet  statt  einer  Nach-Comödie 
eine  lustige  Operette- Comique,  betitult:  Das  lustige  Elend,  zwischen  zvoey 
versoffenen  Eheleuten.  Es  werden  8  Teutsche  und  1  Italiänische  Arien 
gesungen. 

11.  Januar.  Eine  Intrigante  imd  gewiss  vollkommene  Haupt- Action ,  betitult: 

NIEMAND  SOLL  SICH  VOR  SEINEM  ENDE  GLÜCKLICH  SCHÄTZEN, 
oder:  Die  Würkung  der  Kindlichen  Liebe.  NB.  Diese  Haupt-Piece  ist  aus 
dem  Italienischen  gezogen,  allwo  sie  betitult  wird :  La  Forza  Deila  Natura. 
Unsere  Sängerin  agiret  die  Haupt-Person,  und  wird  mit  guten  Italiänischen 
Arien  aufwarten,  Hanss -Wurst  aber  wird  sich  bemühen,  mit  lustigen 
Zwischen-Scenen  seine  Schuldigkeit  zu  bezeigen.  Unter  der  Action  ist  ein 
Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet,  den  völligen  Beschluss  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie.  NB.  Weilen  nunmehr  der  Carneval  seinen  Anfang  genommen, 
so  stehet  einem  jeden  frey,  gleich  wie  in  anderen  berühmten  Städten  en 
Masque  der  Comödie  beyzuwohnen. 

12.  Januar.  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene  durchaus  lustige  Bouxdesque, 

betitult:  IL  PADRE  AVARO  ED  IL  FIGLIO  PRODIGO,  das  ist:  Je  geiziger 
der  Vatter,  desto  lustiger  der  Sohn.  Wobey  Hanss -Wurst  einen  lustigen 
Diener  des  verschwenderischen  Sohnes  vorstellet.  In  dieser  heutigen  Bour¬ 
lesque  wird  sonderlich  Pantalon  und  Hans- W urst  mit  durchgehender  Lust¬ 
barkeit  sich  bemühen,  alle  gehörige  Satisfaction  zu  geben.  Unter  der  Action 
ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet,  den  völligen  Beschluss  machet 
eine  lustige  Nach-Comödie. 


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13.  Januar.  Eine  besonders  intrigante  und  sehens-würdige  Historische  Action, 
betitult :  IL  FIGLIO  CREDUTO  NEMICO  DELLA  SUA  MADRE,  das  ist: 
der  von  seiner  eignen  Mutter  vor  den  grössten  Feind  gehaltene  Sohn.  Wobey 
Hanss  Wurst  einen  närrischen  Advocaten  vorstellet.  Unsere  Primier- Agentin 
wird  sich  sowohl  im  agiren  als  guten  Italiänischen  Arien  bestens  signali- 
siren.  Unter  jedem  Actu  ist  ein  Tantz,  den  völligen  Beschluss  machet 
Arlequin  mit  einer  lustigen  Nach-Comödie. 

15.  Januar.  Eine  durchaus  lustige,  mit  gantz  besondern  Intriguen  angefüllte  Piece- 

Comique  betitult:  GLEICH  UND  GLEICH  GESELLT  SICH  GERN,  oder: 
Der  durch  viele  Verwirrungen  sich  selbst  beglückende  Liebhaber  und 
Scapin  sein  selbst  eigner  Kuppler.  NB.  Nebst  7  Teutschen  und  einer 
Italiänischen  Aria  wird  auch  mit  einem  Tantz ,  zuletzt  aber  mit  einem 
Ballet  und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden.  Weilen  nunmehro 
der  Carneval  seinen  Anfang  genommen,  so  stehet  es  einem  jeden  frey 
gleichwie  in  andern  berühmten  Städten  enMasque  der  Comödie beizuwohnen. 

16.  Januar.  Eine  aus  einer  walirhafften  Historie  gezogene  recht  charmante  Haupt- 

Action,  Betitult:  DIE  MAJESTÄTISCHE  SCHÄFFRIN,  oder:  Die  über 
Tyranney  und  Verfolgung  obsiegende  Treue,  mit  Hanss  Wurst  einem 
listigen  Kuppler  und  verzagten  Duellanten.  Diese  gantz  besondere  Liebes¬ 
und  Staats-Action  ist  mit  vielen  angenehmen  Intriquen  und  durchgehender 
Lustbarkeit  angefüllet,  dabey  aber  kurtz  und  recht  gut.  Nebst  2  Täntzen 
wird  auch  mit  einer  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden,  hetitult: 
Der  durch  Zauherey  betrogene  Pantalon. 

22.  Januar.  Eine  gantz  neue  auserlesene ,  aus  denen  Spanischen  Historischen 

gezogene  Haupt-  und  Staats-Action  Betitult :  EIN  GUTER  REGENT  KOMMT 
VON  DEM  BIMMEL,  oder:  Die  mit  vielen  Bewunderungs-würdigen  Be¬ 
gebenheiten  angefüllte  Lebens-  und  Liebes-Geschichte  Friderici,  Königs  in 
Sicilien.  NB.  Bey  dieser  intriganten  Hof-Piece  wird  Hanss  Wurst  nicht 
ermangeln,  mit  angenehmen  Intermediis  aufzuwarten  wozu  ihm  absonder¬ 
lich  Anlass  gegeben  wird,  die  Gleichheit  zweyer  Personen,  indeme  bald 
dieser  bald  jener  vor  den  wahren  König  angesehen  wird.  Nebst  2  Täntzen 
wird  auch  mit  einer  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

23.  Januar.  Eine  aus  dem  Italiänischen  entlehnte,  durchaus  lustige  und  intrigante 

Bourlesque,  betitult:  IL  FARNARO  GELOSO  oder:  Hanss  Wurst  der 
eyfersüchtige  Geck,  und  Pantalon  der  betrogene  Liebhaber.  NB.  Bey  dieser 
extra  lustigen  Bourlesque  wird  man  sich  auch  mit  guten  Arien  bestens 
recommandiren.  Nebst  2  Täntzen  wird  auch  mit  einer  lustigen  Nach- 
Comödie  aufgewartet  werden. 

25.  Januar.  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene  durchaus  lustige  Bourlesque, 
betitult:  HANS  WURST  IL  PITTORE  BALARDO,  das  ist:  Hanss  Wurst 
der  ungeschickte  Mahler,  oder:  die  rasende  Liebe.  NB.  Heute  wird  ab¬ 
sonderlich  Pantalon  und  Hanss  Wurst  trachten,  sich  besonders  zu  signali- 
siren.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz  von  einem  besoffenen  Bauren  und 
Bäurin,  nach  der  Action  aber  wird  ein  Ballet  von  6  Personen  gemacht. 
Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

24.  Februar.  Eine  gewiss  charmante,  mit  denen  angenehmsten  Intriquen  angefüllte 

Piece-Comique,  betitult:  DER  POETISCHE  DORP- JUNKER,  oder:  Der  in 
der  Poesie  und  Liebe  verwirrte  Herr  von  Massuren.  NB.  Dieses  extra 
galante  Stück  ist  aus  dem  Frantzösischen  in  das  Teutsche  übersetzet  wor¬ 
den  von  dem  berühmten  Herrn  Professor  Gottsched,  er  hat  sich  auch  be¬ 
sondere  Mühe  gegeben,  die  darinnen  vorkommende  Lustbarkeit  so  angenehm 
als  modest  vorzustellen,  wir  aber  werden  dieses  von  Wort  zu  Wort  also 
produciren,  wie  es  uns  von  diesem  berühmten  Mann  vorgeschrieben  worden. 
Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet.  Den  Beschluss 
machet  eine  modeste  Nach-Comödie. 

1 .  März.  Eine  derer  allerbesten  Römischen  Geschichten  in  einer  sehr  beweglichen 
Tragödie,  betitult:  Der  in  seinem  Leben  und  Tod  Grossmüthige  Römische 
Rechts-Gelehrte,  PAULUS  AEM1LIUS  PAPINIANUS.  NB.  Die  zwischen 
einem  überstudirton  Astrologo  und  gescheid  seyn  wollenden  Juristen  vor- 


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kommende  lustige  Scenen  werden  eine  angenehme  Abwechselung  ver¬ 
schaffen.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet.  Den 
Beschluss  machet  eine  modeste  Nach-Comödie. 

3.  März.  Eine  recht  charmante,  von  einem  berühmten  Meister  in  Wien  componirte 
Haupt- Action ,  betitult:  L'INNOCENSA  RICOGNOSCUTA,  das  ist:  die 
wieder  erkannte  Unschuld.  Der  Autor  aber  nennet  diese  Action :  Den  Degen 
und  die  Braut  soll  man  vor  sich  behalten,  und  auch  den  besten  Freund 
nicht  drüber  lassen  walten.  Diese  Haupt-Piece  ist  sowohl  mit  erlaubter 
Lustbarkeit  als  auch  denen  angenehmsten  Intriquen  angefüllet,  anhey  wird 
auch  unsere  Sängerin  nicht  ermangeln,  mit  einigen  guten  Arien  aufzuwarten. 
Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet.  Den  Beschluss 
machet  eine  modeste  Nach-Comödie. 

C.  März.  Eine  auserlesene  Moralische  und  recht  auferbauliche  Historie,  betitult: 
L’INNOCENZA  TRIOMFANTE  Das  ist:  Die  überwindende  Unschuld, 
dargestellet :  In  der  unschuldig  verfolgten  und  Tugend-samen  GENOVEVA, 
Pfaltz-Gräfin  von  Trier.  Der  Innhalt  dieser  Action  ist  so  bekannt,  dass 
man  nicht  vor  nöthig  befunden  hat,  dneselben  allhier  heyzusetzen,  und 
ohnerachtet  diese  Piece  allhier  schon  gesehen  worden,  wird  man  doch 
einen  merklichen  Unterschied  finden,  indeme  unsere  Sängerin  die  Genoveva 
vorstellet,  und  nebst  guter  Action,  auch  mit  einigen  besonderen  Arien  sich 
heute  signalisiren  wird.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben 
ein  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine  modeste  Nach-Comödie. 

7.  März.  Eine  allhier  erst  neu  componirte  Piece,  welche  aus  einer  wahrhafften 

Historia  gezogen  worden,  betitult :  Die  wunderbahren  Glücks-  und  Unglücks- 
Fälle  der  verstossenen  Königin  ERMELINDA.  Diese  gantze  serieuse  Action 
spielet  nicht  länger  als  eine  Stunde,  deswegen  sind  unter  der  Action  5 
modeste  und  lustige  Intermedia,  unter  dem  Titul :  Der  eyf er  süchtige  Mauß- 
F 'allen- Krämer.  Es  werden  viele  theils  Teutsche  theils  Italiänische  Arien 
gesungen.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet,  den 
Beschluss  machet  eine  modeste  Nach-Comödie. 

8.  März.  Das  Glorwiirdigste  und  höchst-erfreuliche  Krönungs-Feste  der  Allerdurch¬ 

lauchtigst-  und  Gross-mächtigsten  Fürstin  und  Frauen,  Frauen  MARIA 
AMALIA  Römischen  Kayserin,  in  Germanien  und  Böhmen  Königin  etc. 
W ölten  In  einem  Poetischen  Prologo,  betitult :  Die  gekrönte  Tugend,  nebst 
einer  Historischen  Haupt- Action ,  genannt:  Die  in  Glück  und  Unglück 
grossmüthige  Assyrische  Fürstin  Arsinoe.  Mit  aller-unterthänigster  Devotion 
befrolocken  die  allhier  sich  befindenden  Teutschen  Comödianten. 

12.  März.  Eine  extra  galante,  wahrhaffte  Historiam,  welche  aus  einer  berühmten 
Italiänischen  Opera  gezogen  worden,  betitult :  DIE  BESTÄNDIGKEIT  EINER 
GETREUEN  GEMAHLIN  erkennt  man  in  Abwesenheit  ihres  Gemahls.  NB.  Nebst 
2  Täntzen  wird  auch  mit  einer  aus  dem  Möllere  entlehnten  Nach-Comödie 
aufgewartet  werden,  betitult :  Meder  in  malgre  luy.  Das  ist :  Der  gezwungene 
Doctor. 

14.  März.  Auf  hohen  und  gnädigen  Befehl,  denjenigen  PROLOGUS,  welcher  zu 
allerhöchsten  Ehren  Seiner  Mayestät,  der  Allerdurchlauchtigst-  und  Gross¬ 
mächtigsten  Fürstin  und  Frauen,  Frauen  Maria  Amalia,  Römischen  Kayserin, 
in  Germanien  und  Böhmen  Königin,  produciret  worden,  noch  einmahl,  mit 
vollständiger  Hlumination  repetiret,  nach  dem  Prologo  folget:  Eine  neue, 
auserlesene,  recht  charmante  Haupt-  und  Staats-Action,  betitult:  Die  von 
dem  Neyd  verfolgte ,  und  von  dem  Himmel  beschützte  Grone  auf  dem  Haupt 
eines  Tugendhafften  Printzen.  NB.  Dieses  ist  eine  Action,  dass  ein  jeder 
wird  bekennen  müssen,  keine  bessere  gesehen  zu  haben,  unsere  Sängerin 
stellet  die  Haupt-Person  vor  und  wird  mit  3  charmanten  Arien ,  unsere 
Täntzer  aber  mit  3  Ballets  aufwarten.  Den  Beschluss  machet  eine  modeste 
Nach-Comödie. 

IG.  März.  Auf  expresse  hohe  Ordre  noch  eine  Piece-Comique,  betitult  La 
POLITTCA  DELLE  DANNE,  oder:  Weiber -List  ist  nicht  zu  ergründen, 
Sonsten  auch  genannt :  Die  drey  lächerlich  betrogene  Männer,  wobey  son¬ 
derlich  Pantalon ,  Anselmo ,  Gratiano ,  und  ein  listiger  Bedienter  sich  mit 
modester  Lustbarkeit  signalisiren  werden.  NB.  Unsere  Tantzmeister 

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werden  mit  2  Täntzen  aufwarten.  Den  Beschluss  machet  eine  müdeste 
Nach-Comödie,  betitult:  Li  Empereur  clans  la  lune.  Das  ist:  Der  Kayser  in 
dem  Mond. 

27.  Marz.  Eine  aus  denen  Komischen  Historien  gezogene ,  neue  Haupt- Action, 

betitult:  Der  großmüthige,  alle  Vergnügung  der  Liehe  verachtende  römische 
Kayser  TRAJANUS,  oder:  Die  intressirte  Wahrsagerin,  und  Hanß  Wurst 
der  lustige  Sternseher.  NB.  Unter  der  Action  ist'  ein  Tantz,  nach  der¬ 
selben  ein  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

28.  März.  Eine  durchaus  lustige,  neue  folglich  noch  niemahl  producirte  Hof- 

Action,  betitult :  DER  VERLIEBTE  SECRETARIUS,  oder :  die  viermahlige 
Braut  Emelinde,  wobey  Hanß  Wurst  als  ein  Diener  des  Secretarii  mit 
durchgehender  Lustbarkeit  aufwarten  wird.  Anbey  wird  unsere  Sängerin 
nicht  ermangeln,  mit  einigen  lustigen  Arien  aufzuwarten.  Unter  der  Action 
ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie. 

31.  März.  Eine  neue,  folglich  hier  noch  niemahlen  gesehene,  mit  sinnreichen 
Intriquen  und  abwechslender  Lustbarkeit  angefüllte  Haupt-Piece  betitult: 
WER  EINE  GRUBE  GRÄBT  dem  andern  zum  Verderben ,  Der  fället  selbst 
hinein ,  und  muß  mit  Schanden  sterben.  Dargestellet  und  erwiesen  in  dem 
Gantz  Persien  in  Verwirrung  bringenden,  mit  List,  Betrug  und  Schmeicheley 
vor  allen  andern  prangenden  Ertz-Verräther  Miriweis.  Wobey  Hanß  Wurst 
und  Scapin  als  ein  dummer  Bauer  mit  abwechslender  Lustbarkeit  auf¬ 
warten  werden.  Den  Beschluss  machen  2  Ballets  und  lustige  Nacli- 
Comödie. 

2.  April.  Eine  auserlesene  Intrigante  und  durchaus  lustige  Haupt-Piece,  betitult : 

DHE  UNGLÜCKSEELIGEN  FRÜCHTE  einer  unbegründeten  Eifersucht ,  dar¬ 
gestellet  in  Herode,  Vierfürsten  von  Jerusalem  und  Mariamne  seiner  tugend¬ 
haften  Gemahlin,  oder:  Die  merkwürdige,  und  höchst-rühmenswürdige 
Lebens-,  Liebes-  und  Heldengeschichte  Augusti  Octaviani.  Mit  dem  aus 
einem  seltsamen  Fürsten  in  einen  lächerlichen  Gallioten  verwandelten 
Hanß  Wurst.  Unsere  Primier- Agentin  stellt  die  Mariamne  vor,  wird  mit 
guten  Arien  aufwarten.  Nebst  einem  Tantz  wird  auch  mit  einem  Ballet 
und  lustigen  Nach-Comödie  aufgewartet  werden. 

3.  April.  Eine  aus  dem  Italiänischen  entlehnte ,  intrigante ,  und  extra  lustige 

Bourlesque,  betitult:  IL  SERUO  SCIOCCO,  das  ist:  Der  dumme  Knecht, 
oder:  Was  der  eine  gut  macht,  verderbet  der  andere,  und  Pantalon  der 
listig  betrogene  Liebhaber.  In  dieser  recht  lustigen  Bourlesque  wird  unsere 
Sängerin  ein  lustiges  Mädel  mit  einigen  neuen  Arien  aufwarten,  Hanß 
Wurst  aber  als  der  dumme  Knecht,  ingleichen  auch  Pantalon  und  Scapin 
werden  mit  besonders  lächerlichen  Passagen  jedermann  zu  vergnügen  sich 
befleissen.  Nebst  zwei  Täntzen  wird  auch  mit  einer  lustigen  Nach-Comödie 
aufgewartet  werden. 

4.  April.  Eine  extra  ordin air-intrigante ,  recht  vollkommene  moralische  Haupt- 

Action,  betitult:  EX  DOCTRINA  INTERITUS,  Die  unglückseelige  Gelehr¬ 
samkeit,  dargestellet :  In  dem  ruchlosen  Leben  und  erschröcklichen  Tod 
des  Welt-beruffenen  Ertz-Zauberers  D.  Joannis  Fausti.  Mit  Hanß  Wurst 
einem  von  denen  Geistern  geplagten  Wandersmann,  ungliickseeligen  Diener 
und  einfältigen  Nacht- Wächter.  Ohngeachtet  diese  Action  schon  hier  ge¬ 
sehen  worden ,  so  versichert  man  doch ,  dass  heute  gantz  besondere  Aus¬ 
zierungen  des  Theatri,  Machinen  und  Arien  zum  Vorschein  kommen  werden. 
Das  Morale  in  dieser  Action  bestehet  in  diesem,  dass  die  Gerechtigkeit  des 
Himmels  zwar  eine  Zcitlang  zusehe,  aber  hernach  desto  schärffer  straffe. 
Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet,  und  so  es  die 
Zeit  leidet,  eine  lustige  Nach-Comödie. 

fi.  April.  Eine  gantz  neue  extra  lustige  und  Intrigante,  aus  dem  Italiänischen 
gezogene  Bourlesque,  betitult:  LTNGIUSTA  GELOSIA  DI  MAKITATI, 
con:  Pantalone  Vendicativo  et  Ubbriaco  per  Amore.  Das  ist:  Die  ungerechte 
Eyfersucht  derer  Verheyratheten ,  mit  Pantalon  einem  aus  Liebe  gantz 
betrunkenen  und  Rachgierigen  Alten.  Hanss  Wurst  stellet  vor  einen  ein- 


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faltigen  Wirth.  In  dieser  extra  lustigen  Piece  wird  unsere  Sängerin  mit 
einigen  lustigen  Teutschen  Arien  aufwarten.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz, 
nach  derselben  ein  neues  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach- 
Comödie. 

11.  April.  Eine  auserlesene,  intrigante,  extra  ordinair  galante  Fatigue,  betitult: 
LO  SPLRITO  FOLETTO,  oder:  Angiola  der  verliebte  Polter-Geist,  dieses 
ist  der  Italienische  Spirito  Folletto.  NB.  Hanss  Wurst,  Pantalon  und 
Anselmo  werden  in  der  heutigen  Action  also  vexiret,  dass  es  zu  lachen 
genug  gehen  wird.  Vor  der  Action  wird  ein  Poetischer  Prologus  recetiret. 
und  zuletzt  ein  Ballet  und  kurtze  Nach-Comödie  gemacht  werden.  NB.  Wegen 
der  Kälte  ist  nichts  ferner  zu  besorgen,  weilen  in  G  Machinen  beständig 
eingeheitzet  wird. 

IG.  April.  Eine  unvergleichliche,  sinnreiche  Action,  betitult:  Per  aus  Liebe  ent¬ 
setzlich  tyranisirende,  und  endlich  in  seinem  eignen  Blut  erstickende 
TARTARISCHE  WÜTERICH,  oder:  Die  mit  Amors  Pfeilen  verwundete 
listig  überwindende  und  die  Tyranney  besiegende  Persianische  Amazonin. 
Mit  Hanss  Wurst  einem  unglükseeligen,  und  zu  vielerley  Marter  ver¬ 
dammten  Sclaven,  verzagten  Soldaten  und  von  vielerley  Furien  entsetzlich 
geplagten  Aufseher  vor  das  verliebte  Frauenzimmer.  NB.  Es  kommen  auch 
besondere  Auszierungen  des  Theatri  zum  Vorschein.  Unter  der  Action  ist 
ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet.  Den  Beschluss  machet  eine  Operette- 
Comique,  betitult :  Die  charmante  Schäfferey.  Es  werden  10  lustige  Teutsche 
Arien  gesungen. 

18.  April.  Eine  allererst  allhier  neu-verfertigte,  mit  unterschiedlichen  merkwür¬ 

digen  Auszierungen  des  Theatri,  und  vielen  lustigen  Musicalischen  Arien 
decorirte,  extra-ordinair  lustige  Action,  betitult  :  WER  DAS  GLÜCK  HAT 
BEKOMMT  DIE  BRAUT  und  Gleich  und  Gleich  gesellt  sich  gern,  oder: 
Der  durch  viele  lächerliche,  gescheidte,  närrische  und  traurige  Zauberey 
sich  selbst  beglückende  Scapin,  Wann  die  Vergnügungs-Sonn,  im  Ehestand 
soll  erscheinen,  Muss  Gleich  mit  Gleichem  sich  in  selbigem  vereinen ; 
Dann  Kalt  und  Warm  beysamen,  thut  wahrlich  selten  gut,  Wie  die  Er¬ 
fahrung  uns  fast  täglich  lehren  thut.  NB.  Es  werden  auch  viele  neu-com- 
ponirte  lustige  Arien  gesungen.  Hanss  Wurst  wird  gleichfalls  mit  durch¬ 
gehender  Lustbarkeit  aufwarten.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der¬ 
selben  ein  Ballet,  den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

19.  April.  Eine  recht  charmante,  durchaus  lustige  Piece-Comique,  betitult:  GLI 

CIOC'HI  DI  FORTUNA  das  ist:  Die  seltsame  Zufälle  des  Glückes  oder: 
Hanss  Wurst  der  verstellte  und  lustige  Baron  von  Scanderbeck.  Dieses 
ist  eine  recht  unvergleichliche  lustige  Piece,  welche  an  Lustbarkeit  wenig 
ihres  gleichen  hat.  Ünter  der  Action  ist  ein  Tantz ,  nach  derselben  ein 
Ballet.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie  betitult:  Der 
verliebte  Holländer  Student. 

21.  April.  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene  recht  lustige  Piece-Comique, 
betitult:  1L  BASILISCO  DI  BARNAGASSO  oder:  Der  aus  Missverstand 
rachgierige  Bettler  und  Hanss-Wurst  der  wegen  allzugrosser  Gutheit  rui- 
nirte  und  ins  Narren-Spital  gebrachte  Kauffmann.  Sonsten  wird  auch  diese 
Piece  genannt:  Gar  zu  gut,  ist  niemabl  gut.  NB.  Unser  Herr  Principal 
stellet  den  Basüisco  vor  und  wird  sich  bemühen,  Ehre  einzulegen.  Auf 
gleichmässiges  Begehren,  stellet  Bernardon  einen  verrückten  Capellineister 
vor.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein  Ballet.  Von 
einer  hohen  Noblesse  ist  zur  Nach-Comödie  verlanget  worden:  Sybilla 
trinckt  kein  Wein. 

24.  April.  Eine  extra  lustige  mit  vielen  neuen  Arien  und  gantz  besonderer  Lust¬ 
barkeit  durch  und  durch  angefüllte  Piece-Comique,  betitult:  DIE  VER¬ 
LIEBTE  BÄURIN  oder:  Die  Liebens-würdige  Einfalt,  mit  Hanss- Wurst 
und  Scapin  zwey  unglückseeligen  Schwägern  und  Ertz-Feind  aller  bösen 
Weiber.  NB.  Unsere  Primier- Agentin  wird  die  verliebte  Bäurin  vorstellen 
und  werden  in  dieser  lustigen  Piece  8  Teutsche  extra  lustige  Arien  gesungen. 
Anbey  werden  unsere  Täntzer  in  2  Täntzen  trachten  sich  besonders  zu 
signalisiren.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

30* 


468 


27.  April.  Eine  neue,  intrigante,  durchaus  lustige  Satyrische  Piece-Comique, 
betitult :  PER  SCHAU-PLATZ  DER  JETZIG-VERKEHRTEN  UND  AF- 
FECTIRTEN  WELT,  oder:  Der  neue  Baron  Zwickel.  Mit  Hanss-Wurst 
einem  lächerlich-spitzfindigen  Critico  wobey  Bernardon  einen  lustigen 
Schneider  vorstellet.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  derselben  ein 
neues  Reuter-Ballet.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

30.  April.  Eine  unvergleichliche,  mit  sinnreichen  Intriguen  und  guter  Lustbar¬ 
keit  angefüllte  Haupt-  und  Staats-Action,  betitult:  DER  WEIBLICHE 
STAATS-MINISTER,  oder:'  Der  Streit  zwischen  Rache  und  Liebe.  Mt 
Hanss-Wurst  einem  verzagten  Soldaten,  eyfersiichtigen  Liebhaber,  und 
affectirten  Windmacher  nach  der  heutigen  Mode.  Unsere  Sängerin  agiret 
die  Haupt-Parthie,  und  wird  als  der  weibliche  Staats-Minister  sowohl  im 
Singen  als  Agiren  ihre  Force  zeigen.  Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach 
derselben  ein  Ballet.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

1.  Mai.  Eine  aus  dem  Italiänischen  entlehnte,  durchaus  lustige  Piece-Comique, 
betitult:  HANSS- WURST  DER  EULENSPIEGEL,  oder:  Pantalons  betro¬ 
gene  Sorgfältigkeit.  NB.  Anbey  wird  unsere  Sängerin  mit  einigen  lustigen 
Arien,  unsere  Täntzer  aber  mit  einem  Tantz,  und  zuletzt  mit  einem  Ballet 
aufwarten.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

3.  Mai.  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene  durchaus  lustige  und  intrigante 

Piece-Comique,  betitult :  ANSELMO  IMBROGLIATO  CON  HARLECHINO 
MEDICO  VOLANTE  et  HANS-WURST  SPIA  FEDELE  DEL  SUO  PA- 
DRONE  oder:  Arlequin  ein  flüchtiger  und  listig  betrügender  Medicus.  Mit 
Hanss- Wurst  einem  getreuen  Spion  seines  Herrn.  Es  wird  nach  einem 
jeden  Actu  ein  Tantz  und  folglich  3  Täntz  präsentiret,  statt  einer  Nach- 
Comödie  aber  wird  auf  hohes  Verlangen  eine  Operette-Comique  aufgeführet, 
genannt:  Der  dumme  Peterl.  Mt  Hanss-Wurst  dessen  einfältigen  Hof- 
Meister,  Es  werden  10  lustige  Teutsche  Allen  gesungen. 

4.  Mai.  (Die  Vorstellung  war  der  vom  3.  Januar  1742  gleich.) 

5.  Mai.  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene,  recht  lustige  Bourlesque,  betitult : 

IL  FINTO  PRENCIPE,  oder  der  durch  einen  rachgierigen  Zauberer  in  die 
grösste  Verwirrung  gebrachte  Hof  von  Belvideur.  Mit  Hanss  Wurst  einem 
verrückten  Printzen.  NB.  Statt  einer  Nach-Comödie  wird  eine  Operette- 
Comique  aufgeführet,  Betitult:  Der  gestraffte  Hochmutli  der  affectirten 
Weibs- Bildern,  mit  Hanss  Wurst  und  Scapin  zweyen  angebrannten  Edel- 
Leuthen.  Es  werden  10  Teutsche  lustige  Arien  gesungen,  welche  in  ge¬ 
druckten  Büchlein  zu  bekommen  sind. 

8.  Mai.  Eine  neue,  hier  noch  niemahl  producirte,  aus  dem  Italiänischen  ent¬ 

lehnte,  durchaus  lustige  Bourlesque,  Betitult:  EINEM  JEDEN  LAPPEN 
GEFÄLLT  SEINE  KAPPEN  oder  die  seltsame  Neigung  der  Liebe,  mit 
Arlequin  einem  verstellten  Affen,  und  Hanss  Wurst  einem  geplagten  Diener 
einer  verliebten  Jungfrauen.  NB.  In  dieser  neuen  Piece  wird  sich  nebst 
unserm  Hanss  Wurst  auch  ein  Italiänischer  Arlequin  besonders  befleissen, 
ein  gnädiges  Auditorium  bester  massen  zu  contentiren.  Auf  hohen  Befehl 
wird  nebst  einem  Tantz  auch  mit  einer  Pantomime  aufgewartet  werden, 
in  welcher  Arlequin  durch  einen  Spiegel  springt  und  zuletzt  aus  einem 
Stück  in  die  Lufft  geschossen  wird.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige 
Nach-Comödie. 

9.  Mai.  Eine  aus  dem  Italiänischen  gezogene  durchaus  lustige  Bourlesque,  be¬ 

titult:  LA  DONNA  BIZZARA  CASTIGATA,  das  ist:  die  listige  und  doch 
betrogene  Betrügerin,  mit  Scapin  einem  durchgetriebenen  Intriganten,  und 
Hanss  Wurst  einem  lustigen  Türcken  und  lächerlichen  Bräutigam.  In  der 
heutigen  Piece  wird  sich  besonders  Hanss  Wurst,  Scapin  und  unsere 
Sängerin  bestens  signalisiren,  und  diese  ohnedem  lustige  Bourlesque  noch 
aggreabler  machen.  Unsere  Täntzer  werden  unter  der  Action  mit  einem 
Tantz,  nach  derselben  aber  mit  einem  Ballet  von  Bauern  und  Bäuerinnen 
aufwarton.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

IG.  Mai.  Eine  neue,  durchaus  lustige  Piece-Comique,  betitult:  DIE  GALANTE 
OFFICIERS-FRAU,  oder:  Der  in  dem  Quartier  behertzte,  und  bey  dem 
Treffen  krank  liegende  Soldat.  Mit  Hanß  Wurst  einem  Rccrouten  und  ge- 


469 


plagten  Ehemann  einer  verliebten  Marquetenterin.  In  dieser  neuen  extra 
lustigen  Piece  wird  unsere  Sängerin  die  galante  Officiersfrau  vorstellen, 
anbey  werden  auch  8  Arien  und  ein  Duetto  gesungen.  Ein  jeder  Actu 
wird  mit  einem  Tantz  beschlossen,  und  zuletzt  folget  ein  Ballet  von 
Reutern.  Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Naeh-Comödie. 

17.  Mai.  Eine  durchaus  lustige,  intrigante  und  mit  lustigen  Arien  untermengte 

Bourlesque,  betitult :  AVER  DAS  GLÜCK  HAT,  FÜHRT  DIE  BRAUT 
NACH  HAUSS.  Oder-  Hanß  "Wurst  der  lächerlich  betrogene  Bräutigam. 
Diese  heutige  Bourlesque,  in  welcher  sich  besonders  Pantalon  und  2  Hanß 
AVTirste  signalisiren  werden,  rühmet  sich  billig,  dass  sie  an  Lustbarkeit 
keine  ihres  gleichen  habe,  wobey  unsere  Täntzer  nicht  ermangeln  werden, 
ihre  Force  zu  zeigen,  nach  der  Action  aber  folget  ein  Ballet.  Den  Be¬ 
schluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie. 

18.  Mai.  Die  blühende  Gerechtigkeit  wird  heute  in  einem  poetischen  Prologo 

nebst  einer  moralischen  und  auserlesenen  Haupt- Action  unter  dem  Titul- 
GERECHTIGKEIT  ERHALTET  DAS  GEMEINE  AVOHL  denen  Iloch- 
AVohl-gebohrnen.  Hoch-Edel- gebohrnen ,  Yest-  und  Hoch-gelahrten,  auch 
Fürsichtig-  und  Hoch-AVeisen  insonders  gnädig-  Hochgeehrtest  und  Hoch¬ 
gebietenden  Herrn  Bürgermeistern  und  Rath,  der  Löbl.  freyen  Reichs- 
Wahl-  und  Handels-Stadt  Franckfurt  am  Mayn,  statt  einem  schuldigsten 
Dank-Opfer  vor  ertheilte  Hohe  Gnaden,  in  unterthänigster  Devotion  und 
Ergebenheit  dedeciret,  von  denen  Hoch-Teutschen  Comödianten. 

Heute  Donnerstags  [ohne  Datum].  Eine  bewegliche ,  dabey  aber  doch  mit  ab- 
abwechslender  Lustbarkeit  untermengte  Haupt- Action ,  betitult :  DER 
"WUNDERBARE  AVECHSDL  DES  GLÜCKES  UND  UNGLÜCKS,  dar- 
gestellet :  In  der  theils  grossmüthigen  theils  tyrannischen  Regierung  des 
Römischen  Kaysers  Diocletiani.  "Wobey  Hanß  "Wurst  und  Arlequin  als 
Ertz -Feind  derer  Soldaten  mit  durchgehender  Lustbarkeit  aufwart, en  werden. 
Unter  der  Action  ist  ein  Tantz,  nach  der  Action  folget  ein  Ballet. 


VII. 


Festspiel  der  Schuch’sehen  Gesesellseliaft  1751. 


Einer  Gnädigen  und  Hochgebietenden  Obrigkeit  der  Kayserlichen 
freyen  Reichs-  Wahl-  und  Handels-Stadt  Frankfurt  am  Mayn  ward 
für  die  bisherige  gnädigst  ertheilte  Erlaubniss  dieses 
VORSPIEL 

gehorsamst  zugeeignet  von  Francisco  Schuch,  Principal  einer 
Gesellschaft  deutscher  Schauspieler. 


Personen: 

Frankfurt  in  Gestalt  eines  Frauenzimmers. 

Die  Weisheit,  als  Minerva.  Die  Gelehrsamkeit,  als  Apollo. 

Die  Handlung,  als  Mercur.  Die  Schifffahrt,  als  Neptun. 

Das  Schauspiel  als  ein  Held.  Die  Dankbarkeit. 

Der  erste  Auftritt. 

Das  Schauspiel.  Die  Weisheit. 

Die  Weisheit. 

Ja,  ja,  dich  deckt  mein  Schild,  wenn  Wahn  und  Neid  dich  kränkt, 
Wenn,  Schauspiel,  dich  ein  Feind  zu  unterdrücken  denkt; 


470 


Denn  dass  du  duldbar  bist,  hast  du  schon  längst  bewähret; 

Wo  lebt  ein  Kluger  wohl,  der  dich  nicht  liebt  und  ehret? 

Es  sieht  auch  Teutschland  itzt,  wie  viel  du  nützest,  ein, 

Denn  deine  Handlungen  sind  lehrreich,  gut  und  rein, 

Die  Wahrheit,  die  sich  offt  nicht  an  das  Licht  darff  wagen, 

Kanst  du  dem  Menschen  frey  und  und  voller  Lachen  sagen ; 

Du  zeigest  ihm  sein  Bild,  er  sieht  es  und  erschrickt, 

Durchs  Auge  wird  der  Seel  das  meiste  eingedrückt, 

Das  Ohr  lässt  meistentheils  die  beste  Lehr  verfliegen. 

Drum  denk  an  nichts,  als  stets  zu  lehren,  zu  vergnügen. 

Das  Schauspiel. 

Dein  Beystand,  Weisheit,  rührt  und  freut  mich  ungemein, 

Bleibst  du  bey  mir,  so  kan  kein  Feind  mir  schädlich  seyn; 

Wiewohl  ich  schelte  nicht,  dass  man  kein  Glück  mir  gönnet; 

Weil  eine  Misgebuhrt,  die  sich  nach  mir  genennet, 

Die  frech  und  frey  gelebt,  manch  Hertze  irr  gemacht, 

Das  Gute  nicht  gekannt,  die  Regeln  nur  verlacht, 

Durch  Spott  und  Schande  sich  manch  schnödes  Glück  erworben, 

So  hats  den  wahren  Ruhm  der  Schauspiel-Kunst  verdorben, 

Doch  mancher  Ort  schenkt  mir  noch  Unterhalt  und  Gunst, 
Besonders  liebt  und  ehrt  und  schätzt  man  meine  Kunst, 

Da,  wo  der  stille  Mayn  an  ewge  Mauren  schläget, 

Der  manch  belastet  Schiff  auf  seinem  Rücken  träget; 

Du  kennst  die  Stadt,  weil  du  in  ihrem  Römer  bist, 

Wo  man  nichts  ohne  dich  beurtheilt  und  beschliesst. 

Die  Stadt,  die  Teutschland  schon  so  manchen  Kayser  geben, 

Die  schon  bey  tausend  Jahr  ihr  Haupt  empor  kan  heben, 

In  der  so  mancher  Bund  erst  seine  Kraft  erreicht, 

Aus  welcher  nimmermehr  Treu,  Lieb  und  Eintracht  weicht. 

Zu  der  die  Fremden  sich  im  Jahre  zwevmal  dringen, 

Die  mit  sich  neues  Glück  und  neuen  Seegen  bringen. 

Kurtz :  Helenopolis,  das  man  itzt  Frankfurt  nennt, 

Hat  mildreich  mir  bisher  gewünschten  Schutz  vergönnt; 

0  könnt  ich  ihm  dafür  so  vieles  Heil  erflehen, 

Als  es  bereits  besitzt!  Doch  man  wirds  nicht  verschmähen, 

Wenn  meine  Dankbegier  sich  nur  in  etwas  weisst, 

Weil  man  so  grosse  Huld  niemals  vollkommen  preisst. 

Die  Weisheit. 

Erheb  dich  dann  vor  sie;  dein  Dank  wird  sie  erfreuen 
Und  sie  wird  künfftig  dir  die  vorige  Gunst  verleihen. 

Der  zweyte  Auftritt. 

Die  Mittelwand  gehet  auf;  Frankfurt  sitzt  auf  einem  erhabenen 
Throne,  über  ihr  brennet  das  Stadt- Wappen ;  zu  ihrer  Rechten  stehen 
die  Weisheit  und  Gelehrsamkeit,  zur  Linken  die  Handlung 
und  Schifffahrt. 


471 


Das  Schauspiel. 

Ich  beuge  mich  vor  dir,  die  du  mir  Schutz  verliehn, 

0  lass  mir  solchen  nie  Zeit  oder  Neid  entziehn, 

Ich  will  desselbigen  mich  niemals  unwerth  zeigen, 

Und  in  der  Ferne  nicht  dein  Lob  der  Welt  verschweigen. 

Frankfurt. 

Steh  auf,  ich  schütze  gern,  wer  meinen  Schutz  verdient; 

Sagt  ihr,  durch  deren  Rath  mein  Wohl  gleich  Cedern  grünt, 
Ob  ich  dem  Schauspiel  nicht  kan  Schutz  und  Gunst  verleihen 
Mein  Bürger  soll  sich  auch  nach  Schweiss  und  Müh  erfreuen, 
Ich  will  nicht,  dass  er  sich  durch  zu  viel  Arbeit  schwächt, 
Und  er  belustigt  sich,  wenn  sie  geschelm,  mit  Recht; 

Nun  wüsst  ich  keine  Lust,  die  so  unschuldig  wäre; 

Denn  man  verletzt  bey  ihm  nicht  so  Verstand  und  Ehre, 

Als  da,  wo  man  den  Trank  unmässig  in  sich  stürtzt, 

Wo  man  flucht,  spielt,  und  sich  das  Leben  wild  verkiirtzt. 

Die  Gelehrsamkeit. 

Ich,  der  ich  nimmermehr  aus  deinen  Mauren  weiche, 

Der  ich  zum  Nutzen  dir,  sowie  zur  Zier  gereiche, 

Ich  bin  dem  Schauspiel  nie  im  Glücke  hinderlich, 

Denn  was  es  reitzend  macht,  bekömmt  es  erst  durch  mich ; 
Kein  wahrer  Weise  soll  auf  seine  Bühne  schmähen, 

Indem  wir  uns  nicht  mehr  in  jenen  Zeiten  sehen, 

Wo  man  im  Wissen  blind  und  seicht  im  Urtheil  war, 

Und  wo  das  Schauspiel  auch  nur  Schimpf  zur  Frucht  gebahr. 
Das  Schauspiel. 

Was  Hertzen  irren  kan,  was  Tugend  kan  versehren, 

Das  soll  kein  Mensch  jemals  aus  meinem  Munde  hören. 

Die  Handlung. 

Durch  mich  besteht  dein  Flor,  glückseelig  werthe  Stadt, 

Den  mein  Bemühn  so  lang  im  Glantz  erhalten  hat. 

Der  Fleiss  führt  meine  Söhne  und  wird  sie  nie  verlassen, 
Doch  darum  sollen  sie  nicht  das  Vergnügen  hassen. 

Wenn  sie  in  meinem  Dienst  das  ihrige  gethan, 

Sehn  sie  alsdann  mit  Recht  ein  lehrreich  Schauspiel  an. 

Das  Schauspiel. 

Zum  Himmel  steigt  mein  Wunsch  aus  gantz  getreuer  Seele, 
Dass  deiner  Handlung  es  niemals  am  Glücke  fehle. 

Die  Schiffahrt. 

Ich  Schutz-Gott  eines  Stroms,  der  dir  viel  Nutzen  thut, 

Ich  bringe  darum  ehr  so  manches  Seegens-Guth, 

Dass  du  mit  selbigen  die  Dürfftgen  sollst  erquicken, 

Und  den,  der  dir  zum  Schimpf  nicht  lebt,  damit  beglücken; 
Schenkst  du  dem  Schauspiel  nur  davon  den  kleinsten  Theil, 

So  ist  sein  Wunsch  erfüllt,  so  liats  gnug  Glück  und  Heyl. 


472 


Das  Schauspiel. 

Es  muss,  o  Mayn  !  kein  Feind  sich  deinen  Ufern  nahen, 

Und  Frankfurt  ewiglich  durch  dich  viel  Guts  empfahen. 

Die  Weisheit. 

Sieh,  Schauspiel!  wie  sich  itzt  dein  Schicksal  günstig  zeigt, 

Sey  allzeit  dessen  werth,  und  nie  mir  abgeneigt. 

Frankfurt. 

Beweiss  den  Vätern  nun,  die  meinen  Staat  beschützen, 

Die  mit  vereinter  Treu  an  meinem  Ruder  sitzen, 

Wie  sehr  dich  ihre  Gnad  und  grosse  Huld  gerührt. 

Und  fleh,  dass  sich  die  Gunst  für  dich  niemals  verliert. 
Wiewohl,  so  lange  du  der  Tugend-Spuren  gehest, 

So  lange  du  im  Werth  bey  wahren  Klugen  stehest, 

So  lange  lindst  du  auch  bey  ihnen  Brod  und  Gunst, 

So  lange  hält  man  dich  für  eine  edle  Kunst. 

Das  Schauspiel. 

So  komm,  o  Dankbarkeit,  und  wünsche  meinetwegen 
Den  hohen  Gönnern  Heil  und  längst  verdienten  Seegen. 

Wird  dieser  Wunsch  erfüllt,  so  bin  ich  überzeugt, 

Dass  ihre  theure  Huld  sich  niemals  von  mir  neigt. 

So  wird  mir  stets  allhier  mein  nöthig  Glücke  blühen, 

So  kann  mirs  Dummheit,  Wahn  und  Missgunst  nicht  entziehen. 
Die  Danckbarkeit 
tritt  hervor  und  hält  folgende  Rede. 

Nehmt,  Väter!  dieser  Seegensstadt, 

Das  Opfer  gnädig  an,  das  Euch  die  Demuth  reichet, 
Wenns  schon  nicht  Eurer  Würde  gleichet, 

So  glaubt,  dass  Treu  und  Pflicht  es  doch  gezeuget  hat. 
Dass  Ihr  aufs  neu  uns  Schutz  gegeben, 

Dass  Ihr  zum  fünftenmal  uns  mildreichst  wohlgethan, 
Kann  unser  Mund  nicht  gnug  erheben, 

Wir  sehn  nur  so  viel  Huld  in  stiller  Ehrfurcht  an. 

So  wenig  wir  sie  auch  verdient, 

So  gnädig  seyd  Ihr  doch,  sie  uns  nie  zu  entziehen, 

Ihr  macht,  dass  Staat  und  Handlung  blühen, 

Dass  jede  Wissenschaft  in  Euern  Gränzen  grünt. 

Drum  helft  der  Bühn  in  hohen  Gnaden, 

Die  auch  ein  Zweig  vom  Stamm  der  freyen  Künste  ist: 
Sie  bringt  nie  einem  Staate  Schaden, 

Wenn  man  aus  ihrem  Thun  nur  stets  das  Beste  liesst. 

Der  Himmel,  den  das  Wohlthun  freut, 

Ersetz  Euch  tausendfach,  was  Ihr  uns  hold  geschenket! 
Bleibt  stets  von  Feinden  ungekränket, 

Und  Eurer  Häuser  Flor  zernichte  keine  Zeit. 


473  — 


Das  Glück  weich  nie  aus  Euern  Mauern, 

Die  Handlung  blüh  darin,  und  die  Gelehrsamkeit 
Muss  immerdar  in  solcher  dauern! 

Kurz:  jeder,  wer  hier  lebt,  leb  in  Zufriedenheit. 


VIII. 

Zettel  zu  (1er  von  der  Schuch’sclien  Gesellschaft  gegebenen  Magistrats- 
Komödie  Herbstmesse  1748. 


Donnerstags  den  3.  October  1748 

Wird  zu  höchsten  Ehren  und  unsterblichen  Ruhm  denen  Wold-  auch 
Hoch-Edelgebohrnen,  Gestrengen,  Hoch-Edeln,  Vest-  und 
Hoch-Gelahrten,  Wohl,  Fürsichtigen,  und  Hoch-Weisen,  Ehren-Vesten 
und  Wohl  Weisen  Herrn  Herrn  Schultheiss,  Bürgermeistern,  Schöffen 
und  Rath  der  freyen  Reichs-  Wahl-  und  Handels-Stadt 
Frankfurt  am  Mavn  unsern  allerseits  gnädig-gebietend,  und 
respective  Hochzuverehrenden  Herrn  Herrn 
DIE  DANKBARKEIT, 

Ein  in  reinen  Versen  verfertigtes  Vor-Spiel  von  einem  Aufzug  nebst 
einem  vortrefflichen,  und  von  dem  berühmten  Herrn  Joh.  Christian 
Schlegel  in  deutschen  Versen  verfertigten  Trauer-Spiel,  genannt: 

CANUT 

in  fünf  Aufzügen 

Zu  schuldigster  Dancksagung  vor  die  ertheilte  Gnädigste  Erlaubnuss, 
bissherigen  Hohen  Schutz,  und  vielerley  andere  erwiesene  Gnaden 
in  Demuths-voller  Pflicht  unterthänigst  gewidmet  und  zugeeignet  von 
der  bissanhero  anwesenden  Hoch-Teutschen  Gesellschaft  unter  der 
Direction  Francisci  Schuchs. 


Ihr  Väter  dieser  Stadt,  von  Geist  und  hohen  Würden, 

Hier  kommt  die  Danckbarkeit  mit  diesem  schlechten  Spiel, 
Sich  seiner  Schuldigkeit  in  etwas  zu  entbürden, 

Nehmt  selbes  gnädig  an,  so  hat  man  was  man  will, 

Drum  zörnet  also  nicht,  wann  man  sich  will  verpflichten, 
Zu  Eurem  hohen  Ruhm  ein  Schau-Spiel  aufzurichten. 

Kan  schon  die  Dürfftigkeit  Euch  keinen  Tempel  bauen, 

Wo  Euer  Nähme  soll  in  Gold  geätzet  stehn, 

So  solle  Ihr  doch  davor  ergebne  Hertzen  schauen, 

Die  heute  Demuthsvoll  zum  Opfer-Tische  gehn, 

Straft  nicht  die  Thorheit  ab,  das  flüchtige  Erkühnen, 

Wir  bringen  anders  nichts,  als  Schwachheit  unsrer  Sinnen. 
Dann  unser  Brand-Altar  hat  keine  Specereyen, 

Wie  das  Arabien  zündt  ihren  Göttern  an: 


474 


Drum  lasset  Euch  davor  den  schlechten  Dunst  erfreuen, 

Den  unsre  Dürftigkeit  Euch  heute  geben  kan. 

Ach  lasst  den  Armuths-Rauch  vor  Eurer  Grossmuth  stehen, 

So  wird  man  dessen  Glantz  um  desto  besser  sehen. 

Ihr  Väter  dieser  Stadt,  nun  folget  unser  Bitten: 

Man  lad’t  Euch  tief  gebeugt  zu  diesem  Schau-Spiel  ein, 

Wir  wollen  uns  anheut  der  Schuldigkeit  entschütten, 

Und  bloss  zu  Eurem  Ruhm  bereit  und  fertig  seyn. 

Doch  ja!  die  Gütigkeit,  so  Euch  ist  angebohren, 

Sagt,  Arme,  tröstet  euch,  die  Bitt’  ist  nicht  verlohren. 

So  können  wir  getrost  die  schwachen  Reimen  Schlüssen, 

Es  sincket  Hertz  und  Muth  samt  diesem  schlechten  Blat, 

Mit  Demuths-vollem  Geist  zu  Euren  Gnaden-Füssen, 

Da  man  Euch  sonsten  nichts  zu  überreichen  hat, 

Und  weil  Aurora  kan  auch  schlechten  Staub  ertragen, 

So  lasset  Euch  vor  heut  ein  schwaches  Nichts  behagen! 

Personen  des  Vor-Spiels: 

Juno,  j 

Venus,  <  drey  Göttinnen. 

Pallas,  ' 

Paris,  ein  Schäfer. 

Die  Danckbarkeit. 

Der  Schau-Platz  stellet  vor  einen  mit  verschiedenen  Sinnbildern 
ausgezierten  Ehren-Tempel. 

Personen  des  Trau  er -  Spiels: 

Canut,  König  von  Dänemarck,  Engelland,  Norwegen,  und  einem 
Theile  von  Schweden. 

Estrithe,  dessen  Schwester. 

Gunilde,  Ihre  Vertraute. 

Ulfo,  Estrithens  Ehgemahl. 

Ha  quin,  j  j£riegs-Bediente  des  Canut. 

Godewin,  ] 

Godschalck,  Printz  der  Slaven. 

Die  Wache. 

Nach  aufgeführtem  Trauer-Spiel  wird  unsere  Principalin  ein 
Dancksagungs-Rede  in  Versen  in  Unterthänigkeit  abstatten. 

Den  völligen  Beschluss  aber  macht  ein  sehenswürdiger  Tantz. 


Der  Schau-Platz  ist  auf  dem  Liebfrauen-Berg  in  der  neu-erbauten 
Hütten.  Die  Person  zahlt  auf  denen  Logen  1  fl.  Auf  dem  Parterre 
8  Batzen.  Auf  dem  zweyten  Platz  4  Batzen,  und  auf  dem  letzten 
2  Batzen.  Der  Anfang  ist  um  halb  6  Uhr. 


475 


NB.  Wer  sich  beym  Eingang  nicht  lang  aufhalten  will,  kan 
am  Bley-Hauss  bey  Herrn  Busch,  Bierbrauer,  Billet  bis  4  Uhr  Nach¬ 
mittags  bekommen.  Wozu  ergebenst  einladet 

Franciscus  Schuch, 
Principal. 

Mit  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen  Magistrats  wird 
heute  die  allhier  anwesende  Hoch-Teutsche  Gesellschafft  abermahls 
ihre  Schaubühne  eröffnen  und  auf  selbiger  vorstellen  ein  aus  dem 
Frantzösischen  des  Herrn  von  Voltaire  übersetztes  Trauer-Spiel,  genannt : 

ALZIRE, 

Oder  Hie  Amerikaner. 

In  fünf  Aufzügen. 


Personen: 

Gusmann,  Stadthalter  in  Peru. 

Alvares,  Gusmanns  Vater  und  vormahliger  Stadthalter. 

Zamora,  Regierender  Fürst  des  Potosischen  Gebietes. 

Alzire,  Tochter  des  Montaza. 

Emire,  und  Cephane,  Ihre  Vertrauten. 

Alonzo,  Ein  Spanischer  Hauptmann. 

Einige  Spanier. 

Einige  Amerikaner. 

Den  Beschluss  wird  machen  nebst  einem  Tanz  HANSS- WURST  mit  einem 
überaus  lustigen  Nach-Spiel. 

Der  Schauplatz  ist  auf  dem  Liebfrauen-Berg  in  der  neuerbau¬ 
ten  Hütte.  Die  Person  zahlt  auf  denen  Logen  1  fl.  Auf  dem  Par¬ 
terre  8  Batzen.  Auf  dem  zweiten  Platz  4  Batzen  und  auf  dem  letz¬ 
ten  2  Batzen. 

NB.  Wer  sich  beim  Eingang  nicht  lang  auf  halten  will,  kan 
auf  dem  grossen  Korn  markt  im  weissen  Engel  Billets  bis  4  Uhr 
Nachmittags  bekommen. 

Der  Anfang  ist  precise  um  6  Uhr. 

Wozu  ergebenst  einladet 

Freitags,  den  10.  May  1748.  Franziskus  Schuch, 

Principal. 

Auszug:  aus  dem  Repertoire  Franziskus  Schuch’s  während  der  Messen  1750, 

1751  und  1752. 

Heute  4.  April  [1750]  wird  die  allhier  befindliche  Schuchische 
Gesellschaft  Deutscher  Schauspieler  aufführen 
Das  von  der  Frau  Professorin  Gottschedin  in  Leipzig  verfasste  und 
allhiero  mehrmalen  mit  vielem  Plaisir  gesehene  Lustspiel,  genannt: 


476 


DIE  PIETISTEREY  IM  ELSCHBE1NR0CKE. 

Hierauf  folgt 

Ein  pantomimisches  Ballet. 

Den  Beschluss  macht 
Hans  Wurst  in  allerley  Gestalt 
Oder 

Komm’  nur,  lachen  musst  du  bald. 

Am  11.  Mai  1750  werden  dieselben  aufführen 
Ein  mit  vieler  Mühe  und  Unkosten  verfertigtes  Schau-Spiel,  genannt: 
DER  EMPFUNDENE  SCHMERTZ  UNSERER  ERSTEN  ELTERN 

ADAM  UND  EYA 

über  den  ungerechten  Todtschlag  ihres  Sohnes  Abels. 

Den  Beschluss  macht  ein  gantz  neu  verfertigter 
Pantomimen  Tantz,  imgleichen  ein  lustiges  Nach-Spiel. 

Am  Mittwoch  3.  April  [1751]  eine  sehr  lustige  extra  galante  Comödie: 
Die  geschmähte,  aber  doch  endlich  triumphirende  LIEBESTREUE 
mit  Hanswurst,  einem  lustigen  und  schlauen  Diener. 

Hierauf  folgt 

Hans-Wurst  in  einem  Ey 
Oder  wart,  ich  komm  dich  bey. 

Den  Beschluss  macht  ein  feinartiges  wohl  componirtes  Ballet. 

Am  Freitag  8.  April  [1751]  werden  dieselben  aufführen 
Ein  sehenswürdiges  Lust-Spiel,  betitelt: 

DAS  REICH  DER  TODTEN 
Oder  Die  Elisäischen  Felder  im  Reiche  der  Lebendigen. 
Hierauf  folget  Hans- Wurst  in  einem  lustigen  Nachspiel 
Wie  er  wird  den  Kummer  stillen 
Und  vertreiben  alle  Grillen. 

Den  Beschluss  macht  ein  sehenswürdiges  Ballet. 

Am  Montag  17.  April  [1752]  werden  dieselben  aufführen 
Wiederhohlung  der  ALZIRE,  Oder  Die  Amerikaner. 

Hierauf  folget  ein  sehenswürdiges  Ballet. 

Den  Beschluss  macht  Hanns-Wurst  mit  einem  lustigen  Nachspiele. 

Am  Donnerstag  4.  May  [1752] 

Ein  von  Herrn  Georg  Behrmann,  berühmten  Kauf-  und  Handelsmann 
in  Hamburg  verfertigtes  Trauer-Spiel,  genannt: 
TIMOLEON,  DER  BÜRGER  FREUND. 

Hierauf  folget  ein  pantomimisches  Ballet. 

Den  Beschluss  macht  Hanns-Wurst  mit  einem  lustigen  Nach-Spiele. 

Am  Samstag  23.  September  [1752]  werden  dieselben  aufführen 
TARTÜFFE,  Oder:  Der  scheinheilige  Betrüger. 

Ein  Lustspiel  von  Moliere. 


477 


Hierauf  folget  ein  pantomimisches  Ballet  unter  dem  Titel : 

Der  verliebte  Vogel-Steller. 

Den  Beschluss  macht  Hanns-Wurst  mit  einem  lustigen  Nachspiel. 

Hit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats  werden  heute  die  Schuchischen  Kinder  eine  sehenswürdige 
Pantomime  vorstellig  machen,  unter  dem  Titul : 

LA  NAISSANCE  D’ABLEQUIN,  Oder  Die  Geburt  des  Arlequins. 

In  drey  Aufzügen. 

Inhalt  der  Pantomime: 

Erster  Aufzug.  1.  Das  Theater  stellet  einen  Wald  vor, 
worinnen  Ziegeuner  sich  nach  ihrer  Art  belustigen ;  sie  verfallen  end¬ 
lich  auf  den  Gedanken,  ein  physikalisches  Experiment  zu  machen; 
sie  verfertigen  nemlich  ein  Ey,  um  zu  sehen,  was  die  Sonne  aus 
selbigem  brüten  wird.  2.  Wenn  das  Ey  auf  dem  behörigen  Orte 
liegt,  bricht  die  Sonne  durch  das  Gewölcke  hervor,  und  brütet  end¬ 
lich  durch  die  Hitze  ihrer  Strahlen  aus  dem  besagten  Eye  einen 
Arlequin.  3.  Zu  dem  noch  unbelebten  und  fühllosen  Arlequin 
kommt  eine  Hexe,  welche  ihn  zum  Gebrauch  ihrer  Zauber-Künste 
stehlen  und  in  einem  Sacke  davon  tragen  will ;  die  Ziegeuner  ver¬ 
folgen  sie  aber  und  jagen  ihr  den  Raub  ab;  doch  da  sich  Arlequin 
in  dem  Sacke  verwandelt,  so  setzt  er  seinen  Befreyer  als  ein  Mon¬ 
strum  selbst  in  grosses  Schrecken,  und  verjagt  ihn.  4.  Die  Hexe 
bringt  den  rechten  Arlequin  und  belebt  ihn  durch  ihre  Zauberey, 
giebt  ihm  auch  ein  Schnupftuch,  mit  welchem  er  alles  verrichten 
und  zaubern  kan,  was  er  nur  will.  5.  Arlequin  kommt  zu  einer 
Bauern-Hochzeit,  da  er  dann  die  Braut  entführet.  Die  Bauern  ver¬ 
folgen  ihn,  er  aber  springt  in  einen  Brunnen,  welches  Pierot  siehet. 
Dieser  Einfältige  will  ihn  herauf  ziehen,  er  sinkt  aber  selbst  hinein 
und  befrevet  also  den  Arlequin.  6.  Ein  Bauer  will  Wasser  schöpfen; 
er  siehet  den  Pierot  im  Brunnen,  rufft  deswegen  die  Bauern  zu 
Hülfe,  welche  dann  auch  kommen  und  ihn  aus  demselben  ziehen. 
7.  Da  Pierot  vieles  Wasser  geschluckt,  wollen  ihn  die  Bauern  zu 
einem  Arzt  führen.  Arlequin  stellet  deshalb  einen  Doctor  vor  und 
nimmt  den  Patienten  an;  giebt  zu  verstehen,  dass  man  ihm  das 
Wasser  abzapfen  müsse;  die  Operation  wird  mit  einem  grossen 
Bohrer  vorgenommen,  in  derselben  aber  Pierot  so  stark  vexiret,  dass 
er  davon  lauffen  muss. 

Der  zweyte  Aufzug.  1.  Arlequin  legt  sich  ganz  Schlaf¬ 
trunken  zur  Ruhe.  Die  Hochzeit-Leute  finden  ihn,  binden  denselben, 
und  führen  ihn  zum  Richter.  2.  Vor  dem  Richter  wird  die  Klage 
gegen  Arlequin  erhoben.  Derselbe  fällt  das  Urtheil,  dass  er  gehenckt 
werden  soll.  Arlequin  verwandelt  aber  Kraft  seines  Tuches  des  Rich¬ 
ters  Kopf  in  einen  Ziegen-Kopf.  3.  Befreyet  er  sich  von  den  Bauern; 
da  ihn  diese  aber  verfolgen,  springt  er  durch  einen  Spiegel.  4.  Da 


478 


er  noch  nicht  sicher  ist,  springt  er  aus  einem  Porzellain-Schrancke 
heraus.  5.  Sie  verfolgen  ihn  noch  immer,  und  er  springt  in  den 
Gamin,  in  welchem  ein  lebendiges  Feuer  brennet.  Die  Bauern  sind 
froh,  weil  sie  glauben,  er  werde  verbrennen.  6.  Der  Camin  ver¬ 
wandelt  sich  in  ein  Yogel-Haus,  darinnen  Arlequin  als  ein  Papogey 
sitzt.  Er  tritt  endlich  heraus  und  hat  seinen  Schabernack  mit  den 
Bauern.  7.  Kömmt  Colombine,  die  Braut,  und  liebkoset  den  Papo¬ 
gey,  Arlequin  giebt  sich  ihr  zu  erkennen  und  läufft  mit  ihr  davon. 
Da  die  Bauern  den  Betrug  sehen,  verfolgen  sie  ihn  aufs  neue. 
8.  Die  Bauern  berathschlagen  und  bewaffnen  sich,  um  den  Arlequin 
gewaltsamer  Weise  zu  fangen. 

Der  dritte  Aufzug.  1.  Der  Hintertheil  der  Bühne  stellet 
ein  Yestungs-Werck  vor;  aus  dessen  Thore  kömmt  ein  betrunckener 
Artillerist.  Die  Bauern  fragen  ihn  nach  dem  Arlequin;  bestechen 
ihn  und  bitten,  selbigen  aus  dem  Wege  zu  räumen.  2.  Der  Artille¬ 
rist  suchet  den  Arlequin  auf;  erblickt  ihn  endlich  mit  Colombinen 
an  einem  Fenster;  er  klopft  an,  wird  aber  begossen;  als  er  hierauf 
die  Thüre  aufbrechen  will,  schlägt  ihn  Arlequin  darnieder.  Dieses 
erbittert  den  Artilleristen  dergestalt,  dass  er  ihm  nachsetzt.  Arlequin 
weiss  sich  nicht  anders  zu  retten,  als  dass  er  in  eine  Canone  springt. 
3.  Der  Artillerist  ladet  die  Canone  und  schiesst  den  Arlequin  in 
die  Luft.  4.  Die  Bauern  freuen  sich,  dass  sie  den  Arlequin  loss 
sind;  dieser  aber  zeiget  sich  mit  Colombinen  in  dem  Yestungs-Thore. 
Sie  wollen  ihn  anfallen;  das  Gregitter  fällt  aber  vor  das  Thor.  Die 
Hexe  kömmt  und  macht  der  Verwirrung  ein  so  freudiges  Ende,  dass 
solche  mit  einem  lustigen  Contre-Tantze  beschlossen  wird. 

Hierauf  folget  ein  Lust-Spiel  von  drey  Aufzügen 
mit  Hanns  Wursts  durchgängiger  Lustbarkeit. 

Der  Schau-Platz  ist  auf  dem  Rossmarkt  in  der  neu  erbauten 
Hütte;  der  Anfang  ist  um  halb  6  Uhr.  Die  Person  zahlt  auf  den 
Logen  oder  ersten  Platz  16  Batzen,  auf  dem  zweyten  Platz  oder 
Parterre  8  Batzen,  auf  dem  dritten  4  Batzen  und  auf  dem  letzten 
2  Batzen. 

Freytags  den  24.  September  [1752J. 


IX. 


Auszug1  aus  dem  Repertoire  der  Italienischen  Scliauspielergesellscliaft  unter 
Direktion  von  Domenico  Bassi  und  Gervasio  Sillani,  Comici  Italiani.  Oster¬ 
und  Herbstmesse  1753. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
MAGISTRATS  wird  heute  Mittwoch  den  9.  May  1753  die  Gesellschaft 
italienischer  Schauspieler  aufführen  eine  serieuse  Haupt-Action  betitelt : 


—  479 


DER  GLÜCKLICHE  BETRÜG  DERER  VERLIEBTEN 

und 

Harlequin  eine  verkleidete  Frau 
um  den  Brigella  zu  betrügen,  und  lächerlicher  Portrait-Mahler. 
Nach  dieser  Aktion  wird  heute  zum  erstenmahle  ein  neues  musikalisches 
Nach-Spiel  gesungen  werden,  welches  sich  betitelt: 

DIE  LISTIGE  ZIGEUNERIN,  oder  DER  NÄRRISCHE  ARZT. 
Nebst  einem  neuen  Ballet. 

Der  Schau-Platz  ist  auf  dem  Ross-Markt,  Der  Anfang  ist  prae- 
cise  um  halb  6  Uhr.  Die  Person  zahlet  auf  dem  ersten  Platz  1  fl., 
auf  dem  zweyten  8  Batzen  und  auf  dem  letzten  4  Batzen. 

NB.  Die  gedruckte  Bücher  von  dem  Nach-Spiel,  nebst  denen  Biletten 
seynd  sowohl  im  goldenen  Brunnen,  als  auf  dem  Ross-Markt 
in  der  Boude  zu  bekommen. 


Am  Dienstag  15.  May  1753  werden  dieselben  aufführen  eine  be¬ 
sondere  grosse  Haupt-Aktion,  betitelt: 

DIE  UNSCHULDIG  GEKAUERT  UND  WIEDER 
VERKAUFFTE  BRAUT, 
oder 

die  Unschuld  wird  beschützet. 

Nach  der  Aktion  wird  heute  zum  letztenmal  dieses  neue  musikalische 
Nach-Spiel  vorgestellt  werden,  welches  sich  betitelt: 

DIE  NACH  DER  MODE  LEBENDE  EHEFRAU,  WELCHE 
IHREN  MANN  ZU  EINEM  LUMPEN  MACHET 
oder 

die  im  Zank  lebende,  und  endlich  geschiedene  Eheleut. 
Es  wird  auch  heute  ein  Cravatten-Ballet  von  einem  neuen  Täntzer 

getantzet  werden. 


Am  Donnerstag,  den  17.  May  1753,  ein  sehenswürdig  und  durchaus 
lustiges  Schau-Spiel,  betitult: 

EIN  HAUS  DAS  ZWEY  EINGANG  HAT, 
ist  hart  zu  bewahren,  und 
Harlequin  desperater  Liebhaber. 

Nach  dem  Lust-Spiel  wird  ein  neues  musikalisches  Nach-Spiel 
vorgestellt  werden,  welches  sich  betitelt: 

DER  C A PELL-MEISTER  UND  DIE  SCHOLARIN 
oder  die  Sing-Schule 

Es  wird  auch  heute  ein  Türken-Ballet  von  einem  neuen  Täntzer 

getantzt  werden. 


480 


Am  Donnerstag,  24.  May  1753,  ein  sehenswürdig  und  durchaus 
lustiges  Schau- Spiel,  betitelt: 

DIE  BETRÜGEREYEN  DES  HARLEQUINS, 
um  seinem  Herrn  in  Liebes  -  Affairen  zu  helfen. 


Nach  dem  Lust-Spiel  wird  heute  zum  erstenmal  dieses  musikalische 
Nach-Spiel  gesungen  werden,  betitelt: 

DIE  ZUR  FRAU  GEWORDENE  DIENSTMAGD. 

Nebst  einem  Ballet. 

Den  Beschluss  machet  ein  sehenswürdiges  Lust-Feuerwerk,  welches 
zwey  Stern-Kronen  im  Anfang,  und  dazwischen  mit  allerhand  Farben 
vermischte  Räder,  wie  auch  ein  grosses  Maltheser  Kreutz  sich 
praesentiren  wird. 


Am  Freytag,  21.  September  1753,  eine  sehr  lustige  componirte 
Pantomime,  welche  sich  betitelt: 

DAS  UNGLÜCK,  GLÜCK,  UND  LIEBES  -  AFFAIREN 
DES  HARLEQUINS, 

Oder 

Wann  die  Noth  am  grössten,  ist  das  Glück  am  nächsten. 
In  dieser  Pantomime  befinden  sich  acht  Machinen  und  ist 
mit  gantz  neuer  Music  versehen. 

Heute  wird  zum  erstenmal  das  musikalische  Nach-Spiel  gesungen 
DON  TABARAN  und  DIE  SCHÖNE  BÄUERIN. 

Nebst  einem  Türken -Ballet. 


Einladung'ssehrift  der  italienischen  Schauspieler  zur  Magistrats-Komödie 
Herbstmesse  1753. 

Einer  Gnädig-  und  Hochgebietenden  Obrigkeit  der  Kayserlichen 
freyen  Reichs-,  Wahl-  und  Handels-Stadt  Frankfurt  am  Mayn,  wird 
heut  zur  schuldigsten  Dankbarkeit  für  die  bisherige  gnädig  ertheilte 
Erlaubniss  auf  der  italiänischen  Schaubühne  ein 

MUSICALISCHES  VORSPIEL  VOR  DER  COMOEDIE 
abgesungen  werden. 


Gnädig  und  Hochgebietende  Obrigkeit. 

Unser  so  keckes  Unternehmen,  dieses  kleine  Schwachheits- 
Werklein  einem  so  gnädig-  und  Hochgebietenden  Magistrat  zu  dedi- 
ciren,  würde  ohne  Zweifel  einen  Verweiss  verdienet  haben,  wann  wir 
nicht  unseren  Grund-Stein  auf  Hoch  Deroselben  unschätzbare  Gütigkeit 
und  genereuse  Gemüther  (von  welchen  wir  unzahlbare  Proben  zeither 
erfahren)  gegründet  hätten;  Und  eben  dieses  wäre  unser  eintzige  Hoff¬ 
nung,  die  uns  angefeuret,  um  die  in  unseren  Hertzen  ewig  eingedruckte 
Pflicht  eines  so  Höchst-gnädigen  Magistrats  der  gantzen  Welt  kund 
zumachen. 


4SI 


Wir  leben  also  vergnüget,  wann  dieses  von  ausländisch  Ehr¬ 
vollen  Hertzen  entsprossene  Werklein  mit  gnädigen  Augen  von  einem 
Hochgebietenden  Magistrat  angesehen  wird ,  und  werden  uns  ewig 
rühmen,  dass  wir  die  Ehre,  eine  so  Hoch-Adeliche  Herrschafft  mit 
unserer  Wenigkeit  zu  bedienen  gehabt  haben;  geben  uns  also  die 
Ehre  in  tieffster  Denmtli  allzeit  zu  beharren 

Eines  Gnädig-  und  Hochgebietenden  Magistrats  unterthänigst 
ergebene  Knechte  Domenico  Bassi  |  Comici 

Gervasio  Sillani  j  Italiani. 

Der  Ne  yd. 

Was  soll  das  Getümmel,  so  ich  höre,  bedeuten? 

Wer  seynd  die  Ereuden-volle  Stimmen 
Die  man  aller  Orten  höret  klingen? 

Wem  ist  dieses  Ereuden-Fest  gewidmet? 

Dann  mein  Zorn,  meine  Wutli  sich  sehr  erhebet, 

Wann  die  Welt,  in  Fried  und  Freuden  lebet. 

Aber  was  soll  der  im  Gestirne  geschriebene  Name  bedeuten, 
Ach!  zu  meinem  Verdruss  erkenne  ich  ihn, 

Es  ist  jener  mir  zu  widrige  Namen 
Den  ich  schon  viel  hundert  mahl 
Zu  vertilgen  gesuchet  habe, 

Doch  niemahlen  zu  meinem  Endzweck  gereichen  können. 

Wann  meine  Rache  wird  erfüllt, 

So  schwimmt  mein  Hertz  im  Freuden-Meer, 

Wann  meine  Wutli  wird  seyn  gestillt, 

Bin  ich  vergnügt,  verlang  nichts  mehr. 

Kein  grössere  Freud  ist  auf  der  Welt 
Als  wann  meine  Rache  geht  zu  End, 

Und  wann  der  mir  zu  Füssen  fällt, 

Der  vor  mit  Lorbeer  war  gekrönt. 

(Es  wird  sich  eine  grosse  Wolke  eröffnen,  woraus  die  Göttin  Pallas  steiget.) 

Die  Pallas. 

Du  abscheulich  höllische  Furie! 

Wende  dein  Neyd-volles  Gesichte  gegen  mir 
Sage:  AVarum  bist  du  aus  deiner  Hölle  gestiegen 
Um  allhier  die  sanffte  Ruhe  zu  stöhren? 

Der  Neyd. 

W eil  ich  unmöglich  erdulten  kan, 

Dass  der  Mayn  so  prächtig  geworden, 

Und  damit  sein  hochsteigender  Ruhm 
In  umliegenden  Gräntzen  nicht  bekant  werde. 

Die  Pallas. 

0  entsetzlich  unterirdisches  Ungeheuer 
Verberge  dich  vor  meinem  Anblick, 

31 


482 


Ich  beschütze  die  vielberühmte  Stadt, 

Und  es  wird  ewig  nicht  geschehen, 

Das  ein  Abentheuer  ihre  Ruhe  stören  soll. 

Der  N  e  y  d. 

Aber  was  kanst  du  für  Ruhm  Proben  auftragen 
Weilen  du  sie  sammt  allen  Göttern  besitzest? 

Die  Pallas. 

Sollen  dann  die  Götter 
Die  Tugend  nicht  beschützen?  Betracht  nur 
Den  gnädigen  Magistrat,  wo  die  Gerechtigkeit 
Selbsten  ihren  Wohn-Sitz  genommen, 

Wo  die  Gütigkeit  beständig  an  der  Seiten  sitzet, 

Wo  man  gleichgüldig  belohnet,  und  straffet, 

Dass  der  Gerechte  erfreuet,  und  der  Schuldige  zitteret, 
Deswegen  erstaunet  die  gantze  Welt, 

Weil  Tugend,  Yerstand,  und  Wahrheit  sich  hier  auf  hält. 
Der  Neyd. 

Also  muss  ich  zu  meinem  grössten  Verdruss 
Mich  alle  Augenblick  überwunden  sehen! 

Ach,  ich  will  mich  an  ihme  rächen 
Und  ihme  seinen  Sieges-Zweig  zerbrechen. 

Die  Pallas. 

0  grosser  Fürst  des  Himmels-Zier 
Du  Herrscher  aller  Dingen, 

Ach  tödte  Jenes  wilde  Thier 
Das  uns  will  Unheil  bringen. 

(Es  kommt  ein  Donner-Keil  und  schlaget  den  Neyd  unter  die  Erden.) 
Nun  haben  wir  obsiget, 

Nun  ist  mein  Hertze  Freuden-voll, 

Weil  wir  den  Neyd  bekrieget, 

Weissheit  und  Tugend  leben  soll. 

Nun  will  ich  in  meine  Wohnung  kehren, 

Und  dein  Ruhm,  so  viel  ich  kan,  vermehren, 

Ich  werde  sein  gleich  dem  Trompeten-Klang 
Wo  ich  hinkomme,  wird  seyn  diss  mein  Gesang: 

Es  lebe  in  steter  Ruh  Frankfurt  an  dem  Mayn, 

Es  leb  die  Stadt,  und  alle  die  darinnen  seyn. 

Lebe  glückselig  in  Fried  und  Freuden 
Die  Götter  werden  all  Unglück  scheiden, 

Ich  bitt,  verzeih  mein  Unternehmen, 

Nimm  meine  Schwachheit  für  gültig  an 
Dich  stets  zu  ehren  wird  mich  nichts  hemmen, 

Biss  ich  sterb  dich  nicht  vergessen  kan. 


483 


X. 


Auszug  aus  dem  Repertoire  der  italienischen  Operisten  unter  Direktion  von 
Girolamo  Boni,  auch  Hieronymus  Bony  und  Monsieur  Bon  genannt. 
Herbstmesse  1754,  Ostermesse  1755. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  u.  s.  w. 

Werden  heute,  Donnerstag  den  19.  September  1754, 

Die  italienische  Operisten  Sr.  Hochfürstl.  Durchl.  von  Thurn  und 
Taxis  auf  ihrem  Schau-Platze  vorstellen,  eine  grosse  serieuse  Opera 
oder  Pastorale,  (welche  extra  begehrt  worden).  Die  Repraesentation 
besteht  in  6  Personen,  betitelt: 

IL  LEUCIPPO, 

unter  allen  Opern  und  Pastoralen  hat  diese  den  Vorzug  gefunden. 
Die  Musik  und  Composition  ist  von  dem  berühmten  Herrn  Hasse 
ersten  Compositeur  Ihro  Königliche  Majestät  in  Polen.  Diese  Opera 
ist  durchaus  mit  schönen  Arien,  Duetten  und  Cori  versehen,  wie  dann 
auch  ein  jeder  Actus  mit  einem  Tantz  beschlossen  wird,  welche  ihren 
Beyfall  finden  werden. 

Der  Schauplatz  ist  auf  dem  Rossmarkt.  Der  Anfang  ist  prae- 
cise  um  6  Uhr.  Die  Person  zahlet  auf  den  Logen  1  Reichsthaler, 
im  Parterre  1  Gulden,  auf  dem  dritten  Platz  30  Kreutzer,  auf  der 
obern  Loge  20  Kreutzer,  und  auf  dem  letzten  Platz  12  Kreutzer. 
NB.  Man  avisiret  an  das  ehrsame  Publicum,  wer  sich  will  mit  ver¬ 
sehen  ein  Tantum  vor  die  gantze  Zeit  zu  geben  als  man  hier 
bleibt,  der  beliebe  sich  in  des  Steinmetz  Herrn  Scheideis  Be¬ 
hausung  zu  melden. 

Die  Billets  sind  bey  dem  Directeur  in  des  Steinmetz  Herrn  Scheideis 
Behaussung  zu  haben. 


Am  Freytag  den  4.  April  1755  werden  dieselben  aufführen  das  schöne 
und  unvergleichliche  Divertissement,  betitelt: 

LA  SERVA  PADRONA, 

Oder 

Die  herrschende  Magd. 

NB.  Dieses  Stück  ist  allezeit  gesehen  worden  in  2  Personen,  und 
2  Acten  nunmehro  aber  wirds  vorgestellet  werden  in  3  Actus 
und  in  3  Personen. 

Mit  schönen  Arien  und  mit  vielen  stummen  Personen, 
welches,  wie  wir  hoffen,  Vergnügen  geben  wird. 

Wie  auch  mit  seltsamen  Equilibers. 

Am  Samstag  den  5.  April  1755  eine  gantz  neue  und  grosse 
lustige  Opera  Comique,  betitelt: 

TL  GIOCATORE, 

Oder 

Der  Spie  h  ler. 

Diese  Opera  wird  in  3  Akten  repraesentirt  werden ,  wie  auch 
mit  vielen  schönen  Arien  und  Duetten  ripieniert  seyn.  Die  Music  ist 

31* 


484 


von  dem  Herrn  Hasse,  Capellmeister  von  dem  König  in  Pohlen. 

Wie  auch  mit  zwey  extra  schönen  Täntzen. 

Am  Montag  den  7.  April  1755  eine  extra  schöne  und  serieuse 
Haupt-Opera,  betitelt : 

DEMETRIUS. 

Diese  Opera  wird  mit  6  Stimmen  repraesentirt  werden. 

Wie  auch  mit  zwey  extra  schönen  Täntzen. 

Am  Samstag  den  12.  April  1755.  Ein  lustiges  Intermezzo 
in  3  Abtheilungen,  betitelt: 

LI  QUATRO  AMANTI,  IN  UN  AMANTE  SOLO, 

Die  vier  Liebhaber  in  einer  Person. 

Dieses  Stück  ist  mit  den  lustigsten  Arien  und  Duetten  versehen, 
wie  dann  auch  Täntze  und  Ballets  solches  noch  angenehmer  machen 
werden. 

Am  Montag  den  14.  April  1755  eine  gantz  neue  und  grosse  lustige 
Opera  Comique,  betitelt : 

IL  CALANDRANO. 

Diese  Opera  bestehet  in  3  Akten,  und  wird  von  5  Stimmen 
oder  5  Personen  repraesentirt  werden.  Wie  auch  mit  vielen  schönen 
Arien  und  Duetten  ripieniert  seyn.  Die  Music  ist  von  dem  Herrn 
Hasse,  Capellmeister  von  dem  König  in  Pohlen.  Wie  auch  mit 
seltsamen  Equilibres. 

Am  Montag,  den  21.  April  1755,  eine  gantz  neue  und  grosse 
lustige  Opera  Comique,  betitelt : 

LE  PHILOSOPHE. 

Diese  Opera  bestehet  in  3  Acten,  wie  auch  mit  vielen  schönen  Arien 
und  Duetten  ripieniert  seyn. 

Von  diesem  Stück  wird  die  letzte  Repraesentation  seyn. 

Unser  hochberühmter  Engelländer  wird  seine  Equilibres  wiederum 
vorstellen  mit  allerley  neuen  Sachen,  worunter  die  vornehmste  Stücke 
seyn ,  mit  einem  Bret  aufm  Drath  gehen ,  zweitens  mit  dem  Kopff 
auf  dem  Drath  stehen,  drittens  eine  Piramide  von  30  Glässern  tragen. 

Am  Mittwoch,  den  23.  April  1755,  eine  gantz  neue  und  grosse 
Opera  Comique,  betitelt: 

IL  NEGLIGENTE, 

Der  Nachlässige  oder  Der  Gedankenlose  Mensch. 

Diese  Opera  wird  von  7  Stimmen  oder  Personen  repraesentirt. 
Jeder  Aufzug  dieses  überaus  schönen  Stückes  soll  mit  Arien,  Duetten, 
Terzetten  und  Quartetten  ripienirt. 

Unser  hochberühmter  Engelländer  wird  seine  Equilibres  wiederum 
vorstellen  mit  allerley  neuen  Sachen,  worunter  die  vornehmste  Stücke 
seyn,  mit  einem  Bret  aufm  Drath  gehen,  zweitens  mit  dem  Kopff 
auf  dem  Drath  stehen,  drittens  eine  Piramide  von  30  Gläsern  tragen. 


—  485 


XI. 


Auszug  aus  dem  Repertoire  der  Aval  di  v.  Wallrotty’s  1755  und  1756. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  etc.  werden  heute,  Montags  8.  September 
1755,  die  allhier  anwesende  würklich  decretirte  Chur-Bayrische  Hof- 
Acteurs  ihren  Schauplatz  eröffnen  und  auf  selbigem  vorstellen.  Ein 
neues  mit  gantz  besondern  Verwirrungen  und  guter  Lustbarkeit 
untermengtes  Lust-Spiel,  unter  dem  Titel  : 

DLE  MÜ  SS  VERSTANDENE  LIEBE, 

Oder 

Harlequin,  der  lächerliche  Vorgeiger  bey  einem 
verliebten  Tanzmeister. 

V  o  rberich  t. 

Von  dem  heutigen  Lust-Spiel  ein  kleines  Licht  zu  geben,  dienet 
zur  Nachricht :  dass  Anselmo,  ein  reicher  "Wechsel  Herr  in  Strassburg 
zwey  Töchter  hatte,  die  Ältere,  Namens  Aurelia,  schickte  er  nach 
Lion  zu  seinem  Freund  Gerote,  um  sie  sowohl  in  der  Französischen 
Sprache,  als  anderen  einem  Frauenzimmer  wohl  anständigen  Wissen¬ 
schaften  vollkommener  zu  machen.  Diese  versprach  sich  mit  einem 
reichen  Bürgers-Sohn  in  Lion;  da  aber  ihr  Vater  sie  wieder  nacher 
Strasburg  berufte,  erschiene  sie  in  Manns-Kleidern,  und  gab  sich  für 
Elavio ,  den  Sohn  ihres  Kostherrns  in  Lion  aus:  da  nun  Lelio,  ihr 
versprochener  Bräutigam  ihr  nacher  Strasburg  nachgefolget,  in  denen 
Manns-Kleidern  sie  aber  nicht  kennet,  giebt  solches  zu  denen  an¬ 
genehmsten  Verwirrungen  Gelegenheit. 

Personen: 

Anselmo,  ein  reicher  Wechsel-Herr  in  Strasburg. 

Aurelia,  unter  dem  Namen  Elavio,  seine  ältere  Tochter. 

Isabella,  ihre  Schwester. 

Lelio,  ein  Bürgers-Sohn  von  Lion,  der  Aurelia  Liebhaber. 

Octavio,  ein  Bürgers-Sohn  von  Strasburg,  der  Isabella  Liebhaber. 
Arlequin,  des  Lelio  Diener.  Ein  Bothe. 

Den  Beschluss  macht  ein  klein-lustiges  Sing-Spiel.  Genannt: 
DAS  LUSTIGE  ELEND  ZWISCHEN  ZWEI 
VERSOFFENEN  EHELEUTEN. 

In  diesem  Stück  werden  7  lustige  Arien  gesungen,  so  gewiss  nicht 
missfällig  sein  werden. 

Der  Schau-Platz  ist  auf  dem  Rossmarkt.  Der  Anfang  ist  praecise 
um  6  Uhr.  Die  Person  zahlet  auf  den  Logen  1  Gulden,  auf  dem 
Parterre  30  Kreutzer,  auf  dem  andern  Platz  16  Kreutzer,  auf  dem 
dritten  Platz  8  Kreutzer. 

NB.  Die  Billets  sind  bey  dem  Directeur  in  dem  goldenen  Brunnen 
täglich  bis  um  2  Uhr  Nachmittags  zu  haben. 


486 


Am  Dienstag  den  23.  September  1755  werden  dieselben  auffiihren 
ein  aus  den  Trojanischen  Geschichten  genommenes  Haupt-  und  Staats- 
Schau-Spiel,  genannt: 

Der  tapfere  und  grossmüthige  Geld-Herr  PYRRHUS, 

Und 

Die  mit  Hohheit  und  Kinder-Liebe  streitende 
Königin  ANDROMACHA. 

Den  Beschluss  machet  eine  lustige  Nach-Comödie  zwischen 
Pantalon  und  Hanns-Wurst,  genannt: 

HANNS -WURST  DER  LISTIGE  RAUCHFANGKEHRER. 


Am  Mittwoch  den  24.  September  1755.  Ein  neues  vom  Wiener 
Theater  entlehntes  Lust-Spiel,  betitult: 

Die  Unbeständigkeit  der  Liebhaber,  bestrafet  durch 
HANNS- WURST, 

Einen  politischen  Ehemann,  und  listigen  Unterhändler  seiner  eignen 
Frauen,  mit  dem  durch  seinen  Betrug  selbst  betrogenen 
MONSIEUR  D’ AP  PETIT. 

Den  Beschluss  machet  ein  lustiges  Nach-Spiel  in  Yersen,  genannt: 
HERTZ  OG  MICHEL. 


Am  Montag  den  13.  Octobris  1755.  Ein  aus  dem  wiirklichen  Italiä- 
nischen  Original  übersetztes,  und  wegen  seiner  vielen  angenehmen 
Yerwirrungen,  Arien,  Auszierung-  und  Verkleidungen  sehen  sw  ürdiges 
Lust-Spiel,  genannt: 

LO  SPIRITO  FOLETTO 

oder  A.NGIOLA,  Der  verliebte  Polter-Geist.  Sonsten: 

Die  durch  Zaubereyen  verwirrte  Hausshaltung  des  PANTALONS. 


Am  Samstag  den  18.  Octobris  1755  werden  dieselben  aufführen  ein 
von  dem  Herrn  Grimm  aus  Regensburg  in  Teutschen  Yersen 
verfertigtes  Trauer-Spiel,  genannt: 

BANISE. 

Hierauf  besehliesst  ein  lustiges  Nach-Spiel. 


Am  Samstag  den  25.  Octobris  1755.  Fin  recht  sehenswürdiges,  und 
mit  verschiedenen  Auszierungen  des  Schau-Platzes  versehenes 
Lust-Spiel,  betitult: 

DIE  PROBE  VERLIEBTER  NEIGUNG, 

Oder:  Die  Möglichkeit,  dem  Willen  eines  verliebten 
Frauenzimmers  nachzuleben. 

Sonst  genannt: 

Die  ihren  Zweck  durch  Zauberey  zur  Vollkommenheit  bringende 
CLORINDE  MIT  HANNS-WURST, 


487 


einem  von  denen  Furien  sehr  beängstigten  Diener,  und  wegen  einem 
andern  sehr  geplagten  Amanten. 

Den  Beschluss  macht  ein  Tantz  und  lustige  Nach-Comödie. 

Am  Montag  6.  October  1756  wird  die  allhier  anwesende  Königliche 
Pohlnische  und  Churfürstlich  Sächsiche  privilegirte  teutsche  Gesellschaft 
unter  der  Direktion  von  Franz  v.  W allerotty  heute  abermahl  ihren 
Schau-Platz  eröffnen,  und  auf  selbigem  eine  unvergleichliche,  und  mit 
besondern  Vorstellungen  des  Theatri,  angefüllte  Sehenswürdige  Haupt- 
und  Staats- Aktion  vorstellig  machen,  betitult: 

DIE  UNERSCHROCKENE  KÜHNHEIT  EINES  HELDEN 

Oder: 

Die  durch  Zauberey  fliegende  Liebe. 

Das  ist:  Der  zwar  schwer  scheinende,  aber  gantz  leicht 
erfochtene  Sieg  mit  Hannswurst,  einem  verzagten  Reise-Gefährten, 
und  in  die  grösste  Furcht  gesetzten  Diener. 

Den  Beschluss  macht  ein  Ballet  und  eine  recht  lustige  Nach-Comödie. 

Am  Donnerstag,  17.  October  1756,  werden  dieselben  aufführen : 
Ein  aus  dem  Französischen  des  Herrn  von  Moliere  in  das  Teutsche 
übersetztes,  und  gewiss  sehenswürdiges  Schau-Spiel,  genannt: 

LE  FESTIN  DE  PIERRE 
Oder 

Das  steinerne  Gastmahl  des  Don  Pietro  mit  Hanns-Wurst,  einem 
unglücklichen,  doch  dabey  lustigen  Bedienten  des  Don  Jean 
Den  Beschluss  macht  nebst  3  sehenswürdigen,  und  gantz  neuen 
Täntzen,  ein  ungemein  lustiges  Nach-Spiel,  genannt: 

Ende  gut,  alles  gut. 

Heute  gantz  gewiss  zum  allererstenmahl. 

Der  Schau-Platz  ist  auf  dem  Ross-Markt  in  der  neuerbauten 
Hütte,  der  Anfang  ist  praecis  um  halb  6  Uhr,  die  Person  zahlt  auf 
der  Gallerie  1  Gulden,  auf  Parterre  8  Batzen,  auf  dem  mittlern  Platz 
4  Batzen  und  auf  dem  letzten  2  Batzen. 


XII. 

Theaterzettel  (1er  Ackermann’schen  Gesellschaft  während  und  nach 
den  beiden  Messen  1757. 

Mit  gnädiger  Bewilligung  eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats,  wird  heute  Dienstag  den  3.  May  1757 
die  Ackermannische  Gesellschaft  deutscher  Schauspieler  aufführen: 

DER  CANAL 

Zu  einem  Amte  zu  gelangen, 

Ein  deutsches  Lust-Spiel  in  Prosa  und  5  Aufzügen. 


4K8 


Der  Graf,  ein  Patron  der 
Candidaten. 

Die  Gräfin. 

Yalere,  ein  Fähndrich. 
Chry  sander,  ein  Licentia- 
tus  Juris. 

Hermann,  des  Grafen 


Personen : 

Arnhold,  Hofmeister  bey  den  Söhnen 
des  Grafen. 

Fräulein  Christinchen ,  Chrysanders 
Braut. 

Caroline,  der  Gräfin  Kammerjungfer. 
Johan,  des  Fähndrichs  Diener. 
Valentin,  des  Grafen  Laquai. 


Secretarius. 

Dieses  schöne  Stück  so  voller  Morale  und  Lustbarkeit  ist,  hat 
sonsten  unter  dem  Titul  die  Candidaten,  an  allen  Orten  in  Deutsch¬ 
land  den  grössten  Beyfall  gefunden,  wir  werden  mit  allen  Kräfften 
dahin  streben  auch  hier  den  Beyfall  zu  erwerben. 

Hierauf  folget  ein  Ballet. 

Ein  lustiges  Nach-Spiel  wird  beschlossen. 


Mit  gnädiger  Bewilligung  eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats  wird  heute  Mittwochs  den  4.  April  1757  die  Ackermannische 
Gesellschaft  deutscher  Schauspieler,  nochmahlen  aufführen  : 

Das  berühmte  Bürgerliche  Trauer-Spiel,  von  fünf  Handlungen,  welches 
von  der  geschickten  Feder  des  Magisters  Lessings  verfertigt  ist. 
MISS  SARA  SAMPSON. 

Personen: 

Sir  Sampson . [Herr  Ackermann.] 

Miss  Sara,  dessen  Tochter . [Mad.  Hensel.] 

Mellefont . [Herr  Mylius.] 

Marwood,  Mellefonts  alte  Liebste  ....  [Demoiselle  Merleck.] 
Arabella,  ein  junges  Kind  der  Marwood 

Tochter . [Karoline  Ackermann.] 

Waitwel,  ein  alter  Diener  des  Sampson  .  .  [Herr  Starke.] 

Norton,  Bedienter  des  Mellefont  ....  [Herr  Antusch.] 

Betty,  Mädgen  der  Sara . [Demoiselle  Fuchs.] 

Hanna,  Mädgen  der  Marwood  .  .  .  .  .  [Mad.  Antusch.] 

Der  Gastwirth  [Herr  Silbernagel)  und  einige  Nebenpersonen. 

Nachricht. 

Von  diesem  Trauerspiele  kan  man  mit  Wahrheit  sagen,  dass 
es  das  einzige  in  seiner  Art  ist,  welches  der  deutschen  Schaubühne 
zur  Zierde  gereichen  muss.  Der  Verfasser  hat  es  nach  dem  Ge¬ 
schmack  der  Engländer  eingerichtet,  aber  weiter  nichts,  als  die  Namen 
von  ihnen  geborgt.  Die  Charaktere  sind  darinnen  so  prächtig  ge¬ 
schildert,  dass  dieses  Trauerspiel  selbst  auf  der  englischen  Schau¬ 
bühne  für  ein  Musterstück  könnte  gehalten  werden.  Es  weicht  wenig 
von  den  Regeln  der  Zeit  ab,  und  die  Einheit  des  Orts  ist,  wo  nicht 
ganz,  doch  wahrscheinlich,  beobachtet.  Die  Personen  stehen  in  der 
vollkommensten  Verbindung  mit  einander,  so  sehr  sie  auch  gegen 


—  489  — 

einander  abstechen,  und  ihre  Handlungen  und  Unglücksfälle  werden 
bey  den  Zuschauern  alle  mögliche  Leidenschaften  rege  machen.  Es 
würde  zu  weitläuftig  sevn,  den  ganzen  Inhalt  dieses  schönen  Trauer¬ 
spiels  hieher  zu  setzen.  Wer  es  gelesen  hat,  und  wem  die  Ver¬ 
dienste  des  Herrn  Verfassers  für  die  Schaubühne  bekannt  seyn,  der¬ 
selbe  wird  die  Vorstellung  mit  eben  so  vielem  Vergnügen  ansehen, 
als  ein  Vergnügen  für  uns  ist,  die  Bühne  mit  einem  so  fürtreflichen 
Muster  deutscher  Dichtkunst  bereichert  zu  sehen.  Wir  werden  uns 
bemühen,  die  Personen  so  vorzustellen,  dass  wir  Bevfall  damit  zu 
verdienen  glauben. 

NB.  Da  diese  heutige  Piece  sehr  lang,  so  wird  mit  einem  gantz 

neuen  Pantomimischen  Ballet  der  Beschluss  gemacht  werden. 

Der  Schauplatz  ist  auf  dem  Rossmarckt  und  wird  mit  dem 
Schlage  6  Uhr  geöffnet,  die  Person  zahlet  auf  den  Logen  1  Gulden, 
auf  dem  Parterre  30  Kreutzer,  auf  dem  zweiten  Platz  16  Kreutzer 
und  auf  dem  dritten  8  Kreutzer. 

NB.  Die  Billets  sind  bey  dem  Directeur  im  goldenen  Brunnen 

täglich  bis  um  2  Uhr  Nachmittags  zu  haben. 

Mit  gnädiger  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats  wird  heute  Mittwochs  den  27.  April  1757 
Die  Ackermannische  Gesellschafft  deutscher  Schauspieler  aufführen : 

Ein  aus  dem  Französischen  des  Herrn  von  Voltaire  übersetztes 
Lust-Spiel  in  fünf  Handlungen. 

L’ENFANT  PRODIGUE,  Der  verlohrne  Sohn. 

Personen: 

Euphemon,  der  Vater. 

Euphemon,  der  Sohn. 

Steifenthor,  ein  Präsident. 

Euphemons  jüngster  Sohn. 

Rondon,  ein  alter  Bürger. 

Lieschen,  Rondons  Tochter. 

Die  Baronesse  von  Croupillac. 

Marthe,  Lieschens  Mädchen. 

Jasmin,  Diener  bei  Euphemon  dem  Sohn. 

Ein  Diener. 

Den  Beschluss  macht  ein  Pantomimisches  Ballet: 

Der  Wettstreit  zwischen  Pierot  und  Arle  quin. 

Mit  gnädiger  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats  wird  heute  Montags  den  9.  May  1757 
Die  Ackermannische  Gesellschafft  deutscher  Schauspieler  aufführen  : 

Ein  sehr  rührendes  Lustspiel  von  fünf  Handlungen,  aus  dem 
Frantzösischen  des  Herrn  de  la  Chaussee,  von  der  geschickten  Feder 
des  berühmten  Raths-Herrn  Brocks  in  Hamburg  übersetzt: 
MELANIDE. 


490 


Personen: 

Dorisee,  eine  Wittwe. 

Rosalie,  Doriseens  Tochter. 

Theodon,  Doriseens  Schwager. 

Der  Marquis  d’Orvigny,  Rosaliens  Liebhaber. 

Melanide,  Doriseens  Freundin. 

D’Arviane,  Rosaliens  Liebhaber,  ein  junger  Officier. 

Ein  Laquey. 

Hierauf  folgt  ein  Pantomimisches,  sehr  lustiges  Ballet : 

Der  Kohlenbrenner. 

Zum  Beschluss  folget  das  beliebte  Nachspiel  in  Versen,  genannt: 
Hertzog  Michel,  Oder:  Das  ausgerechnete  Glück  eines  Bauern. 

Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hochedlen  Magistrats  wird  heute 
den  14.  September  1757 

Die  Ackermannische  Gesellschafft  deutscher  Schauspieler  aufführen : 
L’ECOLE  DES  FEMMES. 

Comedie  en  vers  &  en  cinq  actes  par  Mons.  Moliere. 

DIE  SCHULE  DER  FRAUEN, 

Ein  Lust-Spiel,  in  Versen  und  fünf  Aufzügen  des  Herrn  v.  Moliere. 

Personen: 

Arnolph,  sonst  Herr  de  la  Souche. 

Agnese,  ein  junges,  unschuldiges  Mädgen,  welches  Arnolph 
auferzogen  hat. 

Horace,  Agnes’  Liebhaber. 

Alain,  ein  Bauer,  des  Arnolph  Knecht. 

Georgette,  eine  Bäuerin,  des  Arnolph  Magd. 

Chrisalde,  Arnolph’s  Freund. 

Enrique,  Chrisaldens  Schwager. 

Oronte,  Vater  des  Horace  und  Freund  des  Arnolphs. 

Ein  Notarius. 

Hierauf  folget,  nebst  einem  Pantomischen  Ballet,  ein  aus  dem 
Französischen  des  Herrn  Moliere  übersetztes  Nach-Spiel,  nemlich : 
Die  erzwungene  Heyrath. 

Personen: 

Skanarel,  der  erzwungene  Ehmann. 

Hieronymus,  dessen  guter  Freund. 

Dorimene,  Skanarels  versprochene  Braut. 

Alcantor,  Vater  der  Dorimene. 

Alcidas,  Bruder  der  Dorimene. 

Licast.,  Dorimenens  Liebhaber. 

Pancratius,  ein  Aristotelischer  Philosoph. 

Marfurius,  ein  Pyrrhonischer  Philosoph. 

Zwei  Zigeunerinnen. 

Ein  Lackey  der  Dorimene. 


491 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hochedlen  Magistrats  wird  heute 
Montags  den  19.  September  1757 

die  Ackermannische  Gesellschaft  deutscher  Schauspieler  aufführen: 
LE  TAMBOUR  NOCTURNE 
Comedie  en  cinq  actes  &  en  prose  par  Mons.  Destouches. 

Das  Gespenst  mit  der  Trommel  Oder:  Der  wahrsagende  Ehemann. 
Ein  Lust-Spiel  in  Prosa  und  fünf  Aufzügen, 

Aus  dem  Französischen  des  Herrn  Destouches  von  der  Frau 
Gottschedin  in  Leipzig  übersetzt. 

Personen: 

Der  Baron. 

Die  Baronesse,  seine  Gemahlin. 

Herr  von  Windhausen,  ein  Liebhaber  der  Baronesse. 

Herr  Liebhold,  ein  anderer  Liebhaber  derselben. 

Jungfer  Salome,  Hoffmeisterin  im  Schlosse. 

Herr  Schulwitz,  Oberaufseher  des  Schlosses. 

Gotthard,  der  Kellermeister. 

Peter,  der  Kutscher. 

Michel,  der  Gärtner. 

Den  Beschluss  machet  hierauf  eine  mit  den  tretlichsten  Auszierungen 
versehene  Pantomime,  Namens: 

Le  Yiellard  rayeuni  Oder:  Der  verjüngte  Greiss. 

Die  Schaubühne  stellet:  Erstlich  eine  angenehme  Gegend  mit 
Bäumen  vor:  Zweytens  erblickt  man  in  der  Mitte  einen  hohen  Berg 
mit  verschiedenen  Wasser-Fällen;  welche  sicli  Drittens  in  den,  an 
dem  Fusse  des  Berges  sich  befindlichen  Brunnen  hinein  stürzen. 
Inhalt  der  Pantomime: 

Ein  abgelebter  Greiss  verliebet  sich  in  eine  junge  Schäferin, 
die  ihm  aber  mit  Verachtung  begegnet.  Er  beklaget  sein  Unglück 
und  bittet  die  Venus,  sich  seiner  anzunehmen.  Cupido,  auf  Befehl 
der  Venus,  verspricht  ihm  zu  helfen.  Machet  demnach  die  Schäferin 
im  Schlafe,  durch  seinen  Pfeil,  empfindlich  und  verliebet.  Benebst 
lässt  er  den  Greiss  aus  der  Venus  geweihetem  Brunnen  trinken; 
welcher  sich  hierauf  mitten  auf  der  Schaubühne,  vor  jedermans 
Augen  schnell  und  in  einem  Augenblick  in  einen  frischen  und  ange¬ 
nehmen  Jüngling  verwandelt  etc. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  Magistrats  wird  heute 
Dienstags  den  20.  September  1757 
die  Ackermannische  Gesellschaft  deutscher  Schauspieler  aufführen 
Ein  sehr  rührendes  Schauspiel  in  Prosa  und  5  Aufzügen, 

Aus  dem  Französischen  der  Fr.  von  Grafigny  von  der  Frau  Professorin 
Gottschedin  in  Leipzig  übersetzt,  Genannt: 

CENIE,  Oder:  Die  Grossmuth  im  Unglücke, 


492 


zween  Neffen  des  Hin.  Dorimonds. 


Personen: 

Hr.  Dorimond,  ein  alter,  ehrwürdiger  Edelmann. 

Mericourt, 

Clerval, 

Cenie,  ein  junges  Fräulein. 

Orphise,  ihre  Hoffmeisterin. 

Lisette,  der  Cenie  Kammer-Mädgen. 

Dorsainville,  Clervals  Freund. 

Dieses  schöne  Stück  hat  an  allen  Orten  Deutschlands  den 
grössten  Beyfall  erhalten,  wir  verhoffen,  dass  es  auch  hier  die  Appro¬ 
bation  bey  hohen  und  geneigten  Kennern  erhalten  werde,  zu  mehrerm 
Vergnügen  wird  zum  Nachspiel  folgen: 

Ein  aus  dem  Französischen  des  Herrn  Poisson  übersetztes 
Lustspiel  in  Versen: 

Le  Mariage  fait  par  lettres  de  Change, 

Oder:  Die  Heirath  durch  Wechsel-Briefe. 

Personen: 


Hortensia. 

Olympia. 

Eine  Unbekannte. 

Cleon,  ein  reicher  Negociant. 

Philinte. 

Frontin,  Cleons  Bedienter. 

Ein  musikalisches  Divertissement  von  allen  Charakteren,  wie 
auch  ein  Ballet  von  Matrosen  und  Insulanern  werden  den  völligen 
Beschluss  machen. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hochedlen  Magistrats  wird  heute 
Mittwochs  den  5.  October  1757 

Die  Ackermannische  Oesellschafft  deutscher  Schauspieler  aufführen: 
Ein  Lust-Spiel  des  Herrn  Magister  Lessings  in  Prosa  und  fünf 
Aufzügen,  genannt: 

DER  FREYGEIST. 


Töchter  des  Lisidors. 


Personen  dieses  Lustspiels: 

Adrast,  der  Freygeist. 

Theophan,  ein  junger  Geistlicher. 

Lisidor. 

J  uliane, 

Henriette, 

Frau  Philane. 

Araspe,  des  Theophans  Vetter. 

Johann,  des  Adrasts  Bedienter. 

Martin,  des  Theophans  Bedienter. 

Lisette,  Mädchen  der  Juliane  und  Henriette. 
Ein  Wechsler. 


493 


Dieses  schöne  Lust-Spiel  ist  wie  Sara  Sampson  von  der  ge¬ 
schickten  Feder  des  Hrn.  Magister  Lessings  entworfen,  und  da 
selbiges  vorige  Messe  vielen  Beyfall  erhalten,  so  wird  selbiges  auf 
Begehren  heute  vorgestellet. 

Zum  melirerem  Vergnügen  wird  eine  Pantomime  mit  Aus¬ 
ziehrungen,  Solos  und  Contre-Täntzen  den  Beschluss  machen,  betitult : 
Die  Verehrung  der  Sonnen,  Oder:  Das  Fest  der  Erndte. 

Die  Schaubühne  stellet  ein  Kornfeld  vor,  welches  von  den 
Schnittern  geschnitten  wird;  im  Prospect  erblickt  man  auf  einem 
Hügel  einen  Altar,  auf  welchem  die  Erndt-Leute  ihre  Opferung  ver¬ 
richten  etc. 

Mit  gnädiger  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch- Weisen 
Magistrats  wird  heute  [ohne  Datum  | 

Die  Ackermannische  Gesellschafft  deutscher  Schauspieler  aufführen : 

Ein  ganz  neues  Lustspiel  mit  Ballet  und  Divertissements  in 
dreyen  Aufzügen,  welches  aus  dem  Französischen  des  Herrn  de  l’Isle 
übersetzt  ist.  Genannt: 

ORONOCKO,  Oder:  Der  moralisirende  Wilde. 
Personen: 

Lilio,  ein  aus  Amerika  zurückkommender  Reisender,  Liebhaber 
der  Flaminia. 

Oronocko,  ein  Mexikaner. 

Mario,  ein  anderer  Liebhaber  der  Flaminia. 

Pandolfo,  Vater  der  Flaminia. 

Flaminia. 

Violette,  ihr  Mädgen. 

Scapin,  Bedienter  des  Lelio. 

Ein  Tabuletkrämer. 

Ein  Vorbey gehender. 

Häscher. 

Verschiedene  Masquen. 

Ballets: 

Zwischen  dem  ersten  Actus  Entree  von  Amerikanern  und  einem 

Europäer. 

Zwischen  dem  zweyten  Actus  Entree  von  Matrosen. 

Schluss  Ballet  von  verschiedenen  Masquen. 

Den  Beschluss  macht  ein  gantz  neues  Nachspiel  in  Prosa 
DIE  BESCHWERLICHE  MUTTER. 

Personen: 

Frau  Argante. 

Louise,  ihre  Tochter. 

Henriette. 

Leander. 

Martin,  dessen  Bedienter. 

Herr  Bertrand. 


494 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats  wird  heute  [ohne  Datum] 

Die  Ackermännische  Gesellschafft  deutscher  Schauspieler  auffuhren: 
Ein  von  dem  Herrn  Prof.  Geliert  in  Leipzig  verfertigtes  Lust-Spiel 
in  drey  Handlungen: 

DIE  BETSCHWESTER. 

Personen: 

Frau  Richardin,  eine  alte  reiche  Wittwe. 

Christianchen,  ihre  Tochter. 

Lorchen,  ihre  weitläufige  Befreundin. 

Simon,  Christianchens  Bräutigam. 

Ferdinand,  Simons  Brautwerber. 

Den  Beschluss  macht  ein  hier  noch  nie  gesehenes,  ganz  neues, 
aus  dem  Französischen  des  Herrn  Dancourt  übersetztes  Lustspiel 
von  einem  Aufzuge: 

COLIN  MAILLARD,  Die  blinde  Kuh. 

Personen: 

Robinot,  der  Angeliqve  Vormund. 

Brillard,  Robinots  Muhme. 

Angeliqve. 

Claudine,  Mathurins  Braut. 

Mathurin,  Robinots  Gärtner. 

Eraste,  der  Angeliqve  Liebhaber. 

Lepine,  Erastens  Diener. 

Der  Amtmann,  Robinots  Vetter. 

Bauern  und  Bäuerinnen,  welche  tanzen. 

Nachricht. 

Dieses  ist  eines  der  schönsten  und  lustigsten  Nachspiele,  so  wir 
auf  dem  Theater  haben;  es  hat  sich  in  Leipzig  grossen  Beyfall  er¬ 
worben,  und  es  ist  ganz  sicher,  dass  es  an  allen  Orten  gefallen  muss, 
weil  das  Scherzhafte  auf  jeden  Ort  passt  und  das  blinde  Kuhspiel 
fast  in  ganz  Deutschland  bekannt  und  Mode  ist.  Zum  Beschluss 
dieses  Stückes  werden  einige  mit  dem  Stücke  verbundene  Ballets 
getantzt,  und  zuletzt  schliesst  es  sich  mit  einer  musikalischen  Be¬ 
lustigung.  Wir  versprechen  uns  also  einen  zahlreichen  Zuspruch. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hochedlen  Magistrats  werden  heute 
Donnerstag  den  13.  Octoher  1757 
Die  Französische  Pantomimische  Kinder  unter  Anführung  des 
Mons.  Sebastiani,  mit  ausserlesener  Musique,  eine  aus  vielen 
Decorationen  und  Veränderungen  bestehende  Pantomime  in 
dreyen  Aufzügen  aufführen,  genannt: 

ARLEQUIN  FUGITIF,  Oder:  Der  flüchtige  Arlequin. 

Nebst  einem  lustigen  und  grossen  Ballet  von  16  Persohnen,  betitult : 
Die  lustige  Bauern -  Hoch  zeit. 


495  — 


NE.  Der  gänzliche  Inhalt  dieser  Pantomime,  nebst  allen 
Vorstellungen  und  Verwandlungen  ist  bey  der  Entre  für  einen  Batzen 

zu  haben. 

Zu  mehrerem  Vergnügen  wird  zum  Nachspiel  folgen 
Ein  aus  dem  Französischen  des  Herrn  Cerou  übersetztes  Lustspiel, 

Genannt : 

L’AMANT  AUTEUR  &  VALET. 

Der  Liebhaber  als  Diener  und  Schriftsteller. 

Der  Schauplatz  ist  auf  dem  Rossmarckte  und  wird  mit  dem 
Schlage  halb  6  Uhr  geöffnet,  die  Person  zahlet  auf  die  Gallerie 
1  Gulden,  Partere  30  Kreuzer,  und  auf  den  zweyten  15  Kreuzer, 
und  den  letzten  8  Kreuzer. 

NB.  Wer  Belieben  trägt  vorhero  Billets  zu  lösen,  kan  solche 
bey  dem  Directeur  in  des  Hrn.  Scheideis  Behausung  an  der  Allee 
erhalten. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  und  Hoch- Weisen 

Magistrats  werden  heute  Montags  den  24.  October  1757 
Die  Frantzösische  Kinder  unter  der  Direction  des  Herrn  Sebastiani, 
Auf  dem  Ackermännischen  Schauplatze  vorstellen: 

Eine  neue  und  ungemein  lustige  Pantomime,  genannt: 

LE  DIABLE  BOITEUX,  Der  krumme  Teufel, 

Oder:  Die  höllische  Pfau-Feder. 

In  dieser  Pantomime,  welche  sich  von  selbst  loben  wird,  sind 
die  Haupt- Verwandel ungen  und  Auszierungen  folgende: 

Harlekin  wird  in  einen  Mühlgraben  geworfen,  und  gehet  mit 
dem  Mühlrade  herum;  das  Wasser  im  Graben  wird  zu  Feuer,  und 
endlich  verwandelt  sich  die  Mühle  in  einen  Elephanten,  auf  welchem 
Harlekin  davon  reitet. 

Harlekin  wird  in  einer  Pastetenbeckerey  ertappt,  Gliederweiss 
zerschnitten  und  in  den  Backofen  geschoben,  aus  welchem  er  lebendig 
wieder  heraus  kömmt. 

Harlekin  wird  aus  einer  Canone  in  die  Luft  geschossen;  er 
macht  Colombinen  unsichtbar,  und  nimmt  sonsten  sehr  lustige  Streiche 
mit  dem  Pierot  vor,  welche  hier  anzuführen,  der  Raum  nicht  ver- 
stattet;  genug,  man  ist  versichert,  dass  diese  Pantomime  Bey  fall 
finden  wird,  zumal  wenn  ein  zahlreiches  Auditorium  den  Muth  der 
Kinder  vermehret,  und  deren  Directorem  in  Stand  setzet,  auf  neue 
Maschinen  das  Behörige  zu  verwenden. 

Nach  einer  jeden  Handlung  führen  die  Kinder  ein  lustiges 
Ballet  auf. 

Den  völligen  Beschluss  macht  ein  grosses  Ballet,  betitult: 

DIE  ERNDTE,  Oder:  Der  Sommer. 

Der  Schauplatz  ist  auf  dem  Rossmarckt,  und  wird  mit  dem 
Schlage  6  Uhr  geöffnet,  die  Person  zahlet  auf  den  Logen  1  Gulden, 


496 


auf  dem  Parterre  30  Kreutzer,  auf  dem  zweyten  Platz  16  Kreutzer, 
und  auf  dem  dritten  8  Kreutzer. 

NB.  Die  Billets  sind  bey  dem  Directeur  im  goldenen  Brunnen 
täglich  bis  um  2  Uhr  Nachmittags  zu  haben. 

Der  Inhalt  und  alle  Torstellungen  dieser  ungemein  lustigen 
Pantomime  ist  in  einem  Büchlein  zu  lesen,  das  bey  der  Entree  vor 
vier  Kreutzer  zu  haben  ist, 

Nachricht. 

In  dem  Comödienhause  auf  dem  Rossmarkt  ist  ein  feiner  Stein 
aus  einem  Ringe,  ingleichen  ein  in  Silber  gefasstes  Augen-Glas  ge¬ 
funden  worden;  wem  nun  eines  oder  das  andre  zugehörig  und  wer 
sich  dazu  legitimiren  kann,  der  behebe  sich  bey  dem  Director  der 
französischen  Kinder  im  goldenen  Brunnen  an  der  Hauptwache  zu 
melden,  der  beydes  mit  Vergnügen  aushändigen  wird. 


XIII. 


Auszug  aus  dein  Repertoire  der  französischen  Komödianten  während  der 
Besetzung  Frankfurts  im  siebenjährigen  Kriege. 


Par  Permission  de  Monseigneur  le  Duc  de  Broglio  et  de  Messieurs 
les  Magistrats  de  la  Ville  libre  de  Francfort  les  comediens  de  sa  Mayeste 
Tres-Chretienne  le  Roi  de  France 
Donneront  aujourd’hui  Yendredy  31.  Aoüt  1759, 

LE  DISTRAIT, 

Comedie  en  vers  et  en  5  Actes  de  Mr.  Regnard,  suivie  des  Ensorceles 
Opera  Comique  en  un  Acte. 

On  commencera  ä  5  heures  presises  on  paiera  aux  premieres  Loges 
et  Amphitheätre  un  florin,  au  Parquet  40  Kreutzer. 

C’est  ä  la  grande  Sähe  du  Concert  aux  Junghof. 

Monsieur  Bacher  demeurant  chez  le  Menuisier  Artz  dernier.  le  Schlim- 
mauer  chez  lequelle  on  peut  avoir  le  Billet  du  matin  jusqu’ä 
trois  heures  l’apres  midi. 


Mit  Erlaubniss  Sr.  Excellenz  des  Herzogs  von  Broglio ,  und  eines 
Hochlöblichen  Magistrates  der  Kayserlichen  Freyen  Reichs-  Wahl- 
und  Handels-Stadt  Frankfurt  werden  heute,  Frey  tags  den  31.  August 
1759,  die  französiche  Schauspieler  des  allerchristlichsten  Königs  von 
Frankreich  auf  ihrem  Schau-Platze  aufführen: 

DEN  ZERSTREUETEN  MENSCHEN, 
ein  Lustspiel  in  Versen  und  5  Aufzügen,  vom  Herrn  Regnard. 

Hierauf  folget: 

DIE  BEZAUBERTEN, 
eine  komische  Opera  von  einem  Aufzuge. 

Der  Anfang  ist  präcise  um  5  Uhr,  die  Person  zahlt  auf  den 
ersten  Logen  und  Amphitheater  1  Gulden,  auf  dem  zweyten  Platz 
40  Kreutzer. 


497 


Der  Schauplatz  ist  in  dem  grossen  Concert-Saale  zum  Junghof. 
Wer  Billets  verlanget,  beliebe  solche  bei  Herrn  Bacher  ab¬ 
zuholen,  der  an  der  Schlimmauer  bey  dem  Schreiner-Meister  Arzt 
wohnet,  und  von  Morgens  bis  um  3  Uhr  Nachmittags  anzutreffen  ist. 

Dieselben  werden  Mittwochs  den  12  September  1759  aufführen: 
CRISPIN  DER  ARTZT, 

ein  Lustspiel  des  Hauteroche  in  drey  Aufzügen. 

Hierauf  folget: 

DAS  BÜRGERLICHE  FRAUENZIMMER  NACH  DER  MODE, 

oder : 

Die  Dorff-Lustbarkeit, 
ein  Lustspiel  von  drey  Aufzügen  von  Dancourt. 

Den  völligen  Beschluss  macht  ein  Ballet.  Man  wird  in  kurtzem 
die  neue  Welt  vorstellen. 


Dieselben  werden  Samstags  den  17.  November  1759  aufführen: 
eine  zweyte  Vorstellung  vom 
WAHRSAGER  AUF  DEM  DORFE, 

Eine  Schäfer-Opera  vom  Herrn  Rousseau,  mit  allen  Annehmlichkeiten 
ausgeschmückt;  in  selbiger  wird  ein  neuer  Acteur,  der  hier  noch 
nie  gespielet,  auftreten  und  den  Collin  vorstellen. 

Vorher  wird  die  kleine  Comödie  des  Herrn  Merville  gespielet: 
DIE  ERZWUNGENE  EINWILLIGUNG. 

Man  wird  in  Kurtzem  die  Gräfin  von  Hoffarth  aufführen. 
Morgen  wird  ein  grosser  und  masquirter  Bai  gehalten. 

Dieselben  werden  Samstags  den  26.  Januarii  1760  aufführen: 
DEN  GEITZIGEN. 

Ein  Prosaisches  Lustspiel  in  5  Aufzügen  vom  Herrn  Moliere. 
Hierauf  folget: 

Ein  extra  grosses  pantomimisches  Ballet. 

Morgen  Abends  11  Uhr  ist  ein  grösser  masquirter  Bai. 

Dieselben  werden  Donnerstags  den  28.  Februarii  1760  aufführen: 
DIE  DREI  BAASEN, 

ein  Lust-Spiel  in  drey  Aufzügen  von  Dancourt,  mit  drey 
Zwischen-Spielen,  Gesängen  und  Täntzen. 

Vor  demselben  wird  aufgeführt  das  lustige  Stück  des  Herrn  Regnard: 
Geh  und  warte  auf  mich  unter  dem  Ilmenbaum. 

Man  wird  ehestens  die  Heldin  Semiramis  vorstellen. 

Dieselben  werden  Dienstags  den  4.  Mertz  1760  aufführen: 
AMPHITRION, 

ein  Lustspiel  in  drey  Aufzügen  von  Herrn  von  Moliere. 

Vor  diesem  Stücke  ist  eine  Vorrede.  Hierauf  folget: 

32 


498 


DAS  FFST  DER  LIEBE, 

ein  kleines  Stück  von  Madame  Favart,  mit  feinen  Auszierungen. 
Man  wird  ehestens  die  Heldin  Semiramis  aufführen. 

Dieselben  werden  den  5.  März  1760  aufführen: 

DIE  FALSCHE  VERTRAULICHKEIT, 

Ein  Lustspiel  in  drey  Aufzügen,  vom  neuen  Ital.  Theater. 
Hierauf  folget: 

DIE  WUNDERLICHE  FAMILIE, 

Ein  kleines  Stück  in  einem  Aufzuge  vom  Herrn  le  Grand. 
Den  völligen  Beschluss  macht  ein  Ballet. 

Man  wird  ehestens  die  Heldin  Semiramis  aufführen. 


Dieselben  werden  Mittwochs  den  12.  Mertz  1760  auf  ihrem 
Schauplatze  aufführen:  die  erste  Vorstellung  von 
DER  HELDIN  SEMIRAMIS, 

ein  Trauer-Spiel  vom  Herrn  von  Voltaire,  mit  allerhand  extra 
schönen  neuen  Zierrathen  ausgeschmücket. 

Dieselben  werden  Montags  den  14.  April  1760  aufführen: 

DIE  VEREINIGTE  LIEBHABER, 
ein  Lustspiel  in  3  Aufzügen  vom  neuen  Italienischen  Theater. 
Hierauf  folget: 

Harlekin  Hu  11a,  oder  Der  Kebsmann, 
ein  kleines  Stück  vom  nemlichen  Theater,  mit  feinen  Auszierungen. 
Man  wird  ehestens  Bayaz et,  ein  Trauerspiel  von  Racine  aufführen. 

Dieselben  werden  Mittwochs  den  16.  April  1760  aufführen: 

DIE  MORGEN-STUNDE, 

ein  grosses  neues  Pantomimisches  Ballet.  Diesem  Stücke  gehet  vor: 
Die  Überraschung  der  französischen  Liehe, 
ein  Lustspiel  in  drey  Aufzügen  vom  Herrn  von  Mariveaux. 

In  Erwartung  des  Bajazet,  die  Fastnachts-Possen  der 
undankbaren  Söhne. 

Dieselben  werden  Samstags  den  19.  April  1760  aufführen: 

DIE  DOPPELTE  UNBESTÄNDIGKEIT, 
ein  Lustspiel  in  drey  Aufzügen  vom  neuen  Italienischen  Theater. 

Hierauf  folget: 

Die  gebieterische  Magd. 

Dieses  Stück  wird  von  einer  neuen  Actrice,  welche 
hier  durchreisset,  aufgeführet. 

Den  völligen  Beschluss  macht  die  Morgen-Stunde.  Dieses  Panto¬ 
mimische  Ballet  ist  nochmahlen  begehrt  worden.  In  Erwartung  des 
Bajazet,  die  Fastnachts-Possen  der  undankbaren  Söhne. 


499 


Dieselben  werden  Dienstags  den  20.  May  1760  aufführen: 

DIE  TAUSCHER,  oder  WECHSELER, 
eine  lustige  Opera,  Diesem  Stücke  gehet  vor: 

Die  kleine  Schule  der  Mütter, 
ein  klein  Lustspiel  vom  Italienischen  Theater,  vom  Herrn  von  Mariveaux, 
und  Die  wunderliche  Familie, 
ein  Lustspiel  in  Versen  vom  Herrn  le  Grand. 

In  Erwartung  ehestens  die  Portraits  nach  der  Mode. 

Dieselben  werden  Mittwochs  den  21.  May  1760  aufführen: 

DEN  VERLORENEN  SOHN, 
ein  Lust-Spiel  in  fünff  Aufzügen  vom  Herrn  von  Voltaire. 
Hierauf  folget:  Die  ausschweifende  Familie, 
ein  Lust-Spiel  in  einem  Aufzuge  vom  Herrn  le  Grand. 

In  Erwartung  ehestens  die  Portraits  nach  der  Mode. 

Dieselben  werden  Dienstags  den  8.  Juli  1760  aufführen: 

DEN  VERSCHWENDER, 

ein  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen  vom  Herrn  Nericault  Destouches. 
Hierauf  folget:  die  erste  Vorstellung  von 
Der  Liebe  des  Teuffels, 

ein  Lustspiel  in  einem  Aufzuge  vom  Herrn  le  Grand,  mit  feinen 
Auszierungen,  Gesängen  und  Täntzen. 

Dieselben  werden  Donnerstags  den  10.  Juli  1760  aufführen: 
ESOPUS  IN  DER  STADT, 

ein  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen  und  Versen  vom  Herrn  Bourseault. 

Hierauf  folget  ein  Pantomimisches  Ballet. 

Man  wird  ehestens  die  Weltweisen  aufführen,  ein  neues  Lustspiel  in 
Versen  und  drey  Aufzügen  vom  Herrn  Pallettot.  [Palissot.] 

Dieselben  werden  Donnerstags  den  9.  October  1760  aufführen: 
DIE  GRÄFIN  VON  HOCHMUTH, 
ein  Lustspiel  in  Versen  und  fünf  Aufzügen  vom  Herrn  Thomas  Corneille. 
Hierauf  folget:  Die  Liebe  von  Bucephale,  ein  Trauer- Spiel  in 
einem  Aufzuge  und  Versen.  Ehestens  wird  man  die  Menschen,  ein 
Lustspiel-Ballet  und  den  geneigten  Nebenbuhler  aufführen. 

Dieselben  werden  Samstags  den  28.  Februarii  1761  aufführen: 
DIE  WERBER, 

eine  comische  Opera  in  einem  Aufzuge.  Diesem  Stücke  gehet  vor: 
Die  Menechmer,  oder:  Die  Zwillings-Brüder, 
ein  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen  vom  Herrn  Regnard. 

Dieselben  werden  Mittwochs  den  19.  May  1762  aufführen: 
DEN  LISTIGEN  ADVOCATEN, 

ein  Prosaisches  Lustpiel  in  drey  Aufzügen,  vom  Herrn  Palaprat.  Diesem 
gehet  vor:  Harlequin  der  Wilde,  eine  Lustspiel  in  drei  Aufzügen, 
vom  neuen  Italiänischen  Theater.  Man  wird  ehestens  den  Marschall, 
eine  beliebte  Opera,  aufführen. 


32* 


500 


Dieselben  werden  heute  Montags  den  24.  May  1762  aufführen: 
NINETTE  AN  DEM  HOFE, 

eine  beliebte  Opera  in  zwey  Aufzügen.  Diesem  gehet  vor:  Die 
läq  her  liehe  und  gezwungene  Frauenzimmer,  ein  Lust¬ 
spiel  in  einem  Aufzuge,  vom  Herrn  Moliere. 

Dieselben  werden  Dienstags  den  12.  October  1762  aufführen: 
DAS  GELEHRTE  FRAUENZIMMER, 
ein  Lustspiel  in  Versen  und  fünf  Aufzügen,  vom  Herrn  Moliere. 
Hierauf  folget:  Das  übelzugerichtete  Nachtessen,  ein  kleines 
Lustspiel  in  Versen,  von  Hautroche. 

Die  Ackermannische  Gesellschaft  deutscher  Schauspieler  wird  heute 
Dienstags  den  29.  Junii  1762  aufführen: 

IPHIGENIA, 

ein  Trauer-Spiel  in  Versen,  aus  dem  Französischen  des  Racine  übersetzt. 
Hierauf  folget  ein  Pantomimisches  Ballet:  Die  verliebten  Böt- 
t  i  g  e  r.  Zwischen  den  Aufzügen  der  Tragedie  werden  unsere  Täntzer 
mit  einem  Pas  de  trois  von  venetianischen  Gondeliers,  und  ein 
Pas  de  deux  aufwarten. 


XIV. 


Nicht  ganz  vollständiges  Repertoire  der  französischen  Komödianten  unter 
Direktion  von  Claude  Barizon  1764. 


Par  Permission  de  Messieurs  les  Magistrats  de  la  Ville  Libre 
et  Imperiale  de  Francfort, 

Les  Comediens  Francis  donneront  aujourd’hui  Samedy  3.  Mars  1764: 
LA  MERE  CONFIDENTE, 

Comedie  en  prose,  et  en  trois  Actes  de  Mr.  Marivaux. 

Cette  Piece  sera  suivie: 

DES  PRECIEUSES  RIDICULES, 

Comedie  en  prose,  et  en  un  Acte,  de  Mr.  Moliere. 

En  attendant  les  Ballets  du  celebre  Monsr.  Pitröt. 

On  commencera  ä  6  heures  precises. 

On  prendra  6  Livres  aux  premieres  Loges,  Parquet  Noble  trois 
Livres,  secondes  Loges  un  florin. 

C’est  ä  la  grande  Salle  du  Concert  au  Junghof. 

Ceux  qui  souhaiteront  des  Billets  pourront  envoyer  au  petit  Ange 
d’or  au  Gelnhäusser-Gass,  Lettre  H.  Nro.  117. 

On  les  delivrera  depuis  huit  heures  du  matin  jusqu’ä  midi,  et 
depuis  trois  heures  jusqu’ä  cinq  du  soir. 

Mit  Bewilligung  Eines  Hoch-Edlen  Magistrats  der  Kayserlichen  freyen 
Reichs-Stadt  Franckfurt  werden  heute  Samstags  den  3.  Märtz  1764 
Die  Französische  Schauspieler  auf  ihrem  Schau-Platze  aufführen: 


501 


DIE  VERTRAUTE  MUTTER, 

Ein  Prosaisches  Lustspiel  in  drey  Aufzügen,  von  Herrn  Marivaux. 
Nach  diesem  Stücke  folgen: 

Die  lächerliche  und  gezwungene  Frauenzimmer, 

Ein  Prosaisches  Lustspiel  in  einem  Aufzuge,  vom  Hrn.  Moliere. 
Man  wird  ehestens  ein  extra  schönes  Ballet  vom  Herrn  Pitrot 

aufführen. 

Der  Anfang  ist  präcise  um  6  Uhr.  Die  Person  zahlet  auf  der  ersten 
Loge  6  Livres,  Parquet  Noble  einen  kleinen  Thaler,  auf  der  zweyten 

Loge  einen  Gulden. 

Der  Schauplatz  ist  in  dem  grossen  Concert- Saale  zum  Junghof. 
Die  Billets  können  nach  Belieben  im  kleinen  goldenen  Engel  in  der 
Gelnhäusser-Gass  Litt.  H.  Nro.  117  von  8  bis  Mittags,  und  von 
Nachmittags  bis  Abends  abgelangt  werden. 


Dieselben  werden  Donnerstags  den  8.  Märtz  1764  aufführen: 

DIE  SPIELE  DER  LIEBE  UND  DES  ZUFALLS, 

Ein  Prosaisches  Lustspiel  in  drey  Aufzügen,  vom  Italienischen 
Theater,  vom  Herrn  Marivaux. 

Hierauf  folget:  Sinnreiches  Bedenken  des  Feldzugs, 

Ein  Stück  von  einem  Aufzuge,  vom  Herrn  Poisson. 

Man  wird  ehestens  ein  extra  schönes  Ballet  vom  Herrn  Pitrot 

aufführen. 


Freytags  den  9.  Märtz  1764  werden  dieselben  aufführen: 

DEN  ZERSTREUTEN, 

Ein  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen  und  Versen,  vom  Herrn  Regnard. 

Hierauf  folgen :  Die  drey  Brüder  und  Nebenbuhler, 

Ein  Lustspiel  in  Versen  und  einem  Aufzuge,  vom  Herrn  la  Font. 
Man  wird  ehestens  ein  extra  schönes  Ballet  vom  Herrn  Pitrot 

aufführen. 


Dieselben  werden  Donnerstags  den  15.  Mertz  1764 
einen  GROSSEN  BALL  abhalten. 

Der  Anfang  ist  Abends  um  10  Uhr. 

Die  Person  zahlt  6  Livres,  oder  einen  grossen  französischen  Thaler. 
Beym  Eingang  wird  sich  jemand  befinden,  welcher  das 
Seydengewehr  und  die  Stöcke  in  Verwahrung  nehmen  wird. 

Der  Platz  ist  der  Concert-Saal  im  Junghof. 

Dieselben  werden  Freytags  den  16.  Mertz  1764  aufführen: 

DIE  THORHEITEN  DER  LIEBE, 

Ein  Lustspiel  in  drey  Aufzügen,  vom  Herrn  Regnard. 

Es  wird  in  selbigem  Herr  Doismont,  welcher  niemalen  die 
Schaubühne  betreten,  die  Person  des  Crispins  präsentiren. 


502 


Hierauf  folget :  Der  Buhler,  Autor  und  Diener, 

Ein  Lustspiel  in  einem  Aufzug. 

Herr  Töski,  erster  Musicus  auf  der  Yiolon  Ihro  Churfürstl.  Durchl. 
von  der  Pfalz,  wird  sich  zwischen  beyden  Stücken  mit  einem  Concert 
seiner  eignen  Componirung  hören  lassen. 

Nächster  Tagen  wird  ein  extra  schönes  Ballet  vom  Herrn  Pitrot 
aufgeführet  werden. 

Der  Saal  wird  durchaus  eingeheitzet. 

Dieselben  werden  Samstags  den  17.  Mertz  1764  aufführen : 

DER  VERLIEBTE  DEMOCRIT, 

Ein  Lustspiel  in  Versen  und  fünf  Aufzügen  vom  Herrn  Regnard. 
Hierauf  folget :  Der  Versuch, 

Ein  Lustspiel  in  Prosa,  in  einem  Aufzug. 

Herr  Marmetti,  Bassist,  in  Diensten  Ihro  Hochfiirstl.  Durchl.  zu 
Hessen -Darmstadt,  wird  sich  zwischen  beyden  Stücken  mit  einem 
Concert  seiner  eignen  Componirung  hören  lassen. 

Nächster  Tagen  wird  ein  extra  schönes  Ballet  vom  Herrn  Pitrot 
aufgeführet  werden. 

Der  Saal  ist  durchaus  eingeheitzet. 

Dieselben  werden  Sonntags  den  18.  Mertz  1764  aufführen  die  erste 

Vorstellung: 

DES  GROSMÜTHIGEN  SULTANS, 

Oder:  Die  in  den  Serail  eingeführten  Galanen, 
Ballet  einer  Helden-Pantomime,  des  berühmten  Herrn  Pitrot,  mit 
verschiedenen  Veränderungen  der  Auszierungen,  unter  andern  einer 
sehr  kostbaren,  welche  einen  mit  Säulen  besetzten  Gang  eines  Palastes 
präsentiret,  und  von  der  Erfindung  des  berühmten  Künstlers  Quaglio, 
Baumeisters  Ihro  Churfürstl.  Durchl.  von  der  Pfaltz,  ist.  Die  Klei¬ 
dungen  des  Costüme  zum  Ballet  sind  unter  der  Aufsicht  des  Herrn 
Renoudin,  Königl.  Französischen  Hof-Schneiders,  verfertigt  worden. 
Die  ausserordentlichen  Unkosten  dieses  Ballets  haben  den  Directeur 
genöthigt,  den  Preis  zu  erhöhen. 

Vor  dem  Ballet  wird  aufgeführt:  DER  ZÄNKER, 

Ein  Lustspiel  in  drey  Aufzügen,  von  Herrn  Bruys. 

Herr  Schetky,  erster  Musicus  auf  der  Violincelle  I.  H.  Durchl.  des 
Herrn  Landgrafens  zu  Hessen-Darmstadt,  wird  ein  Concert  seiner 
eigenen  Componirung  aufführen. 

Heute  wird  ein  groser  Ball  gehalten,  der  Abends  um  zehen  Uhr 
seinen  Anfang  nimmt. 

Am  Dienstag  den  20.  und  am  Mittwoch  den  21.  Mertz  1764 
Wiederholung  der  Helden-Pantomime : 

DER  GROSSMÜTHIGE  SULTAN  etc. 


503 


Vor  dem  Ballet  wird  auffgeführet : 

Der  Testaments-Erbe, 

ein  Lustspiel  in  Yersen,  in  fünf  Aufzügen,  von  Herrn  Regnard. 

In  Erwartung  der  Hannichen  und  Lubins,  Zwischenspiel. 

Herr  Götzel,  erster  Musikus  auf  der  Flute  Sr.  Königl.  Maj.  in  Pohlen, 
wird  ein  fürtrefflich  Concert  aufführen. 


Dieselben  werden  Donnerstags  den  22.  Mertz  1764  einen  grossen 
Ball  in  dem  Concert-Saal  im  Junghof  abhalten. 

Der  Anfang  ist  Abends  um  zehn  Uhr.  Die  Person  zahlt  6  Livres, 
oder  einen  grossen  französischen  Thaler.  Niemand  wird  mit  Stock 
oder  Seitengewehr  eingelassen. 

Morgen  folgt  Hannichen  und  L  u  b  i  n.  Zwischenspiel. 

Dieselben  werden  heute,  Frey  tags  den  23.  Mertz  1764,  aufführen 
die  erste  Vorstellung  von : 

HANNICHEN  UND  LUBIN, 

ein  musikalisches  Zwischenspiel,  welchem  vorangehet:  Der  Franzos 
zu  London,  ein  Prosaisches  Lustspiel  in  einem  Aufzuge,  vom  Herrn 
Boissi.  In  diesem  Stücke  wird  der  Herr  Doismond  die  Role  des 
Milords  Houzei  vorstellen.  Den  völligen  Beschluss  macht  die  vierte 
Vorstellung:  Des  gr ossmüthigen  Sultans,  oder  Die  in  das 
Serail  eingeführten  Galanen  etc.  Man  wird  ehestens  Zaire 

aufführen. 


Dieselben  werden  Samstags  den  24.  Mertz  1764  aufführen: 

DIE  HERRSCHSÜCHTIGE  MAGD, 
eine  kurtzweilige  Opera,  Parodie  des  Italiänischen  Zwischenspiels 
La  Serva  Padrona,  demselben  gehet  vorher :  Die  Weiber- 
Schule,  ein  Lustspiel  in  V ersen  und  fünf  Aufzügen  von  Herrn 
Moliere.  Den  völligen  Beschluss  macht  die  letzte  Vorstellung: 

Des  grosmüthigen  Sultans  oder: 

Die  in  das  Serail  ein  geführte  Galanen  etc., 

Ballet  einer  Helden-Pantomime  des  berühmten  Herrn  Pitrot.  Herr 
Töski,  erster  Musikus  auf  der  Violin  Ihro  Churfürstl.  Durchlaucht 
von  der  Pfalz,  wird  ein  Concert  seiner  eigenen  Componirung,  auf 
der  Viole  d’Amour  aufführen. 

Man  wird  ehestens  Zaire  aufführen. 


Dieselben  werden  Sonntag  den  25.  Mertz  1764  aufführen: 

ZAIRE, 

ein  Trauerspiel  in  fünf  Aufzügen  von  Herrn  von  Voltaire.  Es  ist 
dasselbige  Stück  von  verschiedenen  Standes-Personen  nochmalen 
verlanget  worden.  Nächstens  wird  man  eine  kurtzweilige 
Opera  aufführen,  betitelt: 


504 


DER  HUF-SCHMIEDT. 

Herr  Marmetti,  erster  Bassist  an  dem  Etirstl.  Darmstädtischen  Hofe, 
wird  nach  dem  Haupt-Actn  ein  Concert  seiner  eigenen 
Componirung  spielen. 

Heute  wird  ein  grosser  Ball  abgehalten,  der  Abends 
um  eilf  Uhr  seinen  Anfang  nimmt. 

Montags  den  26.  Mertz  1764  werden  dieselben  die  zweyte  Vorstellung 

aufführen : 

DER  HANNICHEN  UND  LUBINS, 
ein  musikalisches  Zwischenspiel.  Vor  demselben  wird  aufgeführt: 
MELANIDE,  ein  Lustspiel  in  Versen,  in  fünf  Aufzügen,  von  Herrn 
Nivelle  de  la  Chaussee.  Zwischen  beyden  Stücken  wird  man 
mit  einem  schönen  Concert  aufwarten. 

Nächstens  wird  ein  Ballet  folgen,  betitult:  Hamadriade. 

Dieselben  werden  Dienstags  den  27.  Mertz  1764  aufführen : 
DER  GALANTE  LÄUFFER, 

Von  Herrn  le  Grand.  Nach  selbigem  folget:  B  astien  und  Bastienne, 
ein  musikalisches  Zwischenspiel :  und  Der  grosmüthige  Sultan 
oder  Die  in  das  Serrail  eingeführten  Galanen  etc. 
Ballet  einer  Helden-Pantomime  des  berühmten  Herrn  Pitrot.  Zwischen 
obbemeldeteu  Stücken  wird  Madame  Auvray  auf  dem  Clavier 
ein  Concert  spielen. 

Heute  wird  ein  grosser  Ball  gehalten,  der  Abends  eilf  Uhr  seinen 

Anfang  nimmt. 

Heute,  Donnerstags  den  29.  Mertz  1764  werden  dieselben 
zur  Aufführung  bringen : 

CENIE, 

ein  Lustspiel  in  Prosa  und  fünf  Aufzügen,  von  Mad.  Grafigny. 
Hierauf  folget:  Der  Zank  der  Waldgötter  und 
der  Schäfer  um  die  Hamadriaden. 

Ballet  einer  Helden-Pantomime  des  herühmten  Herrn  Pitrot. 

Es  ist  dasselbige  mit  den  Kleidungen  des  Costüme,  welche  unter  der 
Aufsicht  des  Herrn  Renaudin,  König],  Franz.  Hofschneiders,  verfertigt 
worden,  annebst  gantz  neue  Auszierungen  von  der  Erfindung  und 
Verfertigung  des  berühmten  Künstlers  Quaglio,  Baumeisters  Ihro 
Churfürstl.  Durchl.  von  der  Pfaltz,  ausgeschmücket.  Zwischen  denen 
Stücken  wird  man  mit  einem  fürtrefflichen  Concert  aufwarten. 

Dieselben  werden  Freytags  den  30.  Mertz  1764  aufführen: 

DER  GLÜCKS-MANN, 

ein  Lustspiel  in  Prosa  und  fünf  Aufzügen,  von  Baron. 
Hierauf  folget  die  zweyte  Vorstellung: 

Der  Zanck  der  Waldgötter  und  der  Schäfer  um  die 
H  am  a  driad  en. 

Zum  Schluss  ein  Ball,  der  um  eilf  Uhr  seinen  Anfang  nimmt 


—  f>05  — 


Samstags  den  31.  Mertz  1764  Wiederholung: 

DES  GROSSMÜTHIGEN  SULTANS 
Oder:  Die  in  den  Serail  eingeführten  Galanen, 
vor  demselben  wird  anfgeführet :  Der  Spieler,  ein  Lustspiel  in 
Versen  und  fünf  Aufzügen,  von  Herrn  Regnard. 

Zwischen  denen  Stücken  wird  man  mit  einem  fürtrefflichen  Concert 

aufwarten. 


Dieselben  werden  Sonntag  den  1.  April  1764  aufführen: 

DER  PHILOSOPH  VOM  LAND, 
ein  musikalisches  Zwischenspiel.  Auf  dasselbe  folget: 

Der  Zanck  der  Waldgötter  und  der  Schäfer  um  die 
Hamadriaden. 

[Die  Vorstellungen  vom  1.— 8.  April  wurden  in  dem  grossen 
Komödienhaus  in  den  kleinen  Allee,  der  sogenannten  Welschen  Opern¬ 
hütte  von  den  französischen  und  italienischen  Schauspielern 
gemeinsam  abgehalten.] 

Dieselben  werden  Montags  den  2.  April  1764  abermals  aufführen: 
HANNICHEN  UND  LUB1N, 

Zwischenspiel  von  einem  Aufzug,  von  Herrn  Favart.  Auf  selbiges 
folgt:  Die  drev  Buckelichten,  Zwischenspiel  von  zwey  Aufzügen. 
Den  völligen  Beschluss  macht  das  Ballet:  Der  Zanck  der  Wald¬ 
götter  und  der  Schäfer  um  die  Hamadriaden. 
Zwischen  denen  Stücken  wird  man  mit  einem  fürtrefflichen  Concert 

aufwarten. 

Heute,  Dienstags  am  3.  April  1764,  werden  dieselben  aufführen: 
DER  GALANTE  MERCUR, 

ein  Lustspiel  in  Versen  und  vier  Aufzügen,  von  Herrn  Boursault. 
Hierauf  folget :  Die  drey  Buckelichten,  Zwischenspiel  von  zwey 
Aufzügen,  annebst  zwei  Balletten. 

Zwischen  denen  Stücken  wird  man  mit  einem  fürtrefflichen  Concert 

aufwarten. 

Heute  wird  ein  grosser  Ball  gehalten  in  dem  Concert-Saal  im  Junghof, 
welcher  Abends  um  11  Uhr  anfängt. 

Dieselben  werden  heute,  Mittwochs  den  4.  April  1764,  aufführen: 

DER  PHILOSOPH  VOM  LAND, 
eine  kurtzweilige  Opera,  vorgestellt  von  den  Italienischen  Sängern. 
Hierauf  folget  Der  Zanck  der  Wal dgötter  und  der  Schäfer 
um  die  Hamadriaden. 

Donnerstags  den  5.  April  1764  werden  dieselben  aufführen: 
HARLEQUIN  HERR  UND  DIENER, 
ein  Prosaisches  Lustspiel  von  drey  Aufzügen.  In  selbigem  wird 


506 


Herr  Desforges,  Comödiant  Ihro  Hochfürstl.  Durchl.  des  Herrn  Land¬ 
grafen  zu  Hessen-Cassel,  den  Harlequin  vorstellen,  darauf  folget: 

Hie  Böhmin, 

eine  kurtzweilige  Opera  von  zweven  Aufzügen.  Mlle.  Vincent, 
berühmte  Actrice  des  französischen  Schauspiels,  wird  in  selbiger  die 
Böhmin  präsentiren;  und  Herr  Boisemond  wird  sich  als  Calcant  zeigen. 
Den  völligen  Beschluss  macht  die  letzte  Vorstellung: 

Der  Zanck  der  Waldgötter  und  der  Schäfer  um  die 
Hamadriaden. 


Dieselben  werden  Freytags  den  6.  April  1764  aufführen: 

DER  BETRÜGER, 

ein  Lustpiel  in  Versen  und  drey  Aufzügen.  Hierauf  folget: 

Die  herrschsüchtige  Magd, 
eine  kurtzweilige  Opera  von  zweyen  Aufzügen.  Mlle.  Vincent, 
berühmte  Atrice  des  französischen  Schauspiels,  wird  in  selbiger  die' 
Zerbine  präsentiren.  Den  völligen  Beschluss  macht:  Der  gross- 
müthige  Sultan,  oder  Die  in  den  Serrail  eingeführten 
G  a  1  an  en ,  Ballet  einer  Helden-Pantomime  des  berühmten  Herrn  Pitrot. 
In  Erwartung  Thelemacks  auf  der  Insul  Calipso.  Zwischen  denen 
Stücken  wird  man  mit  einem  fürtrefflichen  Concert  aufwarten. 

Dieselben  worden  Samstags  den  7.  April  1764  aufführen  : 

DER  JAHRMARKT  ZU  MALMANTILLE, 
eine  kurtzweilige  Opera,  von  den  Italiänischen  Sängern  vorgestellet. 
Den  völligen  Beschluss  macht:  Der  Grosmüthige  Sultan  etc. 
In  Erwartung  Thelemacks  auf  der  Insul  Calipso. 

Dieselben  werden  heute  Sonntags  den  8.  April  1764  aufführen: 
CRISPIN,  NEBENBUHLER  SEINES  HERRN, 
ein  Prosaisches  Lustspiel  des  französischen  Theatres.  Hierauf  folgt: 
Die  herrsch  süchtige  Magd, 
den  völligen  Beschluss  macht:  Der  grosmüthige  Sultan  etc. 
Heute  wird  ein  grosser  Ball  gehalten,  in  dem  Concert-Saal 
im  Junghof,  welcher  Abends  11  Uhr  anfängt. 

Die  Französischen  Schauspieler,  welche  anjetzo  von  denen  Italienern 
abgesondert  sind,  werden  Montags  den  9.  April  auf  ihrem  alten 
Schauplatz  im  Junghof  aufführen: 

HANNICHEN  UND  LUBIN, 

ein  Französches  Zwischenspiel,  welches  von  Hohen  Adelichen  Per¬ 
sonen  ist  verlanget  worden.  Demselben  gehet  vorher: 
Sinnreiches  Bedenken  des  Feldzugs, 
ein  Lustspiel  in  Versen,  von  Herrn  Poisson. 

Den  Beschluss  macht  das  Ballet: 

Der  Zanck  der  Waldgötter  und  der  Schäfer  und  die  Hamadriaden. 


507 


Dieselben  werden  Dienstags  den  10.  April  1764  aufführen: 

DAS  ÜBEL  VERWAHRTE  MÄDGEN, 
eine  kurtzweilige  Opera,  von  einem  Aufzug,  in  welcher  die  Music 
von  Herrn  Dossi  ist.  Demselben  gehet  vorher:  Die  Ziegeunerin, 
eine  kurtzweilige  Opera,  von  zweyen  Aufzügen,  es  ist  dieselbe  ver¬ 
langt  worden.  In  denen  beyden  Zwischenspielen  wird  Mlle.  Vincent 
die  Haupt-Rollen  aufführen.  Den  völligen  Beschluss  macht  wiederum 
Der  Grosmüthige  Sultan  ect. 

Morgen  folgt:  Ni  nette  am  Hof,  und  das  neue  Ballet: 
Telemaque  auf  der  Insul  Calipso. 

Herrn  Götzel  Königl.  Pohlnischer  Hof-Musicus  wird  sich  zwischen 
denen  Stücken  auf  der  Flöte  hören  lassen. 

Mittwochs  den  11.  April  1764  wird  von  denselben  aufgeführet : 
TELEMAQUE  AUF  DER  INSUL  CALIPSO 
Ballet  einer  Helden-Pantomime  des  berühmten  Herrn  Pitrot,  Es  ist 
dasselbe  mit  den  Kleidungen  des  Costume,  welche  unter  der  Auf¬ 
sicht  des  Herrn  Renaudin,  Königl.  Franz.  Hofschneiders,  verfertigt 
worden,  annebst  gantz  neuen  Auszierungen  von  der  Erfindung  und 
fertigung  des  berühmten  Künstlers  Quaglio,  Baumeisters  Ihro  Churf. 
Durch!  von  der  Pfalz,  ausgeschmücket.  Demselben  gehet  vorher : 
Die  Men  echmen, 

ein  Lustspiel  in  Versen  und  fünf  Aufzügen,  vom  Herrn  Regnard. 
Zwischen  denen  Stücken  wird  man  mit  einem  fürtrefflichen  Concert 

auf  warten. 

Dieselben  werden  Donnerstags  den  12.  April  1764  aufführen: 
DIE  OHNVERMUTHETE  VERHINDERUNG, 
oder:  Die  Hindernis  ohne  Hindernis, 
ein  Prosaisches  Lustspiel,  in  fünf  Aufzügen,  vom  Herrn  Destouches. 
Hierauf  folgt  die  zweyte  Vorstellung  von 
Telemaque  auf  der  Insul  Calipso, 

Ballet  einer  Helden-Pantomime  des  berühmten  Herrn  Pitrot. 


Berechnung  mein  an  den  Directeur  der  Frantzösischen  Comedie 
Sieur  Barizon  und  dessen  Voräthig  Debit  Massa  habende  Forderung 
betretend  und  Verhält  es  sich  mit  solcher  folgender  Maassen 


Heute  dato  den  1.  December  1767. 

1764  ,  Soll 

d.  3.  Mertz.  Vor  eine  bey  erstrer  geflohnen  Aberechnung 

heute  dato  gehaltne  aber  nicht  bezahlte  Comedie  46.  48 
d.  8.  Mertz.  Vor  die  heute  dato  gehaltne  ohnbezahlte  Comedie  46.  48 

d.  9.  Mertz.  Vor  eben  eine  dergleichen . 46.  48 

d.  23.  Mertz.  Laut  eines  unter  heutigem  dato  ausgestellten 
Wechsels  vor  Saal  u.  Magazin  Miethe  nach 
Abzug  obiger  drey  Comedien .  750.  45 


508 


d,  24,  Mertz.  Vor  eine  Theatralische  Vorstellung  ....  46.  48 

d.  25,  huj.  Vor  eine  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

eod.  Vor  1  Monath  Miethe  von  5  douc.  Stühle  .  22.  — 

d.  26.  huj.  Vor  1  Theatralische  Vorstellung . 46.  48 

d.  27.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

d.  29.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 46.  48 

d.  30.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

d.  31.  huj.  Vor  1  dergleichen . 46.  48 

d.  1.  April.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

eod.  1  Monath  anticip:  zu  entrichtende  Magz.  Miethe  18.  20 

d.  2.  huj.  Vor  1  Theatralische  Vorstellung . 46.  48 

d.  3.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

d.  4.  huj.  Vor  1  dergleichen . 46.  48 

d.  5.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

d.  6.  huj.  Vor  1  dergleichen . 46.  48 

d.  7.  huj.  Vor  1  dergleichen . 46.  48 

d.  8.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

d.  9.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  Ball . 147.  48 

d.  10.  huj.  Vor  1  dergleichen . 46.  48 

d.  11.  huj.  Vor  1  dergleichen  so  Meinen  Ball  so  ohne 

denen  gedruckten  Comedien  Zetulen  einzu¬ 
verleihen  gehalten  worden  L.  M.  Uebereinkunft  107.  18 
d.  12.  huj.  Vor  1  dergleichen  und  kleinen  Ball  .  .  .  107.  18 


f.  2749.  41 


d.  1.  Dec.  An  3 1j2  Jahr  Magazin  und  Bodenzinss  derer 

1767  decorationes  u.  übrigen  Theatral.  effecten  .  .  175.  — 

eod.  An  5  Monath.-  Kellerzinss  vom  4  May  biss 

4.  Oct.  1764.  L.  M.  Uebereinkunft  mit  Ms. 

Barizon  . . . . 40.  — 

eod.  Vor  transport  derer  decorationes  aus  dem  Saal 

in  1  der  Magazins  u.  von  da  weiter  auf  1  Boden  9.  38 
eod.  Vor  den  Grossen  Cronenleuchter  so  zerbrochen 

worden  ..............  167.  — 

eod.  L.  R.  des  Glassers  vor  zerbrochnen  Scheiben  9  20 
L.  R.  des  Maurers  die  ausgebrochne  Mauer 
an  dem  Theatro  nebst  denen  Neben-Wänden 

aufzumauren . .  42.  — 

eod.  L.  Rech,  des  Weissbinders  die  Decke  zur  Sey- 
ten  des  Theatri  wieder  zu  latten  zu  rohren 
und  zu  Gippssen  ..........  52.  — 

eod.  L.  Rech,  des  Zirnmer-Mans  die  ausgeschnittne 
Balken  an  erwenter  Decke  nebst  neben  Wände 
wieder  zu  hersteilen . .  38.  — 


f.  3282.  39. 


509 


soll  haben 

d.  24.  Mertz.  Durch  den  Empfenger  haar  bekommen  .  .  46.  48 

d.  25.  huj.  Durch  eben  denselben . 46.  48 

d.  1.  April.  Durch  Hr.  Barizon  20  Louisdor  &  8  '/2  Ducat.  262.  30 
d.  6.  April.  Noch  durch  eben  denselben  empfangen  .  .  220.  — 

d.  8.  April.  Die  Einahme  eines  Balls  erhalten  ....  268.  45 

d.  11.  April.  Durch  den  Empfenger  baar . 44.  — 

d.  12.  April.  Durch  eben  denselben . 44.  — 

f.  932.  51 

Das  hierobenstehende  Credit  beleuft  sich  .  .  3282.  39 

Bleibt  meine  gerechthabene  Fordrung  nach 
Abzug  hierstehende  932.  51  .  2349.  48 


F.  M.  v.  Bieuenthal. 


XY. 

Ein  Zettel  von  Johann  Ludwig  Ludwig. 

Mit  gnädiger  Bewilligung  Eines  Hochedlen  Magistrats 
Der  Kayserl.  freyen  Reichs-Stadt  Franckfurt  am  Mayn  werden  heute 
Mittwoch  als  den  16.  May  1764  die  allhier  anwesende 
Schau-Spieler  Teutscher  Comedien 
ihren  Schauplatz  eröffnen,  und  darauf  vorstellen : 

Eine  aus  dem  Französischen  des  berühmten  Hrn.  von  Moliere 
entlehnte,  mit  besondern  Auszierungen  und  durchgehender 
Lustbarkeit  erfüllte  Moralische  Piece,  betitelt: 

LE  FESTIN  DE  PIERRE, 

Oder:  Das  Steinerne  Todten-Gastmahl, 
sonst  genannt:  Die  im  Grab  annoch  lebende  Rache,  oder  aber 
Die  bis  auf  das  höchste  gestiegene,  zuletzt  aber  übel  angekommene 
Kühn-  und  Frechheit  des  Don  Jean,  eines  Spanischen  Edelmanns, 
Mit  Hannsswurst,  einen  geplagten  Bedienten,  brutalen  Stadt- 
Commendanten,  hungrigen  Reissgefährten,  lächerlichen  Todtengräber 
und  furchtsamen  Aufwärter  bey  denen  Geistern. 

NB.  Es  wird  dabey  ein  sehenswürdiges  Monument  vorgestellet  werden. 
Hierauf  folgt  zu  mehrerem  Vergnügen  eine  der  lustigsten 
Nachcomödien ,  betitelt: 

Frau  Sibilla  trinckt  kein  Wein. 

Der  Anfang  ist  präcise  um  halb  7  Uhr.  Die  Person  zahlet  auf 
der  lsten  Loges  einen  Gulden.  Auf  den  Isten  Parterre  40  kr.  Auf 
dem  3ten  Platz  24  kr.  und  auf  den  letzten  Platz  12  kr. 

Der  Schauplatz  ist  auf  der  grosen  Bockenheimer-Gass  in  der 
Allee,  in  dem  neuerbauten  Comedien-Haus. 

Man  kan  nach  Belieben  die  Billets  in  dem  Comedien-Haus  von 
Morgens  8  Uhr  bis  Nachmittags  um  3  Uhr  gefälligst  abiangen  lassen. 


510 


XYI. 

Ein  Zettel  von  Arnold  Heinrich  Porseh. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hochedlen  und  Hochweisen 
Magistrats  der  Kayserl.  Freyen  Reichs-Stadt  Franckfurt  am  Mayn 
werden  die  allhier  anwesende 
Chur-Sächsische  privilegirte  Schau-Spieler 
Heute  Montags  den  6.  Octobris  1766 
auf  ihrem  Schau-Platze  aufführen :  Ein  grosses  und  schönes 
Trauer-Spiel,  welches  die  Stärcke  der  Poesie,  der  Leidenschafften  und 
der  Action  in  der  Vollkommenheit  zeiget,  betittult : 
L’ORPHELIN  DE  LA  CHINE, 

Der  Chinesische  Wayse, 

Oder:  Der,  für  seinen  Cron-Prinzen,  sein  eigenes  Kind  aufopfernde 
grossmüthige  Chineser, 

Und  die  durch  eine  tugendhafte  Chineserin  überwundene  Grausamkeit 
eines  tartarischen  Helden. 

Von  Voltaire  in  Versen  und  5  Aufzügen,  übersetzt  vom  Principal. 

Personen: 

Zamti,  ein  Chinesischer  Mandarin. 

Idame,  dessen  Gemahlin. 

Etan,  1  yt  te 
Aselli,  |  vemaiue- 
Gengiskan,  Tartarischer  Kayser. 

Octar, 

Osmann, 

Tartaren  und  Chineser. 

Nachricht. 

Dieses  Stück  hat  das  Glück  gehabt,  vor  vielen  Fürsten  des 
Reichs,  insonderheit  vor  Seiner  Churfürstl.  Gnaden  von  Maynz,  zum 
höchsten  Beyfall  aufgeführt  zu  werden. 

Den  Beschluss  macht  eine  neue  Pantomime  von  Kindern. 

Der  Schauplatz  ist  im  Junghof  in  dem  gewöhnlichen  Commö- 
dien-Saal. 

In  denen  Logen  bezahlt  die  Person  1  fl.  Eine  gantze  Loge  zu 
4  Personen  4  fl.  Auf  dem  Amphitheatre  12  Batzen.  Im  Parterre 
10  Batzen,  und  auf  der  Galerie  20  kr. 

Der  Anfang  ist  praecise  um  6  Uhr. 

Wer  vorher  Billets  verlangt,  beliebe  solche  bey  Hrn.  Arnold 
Heinrich  Porseh,  Entrepreneur,  im  Junghof  abholen  zu  lassen. 


seine  Eeldherrn. 


511 


XVII. 


Drei  vollständige  und  ein  unvollständiger  Zettel  von  Joseph  v.  Kurz. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  Eines  Hochedlen  und  Hochweisen 
Magistrats  der  Kayserl.  Wahl-  Freien  Reichs-  und  Handel-Stadt 
Frankfurt  wird  heute  unter  der  Direktion  des  Herrn  Josephs  von 
Kurz,  als  Entrepreneur, 

Die  neu-erbaute  Schaubühne  eröffnet,  und  auf  derselben  aufführen : 
Eine  zwar  uralte,  weltbekannte,  auch  zum  oftern  vorgestellte, 
und  auf  verschiedene  Art  schon  gesehene 
GROSSE  MASCHINEN  COMÖDIE, 

Welche  aber  von  uns  heute  auf  solche  Art  soll  aufgeführet  werden, 
dass  es  solchergestalten  wohl  schwerlich  von  andern  Gesellschaften 
wird  seyn  gesehen  worden;  genannt: 

IN  DOCTRINA  INTERITUS 

Oder  Das  lastervolle  Leben  und  erschröckliche  Ende  des 
Weltberühmten  und  jedermänniglich  bekannten 
Erzzauberers  Doctoris  Joannis  Fausti, 

Professoris  Theologiae  Wittenbergeusis. 

Nach  dem  Sinnspruch: 

Multi  die  stygia  sine  fronte  palude  jocantur, 

Sed  vereor  fiat,  ne  jocus  iste  focus. 

Das  ist: 

Wir  pflegen  von  der  Höll  nur  ein  Geschäft  zu  machen, 

Bis  sich  in  Weinen  kehrt  ihr  boshaft  freches  Lachen. 

Mit  Crispin,  einem  excludirten  Studenten-Famulo,  von  Geistern  übel 
vexirter  Reisender,  geplagten  Cammeraden  des  Mephistopheles,  un¬ 
glücklichen  Luftfahrer,  lächerlichen  Bezahler  seiner  Schuldner,  natür¬ 
lichen  Hexenmeister,  und  närrischen  Nachtwächter. 


Hier  folgen  die  besonderen  Auszierungen,  Maschinen,  Verwand¬ 
lungen  und  Vorstellungen: 

1.  Fausti  gelehrte  Dissertatio  in  seinem  Musaeo,  ob  das  Studium 
Theologicum  oder  Nictromanticum  zu  erwählen. 

2.  Fausti  merkwürdige  Conjuration  bey  Nachtzeit  in  einem  dunkeln 
Wald,  wobei  verschiedene  höllische  Ungeheuer,  Geister,  Furien, 
und  unter  diesen  Mephistopheles  bei  Donner  und  Blitz  er¬ 
scheinen. 

3.  Crispin  hat  in  dem  Zauberkreyss  lächerliche  Possen  mit  denen 
Geistern. 

4.  Fausti  besonderer  Contract  mit  der  Hölle,  welchen  eine  Raab 
aus  der  Luft  abholet. 


512 


5.  Crispin  ans  Vorwitz  schlägt  ein  Buch  in  des  Dr.  Fausts  Biblio- 
theque  auf,  aus  welchem  kleine  Teufel  herauskommen. 

6.  Fausts  Reise  mit  Mephistopheles  durch  die  Luft. 

7.  Crispin  erhält  von  Mephistopheles  einen  feurigen  Goldregen. 

8.  Faust  präsentiret  an  dem  Hofe  des  Herzogens  von  Parma  ver¬ 
schiedene  sehenswürdige  Vorstellungen  aus  der  biblischen  und 
Profan -Historie,  als  nehmlich  1.  wie  Judith  dem  Holofernes  im 
Bett  in  seinem  Gezelt  das  Haupt  abschlägt.  2.  Wie  Delila  dem 
starken  Simson  seine  Haarlocken  beraubet,  und  die  Philister 
über  Simson  siegen.  3.  Die  Marter  des  Titius,  dem  die  Raben 
das  Eingeweid  aus  dem  Leib  fressen.  4.  Das  Lager  des  Goliath, 
welcher  von  dem  kleinen  David  mit  einem  Stein  aus  einer 
Schleuder  überwunden  wird.  5.  Die  Zerstörung  Jerusalems, 
welche  gewiss  gut  in  die  Augen  fallen  soll. 

9.  Wird  Faustus  sich  mit  den  Hofräthen  vom  Fürsten  von  Parma 
belustigen  und  einem  Hörner  auf  den  Kopf  zaubern. 

10.  Zeigt  sich  ein  Freyhof  oder  Begräbnissort  mit  vielen  Epytha- 
phiis  und  Grabschriften.  Faust  will  die  Gebeine  seines  ver¬ 
storbenen  Vaters  aus  der  Erde  graben  und  zu  seiner  Zauberey 
missbrauchen,  wird  aber  von  dessen  erscheinendem  Geiste  zur 
Buse  vermahnet. 

11.  Faust  bekehrt  sich,  wird  aber  von  Mephistopheles  durch  ver¬ 
schiedene  Blendwerke  abermals  verführet,  wobey  sich  der  traurige 
Begräbnissort  in  einen  lustvollen  Garten  verwandelt. 

12.  Faust  erkennet  zu  spät  den  höllischen  Betrug,  wobey  sich  der 
angenehme  Lustgarten  in  die  offne  Hölle  verwandelt  und  der 
verzweifelnde  Faust  von  denen  Furien,  nach  einer  gebundenen 
Verzweiflungsrede,  unter  Donner  und  Blitz,  zur  Hölle  abge- 
hohlet  wird. 

13.  Wird  ein  Ballet  von  Furien 

14.  Wird  Faustus  von  Mephistopheles  unter  einem  Feuerwerk  in 
den  Höllen-Rachen  gezogen. 

15.  Machet  ein  grosses  Feuerwerk  das  Ende. 

Die  Plätze  sind  wie  gewöhnlich  in  ihrem  Preis.  Und  der  An¬ 
fang  ist  mit  dem  Schlag  6  Uhr. 

NB.  Auf  das  Theater  wird  niemand,  weder  bei  der  Probe,  noch 

während  dem  Schauspiel  mit,  oder  ohne  Geld,  gelassen. 


Mit  gnädigster  Bewilligung  eines  Hochedlen  und  Hochweisen 
Magistrats  der  Kayserl.  Wahl-  Freien  Reichs-  und  Handel-Stadt 
Frankfurt  am  Mayn  wird  heute  unter  der  Direktion  des  Herrn  Josephs 
von  Kurz  als  Entrepreneur  die  neu-erbaute  Schaubühne  eröffnet 
und  auf  derselben  wiederholen  das  ganz  neue  hie  zum  erstenmahl 
vorgestellete  Lust-Spiel  in  ungebundener  Rede,  und  fünf  Aufzügen. 


513 


Betitelt : 

MINNA  VON  BARNHELM 
oder  das  Soldatenglück  von  Gotthold  Ephraim  Lessing. 


Major  von  Teilheim,  verabschiedet,  ....  Herr  Waitzhoffer. 

Minna  von  Barnhelm . Mdslle.  Rischarin. 

Graf  von  Bruchsaal,  ihr  Oheim . Herr  Grünberg. 

Franzika,  ihr  Mädchen  . Mad.  v.  Kurz. 

Just,  Bedienter  des  Majors  .......  Herr  Koppe. 

Paul  Werner,  gewesener  Wachtmeister  des  Majors  Herr  Bergopzoomer. 

Ein  Gastwirth . Herr  Mayer. 

Eine  Dame  in  Trailer . Mad.  Koppe. 

Ein  Feldjäger . Herr  Pizl. 


Darauf  folget  die  mit  vielem  Beifall  aufgeführte  Pantomime  mit 
Maschinen,  Dekorationen  und  Verwandlungen  betittelt: 
Arlequin,  der  wegen  seiner  Untreue  aus  dem  Haus  gestossene  Diener. 
Den  gänzlichen  Beschluss  machetein  darzu  gehöriges  Ballet  genannt : 
Die  Hochzeit  des  Arlequin. 

NB!  NB!  NB! 

In  den  zwei  letzten  Vorstellungen  des  Fausts  ist  von  uns  irrig 
in  den  Zettulu  diesem  Namen  das  praedicat  Professor  Theologiae  bey- 
gesetzet  worden,  indeme  die  Sache  an  sich  selbst  blos  als  eine  thea¬ 
tralische  Fabel  aus  dem  Alterthum  anzusehen,  und  wird  solche  aus 
gnädigstem  Befehl  hiermit  widerruffen,  und  wir  erklären  uns  ganz 
willig  dabin.  dass  es  in  keiner  Absicht  jemahls  unsere  Meynung 
gewesen  diese  Würde  anzutasten,  noch  dieses  Gedicht  für  eine  Wahr¬ 
heit  zu  verkauften,  sondern  dadurch  blos  zu  zeigen,  wie  sehr  der 
Geschmack  der  deutschen  Bühne  zu  ihrer  Ehre  von  den  vorigen 
Zeiten  abgewichen. 

Preis  deren  Plätze. 

Logen  im  ersten  und  andern  Rang  ä  4  Personen  4  fl.  Gallerien  im 
ersten  und  andern  Rang  die  Person  1  fl.,  im  Parterre  die  Person 
10  Batzen,  im  dritten  Rang  die  Person  8  Batzen,  im  vierten  Rang 
die  Person  5  Batzen. 

Der  Eingang  in  das  Theater  von  der  Cassa  aus  in  die  erste  und 
andere  Gallerie,  wie  auch  zu  denen  Logen  ist  rechter  Hand.  Zu  der 
dritten  und  vierten  Gallerie  aber  ist  er  linker  Hand.  Zu  Ende  des 
Schauspiels  werden  auf  beyden  Seiten  Thtiren  eröffnet,  damit  man 
desto  bequemer  aus  dem  Schauplatz  kommen  kann. 

Die  Billieter,  welche  man  auf  den  heutigen  Tag  ablangen  lässet, 
werden  den  anderen  nicht  passiret. 

NB.  Auf  das  Theater  wird  niemand,  weder  bei  der  Probe,  noch 
während  dem  Schauspiel  mit,  oder  ohne  Geld,  gelassen. 

Die  Logenschlüssel  sind  zu  bekommen  auf  der  grossen  Gallengasse 
Lit.  E.  Nr.  G  in  des  Herrn  Hauptmann  von  Kahlden  Behausung 
bei  dem  Entrepreneur. 


33 


514 


Der  Schauplatz  ist  auf  dem  Rossmarkt  in  dem  neu  erbauten 
Comödien-Hauss. 

NB.  Der  Anfang  ist  heute  mit  dem  Schlag  5  Uhr. 

Mit  gnädigster  Bewilligung  eines  Hochedlen  und  Hochweisen 
Magistrats  der  Kayserl.  Freien  Reichs-  Wahl-  und  Handel-Stadt 
Frankfurt  wird  heute  unter  der  Direktion  des  Herrn  Josephs  von 
Kurz  als  Entrepreneur  die  neu-erbaute  Schaubühne  zum  erstenmal 
wiederum  eröffnet  und  auf  derselben  aufgeführet : 

MARIA  THERESIA  MAJESTÄT 

zur  allerunterthänigsten  Freudensbezeugung  aufgeführet  ein  auf  diese 
ganz  Europa  entzückende  höchst  erfreuliche  Begebenheit  neu  ver¬ 
fertigtes  Vorspiel  in  Versen,  genannt: 

Das  in  dem  Gefilde  der  Freude  frohlockende 
Teutschland. 

Personen  desselben. 

Die  Majestät.  Die  Freude.  Der  Sclmtzgeist  Oesterreichs. 

Die  Schauspielkunst.  Die  Unschuld. 

Bericht. 

Der  Schauplatz  stellet  eine  angenehme,  auf  das  herrlichste  be¬ 
laubte  Gegend  vor,  mitten  in  solcher  zeigt  sich  ein  auf  das  aller¬ 
schönste  ausgezierter  Altar  der  Vorsicht.  Auf  beyden  Seiten  in  er¬ 
habnen  Pyramiden  die  Kayserl.  Königlichen  Erbländer,  und  des  Heil. 
Röm.  Reichs  mit  ihren  Insignien,  Wappen  und  Inschriften.  Die 
Majestät  und  die  Freude  flehen  zu  der  Vorsicht,  um  die  Wieder¬ 
genesung  ihro  Majestät.  Der  Schutz-Geist  Oesterreichs  versichert  sie, 
dass  die  Vorsicht  Allerhöchst-Dieselbe  ihren  Wünschen  wiederum 
geschenket.  Hierauf  zeigt  sich  das  auf  das  herrlichste  geschmückte 
Bildniss  Ihro  Majestät.  Die  Vorsicht  lässt  sich  in  einer  prächtigen 
Wolken-Maschine  auf  Allerhöchst  deroselben  Haupt  herab.  Die  Fama 
erscheint  mit  einer  Inschrift,  ganz  Europa  diese  höchsterfreuliche 
Begebenheit  zu  verkündigen.  Die  Schauspiel-Kunst,  die  Unschuld 
an  der  Hand  führend,  mischet  sich  in  das  Frohlocken  der  übrigen, 
rufet  die  Tanzenden  herbei,  an  dieser  allgemeinen  Freude  Theil  zu 
nehmen;  hiermit  folget  von  denenselben  ein  Tantz,  und  die  Schau¬ 
spiel-Kunst  schliesst  mit  einer  auf  die  allerhöchste  Feyer  verfertigte 
Aria,  die  aller uilthertänigst  gehorsamste  Zueignung. 

Alsdann  wird  vorgestellt  ein  Trauerspiel  aus  dem  Französischen  des 
Herrn  Thomas  Corneille  in  Versen  und  fünf  Aufzügen. 

Der  Graf  von  Essex. 

Personen. 

Elisabeth,  Königin  von  England. 

Henriette  Fürstin  von  Irton,  Essex  Geliebte. 

Der  Graf  von  Essex. 

Der  Graf  von  Salisbury,  des  Essex  Freund. 

C'ecel,  des  Graf  Essex  Feind. 


Tilnev,  der  Königin  Vertraute. 

Croner,  Hauptmann  von  der  Königl.  Leibwache. 

Herr  von  Kurz  spielet  die  Rolle  des  Grafen  von  Essex. 

Den  gänzlichen  Beschluss  machet  ein  neues  grosses  Ballet: 

Die  Freude  der  Schäfer  oder  die  besiegte  Missgunst. 

[Alle  übrigen  Mittheilungen  über  die  Preise  etc.  wie  auf  dem  Zettel 
von  Minna  von  Barnhelm.] 

Unvollständiger  Zettel. 

. . .  der  handelnden  zum  Trotz  wollte  wieder  einschleichen  lassen,  nein !  —  bloss  aus 
der  Ursache  erscheinet  heut  unser  Crispin,  in  dem  Garacteur  des  Hanns  warst, 
weil  es  der  doppelte  Garacteur  und  die  Verwicklung  des  Lustspiels  verlanget, 
weil  man  die  Zuseher,  durch  die  alte  Tracht  auf  die  alten  Zeiten  zurück  führen 
will ;  und  weil  Madame  von  Kurtz  eben  den  Garacteur  des  Hannswurst,  nach 
Verlangen  des  Spiels,  vorstellen  wird;  Dieses  ist  die  Ursache,  sonst  keine  — 
sonst  soll  er  wieder  von  unserem  Theater  venvorffen  werden,  wie  er  von  allen 
reinen  Schaubühnen  verworffen  ist. 

Es  ist  zwar  wahr,  dass  dieser  Garacteur  noch  üi  Wien  vorgestellet  wird, 
allein  nicht  so,  als  wie  bcy  denen  flüchtigen  Gesellschafften,  die  sich  nur  aus 
Zotten-  und  Possenreisen  Ehre  machen,  die  es  so  weit  gebracht  haben,  dass  man 
auch  nicht  einmal  den  Nahmen  Hannswurst,  auf  einer  reinen  Schaubühne  will 
hören;  sondern,  es  ist  ein  sehr  geschickter  Schauspieler,  der  den  Garacteur  be¬ 
kleidet,  ein  Schauspieler,  der  es  vor  eine  Schande  hält,  das  Publicum  mit  einem 
andern,  als  feiner  Satier,  oder  reinen  Schertz  lachen  zu  machen,  ein  Schauspieler 
der  nicht  dumm  plaudert,  oder  lachet,  oder  übertriebene  Quinten,  Quaresen,  oder 
verstellte  Gesichter  machet,  nein !  —  nein !  Es  ist  ein  Mann ;  es  ist  ein  Schau¬ 
spieler,  den  jeder  Cavalier,  jede  Dame,  jeder  Bürger,  jeder  Fremde  liebt,  und 
hochschätzt ;  denn  nocli  niemahlen  hat  sich  eine  ehrwürdige  Mutter,  und  ein  ehr¬ 
liebender  Vater  einen  Vorwurf  zu  machen  gehabt,  die  Folgen  ihres  Geschlechts, 
einen  solchen  Mann,  der  Sitten  bessert,  ansehen  zu  lassen. 

Dieses  Stück  ist  in  Wien  von  dem  Impressarius  verfasset,  und  aufgeführet, 
und  29mal  mit  Beyfall  wiederholet  worden,  —  seine  Begeisterung,  welche  unter  einer 
kurzen  Pantomime  gescliiehet,  wo  er  unter  vielen  andern  Hünern,  und  Hahnen  aus 
einem  Ey  kommet,  wird  Vergnügen  und  Lachen  verursachen ;  Ingleichen  sclnneich- 
len  wir  uns,  dass  die  anderen  Maschinen  und  Verwandlungen,  unsere  Hohe  und 
geneigten  Gönner  vergnügen  werden. 

Es  wird  wiegen  Mangel  des  Platzes  vieles  von  den  Stücken  verschwiegen; 
Allein  die  Begeisterung  finden  wir  vor  nothwendig  zu  beschreiben.  Bernardon 
wird  von  Odoardo  verfolgt,  und  erschossen,  so  dass  er  todt  zur  Erde  fällt,  und 
auf  dem  Theater  liegen  bleibet,  es  kommt  die  in  üin  verliebte  Eosalba,  und  be¬ 
klaget  den  unglücklichen  Bernardon  in  einer  Aria,  der  erscheinet  als  ein  Geist 
aus  seinem  auf  dem  Theater  liegenden  Cörper,  und  entdecket  der  Rosalba  in  einer 
Ana,  dass  er  in  dem  Reich  der  Todten  nun  wäre,  und  diesen  Augenblick  sie 
verlassen  müsse.  Leander  der  unglückliche  Liebhaber,  den  Rosalba  vor  Bernar¬ 
don  hatte,  muss  sich  bequemen  auf  Anrathen  eines  Mago,  ein  Zauberer  zu  wer¬ 
den,  um  den  von  Odoardo  erschossenen  Bernardon  das  Leben  wieder  zugeben. 
Er  unternimmt,  und  fängt  die  Beschwörung  in  einer  Pantomime  an,  es  erscheinet 
der  vorige  Mago,  mit  noch  dreyen,  zu  seinen  Diensten.  Leander  befiehlt  als 
Zauberer  denen  4  Magen  einen  grossen  Mörser  zu  hohlen,  und  den  auf  der  Erden 
liegenden  toden  Bernardon  hinein  zu  stiirtzen:  Nach  diesem,  noch  andere  Glieder 
von  toden  Görpem  hineinzuwerfen,  und  aus  selben  eine  Massa  zu  machen.  Nach 
diesem  verwandelt  der  Leander  einen  Berg  in  einen  grossen  kupfernen  Kessel, 
welcher  auf  einem  Feuer  stehet;  die  Magi  schütten  die  Massa  aus  dem  Mörser, 
in  den  grossen  Kessel,  und  sind  beschäfftiget  mit  anfeuern;  es  zerspringet  der 

33* 


516 


Kessel  und  verwandelt  sich  in  ein  neues  Theater,  welches  ein  Zimmer  von  einem 
Mahlnarren  vorstellet;  ein  solcher  Mahlnarr,  tantzet  nach  seinem  Caracteur,  seine 
Entree ;  die  4  Magen,  bringen  ihn  wieder  an  seinen  Ort,  wo  er  hergekommen  ist, 
und  das  Theater  verwandelt  sich  wieder  in  den  Kessel. 

NB.  Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  aus  diesen,  und  folgenden  Caracteren 
der  Caracteur  des  Bernardons  zusammen  gesetzet  ist.  Die  Magen  fahren  fort  in 
ihrer  Arbeit,  und  der  Kessel  zerspringet  zum  2tenmahl,  und  verwandelt  sich  in 
das  Zimmer  einer  Hundsnärrin,  diese  tantzet  nach  ihrem  Caracteur  wieder  ihre 
Entree,  und  wird  wieder  von  den  4  Magen  auf  ihren  Ort  gebracht,  das  Zimmer 
verwandelt  sich  wieder  in  den  Kessel,  und  die  4  Magi  fahren  fort,  so  dass  der 
Kessel  zum  3tenmal  zerspringet,  und  das  Zimmer  eines  verliebten  Narren  vor¬ 
stellet,  dieser  verliebte  Narr  tanzet  auch  nach  seinem  Caracteur  und  wird  wieder 
auf  seine  Stelle  gebracht.  Das  Zimmer  verwandelt  sich  wieder  in  den  Kessel, 
wo  die  Magi  fortfahren,  an  der  Begeisterung  des  Bernardons :  endlich  zerspringet 
der  Kessel  zum  4tenmal,  und  verwandelt  sich  in  ein  Zimmer  einer  dummen 
Närrin,  diese  dumme  Närrin  wird  nach  ihrer  lächerlichen  dummen  Seen  wieder 
in  ihr  Ort  von  den  4  Magi  gebracht ;  Sie  fahren  weiter  fort  den  Kessel  zu  hitzen, 
so  dass  er  zum  ötenmal  sich  in  ein  Zimmer  eines  Musiknarren  verwandelt. 
Dieser  Musiknarr  wird  auch  wie  die  obigen  wieder  an  seinen  Ort  gebracht;  und 
die  4  Magi  geben  dem  Kessel  noch  mehr  Eeuer,  dieser  zerspringet  zum  ötenmal 
und  verwandelt  sich  in  ein  Italiänisches  Theater,  mit  allen  ihren  Caracteren. 
Eine  Närrin  welche  die  folgende  Caracteure  tanzet,  wird  von  allen  Caracteuren 
auch  gekleidet  sein,  nemlich  NB.  1.  Provensal,  2.  Türkisch,  3.  Barcarolisch,  4. 
Französisch,  5.  Arlequinisch,  6.  Scaramuzzisch  und  7.  Englisch,  wenn  diese  Närrin 
alle  Caractereur  durch  getanzet,  so  wird  sie  auch  wie  die  andere  auf  ihren  Ort  wieder 
gebracht.  Es  erscheinen  Attrabos,  und  Lagasis,  in  der  Luft,  und  streiten  um  die 
Begeisterung  des  Bernardons,  die  erste  will  es  nicht,  und  die  2te  munteret  die 
4  Magen  auf,  noch  einmal  anzufangen  und  fortzufahren.  Die  Magen  hitzen  den 
Kessel  noch  immer  zu,  und  er  zerspringet  zum  Ttenmal  und  verwandelt  sich,  in 
eine  Strohscheuer,  allwo  eine  Henne  auf  einem  Ey  sitzet,  es  kommen  6  Hüner, 
und  Hahnen  aus  dem  Ey,  und  zuletzt  Bernardon  auch  als  Hahn,  es  folget  ein 
kurz  Ballet,  von  denen  Hühnern,  und  Hahnen,  welcher  sodann  die  Pantomime, 
und  den  ersten  Aufzug  schliesset. 

Die  noch  andere  Maschinen  und  Verwandlungen  versichert  man,  dass  man 
sie  gewiss  allhier  noch  nicht  wird  gesehen  haben. 

Wir  wollen  nicht  mehr  zum  voraus  beschreiben,  damit  man  sich  desto 
mehr  versprechen  kan.  Weil  so  viele  Wochen  geschickte,  und  arbeitsame  Hände 
ihren  Fleiss  angewendet  haben,  durch  ihre  Mühe,  durch  ihre  arbeitsame  saure 
Mühe,  auch  einen  Beyfall  zu  erwerben,  auf  welchen  wir  alle  hoffen. 

Den  gänzlichen  Bescliluss  machet  ein  grosses  Ballet. 

Die  Plätze  sind  wie  gewöhnlich  in  ihrem  Preiss.  Und  der  Anfang  ist  mit  dem 

Schlag  6  Uhr. 

NB.  Auf  das  Theater  wird  niemand,  weder  bei  der  Probe,  noch  währendem 
Schauspiele  mit,  oder  ohne  Geld,  gelassen. 


XVIII. 

Mit  gnädigster  Bewilligung  eines  Hocliedlen  und  Hochweisen 
Magistrats  der  Kayserl.  Freyen  Reichs-,  Wahl-  und  Handels-Stadt 
Franckfurt  am  Mnyn, 

werden  heute,  Samstags  den  16.  September  1769,  die  Churfürstlich- 
Pfälzische  llof-Schau-Spieler,  unter  der  Direction  des  Herrn  Sebastiani, 


517 


ihre  Schaubühne  eröffnen  und  auf  derselben  verstellen,  eine  aus  dem 
Französischen  ins  Teutsche  von  Hrn.  Sebastiani  übersetzte 
Opera  Bouffa,  genannt: 

TOM  JONES  oder  TOM  JONAS. 

Personen: 

Sir  Western,  ein  Englischer  Edelmann.  Alvortliy,  Oheim  des 
Miss  Sophie,  seine  Tochter.  Blisil,  Sophiens  Bräutigam. 

Mad.  Western,  ihre  Tante.  Honora,  Sophiens  Cammer-Mädgen. 

Jonas,  Western’s  Freund.  YerschiedeneBedientenund  Bothen. 

Etliche  Piqueurs  und  Jäger. 

NB.  Diese  Oper  ist  noch  auf  keinem  Deutschen  Theätre  aufgeführt 
worden,  sie  wird  recht  gut  von  uns  vorgestellet ,  und  hat  alle 
Approbation  an  hohen  Höfen  erhalten :  weilen  viele  Gönner  erst  spät 
kommen  können,  so  wird  vorher  eine  kleine  Piece  gemacht,  betitelt  : 

Das  übel  ausgerechnete  Glück. 

NB.  Dem  geehrten  Publico  Avird  hiermit  höflich  gesaget,  dass  ohn- 
geachtet,  Avir  nicht  viele  Nachrichten  auf  die  Austheilungs-Zettel 
machen;  woran  man  öfters  eine  halbe  Stunde  zu  lesen  hat,  Avir 
dennoch  versichern  alle  unsere  Zuschauer  auf  die  feineste  und 
natürlichste  Weisse  mit  unseren  Schauspielen  zu  bedienen.  Es 
Averden  die  Messe  über  immer  neue  Commödien,  Avie  auch  Operen 
und  Ballets  gegeben,  Avelche  man  denen  Liebhabern  höflich 
empfehlet. 

Der  Schauplatz  ist  im  Junghoff  in  dem  gewöhnlichen  Comödien-Saal. 

In  denen  Logen  bezahlt  die  Person  1  fl.  Eine  ganze  Loge  zu 
8  Personen  zahlt  8  fl.  Auf  dem  Envüe  Theätre  12  Batzen.  Im  Par¬ 
terre  10  Batzen.  Und  auf  der  Gallerie  20  Kreutzer. 

Der  Anfang  ist  um  halb  6  Uhr. 

W  er  vorher  Billets  verlangt,  beliebe  solche  bey  dem 
Hrn.  Directeur  im  Junghof  abholen  zu  lassen. 


XIX. 


Auszug  aus  dem  Repertoire  der  Kurpfälzischen  Hofschauspieler  unter 
Direktion  von  Theobald  Marcliand,  während  ihrer  hiesigen  Wirksamkeit  von 
der  Ostermesse  177J  bis  zur  Ostermesse  1777. 


Opern,  Operetten,  Singspiele. 

Der  Deserteur . Opera  buffa  von  Monsigny. 

Der  angeführte  Cadi .  »  »  »  » 

Die  versch Avi egen en  Geständnisse  .  .  »  »  »  » 

Der  Falke .  »  »  »  » 

Der  König  und  der  Pächter  ....  »  »  »  » 

Röschen  und  Cola . Singspiel  »  » 

Die  schöne  Arsene . Operette  »  » 


Tom  Jones . Operette 

Der  Gärtner  von  Sidon .  » 

Der  Hufschmied .  » 

Der  Soldat  als  Zauberer .  » 

Sancho  Pansa .  » 

Der  erste  Schiffer .  » 

Peter  und  Hannchen . Operette 

Zemire  und  Azore  .......  Oper 

Der  Freund  im  Hause . Singspiel 

Das  redende  Gemälde .  » 

Die  sammitischen  Heyrathen  ....  Operette 

Lucile .  » 

Der  eifersüchtige  Liebhaber  ....  » 


von  Philidor. 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 


»  Gretry. 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 


Der  prächtige  Freygebige  .  .  . 

Die  Freundschaft  auf  der  Probe 
Die  beiden  Geizigen  .... 

Der  Hurone . 

Die  drei  Pächter . 

Julie  oder  der  kurze  Irrthum 

Blaise  und  Babet  . 

Silvain . 

Hannchen  am  Hofe . 

Die  Verstandesjägerin  .... 
Die  Freundschaft  auf  der  Probe 

Der  Dorfwahrsager . 

Die  unterbrochene  Hochzeit  .  . 

Das  Rosenmädchen  von  Salency 

Die  drei  Sultane . 

Johann  und  Johannette  .  .  . 

Anette  und  Lubin . 

Bastian  und  Bastiana  .... 

Die  beiden  Militzen . 

Anton  und  Antonette  .... 

Die  Apotheke . 

Das  Milchmädchen . 

Das  schlecht  bewachte  Mädchen 

Der  Fassbinder . 

Die  drei  Pächter . 

Die  Colonie . 

Die  seidenen  Schuhe  .... 
Das  Fischermädchen  .... 
Der  grossmüthige  Seefahrer  .  . 

Robert  und  Kaliste  .... 
Die  herrschende  Magd  .  .  . 

Der  Jäger  und  das  Milchmädchen, 


.  .  Oper 

.  .  Operette 

.  .  Opera  buffa 

»  » 

.  Singspiel 
.  » 

» 

.  Operette 

» 

.  » 

» 

» 

.  » 

» 

.  » 

.  » 

.  » 

» 

.  Singspiel 
.  Operette 
.  Singspiel 
.  Operette 

» 

.  Singspiel 
.  Operette 

» 

» 

.  » 

.  » 

» 

.  Oper 

Operette  aus  di 


von  Gretry. 

»  » 

»  » 

»  Desaides. 

»  » 

»  » 

»  » 

»  Favart. 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  » 

»  d’Azemar. 
»  Gosek. 

»  J  ust. 

»  Duni. 

»  » 

»  Audinot. 

»  Sacchini. 

»  » 

»  Fritzeri. 

»  Piccini. 

»  » 

»  Guglielmi. 
»  Pergolese. 
Französischen. 


510 


Der  Schuhflicker . Operette  aus  dem  Französischen. 

Der  Schlosser .  »  »  »  » 

Der  Zauberer .  »  »  »  » 

Die  Bataille  bei  Ivry . Oper  von  Martini. 

Alceste .  »  »  Schweizer. 

Das  Elisium .  »  »  » 

Die  verwandelten  Weiber  oder  der  Teufel 

ist  los . Singspiel  von  Filler. 

Fee  Urgelle .  »  »  » 

Der  lustige  Schuster .  »  »  » 

Lisuart  und  Dariolette .  »  »  » 

Der  Dorfbarbier .  »  »  » 

Der  Aerndtekranz .  »  »  » 

Die  Jubelhochzeit .  »  »  » 

Die  Jagd .  »  »  » 

Die  Muse .  »  »  » 

Die  Schäfer  als  Pilgrime . Prolog  »  » 

[Der  Text  zu  den  meisten  Hiller’schen  Singspielen  ist  von  Weisse 
verfasst,] 

Amors  Guckkasten  . Operette  von  Neefe. 

Die  Apotheke .  »  »  » 

Der  neue  Gutsherr .  »  »  » 

Das  Rosenfest . Singspiel  »  Wolf. 

Die  treuen  Köhler .  »  »  » 

Die  Dorfdeputirten  .  »  »  » 

Das  Gärtnermädcken .  »  »  » 

Das  grosse  Loos .  »  »  » 

Der  Mann  nach  der  Uhr .  »  »  Hippel. 

Milton .  »  »  Reinwald. 

Der  Kaufmann  von  Smyrna  ....  »  »  Stegmann. 

Apollo  unter  den  Hirten .  »  »  » 

Die  Rekruten  auf  dem  Lande  ...  »  »  » 

Die  Roseninsel .  »  »  » 

Der  Töpfer .  »  »  Andre. 

Der  alte  Freier  .  »  >>  » 

Der  Barbier  von  Seviglia .  »  »  » 

Der  Dorfjahrmarkt .  »  »  Benda. 

Der  Holzbauer .  »  »  » 

Lukas  und  Bärbchen .  »  »  » 

Die-  glückliche  Zusammenkunft,  Singspiel  nach  dem  Französischen. 

Julchens  Heyrath .  »  »  »  » 

Die  vermummte  Fischerin  .  .  »  »  »  » 

Schau-  und  Ijustspiele: 

Der  Essigmann  mit  seinem  Schubkarrn,  Drama  von  Mercier,  in’s 
Deutsche  übersetzt  von  M[archand]. 


520 


Der  Deserteur  aus  Kindesliebe,  Drama  von  Götter  nach  Mercier. 

Der  Hausvater,  Drama  von  Diderot. 

Der  Töpfer,  Lustspiel  aus  dem  Französischen.  [Nicht  zu  verwechseln 
mit  Andre’s  Singspiel.] 

Eugenie,  Lustspiel  nach  Beaumarchais. 

Der  Graf  von  Walltron  oder  die  Subordination,  Schauspiel  von  Möller. 

Die  junge  Indianerin,  ein  neu  bearbeitetes  Schauspiel  aus  dem  Fran¬ 
zösischen  des  Chamfort. 

Das  schöne  Blumenmädchen,  ein  neu  bearbeitetes  Schauspiel  mit  ein¬ 
gelegten  Arien  aus  dem  Französischen. 

Der  Tuchfabrikant  von  London,  Drama  a.  d.  Französischen  von  Favart. 

Julie  oder  der  gute  Vater,  Schauspiel. 

Beiisar,  Schauspiel  mit  eingelegten  Arien. 

Die  beyden  Freunde  oder  der  Kaufmann  aus  Lyon,  Schauspiel  mit 
eingelegten  Arien. 

Clary,  Schauspiel. 

Die  Waisen,  Schauspiel.  • 

Die  verschmitzte  Vorsicht,  Lustspiel  von  Beaumarchais. 

Das  Duell,  Lustspiel  von  Jestern. 

Der  Eifersüchtige,  der  es  nicht  sein  will,  Lustspiel  nach  dem  Fran¬ 
zösischen  von  Pfeffel. 

Die  verliebten  Thorheiten,  Lustspiel  nach  dem  Französischen. 

Die  abgedankten  Offiziers,  Lustspiel  nach  dem  Französischen  von 
H.  Stephanie  j. 

Die  natürliche  Zauberey,  eine  Maschinencomödie  von  H.  Stephanie  j. 

Die  Berliner  Landkutsche,  Lustspiel. 

Herzog  Michel,  Lustspiel. 

Die  Drillinge,  Lustspiel  von  Bon  in,  aus  dem  Französischen  übersetzt 
von  M[archand]. 

Der  wohlthätige  Murrkopf,  Lustspiel. 

Der  poetische  Dorfjunker,  aus  dem  Französischen  des  Destouches. 

Der  Geizige,  Lustspiel  aus  dem  Französischen  des  Moliere. 

Die  gelehrten  Frauen,  Lustspiel  aus  dem  Französischen  des  Moliere. 

Der  Fostzug  oder  die  noblen  Passionen,  Lustspiel  von  Avrenhoff. 
|  Dieses  Stück  gefiel  Friedrich  dem  Grossen  am  besten  von  allen 
deutschen  Lustspielen.] 

Die  Wildschützen,  Lustspiel  mit  Gesang  von  H.  Stephanie  j. 

Der  glückliche  Geburtstag,  Lustspiel  von  Schlotter. 

Der  allzu  gefällige  Ehemann,  Lustspiel  mit  eingelegten  Arien  aus 
dem  Französischen. 

Der  Hoffmann,  Lustspiel. 

Die  Maskerade,  eine  neue  Comödie  mit  Gesang  aus  dem  Französischen. 


[Was  die  Gattungsbezeichnungen  der  Stücke  des  hier  zusammen¬ 
gestellten  theilweisen  Repertoires  von  Marchand  anbetrifft,  so  sind 


) 


—  521  — 


dieselben  genau  nach  den  auf  den  Theaterzetteln  und  sonstigen  Publi¬ 
kationen  gemachten  Angaben  beigesetzt  worden.] 


Mit  gnädigster  Erlaubnüss  Eines  Hochedlen  und  Hochweisen 
Magistrats  der  Kayserl.  Freven  Reichs-  Wahl-  und  Handels-Stadt 
Frankfurt  am  Mayn  werden  heute  Montags  den  24.  October  1774 
Die  Chur-Pfälzischen  Hof-Schauspieler, 

Unter  der  Direction  des  Herrn  Marchand, 

Die  Ehre  haben  ihren  Schauplatz  zu  eröffnen,  und  auf  demselben 

aufführen : 

Ein  gantz  neues,  hier  noch  nie  aufgeführtes  Lustspiel,  in  Prosa  und 

drey  Aufzügen. 

Genannt : 

DES  FOLIES  AMOUREUSES,  Die  verliebten  Thorheiten. 


P ersonen: 

Albert,  Vormund  der  Agathe  .  .  .  Herr  Wolffram. 

Agathe,  seine  Mündel . Madam  Mierck. 

Erast,  ihr  Liebhaber . Herr  Stierle. 

Lisette,  Kammermädgen  der  Agathe  .  Mad.  Urban. 
Crispin,  Erastens  Bedienter  ....  Herr  Mierck. 


Den  Beschluss  macht  eine  Operette,  in  einem  Aufzug.  Genannt: 

SILVA  IN.  Silwain. 

Es  wird  Niemand  bey  der  Probe  noch  unter  währender  Comödie, 
mit  oder  ohne  Geld  auf  das  Theater  gelassen. 

NB.  Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  die  Billietter,  welche  gelösst 
werden,  den  nemlichen  Tag  abgegeben  werden  müssen,  auf  künftige 
Tage  sind  sie  ungültig. 

Der  Anfang  ist  mit  dem  Glockenschlag  6  Uhr. 

Die  Person  zahlt  in  den  Logen  und  Parquet  einen  Gulden, 
eine  ganze  Loge  zu  8  Gulden,  Parterre  10  Batzen,  Gallerie  20  Kreutzer, 
und  auf  dem  letzten  Platz  12  Kreutzer. 

Der  Schauplatz  ist  im  neuerbauten  Oomödien-Hauss  im  Junghof. 

Wer  vorhero  Bidets  verlangt,  beliebe  solche  bey  dem  Directeur, 
auf  dem  Rossmarck  an  der  Allee  in  des  Herrn  Scheideis  Behaussung 
abholden  zu  lassen. 


Mit  gnädigster  Erlaubnüsseines  Hochedlen  und  Hochweisen  Magistrats 
der  Kays,  freven  Reichs-,  Wahl-  und  Handels-Stadt  Frankfurt  am  Mayn 
werden  heute,  Donnerstags  den  12.  September  1771  die  Chur-Pfäl¬ 
zischen  Hof-Schauspieler  unter  der  Direktion  des  Herrn  Marchand, 
die  Ehre  haben,  ihren  Schauplatz  zu  eröffnen  und  auf  demselben  auf¬ 
führen  eine  Opera  Bouffa  in  drey  Aufzügen,  aus  dem  Französischen 
ins  Deutsche  übersetzt.  Genannt : 

LE  DESERTEUR,  Oder:  Der  Deserteur. 


Personen: 


Alexis,  ein  Soldat . Herr  Huck. 

Johann  Ludwig,  ein  Invalit  . Herr  Hellmuth. 

Die  Base  des  Alexis . Madem.  Köllerin. 

Louise,  Tochter  des  Johann  Ludwig . Mad.  Brochard. 

Hannchen,  eine  junge  Bäuerin . Mad.  Marchand. 

Himmelsturm,  ein  Dragoner . Herr  Marchand. 

Bertrand,  ein  Yetter  des  Alexis . Herr  Pilotti. 

Couchemin,  ein  Brigadier  von  der  Marechaussee.  Herr  Schröder. 

Erick,  ein  Thurmhüter . Herr  Grosse. 

Eine  Menge  Yolcks  und  Soldaten. 


Den  Beschluss  macht  ein  Pantomimisches  Ballet. 

Es  wird  hiermit  erinneret,  dass  bey  unsrer  Gesellschaft  nicht 
gebräuchlich,  in  den  Comödien-Zettlen  grosse  Nachrichten  zu  setzen, 
wo  man  gemeiniglich  zum  voraus  das  Stück  zu  loben  pflegt,  wir 
überlassen  es  den  geneigten  Gönnern  den  Werth  davon  zu  bestimmen. 

NB.  Es  dienet  zur  Nachricht,  dass  die  Billietter  welche  gelösst 
werden,  den  nemlichen  Tage  abgegeben  werden  müssen,  auf  künfftige 
Tage  sind  sie  ungültig. 

Der  Anfang  ist  mit  dem  Glockenschlag  6  Uhr. 

Die  Person  zahlet  auf  den  ersten  Logen  1  Gulden,  eine  ganze  Loge 
zu  8  Gulden,  auf  dem  Amphitheater  12  Batzen,  auf  dem  Parterre 
10  Batzen,  auf  der  Gallerie  20  Kreutzer,  und 
auf  dem  letzten  Platz  12  Kreutzer. 

Der  Schauplatz  ist  im  Junghof  in  dem  gewöhnlichen  Comödien-Saal. 

Wer  vorhero  Billots  verlangt,  beliebe  solche  bey  dem  Directeur, 
im  Junghof  abhohlen  zu  lassen. 


XX. 

Seyler’s  Repertoire  (unvollständig:)  1777  Herbstmesse. 

Der  geadelte  Kaufmann,  ein  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen  von  J.  Chr. 

Brandes . den  26.  August. 

Melanide.  Eine  Comödie  in  fünf  Akten  nach  dem  Französischen  des 
de  la  Chaussee.  —  Hierauf  ein  pantomimisches  Ballet :  Die  Kroaten 

vom  Balletmeister  Schulz . den  27.  August. 

Der  Barbier  von  Sevilla.  Ein  Lustspiel  mit  Gesängen  in  vier  Auf¬ 
zügen  von  Herrn  Grossmann  nach  dem  Französischen  des  Herrn 
von  Beaumarchais  . den  28.  August. 

Der  Lügner.  Ein  Ijustspiel  des  Herrn  v.  Goldoni  in  drei  Aufzügen. 
Nach  der  Saalischen  Übersetzung.  Dazu  ein  Ballet:  Wurst  wider 
Wurst  oder  die  Matrosen  und  Werber. 

Der  Tadler  nach  der  Mode  oder  ich  weiss  es  besser.  Ein  Lust¬ 
spiel  in  drei  Akten  von  Herrn  Stephanie  dem  Jüngern.  —  Dazu 


02.J 


ein  Ballet :  das  sogenannte  Narrenballet  oder  »Jedes  Amt  hat 
seine  Beschwerden«  von  Balletmeister  Schulz  den  1.  September. 

Romeo  und  Julie.  Eine  ernsthafte  Oper  mit  gesprochenen  Dialog 
von  Herrn  Götter,  in  drei  Akten.  Die  Musik  ist  von  Herrn 
Kapelldirektor  Benda.  —  Dazu  ein  Ballet:  Der  Kobold  oder  die 
Bergleute  vom  Balletmeister  Schulz  .  .  .  den  2.  September. 

Die  Hochzeitfeyer  oder  die  Schwiegermutter  in  fünf  Akten  von  J.  Chr. 
Brandes . den  5.  September. 

Der  dankbare  Sohn  von  Engel  und  die  Dorf-Gala  von  Herrn  Götter  in 
Gotha;  Musik  von  Kapellmeister  Schweizer.  Operette  den  6.  Septbr. 

Emilia  Galotti  nebst  einem  Ballet  zum  Besten  der  beiden  milden 
Stiftungen . den  18.  September. 

Aufführungen  an  unbestimmten  Daten. 

Merope  nach  Voltaire’s  gleichnamiger  Tragödie  frei  bearbeitet  von  Götter. 

Henriette  oder  sie  ist  schon  verheirathet.  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen 
von  Grossmann  und  ein  pantomimisches  Ballet. 

Die  Pilgrimschaft  nach  Mekka,  Operette. 

Der  Zigeuner,  Farce  von  Möller,  mit  Musik  von  Christian  Gottlob  Neefe. 

Richhard  III.,  Trauerspiel  von  J.  Weise. 

Minna  von  Barnhelm,  Lustspiel  von  Lessing. 

Die  Liebe  auf  dem  Lande,  Operette,  Text  von  Götter,  Musik  von  Weise. 

Feststellbare  Aufführungen  der  Seylerschen  Truppe 
in  den  beiden  Messen  1778  und  1779. 

Emilia  Galotti,  Trauerspiel  von  Lessing. 

Clavigo,  Trauerspiel  von  Goethe. 

König  Richhard  in.,  Trauerspiel  nach  Shakespeare  von  J.  Weise. 

Graf  Olzbach,  Trauerspiel  von  Brandes. 

Macbeth,  Trauerspiel  nach  Shakespeare  von  H.  L.  Wagner. 

Evchen  Humbrecht  oder  ihr  Mütter  merkt’s  euch,  Trauerspiel  von 
H.  L.  Wagner. 


Hamlet  |  Trauerspiele  von  Shakespeare  in  Schröders  Bearbeitung. 

Eduard  Montrose,  Trauerspiel  von  Dyck. 

Götz  von  Berlichingen,  Schauspiel  von  Goethe. 

Der  Graf  von  Walltron  oder  die  Subordination,  Schauspiel  von  Möller. 

Marianne,  Schauspiel  von  Götter. 

Der  Edelknabe  1  0  „ 

-p.  n  1 1  oi  1  Schauspiele  von  Engel. 

Der  dankbare  Sohn  ]  1  ö 

Ariadne,  Duodrama  von  Benda. 

Sophonisbe,  Monodrama  von  Neefe. 

Juliana  von  Lindorak,  Schauspiel  von  Gozzi. 

Minna  von  Barnhelm,  Lustspiel  von  Lessing. 

Wissenschaft  geht  vor  Schönheit,  Lustspiel  von  Bock  nach  Goldoni. 
Henriette  oder  sie  ist  schon  verheyrathet,  Lustspiel  von  Grossmann. 
Nicht  mehr  als  sechs  Schüsseln,  Lustspiel  von  Grossmann, 


524 


Der  Eifersüchtige,  Lustspiel  von  Stephanie  j. 

Der  Kobold  \ 

Der  Ehescheue  |  Lustspiele  von  Götter. 

Der  argwöhnische  Ehemann  J 

Der  Postzug,  Lustspiel  von  Avrenhoff. 

Die  verstellte  Kranke,  Lustspiel  von  Goldoni. 

Der  Tadler  nach  der  Mode,  Lustspiel  von  Stephanie  j. 

Sind  die  Verliebten  nicht  Kinder?  Lustspiel  von  Reichhard  nach  Goldoni. 
Robert  und  Kalliste,  Operette  von  Guglielmi. 

Die  schöne  Arsene.  Operette  von  Monsigny. 

Zemire  und  Azor,  Oper  von  Gretry. 

Die  drei  Pachter,  Operette  (Siehe  den  abgedruckten  Theaterzettel). 
Der  Barbier  von  Sevilla,  Operette  /  .  , 

Der  Töpfer,  Operette  (  von  Audrft 

Die  Sclaven 

Der  Fassbinder,  Operetten  von  Faber. 

Alceste,  Oper,  [ob  dieselbe  von  Gluck  oder  Schweizer,  ist  wegen  der 
Unvollständigkeit  des  Theaterzettels  nicht  zu  entscheiden]. 

Die  Liebe  auf  dem  Lande,  Operette  von  Hiller,  Text  von  Weisse. 
Theseus  und  Ariadne,  Oper  von  Gretry. 

Den  meisten  der  Stücke  folgte  ein  pantomimisches  Ballet  nach. 


Mit  gnädigster  Erlaubniss  eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats,  der  Kavserl.  Freyen  Reichs-,  Wald-  und  Handels-Stadt 
Frankfurt  am  Mayn,  wird  heute,  den  16.  May  1777,  von  der  Sey- 
ler’schen  Schauspieler-Gesellschaft  aufgeführt : 
HENRIETTE  oder  SIE  IST  SCHON  VERHEYRATHET, 
Lustspiel  in  fünf  Akten  von  Herrn  Grossmann. 


Der  Obrist  von  Freyhof . Herr  Möller. 

Die  Obristin  von  Freyhof . Mad.  Seyler. 

Henriette,  deren  Tochter, . Mad.  Toskani. 

Baron  von  Sternfels . Herr  Opitz. 

Sieur  Blainville . Herr  Borchers. 

Der  Graf  von  Hochburg . Herr  Toskani. 

Monsieur  Antoine,  Bedienter  des  Sieur  Blainville,  Herr  Grossmann. 

Johann,  Bedienter  des  Obristen, . Herr  Honsel. 

Katharine,  Kammermädchen  der  Henriette,  .  .  .  Mad.  Fiala. 


Den  Beschluss  macht  ein  grosses  pantomimisches  Ballet,  betitelt: 
Die  Fischer  oder  der  betrogene  Ehemann 
von  der  Erfindung  des  Herrn  Balletmeister  Schulz. 

Es  wird  Niemand  bev  der  Probe  noch  unter  währender  Comödie, 
mit  oder  ohne  Geld  auf  das  Theater  gelassen. 

Der  Anfang  ist  mit  dem  Glockenschlag  6  Uhr.  Die  Person  zahlt  in 
den  Logen  und  im  Parquet  einen  Gulden,  eine  gantze  Loge  zu 
8  Gulden,  Parterre  10  Batzen,  Gallerie  20  Kreutzer,  und  auf  dem 
letzten  Platz  12  Kreutzer. 


525 


Der  Schauplatz  ist  im  neuerbauten  Comödien-Haus  im  Junghof. 
Eillets  können  im  Scheidelischen  Hause  an  der  Allee  bei  Herrn  Seyler 
abgeholt  werden,  aber  nicht  länger  als  denselben  Tag  gültig  seyn. 


Mit  gnädigster  Erlaubniss  eines  Hoch-Edlen  und  Hoch-Weisen 
Magistrats  der  Kayserl.  Freyen  Reichs-,  Wahl-  und  Handels-Stadt 
Franckfurt  am  Mayn,  wird  heute,  Mittwochs  den  21.  April  1779 
von  der  Seyler' 'sehen  Schauspieler-Gesellschaft  aufgeführt : 

DES  TROIS  FERMIERS,  DIE  DREI  PACHTER, 
eine  ganz  neue,  hier  noch  niemals  gesehene  ländliche  Operette  in 
zween  Akten.  Nach  dem  Französischen  des  Herrn  Monvel 
von  W.  G.  Becker. 

Personen : 

Herr  von  Esten . Herr  Möller. 

Graf  von  Kirchheim, . Herr 

Georg  Weyher,  Pachter  des  Herrn  von  Esten,  im 
Altenburgischen,  und  in  dasiger  Bauertracht, 
seine  Söhne,  beyde  Pachter 
des  Herrn  von  Esten,  nicht 


Herr  Hensel. 


Jakob  Weyher, 


Peter  Weyher, 


im  Altenburgischen, 


Herr  Denimer. 
Herr  Pöschel. 
Madam  Pöschel. 


Regine,  Frau  des  Jakob  Weyherr,  .... 

Lieschen,  |  Schwestern  und  Töchter  des  Jakobs  Madam  Dauer. 

Dortchen,  f  und  der  Regine,  . Madlle.  Kirehhüffer. 

Michel  Weyherr,  Peters  Sohn  und  Lieschens 

Bräutigam, . Herr  Dauer. 

Tötfel,  ein  junger  Bauer,  Dörfchens  Liebhaber,  Herr  Müller. 

Hans,  ein  Knecht  des  alten  Georg  Weyher,  auch 
in  Altenburgischer  Bauerntracht. 


des  Jakobs  Weyher. 


Ein  Knecht, 

Eine  Magd, 

Der  Text  der  Arien  ist  am  Eingänge  für  drey  Batzen  gedruckt 

zu  bekommen. 

Den  Beschluss  macht  ein  grosses  pantomimisches  Ballet  von  der 
Erfindung  des  Hrn.  Balletmeisters  Schulz,  betitelt: 
Schwarz  und  Weiss. 

Es  wird  Niemand  bev  der  Probe  noch  unter  währender  Comödie, 
mit  oder  ohne  Geld  auf  das  Theater  gelassen. 

Der  Anfang  ist  mit  dem  Glockenschlag  6  Uhr.  Die  Person  zahlt  in 
den  Logen  und  Parquet  einen  Gulden,  eine  gantze  Loge  zu  8  Gulden, 
Parterre  10  Batzen,  Gallerie  20  Kreutzer,  und  auf  dem  letzten  Platz 
12  Kreutzer.  Der  Schauplatz  ist  im  neuerbauten 
Commödien-Haus  im  Junghof. 

Billets  können  im  Scheidelischen  Hause  an  der  Allee  bei  Herrn  Seyler 
abgeholt  werden,  aber  nicht  länger  als  denselben  Tag  gültig  seyn. 


52G 


XXI. 


Verzeichntes  der  Trauer-  Schau-  Lustspiele  und  Operetten,  so  von  der 
Neuliausisclieii  Schauspieler-Gesellschaft  aufge  führt  werden. 


1)  Trauer-  und  Schauspiele. 

Mariane,  Trsp.  in  3  Aufzügen  von  Herrn  Götter. 

Julius  von  Tarent,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Leisewitz. 

Emilia  Galotti,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Lessing. 

Romeo  und  Julie,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Weise. 

Julie  und  Bellmont,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Sturz. 

Hamlet,  Trsp.  in  6  Aufz.  von  Hrn.  Bock,  nach  Schakespear. 

Richard  der  zweite,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Fischer,  nach  Schakespear. 
Makbeth,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Wagner,  nach  Schakespear. 
Clavigo,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Götlie. 

Elfride,  Trsp.  aus  dem  Englischen  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Bettuch. 
Bewerley,  Trsp.  in  5  Aufz.  aus  dem  Französischen  von  Hrn.  Saurin. 
Olivie,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Brandes. 

Ines  de  Castro,  Trsp.  in  5  Aufz.  aus  dem  Franz,  von  Hrn.  Bertuch. 
Edwin  und  Erna,  Schsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Schraml. 

Hie  Mediceer,  Sclisp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Brandes. 

Adelhaide  von  Ponthieu,  Sclisp.  in  5  Aufz. 

Die  Kriegsgefangene,  Sclisp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 
Eugenie,  Sclisp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Beaumarchais. 

Der  Tuchfabricant  von  Londen,  Sclisp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Favart. 
Walwais  und  Adelaide,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  v.  Dahlberg. 
Juliane  von  Lindorac,  Sclisp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Gozzi. 

Arno,  Sclisp.  in  2  Aufz.  von  Hrn.  Babo. 

Eduart  Montrose,  Trsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Dyck. 

Freygeist,  Sclisp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Lessing. 

Graf  von  Waltron,  Schsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Möller. 

Albert  der  erste,  Schsp.  in  3  Aufz.  aus  dem  Franz,  von  Hrn.  Weisse. 
Jean  Calas,  von  Hrn.  Weisse. 

Die  Feuersbrunst,  Schsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Grossmann. 

Die  Erbschaft,  Schsp.  in  3  Aufz. 

Wie  mans  macht  so  gelits,  Schsp.  in  5  Aufz. 

Ehrsucht  und  Schwatzhaftigkeit,  Schsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Dick. 
Der  Bürger,  Trsp.  in  3  Aufz. 

Die  Flucht,  Trsp.  von  Hrn.  Weisse. 

2)  Lustspiele. 

Die  Holländer,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Bock. 

Dia  abgedankten  Officiere,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 
Der  Deserteur  aus  Kindesliebe,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Stephani  jun. 
Der  allzugefällige  Ehemann,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Stephani  jun. 

Die  Feldmühle,  Lsp.  in  2  Aufz.  von  Hrn.  Richter. 

Schule  der  Damen,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  senior. 


Der  Furchtsame,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Hafner. 

Trau,  schau,  wem?  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Brandes. 

Der  Graf  von  Olsbaeh,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Brandes. 

Henriette,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Grossmann. 

Mina  von  Barnhelm,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Lessing. 

Der  Postzug,  Lsp.  in  2  Aufz.  von  Hrn.  v.  Ayrenhof. 

Präsendirt  das  Gewehr,  Lsp.  in  2  Aufz.  von  Hrn.  Müller. 

Die  seltsame  Probe,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Wezel. 

Der  Schein  botrügt,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Brandes. 

Der  Schmuck,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Sprickmann. 

Der  Schneider  und  sein  Sohn,  Lsp.  in  2  Aufz.  von  Hrn.  Fuss. 

Der  Schuster  und  sein  Freund,  Lsp.  in  2  Aufz.  von  Graf  Türring. 
Der  Spleen,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 

Der  adeliche  Tagelöhner,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  v.  Nesselrode. 
Titus,  ein  Vorspiel,  in  1  Act  von  Hrn.  Engel. 

Der  Volontair,  ein  Vorspiel,  in  1  Act,  von  Hrn.  Plümicke. 

Die  Wirthschafterin,  Lsp.  in  2  Acten,  von  Hrn.  Stephani  jun. 

Die  Wölfe  in  der  Heerde,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 
Die  Wohlgebohrne,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 

Die  Drillinge,  Lsp.  in  4  Aufz.  aus  dem  Franz,  von  Hrn.  v.  Bonin. 
Der  Barbier  von  Seville,  Lsp.  mit  Gesang,  in  4  Aufz.  von  Hrn.  von 
Beaumarchais. 

Soliman  der  2te,  Lsp.  mit  Gesang,  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Favart. 

Die  sanfte  Frau,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Engel. 

Geschwind,  eh  es  jemand  erfährt,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Bock. 
Die  Nebenbuhler,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Engelbrecht. 

Der  Ton  der  grossen  Welt,  Lsp.  in  2  Aufz.  von  Hrn.  v.  Helmold. 
Die  Verkleidung,  Lsp.  in  3  Aufz.  nach  dem  Franz,  von  Hrn.  Schwan. 
Verwirrung  über  Verwirrung,  Lsp.  in  5  Aufz.  nach  Calderon  de  la 
Barka. 

Der  Westindier,  Lsp.  in  5  Aufz.  aus  dem  Engl,  von  Hrn.  Bode. 
Wie  man  eine  Hand  umkehrt,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Bock. 

Der  argwöhnische  Ehemann,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Götter. 

Die  bestrafte  Neugierde,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 

Der  Tadler  nach  der  Mode,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 
Das  neugierige  Frauenzimmer,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Goldoni. 
Der  geadelte  Kaufmann,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Brandes. 

Sind  die  Verliebten  nicht  Kinder?  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Reichard. 
Die  eifersüchtige  Ehefrau,  Lsp.  in  5  Aufz.  aus  dem  Engl,  von  Hrn.  Bode. 
Der  glückliche  Geburtstag,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Schietter. 

Der  poetische  Dorfjuncker,  Lsp.  in  5  Aufz. 

Der  Kobold,  Lsp.  in  4  Aufz.  von  Hrn.  Götter. 

Rache  für  Rache,  Lsp.  in  4  Aufz.  von  Hrn.  Wetzel. 

Der  Ehescheue,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Götter. 

Zu  gut  ist  nicht  gut,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Schmidt. 


5-28 


Das  Muttersöhnchen,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hin.  Reichard  nach  Goldoni. 
Der  Weltbürger,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Reichard  nach  Goldoni. 

Der  glückliche  Bräutigam,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Stephani  jun. 
Der  Jurist  und  der  Bauer,  Lsp.  in  2  Aufz.  von  Hrn.  Rautenstrauch. 
Nicht  mehr  als  sechs  Schüsseln,  Lsp.  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Grossmann. 
Der  aufbrausende  Liebhaber,  Lsp.  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Dick. 

Die  Wildschützen,  Lsp.  mit  Gesang,  in  5  Aufz.  von  Hrn.  Stephani. 
Der  Geitzige,  nach  Meliere. 

Carl  und  Sophie,  oder  die  Phisionomie  von  Bretzner. 

Die  Alcalde  von  Zalamea,  Lsp.  in  5  Aufz.  nach  Calderon. 

3)  Nachspiele. 

Der  dankbare  Sohn,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Engel. 

Der  Diamant,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Engel. 

Der  Würzkrämer,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Schumniel. 

Der  Strich  durch  die  Rechnung,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Rauten  Strauch. 
Zama,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Krauseneck. 

Die  3  Brüder  als  Nebenbuhler,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Andre,  aus 
dem  Französischen. 

Der  ungegründete  Verdacht,  Lsp.  in  l  Act,  von  Hrn.  Brahm. 

Nacht  und  ohngefähr,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Reichard. 

Das  Weibergeklatsche,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Weisse. 

Die  Juden,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Lessing. 

Der  Edelknabe,  Lsp,  in  1  Act,  von  Hrn.  Engel. 

Die  Aussteuer,  Lsp.  in  1  Act,  aus  dem  Franz,  von  Hrn.  Schwan. 
Ertappt,  ertappt!  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Wetzel. 

Die  grosse  Batterie,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  v.  Ayrenhof. 

Das  Lotto,  Lsp.  in  l  Act,  von  Hrn.  Schubert. 

Der  Bettler,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Bock. 

Die  Reisenden,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Ratleff. 

Jost  von  Bremen,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Eckart. 

Die  beyden  Fächer,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Scholz. 

Die  unschuldige  Frau,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Schummel. 

Der  Sprödenspiegel,  Lsp.  in  1  Act. 

Die  falsche  Vergiftung,  Lsp.  in  1  Act. 

Die  beyden  Hüthe,  Lsp.  in  1  Act. 

Fritzei  von  Mannheim,  Lsp.  in  1  Act,  von  Hrn.  Eckert. 

Der  Schwätzer,  von  Reichard. 

Die  Ungetreue,  von  Reichard. 

Der  sehende  Blinde,  von  Meyer. 

4)  0  p  e  r  n. 

Zemire  und  Azore,  Oper  in  4  Acten  von  Hrn.  Gretry. 

Der  Deserteur,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Monsigny. 

Bataille  bey  Ivry,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Martini. 

Der  Freund  von  Hause,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Gretry. 

Die  Freundschaft  auf  der  Probe,  Oper  in  2  Akten  von  Hrn.  Gretry. 


529 


Anton  und  Antonette,  Oper  in  2  Acten  von  Hrn.  Gosek. 

Der  Jahrmarkt,  Oper  in  2  Acten  von  Hrn.  Benda. 

Die  Apotheke,  Oper  in  2  Acten  von  Hrn.  Just. 

Tom  Jones,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Philidor. 

Julie,  oder  der  kurze  Irrthum,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Desaides. 
Das  redende  Gemählde,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Gretrv. 

Das  Milchmädchen,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Duni. 

Röschen  und  Colas,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Monsigny. 

Lucile,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Gretry. 

Die  Jagd,  Oper  in  3  Aufz.  von  Hrn.  Hiller. 

Die  verwandelten  Weiber,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Hiller. 

Der  Fassbinder,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Audinot. 

Der  Holzhauer,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Benda. 

Der  Soldat  als  Zauberer,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Philidor. 

Der  grossmüthige  Seefahrer,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Piccini. 

Das  Elisium,  Oper  in  1  Act  von  Hrn.  Schweitzer. 

Medea,  Duodrama,  von  Hrn.  Benda. 

Ariadne  auf  Naxos,  Duodrama,  von  Hrn.  Benda. 

Die  schöne  Arsen e,  Oper  in  4  Acten  von  Hrn.  Monsigny. 

Der  Hufschmied,  Oper  in  2  Acten  von  Hrn.  Philidor. 

Colonie,  Oper  von  Hrn.  Saccini. 

Fischermädchen,  Oper  in  2  Acten  von  Hrn.  Piccini. 

Der  eifersüchtige  Liebhaber,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Gretry. 
Robert  und  Kaliste,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Guglielmi. 

Die  seidene  Schuh,  Oper  in  2  Acten  von  Hrn.  Frizeri. 

Die  beiden  Geizigen,  Oper  in  2  Acten  von  Hrn.  Gretry. 

Der  prächtige  Freigebige,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Gretry. 

Die  samitischen  Heyrathen,  Oper  von  Hrn.  Gretry. 

Die  3  Pächter,  Oper  in  3  Acten  von  Hrn.  Saccini. 


XXII. 


Repertoire  der  Kurcölnischen  Gesellschaft  unter  Direktion  von 
Grossmann  und  Hellmuth  in  der  Ostermesse  1780. 


Den  28.  März:  »Die  Ankunft«,  ein  allegorisches  Vorspiel,  worauf 
folgte  »Julius  von  Tarent«  von  Leisewitz. 

Den  29.  März  :  »Juliana  von  Lindorak«,  ein  Schauspiel  in  fünf  Auf¬ 
zügen  vom  Grafen  Gozzi,  umgearbeitet  von  Schröder  und  Götter. 
Den  Beschluss  machte  »Der  Diamant«,  ein  Lustspiel  in  einem 
Aufzug  vom  Professor  Engel  nach  dem  Französischen  des  Colle. 

Den  30.  März:  »Die  schöne  Arsene«,  ein  Singspiel  aus  dem  Fran¬ 
zösischen  in  vier  Aufzügen,  in  Musik  gesetzt  von  Monsigny. 

34 


530 


Den  31.  März:  »Die  sanfte  Frau«,  ein  Lustspiel  in  drei  Aufzügen  von 
Engel  nach  Goldoni.  Den  Beschluss  machte  »Ariadne  auf  Naxos« 
ein  Duodrama  von  J.  Chr.  Brandes  mit  musikalischen  Akkom¬ 
pagnements  von  dem  Kapelldirektor  Benda. 

Den  1.  April:  »Spass  und  Ernst«,  ein  Lustspiel  in  zwei  Aufzügen, 
den  Beschluss  machte  »Der  Hufschmied«,  eine  komische  Oper  in 
zwei  Aufzügen  von  Guetani;  in  Musik  gesetzt  von  Philidor. 

Den  3.  April:  (Siehe  den  in  dieser  Beilage  abgedruckten  Zettel.) 

Den  4.  April:  »Julie«,  ein  Lustspiel  mit  Gesang  in  drei  Aufzügen 
von  Monvel;  nach  einer  Uebersetzung  von  G.  F.  W.  Grossmann. 
In  Musik  gesetzt  von  des  Aides. 

[Dieses  Stück  gefiel  in  Frankfurt  sehr;  es  wurde  auch  am 
30.  September  1780  als  Schlussvorstellung  mit  Mdslle.  Josephi 
in  der  Titelrolle  unter  grossem  Beifall  aufgeführt]. 

Den  5.  April:  »Wissenschaft  geht  vor  Schönheit«.  Ein  Lustspiel  in 
drei  Aufzügen  von  Bock  nach  Goldoni.  Den  Beschluss  machte 
»Der  verjüngte  Greis«,  eine  Kinder-Pantomime  in  einem  Auf¬ 
zuge  von  J.  Huber.  [In  dieser  Pantomime  stellte  Mdslle.  Flittner 
Grossmanns  Stieftochter ,  (die  spätere  Bethmann-Unzelmann) 
einen  Greis,  seine  kleine  rechte  Tochter  einen  Cupido  und  die 
jüngste  Tochter  des  Direktors  Hellmuth  die  Schäferin  Cloris  dar.] 

Den  6.  April :  »Der  Schwätzer«  Lustspiel  in  einem  Aufzuge  von 
Boissy  den  Beschluss  machte  »Der  Deserteur«,  eine  Operette  in 
drei  Aufzügen  von  Sedaine,  in  Musik  gesetzt  von  Monsigny. 

Den  7.  April:  »Borneo  und  Julie«.  Ein  Trauerspiel  in  fünf  Auf¬ 
zügen  von  Weisse. 

Den  8.  April :  »Die  Verkleidung«,  ein  Lustspiel  in  drei  Aufzügen 
nach  Marivaux.  Den  Beschluss  machte  »Die  Dorfgalla«,  ein 
Lustspiel  in  einem  Aufzuge  von  Götter,  in  Musik  gesetzt  von 
Schweizer. 

Den  10.  April:  »Hamlet,  Prinz  von  Dänemark«,  ein  Trauerspiel  in 
fünf  Aufzügen  von  Schröder  nach  Shakespeare  [Opitz  war  vor¬ 
trefflich  in  der  Titelrolle,  ebenso  Madame  Fiala  als  Ophelia]. 

Den  11.  April:  »Miss  Jenny  oder  die  Uneigennützigkeit«,  ein  Drama 
in  zwei  Aufzügen  aus  dem  Französischen.  Den  Beschluss  machte 
»Die  Kolonie«  ein  Singspiel  in  zwei  Aufzügen  in  Musik  gesetzt 
von  Sacchini. 

Den  12.  April:  »Der  Tadler  nach  der  Mode«,  ein  Lustspiel  in  fünf 
Aufzügen  von  Stephanie  dem  jüngeren.  Den  Beschluss  machte 
»Pygmalion«,  ein  Lustspiel  in  einem  Aufzug  nach  dem  Franzö¬ 
sischen  von  Grossmann. 

Den  13.  April :  »Die  Erbschaft«,  ein  Lustspiel  in  drei  Aufzügen  von 
einem  Frauenzimmer  (von  Frau  Hofkanzlerin  zu  Koblenz,  Sophia 
la  Boche.) 


t 


-  531  — 

Den  14.  April:  »Sind  die  Verliebten  nicht  Kinder?«,  ein  Lustspiel 
in  drei  Aufzügen  von  Reichhard  nach  Goldoni.  Den  Beschluss 
machte  »Der  Fassbinder«  Singspiel  in  einem  Aufzug;  die  Musik 
von  Audinot. 

Den  15.  April:  »Die  Drillinge«,  ein  Lustspiel  in  fünf  Aufzügen  nach 
dem  Französischen  von  Bonin.  Den  Beschluss  machte :  »Die 
beiden  Geizigen«,  ein  Singspiel  in  zwei  Aufzügen  von  Falbaire ; 
die  Musik  ist  von  Gretry. 

Den  17.  April:  »Der  Graf  von  Walltron  oder  die  Subordination«,  ein 
Schauspiel  in  fünf  Aufzügen  von  H.  F.  Möller. 

Den  18.  April:  »Wilhelmine  von  Blondheim«,  ein  Schauspiel  in  drei 
Aufzügen  von  F.  G.  W.  Grossmann.  Den  Beschluss  machte 
das  redende  Gemälde,  ein  Singspiel  in  einem  Aufzuge  von  An- 
seaume,  die  Musik  ist  von  Gretry. 

Den  19.  April :  »Die  Zukunft«,  ein  allegorischer  ‘Prolog  mit  Arien 
und  Chören,  womit  die  Kurcölnische  Hof-Schauspieler-Gesell- 
schaft  ihre  Danksagung  abstattete.  Den  Beschluss  machte :  »Der 
Gasthof,  oder  Trau,  Schau,  Wem?«,  ein  Lustspiel  in  fünf  Auf¬ 
zügen  von  G.  C.  Brandes. 

Den  20.  April :  »Die  Jagd«,  ein  Singspiel  in  drei  Aufzügen  von  Weisse, 
in  Musik  gesetzt  von  Hiller. 

Den  21.  April:  Auf  besonderes  Verlangen  wiederholt  »Nicht  mehr 
als  sechs  Schüsseln«,  Familiengemälde  von  Grossmann. 

Den  22.  April :  Die  Gesellschaft  beschloss  die  Bühne  mit  »Henriette 
oder  sie  ist  schon  verheyrathet«  von  G.  F.  W.  Grossmann. 
Nach  dieser  Vorstellung  sprach  Madame  Neefe  einen  Epilog  in 
Versen. 

[In  den  namhaft  gemachten,  wie  auch  in  späteren  Vorstellungen 
der  Kurcölnischen  Gesellschaft  kam  es  oft  vor,  dass  bedeutende  Mit¬ 
glieder  des  Orchesters  oder  sonstige  Künstler  in  den  Zwischenakten 
sich  auf  ihren  Instrumenten  hören  Messen.  Dann  und  wann  trugen 
auch  die  Sänger  und  Sängerinnen  Arien  und  Duette  in  den  Pausen  vor.] 

Mit  gnädigster  Erlaubnis  Eines  Hochedlen  und  hochweisen  Magistrats 
der  Kaiser  1.  Freyen  Reichs-  Wahl-  und  Handel-Stadt  Frankfurt  am  Mayn 
wird  heute  Montag  3.  April  von  der 
Churcöllnischen  Gesellschaft  unter  [fehlt,  jedenfalls:  Direktion  von 
Grossmann  und  Hellmuth]  aufgeführt  werden: 

NICHT  MEHR  ALS  SECHS  SCHÜSSELN, 
ein  Familiengemälde  in  5  Aufzügen  von  G.  F.  W.  Grossmamy 

Personen: 

Hofrath  Reinhard . Herr  Grossmann. 

Madam  Reinhard . Madam  Huber. 

Wilhelmine . Madam  Grossmann. 

Fritz . Herr  Santorini. 

34* 


532 


Oberst  von  Altorf  .  .  . 

Frau  von  Schmerling  .  . 

Lieutenant  von  Altdorf  . 

Geheime  Rath  von  Schenk 
Kirchenrath  Klaas  .  .  . 

Major  von  Wurmb  .  . 

Kammerher  von  Wilsdorf 
Friedrich,  Diener  [beschädigt] 

Philipp  . 

Louise  [fehlt  ein  Stück  des  Zettels]. 

Der  Anfang  ist  mit  dem  Glockenschlag  6  Uhr. 

Die  Person  zahlt  auf  den  ersten  Logen  und  Parquet  1  Gulden,  eine 
ganze  Loge  zu  8  Gulden,  Parterre  10  Batzen,  Gallerie  20  Kreutzer 
und  auf  dem  letzten  Platz  12  Kreutzer. 

Der  Schauplatz  ist  im  Junghof  in  dem  neu  [beschädigt]  Comödiensaal. 
Wer  vorhe- — -  |Billets  verlangt  etc.  .  .  .  Der  Schluss  des  Zettels  fehlt.] 


Herr  Erhard. 
Madam  Gensike. 
Herr  Steiger. 
Herr  Hellmuth. 
Herr  Diezel. 
Herr  Josephi. 
Herr  Opitz. 

Herr  Gensike. 
Herr  Grose. 


Vorstellungen  der  Kureölnischen-Gesellschaft,  welche  in  der  Herbstmesse 
1780  und  Ostermesse  1781  tlieils  zum  Besten  der  milden  Stiftungen  gegeben, 
theils  in  hiesigen  Blättern  angezeigt  oder  besprochen  worden  sind. 


»Minna  von  Barnhelm«  von  Lessing. 

»Miss  Sarah  Sampson«  von  Lessing. 

»Julie«,  ein  Lustspiel  mit  Gesang  in  3  Aufzügen  von  Monvel. 

»Die  Holländer«,  Lustspiel  von  Bock. 

»Zemire  und  Azor«,  Singspiel  von  Gretry. 

»Wilhelmine  von  Blondheim«,  Trauerspiel  in  3  Aufzügen  v.  Grossmann. 
»Nicht  mehr  als  sechs  Schüsseln«,  Lstpl.  in  5  Aufzügen  v.  Grossmann. 
»Der  Fähndrich«,  Lustspiel  von  Schröder. 

»König  Lear«,  in  Bock ’s  Bearbeitung. 

»Der  Dorfbarbier«,  Operette  von  Hiller,  Text  von  Weisse. 

»Elfriede«,  Trauerspiel  in  3  Aufzügen  von  Bertuch. 

»Die  verwandelten  Weiber«,  Operette  von  Hiller,  Text  von  Weisse. 
»Das  öffentliche  Geheimniss«,  Lustspiel  von  Götter. 


XXIII. 


Repertoire  der  Böhm’schen  Gesellschaft  vom  18.  September  bis  Ende 
November  1780. 


Nach  (len  Anzeigen  im  »Frankfurter  Staats-Ristretto«  zusammen¬ 
gestellt,  in  welchem  Blatt  Böhm  auch  in  der  Herbstmesse  1781  und 
in  der  Ostermesse  1782  und  im  November  desselben  Jahres,  als  er  im 
neuen  Komödienhause  spielte,  seine  Vorstellungen  bekannt  machte. 


I 


—  533  — 

18.  September.  »Das  Reich  der  Todten«,  eine  komische  Bourlesque 

in  drei  Aufzügen,  hierauf  ein  komisches  Singspiel  »Die  Gou¬ 
vernante«. 

19.  September.  »Hänschen  und  Lieschen«,  ein  Lustspiel  mit  Gesang 

in  zwei  Aufzügen. 

22.  September.  »Der  Dorfbalbier«,  ein  Lustspiel  mit  Gesang  in  zwei 

Aufzügen. 

23.  September.  »Die  Goldmacher«,  ein  Lustspiel  in  zwei  Aufzügen, 

lnerauf  folgt  »Der  Jurist  und  der  Bauer«,  ein  Lustspiel  in  zwei 
Aufzügen. 

26.  September.  »Der  Teufel  ist  los  oder  die  verwandelten  Weiber«, 

ein  komisches  Singspiel  in  drei  Akten. 

29.  September.  »Elfriede«,  ein  Trauerspiel  in  drei  Aufzügen. 

30.  September.  »Lottchen  am  Hofe«,  ein  komisches  Singspiel  in  drei 

Akten. 

3.  Oktober.  »Elfriede«  vön  Hofrath  Bertuch  in  Weimar.  Zum  Be¬ 
schluss  folgt  ein  komisches  Solo  von  Herrn  Lohmeyer.  [Das 
Trauerspiel  »Elfriede«  gehörte  zu  den  Lieblingsstücken  des 
hiesigen  Publikums.] 

6.  Oktober.  »Der  Jurist  und  der  Bauer«,  ein  Lustspiel  in  zwei 
1  Aufzügen,  hierauf  folgt  »die  Herrschafts-Küche  auf  dem  Lande«, 

eine  komische  Oper  in  einem  Akt. 

7.  Oktober.  »Der  Dorfbalbier«.  [Eine  beliebte  und  von  der  Böhm’- 

schen  Gesellschaft  sehr  gut  gegebene  Operette,  besonders  gefiel 
Madame  Müller  als  Suschen.] 

9.  Oktober.  »Die  Liebe  auf  dem  Lande«,  eine  komische  Oper  in  drei 
Aufzügen. 

10.  Oktober.  »Bernardon,  der  unschuldige  Missethäter,«  ein  Lustspiel 
in  drei  Aufzügen,  hierauf  folgt  »Die  Judon-Hochzeit«,  eine 
komische  Operette. 

14.  Oktober.  »Der  hochgeehrteste  Herr  Yetter«,  ein  Lustspiel  in  drei 
Aufzügen,  hierauf  folgt  »Die  Juden-Hochzeit«,  eine  komische 
Operette. 

16.  Oktober.  »Die  grosse  Batterie«  [Lustspiel],  hierauf  folgt  »Der 
betrogene  Pachter«,  den  Beschluss  macht  ein  pantomimisches 
Ballet  »Die  Haubenhefterin«. 

20.  Oktober.  »Lottchen  am  Hofe«,  Operette. 

24.  Oktober.  »Der  Schneider  und  sein  Sohn«,  ein  Lustspiel  in  zAvei 

Akten,  hierauf  folgt  »Die  Weinlese«,  ein  noch  nie  hier  ge¬ 
sehenes  Imstspiel  mit  Gesang  in  einem  Aufzuge. 

27.  Oktober.  »Die  verliebten  Zänker«,  ein  Lustspiel  in  drei  Akten, 

den  Beschluss  macht  ein  pantomimisches  Ballet,  genannt: 
»Das  Milchmädchen.« 

28.  Oktober.  »Die  drei  ungleichen  Liebhaber  oder  die  wieder  lebendig 

gewordene  Frau«,  ein  Lustspiel  in  fünf  Akten. 


534 


30.  Oktober.  »Der  Deserteur  aus  Kindesliebe«,  ein  Lustspiel  in  drei 

Aufzügen  von  Stephanie  dem  jüngeren,  hierauf  folgt  ein  Lust¬ 
spiel  in  einem  Aufzuge,  genannt  »Der  leichtgläubige  Ehemann«. 

31.  Oktober  »Die  Jagd«,  eine  komische  Oper  in  drei  Aufzügen. 

.  3.  November.  »Die  Liebe  auf  dem  Lande«,  komische  Oper  in  drei 
Aufzügen  von  Hiller-Weisse. 

6.  November.  »Die  Brüder  oder  die  Schule  der  Väter«,  ein  Lust¬ 

spiel  in  fünf  Aufzügen  von  Herrn  Romanus  in  Dresden,  den 
völligen  Beschluss  macht  »Der  leichtgläubige  Ehemann«. 

7.  November.  »Die  verliebten  Zänker«,  ein  Lustspiel  in  drei  Auf¬ 

zügen,  hierauf  folgt  »Der  Töpfer«,  Operette  in  zwei  Aufzügen 
von  Andre. 

10.  November.  »Der  Teufel  ist  los  oder  die  verwandelten  Weiber«, 

Operette. 

11.  November.  »Armuth  und  Tugend«,  Schauspiel  in  einem  Aufzuge, 

hierauf  »Les  Vendanges  de  Surene  oder  die  Weinlese  in 
Surene«,  den  völligen  Beschluss  macht  ein  pantomimisches 
Ballet  »Die  Morgenstunde«. 

13.  November.  »Geschwind  eh’  es  jemand  erfährt  oder  der  besondere 

Zufall»,  ein  Lustspiel  in  drei  Aufzügen  nach  Goldoin  von 
Herrn  Bock;  hierauf  folgt  ein  lustiges  Nachspiel,  genannt 

»Das  Gespenst«. 

14.  November.  »Der  Goldmacher«,  ein  Lustspiel  in  zwei  Aufzügen, 

hierauf  folgt  »Die  Herrschaftsküche  auf  dem  Lande«,  von  Herrn 
von  Kurz. 

16.  November.  »Lottchen  am  Hofe«,  Operette. 

18.  November.  »Der  Schneider  und  sein  Sohn«,  ein  Lustspiel  in  zwei 
Aufzügen,  hierauf  folgt  »Die  Juden-Hochzeit«,  eine  komische 
Operette  in  zwei  Aufzügen. 

20.  November.  »Der  Graf  von  Walltron  oder  die  Subordination«, 

Schauspiel  von  Möller. 

21.  November.  »Der  Kaufmann  von  London  oder  Begebenheiten 

Georg  Barnvells«,  ein  bürgerliches  Trauerspiel  in  fünf  Auf¬ 
zügen  aus  dem  Englischen  des  Herrn  Lillo  durch  H.  A.  B. 

24.  November.  »Der  Töpfer«,  Operette  von  Andre  und  die  »Weinlese« 

von  Surene,  Lustspiel  in  einem  Aufzug. 

25.  November.  »Ariadne  auf  Naxos«,  Duodrama  von  Herrn  Brandes, 

in  Musik  gesetzt  von  Herrn  Benda,  hierauf  folgt  der  »Hoch¬ 
geehrteste  Herr  Yetter«,  Lustspiel  in  drei  Aufzügen. 

27.  November.  »Hamlet,  Prinz  von  Dänemark«,  ein  heroisches  Trauer¬ 

spiel  in  sechs  Akten  von  Shakespeare.  [In  welcher  Bearbeitung 
ist  nicht  angegeben.] 

28.  November.  Allen  Gönnern,  welche  die  Gesellschaft  mit  Zuspruch 

geehrt  haben  zu  Ehren  unter  Pauken  und  Trompetenschall 
aufgeführt  »Die  dankbare  Schauspielkunst  oder  die  feierlichen 


I 


—  535  — 

Wünsche  für  das  Wohl  cler  Stadt  Frankfurt«.  Hierauf  folgt 
ein  dazu  gehöriges  Ballet,  betitelt:  »Der  Tempel  der  Unsterb¬ 
lichkeit«,  den  völligen  Beschluss  macht :  »Der  Bassa  von  Tunis«, 
eine  komische  Operette  in  einem  Akt. 

[Von  den  Operetten,  welche  Bölmi  in  der  Herbstmesse  1781 
und  in  der  Ostermesse  1782  zur  Aufführung  brachte,  gefiel  beson¬ 
ders  »Das  Mädchen  von  Freskati«,  Operette  in  vier  Aufzügen  von 
Paisello.  Von  den  Lustspielen  war  besonders  »Die  Holländer  oder 
was  vermag  ein  vernünftiges  Frauenzimmer  nicht«,  Lustspiel  in  drei 
Aufzügen  von  Bock,  beliebt  und  von  den  Schauspielen  scheint  ausser 
»Elfriede«  von  Bertuch  »Der  Deserteur  aus  Kindesliebe«  von  Stephanie 
dem  jüngeren  am  üieisten  Anklang  gefunden  zu  haben.] 


Namen-  und  Sacli-Register  zum  Texte, 


Aachen  92.  98. 

Abbt  296. 

Abt,  der  karg,  Schwank  18. 

A b  raha in  und  Loth  25. 

Abgabe  an  die  Stadt  65.  79.  78.  99.  1 06. 
112.  140.  143.  148.  1  72.  195.  208. 
220.  222.  231.  237.  286.  296.  303. 
306.  310.  328.  369.  376.  381.  392. 
Ackermann,  Konrad  240 — 246.  267 
bis  270. 

—  Sophie  Charlotte  242.  270. 

—  Charlotte  244. 

Act or  des  Spiels  16. 

A  g  i  1  i  t  e  z  (Equilibristen-Künste)  22.  24. 
Agricola,  Philipp  13. 
d’Aguaviva,  Claudius  62. 

Alias  (Ahab),  Komödie  vom  König 
17.  19. 

Antu^ch  162. 

—  Sophie  163. 
d’  Aigueville  272. 

Akrobat.  Künste  26.  69.  154.  217. 
Alceste,  von  Schweizer  321. 
Altenburg  225. 

Altern,  die  zehn  12. 

Arnely,  Mademoiselle  194. 

Andre  317.  327. 

Andre ae 'sehe  Buchhandlung  331. 
d’Angres  40. 

A  n  t  h  o  n  i ,  Lieutenant  250. 
Argumentator  16. 

Arlechino  (Siehe  auch  Harlekin)  1 20. 
Arle  quin  (Siehe  Harlequin)  Arle- 
quinetta  183. 

Arte  h  e  r ,  Robert  54. 
Aschaffenburg  217. 

Aufresne,  Jean  (Reval)  312. 
Augsburg  110.  280. 

Aurore,  Madame  263. 

Auvray  272. 

Ayrer,  Jacob  26.  36.  37.  42. 

Bach  234. 

Baden-Durlachische  Komödianten  145. 
Baldemar  von  Peterweil  1. 
Baldenecker  320. 

Ballet  131.  181.  267. 

Bande,  die  berühmte  104. 

Bandeau,  Madem.  183. 
Barfüsserseliule  7.  76. 

Bari  z on,  Claude  271.  280. 

Bar  tho lo  m  ae u s -Stift,  Dirigirrolle  1. 
Basel  77. 

Bassi,  Dominico  232.  237. 
Baudaie,  Genevieve  183. 

Bauer ’s,  Martin,  Behausung  45.  50.  52. 
Bayern  27. 


Bayrische  Hofkomödianten  115.  117. 
147. 

Beart,  Rudolf  54. 

Beek,  Johann  Ferdinand  148.  149. 
Becker ’s  Reinhard,  Behausung  54. 
Begehtt,  Jan,  siehe  Sackeville. 

Behr mann,  G.  163.  168. 
Bekanntmachung  der  Vorstellungen 
39.  54.  57.  64.  152.  314.  369. 
Belevall  272. 

Belle-Isle,  Herzog  von,  Marschall  und 
dessen  Gemahlin  185. 

Ben  da,  Friedrich  Ludwig  und  Bruder 
349.  363. 

—  Georg  317.  353. 

—  Madame  345. 

Bender,  Christoph  76. 

Benecke,  Heinrich  Wilhelm  145. 
Benozzi  182. 

Bergopzoomer  289.  292. 

Berlin  154.  231.  232.  293.  324.  327. 
Bernardon  193.  (S.  auch  Joseph  von 
Kurz). 

Bernardy,  Charles  315. 

Bernaud  306. 

Berner,  Schauspieler  348. 

Felix,  Principal  378. 
de  Bersac  250 — 260. 

Bevuremont,  Tänzer  182. 

Biel,  Jacob  37. 

Biel  au  (von  Trottberg)  393. 

Billieu  130—134. 

Bienen thal,  Bender  von,  Oberst  246. 

250.  278.  301.  316.  328 
Birken,  von,  Sigmund  104. 

Bittner,  Dem.  273. 

Blache  377. 

Blackfriarstheater  38. 
Blackreude,  Thomas  50. 

Blümel,  Christoph  97. 

Bock,  Johann  Christian  376.  397. 
Bock  hausen,  Christian  100. 
Bocksberg,  von,  Sara  119. 

Böhm,  Johannes  392. 

—  Nanette  393. 

—  Madame  393. 

Boek  268. 

Boeuff,  le,  Johann  49. 

Bondini’sche  Gesellschaft  347. 

Boni,  Girolami  (Bon,  Bony)  234 — 237. 

—  Carlotta  234  —237. 

Bonn  383. 

Borchers,  David  244.  346.  353.  356. 
357.  365.  370.  371.  375. 

—  Madame,  ehemalige  Frank,  geb. 
Spaz  345.  366. 

Bounin,  Gabriel  (Bounijn)  4L 


537 


* 


Boursault  254. 

Bouset,  Johü,  (Siehe  auch  Sackeville) 
26.  36. 

Bradstriet,  Jehann  (Bradenstreit, 
Johann  Breitenstrasse)  22.  25.  37.  38. 
Brambaeher,  Balthasar  u.  F rau  119. 
Brand,  Tenorist  384.  385.  387. 
Brandenbur gisch  - Englische  Komö¬ 
dianten  57. 

Brandenburgs  che  und  Grossbrittan- 
nische  Hofacteurs  150. 

Brandes  320. 

Brandt  393. 

Brauer,  Jacob  77. 

Braun,  siehe  Browne. 
Braunschweig  92. 

Braunschweig’ sehe,  Fürstlich,  Hof¬ 
komödianten  47. 

Braun s c h w e i g- Lüneburg’ sehe  Komö¬ 
dianten  148. 

Bressand  145. 

Bretzner  346. 

Breiin,  le,  Balletmeister  194. 
Brochard  der  Aeltere  320. 

Mad.  320.  327. 

Broglio,  Herzog  von  249. 

Browne,  Robert  (Braun)  22. 

26.  38.  41.  44.  47.  49.  50.  60.  62. 
Bruck  200.  214. 

Bruderschaften,  sogenannte  2. 
Brünn  395. 

Buchdrucker,  Aufführungen  derselben 
12.  13. 

Buckhurst,  Lord  25. 

Bühne,  die.  4.  15.  38.  44.  109.  131. 

139.  192.  348.  391. 

Bürgerspiele,  3 — 17.  19.  20.  40. 
Burleske  139. 

Busch,  Yiolincellist  349. 

Buschet,  Johann,  siehe  Sackville. 
Buschmann,  Matthäus  197. 
Butzengehen,  das,  12. 

Cambert,  Robert  131. 

Cana,  Hochzeit  zu,  16. 

Carioni  232.  268. 

Casanova,  Jacob, von  Seingalt  233.  264. 
Cassel  38.  43.  48.  54. 59.  225.  272.  307. 
Catharina  von  Georgien  76. 
Cecchelli,  Graf  274. 

Cellarius,  Johann  7. 

Censur  12.  17.  127. 

Chautron,  Carlo  41. 

Chaussee,  de  la  253. 

Cherrier  130 — 134. 

Christian,  Markgraf  von  Branden¬ 
burg  51. 

Christel,  Madame  393. 

Clavigo  323.  370. 

Claar,  Emil,  Intendant  der  vereinigten 
Stadttheater  in  Frankfurt  a.  M.  399. 
Cleopatra,  böse  Frawe  18. 


Cleopatra,  Königin,  mit  Anthoni  dem 
Römer  18. 

Clitemnestra,  Tragödie  von  Hans 
Sachs  18. 

Clown  35. 

Cobentzel,  von,  Graf  217.  219. 
Coblenz  92. 

Le  Cocq,  Madame  183. 

Le  Cocq,  Monsieur  181. 

Cöln  63.  75.  76.  78.92.98.  109.  110. 

174.  303.  315.  329.  338.  368. 

Cohn,  Albert  21. 

C  oll  egiatstifter,  die  drei  1.  6. 
Colloredo,  von,  Graf  174. 
Colombine  183. 

Comthur  des  deutschen  Ordens  19. 
Conclusor  16. 

Cor  märten  105. 

Corneille  105.  254. 

Coulissen  62.  74.  109. 

Courte  (Courta),  Anna  345.  365.  387. 
Courtisan,  siehe  Harlekin. 

Crispin,  Crispina  193. 

Cupido ’s  Macht  81. 

Daenemark  92. 

Dänische  Hofkomödianten  217.307.309. 
Läget,  Hans  18. 

Dalberg,  von,  Freiherr  371.  377.  382. 
Danonville  268. 

Danzig  143. 

Darmstadt  134.  146. 

Darmstädter,  Principal  217. 

Dauer,  Madame  345. 

—  Tenorist  348.  356  365.  385. 
David,  König  und  Philister  Goliath, 
Komödie  7. 

Dekorationen  15.  58.  62.  70.  74.  132. 

166.  325.  348.  391. 

Demmer  365. 

Dem m  ler,  Tenorist  348. 

Denn  er  385. 

— -  jun.  und  Frau  151. 

—  sen.  Leonhard  Andreas  150. 

Deo  bald 'scher  Saal  392. 

Derones  257.  263.  319. 

Desaides  317. 

Destouches  199.  253. 

Devrient,  Eduard  103.  325. 

Diderot  254.  255. 

I)  i  e  g  e  1  m  a  n  n,  Schauspieler  399. 
Diestel,  Madame  393. 

Diezel  385,  388.  399. 

Docken,  siehe  Marionetten. 

Döbbelin  u.  Frau  248.  268.  293.  327. 
Doismond  272. 

Dorsch,  Johann  Christoph  119. 
Dresden  63.  103.  105.  119.  120.  282. 
|  Düsseldorf  230. 

D  u  p  u  i  s  268. 
j  Dyck  312. 


\ 


538 


Eckenberg,  von, Karl,  (der  starke  Mann) 
153.  155.  174. 

Eckhoff  121.  143.  244.  336.  392. 
Egenolff,  Pfarrer  17. 
Ehebrecherin,  die  31. 

Ehlich,  Demoiselle  163. 

Ehrhard  385. 

Eintrittsgeld  18.  20.  25.  36.  40.  41. 
45.  49.  50.  52.  55.  57.  71.  75.  112. 
133.  172.  208.  221.  262.  273.  364.  392. 
Eitel  289. 

Elenson,  Andreas  106.  115.  124. 

—  Friedrich  "Wilhelm  146. 

—  Julius  Franz  125. 

—  Karl  Ferdinand  146. 

—  Maria  Margaretha  116.  125. 

—  Sophie  Julie  (später  Frau  Haack 
und  Hoffmann)  125.  128.  134. 
137.  146. 

Emilia  Galotti,  erste  Aufführung  352. 
Emmerich,  Joseph,  Kurfürst  von 
Mainz  287. 

England,  Elisabeth  Königin  von  27.  38. 

—  König  von,  Gasthof  45.  262.  275. 
Englisch'e  Komödianten  21.38.  43 — 66. 

69.  72.  75.  76. 

Englische  Künste  21. 

—  Springer  75.  78.  237. 

Engst,  Madame  393. 

Enolphus,  Vicar  am  Bartholomäus¬ 
stifte  3. 

Equilibristen- Künste  (Agilitez)  22. 
24.  237. 

Erasmus  von  Rotterdam  6. 

Erfurt  93. 

Ernst  Ludwig,  Landgraf  von  Hessen- 
Darmstadt  134.  146.  147. 

Esterhazy  273.  274. 

Esther,  von  der  Königin,  Komödie  18. 
Eulenspiegel  mit  dem  Blinden  18. 
Evchen  Humbrecht  etc.  372 — 375. 
Expositor  ludi  16. 

Fabricius  162. 

Fastnachtsspiele  4.  6.  17. 

Faust,  von  Goethe  373. 

—  Dr.,  tragische  Historie  von  Mar¬ 
lowe  24.  63. 

—  Stegreifkomödie  292.  294. 
Favart,  Madame  253. 

—  Simon  254.  317. 

Fechtschule  (St.  Markus-Bruderschaft) 
55. 

Felser  309. 

Fendler  385. 

Fordinand  Maximilian,  Markgraf  von 
Baden  100. 

Ferety,  381. 

Fett  milch’ scher  Aufstand  56.  60. 
Feyerabend,  Karl  Siegmund  19. 
Fheer,  Johannes  50. 

Fiala,  Schauspieler  347.  348.  353.365. 


Fiala,  Madame,  344.  356.  358.  365. 

370.  371.  375.  383.  387.  388.  399. 
Finsinger  245. 

Fischer  395. 

—  Kapellmeister  276. 

Flittner,  Demoiselle  (später Bethmann- 
Unzelmann)  365.  385. 

Flögel  214. 

Foerster,  Johann  Gottlieb  148. 
Fontaine,  Jean  123. 

Fool  35. 

Fraine,  Albert  de,  147. 

Frank,  Demoiselle  366. 

Franz  I.  Wahl  und  Krönug  197. 
Französische  Gesellschaften  17.  19. 
40.  49.  100.  130.  177—88.  247—270. 
305.  315. 

Freibillet  139.  303. 

Friedrich  I.,  Herzog  von  "Württem¬ 
berg  27.  29.  34. 

Friedrich  IV.,  Pfalzgraf  41.  44. 
Fuchs,  Karoline  268. 

Fürwitz,  bestrafter  82. 

Gaertner,  Andreas  70. 

Gage  der  Schauspieler  143. 195. 207. 329. 
Gallo  394. 

—  Madame  393. 

Garbrecht  268. 

Gardello  289. 

Gart,  Theobald  14. 

Gartelio  309. 

Gecler,  Johann  101. 

G-St  Spiele  Komödie  j  SieheMysterium 

Geliert  201.  241.  336.  * 
Gengenbach,  Pamphilus  12. 
Gensike,  Madame  383.  387.  388.  399. 
Gericht,  das  jüngste  13. 

Gherardi,  fils  182. 

—  Jean  Baptiste  177. 

Giaraton,  Giuseppe  182. 

Gilden  16. 

Gimonde,  Pietro  88. 

Glocke,  zur  19. 

Gluck  376. 

Goethe,  Johann  Wolfgang  247 — 270. 

309.  325—328.  341.  359.  370.  374. 
Götz  von  Berlichingen  323.  370. 
Goldoni  289.  355. 

Gorboduc  oder  Terrex  und  Porrex  25. 
Gotha  392. 

Götter  318.  350.  353. 

Gottsched  160.  168.  212. 

—  Frau  241. 
le  Grand  254. 

Green  24.  26. 

Gretry  317.  326. 

Greum,  Heinrich  54. 

Griebel  (Kriebel),  Balthasar  19.  20. 
Grielemayr,  Adam  18. 

—  Thomas  18. 


> 


—  539 


Grimmelshausen,  von,  Hans  Jacob 
Christoffel  104. 

Griselda,  die  geduldig  imd  gehorsam 
Marggräfin  14.  15. 

Grossbritannische  Komödianten  148. 
Grose  385.  388. 

Grosse,  August  289. 

Grossmann,  342.  345 — 4(3.  349.  353. 
356.  365.  370.  377.  382.  387—399. 
—  Madame  345.  377.  385.  387.  399. 
Grotefend,  Dr.  Archivar  1.  252. 
Grün,  Johann  (Green)  53.  63. 
Grünberg,  Johann  Benjamin  289.  306. 
Gründler,  Frau  und  Tochter  162. 
Gryphius,  Andreas  76.  84.  105.  107. 
Gündel,  Marie,  Schauspielerin  399. 
Günther,  Sänger  und  Komiker  347. 
Gurton’s  Frau,  Nähnadel  23. 

Gustav  Adolph,  König  v.  Schweden  70. 
Guizetti  289. 

Haack,  Johann  Caspar  137.  145.  • 

—  Sophie  Julie,  siehe  Elenson. 
Haag  100 

Hackenberg,  Heinrich  77. 

Händel  150.  234. 

Halle  51.  240. 

Halley  268. 

Hallmann,  Johann  Christian  105. 
Halsprunner  Hof  57. 

Hamburg  69.  128.  155.  164.  168.  231. 

276.  283.  291.  293.  324. 

Hamlet  63.  65.  68.  120.  380. 

Hanau  134.  305.  307.  315.  380. 
Hanno,  Fürst  in  Norden  397 — 399. 
Hannover  150. 

Hanswurst  36.  78. 

Harlekin  (Arlechino,  Arlequin,  Cour- 
tisan)  137.  173.  175. 

Harlekinetta  183.  193. 

H artig,  Madame  321. 

Hartmann  380. 

—  Demoiselle  384. 

—  Elisabeth  Clara  geb.  Pilotti  380. 
Hasse,  Adolf  234. 

—  Faustina  234. 

Hattasch,  Ripienist  349. 
Hauptaktionen  94. 

Haupt  -  u.  Staatsaktion  90.  136. 176. 239. 
Hauteroche  254. 

Heidelberg  4L  59.  80.  86.  89.  95. 
150.  151. 

Heidnischer  Tanz  4. 

Heinrich  Julius,  Herzog  von  Braun¬ 
schweig  22.  26.  31.  34.  36.  42.  47. 
Hellmuth  d.  A.  319.  327.  356.  366. 
377.  385  387-399. 

—  d.  J.  347.  365.  377. 

—  Demoiselle  387. 

—  Franziska  320.  330.  345.  365.  377. 
—  Josepha  344.  363.  364.  365.  377. 
383. 


Hengel,  Georg  141. 

Henrich,  Caspar  7  7. 

Hensel,  Friedrich  296.  ,  347.  365. 

385—399. 

—  Mad.  (Seyler)  242.  268.  270.  296. 
343.  345.  356.  358.  370.  371. 
Her  m  a  n  n  von  Thüringen,  Landgraf  43. 
Hessen-  Rothenburg-Rheinfels,  Land¬ 
graf  von  239. 

—  Rheinfels,  Landgraf  147. 
Hessische,  Fürstlich ,  Komödianten 
u.  Musikanten  43 — 45. 48. 49. 53. 55. 56. 
Heuse  272. 

Hey  dr  ich,  Carl  Gottlob  163.  200. 

—  Philippine,  geb.  Turnier  163.  200. 
Hieronymo  oder  die  spanische  Tra¬ 
gödie  48.  63. 

Hiller  235.  317.  327. 
Hochteutsche  Compagnie  80.  81. 86. 
Iloffmann,  Clara  268. 

—  Hans  Ernst  79.  86.  94.  99. 

H  o  f  f  m  a  n  n  -  Elenson  135.  146.  (Siehe 
auch  Sophie  Julie  Elenson.) 
Hoffmanns  waldau  105. 

Hof  mann,  Jean,  Schauspieler  399. 
Hohenlohe,  Gustav  Adolf,  Graf  von, 
124. 

Hohl,  Madame  309. 

I  ’  H  o  t  e  250 — 260. 

II  oward,  engl.  Hofbeamter  22.  24. 
Huber,  Frau  383. 

—  Herr  399. 

Huck  309.  319.  327. 

Hüll  (IIull)  Johann  43.  45. 

Hiisgen,  Heinrich  Sebastian  235.  398. 

Iffland  256. 

Ilgner  309.  313. 

Ingermännin,  Dem.  307. 
Insbruek’sche  Komödianten  97. 
de  l’Isle,  Tänzerin  182. 

Israel,  Karl  150. 

Italienische  Dockenspieler  117. 

—  Musiker  47. 

—  Operisten  197.  232.  237.  274. 

—  Schauspieler  119. 

Jacoby  162. 

Jahn  (Jan),  Narr  25.  31.  35. 
Janezschky,  Christian  119. 
Jenicke,  Johannes  90. 

Jiordani  222. 

J  o  d  e  1 1  e  40. 

Johann  Georg  H.  Kurfürst  v.  Sachsen 
103. 

—  Georg  HI.  Kurfürst  v.  Sachsen  119. 
—  Sigismund,  Kurfürst  v.  Branden¬ 
burg  54.  58. 

Jollifous,  Joris  (George  Jeliphus, 
Joseph  Jori)  75—99. 

Jonasson,  Demoiselle  393. 

Jones,  Richard  22. 


Jonas,  Robertus  50. 

Joseph  II.  Wahl  und  Krönung  200. 

J  o  s  e  p  h  i ,  Demoiselle  384. 

J  o  s  e  p  h  ’  s  Historie  11.  14. 

J  o  n  s  o  n ,  Ben  48. 

Jude,  der,  von  Malta  26. 

Julius  von  Tarent  386 — 390. 

J  u  n  g  h  o  f  246.  250. 

Kabale  und  Liebe  375. 

Kämpfern,  die  Historie  von  den 
sechs  13. 

Kahla,  im  Thüringschen  8. 

Kahler  268. 

Karl ’s  VI.  Krönung  137 — 145. 
Karl’s  VII.  Krönung  176 — 196. 

Karl  Friedrich,  Herzog  von  Holstein  158. 
Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  79.  96. 
Karl  Theodor,  Kurf.  v.  d.  Pfalz  340. 
Kaufmann,  der,  von  Venedig  50.  189. 
Kassel  siehe  Cassel. 

Kiel  163. 

King  273. 

King  m  a  n  n  (Kingsmann,  Klingsmann) 
Robertus  44.  47. 

Kinski,  Graf  143. 

K  i  r  a  s  k  y,  Charles  und  Therese  305. 307. 
Kirchhöfen,  Madame  345.  356.  365. 
Kirchhöfe r,  Demoiselle  345.  356. 365. 

—  Schauspieler  348.  353.  365. 
Kirchhof  268. 

Kirsch,  Madame  345.  356.  365. 
Klay,  Johann  104. 

Kleefelder,  Katharina  Magdalena  201 . 
K 1  i  n  g  e  r ,  Friedrich  Maximilian  26. 
349.  356. 

Klo t sch,  Schauspieler  200.  214. 
Klotz  322. 

Koblenz,  siehe  Coblenz. 

Koch,  Koch’ sehe  Gesellschaft  268.  324. 
336. 

Koch,  Gottfried  Heinrich  162. 

—  geh.  Büchner  163. 

Köhler,  Familie  214. 

Kölbele,  Johann  Balthasar  298. 
Koller,  Demois.  317.  330. 

Köln,  siehe  Cöln. 

Königsberg  i.  Pr.  245. 

Kohlhardt,  Friedrich  135.  162.  200. 
Koppe  und  Frau  289. 

Kostüm  4.  6.  131.  151.  166.  167.  182. 
201.  245.  325. 

Krachbei  n,  zum  (König  von  England) 
45  61.  75.  78.  86.  103.  110.  113. 
115.  125. 

Kritik  321.  386. 

Krüger  336. 

Kühlmann,  (Kuhlmann)  Jacob  93. 
115.  117. 

Küttol,  Gebrüder,  Oboisten  349. 
Kunstreiter  109. 

K  urbayrische  Komödianten  147.225. 


Kurcölnische  Gesellschaft 377.  382. 
395. 

Kur  pfälzische  Gesellschaft  153.  311 
bis  341.  382. 

Kur  sächsische  Ilofkomödianten  63. 
64.  127.  141.  225. 

von  Kurz,  Joseph  (Vater  Bernardon) 
193.  221.  284—295.  297—304. 
307. 

— ;  Theresina  289.  301.  305.  307. 
K,y  d,  Thomas  24.  26.  63. 

Langenschwalbaeh  125. 

Langer  Gang  140. 

Lanzisches  Ehepaar  289. 
Lateinische  Komödie  6.  7.  76. 
Lear,  König  von  England  63.  376. 
Ledbetter,  Robertus  44.  47.  53. 
Leibnitz,  Gottfried  Wilhelm  104. 
Leinwandhaus  19.  78. 

Leipzig  93.  106.  114.  119.  173.  196. 

197.  240.  283.  342.  347. 
Leisewitz  358.  386. 

Lemiere  254. 

Lenoir  la  Thorilliere  99. 

Lenz  26. 

Lepri  276. 

Leo  Armenius  76. 

Leopold  Wilhelm,  Markgraf  von  Ba¬ 
den  100. 

Lessing,  105.  166.  240.  255.  322. 

324.  341.  343.  376. 

Leyden,  55. 

Liebeskampff,  der  68. 

Lillo  240. 

Lilly,  John  26. 

Dr.  Link,  Frau  173. 

Lincoln,  Graf  38.  44. 

Linz  173. 

Loangkuppy,  Christian  Friedrich  100. 
Localstücke,  Frankfurter  190.  331. 
Lodwy  273. 

Loen,  Johann  Michael  140.  180. 
Löpper,  Martin  (Leppert)  295 — 297. 

309.  310.  313. 

Löwenplätzchen  45. 

Lohenstein  105. 

London  22.  26.  38.  60.  100. 
Lorenz,  Familie  135. 

—  162. 

—  Tochter  200. 

Lucius,  Juliane  296. 

Ludovici  148. 

Ludwig  168. 

—  Johann  Ludwig  266.  274. 
Lübeck  158.  164. 

Lüneburg  92“. 

Luftspringer  50.  68.  73.  123.  154. 

157.  217. 

Lully  131. 

Dr.  Luther,  Martin  5.  7. 

Lyonais,  Tänzerin  182. 


) 


-  541  — 


Macbeth  370. 

Mach  in,  (Makim,  Mackum)  Reichard 
43.  45.  50. 

Maffon  217. 

Magelone,  die  schöne,  Komödie  18. 
Maggiore,  Francesko  274 — Q76. 
Mainz  112.  127.  174.  217.  219,  238. 
267.  282.  284.  294.  295.  313.  320. 
328.  329.  338.  342.  349.  360. 

Main  z,  Kurfürst  von  19.  138.  143.  269. 
Mangold,  Marx  29.  135. 

Ma  n  n ,  der  starke,  siehe  von  Eckenberg. 

—  zum  wilden,  Gasthof  152. 
Mannheim  174.  282.  328.  329.  338. 

371.  377.  392. 

Mannheimer  Lotto  330.  331. 

Mara,  368. 

Ma  rburg  in  Hessen  48. 

Marchand  Theobald  281.  309.  311 
—341. 

—  geb.  Brochard  309.  317.  320.  339. 
M  a  r  i  e  Elisabeth  von  Oesterreich,  Statt¬ 
halterin  der  Niederlande  147. 

Marionetten  spiel  88.  109.  117. 

119.  148.  197.  208.  234. 

Marivaux  199.  253. 

Markschiffs  Nachen  29.  35. 
Markus,  St.  Bruderschaft,  Fechtschule 
56. 

Marl  owe,  Ghristopher  23.  24.  26.  63. 
Marmetti  272. 

Marmonte  1  317. 

Martin  272. 

—  Anna  Principalin  308.  309. 
Mascarille  182, 

Maschinerien  auf  der  Bühne  75. 132. 
Masi,  Jacob  274. 

May  en,  Johann  Friedrich.  Magister  158. 
Mayer,  Eberhard  197.  214. 
Maximilian,  Kurfürst  von  Cölu  377. 
Meck,  Georg  18. 

Mecklenb  ur  gische  Komödianten 
134.  138.  145 

Mecour  und  Frau,  Johanna  geb.  Preis- 
ler  214. 

Meiste rgesenke  (Gesänge)  18. 
Melanchthon,  Philipp  8. 

Mertier  317. 

Merv i  1  le  254. 
du  M  e  s  n  i  1,  Marquis  260. 
von  Metternich,  Graf  392.  394. 
Metz  17.  40.  130.  173.  250. 
Metzler,  Benjamin  seel.  Söhne,  Han¬ 
delshaus  156.  162.  199.  204.  207. 
Meyer,  Flötist  349. 

—  (bei  Löpper)  296. 

Meyerfeld,  Demoiselle  345.  366. 
Migotti,  (Mingotti)  Joseph  197.  202. 

—  Katharine  Regine  202. 

Mierk  und  Frau  320.  321.  330. 
Minna  von  Barnhelm  (erste  Auffüh¬ 
rung)  293. 


M i s  ch el  268. 

Miss  Sara  Sampson,  ersteAufführung240. 
Mock,  Georg  18. 

Möller,  324.  339.  345.  349.  353.  355. 
356.  375  385. 

—  Madame  365. 

Moese  r,  Justus  36.  213. 

Moliere  104.  114.  199.  254. 

M  o  1  z  h  e  i  m,  Madame  366. 

M  o  m  b  a  u  e  r,  Demoiselle  366. 
Monditier,  Valeran  le  comte  de  40. 
Mons,  Heinrich,  Tanzmeister  91. 
Monsig  ny  317. 
von  Montijo,  Graf  185.  194. 
Moralitäten  104. 

Moretti,  Pietro  262. 

Moritz,  der  Gelehrte,  Landgraf  von 
Hessen-Cassel  38.  43.  48.  53.  56. 
Moritz  von  Nassau,  Prinz  von  Oranien 
55.  74. 

Most,  Wolff  18. 

Mozart  270. 

Müller,  A.  Schauspieler  399. 

—  Bassist  348.  366. 

—  Friedrich  (Maler  Müller)  370. 

—  Jacob  125. 

—  Joseph  Ferdinand  und  Frau  146. 

197.  202. 

—  Madame  393. 

—  Schausp.  bei  Böhm  394. 
München  110.  116.  225.  239.  272. 

282.  307.  319. 

Münnerstadt  9. 

Mummereien  3.  12. 

M  y  1  i  u  s  268. 

Mysterien  1  -3.  15.  19.  40. 

Narrenschneiden,  das  5. 

N eefe,  Christian  Gottlob  317.  349.  387. 

—  Madame  370.  383.  387.  388. 
v.  Neipperg,  Graf,  284.  287. 
Nesenus,  Wilhelm  6. 

Nessel  rode,  Freiherr  von  332  —  337. 
Neubqr,  Friederika  Carolina  und 
Johann  148. 155—176.  196—209.  214. 
N  e  u  f  z  er,  Theobald  148. 
Neufzerin,  148. 

Neudietz  Eudres  18. 

N  euhaus-Hartman n’sche  Truppe 
380. 

Neuman n,  Siegmund  280. 

Nevard,  George  184. 

N  i  c  o  1  i  n  i,  Pantomimenspieler  197.  202. 
Niederländisch-  Französische  Ko- 
moediauten  149. 

—  Compagnie  55.  74.  75. 

N  in  e 1 1  e,  Demoiselle  394. 

Norton,  Thomas  25. 

Nürnberg  4.  5.  17.  38.  55.  57.  58. 

110.  237.  282. 

N ou se uil  319. 

Nürnberger  Bande  117. 


542 


Nürnberger  Hof  86. 

—  Spielleute  17.  18. 

Nuth,  Franz  Anton  und 
193.  221.  239. 

Ochs  enhu  t,  Till  18. 

0  el  sn  i  t  z  9. 

Olivier,  Tänzel*  273. 

Oper,  erste  deutsche  73. 

—  Französische  131. 

Opern  gesell  sc  haften 
Opitz,  Martin  73.  105. 

—  Christian  Wilhelm  347.  353.  356. 
357.  365.  370.  371.  375.  377. 
387.  388. 

—  Madame  365.  377. 

Ort  h,  Johann  Philipp,  Bürgermeister 
138. 

von  Oven,  Senator  301.  318. 

Paceli,  Franz  Christoph  119. 
Palaprat  254. 

Palissot  254.  256. 

Pantalon  193. 

Paris  50. 

Pariser  Bluthochzeit  26. 
Passionsaufführungen  1.  2. 
Pastorale  (Pastorell  oder  Singespiele) 
25.  41.  73.  74.  75. 

Pauls,  Carl  93. 

Paulson,  Carl  92. 

Pfeiffer,  Fagottist  349. 

Pelzer  (Pelcio)  103. 

Pergen,  Graf  von  236. 

Per  in,  Jacob  50, 

P  e  r  u  z  z  i ,  Antonius  153. 

Pfuhlhof  80. 

Philipp,  Landgraf  von  Butzbach  51. 
Philidor  317. 

Pickelhäring  (Jean  Potage, 
Pudding,  Hanswurst  36.  78. 
Pierrot  182. 

Pilotti  309.  319. 

Pillotti’sclie  Gesellschaft  280. 

Pitre,  Mimi  280. 

Pitrot  272. 

Plan  tu  s  7. 

Pose  hei,  Madame  345.  365. 

P  ö  s  c  h  e  1 ,  Schauspieler  347.  365. 

P  o  1  i  (Poly)  262. 

Polyeuct  105. 

Polnische,  siehe  kursächsische  Komö- 
mödianten. 

P  o  n  t  o  349. 

Poppe  und  Kroon  156.  169. 

Porre,  Pater  158. 

Portier,  Jean  Peter  101. 

Porsch  282—284.  308. 

Posset,  Jahn  (Siehe  auch  Bouset)  37. 
Potage,  Jean,  Siehe  Pickelhäring  78. 
Pradon  145. 

Prag  61. 


Pragische  Komoedianten  147. 
Prediger-Ministerium  143.  146.  226. 
285. 

Preis ler,  siehe  Mecour. 

Preuss.,  Kgl.,  Hofkomödianten  173. 
Prologant  145. 

Prunius,  Johann  Heinrich  147. 
Pudding,  Jack,  siehe  Pickelhäring  78. 
Pulcinella  88.  109.  115. 

Quaglio  396. 

Racine  254.  336. 

Ralimkof,  der  14.  16. 

Rat  hg  eh,  Jacob  27. 

Rathscensor  (Mathias  Ritter)  12.  17. 
Räuber,  die,  von  Schiller  393. 
Rebhun,  Paul  8.  16. 

Rector  des  Spiels  16. 

Reeffe,  Rudolphus  50. 

Regel  296. 

Regenbogen,  Ott  16.  17. 

Re  g  e  n  s  bürg  59. 110. 124. 217. 236. 282. 
Regnard  199.  254.  289. 

Regulus  145. 

Renaissance -Drama  105. 

Renaud  (Regnault,  Renaut)  251. 

260—267.  270.  309. 

R eimann  289. 

Rein,  Jacob  50. 

R  e  i  n  e  r  t  349. 

Reiter,  siehe  Reuter. 

Reuter,  Mathis  (Reiter ,  teutscher 
Schulmeister)  8 — 12. 

Rheinische  Städte  38. 

Riccio,  Hyacinthe  197. 

Richter,  Job.  Christoph  330. 

—  Gastwirth  285. 

—  Reinhard  119. 

Riebe,  Rudolfus  (Riwaeus)  52.  54. 
Rinuccini  73. 

Ri  schar,  Johanna  (Sacco)  289.  293. 
Rischin,  Madame  163. 

Rist  69. 

von  Ritter,  Baron  Vicedom  342. 
Ritter,  Mathias,  Praedikant,  Raths¬ 
censor  12.  17. 

Rode  rieh,  der  Schlimme  120. 
von  Röthlein  389. 

Roh  an,  Prinz  de  249. 

Romeo  und  Juliette  63.  68. 

—  und  Julie  354. 

Rosenplüt,  Hans  4.  24. • 

Rostock  307. 

Rothe  394. 

Rothes  Haus  380. 

Rouen  40. 

Rousseau,  J.  J.  254.  317. 

Rühl,  Philipp  Jacob,  Thcatorschrift- 
steller  69.  222.  323.  361.  387. 

Sachs,  Hans  4.  5.  13—15.  18.24.42. 
Sächsische  Compagnie  106. 

—  Komödianten  110.  141.  145.  156. 


Frau  188— 


130.  274. 


Jack 


543 


> 


Sachsen-Meiningen  Herzog  nnd  Her¬ 
zogin  von  239.  240. 

S  a  ck  e  v  i  1 1  e  [Sackville,  Sacksweil,  John 
Bouset,  Johann  Buschet  Jean  Begehtt] 
22—27.  29.  35—38.  46—49.  52.  59. 
Salier,  Jacob  197. 
des  Salles,  Marquis  261. 

Salomon,  Karl,  Schauspieler  399. 
Salzburg  307.  395. 

Salzsieder,  Gottfried  119. 
Sanduhr,  zur  45.  49.  50.  54.  55.  60.  63. 
Santo rini  385.  399. 

Sasse,  Schauspieler  119. 

Scapin,  Scapina  182. 

Scaramuz  182. 

Scaramuzia  183.  193. 

Scarlatti,  Alessandro  234. 
Schad’sches  Haus  86. 

Schäfer  spiele  131. 

Schär  ff 'scher  Saal  202.  222.  237. 
Schattenspiel  119.  149. 

Scheibe,  Johann  Adolf  201. 
Schetky  272. 

Sc  he  ur  er,  Georg  117.  123. 
Schiessen,  das  grosse  17. 

Schiller  255.  371.  372.  375. 
Schirmer  268. 

Schlegel,  Elias  168.  201.  212. 
Schleissner,  Demoiselle  214.  222. 
Schietter  345.  353.  385. 

Schmelz,  Ehepaar  296. 

Schmidt,  Andreas  14. 

Schmidt,  Christian  Heinrich  121.137. 
—  Christoffel  14. 

—  Comist  349. 

—  Dr.  Erich  361. 

Schmidt stube  88. 

Schmitt,  Schauspieler  hei  Böhm  394. 
Schmitt  (Schauspieler  bei  Sebastiani) 
309. 

Schneider,  Emil,  Schauspiler  399. 
Schönborn,  Graf  von  110. 
Schönem  ann,  Anna  Rachel ,  gcb. 
Weigler  163. 

Schönemann,  Johann  Friedrich  162. 

200. 

Schröder,  Friedrich  Ludwig  245.  268. 

269.  289—294.  297.  346. 

Schröter  162. 

Schrotte r,  Madame  321. 

Schubert,  Schauspieler  162. 
Schuch,  Franziskus  210.  221 — 231. 

—  geh.  Rademann  213. 

Schütz,  Christian  Georg  von  396. 
Schütz,  Heinrich  73. 

Schütz,  Johann  Georg  396. 
Schuhmacher  12.  13.  16. 

Schulz,  Balletmeister  268.  348.  365. 

—  Karoline  268 — 270. 

Schwaben  27. 

Schwäbische  Städte  38. 
Schwager,  Georg  315. 


!  Schwalbach  100.  134.  148. 
j  Schwa rtz,  Peter  79.  86.  94.  99. 
Schwedische  Comödie  70. 
Schweizer,  Componist  321 . 
Schwerttanz  12.  13.  16. 
Scultetus,  Sigismund  Ferdinand  15.73. 
von  Seau,  Graf  336. 

Sebastiani,  Joseph  239.  280. 308. 309. 
Sedaine  317. 

Seiltänzer  50.  68.  100.  115.  121.125. 

154.  157.  197. 

Seriny  178. 

Seyfried,  Jacob,  Theaterschriftsteller 
69.  132.  323.  347.  361.  387. 
Seyler,  Abel  340 — 381. 

Seyler,  Frau,  siehe  Honsel. 

Se rule  und  Astrea  54. 
Shakespeare,  William  24.  34.  36. 

38.  55.  60.  63.  64.  107.  121.  370. 
Sganarelle  182. 

Sillani,  Gervasio  232.  237. 

Singer  18. 

Singschule  13. 

Singspiele,  auch  Operetten  genannt, 
181.  317.  318. 

Sodom  und  Gomora  25. 

Sohn,  der  verlorne  12.  14. 
Spanische,  die,  Tragödie  (oderHiero- 
nymo)  26.  48. 

Spencer,  John  55.  58.  59. 

Spener,  Philipp  Jacob  93.  110.  110. 
Speyer  57. 

Spiegelberg,  Christian  141. 

—  Johann  142. 

Spiel,  geistliches,  siehe  Mysterien. 
Spielhonorar  329. 

Spielzeit  40.  87.  132.  314. 
Sprenckel,  Sergeant  338.  380. 
Squenz,  Peter  107. 

Stegmann  317. 

Steiger  385  387.  399. 
Stegreifkomödie  103.  176.  221. 
Steinbrecher,  Schauspieler  162. 

—  Frau,  geh.  Spiegelberg  163. 
Steinerl,  Bastian  77. 

Stein  mann  385. 

von  S  t  e  i  n  w  e  h  r ,  Wolf  Balthasar  Adolf 
161. 

Stenzei  213. 

Stephanie  d.  J.  371. 

Stierle  320.  393. 

Still,  John,  Magister  artium  24. 
Stolzenb  erger ,  Hans  19. 
Strassburg  17.  40.57.  77.  130.  172. 

177.  188.  239.  241.  315.  328.  329. 
Strohecker,  G.,  Schauspieler  399. 
von  Strotmann,  Kais.  Gesandte  113. 
Stuart,  Carolus  76.  84. 
von  Stüven  164.  169.  286. 

Sturm  und  Drang  349.  356—58. 
Stuttgart  27.  150. 

Sultane,  La,  Pastorale  41. 


544 


Suppig  162. 

Susanna,  geistliches  Spiel  von  Paul 
Rebhun  8.  9.  25. 

Susanna,  Komödie  7. 

Tabor,  Hofrath  395. 

Tabor,  Zimmermeister  277. 

Tänzer  55.  73.  181.  273. 

Tarne rlan  26. 

Taschenspieler  124. 

Tele  man  150. 

Terenz  7. 

Thor  an  c  249—252.  261.  262.  267. 
von  Th iingen,  General  125. 

T  h  u  m  m  e  1,  Johann  Georg  308. 
Thum  und  Taxis,  Fürst  von  148. 

184.  217.  221.  234.  236. 

T  i  e  c  k  23. 

T  i  e  t  k  e  320. 

Tilly,  Johann  307. 

Titus,  Manlius  Torquatus  99. 
Tobias,  Historia  vom  1 2. 

Torgau  63.  120. 

Tos  kan  i,  Madame  345.  356.  358. 
Toskani,  Bassist  347. 

Trier  79. 

von  Trottberg,  Karl  (Bieleau)  393. 
Turnier,  Philippine  163.  200. 
Türpe,  Michael  162. 

Uhl  ich,  Adam  Gottfried  65.  201.  215. 
227.  233. 

Uhl  ich,  geh.  Rudolphi  215. 

Urban,  Madame  321.  330. 

Vasonne,  de  la  General  262. 
Velthen,  Johann,  (Velthem,  Velden, 
Veltheim)  102—129. 

Velthen,  Katharina  Elisabeth  1 1 9. 

126.  134.  138. 

Venedig  47. 

Verdrüssliche,  der  120. 

Verdun,  Demoiselle  345.  366. 
Vignani  237. 

Vincent,  Dem.  273. 

Vincent  ins,  Ladislaus  31.  34. 

Vogt  394. 

Voltaire  212.  254.  355. 

Voltini  289. 

Vorhang  74.  139  348. 

Waes  er,  Johann  Christian  307. 
Wagner,  Heinrich  Leopold  26.  323. 
350—360.  364—367.  370—375. 


Wagner,  Dr.  H.,  224.  358. 
Waitzhoffer  und  Frau  289.  293. 
von  Wallerotty, Gerwaldi  (Bellrotty, 
Waldrody)  173.  175.  188-196.  219. 
225.  237. 

Wandertruppe,  die  erste  17. 

W  ar t  b  u  r  g ,  die  43. 

Webster,  Georg  (John)  43 — 45.  50. 
Weiber,  die  lustigen  von  Winsor  34. 
Weibliche  Darstellerinnen,  erste  77. 
Weikhmann  293. 

Weimar  248.  321. 

W  e  i  n  1  a  Seger.  208. 

Weise,  Christian,  Rektor  105. 
Weiskern,  Friedrich  Wilhelm  289. 
We  i  s  s  e  ,  Schauspieler  162. 

We  i  s  s  e  ,  Nina,  Schauspielerin  399. 
Weissenf  eis,  Herzog  von  134. 
Werthheim,  217. 

Wetzlar  313.  329.  380. 

W  e  z  e  1 1  148. 

Wie  kr  am,  Jörg  12. 

Wieland  321.  324. 

Wien  53.  77.  89.  97.  100.  131.  143. 
232.  307.  395. 

Wi  ene  rische  Compagnie  106 — 115. 

—  Komödianten  1 45. 

Winkler,  Johann  Joseph,  Prediger, 
127.  _ 

Winzinger  162. 

Wittenberg,  Licent.  353. 

Witter,  Professor  1 73. 

Wolf  317. 

Wolfenbüttel  22. 

Wolf  fr  am  200.  214.  320. 
Wolfseck,  Gasthof  zum  64.  69.  73. 
Wolgehaben,  Johann  97. 
Worcester,  Graf  von  21. 

Worms  6.  57.  103. 

W  ii  r  z  b  u  r  g  148. 

Wursthänsel  35.  36. 

Zademack,  Schauspieler  399. 
Zahubre  cli  e  r  149. 
von  Zimmern,  Caspar  92. 

Zink  385. 

—  Demois.  344.  353.  365. 
Zuccarini,  Schauspieler  348.  370. 
375. 

Z  ü  n  f  t  e  16. 

Zw  i  Hinge,  die  358. 


PAR  F  E  R  M  I  $  S  I  O  N 

DE  MONSEIGNEUR 

LE  MARECHAL  DUC  DE  BROGLIO 

Et  DE  MESSIEURS  LES  MAGISTRATS 

de  la  Ville  Libre  de  Francfort 

LES  COMEDIENS  DE  SA  MAJESTE  TRES-CHRETIENNE 
LE  ROI  DE  FRANCE. 

Donneront  aujourd’hui  Mercredy  7.  May  1760 

LES  BOURGEOISES  A  LA  MODE 

Comedie  en  profe  en  cinq  Actes  de  Dancourt.  Suivie 

DU  COCS  DU  YILLAGE, 

Opera  Comique  en  un  A&e  ,  terminee  par 
LE  BALLET  PANTOMIME, 

Danfe  par  un  jeune  garcon  age  de  fept  ans ,  &  par  Mlle.  Regnaulc 
qui  a  ete  redemandee. 

>  En  attendant  Ninette  a  Ja  Cour ,  La  Reunion  des  Amours, 

&  la  Soiree  des  Bouivards. 


On  commencera  ä  f.  heures  &  demie  precifes,  on  paiera  aux  premieres  Loges 
&  Amphiteatre  un  florin ,  au  Parquet  40.  Kreutzer. 

Ceft  a  la  grande  Salle  du  Concert  aux  Junghof. 

Monfr.  Bacher  demeurant  chez  le  Menuifier  Artz  der  12m  !e  Schlimmauer  chez  lequelle  an 
teut  avoir  le  Billet  du  malin  jufqu’ä  irois  heures  l’apres  midi. 

$?it  (gtlaubnuS  Cgjtrcellcnä 

M  -öcrni  'ES?arfcf)aü»  1111b  »011  BROGLIO» 

tttlD 

n e ^  -jpoc&lobl.  93?aßiffrafe$ 

bet  Äai;fcrlic!)cn  Sreotm  0?cicl>s'  *  Sßabl « unb  .panbcfö  ?  ©tabt  grartcffurt 
DOcrbcit  beute  mittwochs  ben  7.  Vfiay  1760. 

!te  §waiwf(pe  S,., . , 

Metd)riftlief)ften  $6ni$$  ton  grati(?rd4 

2luff  ihrem  ©cfjcui  *  '$Ia|e  auffübren : 

Da$  fuirgerfick  grauen^tmmer  mti)  kr 

<Jin  «profatfetjeß  euftfptd  ln  5.  SJufjucjeii/  bom  ©atxourf.  h  erauf  folgt 

Der  $ül)n  auf  km  Dorfe  f 

eine  Q[omifcf>e  Optra  in  einem  Jluftuge. 

©en  t>olii$en  25efd)(ui$  mad)t  ein  spantornimifdjeö  fallet, 

Unb  tptrb  bon  einem  Snabcn  bon  7.  3«Ör  uns  ber  ®üe.  SHcgnauIt 
aufgefü&rt,  tüelcbcß  normalen  Begehrt  rjoibcn. 

tü?an  wirb  ebeftens  Dfinette  am  £ofe  ,  Ne  Sieben 
toeretntgtmcj ,  jc.  auffüken. 


5Öe  c  Anfang  iff  präcife  um  b«lb  G  Uhr .  £>ic  ^'erfon  jablet  auf  bcti  erffen  Segen  unO 
Slmpbiteater  1.  ©ulben  ,  anff  bem  jvoepten  Q3 Ia&  40.  5vreu|er. 

Ser  ©dxiupiatj  iß  in  bem  großen  Concert  sBättle  jttui  3ungbof. _ 

■ - 1 —  11  im— w  Hin—  innwiM  — nr  ji  1  iiy ii---uj«MiwiiiTil|T r—  --  — — *-•  —'~~****i**tl 

SSBec  $8iUetö  »erlanget,  beliebe  folc&e  bep  .perrn  i$acbec  abjubole»,  ber  an  ber  ©cblitw 
mauet/  bei)  Dem  ©cbreiner  5  CÖlcißet  Slrljt  roobnet,  unb  »on  SKorgenö  biß 
um  3.  Ut?c  5j?ad}mittagö  gnjutceffen  ifl.